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NACHALTIGES HANDWERK

Nachhaltigkeit: Kleine Schritte, große Wirkung

VOM MODEWORT ZUR GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNG UNSERER ZEIT. WIE EIN NACHHALTIGER UMGANG MIT RESOURCEN UNSERE ZUKUNFT POSITIV BEINFLUSSEN KANN.

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Jeder von uns ist mit dem Begriff Nachhaltigkeit schon mal in Berührung gekommen. Das Thema Nachhaltigkeit steht im Mittelpunkt politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Diskussionen, im Unternehmen, in Organisationen und Privatleben. Manche bezeichnen die Nachhaltigkeit als Modewort, das plötzlich mit allen möglichen Dingen in Verbindung gebracht wird. Andere wiederum sehen die Frage, wie wir eine nachhaltige Entwicklung unserer Welt gestalten können, als die größte Herausforderung unserer Zeit an. Fest steht: Wir stehen mitten in einem Transformationsprozess, der alle Lebensbereiche berührt. Die Handwerksbetriebe spielen dabei eine entscheidende Rolle. Jeder Einzelne kann einen konkreten Beitrag leisten und die Zukunft positiv mitgestalten.

DIE ENTSTEHUNG DES BEGRIFFS NACHHALTIGKEIT: EIN BLICK IN DIE GESCHICHTE

Der Ursprung des Begriffs und seiner Bedeutung liegt in der Forstwirtschaft. Holz war im 18. Jh. der wichtigste Rohstoff. Er wurde als Energieträger zum Kochen oder Heizen ebenso gebraucht, wie in der Produktion bis hin zum Bau von Gebäuden und Schiffen. Der hohe Verbrauch hatte zur Folge, dass weite Teile Europas entwaldet wurden. In Sachsen spielte zur damaligen Zeit der Silberbergbau im Erzgebirge eine wirtschaftlich zentrale Rolle. Der übermäßige Holzabbau für den Ausbau der Gruben, wie auch der Abbau des Erzes und für die Schmelzöfen führte zu einer Holzknappheit. Johann „Hannß“ Carl von Carlowitz (1645-1714) war zu dieser Zeit Oberberghauptmann am kursächsischen Hof in Freiberg. Carlowitz griff das Problem auf und formulierte 1713 in seinem Werk „Sylvicultura oeconomica“ erstmals, dass in der Forstwirtschaft immer nur so viel Holz geschlagen wird, wie durch planmäßige Aufforstung nachwachsen kann.

In den folgenden Jahrzehnten war der Begriff Nachhaltigkeit in seinem Kern vordergründig noch mit dem Umweltschutz verbunden. In den USA entstanden prägende Gesetzesbeschlüsse. Beispielsweise entstand daraus in der Folge auch die Umweltverträglichkeitsprüfung. Darin werden die erheblichen, durch die Umsetzung des Planes oder Programms zu erwartenden Auswirkungen auf die Umwelt ermittelt, beschrieben und bewertet. Ziel ist es so vorbeugend zu agieren und tiefgreifende Umweltbelastungen zu vermeiden.

Ursprung in der Forstwirtschaft © Adobe Stock

DER CLUB OF ROME UND DIE GRENZEN DES WACHSTUMS

Neben der regulatorischen Ebene über Gesetze hatten vor allem weitere Initiativen einen maßgeblichen Einfluss auf die zunehmende Sensibilität für das Verständnis rund um den Begriff Nachhaltigkeit. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang der Club of Rome. Die gemeinnützige Organisation wurde 1968 von Experten aus unterschiedlichen Bereichen mit dem Ziel gegründet, sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit einzusetzen. Der Club of Rome war auch Auftraggeber der Studie „Die Grenzen des Wachstums“, welche das Systemverhalten des Planeten als Wirtschaftsraum bis zum Jahr 2100 simulierte. Das Forscherteam mahnte, dass ein entschiedenes Handeln im Umweltschutz sowie der Nutzung natürlicher Rohstoffe für ein ökonomisches und ökologisches Gleichgewicht unabdingbar sei.

SAVE THE DATE!

Tag des Handwerks 2022

Wann? Samstag, 8. Oktober 2022, 9 Uhr Wo? NOI Techpark

Das detaillierte Programm wird noch rechtzeitig kommuniziert.

ÜBER DIE AGENDA 2030 ZU DEN 17 NACHHALTIGKEITSZIELEN

Über die UNO-Konferenzen entwickelte sich nach und nach das Verständnis, dass die Nachhaltigkeit in Verbindung mit den drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales steht. Die UNO-Konferenz im Jahr 2012 in Rio de Janeiro gilt als Startpunkt für die Agenda 2030. Sie beinhaltet die 17 Nachhaltigkeitsziele, an denen wir uns heute orientieren.

DIE KLIMAKONFERENZ IN PARIS

Prägend für den Weg hin zu einer nachhaltigen Entwicklung ist auch die Klimakonferenz in Paris, bei der sich die Staaten 2015 verpflichtet haben, die Weltwirtschaft auf klimafreundliche Weise zu verändern. Vorrangiges Ziel ist es, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst unter 1,5 Grad Celsius zu beschränken.

HANNES MUSSAK lvh-Vizepräsident

Tue Gutes und rede darüber

Das Handwerk ist eine tragende Säule in Südtirol. Nachhaltiges Handeln ist für das Handwerk kein Trend, sondern wird bereits über Jahrhunderte gelebt. Wie drückt sich dies aus Ihrer Sicht aus?

Wir müssen uns darüber bewusst werden, was schon gut läuft. Südtirols Handwerk ist Teil der Städte und Dörfer in Südtirol. Die Handwerkerinnen und Handwerker geben jungen Menschen die Möglichkeit einer beruflichen Ausbildung mit Zukunft und sind vor Ort da, wenn Hilfe gebraucht wird. Egal ob bei der Feuerwehr, im kulturellen, im sportlichen Bereich oder der Gemeindepolitik. Auch der nachhaltige Umgang mit den Ressourcen ist im Handwerk fest verankert. Das Handwerk schafft lokale nachhaltige Wirtschaftskreisläufe.

Was kann jeder Einzelne tun, um dies sichtbar zu machen?

Ein bekanntes Sprichwort lautet: Tue Gutes und rede darüber. Ich glaube das sollten wir im Handwerk noch stärker tun. Wenn wir mitgestalten wollen, dann müssen wir uns bei Diskussionen vor Ort in der Gemeinde, im Ehrenamt und darüber hinaus aktiv einbringen. Zudem haben wir auch die Möglichkeit unsere Kunden beim Thema Nachhaltigkeit aktiv zu unterstützen. Als Handwerkerin und Handwerker beraten wir unsere Kunden für die bestmögliche Lösung. Der Kunde ist nicht allein, er hat uns und damit auch einen Experten vor Ort an seiner Seite. Jeder von uns kann so ein Botschafter für eine nachhaltige Zukunft sein.

Wenn Sie an die Zukunft denken, wo kann das Handwerk insgesamt noch nachhaltiger werden?

Ich bin überzeugt, dass es nicht die eine Lösung beim Thema Nachhaltigkeit gibt, sondern viele kleine Lösungsansätze. Einige Bereiche treffen aber dennoch gleichermaßen auf alle Betriebe zu. Ich denke da an das Thema erneuerbare Energien. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir im Handwerk stärker nachhaltige Energiequellen einsetzen können. Zeitgleich geht es auch darum, Energie einzusparen. Ein weiteres Thema ist die Mobilität. Gerade bei Kurzstrecken sollten wir uns auch Alternativen anschauen. Nicht zuletzt kann auch jeder Betrieb seine Wertschöpfungskette unter die Lupe nehmen, um seine Abläufe nachhaltiger zu gestalten. Der lvh steht den Mitgliedsbetrieben bei der Strategie- und Innovationsentwicklung beratend zur Seite.

Blick in die Praxis: Viele kleine Schritte erzeugen eine große Wirkung

Bewusst nachhaltig leben klingt einfach. Was es schwierig macht ist die Fülle an Vorsätzen, mit denen wir konfrontiert sind. Beim Thema Nachhaltigkeit gibt es nicht die einzig richtige Herangehensweise. Was auf jeden Fall hilft ist der Weg über kleine Schritte. Nachhaltigkeit ist ein Prozess und der braucht Zeit.

BETRACHTUNG DER THEMEN UND SETZEN VON MASSNAHMEN:

Das Handwerksunternehmen möchte in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Soziales nachhaltiger werden. Zielführend ist, wenn das Unternehmen zu jeder der drei Dimensionen konkrete Themenbereiche angeht und Schritt für Schritt Maßnahmen umsetzt.

BEISPIEL ÖKOLOGISCHE DIMENSION:

> Das Unternehmen installiert auf dem Dach eine

Photovoltaikanlage, um den Energiebedarf nicht über fossile, sondern erneuerbare Energiequellen abzudecken. > Gleichzeitig setzt das Unternehmen auf energiesparende Maßnahmen und tauscht die derzeitigen

Lichtquellen im Betrieb mit stromsparenden aus. > Abfallmanagement: Das Unternehmen überdenkt die Verpackung der hergestellten Produkte und reduziert oder ersetzt den Einsatz von Plastik. BEISPIEL ÖKONOMISCHE DIMENSION:

> Das Unternehmen setzt die Digitalisierung dafür ein, ressourcenschonender zu arbeiten. > Das Unternehmen prüft das aktuelle Geschäftsmodell. Über einen Innovationsprozess entsteht ein neues Produkt, das umweltverträglicher ist. > Das Unternehmen setzt frühzeitig Maßnahmen für die langfristige finanzielle Stabilität. Die kurzfristige Gewinnmaximierung rückt in den Hintergrund.

Beispiele sind: Erhöhung der Eigenkapitalquote und Senkung des Verschuldungsgrades.

Investition in Ausbildung © Adobe Stock

BEISPIEL SOZIALE DIMENSION:

> Das Unternehmen setzt für Mitarbeiter Maßnahmen im Bereich Gesundheit, die über die gesetzlichen Mindeststandards hinausgehen. Beispielsweise indem das Unternehmen die Mitarbeiter im Bereich der Gesundheitsvorsorge finanziell unterstützt. > Das Unternehmen bietet Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten für seine Mitarbeiter an. > Das Unternehmen setzt Maßnahmen im Bereich

Familie und Beruf. Beispielsweise über Beiträge zur Nutzung von Kindertagesstätten oder indem es den Mitarbeitern Freiräume für die ehrenamtliche

Tätigkeit ermöglicht.

Wenn wir uns für die Strategie der vielen kleinen Schritte entscheiden, werden wir irgendwann feststellen, dass wir Großes erreichen können. Ist eine Maßnahme erfolgreich umgesetzt, können wir die nächste angehen. Jeder von uns kann demnach einen konkreten Beitrag leisten und das Thema Nachhaltigkeit zu seinem Erfolgsweg für eine gute Zukunft machen.

Papier statt Plastik in der Verpackung

© Adobe Stock

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