Wirtschaftszeitung - das Unternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung | Juni 2019

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Das Unternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung

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Ausgabe 2 /

Preis: 2,90 €

Unternehmer & Unternehmen

Die Ost-Asse der mitteldeutschen Wirtschaft

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Johannes Ludewig war lange Jahre Ost-Beauftragter der Bundesregierung. In einem Gastbeitrag beurteilt er die Lage. Seite 9

Forschung & Innovation

Eric Weber ist Chef der Start-upSchmiede Spinlab. 85 Prozent der 59 bislang von ihm betreuten jungen Firmen haben überlebt. Seite 19

Leben & Stil

Es ist fast 30 Jahre her: Maßgeblich initiiert von den friedlichen Protesten in Leipzig und anderen ostdeutschen Städten wurden am 9. November 1989 die Grenzen geöffnet, fiel die Berliner Mauer. Sie verwandelte sich von einem „Bauwerk der Furcht“ zu einem „Ort der Freude“, befand der frühere Bundespräsident Horst Köhler. Die Wiedervereinigung kam unaufhaltsam. Die LVZ-Wirtschaftszeitung beschäftigt sich daher in dieser Ausgabe schwerpunktmäßig mit dem Aufbau Ost.

Er war und ist ein beispielloser Umbruch in der deutschen Geschichte. Zigtausende Betriebe, die zumeist nicht mehr wettbewerbsfähig waren, wurden abgewickelt – mit allen negativen Konsequenzen für die Arbeitsplätze. Im Gegenzug gründeten ebenfalls Zigtausende Ostdeutsche eine eigene Fir-

Sie gehören zu den Assen der mitteldeutschen Wirtschaft: Martin Buhl-Wagner (von links), Dirk Thärichen, Bodo Rodestock und Stefan Traeger. Sie haben eine weitere Gemeinsamkeit: Sie wurden in Ostdeutschland geboren.

ma und schafften den Sprung in die Marktwirtschaft.

Wie der Frankenhainer Baubetrieb Arlt, der allen Bau- und Finanzkrisen erfolgreich trotzte und weiter auf stabilem Kurs ist. Ebenso erfreulich ist, dass viele traditionsreiche Ost-Marken überlebten.

Wir haben mit Managern gesprochen, die hier im Osten geboren wurden und inzwischen Spitzenpositionen in Unternehmen erklommen haben. Und die auch, wie Flughafen-Vorstand Johannes Jähn, merken, dass die Luft dort gelegentlich so dünn ist, dass die in diesen Gremien üblichen Zeitverträge vorzeitig aufgelöst werden können. Im überdurchschnittlichen Gehalt ist eben auch ein Stück Schmerzensgeld und Risikozulage enthalten.

Die Zahlen und Fakten sprechen dafür, dass beim Aufbau Ost eine Menge passiert ist. Wie Ifo-Experte

Joachim Ragnitz anmerkt, ist die Wirtschaftskraft der neuen Länder preisbereinigt seit 1991 um 130 Prozent nach oben geschnellt. Lag die Produktivität damals im Durchschnitt nur bei 45 Prozent des westdeutschen Wertes, so sind es heute immerhin 82 Prozent. Die Löhne erreichen im Schnitt 81 Prozent des West-Niveaus. Der Rückstand liegt auch daran, dass es hier kaum große Konzerne gibt mit den entsprechend hoch bezahlten Vorständen sowie Forschern und Entwicklern. Zudem ist der Anteil der Branchen, in denen überdurchschnittliche Löhne an der Tagesordnung sind, in der alten Bundesrepublik höher als zwischen Ostsee und Erzgebirge.

All das macht deutlich: Es ist viel erreicht worden, aber noch viel zu tun.

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Dirk Knofe Michael Theis ist zwar ein gebürtiger Westdeutscher. Doch der Chef des Leipziger Stadtkonzerns ist hier in Leipzig voll integriert. Seite 6 Geld & Märkte Christian Albert Jacke war von 1990 bis 1997 Wirtschaftsbeigeordneter in Leipzig. Er schuf die Voraussetzungen für Großinvestitionen. Seite 25 Monika Skolimowska André Kempner André Kempner
2019

Inhalt

Unternehmer & Unternehmen

Heuschrecken auf Schmusekurs

Von Ulrich Milde

Franz Müntefering, damals SPD-Vorsitzender, nannte sie vor vierzehn Jahren Heuschrecken. Zumindest zum damaligen Zeitpunkt war das eine alles andere als abwegige Bezeichnung der Methoden, mit denen Finanzinvestoren die bundesrepublikanische Wirtschaft durcheinanderwirbelten. Mit verantwortungsvoller Firmenpolitik und Strategie hatte das Gebaren vieler Private-Equity-Firmen in der Tat wenig zu tun. Kaufen, plündern, weg damit – so lautete vielfach das Motto anglo-amerikanischer Raubtierkapitalisten. Ein Beispiel: Der Gründer der Autowerkstattkette ATU verkaufte aus Panik, keinen Nachfolger zu finden, sein lukratives Unternehmen an Finanzinvestoren. 2004 stieg die US-Firma Kohlberg, Kravis Roberts (KKR) ein. Sie interessierte sich allerdings kaum für den erworbenen Betrieb und dessen Weiterentwicklung. Den Kaufpreis von 1,45 Milliarden Euro bürdete sie zu einem wesentlichen Teil ATU auf. Das Unternehmen musste sich entsprechend verschulden und taumelte in die Krise. KKR erwies sich als eine Art Eigenkapitalräuber. Ähnliches geschah beim Herrenausstatter Hugo Boss. Finanzinvestor Permira als Mehrheitsanteilseigner ließ in einem Jahr die Schulden kräftig aufstocken, um die Dividende auf 445 Millionen Euro massiv zu erhöhen. Permira zahlte mit dem Geld einen Kredit zurück.

Elf Jahre ist das her, und glücklicherweise hat sich das Bild inzwischen arg gewandelt. Heutzutage beweisen die Private-Equity-Gesellschaften zumindest mehr Geduld mit den erworbenen Firmen, helfen dabei, sie weiterzuentwickeln, um dadurch den Wert zu steigern. Dass dann in einigen Jahren versucht wird, den Anteil oder gar die ganze Firma mit einem deutlichen Aufschlag wieder zu veräußern, ist nicht ehrenrührig. Positiv wirkt sich aus, dass die Finanzinvestoren heute in der Regel so viel Geld eingesammelt haben, dass sie keine Bankkredite mehr benötigen.

Das verringert den Druck, sich den Kaufpreis indirekt von der erworbenen Firma so rasch wie möglich zurückzahlen zu lassen.

Es muss auch nicht automatisch schlecht sein, dass Private-Equity-Gesellschaften häufig zu aktivistischen Investoren werden und Druck auf die Unternehmensführung machen. So manche Konzernspitze hat sich bequem eingerichtet, lässt das nötige Engagement missen und kann keine klare Zukunftsstrategie entwerfen. Diesen Vorständen Beine zu machen, ist ohne Zweifel richtig.

Es spricht für die Entwicklung der Betriebe in den neuen Bundesländern, dass sie inzwischen für Finanzinvestoren attraktiv geworden sind. Und das liegt nicht vorrangig am reichlich vorhandenen Kapital, das Anlagemöglichkeiten sucht. Sondern in erster Linie daran, dass viele der hiesigen Firmen sich schlicht und einfach gut entwickelt haben. Und wenn es dann schwierig ist, einen geeigneten Nachfolger zu finden, dann ist es zumeist sinnvoller, das Unternehmen an einen Finanzinvestoren zu veräußern anstatt an einen Konkurrenten, der womöglich die Marktbereinigung im Sinn hat. Ersteres sichert in der Regel auch den Sitz hier im Osten. Es ist zu hoffen, dass die Finanzinvestoren ihre wilde Zeit als Heuschreckenplage ein für alle Mal überwunden haben. Ein wachsames Auge auf ihre Aktivitäten ist aber gleichwohl angebracht.

Impressum

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Redaktionsleitung: Ulrich Milde

Redaktion: Dr. Ulrich Langer, Frank Schmiedel, Bert Endruszeit, Juliane Groh, Nannette Hoffmann, Nadine Marquardt, Stefan Michaelis,

Layout: Christiane Kunze

Vermarktung: Arne Frank

Projektleitung: Ilka Mareen Fischer

V.i.S.d.P.: Jan Emendörfer

Verlag und Herstellung: Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft mbH & KG

Peterssteinweg 19, 04107 Leipzig. Geschäftsführer: Björn Steigert, Adrian Schimpf

Druck: Pressedruck Potsdam GmbH

Auflage: 20 000

Nächster geplanter Erscheinungstermin: September 2019

Preis: 2,90 Euro

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Von Ulrich Langer Schön, dass sie noch leben: Ost-Produkte wie das Spülmittel Fit aus Zittau oder die Riesaer Nudeln oder die Multicar-Fahrzeuge aus Waltershausen. Auch Rotkäppchen-Sekt aus Freyburg und Radeberger Bier sind zu nennen, der Kranbauer Kirow aus Leipzig, die Nuss-Nougat-Creme Nudossi aus Radebeul, und, und, und. Klar war nicht von vornherein, dass ostdeutsche Marken so zahlreich den Sprung in das stürmische Becken der Marktwirtschaft überstehen würden. Untergehen war nach der Wende leider nicht zu selten für viele hiesige Erzeugnisse angesagt.

Ärgerlich. Jedoch hatte das natürlich die unterschiedlichsten Gründe. Mitunter spielte mangelnde Qualität die entscheidende Rolle für die Ablehnung. Manchmal verursacht durch überholte Produktionsmethoden, manchmal durch Unwissenheit und Unfähigkeit. Dies rasch abzustellen, war leichter gesagt als getan. So hing die betriebliche Effizienz und Wirtschaftlichkeit oftmals dem West-Rivalen hinterher.

Hinzu kam ein Wegbrechen früherer Absatzmärkte.

Ob Moskau nach dem Mauerfall in Sachsen oder Bayern bestellte, machte nach Einführung der D-Mark faktisch keinen Unterschied mehr. Über Nacht waren hiesige Dinge genauso teuer wie die aus den alten Bundesländern. Die dortigen Kapazitäten hochzufahren, um den riesigen Ost-Block mit den Waren überschwemmen zu können, ist meist ebenfalls kein oder zumindest kein größeres Problem gewesen. Hohe Produktivität auszuspielen ist in der Regel einfacher, als dieses Niveau erst einmal zu erklimmen. Ein Neuaufbau der Betriebe, worauf dies so mancherorts hinauslief, lohnte sich oftmals gar nicht. So verschwanden peu à peu DDR-Marken in der Versenkung – und zwar auf Nimmerwiedersehen.

Jedoch sind an dieser Entwicklung auch die ostdeutschen Verbraucher selbst mit schuld. „Sachen aus dem Westen sind von vornherein besser als unsere“ – diese Meinung ist zwischen Rügen und dem Erzgebirge seit Jahren verbreitet gewesen. Einheimisches war in der Nachwendezeit verschmäht und

fand so rasch keinen Absatz mehr, was zahlreiche Betriebe in die Pleite führte.

Zum Glück zwang all das den Osten trotz allem nicht in die Knie. Der berühmt-berüchtigte mitteldeutsche Erfindergeist – die Melitta-Filtertüte stammt zum Beispiel aus Dresden, der erste Farbfilm aus Wolfen, die Multispektral-Kamera zur kosmischen Fernerkundung der Erde aus Jena – haben sich die oftmals hochausgebildeten Fachkräfte hierzulande nicht nehmenlassen. Der erste FCKW-freie Kühlschrank entstand folgerichtig im erzgebirgischen Scharfenstein. Dass er dennoch die Schließung des Betriebs nicht verhindern konnte, ist tragisch – allerdings dem Marktmechanismus geschuldet. West-Firmen, die die Erfindung seinerzeit als unsinnig und unökonomisch verteufelten, nutzten den genialen Einfall und konnten – dank ihrer finanziellen Größe – die Geräte schließlich viel preiswerter auf den Markt bringen. Die Forscherlust lebt im Osten dennoch weiter. Im brandenburgischen Schwarzheide etwa haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung einen Bio-Kunststoff entwickelt, der aus Mais, Holz, ja sogar aus Bio-Abfällen hergestellt wird. Bald können Folien daraus produziert werden, die genauso reißfest, luft- und wasserdicht sind wie herkömmliche Verpackungsfolie für die Lebensmittelindustrie. Längst auf dem Markt ist hingegen der von Verbio mit Sitz in Leipzig entwickelte und produzierte Bio-Kraftstoff aus Strohballen. Tolle Beispiele für die Leistungsfähigkeit der neuen Länder.

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Der Braunkohle-Betriebsratschef 3 Uwe Bruchmüller gestaltete in Bitterfeld den Umbruch Der Rückkehrer aus dem Westen 4 Martin Buhl-Wagner ist Chef der Leipziger Messe Wende mit der Wende 5 Bodo Rodestock orientierte sich nach Mauerfall um Vom Wessi zum Ossi 6 Michael Theis führt die Geschäfte des Leipziger Stadtkonzerns Ost-Manager mit West-Erfahrung 7 Der Aufstieg von Dirk Thärichen und Stefan Traeger Ostalgie mit Zukunft 8 DDR-Produkte, die überlebt haben Geld & Märkte Die neuen Länder am Wendepunkt 9 Gastkommentar von Johannes Ludewig Struktureller Nachteil 10 Ifo-Experte Joachim Ragnitz im Interview Beruflicher Neustart nach der Wende 11 Kerstin und Harald Arlt gründeten Baubetrieb Tops und Flops 12 Von großen Ansiedlungen und riesigen Pleiten Kristian Kripals Kohle-Konzept 13 Leipziger IHK-Präsident zum Strukturwandel Ein Familienvater aus Süddeutschland 14 Hans-Jürgen Mundinger leitet Goldschmidt-Thermit Business-Class 15 Neues aus den Chefetagen Finanzinvestoren haben den Osten entdeckt 16 Deutsche Bank sieht Vorteile von Private-Equity-Firmen Forschung & Innovation Forschung in Leipzig 17 Überblick über die wissenschaftlichen Einrichtungen Forschung macht Region attraktiver 18 HHL-Rektor Stephan Stubner im Interview Der Aufbauhelfer 19 Eric Weber managt das Spinlab Digitale Sicherheit 21 Rhebo wehrt Angriffe auf Computernetzwerke ab Autokauf von der Couch 22 Hallenser Unternehmen mit pfiffigen Neuerungen Neuer Chef im Stelzenhaus 23 Konrad Sell leitet das Social Impact Lab Buna lebt 24 Christoph Maier leitet den historischen Chemie-Standort Leben & Stil Der Überwinder des Stillstandes 25 Ex-Wirtschaftsstadtrat Christian Albert Jacke blickt zurück Ein Leipziger, der Filmgeschichte schreibt 26 Hans-Werner Honert produzierte „In aller Freundschaft“ Theater und Film setzen auf Know-how aus Lödla 27 Hut und Putz AHB beliefert Festspiel-Welt Der Tonzauberer 28 Geithainer Joachim Kiesler ist Marktführer für Studiolautsprecher Frauen-Power 29 Neues von unserem Wein-Experten Uwe Köster Das Boss-Büro 30 Ute Steglich von der Firma ASL Mit Service gegen Online-Konkurrenz 31 Aktion von Leipzig Media
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Ulrich Milde, Redakteur der Wirtschaftszeitung Ulrich Langer, Redakteur der Wirtschaftszeitung
Christian
Christian
Totgesagte leben länger
Modla
Modla Kommentar

Der BraunkohleBetriebsratschef

Er spaziert gerne an den Ufern des Großen Goitzsche-Sees entlang. „Schön ist das hier geworden“, sagt Uwe Bruchmüller über das mehr als 13 Quadratkilometer große Gewässer in Bitterfeld-Wolfen, das heute eine touristische Attraktion darstellt. Wenn der 55-Jährige dort ist, dann kommen fast automatisch Erinnerungen an frühere Zeiten hoch. Von 1908 bis 1991 wurde dort Braunkohle gefördert. Nach dem Ende des Abbaus wurden die Tagebaurestlöcher geflutet. Bruchmüller hat früher selbst im Volkseigenen Betrieb (VEB) Braunkohlekombinat Bitterfeld erst seine Ausbildung zum Elektromonteur absolviert, später dort gearbeitet. Er hat den Zusammenbruch der DDR und die Umstrukturierung der ostdeutschen Wirtschaft hautnah miterlebt – und letztere mitgestaltet. Als freigestellter Betriebsratsvorsitzender war er maßgeblich beteiligt am Abbau Tausender Arbeitsplätze im Kombinat und der Umwandlung in die Mitteldeutsche Braunkohlen Aktiengesellschaft, die Mibrag. Eine deutsche Lebensgeschichte, die es ohne die Wiedervereinigung so nicht gegeben hätte. „Das waren schon spannende Zeiten“, rekapituliert Bruchmüller.

Fluchtpläne abgesagt

Dem gebürtigen Ascherslebener, der in Bitterfeld aufwuchs und heute im Ortsteil Thalheim wohnt, war nach eigener Einschätzung eine berufliche Karriere im Kombinat verwehrt. Bruchmüller war „wie meine Eltern“ nicht in der SED oder einer der Blockparteien.

Sein Antrag, die Meisterschule zu besuchen, wurde abgelehnt, da er nicht bereit war, in die Partei einzutreten. Einschneidend war die Zeit seines Grundwehrdienstes. Nicht nur, weil er in den 18 Monaten lediglich sieben Mal nach Hause zu seiner Frau und dem gerade geborenen Sohn kam. „Es gab viele Erniedrigungen“, erinnert er sich. Unter anderem brach er sich, wie später festgestellt wurde, den Fuß. „Das wurde aber nicht ernst genommen und somit auch nicht behandelt.“ Später, zurück im Kombinat, habe die Kritik an den Missständen zugenommen. „Die Unzufriedenheit wurde immer größer.“ Er selbst hat jahrelang auf ein Auto gewartet, was für eine Familie mit Kind, die in Wolfen-Nord wohnte, den Alltag nicht einfacher machte. Im Mai 1989 kaufte er sich dann für

15 000  Ost-Mark einen acht Jahre alten Trabi, der als kostbarer Besitz in einer Garage in Bitterfeld untergestellt wurde. Den Weg zwischen der Garage und Wohnung legte Bruchmüller mit dem Moped zurück. „Im Juli 1990, gleich nach der Wirtschafts- und Währungsunion, verreckte der Motor“, erzählt er. Für 150 D-Mark hat er das Auto dann veräußert.

Gemeinsam mit vielen anderen Braunkohle-Beschäftigten fuhr Bruchmüller im Herbst 1989 zu den Montagsdemonstrationen nach Leipzig, die letztlich

30 000 Jobs mit

die Friedliche Revolution auslösten. Pläne, über Ungarn in den Westen zu fliehen, wurden wieder verworfen, „da meine Frau erneut schwanger war“. Als DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker am 18. Oktober 1989 abgelöst wurde, spendierte er seinen Freunden, mit denen er gerade im Elbsandsteingebirge unterwegs war, vor Freude spontan eine Runde Bier.

Im Kombinat wurde zu dieser Zeit begonnen, eine Interessenvertretung der Beschäftigten aufzubauen. Bruchmüller, der im Dezember 1989 aus dem FDGB ausgetreten war, machte aktiv mit, wurde später zum Chef des Betriebsrates gewählt und erlebte die Umwandlung vom Kombinat zur Aktiengesellschaft hautnah mit. Er wurde in den Aufsichtsrat gewählt und hatte in der Folge unter anderem mit TreuhandChefin Birgit Breuel (81), aber auch mit Klaus Murmann (er starb 2014 im Alter von 82 Jahren) zu tun. Der Chef der deutschen Arbeitgeberverbände saß dem MibragAufsichtsrat vor. „Wir hatten eine gute Zusammenarbeit mit der Treuhand“, sagt Bruchmüller, der wenig Verständnis für heutige Forderungen nach Aufarbeitung der Arbeit der Privatisierungsbehörde hat. „Was will man damit erreichen? Das macht keinen Menschen glücklicher.“ Auch an Murmann hat er gute Erinnerungen. „Er hat sich gegen die westdeutschen Energiekonzerne gestellt, die den Osten übernehmen wollten.“

wohnern führten zur raschen Außerbetriebnahme von Tagebauen und Brikettfabriken. Mit der Folge, dass massenhaft Beschäftigte zu viel an Bord waren. In den folgenden zwei Jahren wurden 30 000 Stellen gestrichen. Das verlief zwar auch dank staatlicher Instrumente wie Sozialpläne, Altersübergangsgeld oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zumindest im ehemaligen Kombinat relativ geräuschlos ab. Zumal 17 000 ehemalige Kohle-Kumpel aus Mitteldeutschland und der Lausitz beruflichen Unterschlupf in der Bergbau-Sanierungsgesellschaft LMBV fanden. „Aber welche Brutalität für den Einzelnen beim Gang in die Arbeitslosigkeit zu verspüren war, lässt sich bis heue in Gesprächen erfahren.“ Dass der Prozess dennoch weitgehend friedlich ablief, „zeugt von der hohen sozialen Kompetenz der damals verantwortlichen Menschen“. Die Arbeitsmarkthilfen seien „eine gigantische Leistung der deutschen Gesellschaft“.

Moderne Kraftwerke wie in Lippendorf und Schkopau waren das Ergebnis zahlreicher Aktivitäten zum Erhalt der Braunkohle. So warteten am 19. Dezember 1991 frühmorgens um acht Uhr 1000 Bergleute vor der Staatskanzlei in Dresden.

„Die versprochenen blühenden Landschaften – wir haben sie.“

Uwe Bruchmüller am Goitzsche-See, heute ein Natur- und Badeparadies.

Die Mibrag mit Hauptsitz in Bitterfeld zählte zur Wende knapp 57 000 Mitarbeiter. Zu den Betriebsstätten gehörten 20 Tagebaue, 24 Veredlungsanlagen, verschiedene Heizkraftwerke und Instandhaltungsfabriken. 1990 wurden 106 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert, zusätzlich 23 Millionen Tonnen Braunkohlebriketts und 3700 Gigawatt Strom erzeugt. „Die zeugt von der enormen Bedeutung des Unternehmens für die Volkswirtschaft, für warme Wohnungen und für ausreichend Licht in der Dunkelheit.“ Doch es galt, einen „einmaligen Strukturbruch so gut wie möglich zu gestalten“. Absatzeinbrüche der Braunkohle, Stilllegungen großer Abnehmer, erste Proteste von An-

Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (89) sicherte in diesem Gespräch die Unterstützung des Freistaates zu – ein Meilenstein für die Zukunft der Mibrag, die heute in Theißen bei Zeitz ihren Sitz hat und mittlerweile in tschechischer Hand ist. „Es wurden in dieser Zeit eine Vielzahl von Entscheidungen getroffen, für die es keine Zeit der Planung gab.“ Abends sei beschlossen worden, welcher Betrieb dichtgemacht werden musste, „am nächsten Morgen habe ich die Betroffenen informiert“, berichtet Bruchmüller.

„Glücksfall in meinem Leben“

Aber auch seine Zeit bei der Mibrag neigte sich dem Ende zu. Er bildete sich 1994 an der Sozialakademie in Dortmund weiter, wurde Sekretär der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie in Halle und war, nach deren Zusammenschluss mit den Chemikern,

später lange Jahre Bezirksleiter in Leipzig, danach stellvertretender Landesleiter in Baden-Württemberg. „Dort habe ich wichtige Erfahrungen gemacht, es gab keine negativen Erlebnisse wegen meiner ostdeutschen Herkunft.“ Dann der nächste persönliche Umbruch. Bruchmüller, Fan von Borussia Dortmund und Lok Leipzig, wechselte in die Privatwirtschaft und ist heute für eine Berliner Beratungsfirma tätig. Er wohnt weiter in Thalheim und engagiert sich in der Region unter anderem als Vorsitzender des Heimatvereins und der örtlichen CDU.

Für Bruchmüller steht fest, dass die deutsche Einheit „neben meiner Familie der größte Glücksfall in meinem Leben ist. Endlich konnte ich mich frei entfalten.“ Was nicht heißt, dass er den Einigungsprozess durch die rosarote Brille betrachtet. „Es gab eine Reihe von Verletzungen, die Leistungen der Ostdeutschen sind nicht genügend gewürdigt worden.“ Das gelte auch für Spitzenpositionen in der Wirtschaft. Da sind die neuen Länder unterrepräsentiert. „Selbst im geschäftsführenden Hauptvorstand der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie gibt es keinen Ostdeutschen“, kritisiert Bruchmüller. Es missfällt ihm auch, wenn in manchen Medien wie selbstverständlich über die 68er-Generation gesprochen werde. „Die gab es hier nicht.“ Übel stoßen ihm auch Vorstandsgehälter in Großkonzernen im zweistelligen Millionenbereich auf. „Das ist völlig aus den Fugen geraten und sprengt den Grundkonsens.“ Unabhängig davon macht er sich mit Blick etwa auf die Auto- und die Energiebranche Sorgen um die Zukunft der Wirtschaft. „Der Industriestandort wird von vielen verteufelt, dabei ist der die Grundlage unseres Wohlstandes.“

Dennoch zeigt Bruchmüller am Ende des Gesprächs zufrieden mit der Hand auf den See. „Die versprochenen blühenden Landschaften – wir haben sie.“

Beurteilung

„Kollege Bruchmüller ist als E-Monteur in der ETIWerkstatt und Veredlung tätig. Er ist ein guter Facharbeiter, sehr zuverlässig und korrekt in der Ausführung seiner Arbeiten. Im Winterdienst und bei der Erledigung zusätzlicher Arbeiten ist er zuverlässig. Kollege Bruchmüller beteiligt sich wenig oder gar nicht an der gesellschaftlichen Arbeit im Kollektiv. Seine politische Einstellung ist sehr kritisch und teilweise negativ. In Diskussionen findet er selten Anerkennung für unsere Erfolge in Wirtschaft und Politik.”

VE Braunkohlenkombinat Bitterfeld, Stammbetrieb

Leiter Instandhaltung, Leiter Abteilung Kader

4. September 1987

3 & Unternehmen Unternehmer
Uwe Bruchmüller steuerte als Chef der Arbeitnehmervertretung in Bitterfeld den Abbau von
Ulrich Milde (2)
Uwe Bruchmüller neben der am Goitzsche-See befindlichen Tagebau-Elektrolokomotive der Baureihe EL2. Sie kam früher beim Abbau der Braunkohle zum Einsatz, Bruchmüller arbeitete dort. Von Ulrich Milde

Der Rückkehrer aus dem Westen

Martin Buhl-Wagner kam wegen der Messe wieder nach Leipzig

Es klingt logisch, ist aber falsch. Martin Buhl-Wagner wurde zwar im Erzgebirge geboren, wuchs zunächst in Magdeburg, dann in Leipzig auf. Klar also, dass er 1995 wegen der sächsischen Stadt das Angebot annahm, zur Leipziger Messe Gruppe zu gehen. Doch der Manager, der just in diesen Tagen seinen 53. Geburtstag feiert, winkt ab. „Das war für mich keine Rückkehr nach Leipzig, sondern der Weg in das Messewesen“, erzählt er über die Entscheidung „für die Ausstellungsbranche“. Wobei früheres Wissen über die Region natürlich alles andere als schädlich war. Im Juli 2008 wurde er zum Geschäftsführer des Ausstellungsunternehmens berufen, zwei Jahre später übernahm er die Sprecherfunktion. Buhl-Wagner hat es nach oben geschafft.

Schon als Kind haben ihn die Messen in Leipzig begeistert. Die Familie machte regelmäßig die Wohnung frei für Messegäste, „schlüpfte solange bei den Großeltern unter“. Nach dem Schulunterricht war er Stammgast auf dem Technischen Messegelände, weil ihn die Geräte und Maschinen, die ausgestellt wurden, interessiert haben. „Das bunte Treiben hat mich auch fasziniert.“ Die Innenstadt war geschmückt und präsentierte sich ausnahmsweise nicht grau in grau. Kurzum: Das Messe-Virus hatte ihn befallen, was bis heute so geblieben ist und sich wohl auch nicht mehr ändern wird.

Buhl-Wagner wuchs in einem politisch sehr interessierten Elternhaus auf. Kein Wunder, dass er immer am politischen Geschehen regen Anteil nimmt.

Gelegentlich wurden im West-Fernsehen Bundestagsdebatten verfolgt. „Da haben wir manchmal gedacht: Was haben die für Probleme, wo bei uns doch der Laden zusammenfällt“, berichtet er. Die Familie siedelte schließlich 1986 aus politischen Gründen in die Bundesrepublik über. „Wir wollten dort leben, wo es offene Diskussionen gibt.“ Eine Rückfahrkarte gab es nicht. Doch so hundertprozentig wohl gefühlt hat Buhl-Wagner sich in Baden-Württemberg doch nicht. „Da war alles sehr saturiert.“ Folglich entschloss er sich nach dem Abitur, zum Studium nach West-Berlin zu gehen. „Ich wollte an dieser politischen Nahtstelle zwischen Ost und West leben.“

Zuvor arbeitete er mehrere Monate als Chauffeur und Gärtner in Südfrankreich und reiste später per Rucksack einige Monate durch das südliche Afrika

Am Abend des 9. November 1989 wurde er von Freunden aus dem Osten in seiner Berliner Wohnung angerufen. „Wir sind hier, vor der Kirche mit dem abgebrochenen Dach“, hieß es. Buhl-Wagner fuhr mit dem Fahrrad zur Gedächtniskirche und war in der Nacht auch auf der Mauer am Brandenburger Tor. „Natürlich habe ich nicht mit der deutschen Einheit gerechnet“, sagt der damals angehende Wirtschaftsingenieur, den die Kombination aus Technik und Betriebswirtschaft schon immer reizte. Diese Kombination hat sich später auch im Messewesen als sehr sinnvoll erwiesen.

Bei der Fairnet, einer Tochter der Leipziger Messe, gefiel ihm, dass er rasch Projektverantwortung übertragen bekam. Der Blick auf beide Welten, Ost wie West, war dabei hilfreich, denn er hatte und hat mit Ausstellern aus dem gesamten Bundesgebiet zu tun.

Zugleich erlebte er den Neubau des Messegeländes im Norden der Stadt mit, maßgeblich initiiert durch einen 300-Millionen-D-Mark-Zuschuss des Bundes. Eine anspruchsvolle Zeit, „da nicht alle westdeutschen Messeplätze uns unbedingt wollten“, erwähnt Buhl-Wagner. Die Messe-Märkte waren abgesteckt und verteilt, ein neuer Wettbewerber so nötig wie Sandimporte in die Sahara. Doch da sei vieles richtig gemacht worden, denn die Messe habe sich als wichtiger regionaler Wirtschaftsmotor erwiesen und sei heute ein internationaler Player im Markt. Dies sei ein klarer Beweis, dass die damalige Umstrukturierung als Erfolg verbucht werden kann.

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Widerrufsbelehrung:

Das war in der ostdeutschen Wirtschaft nicht überall so. Der Treuhandanstalt gelang es zwar, zahlreiche Betriebe zu privatisieren. Allerdings ging so manche Firma an wenig seriöse West-Investoren, manche andere an Unternehmer, die lediglich zum Zwecke der Marktbereinigung den Ost-Betrieb gekauft hatten.

„Es gab damals allerdings auch keine Blaupause“, gibt der Messe-Manager zu bedenken. Aber rückblickend – „da weiß man sowieso alles besser“ – wäre es wohl sinnvoller gewesen, wenn die Treuhand dem einen oder anderen Betrieb in den neuen Ländern mehr Zeit und Geld zur Verfügung gestellt hätte, um doch den harten Sprung in die Marktwirtschaft, verschärft durch das Wegbrechen osteuropäischer Absatzgebiete, zu ermöglichen, anstatt ihn abzuwickeln. Dann sähe die Wirtschaftsstruktur hier etwas anders aus, gäbe es nicht so viele verlängerte Werkbänke und Diskussionen um dauerhafte Transferzahlungen. Es dürfe auf keinen Fall vergessen werden, mahnt Buhl-Wagner, dass viele Westdeutsche hierher gekommen seien, „um auch aus Idealismus heraus zu helfen“. Logischerweise hätten diese dann auf ihre Netzwerke zurückgegriffen, die sie im Westen der Republik hatten. Das erkläre zum Teil, warum es auch heute noch relativ wenig Ostdeutsche in Führungs-

Die Ost-Exoten in den Dax-Vorständen

jobs in Wirtschaft und Verwaltung gebe. Ebenfalls sei bei einer ehrlich geführten Diskussion zu berücksichtigen, dass viele der damals für Top-Positionen infrage gekommenen Ostdeutschen nach dem Mauerfall schnell ihre Siebensachen gepackt hätten, um sich im Westen zu entfalten.

Ärgerlich wird Buhl-Wagner in der heutigen Ost-West-Diskussion, wenn über Manager geschimpft wird, die aus dem Westen kamen „und sich mit Haut und Haaren auf den Osten eingelassen haben“. Das sei unfair und diskriminierend. Das gelte auch für eine Quote für Ost-Manager. Er selbst wolle „weder Ostnoch West-Manager sein“.

In der Messe habe es kaum derartige Diskussionen gegeben. Die Zusammenarbeit mit seinem (West-) Geschäftsführer-Kollegen Markus Geisenberger (51) klappe hervorragend. „Er ist ein Gewinn für die Region.“ Zudem sei die Messe seit eh und je ein weltoffenes Unternehmen, da sei kein Platz für ein derartiges engstirniges Denken. Und überhaupt: Die nächste Generation an Führungskräften, die jetzt entwickelt werde, habe mit diesem Ost-West-Thema nichts am Hut. „Sie pflegen eine gesamtdeutsche und internationale Sichtweise.“ Es wächst also langsam zusammen, was zusammengehört.

In den größten bundesrepublikanischen Konzernen dominieren weiter die Westdeutschen

Es gibt 195 Vorstandsmitglieder in den wichtigsten deutschen an der Börse notierten Unternehmen. Davon sind in diesen Dax-Konzernen lediglich drei, die in Ostdeutschland geboren wurden. Bis vor wenigen Wochen waren es noch vier. Wobei zu berücksichtigen ist, dass einige Konzerne, wie SAP und die Telekom, die Herkunft ihrer Vorstände mehr oder weniger galant verschweigen. Der Osten, der auf einen Anteil an der bundesrepublikanischen Gesamtbevölkerung von rund 20 Prozent kommt, ist also hoffnungslos unterrepräsentiert. Selbst in den Chefetagen der Betriebe in den neuen Bundesländern sind heute, knapp 30 Jahre nach dem Mauerfall, lediglich ein Drittel Ostdeutsche. Das wird unter anderem mit den hier fehlenden Konzernzentralen und den nach der Wende abgewickelten Betrieben, an Ostdeutsche, die in den Westen gingen und an Westdeutsche,. die im Osten Führungspositionen übernahmen.

In den Dax-Konzernen sind folgende Ostdeutsche:

Hiltrud Werner (53) ist beim Wolfsburger Volkswagen-Konzern für Recht zuständig. Sie wurde in Bad Doberan geboren, erlernte den Beruf der Facharbeiterin für Textiltechnik (mit Abitur) in Mühlhausen. Dem schloss sie ein Ökonomie-Studium an der Universität Halle-Wittenberg an. Später arbeitete sie unter anderem für BMW, MAN und ZF Friedrichshafen.

Hauke Stars (52) ist im Vorstand der Deutsche Börse AG in Frankfurt für die Bereiche Cash Market und

Holger Hollemann

Thorsten Jansen, Deutsche Börse AG

Personal verantwortlich. Sie ist das einzige weibliche Mitglied im Vorstand. Stars wurde in Merseburg geboren, der Vater war Direktor eines Volkseigenen Betriebes in Potsdam. Sie studierte in Magdeburg Informatik, arbeitete später für Konzerne wie Hewlett-Packard, ThyssenKrupp und Bertelsmann.

Kathrin Menges (54) war bis zur Hauptversammlung Anfang April beim Düsseldorfer Henkel-Konzern Personalvorstand. „Aus persönlichen Gründen“, wie es hieß, stand sie für eine Vertragsverlängerung nicht zur Verfügung. Sie wurde in Pritzwalk geboren und machte in Potsdam den Abschluss als Diplom-Lehrer,

Rolf Vennenbernd Munich Re

Kathrin

Torsten Jeworrek ist seit 16 Jahren Vorstand der Munich Re.

wechselte kurz nach der Wende zur Bankgesellschaft Berlin und später zu Henkel. 2011 wurde sie in den Vorstand berufen. Sie war damit die erste Frau aus der ehemaligen DDR, die eine derartige Position in einem Dax-Vorstand erreichte.

Torsten Jeworrek (57) leitet bei der Munich Re im Vorstand das Rückversicherungsgeschäft. Er wurde in Oschersleben geboren und studierte später Mathematik an der Universität Magdeburg. Nach der Promotion war er dort vier Jahre als wissenschaftlicher Assistent tätig. 1990 wechselte er zu den Münchnern und wurde 2003 in den Vorstand berufen. mi

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Sie
André Kempner
„Es gab damals allerdings auch keine Blaupause.“
Martin Buhl-Wagner
Hiltrud Werner sitzt im Vorstand des Volkswagen-Konzerns. Hauke Stars arbeitet im Vorstand der Deutsche Börse AG in Frankfurt. Menges war bis Anfang April Personalvorstand bei Henkel. Grün und Glas: Martin Buhl-Wagner im Verwaltungsgebäude der Leipziger Messegesellschaft.

Wende mit der Wende

Nach dem Mauerfall orientierte Bodo Rodestock sich beruflich neu

Wenn der Leipziger Erdgaskonzern VNG an der Börse notiert wäre – der Aktienkurs wäre seit Längerem wohl kräftig gestiegen. Der Tiefpunkt vor vier Jahren, als, auch verursacht durch die Verunsicherung der Branche als Folge der Energiewende, ein Verlust von 53 Millionen Euro eingefahren wurde, ist längst überwunden. Mit einem Spar- wie Wachstumsprogramm gleichermaßen gelang es, das Ruder herumzureißen und wieder kräftige Gewinne zu erwirtschaften. Im vorigen Jahr betrug das Ergebnis 142 Millionen Euro. VNG, inzwischen eine Tochter des Karlsruher Energieriesen EnBW, ist mit einem Umsatz von 11,2 Milliarden Euro das umsatzstärkste ostdeutsche Unternehmen. Mitverantwortlich an dieser Wende zum Guten ist Bodo Rodestock, im dreiköpfigen VNG-Vorstand für Finanzen und Personal zuständig. Und: Er ist ein Ostdeutscher. Die gibt es in den Führungsgremien der bundesrepublikanischen Konzerne nicht allzu häufig.

Der 51-Jährige, der in Frauenstein im Erzgebirge geboren wurde, will nichts davon hören, so etwas wie ein „Vorzeige-Ostdeutscher“ zu sein. „Es gibt in vielen Tausenden Ost-Betrieben Geschäftsführer, die hier geboren wurden“, relativiert er und fügt hinzu: „Ich glaube nicht, dass die Herkunft eine Rolle spielt.“ Man könne sich so eine Karriere erarbeiten. Entscheidend sei, die erforderlichen Qualifikationen, praktische Erfahrungen und unternehmerisches Bewusstsein mitzubringen. „Das gilt auch, wenn ich heute jemanden einstelle und ist wichtiger als die Zeugnisnoten oder Beurteilungen.“ Im Übrigen wachse heute eine Generation heran, bei der Ost und West keine Rolle spiele, das spüre er auch bei seinen drei Kindern. „Da merkt man keine Unterschiede.“

Das Leben, so das Credo des Hobby-Seglers, sei eine Aneinanderreihung von Chancen und Zufällen. „Ich konnte sie nutzen.“ Rodestock wuchs im Erzgebirge auf und absolvierte eine Berufsausbildung zum Anlagentechniker mit Abitur. Nach dem Wehrdienst startete er 1989 ein Elektrotechnik-Studium an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. „Das war meine Leidenschaft“, erinnert er sich. Doch dann kam der Zusammenbruch der DDR. Am 9. November 1989, als die Grenze geöffnet wurde, „habe ich am späten Abend auf der Mauer in Berlin gestanden und mich gefreut“. Seine persönliche Wende begann. Er führte viele, viele Gespräche und schaute sich in Westdeutschland alle Großstädte mit mehr als einer halben Million Einwohner an. Das Ergebnis der Überlegungen war, bei der Commerzbank in Mainz eine Ausbildung zum Bankkaufmann zu beginnen. Es sei ihm wichtig gewesen, das neue Wirtschaftssystem kennenzulernen. „Im technischen Bereich war der Ostdeutsche in der Regel ja gut bewandert.“ Aber im Finanzwesen „war der Osten ganz anders geprägt als das, was nun erforderlich war.“

Bankjob in Dessau

1994 kehrte der nunmehrige Bankkaufmann für sein Finanzinstitut zurück in den Osten, nach Dessau. „Das war eine bewusste Entscheidung.“ Denn Rodestock war klar, dass der persönliche Spielraum im Beruf in diesen stürmischen Um- und Aufbruchzeiten in den neuen Bundesländern größer war als im Westen. „Ich war als Firmenkundenbetreuer an vorderster Stelle mit dabei und habe viele Unternehmen von deren Geburtsstunde an begleitet.“

Auszeichnung für Innovationskraft

Dresdner Cloud&Heat gehört zu den Einhörnern

Ehre, wem Ehre gebürt. Kürzlich hat es die Dresdner Firma Cloud&Heat Technologies GmbH „getroffen“. Sie erhielt Tech Tour Innovation Award 2019. Wie das Unternehmen mitteilte, ist es erst im Februar in die Liste der zukünftigen „Einhörner“ aufgenommen worden: Darunter werden Start-ups verstanden, denen zugetraut wird, dass sie in Kürze eine Firmenbewertung von mehr als einer Milliarde Dollar haben werden. Nun konnte sich Cloud&Heat unter den 50 wachstumsstärksten Technologieunternehmen Europas als innovativstes durchsetzen. Tech Tour ist eine paneuropäische Plattform, die seit 1998 Wachstumsunternehmen aus dem High-Tech-Bereich mit Investoren weltweit zusammenführt. Zum fünften Mal wurden von einem Komitee – bestehend aus 21 europäischen Risikokapital- und Wachstumsfondsmanagern – privat finanzierte TechnologieUnternehmen mit einer Bewertung von unter einer Milliarde US-Dollar untersucht. Rund 300 Firmen haben die Experten in ihre Analyse einbezogen. Anschließend sind die 50 Kandidaten mit der stärksten Wachstumsdynamik und dem größten Einfluss auf ihre jeweilige Branche bestimmt worden. Dabei hat Cloud&Heat Technologies aus Dresden bestens abgeschnitten: Geehrt als führend in der Entwicklung und dem Betrieb von energieeffizienten Rechenzentren, heißt es in der Begründung.

„Wir freuen uns sehr über diese Auszeichnung. Sie bestätigt nicht nur die Innovationskraft unseres noch jungen Green-IT-Unternehmens, sondern auch die bereits erlangte technologische und wirtschaftliche Relevanz im Rechenzentrums-Sektor. Mein besonderer Dank gilt unserem großartigen Team und unseren europäischen Investoren, die unsere Vision einer grünen digitalen Zukunft mit uns teilen“, sagt Nicolas Röhrs, Vorstandschef von Cloud&Heat.

Nachhaltigkeit gilt in der Branche als Treiber digitaler Innovationen. Der globale Rechenzentrumsmarkt wächst den Angaben zufolge rapide und mit ihm der Energieverbrauch, da riesige Datenmengen erzeugt, verarbeitet und gespeichert werden müssen. Jedem ist klar: Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Künstliche Intelligenz und Virtual und Augmented Reality werden immer mehr Bestandteil des Alltags sowie industrieller Prozesse, darin sind sich die Experten einig. Was oft unbeachtet bleibt: Diese Technologien benötigen leistungsstarke IT-Infrastrukturen und verbrauchen enorme Mengen an Energie. Wie Cloud&Heat berichtet, bietet das Unternehmen Lösungen für den

stetig wachsenden Bedarf an Rechenleistung. Seit der Gründung im Jahr 2011 entwickelt, baut und betreiben die Elbestädter „energieeffiziente, grüne, sichere und skalierbare Rechenzentren, die den Anforderungen der digitalen-Zukunft gerecht werden“, heißt es in der Mitteilung. Private- und Public-Cloud-Lösungen basierend auf OpenStack würden einerseits als maßgeschneiderte IT-Infrastrukturlösungen, wie Micro Data Center (MDC) oder Datacenter Container (DCC) für Klein- und mittelständische Unternehmen, und andererseits als große IT-Infrastrukturen mit einer vollumfänglichen Kombination aus Cloud- und Wärmelösungen angeboten.

„Die große Menge an Daten, die derzeit erstellt, gespeichert und verarbeitet wird, hat zu einem enormen Bedarf an energieeffizienter Rechenleistung geführt.

Von der innovativen Wasserkühlungstechnologie von Cloud&Heat war die Auswahlkommission nicht nur vor diesem Hintergrund sehr beeindruckt. Das Unternehmen hat sein Potenzial bereits unter Beweis gestellt: Es trägt dazu bei, den CO2-Fußabdruck zu reduzieren, und macht es möglich, die Abwärme von Rechenzentren zur Beheizung von Gebäuden sowie zur Versorgung von Wärmenetzen weiter zu nutzen. Cloud&Heat sind würdige Gewinner des Innovationspreises 2019 und wir freuen uns auf ihren zukünftigen Erfolg“, kommentierte William Stevens, Chef von Tech Tour, die Auszeichnung für die Sachsen. U. L.

Dort konnte er wertvolle Erfahrungen sammeln und diese durch ein Betriebswirtschaftsstudium an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Leipzig ergänzen. „Dieser Weg hat mich im Jahr 2000 zu VNG gebracht.“ Vorstandschef des Flaggschiffs der ostdeutschen Unternehmerlandschaft war damals der zumindest in der Branche legendäre Kaus-Ewald Holst (76). Er hatte es geschafft, dass VNG am 29. Juni 1990, also zwei Tage vor der Wirtschaftsund Währungsunion, das erste von der Treuhandanstalt erfolgreich privatisierte Großunternehmen Ostdeutschlands wurde. Rodestock stieg weiter auf und wurde 2013 in den Vorstand berufen. „Zielstrebigkeit, Veränderungs- und Risikobereitschaft sowie ein Stück Ehrgeiz“ nennt er als – überall geltende – Kriterien für den beruflichen Aufstieg. Den Systemwechsel hin zur sozialen Marktwirtschaft bezeichnet Rodestock als „wichtig und gut“ und dieser habe ihn auch persönlich entscheidend nach vorne gebracht. Der Aufholprozess Ost benötige seine Zeit, „die Angleichung geht nicht von heute auf morgen“. Es dürfe dabei nicht vergessen werden, dass es im Westen viele Konzernzentralen gebe. „Die haben wir hier kaum.“ Aber dafür sei der Osten attraktiv, habe tolle Städte, eine hervorragende Infrastruktur. „Das sind gute Voraussetzungen, damit die hiesigen Unternehmen sich entwickeln können.“ Der Einigungsprozess sei „mit Blick auf die Schnelligkeit und die gesellschaftliche Veränderungsbereitschaft eine einzigartige Glanzleistung in der deutschen Geschichte“ gewesen. Rodestock gilt als bestens vernetzt. Er sitzt unter anderem im Aufsichtsrat der Leipziger Messe und ist im Vorstand des Arbeitgeberverbandes energieund versorgungswirtschaftlicher Unternehmen. Zu-

„Die Angleichung geht nicht von heute auf morgen.“

dem gehört er dem Aufsichtsrat der HHL Leipzig Graduate School of Management und dem Vorstand der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland an. Hier setzt er sich unter anderem für die Belange der Region ein, der er bewusst treu geblieben ist und auch bleiben möchte. Wäre er selbst eine Aktie, dann wäre da „noch viel Fantasie drin“, wie es Börsen-Beobachter formulieren würden.

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André Kempner Bodo Rodestock
Cloud && Heat
Cloud&Head-Manager freuten sich über die Auszeichnung.

Michael Theis ist Chef des Leipziger Stadtkonzerns

Seine ersten Eindrücke waren nicht gerade positiv. Als Michael M. Theis, es war in den späten 1980er-Jahren, das erste Mal zu Besuch mit dem Auto aus dem Westen nach Leipzig kam, um mit einem Bekannten alte Postkarten zu tauschen, präsentierte sich die Stadt schon ein wenig heruntergekommen, schmutzig, grau in grau. „Auch die City war zum großen Teil verfallen“, erinnert sich der Geschäftsführer der Leipziger Gruppe, deren L-Logo heute stadtbekannt ist. Unter dem Dach der Managementholding LVV arbeiten die Stadtwerke, Verkehrsbetriebe und Wasserwerke. Zusammen haben sie 4700 Beschäftigte, kommen auf einen Umsatz von rund 2,42 Milliarden Euro und sind so etwas wie Leipzigs Lebensadern. Theis' Verhältnis zu Leipzig war Liebe auf den zweiten Blick. Denn der gebürtige Hesse schaute sich die Stadt nach dem ersten Eindruck genauer an, entdeckte viele schöne Ecken. „Leipzig war auch schon damals eine Stadt mit Potenzial“, revidierte er rasch sein erstes Urteil. Nach dieser Erkenntnis brach das Eis. Da störte es dann letztlich nicht, dass er bei seinen regelmäßigen Trips hierher – er übernachtete bei der äußerst liebenswürdigen Mutter seines Bekannten in einer schönen Drei-Raum-Wohnung in der Wettiner Straße – schon gewisse Komforteinbußen hinnehmen musste. In seinem Zimmer standen eine Kanne mit Wasser und eine Schüssel, die Toilette war eine halbe Treppe tiefer. „Und man wusste nicht, wer bei den Gesprächen so alles mithört.“ In Erinnerung geblieben ist ihm auch, dass er in der Wildpark-Gaststätte das erste Elch-Steak seines Lebens verzehrte. Seine Leipziger Gastgeber hatten mit viel Mühe und langer Vorbereitungszeit einen Tisch reservieren können. „Draußen standen viele Menschen und warteten dar-

auf, eingelassen zu werden. Und als wir das Lokal betraten, war es praktisch leer Ein herbeieilender Kellner beschied Theis auf seine entsprechende Frage:

„Nu, ne Brigode is ausgefallen!“ Er bekam, dank der harten D-Mark, mit seinen vier Gästen den schönsten Tisch und den besten Service. „Das fand ich alles sehr befremdlich.“

Auf der Heimfahrt nach seinem dritten Besuch fuhr er verbotenerweise bei Eisenach von der Autobahn ab. Nach wenigen Kilometern „hätte ich Stein und Bein schwören können, ich bin in einem hessischen Dorf.“ Er verzehrte eine Bratwurst, hörte „die gleichen Volkslieder, die es auch bei uns in Hessen gab“. Da waren Ost und West im Kleinen also ein wenig vereint. Da wäre es eigentlich logisch gewesen, wenn der studierte Jurist Theis gleich nach Mauerfall und Grenzöffnung in den Osten gegangen wäre. „Doch damals habe ich den Fehler meines Lebens gemacht“, scherzt er. Denn nach Studium und ersten Tätigkeiten unter anderem bei der Dresdner Bank hatte er gerade den Arbeitgeber gewechselt. So dauerte es bis 1996, bis er dem Leipziger Ruf erlag. Er wechselte, als Bereichsleiter für Beteiligungen und Venture Capital, zur Landesbank Sachsen (Sachsen LB). Elf Jahre später –da war der gelernte Rechtsanwalt aber schon längst nicht mehr dabei – stand diese nach kräftig in die Hosen gegangenen Geld-Geschäften der irischen Tochter kurz vor der Pleite und wurde an die Landesbank Baden-Württemberg notverkauft. 2004 hatte sich Theis mit einer Firma für Mittelstandsberatung mit Schwerpunkt Israel selbstständig gemacht. Danach war er im Zuge der geplanten Teilprivatisierung von 49 Prozent der Anteile der Leipziger Stadtwerke zum ersten Mal von 2007 bis 2008 als interimsmäßiger Geschäftsführer in der LVV. Die Krise der Kommu-

nalen Wasserwerke Leipzig nach Betrügereien des ehemaligen Geschäftsführers Heininger führte ihn dann 2013, zunächst wieder interimsmäßig und ab 2014 als normalen Geschäftsführer, zu den Wasserwerken. Dadurch trug er mit dazu bei, dass die Wasserwerke aus dem drohenden Millionendesaster mit einem blauen Auge herauskamen. „Das waren schon spannende und anstrengende Zeiten.“ Seit Mai vorigen Jahres ist Theis Chef des Stadtkonzerns und weiterhin auch Geschäftsführer der Wasserwerke.

In Leipzig fühlt er sich mit seiner Familie überaus wohl. „Ich habe keine Vorurteile gegenüber Westdeutschen erlebt, meine drei Kinder auch nicht. Leipzig

Absturz nach dem Aufstieg

Johannes Jähn hat als Flughafen-Vorstand hingeworfen

Es war kein Tag wie jeder andere. Bei Johannes Jähn, damals Geschäftsführer der Obi Logistics GmbH im nordrhein-westfälischen Wermelskirchen, klingelte das Telefon. Ein Headhunter fragte ihn, ob er sich vorstellen könne, in den Vorstand eines Logistikunternehmens in Mitteldeutschland einzuziehen. Konnte er. „Ich bin sehr heimatverbunden, daher war ich von der Anfrage sehr angetan“, sagt der gebürtige Hallenser Jähn. Den Aufsichtsrat überzeugte er, und so wurde der Manager 2015 im Vorstand der Mitteldeutschen Flughafen AG tätig, unter deren Dach sich die beiden Airports Leipzig/Halle und Dresden befinden. Ein Ostdeutscher, der es in der Wirtschaft nach oben geschafft hat.

Und jetzt, auch das gehört zu Spitzenpositionen dazu, lernt er die Schattenseiten kennen. Anfang Juni einigte sich Jähn mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Erich Staake (65) auf die vorzeitige Beendigung seines bis September 2020 laufenden Vertrages.

Gründe wurde nicht mitgeteilt. Da haben den 42-Jährigen seine eigenen Worte eingeholt. Es gebe womöglich deshalb relativ wenige Ost-Manager in Top-Positionen, weil, eine Nachwirkung der DDR-Zeit, die Risikobereitschaft hier nicht so ausgeprägt sei wie im Westen, philosophiert er. Denn die zumeist über fünf Jahre laufenden Verträge sind zwar gut dotiert, aber darin enthalten ist auch eine Prämie, weil die Zusammenarbeit befristet ist und, wie bei Jähn, auch vorzeitig aufgelöst werden kann.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht gefragt worden wäre, hätte ich zum damaligen Zeitpunkt in den neuen Ländern gearbeitet“, berichtet er über seinen Aufstieg beim Flughafen. Die Personalberatungsfirmen haben zumeist ihren Sitz im Westen der Republik und dort auch einen guten Marktüberblick. Der Osten fliegt unterhalb ihres Radars. Was auch daran liegt, dass die Betriebe hier im Schnitt kleiner sind als ihre Pendants in der alten Bundesrepublik. Folg-

lich fallen hiesige Talente nicht so auf. Jähn musste also den Umweg über den Westen gehen, um im Osten an die Spitze zu rücken. Er wuchs in Wittenberg auf und hatte dann früh mit Auswirkungen der Treuhand-Politik zu tun. Sein Vater war dort bei einem Robotron-Ableger tätig und stand nach der Wende vor der Frage, in die Arbeitslosigkeit zu gehen oder sich selbstständig zu machen, mit allen Risiken, die das beinhaltet. Der Vater gründete ein Maschinenbauunternehmen. „Da war die ganze Familie gefordert.“ Der Betrieb hatte zu Spitzenzeiten 120 Mitarbeiter, existiert heute noch, ist aber nicht mehr im Familienbesitz. Auch deshalb, weil Johannes Jähn sich für eine andere Laufbahn entschied als dort einzusteigen. Sein Vater war damals noch weit vom Ruhestand entfernt. Schon während der Schulzeit gründete der Sohn eine Firma, die in der Informationstechnologie tätig war. Eine weitere in diesem Bereich sowie ein Handelsunternehmen kamen in diesen jungen Jahren dazu. Nach dem Abitur entschied Jähn sich für ein Wirtschafts- und Informatikstudium an der renommierten European Business School im Rheingau inklusive ein Jahr in den USA. „In Ostdeutschland gab es leider kein vergleichbares Studienangebot.“ Schon während dieser Zeit arbeitete er nebenbei für ein Unternehmen, das Mittelständler berät. Nach Abschluss des Studiums beschloss der diplomierte Kaufmann, in der Beratung zu bleiben, nicht aber zu den Branchengrößen zu gehen, „auch wenn sich das im Lebenslauf gut ausmacht“. In einer kleineren Firma, spezialisiert auf die Branchen Handel, Logistik und Telekommunikation, betreute er zahlreiche Projekte, wechselte zu Medion und wurde anschließend Geschäftsführer der Obi Logistics GmbH. „Ich hatte die ganze Zeit über meinen Hauptwohnsitz in Wittenberg behalten“, erzählt Jähn, der heute „der Liebe wegen“ in Dresden ansässig ist. „Das ist Heimatliebe, keine Ablehnung

des Westens“, beschwichtigt er. Emotional sei er die ganze Zeit während seiner Jobs in den alten Ländern wie „auf Montage“ gewesen. Nach seiner Beobachtung sind Nachwirkungen der DDR-Zeit auch heute noch zu spüren. Damals gab es wenig zu gestalten, aber ebenso weniger Gefahren im Beruf. Unterschiede gebe es auch im Führungsstil.

„Ostdeutsche Unternehmen sind vielleicht vergleichbar mit westdeutschen Mittelständlern vor 40, 50  Jahren“, meint der Hobby-Pilot, der gelegentlich mit seiner Cessna durch die Lüfte düst. Anders formuliert: Damals hatte Menschlichkeit Vorrang vor der Optimierung und dem Trimmen des Betriebes auf allerhöchste Effizienz. Im Osten gelte das Erste vielfach noch heute. „Das ist aus der Sozialisierung heraus hier so entstanden“, vermutet der Wirtschaftswissenschaftler. Der typische West-Manager, so es ihn denn überhaupt gibt, gehe technokratischer und taktischer vor als sein Ost-Kollege, der wiederum emotionaler sei. Obendrauf komme, dass der Westdeutsche zumeist extrovertierter sei, bei der Jobvergabe daher eher auffalle als der Ostdeutsche. Dem fehle womöglich ein Quäntchen Hartnäckigkeit, vielleicht auch ein Stück Ellenbogenmentalität. „Für den Seelenfrieden ist die Ost-Mentalität besser, für das Fortkommen die des Westens“, meint Jähn. Auch sei das häufigere Wechseln des Jobs, um schneller Karriere zu machen, hierzulande nicht so ausgeprägt.

Das erkläre zumindest zum Teil, warum auch an den Universitäten und in den Ministerien der neuen Länder die Westdeutschen selbst heute, fast 30 Jahre nach der Wende, noch überrepräsentiert sind, „obwohl es hier viele kluge einheimische Köpfe gibt“.

Wobei es „ohne Zweifel“ gut gewesen sei, nach der Wiedervereinigung auf die Hilfe vieler Westdeutscher zu setzen. „Aber jetzt sind wir weiter.“

Gleichwohl bleibt Jähn, der in seiner Freizeit gerne an alten Autos herumschraubt, mit Blick auf das Zu-

ist offen und freundlich.“ Sicherlich auch, weil Theis auch heute noch moderat auftritt, und, wie aus seinem beruflichen und privaten Umfeld zu hören ist, nie den Besser-Wessi raushängen ließ. „Es kommt immer darauf an, wie man sich gibt.“ Der Freundeskreis besteht zu 90 Prozent aus Ostdeutschen. Theis ist voll integriert, gehört zu den vielen Westdeutschen, die sich komplett der neuen Aufgabe im östlichen Teil der Republik verschrieben haben.

Den Aufbau Ost bezeichnet er als grundsätzlich gelungen. „Wir haben heute größtenteils blühende Landschaften.“ Das gelte aber leider nicht für alle Ostdeutschen. Ein Teil sei doch zu alt gewesen, um etwas Neues anzupacken, vielen sei der Boden unter den Füßen weggezogen worden. „Klar wurden auch Fehler gemacht. Aber eine Einheit zu gestalten, das war für alle komplett neu und eine Riesenherausforderung.“ Zudem seien viele Jüngere in den Westen abgewandert. Diese Familiengeschichten „werden noch lange Zeit nachwirken“. Unabhängig davon, dass arbeitsmarktpolitische Instrumente in einer Zeit, als jeder Zweite ohne regulären Job war, voll gegriffen hatten. Nicht mehr hören kann Theis, dass die Produktivität in den neuen Ländern der in der alten Bundesrepublik hinterherhinkt. „Das glaube ich nicht.“ Die Menschen hier „sind engagiert zu einhundert Prozent“. Im Übrigen „haben wir hier schon hinter uns, was der Westen noch schaffen muss. Wir können Strukturänderung und Anpassung an neue Zeiten.“ Zwar sei es zu bedauern, dass kein großer West-Konzern seine Zentrale in den Osten verlagert habe. Dafür aber „haben wir hier einen aufstrebenden, innovativen Mittelstand“. Und da die Infrastruktur in weiten Teilen „besser als die im Westen“ sei, „blicke ich positiv in die wirtschaftliche Zukunft“.

sammenwachsen von Ost und West optimistisch. Das sei eine Generationenfrage. „Wer die Teilung nicht erlebt hat, der versteht sie auch nicht, für den ist das kein Thema.“ Die Lohnunterschiede würden immer geringer, es gebe mehr Rückkehrer, „da viele Jobs deutlich besser dotiert sind als früher“. Und die hiesigen Firmen legten beim Wachstum zu. Mit positiven Folgen letztlich auch für den Flughafen: Je größer die Unternehmen, desto mehr Geschäfte haben sie außerhalb der Heimatregion, desto häufiger müssen sie sich ins Flugzeug setzen. Doch das wird er nur noch aus der Ferne beobachten.

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Flughafen Leipzig Halle GmbH
&
Von Ulrich Milde
Konsum Leipzig
Unternehmer Unternehmen
Von Ulrich Milde
Vom Wessi zum Ossi
„Für den Seelenfrieden ist die Ost-Mentalität besser.“
Johannes Jähn
„Leipzig war schon damals eine Stadt mit Potenzial.“
Michael Theis

West-Erfahrung

Top-Manager: Dirk Thärichen (Konsum) und Stefan Traeger (Jenoptik)

Dirk Thärichen (49) spricht von „verheerenden Zahlen“. Aktuell seien alle 25 Präsidenten der obersten Gerichte in den neuen Ländern „ausschließlich Westdeutsche“. Auch wenn unterstellt werde, dass es in der Judikative hochgradig formalisierte Laufbahnen gebe, wo man 15 Jahre unterwegs sei, bevor man oben lande, „ist diese Entwicklung 30  Jahre nach dem Fall der Mauer sachlich nicht mehr zu rechtfertigen“, meint der Vorstandssprecher des Leipziger Konsums. Generell sei die lange vernachlässigte fehlende Repräsentanz Ostdeutschlands in Führungspositionen ein Thema mit großer Brisanz. Je nach Sichtweise liegt der Anteil zwischen drei und sechs Prozent – bei einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 17 Prozent. Eine andere Zahl: Von den 190 Vorständen in den Dax-Konzernen haben vier eine ostdeutsche Herkunft. Das entspricht einem Anteil von zwei Prozent. Für den gebürtigen Leipziger Thärichen liegen die Gründe auf der Hand. Die Aufbauhelfer Ost hätten bewusst oder unbewusst „ihre Brüder und Schwestern aus ihrer Heimatregion gefördert und leider viel zu wenig dafür getan, dass Ostdeutsche in Führungspositionen ankommen“. Die generationenübergreifenden Netzwerke funktionierten damals wie heute. Stefan Traeger (51), seit 2017 Vorstandsvorsitzender der Jenoptik AG, muss bei der Antwort auf die Frage, warum so wenig Ostdeutsche in Führungspositionen sind, passen. „Das weiß ich auch nicht so genau.“ Vielleicht sei das ja eine Frage der Zeit, meint der in Jena geborene Chef des Thüringer Technologiekonzerns. Wer heute in leitenden Tätigkeiten in Unternehmen sei, habe in der Regel in den 90er-Jahren die Grundlage für seine Karriere gelegt. „In der Nachwendezeit gab es bei der damaligen Elterngeneration schon viel Verunsicherung und damit auch nicht so die konsequente Orientierung auf den Leistungs- und Karrieregedanken.“ Er glaube aber, bei den heute Dreißigjährigen, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen, sei das anders. „Da sehe ich keine Unterschiede, zumindest nicht in meinem Umfeld beziehungsweise in meinem Unternehmen.“

Nach Thärichens Erfahrung muss unterschieden werden: Es habe Menschen aus den alten Ländern gegeben, „die uns mit ihrer Erfahrung wirklich helfen wollten“. Es habe aber auch viele gegeben, die im Westen keine Chance gehabt hätten, in solch eine Position zu kommen. Vielen sei es „nicht um den Aufbau

Ost, sondern einzig und allein um den Aufbau ihrer eigenen Karriere“ gegangen. Dabei sei ihnen wahrscheinlich zugutegekommen, dass die Westdeutschen im Konkurrenzkampf in der Wirtschaft geübter gewesen seien als ihre ostdeutschen Pendants. Eine passende Anekdote: Thärichen war Chef der Leipziger Olympia-Bewerbung. In der internationalen Phase bekam er einen Geschäftsführer-Kollegen aus dem Westen. Der erklärte ihm im ersten Gespräch, er übernehme den nationalen und internationalen Bereich, Thärichen sei für das Lokale und Regionale zuständig.

„Dabei hatte ich gerade mit meinem Team die nationale Bewerbung für Leipzig gegen Konkurrenten wie Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt und Stuttgart gewonnen.“ In seinem Berufsleben habe er vielfach das Selbstverständnis vieler Westdeutscher wahrnehmen müssen, die sich im Vergleich mit Ostdeutschen für qualifizierter oder weitsichtiger gehalten hätten.

Um Missverständnissen vorzubeugen, betont der Konsum-Chef, dass er beispielsweise grundsätzlich überhaupt nichts gegen einen aus Hannover kommenden Geschäftsführer der Leipziger Verkehrsbetriebe habe, der einen engagierten Job mache. „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es keinen geeigneten Leipziger gibt, der bei den Verkehrsbetrieben in Hannover nicht in einer ähnlichen Führungsposition arbeiten könnte.“ Nur wenn es auch diesen Austausch gebe, „ist die deutsche Einheit vollendet“. Beide, Thärichen wie Traeger, blicken in ihrer Laufbahn auf West-Erfahrung zurück. Traeger studierte in Hannover, arbeitete unter anderem für einen US-Konzern und vor seiner Rückkehr nach Jena in der Schweiz im Vorstand des Labortechnik-Herstellers Tecan. „Ich denke nicht, dass ich meine jetzige Position als Ostdeutscher erreicht habe, sondern aufgrund meiner in verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Unternehmen gesammelten Erfahrungen im Führen von Geschäften im Technologiesektor.“ Am Ende „zählt der Mensch an sich, nicht seine Herkunft“. Es habe auch keine Handicaps wegen seiner Ost-Herkunft gegeben. „Ich war allerdings einen guten Teil meines Berufslebens im Ausland oder bei ausländischen Unternehmen.“ Und außerhalb der Bundesrepublik „wird man als Deutscher gesehen, nicht als Thüringer oder Niedersachse“. Unterschiede zwischen Managern mit Ost-und West-Herkunft gebe es heute nicht mehr. „Jedenfalls nehme ich das nicht so wahr.“ Früher, direkt nach der Wende in der früheren

Rebellen-Kampf spitzt sich zu

Altenburger Konsumgenossenschaft droht Auflösung per Gericht

Der Kampf der genossenschaftlichen Rebellen aus Altenburg spitzt sich zu. Das zuständige Registergericht teilte der Konsumgenossenschaft Mitte April mit, dass sie zwar ihrer Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses nachgekommen, aber nicht Mitglied des Prüfverbandes sei, wie gesetzlich vorgeschrieben. Die Genossenschaft wurde aufgefordert, binnen drei Monaten dem Prüfverband beizutreten. Geschehe das nicht, werde ein Auflösungsverfahren „von Amts wegen“ eingeleitet, droht das Gericht. Aufsichtsratschef Martin Bergner, im Hauptberuf Chef des Zentralkonsums in Berlin, lässt diese Drohung kalt. „Wir ziehen bis vors Bundesverfassungsgericht, und notfalls lassen wir uns zwangsauflösen“, betont er. Dann verschwände eine wirtschaftlich gesunde Genossenschaft.

Wie die LVZ-Wirtschaftszeitung berichtet, hatte die Konsumgenossenschaft aus der Skatstadt, die von der Vermietung von Handelsimmobilien lebt und über einen ehrenamtlichen Vorstand verfügt, bereits zum 31. Dezember 2016 ihre Pflichtmitgliedschaft im Verband gekündigt. Er habe nichts gegen eine Prüfung der Bilanz, betont Bergner, „Aber wir sind für die freie Wahl des Prüfers.“ Die vorgeschriebene Prüfung bei den entsprechenden Verbänden habe für eine Monopolstellung gesorgt. Diese aber seien behäbig und behinderten durch ihr Diktat den Wettbewerb und brächten einzelne Genossenschaften wegen der hohen Gebühren in wirtschaftliche Bedrängnis. Nicht zu vergessen, dass die Zwangsmitgliedschaft auf ein Nazi-Gesetz aus dem Jahr 1934 zurückzuführen sei. Bergner bezieht sich in seiner Kritik auch darauf, dass es inzwischen in Deutschland praktisch nur noch vier Prüfverbände gebe. Die Altenburger waren Mitglied

„Vielen ging es nicht um den Aufbau Ost.“

„Am Ende zählt der Mensch an sich, nicht seine Herkunft.“

DDR, sei das sicher so gewesen. „Da waren die Erfahrungshorizonte sehr unterschiedlich, aber zumindest das hat sich meines Erachtens nach angeglichen.“

„Bewusst“ ging Thärichen 1992 „in den tiefsten Westen“, genauer nach Dortmund. „Es war mir klar, dass ich nur vor Ort die neue Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung hautnah erleben und damit in gewisser Hinsicht auch erlernen konnte.“ Beim Bewerbungsverfahren um den Job an der Spitze des hiesigen Einzelhandelsunternehmens musste er sich

gegen fünf andere Kandidaten und vor einer Auswahlkommission bewähren, die aus je zwei Ost- und Westdeutschen bestand. Gewählt wurde er einstimmig. Nebenbei: Sein Vorstandskollege Michael Faupel (52) ist gebürtiger Westdeutscher. Mit ihm arbeite er „sehr kollegial und freundschaftlich“ zusammen. „Es kann also, wie man an unserem Beispiel sieht, ein sehr gutes und erfolgreiches Miteinander zwischen Ost- und Westdeutschen geben“, betont Thärichen.

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Ostalgie mit Zukunft

Nicht alle DDR-Produkte haben die Wende überlebt. Doch einige sind beliebt wie eh und je. Eine Auswahl.

Von Uta Zangemeister

Als die Mauer fiel, kannte man in der DDR gut 700 Marken. Die meisten von ihnen haben den Sprung in die Marktwirtschaft nicht geschafft. Doch jene, die sich halten konnten, feiern noch heute erstaunliche Erfolge – sind in Ost und West und einige sogar international beliebt. Eine Auswahl stellen wir auf dieser Seite vor, zeigen die Orte ihrer Geburt und berichten aus ihrer Nachwende-Geschichte.

Halloren

Das Unternehmen, dem erst 1992 der Sprung in die Marktwirtschaft gelang, galt lange als sehr erfolgreich. Seit dem Kauf der belgischen Pralinentochter Bouchard 2013 schreibt der Konzern jedoch Verluste, zog sich von der Frankfurter Börse zurück und verkaufte all seine Töchter. Eine neue Führungsriege will mit einem ausgedünnten Sortiment und weniger Personal nun aus den roten Zahlen raus.

Hansa Keks

Als Basis für „Kalten Hund“ war und ist der DDR-KultKeks unerlässlich. Heute exportiert Wikana Kekse und Gebäcke aus Wittenberg in 16 Länder. Das Sortiment umfasst mehr als 40 Artikel. Gegründet wurde das Unternehmen bereits 1906.

Bautz‘ner Senf

Mittelscharf – am liebsten aus dem Plastikbecher: Zwar gehört der ostsächsische Betrieb seit 1992 zum bayerischen Familienunternehmen Develey, dennoch behauptet sich die Traditionsmarke in Deutschland als eine der beliebtesten Senfsorten am Markt.

Kathi

Seit 1992 ist der Backmischungsproduzent wieder in Familienhand – heute unter der Firmierung Kathi Rainer Thiele GmbH. Der Mittelständler verzeichnete 2018 einen Umsatz von 28,5 Millionen Euro.

Teigwaren Riesa

Zu DDR-Zeiten war Riesa die bekannteste ostdeutsche Nudelfabrik. Mutterfirma ist heute die Alb-Gold Teigwaren GmbH in Baden-Württemberg. Am Standort Riesa mit seiner Gläsernen Produktion stellen täglich etwa 150 Mitarbeiter mehr als 70 Tonnen Teigwaren her.

Radeberger

Radeberger galt als eines der besten Biere der DDR. Fast die gesamte Produktionsmenge ging in den Export. 1990 wurde die Brauerei von der BindingGruppe übernommen, die später in der RadebergerGruppe aufging. Sie ist Teil des Dr.-Oetker-Imperiums aus Frankfurt. In ihr sind mittlerweile rund 40 Marken zusammengefasst – darunter weitere Ostbiere wie Freiberger oder Ur-Krostitzer.

Vita Cola

1956 wird das Kultgetränk in Miltitz entwickelt. Mit der Wende verschwindet Vita Cola vom Markt. Erst 1994 beschert die Thüringer Waldquell Mineralbrunnen GmbH mit Sitz in Schmalkalden dem Getränk ein Comeback. Das Tochterunternehmen der Hassia Gruppe verbuchte 2018 mit Vita Cola einen Absatzrekord. Insgesamt seien 89 Millionen Liter verkauft worden, teilte der Erfrischungsgetränke-Hersteller mit.

Ob Schlagersüßtafel, Bambina oder Knusperflocken –für Naschkatzen in Ost und West produziert die Goldeck Süßwaren GmbH unter der Dachmarke Zetti heute rund 30 Produkte am Standort Zeitz.

Rotkäppchen

Rotkäppchen

Kahla Porzellan

1994 stand der Traditionshersteller kurz vor dem Aus.

Ex-Rosenthal-Manager Günther Raithel baute das Unternehmen wieder auf. 2019 feierte die Marke gleich doppelt: 175 Jahre Gründung und 25 Jahre Nachwende-Geburtstag.

Spee

1921 wurde das Werk Genthin in Sachsen-Anhalt von Henkel gegründet, der Standort 1945 enteignet. 1968 brachte das VEB Waschmittelwerk Spee auf den Markt. Nach der Wende übernimmt Henkel wieder. Produziert wird Spee heute in Düsseldorf.

Fit

In Hirschfelde bei Zittau seit 1967 produziert, drohte Fit nach der Wende die Insolvenz. Der Grund: Das Spülmittel wurde von den westdeutschen Handelsketten nicht gelistet. Statt aufzugeben, verkaufte die Belegschaft die Produkte von der Lastwagen-Ladefläche vor den Supermärkten. 1993 übernahm Chemiker Wolfgang Groß das Werk und sicherte den langfristigen Erfolg. Jährlich verlassen 10 Millionen grüne 500-Milliliter-Flaschen das Werk.

Sonja Plastic

Der legendäre Kaffeefilter oder die bunten Eierbecher in Huhnform werden noch heute im sächsischen Wolkenstein produziert. Das Unternehmen Willibald Böhm GmbH wurde 1925 gegründet.

Jenoptik

1990 und 1991 wurde der VEB Carl Zeiss Jena in die Carl Zeiss Jena GmbH und die Jenoptik GmbH aufgespalten. 1995 wurden die Anteile der Jenoptik von Carl Zeiss in Oberkochen übernommen. Seit 2016 strukturiert sich Jenoptik in die drei Segmente Optics und Life Sciences, Mobility und Defense und Civil Systems. Hauptsitz ist Jena.

Piko Spielwaren

Die Piko Spielwaren GmbH produziert in Sonneberg und in Chashan (China) Modelleisenbahnen. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben drittgrößter Modellbahnhersteller auf dem europäischen Festland. Im Januar 2019 vermeldete Piko einen Umsatzzuwachs von zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Herrnhuter Sterne

Die originalen 25-zackigen Sterne sind Anfang des 19. Jahrhunderts im Schoß der Herrnhuter Brüdergemeinde entstanden. Zu DDR-Zeiten wird die Stern GmbH verstaatlicht, danach aber wieder rückübertragen, da das religiöse Produkt nicht ins sozialistische Bild passte. 1991 der Neuanfang: Bis heute erfolgt die Produktion in Handarbeit.

Diamant Fahrräder

Radsportlegende Täve Schur fuhr mit ihnen seine Siege ein. Seit 2002 gehört das Unternehmen zum US-Radhersteller Trek – und produziert in Hartmannsdorf Fahrräder für den deutschen, österreichischen und Schweizer Markt.

Zu DDR-Zeiten war das Zeitzer Unternehmen einer der größten Hersteller von Kinderwagen weltweit. Mit der Wende kam der Zusammenbruch, das Zeitzer Werk ist verwaist. Heute hat Zekiwa seinen Sitz in Kretzschau in der Nähe von Zeitz. Produziert wird größtenteils in Europa, der Vertrieb erfolgt hauptsächlich im Internet.

Putzi

Die aus Dresden stammende Zahncreme war die einzige Kinderzahncreme in der DDR. Produziert wurde sie vom VEB Elbe-Chemie, aus dem 1990 die DENTAL-Kosmetik GmbH & Co. KG hervorging 1992 wird die Argenta Alleingesellschafter. Seit der Wende ist Putzi zuckerfrei.

Multicar

Multicar ist die einzige Kraftfahrzeugmarke, die vom Industrieverband Fahrzeugbau (IFA) der DDR übrig geblieben ist. Heute ist Multicar eine Produktreihe der Hako-Werke GmbH in Bad Oldesloe. Produziert wird der wendige Kleintransporter in Waltershausen.

Der Sekt aus Freyburg ist ein Gewinner der Einheit. Das Unternehmen wächst, übernimmt Westmarken und firmiert heute unter dem Namen Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien. 2018 hat es beim Umsatz erstmals die Milliardenmarke geknackt. Die Marke Rotkäppchen hat einen Marktanteil von 38,3 Prozent.

Wurzener

Zu DDR-Zeiten eines der bedeutendsten Unternehmen der Lebensmittelindustrie, erfolgte 1993 die Übernahme durch die Getreide AG Rendsburg. Heute stellt die Wurzener Nahrungsmittel GmbH mehr als 50 verschiedene Produkte her.

Viba

Nach der Wende gelingt der Neustart: Die beliebte Nougat-Stange wird noch heute im thüringischen Floh-Seligenthal produziert – inzwischen unter dem Namen „Viba sweets“. Der Hersteller betreibt eigene Filialen in ganz Deutschland. 2016 hat Viba den Geschäftsbetrieb Confiserie Heilemann übernommen und 2018 sein 125-jähriges Firmenjubiläum gefeiert.

Das Kultbonbon der DDR ist noch heute in aller Munde. Als die Produktion in der Leipziger Luppenstraße unmittelbar nach der Wende eingestellt werden musste, übernahm 1994 Klosterfrau. 2018 hat das österreichische Unternehmen The Fine Food Company Krügerol übernommen. Dr. C. Soldan bringt die Bonbons seit Januar 2019 in die Apotheken und in den Lebensmitteleinzelhandel. Hauptsitz der Firma ist in Enger bei Bielefeld, in Leipzig gibt es weiter eine Niederlassung.

Glashütte

Glashütte ist noch heute das Uhrenmekka in Sachsen. Hier produzieren auch Glashütte Original, das inzwischen zu Swatch gehört, Lange & Söhne sowie Nomos, welches 1990 gegründet wurde.

Florena

Um das Unternehmen zu retten, kauften es drei Florena-Manager 1992 der Treuhand ab. Zehn Jahre später erwarb Beiersdorf alle Anteile. Am Stammwerk in Waldheim werden inzwischen auch Cremes der Marken Nivea oder Eucerin produziert.

Frottana

Die aus dem VEB Frottana hervorgegangene Firma Frottana Textil GmbH & Co. KG produziert am Standort Großschönau in der Oberlausitz Hand-, Dusch- und Saunatücher. Seit dem Kauf der Marke 1993 setzt das Unternehmen zunehmend auf hochwertige Produkte.

Badusan

Das Schaumbad vom VEB Kosmetik-Kombinat Gera wurde nach der Wende von einer Gruppe leitender Mitarbeiter übernommen. 2008 musste die Gerana Cosmetic GmbH Insolvenz anmelden. 2010 kehrte Badusan zurück: Matthias Gabel, Geschäftsführer der Badusan GmbH aus Dresden-Gorbitz, vertreibt bis heute die Marke.

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Ostdeutschland –am Wendepunkt

geprägten und geführten Medien. Wenn ich meine Erfahrungen aus sieben Jahren als Beauftragter für Ostdeutschland zugrunde lege, dann haben sich diese Medien in den 1990er-Jahren zuallererst für die gewaltigen Geldtransfers von West nach Ost interessiert und, fast noch mehr, für die größeren und kleineren Skandale, die dieser gewaltige Umbruch natürlich auch mit sich gebracht hat. Der Alltag der Menschen in Ostdeutschland, das heißt das alltägliche Ringen in den vielen kleinen und mittleren Betrieben um das Überleben, die immer wieder neue Suche nach Marktchancen und Investitionsmitteln, die Organisation sinnvoller Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, der Einsatz von Geschäftsführern und Arbeitnehmervertretern für zukunftsfähige Unternehmenskonzepte, die Entwicklung und Umsetzung regionaler Strukturkonzepte – all das hat vergleichsweise wenig Interesse gefunden. Zur Erinnerung: Keine Region in Westdeutschland hat in der Nachkriegszeit auch nur annähernd vergleichbare wirtschaftliche und soziale Turbulenzen zu bestehen gehabt.

Fehlenden Respekt und mangelndes Interesse gab es im Übrigen nicht nur bei den Medien. Beides gab es auch bei zu vielen Westdeutschen, die nach 1990 zwischen Ostsee und Erzgebirge unterwegs waren. Sie konnten oder wollten den Menschen, die sie trafen, gar nicht zuhören, geschweige denn sie und ihre Geschichte wirklich kennenlernen. Sie hatten nicht verstanden, dass in einer solch existenziellen Situation „der Stärkere auch immer die größere Verantwortung hat“, wie Helmut Kohl es mir gegenüber einmal formuliert hat. Wir, die Westdeutschen, waren in den Jahren nach 1990 sicher die wirtschaftlich und finanziell Stärkeren, aber wir hatten zu oft nicht die Fähigkeit, mit denen, die wir in den Betrieben und auf den Straßen in Ostdeutschland trafen, „auf Augenhöhe“ zu sprechen, ihnen also zu vermitteln, dass wir Partner waren, von denen jeder etwas einzubringen hatte, das den Respekt des anderen verdiente.

Beide Teile Deutschlands haben in den zurückliegenden 29 Jahren Außerordentliches und Ungewöhnliches geleistet. Trotz mancher Unzulänglichkeiten haben wir allen Grund, stolz auf das Erreichte zu sein – und zwar gemeinsam in Ostdeutschland ebenso wie in Westdeutschland.

Der Osten hat eine historisch einzigartige Transformationsleistung erbracht, er hatte einen noch nie dagewesenen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Umbruch zu bestehen, von dem man sagen kann, dass nahezu nichts so geblieben ist wie es vorher war. Das war eine enorme Belastung und zugleich eine enorme Leistung, wirtschaftlich, gesellschaftlich und vor allem für jeden Einzelnen ganz persönlich.

Von außen gesehen war es eine Leistung, die weltweit ihresgleichen sucht.

Der Westen wiederum hat seine Solidarität unter Beweis gestellt, indem er Finanzmittel in Größenordnungen mobilisiert hat, die für mich bis dahin nicht vorstellbar gewesen waren. Je nachdem, welchen Zeitraum man zugrunde legt, dürften es 1000 oder

In den vergangenen Monaten ist die Treuhandanstalt von manchen Politikern des linken Spektrums verstärkt für die wirtschaftlichen Probleme in Ostdeutschland verantwortlich gemacht worden. Diese Kritik entbehrt jeder sachlichen Grundlage. Denn die Fakten, die hier eine Rolle gespielt haben, sind hinreichend bekannt und haben mit der Treuhandanstalt selbst keine Berührungspunkte:

Der sogenannte Schürer-Bericht vom Oktober 1989 – also vor dem Fall der Mauer – , angefertigt vom damaligen Chef der Staatlichen DDR-Plankommission im Auftrag des neuen SED-Chefs Egon Krenz, kommt zu dem klaren Ergebnis, dass die DDR aus eigener Kraft wirtschaftlich nicht mehr handlungsfähig ist.

Die unerwartete Öffnung der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989 führt dazu, dass heiß begehrte westliche Waren auf jetzt nicht mehr geschützte, technologisch weniger weit entwickelte Ostprodukte treffen.

Der von der ostdeutschen Bevölkerung und der frei gewählten DDR-Regierung gewünschte Umtauschkurs bei der deutsch-deutschen Währungsunion von 1:1 („Kommt die D-Mark nicht zu uns, gehen wir zu ihr!“) überfordert die ostdeutschen Betriebe beim Übergang aus einer isolierten Planwirtschaft in eine offene Weltwirtschaft und stellt ihre Wettbewerbsfähigkeit infrage. Der Run ostdeutscher Verbraucher auf westliche Produkte zulasten ostdeutscher Waren tut ein Übriges, um die Wettbewerbsprobleme der Unternehmen weiter zu verschärfen.

1500 Milliarden DM gewesen sein – davon knapp die Hälfte für Infrastruktur und Unternehmensinvestitionen, gut die Hälfte für soziale Leistungen, um diesen dramatischen Umbruch im Zeitraffertempo für die betroffenen Menschen erträglich zu machen.

Beide Leistungen stehen nicht nur nebeneinander, sondern bedingen einander – ohne massive Finanzmittel, ohne umfassende Investitionen in allen Bereichen und ohne Sozialleistungen, die in dieser Größenordnung alles bisher Dagewesene hinter sich ließen, wäre es nicht gegangen.

Aber ohne die Menschen, die diese gewaltigen Veränderungen vor Ort bestanden und mit durchgetragen haben, hätte der Neubeginn ebenfalls nicht stattfinden können. Denn was nützen noch so viele Milliarden auf einem Regierungskonto, wenn keiner mitmacht? Wir alle haben also guten Grund, stolz auf das zu sein, was wir gemeinsam zustande gebracht haben – in Ost und West gleichermaßen. Die aktuelle öffentliche Diskussion hierzulande zeigt allerdings, dass dieser Stolz auf das gemeinsam

Gleichzeitig beginnt die Auflösung des etablierten Handelssystems zwischen den „sozialistischen Ländern“ (RGW).

Ende 1991 ist der Transferrubel abgeschafft, die Sowjet-Union auseinandergebrochen, jahrelange Lieferbeziehungen bedeutungslos geworden, und jedes Land des ehemaligen Ostblocks sucht seinen eigenen Weg in die jetzt offene Weltwirtschaft.

Das noch im Juli 1991 abgeschlossene Handelsabkommen zwischen Deutschland und der Sowjetunion über weiterlaufende Warenbezüge aus Betrieben der ehemaligen DDR im Umfang von 25 Milliarden DM ist im Gefolge des Sturzes Gorbatschows wenige Monate später Makulatur.

Unternehmen, die gewohnt waren, von einer zentralen Planung vorgegebene Mengen bestimmter Produkte mit ebenfalls zugeteilten Ressourcen herzustellen, müssen sich über Nacht einer weltweiten Konkurrenz stellen. In dieser Konkurrenz entscheiden nicht Mengen und Tonnen, sondern Produktivität und Preise über das wirtschaftliche Sein oder Nicht-Sein von Unternehmen – für eine planwirtschaftlich aufgestellte Volkswirtschaft eine Herausforderung ohne Beispiel in der Wirtschaftsgeschichte.

Die Ursachen dieser katastrophalen wirtschaftlichen Situation hatte nicht die Treuhandanstalt, sondern die politische Führung der DDR zu verant-

Geleistete bei vielen Menschen, vor allem in Ostdeutschland, heute nicht im Vordergrund steht. Im Gegenteil. Zu viele sehen sich als Verlierer und als Zu-kurz-Gekommene, als Deutsche zweiter Klasse, ohne Einfluss auf das, was in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in unserem Land geschehen ist und weiterhin geschieht – und werden in dieser Opferhaltung noch bestärkt von politischen ‚Rattenfängern’, die sich davon Wasser auf ihre ideologischen Mühlen versprechen.

Fehlende Anerkennung

Den Grund für diese gefühlte Unzufriedenheit sehe ich zum einen darin, dass die Leistung der Menschen in Ostdeutschland bei der Bewältigung des dramatischen wirtschaftlichen und sozialen Umbruchs nach der Wiedervereinigung von ihnen selbst kaum wahrgenommen wird, und zum andern – noch wichtiger –darin, dass diese Leistung keine öffentliche Anerkennung erfahren hat, vor allem nicht in den westdeutsch

worten. Sie hatte zuerst den flexiblen und innovativen Mittelstand enteignet und dann die ostdeutschen Unternehmen über Jahrzehnte auf Verschleiß gefahren – ohne die notwendigen Investitionen, von Geldern für Forschung und Entwicklung ganz zu schweigen. Dass trotzdem bis zuletzt immer noch gute, vielfach begehrte Produkte für die Märkte des sogenannten Ostblocks hergestellt wurden, war ausschließlich dem beruflichen Können, dem persönlichen Einsatz und der Improvisationskunst der Belegschaften in diesen Betrieben zu verdanken.

Zwei Faktoren, die für die Arbeit der Treuhandanstalt von erheblicher Bedeutung waren, werden heutzutage kaum erwähnt: Zum einen die Zusammensetzung des Verwaltungsrats der Treuhandanstalt, dessen Zustimmung zu allen wichtigen Entscheidungen, gerade auch bei Privatisierungen, Sanierungen und Stilllegungen, notwendig war. Im Herbst 1990, unmittelbar nach der Wiedervereinigung, berief die Bundesregierung als stimmberechtigte Mitglieder: die Ministerpräsidenten der sechs ostdeutschen Länder, vier Spitzenvertreter der Gewerkschaften (die Chefs von DGB, DAG, IG Chemie und IG Metall), neun Spitzenvertreter der Wirtschaft sowie zwei Vertreter der Bundesregierung (Staatssekretäre des Finanz- und des Wirtschaftsministeriums). Zum anderen wird die Arbeit der Treuhandanstalt in der Öffentlichkeit immer wieder mit kriminellen Machenschaften in Zusammenhang gebracht. Dabei ist unbestritten, dass angesichts der Größe der Herausforderung natürlich auch Fehler unterlaufen sind. Alles andere wäre ein Wunder ge-

Ich selbst habe unzählige Male diese Erfahrung gemacht: Bei Besuchen in Industriebetrieben etwa lag es nahe, nach einem ersten Rundgang mit Geschäftsführung und Betriebsräten Qualität und Leistungsfähigkeit der Produkte anzuerkennen, wenn man gesehen hatte, mit welch schlechter, heruntergewirtschafteter Ausstattung an Maschinen und Anlagen diese hergestellt worden waren – ohne die eigentlich notwendigen Investitionen und Ersatzteile, für die in den Plänen der DDR-Planwirtschaft kein Raum war und deren Fehlen durch Ideen, Improvisationen und Einsatz der Mitarbeiter ausgeglichen wurden, so gut es irgendwie zu machen war. Wenn man dies erkannt und auch ausgesprochen hatte, spürte man, wie sich das Selbstwertgefühl rund um den Tisch herum wieder mit Leben erfüllte. Und danach war es dann fast schon einfach, auch über die jetzt anstehenden Herausforderungen „auf Augenhöhe“ miteinander zu sprechen, über Investitionen, Produktivität und auch den notwendigen Abbau von Arbeitsplätzen, um im internationalen Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können. Ich kann mich nicht an ein einziges Gespräch dieser Art in einem ostdeutschen Betrieb erinnern, das ohne weiterführendes, konstruktives Ergebnis geendet hätte – und an dessen Ende wir uns nicht ‚auf Augenhöhe’ verabschiedet hätten.

Unbestritten ist, dass Ostdeutschland insgesamt, Wirtschaft und Infrastruktur ebenso wie Bausubstanz und Umweltstandards einen enormen Aufhol- und

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wesen. Bei genauem Hinsehen ist allerdings festzuhalten, dass es bei 15 000 „großen“ Privatisierungen (Unternehmen, Unternehmensteile), weiteren 25 000 „kleinen“ Privatisierungen (Gaststätten, Hotels, Ladengeschäfte, Kinos, etc.) sowie 4000 Reprivatisierungen etwa 1500 Ermittlungsverfahren gegeben hat, die letztendlich – je nach genauer Abgrenzung der erfassten Kategorien und Bereiche – zu 50 bis 100 gerichtlichen Urteilen geführt haben. Auch wenn man zusätzlich eine Dunkelziffer in Rechnung stellt, ist das ein Befund, der dokumentiert, dass die Wirtschaftskriminalität in Ostdeutschland nach 1990 im Vergleich zu anderen Ländern keine nennenswerten Besonderheiten aufweist, die Treuhandanstalt also ihren Auftrag insgesamt professionell und im Rahmen der ihr vorgegebenen Regeln erfüllt hat. Was noch aussteht, ist die Aufarbeitung der umfangreichen Treuhandakten. Diese wurden vor zwei Jahren in das Bundesarchiv überführt und sind damit für die Forschung zugänglich geworden. Ein Forschungsprojekt zur Treuhandanstalt beim Münchener Institut für Zeitgeschichte (IfZ) hat inzwischen mit der Aufarbeitung der Akten begonnen und wird einen wissenschaftlich Einblick in die Arbeit der Treuhandanstalt liefern. Die Ergebnisse werden dann eine solide Grundlage für eine fundierte öffentliche Diskussion zur Arbeit der Treuhandanstalt schaffen. Und das ist es, was wir brauchen: belastbare Zahlen und Fakten, keine ideologisch inspirierten und schon vorab politisch instrumentalisierten „Wahrheits- oder Versöhnungskommissionen“! Johannes Ludewig

Die Treuhandanstalt – im Auge des Orkans 9 & Geld Märkte 9
Johannes Ludewig, langjähriger Ost-Beauftragter der Bundesregierung, kritisiert fehlenden Respekt
Johannes Ludewig (73) war erst im Kanzleramt und später im Bundeswirtschaftsministerium für den Aufbau Ost zuständig. Birgit Breuel Von Johannes Ludewig
credit Monika Skolimowska

Fortsetzung von Seite 9

Modernisierungsprozess durchlaufen haben. Blickt man nach Osten, so zeigt der Vergleich mit anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks, dass Ostdeutschland heute in Sachen Wirtschaftskraft an der Spitze steht. Der Blick nach Westen offenbart demgegenüber, dass Produktivität und Löhne immer noch einen spürbaren Rückstand aufweisen. Die Transferabhängigkeit ist spürbar zurückgegangen, besteht aber weiter fort.

Hinzu kommt, dass die kommenden Jahre für Ostdeutschland besondere Herausforderungen mit sich bringen: Der Solidarpakt 2 läuft Ende 2019 aus. An seine Stelle wird ein gesamtdeutsches Fördersystem treten, an dem alle strukturschwachen Regionen in ganz Deutschland nach vergleichbaren Grundsätzen partizipieren werden. Die Mittel aus Brüssel für den Europäischen Struktur- und Wachstumsfonds werden ab 2021 geringer ausfallen. Der mögliche Austritt Großbritanniens aus der EU führt zu einem geringeren durchschnittlichen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in der EU; Deutschland wird also statistisch im Vergleich zu diesem niedrigeren Durchschnitt reicher, sodass die deutschen Regionen noch einmal weniger Geld aus Strukturfondsmitteln der EU erwarten können. Wie immer die finanziellen Fördermöglichkeiten im Einzelnen aussehen werden, eins erscheint mir besonders wichtig: Mit Geld allein können die vor uns liegenden Herausforderungen nicht bewältigt werden.

Wie an Dynamik gewinnen?

Es gibt auch in der Politik – anders als viele glauben – einen Wettbewerb der Ideen und Konzepte. Bayern hat in den 1950er- und 1960er-Jahren vorgemacht, wie man aus einem Empfängerland des Länderfinanzausgleichs zu einem Geberland wird. Der Weg dorthin lässt sich mit der Kurzformel zusammenfassen: „Infrastruktur+Bildung+Wissenschaft“. Meine Frage: Haben die ostdeutschen Landesregierungen davon gelernt? Und wenn ja, was?

Wenn Forschung und Innovation so wichtig sind, dann war die bundesweite Auswahl zu Anträgen deutscher Universitäten im Rahmen der Exzellenzstrategie im September 2018 kein guter Tag für Ostdeutschland. Die hiesigen Hochschulen sind weitgehend leer ausgegangen. Hier muss in den östlichen Landeshauptstädten offener und besser nachgedacht werden, wie Spitzenforschung und Spitzeninnovation so wirkungsvoll organisiert werden können, dass ostdeutsche Universitäten und Hochschulen in Zukunft ganz vorn mit dabei sind. Gelingt das nicht, ist es um die Zukunftschancen Ostdeutschlands nicht gut bestellt.

Es muss auch überlegt werden, wie in Ostdeutschland politische Schwerpunkte und Akzente wirkungsvoller gesetzt werden können als bisher, gerade weil man im direkten Wettbewerb mit anderen Ländern und Regionen steht. Könnte es sein, dass die einzelnen ostdeutschen Länder mit jeweils gut zwei Millionen Einwohnern, Sachsen mit gut vier Millionen, jedes für sich genommen schlicht zu klein sind, einfach nicht die kritische Größe haben, um weiterführende Ideen und Konzepte zu entwickeln, zu konzipieren und mit Durchschlagskraft umzusetzen? Zum Vergleich: Bayern allein hat in etwa so viele Einwohner wie ganz Ostdeutschland (ohne Berlin) zusammengenommen. Eine solche Bündelung der Kräfte muss nicht gleich zu Länderfusionen führen, aber doch zu der Erkenntnis, dass in Sachen Wirtschaftsund Regionalpolitik, Bildung, Wissenschaft, Innovation viel mehr gemeinsam in Angriff genommen und gestaltet werden kann und muss. Ich habe Zweifel, ob dies von den meisten Verantwortlichen schon verstanden worden ist.

Aufholen ist anstrengend und geschieht nicht von selbst. Um aufzuholen, braucht man eine klare Strategie, wie dieses Ziel denn erreicht werden kann, dazu die feste Entschlossenheit, eine solche Strategie auch umzusetzen, wie groß die Widerstände auch immer sein mögen. Und das führt zu der Frage nach der Strategie Ostdeutschlands. Ich wünsche mir eine möglichst gemeinsame Strategie der Verantwortlichen in den Ost-Ländern –eine Strategie, die weiterhin auf die finanzielle Solidarität des Bundes und der besser gestellten Länder rechnen kann, eine Strategie, die aber zugleich die eigenen Kräfte bündelt, klare inhaltliche Prioritäten setzt und gesetzte Ziele mit Entschlossenheit und Selbstvertrauen anpackt.

In meiner Zeit als Koordinator und Beauftragter für Ostdeutschland bin ich sieben Jahre lang jede Woche in Ostdeutschland unterwegs gewesen und habe Land und Leute kennengelernt und viele Unternehmen ein Stück ihres schwierigen Weges begleitet. Ich habe immer wieder erlebt, dass ungewöhnliche, außerordentliche Leistungen möglich sind, dass die Menschen dazu bereit sind, wenn sie Anerkennung, Wertschätzung und Ermutigung erfahren.

„Struktureller Nachteil“

Ifo-Experte Joachim Ragnitz über die wirtschaftliche Lage in den neuen Ländern

Herr Ragnitz, die neuen Länder hinken dem Westen weiter hinterher. Ist der Aufbau Ost eine Misserfolgsgeschichte?

Seit 1991 hat sich die Wirtschaftskraft in Ostdeutschland – preisbereinigt – um rund 130 Prozent erhöht. Insoweit kann man sicher nicht von einem Misserfolg des Aufbaus Ost sprechen. Richtig ist jedoch, dass die Angleichung an das Westniveau bislang nicht erreicht ist. Aber zum einen war dieses Ziel von Anfang an illusorisch, und zum anderen wächst der Westen ja auch weiter, sodass ein Aufholen sowieso schwierig ist.

Warum stagniert der Aufholprozess?

Die ostdeutschen Betriebe sind zumeist kleiner als die westdeutschen, und damit hat der Osten einen strukturellen Nachteil: Kleine Betriebe können zum Beispiel nicht so leicht Forschung und Entwicklung betreiben, und sie sind oftmals auch mit der Erschließung neuer Märkte zum Beispiel im Ausland überfordert. Hinzu kommt, dass in den vergangenen 30 Jahren gerade die jungen, gut qualifizierten Arbeitskräfte mangels Perspektiven den Osten verlassen haben. Sie fehlen nun für ein stärkeres Wirtschaftswachstum.

In welchem Zustand war zum Schluss die DDR-Wirtschaft? Laut DDR-Wirtschaftsministerium waren bei Einführung der D-Mark nur 40 Prozent der Betriebe profitabel.

Unter den Bedingungen abgeschotteter Märkte und Verlustübernahme durch den Staat konnten die DDR-Betriebe natürlich überleben, aber im direkten Vergleich mit Wettbewerbern aus Westdeutschland und dem Ausland ging das eben nicht mehr.

Was kam obendrauf?

Die Arbeitskosten sind nach der Vereinigung schnell gestiegen, weil man im Osten die rasche Angleichung der Lebensverhältnisse an den Westen wollte. Im Durchschnitt lag die Wirtschaftskraft im Osten zum Zeitpunkt der Vereinigung bei rund 30 Prozent des Westniveaus – es muss jedem klar sein, dass unter marktwirtschaftlichen Bedingungen ein völliger Neuanfang erforderlich war.

464 der größten 500 deutschen Unternehmen sitzen im Westen. Da bleiben die neuen Länder auf der Verliererseite?

Die ostdeutsche Wirtschaft musste nach 1990 völlig neu aufgebaut werden, denn die vorhandenen Großunternehmen waren zumeist nicht wettbewerbsfähig und mussten deshalb geschlossen werden.

Es sind doch viele neue Unternehmen entstanden. Unternehmenswachstum braucht aber Zeit, das lehrt alle Erfahrung. Die vergangenen 30 Jahre haben eben nicht ausgereicht, mehr große Firmen in Ostdeutschland entstehen zu lassen. Das muss aber nicht so bleiben.

Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Arbeit der Treuhand?

Grundsätzlich hat die Treuhandanstalt ihren Auftrag, die Ost-Wirtschaft zu privatisieren, gut erfüllt. Dass man sich in Einzelfällen vielleicht etwas mehr Zeit für die Investorensuche hätte nehmen sollen, steht dazu nicht in Widerspruch. Aber völlig verfehlt ist es, der Treuhand jetzt die Schuld daran zu geben, dass nicht mehr Ost-Betriebe überlebt haben.

Weil? Die meisten waren infolge vernachlässigter Investitionen in der DDR und rapide steigender Löhne einfach nicht wettbewerbsfähig und konnten deswegen auch nicht fortgeführt werden.

Ist eine Aufarbeitung der Treuhand-Geschichte sinnvoll?

Wenn es um eine unabhängige wissenschaftliche Auswertung der Treuhand-Akten geht, kann niemand etwas dagegen haben. Der Nutzen einer politischen Auseinandersetzung über die Tätigkeit der Treuhandanstalt, wie sie wohl einigen Parteipolitikern vorschwebt, erschließt sich mir persönlich aber nicht. Das kann letzten Endes nur dazu führen, alte Wunden wieder aufzureißen, ändert aber nichts am Verlauf der Geschichte.

Mitteldeutschland ist reich am Bodenschatz Braunkohle. Sie steht aber vor dem Aus. Wirft das die Region zurück?

Man sollte das nicht dramatisieren. Für die unmittelbaren Braunkohlereviere stellt der Ausstieg aus der

Kohleverstromung zwar eine Belastung dar, aber die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Braunkohlebergbaus für Mitteldeutschland ist einigermaßen gering. Wenn die Perspektiven für die Lausitz oder das mitteldeutsche Revier ungünstig sind, dann liegt das eher an der zu erwartenden Arbeitskräfteknappheit als an dem Kohleausstieg.

Wie kann ohne Braunkohle eine sichere Energieversorgung gewährleistet bleiben zu bezahlbaren Preisen?

Das ist eigentlich die spannendere Frage. Die Politik setzt stark auf regenerative Energien; bislang sind diese jedoch weder von der technologischen Entwicklung – Stichwort Speichertechnologien – noch durch ihre Versorgungsstabilität – Stichwort Dunkelflaute – grundlastfähig. Und da der Energieverbrauch aller Voraussicht nach eher zunehmen wird, zum Beispiel wegen der Pläne zur verstärkten Nutzung der Elektromobilität, sehe ich hier große Probleme auf uns zukommen.

Ein Horror-Szenario. Klar wird man die Versorgungssicherheit durch Stromimporte aufrechterhalten können, aber es hilft dem Klima nicht wirklich, wenn man deutschen Kohlestrom durch polnischen Kohlestrom ersetzt. Ich fürchte, der von Deutschland eingeschlagene Weg der Energiewende führt in eine Sackgasse.

Wie sollten die von der Kohle-Kommission zugesagten Mittel (bis zu 40 Milliarden Euro) eingesetzt werden?

Aus meiner Sicht muss es vor allem darum gehen, die Infrastrukturanbindung der betroffenen Kohlereviere

zu verbessern – zum einen, um damit einen Anreiz zu verstärkten Unternehmensansiedlungen zu schaffen. Zum anderen aber auch, um den Menschen, die möglicherweise ihren Arbeitsplatz verlieren, das Pendeln in andere Wirtschaftsräume zu erleichtern.

Also sind die Weichen richtig gestellt?

Vieles von dem, was die Länder mit den Kohlemilliarden nach derzeitigem Stand finanzieren wollen, dürfte ohne größere wirtschaftliche Effekte verpuffen. Deswegen sollte man auf jeden Fall eine ausreichend hohe Eigenbeteiligung der Länder beziehungsweise der Regionen verlangen, damit man sich dort ernsthaft überlegt, wofür die Gelder des Bundes eingesetzt werden.

Welche negativen Beispiele der geplanten Mittelverwendung kritisieren Sie?

Nehmen Sie die Sanierung des Naumburger Doms, den Ausbau des Rosariums in Sangerhausen – wo ist denn da der Kohlebezug? Das gilt auch in Leipzig etwa für die Ballsporthalle oder die Filmpreisgala.

Eine große Bedeutung hat in der Region die Autoindustrie. Allein in Sachsen beschäftigt sie inklusive der Zulieferer 95 000 Menschen. Sie steht unter Druck, etwa durch Fahrverbote. Wird sie künftig nicht mehr Motor der Entwicklung sein?

Die großen Automobilhersteller haben wohl erkannt, dass sie ihre Geschäftsmodelle grundlegend ändern müssen, insbesondere durch Umstieg auf alternative Antriebstechnologien, aber auch durch die Entwicklung hin zu Mobilitätsanbietern. Das Problem besteht darin, dass viele Zuliefererunternehmen sich ebenfalls neu erfinden müssen – man wird wohl davon ausgehen müssen, dass das nicht überall gelingt. Insoweit sehe ich in der Tat hier erhebliche strukturelle Probleme auf uns zukommen, nicht nur in Ostdeutschland, sondern in ganz Deutschland.

Das Grundgesetzt schreibt die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse vor. Was bedeutet das? Ungleichgewichte gibt es ja auch seit ewigen Zeiten in Westdeutschland. Gleichwertigkeit wird immer wieder mit Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse gleichgesetzt, und die wird es niemals geben. Auf dem Land wird niemand Opernhäuser oder Kinos betreiben wollen, und die Menschen, die dort leben, wollen solche Angebote im Regelfall auch gar nicht, sondern schätzen gerade die Abgeschiedenheit des Landlebens. Sonst wären sie ja nicht dort.

Das bedeutet?

Bei der Gleichwertigkeitsdiskussion kann es nur darum gehen, bestimmte Angebote der grundständigen Daseinsvorsorge überall beziehungsweise in zumutbarer Entfernung zum Wohnort der Menschen vorzuhalten: Gesundheitsversorgung, innere Sicherheit, Bildung, Mobilität.

Gleichwohl gibt es kaum noch Läden in den Dörfern. Wenn in einzelnen Dörfern der Bäcker oder die Kneipe schließt, so ist das zwar ein Ärgernis für die Betroffenen, aber es ist auch nicht Aufgabe des Staates, hier tätig zu werden. Da wird es vielmehr auch darum gehen, Eigeninitiative zu entwickeln, zum Beispiel durch genossenschaftliche Lösungen. Leider ist das Verständnis hierfür gerade in großen Teilen Ostdeutschlands nur gering ausgebildet.

In der alten Bundesrepublik arbeiten 75 Prozent der Beschäftigten in Städten, im Osten sind es 50 Prozent. Müssen folglich auch hier die Städte gestärkt werden?

Joachim Ragnitz (58) ist stellvertretender Leiter der Niederlassung Dresden des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Er wurde im niedersächsischen Nordhorn geboren und studierte später an der Universität Köln Volkswirtschaftslehre. Dort arbeitete er anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und promovierte mit einer Arbeit zu internationalen Kapitalströmen. 1989 wechselte er in den wissenschaftlichen Mitarbeiterstab des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der seinen Sitz in Wiesbaden hat. Fünf Jahre später wechselte er als Abteilungsleiter zum Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Seit 2007 ist Ragnitz, der in Bitterfeld wohnt, beim Ifo-Institut. Der Professor ist Mitglied mehrerer Beratungskommissionen auf Bundes- und Landesebene. Sein Haupttätigkeitsgebiet ist die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland. Das Ifo-Institut wurde 1949 gegründet und zählt zu den renommierten wirtschaftswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik. Leitthema der Einrichtung, an deren Spitze Clemens Fuest steht, ist die „Analyse der Rolle staatlichen Handelns für die nachhaltige Wahrung und Steigerung wirtschaftlichen Wohlstand und gesellschaftlichen Zusammenhaltes.“

Ein klares Nein. Ostdeutschland ist im Ganzen sehr viel stärker ländlich geprägt als der Westen; es gibt also viel weniger Städte. Daraus folgt, dass man sich gerade darum kümmern muss, auch auf dem Land lebenswerte Bedingungen zu schaffen. Allerdings sind gerade viele Klein- und Mittelstädte in Ostdeutschland auch in einem beklagenswerten Zustand; hier bedarf es also tatsächlich zusätzlicher Unterstützung. Aber die Begründung ist eben eine andere, als sie in Ihrer Frage mitklingt.

Welche Zukunft hat der ländliche Raum?

„Den“ ländlichen Raum gibt es nicht. Es gibt einzelne Regionen, die zum Beispiel aufgrund ihrer peripheren Lage wirtschaftlich schwach sind und deswegen stark durch Abwanderung und Bevölkerungsschrumpfung geprägt sind – hier muss man befürchten, dass es auch künftig nicht gelingt, eine positive Entwicklung in Gang zu bringen.

Aber?

Es gibt auch ländliche Regionen, die, beispielsweise aufgrund landschaftlicher Attraktivität oder günstiger infrastruktureller Anbindung an die Zentren, durch Zuzug geprägt sind und sich deswegen positiv entwickeln. Man wird wohl davon ausgehen müssen, dass die regionalen Disparitäten auch zwischen den einzelnen ländlich geprägten Regionen zunehmen werden. Politisch wird sich dies auch wohl kaum verhindern lassen.

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Joachim Ragnitz

Beruflicher Neustart nach dem Umbruch

Kerstin und Harald Arlt gründeten 1991 im Frohburger Ortsteil Frankenhain einen Baubetrieb

Die Wende brachte auch für Kerstin und Harald Arlt aus dem Frohburger Ortsteil Frankenhain einen beruflichen Umbruch. Als Bauingenieure nahmen sie das Heft in die Hand und gründeten die Baufirma Arlt. „Für uns war der Schritt in die Selbstständigkeit die Chance und die Möglichkeit, unseren Beruf weiterhin selbstbestimmt auszuüben“, sagt Kerstin Arlt. „Wir haben“, ergänzt ihr Mann, „in den 1990er-Jahren mit dem Straßenbau angefangen. In diesem Bereich wurde sehr viel investiert.“ Später kam die Erneuerung der Abwassernetze hinzu, dann das Bauträgergeschäft, in dem sich die Arlt-Firma ebenfalls engagierte, und der Eigenheim- und Wohnungsbau sowie der Brückenbau. „Anfangs“, so der Firmeninhaber, „stammten rund 80 Prozent unseres Umsatzes aus der Erschließung von Bauland, dem Eigenheim- und Straßenbau. Nur 20 Prozent gingen auf das Brückenkonto.“ Inzwischen hat sich das Verhältnis umgekehrt. „78 Prozent des Umsatzes entfallen nun auf den Brückenbau“, erklärt Harald Arlt. Seine Frau, die Geschäftsführerin des Unternehmens, fügt hinzu: Am Markt zu bestehen und das über die Jahre hinweg sei nur gelungen, „weil wir uns immer wieder auf die aktuellen Entwicklungen eingestellt haben, um unser Unternehmen nicht nur in sicherem Fahrwasser zu halten, sondern auch weiterzubringen“. Dass dabei ihr berufliches Wissen und Können eine ausschlaggebende Rolle spielte, versteht sich von selbst. „Wir sind beide Bauingenieure und haben im Verkehrs- und Tiefbaukombinat Leipzig gearbeitet“, erzählt die gebürtige Leipzigerin. In der Wendezeit habe im Kombinat eine gewisse Orientierungslosigkeit geherrscht. „Ich war im Baby-Jahr, zuvor als Oberbauleiterin tätig.“ Ihr Mann – das Ehepaar hat zwei Kinder – arbeitete seinerzeit als Produktionsbereichsleiter, wechselte 1990 in die Privatwirtschaft. Ihr sei daraufhin gekündigt worden mit der Begründung, „es ginge nicht, dass der Mann in der Privatwirtschaft arbeitet und die Frau bei der Konkurrenz“. Dann habe sie gemeint: „Warum machen wir es nicht selbst?“ So meldeten sie im Mai 1991 ihr Gewerbe an. Am 1. Juli 1991 ist die Firma offiziell gestartet. Dann sei es Schlag auf Schlag gegangen, erinnert sich Harald Arlt, der im Altenburger Land aufgewachsen ist. „Wir fingen mit drei Mitarbeitern an, einen Monat später waren es schon 42.“ Und heute gehören 132 Beschäftigte zum Unternehmen.

um so klarer mit „Nein“. Wenngleich es natürlich auch kritische Umstände gegeben habe, die aber glücklicherweise gemeistert wurden. Am kompliziertesten seien die Situationen im Zuge der Krisen gewesen, „die wir bisher miterlebt haben – angefangen von der Baukrise über die Stahl- bis hin zur Finanzkrise“. Trotz aller schwierigen Phasen, „alles hinzuwerfen war und ist für uns nie eine Option“. Unternehmer zu sein bedeute nicht zuletzt, Verantwortung für seine Mitarbeiter zu übernehmen. Sich da rauszustehlen, stehe nicht zur Debatte. Probleme bereiten den mittelständischen Unternehmen nach Ansicht der Arlts derzeit vor allem die unglaubliche Bürokratie und wachsende Kriminalität. Nicht nur ständige Diesel- und Kabeldiebstähle, sondern auch Sachbeschädigungen stünden auf der Tagesordnung. Schlimm dabei, dass die Firmen damit meist allein gelassen würden. Das sei eben das Risiko der Baufirmen, hieße es bei den Behörden. „Allerdings verursachen uns diese Dinge jedes Jahr hohe Kosten“, ärgert sich die Managerin. Das schmälere jedoch keineswegs die schönsten Momente als Unternehmer, „wenn unsere Bauvorhaben

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Von Beginn an haben die Arlts auf eigene Maschinen gesetzt, um höhere Flexibilität und Planbarkeit in der Bauausführung zu erreichen. „Das heißt, wir haben investiert“, berichtet Harald Arlt. Nach wie vor verfüge die Firma über ein breites Leistungsspektrum im Tief-, Straßen- und Brückenbau, im Bereich Abbruch und Recycling. 2002 starteten die Sachsen mit einem Spezialverfahren in Sachen Brückenbau – der Taktschiebebauweise. Die erste Arlt-Brücke ist die über die Talsperre Rauschenbach im Erzgebirge gewesen. Wegen des mangelhaften Zustandes und der eingeschränkten Nutzungsfähigkeit wurde die alte, aus DDR-Zeiten stammende Überquerung des Stausees am 14. März 2002 gesprengt und zwei Jahre später durch den 253 Meter langen Arlt-Neubau ersetzt. Insgesamt hat das Unternehmen bislang 118 Brücken errichtet. Bei Wohnungen liegt die Zahl bei 271. Die Frage, ob die Arlts im Rückblick auf die Anfangsjahre den Schritt in die Selbstständigkeit bereut hätten? Darauf antwortet sie kurz und bündig, aber

unfallfrei und in der bekannten Qualität übergeben werden können“, sagt die Chefin. Hinzu komme, dass „wir häufig Grund haben, unsere Mitarbeiter für ihre gute Arbeit zu loben“. Ihre Zuverlässigkeit und ihr Engagement für den Betrieb „sind ein wichtiger Baustein unseres Erfolges“, freut sich Kerstin Arlt. Das lässt sich an tollen Zahlen festmachen. Der Umsatz summierte sich seit Gründung des Unternehmens auf 478 Millionen Euro.

So hat die Firma Arlt kräftig am Aufbau Ost mitgewirkt. „Wenn ich allein an die Verkehrsanbindungen hier in der Region denke, kann man nur feststellen, dass viel Tolles entstanden ist“, zeigt sich Kerstin Arlt zufrieden. Das sieht ihr Mann ähnlich. Zwar sei der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl seinerzeit „etwas zu euphorisch“ mit dem Versprechen von blühenden Landschaften gewesen. „Es hat doch länger gedauert als erhofft.“ Aber speziell in Mitteldeutschland „ist der Aufbau Ost gelungen“, meint der Unternehmer.

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Von Ulrich Langer
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Punktum Peter Franke
Die Firma Arlt hat sich auf Brückenbau spezialisiert. Imposant: Die Brücke über die Rauschenbach-Talsperre. Kerstin und Harald Arlt.
„Wir fingen mit drei Mitarbeitern an, einen Monat später waren es schon 42.“ Harald Arlt

Tops & Flops

Nach dem politischen Umbruch und der deutschen Wiedervereinigung lag eine ungewisse wirtschaftliche Zukunft vor den neuen Bundesländern. In den drei Jahrzehnten versuchten viele Unternehnmer und Unternehmen, für den notwendigen Aufschwung zu sorgen. Enorme Erfolge stellten sich ein, aber auch große Pleiten – ein kurzer Überblick. Lesen Sie mehr auf www.lvz.de/Wirtschaftszeitung

 Big Four: Die Großen Vier – erste Leuchttürme

Die erste Welle des Aufschwungs in der Leipziger Wirtschaftsregion ist mit vier großen internationalen Namen verbunden: Porsche, BMW, DHL und Amazon. Deren Investments waren die ersten Leuchttürme in der sonst eher überschaubaren Industrielandschaft.

Den Anfang machte Sportwagenbauer Porsche, das Werk wurde am 20. August 2002 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Porsche-Vorstand

Wendelin Wiedeking eröffnet. Einen Monat später rollte der erste Cayenne der Porsche GmbH Leipzig vom Band. Neue Fertigungshallen, ein Logistikzentrum, das Ausbildungszentrum und neue Produktlinien kamen hinzu.

Heute bauen die 4100 Mitarbeiter unter der Leitung von Gerd Rupp und Joachim Lamla den Macan und Panamera II, ebenso die Karosserie des Bentley Continental GT.

Wenige Kilometer entfernt nahm am 13. Mai 2005 das BMW-Werk seine Produktion auf. Die BMW-Führung unter Joachim Milberg entschied sich 2001 dank der sächsischen Zulieferindustrie und den preiswerten Arbeitskräften für Leipzig. Seit 2015 leitet Hans-Peter Kemser die Produktionsstätte mit Karosseriebau, Lackiererei und Montage. 5200 Mitarbeiter arbeiten im Seehausener Werk, bauen Fahrzeuge der 1er- und 2er-Reihe sowie den Elektroflitzer i3 und den Hybridsportwagen i8. Mit Versand und Logistik verdient US-Gigant Amazon viel Geld. Seit August 2006 ist der Online-Versandhandel von CEO Jeff Bezos auch in Leipzig ansässig. Deutschland ist Amazons wichtigster Auslandsmarkt, Leipzig ist

 Sachsen LB – die Zocker von Dublin

Binnen weniger Tage war für die Sachsen LB alles vorbei – dann gab es die Landesbank des Freistaates Sachsen als eigenständiges Bankhaus nicht mehr. Eine kleine Gruppe risikofreudiger Banker innerhalb der Sachsen LB hatte sich verzockt, riss das gesamte Konstrukt mit sich in die Tiefe. Im Büroturm an der Leipziger Löhrstraße wurde generell solide gearbeitet, die Verantwortlichen in einer Außenstelle im irischen Dublin nahmen es mit klassischem Bankwesen nicht so ernst.

Dort betrieb die Sachsen LB ihre irische Tochtergesellschaft „Sachsen LB Europe plc“ und zwei Zweckgesellschaften, die risikobehaftete Verbriefungsgeschäfte mit US-Hypothekenmarktkrediten machten. Toxische Papiere, wie sich zeigen sollte. Diese Geschäfte waren in der Leipziger Zentrale jedoch kaum bekannt. Durch die US-Hypothekenkrise waren die beiden Zweckgesellschaften im Sommer 2007 nicht mehr zahlungsfähig.

einer von vier Ost-Standorten. Im Logistikzentrum an der Torgauer Straße sind 1900 Mitarbeiter tätig. Der Logistikstandort Leipzig erlebt seit 2004 durch die Ansiedlung des DHL Europa-Drehkreuzes am Schkeuditzer Flughafen seine Blüte. Seit 2008 ist der DHL Hub Leipzig GmbH, wie die Firma offiziell heißt, eines von weltweit drei Luftfracht-Drehkreuzen.

Postchef Frank Appel eröffnete den „Global Hub” am 26. Mai 2008. Rund 5000 Mitarbeiter schlagen pro Tag 2000 Tonnen Fracht um, täglich starten und landen jeweils 65 Flugzeuge, 50 Zielorte werden weltweit angeflogen. TOP 1

 RB Leipzig – Fußballwunder aus der Dose

In acht Jahren aus der fünften Liga in die Champions League: Rasenballsport Leipzig ist ein gut platziertes Investment. Von langer Hand vorbereitet und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion der Öffentlichkeit präsentiert, startete die Rasenballsport e.V. 2009 in Markranstädt in die erste Saison, stieg in Folge rasch in höhere Ligen auf. Dahinter stehen Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz und seine Vertrauten.

Beständig war und ist bei RBL nur der Wechsel: Dutzendweise wurden Spieler von Saison zu Saison ausgetauscht, Trainer mussten gehen, auch im Management gab es regelmäßig Veränderungen. Der echte Durchbruch kam 2012 mit Red-Bull-Fußballchef Ralf Rangnick, der zum Sportdirektor in Leipzig avancierte und den Posten erst im Sommer 2019 wieder aufgab. Er engagierte Alexander Zorniger, später Ralph Hasenhüttl: Zorniger schaffte den Aufstieg in Liga zwei, Hasenhüttl

 Verbundnetz Gas AG

Die DDR-Mark war noch Zahlungsmittel im Osten, als die Verbundnetz Gas AG gegründet wurde: Erst zwei Tage später, am 29. Juni 1990, trat die deutsch-deutsche Wirtschafts- und Währungsunion in Kraft. Die VNG war nach der Wende das erste erfolgreich von der Treuhand privatisierte Großunternehmen Ostdeutschlands. Erste Aktionäre waren die Ruhrgas AG und die BEB Britta Erdgas, die Mehrheit der Anteile hielt weiterhin die Treuhandanstalt. Vorstand war Klaus Ewald Holst Die VNG hatte direkt nach der Wiedervereinigung die Aufgabe, die ostdeutschen Haushalte von Stadt- auf umweltfreundliches Erdgas umzustellen, Leitungen auszubauen und die Regionen an das europäische Erdgas-Transportsystem anzuschließen. Im ersten Geschäftsjahr wurden 250 Kilometer Leitungen gebaut, 1992 war das VNG-Netz mit dem westdeutschen und westeuropäischen Leitungssystem verbunden, die Um

 Verbio – nachhaltige Energie von hier

Energieproduktion aus nachhaltigen Rohstoffen. Das ist das Geschäft der „Verbio Vereinigte BioEnergie AG“: Bioethanol aus Getreidearten, Biodiesel aus Raps, Biomethan und Pharmaglycerin, Futter- und Düngemittel. Aus Getreideabfällen wird Biogas hergestellt. Gegrün -

 Komsa AG – familiär zum Erfolg

Die Komsa AG, kurz für Kommunikation Sachsen AG, ist einer der größten deutschen Anbieter für Telekommunikations-Distribution und IT-Dienstleister, gehört zu den 200 größten familiengeführten Unternehmen des Landes. Der Schwede Gunnar Grosse gründete die Komsa

ließ die Roten Bullen in der Premierensaison zur Deutschen Vizemeisterschaft und nach Europa stürmen.

Rangnick professionalisierte das Fußballgeschäft bei RB weiter, die Fanbasis wächst beständig, die Spiele sind häufig ausverkauft. Höhepunkt war das DFB-Pokalfinale im Mai 2019, das aber gegen die Bayern verloren ging. Das Team gehört zur 2014 gegründeten Red Bull GmbH. Sie kontrolliert den Verein, hält 99 Prozent des Stammkapitals, CEO Oliver Mintzlaff und CCO Matthias Reichwald leiten das Unternehmen – und sorgen dafür, dass das Geld aus Österreich gut investiert bleibt. TOP 2

stellung Leipzigs von Stadtauf Erdgas war 1995 abgeschlossen. 700 Kilometer Leitungen wurden gelegt. Mittlerweile arbeiten 1100 Menschen für die VNG Gruppe. Ulf Heitmüller (Vorstandschef), Hans-Joachim Polk (Vorstand Technik) und Bodo Rodenstock (Vorstand Finanzen/Personal) leiten die Geschäfte des ostdeutschen Energieriesen. Erdgas kommt seit vielen Jahren auch aus Norwegen, wo die VNG an Explorationsunternehmen beteiligt war. Nach einigen juristischen und politischen Querelen gehört die VNG AG seit 2016 mehrheitlich der EnBW AG. Der Umsatz der VNG lag 2018 bei 11,2 Milliarden Euro. TOP 3

det 1995 von Claus Sauter, hat die Verbio heute mehrere Produktionsstätten in Sachsen-Anhalt, Verwaltungssitz ist Leipzig. Die Firma hat 563 Mitarbeiter in Deutschland und Polen, erzielte 44,8 Millionen Euro Gewinn im Geschäftsjahr 2017/18. TOP 4

1992 zusammen mit Jürgen Unger, Norbert Hanussek und Jürgen Fuchs. Firmensitz ist Hartmannsdorf.Der Umsatz der Komsa-Gruppe lag bei rund 1,2 Milliarden Euro.

1450 Mitarbeiter packen gemeinsam an, versorgen

20 000 Partner und Business-Kunden. TOP 5

Alles kam ans Licht, nachdem Medien über die Probleme der Sachsen LB berichtet hatten. Vorstand Herbert Süß erklärte Anfang August 2007, dass es keine Risiken gäbe. Das war aber eine falsche Annahme: In den kommenden Wochen jagte eine Krisensitzung die andere, der sächsische Finanzminister Horst Metz war ständig im Alarmmodus, der damalige Ministerpräsident Georg Milbradt brach den Ungarn-Urlaub ab. Nach Verhandlungen kam die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) für einen Großteil der 17,3 Millionen Euro der „Dubliner“ Schulden auf, machte aber den Verkauf der

Sachsen LB zur Bedingung

ihrer Hilfeleistungen. Doch es kam noch dicker: Am 21. August forderte die Investmentbank Barclays 250 Millionen. Die Sachsen hatten das Geld nicht. Am 25. August begann ein 30-stündiger Verhandlungsmarathon in Dresden, der mit dem Notverkauf der Sachsen LB an die LBBW endete. Barclays bekam die viertel Milliarde Euro, die Krise schien vorüber. Im Nachgang kam es zu großen Schwierigkeiten bei der LBBW, mit den Sachsen und den irischen Töchtern hatten die Stuttgarter versteckte Risiken in Höhe von 43 Milliarden Euro erworben. Der Freistaat Sachsen hatte Bürgschaften in Höhe von 2,75 Milliarden Euro zu leisten, 1,9 Milliarden Euro davon wurden abgerufen, letztlich zu Lasten des Steuerzahlers. Bankmanager verloren ihre Jobs, Finanzminister Metz trat zurück. Selbst Ministerpräsident Milbradt räumte 2008 letztlich wegen dieser Affäre seinen Posten. Im gleichen Jahr wurde die Sachsen LB endgültig liquidiert. Damit endete die Geschichte der einzigen ostdeutschen Landesbank, die nach der Wende gegründet worden war. Das einstige Sachsen-LB-Geschäft mit den Unternehmenskunden führt die LBBW von Leipzig aus fort mit Regionalvorsand Oliver Fern

 Unister – E-Commerce made in Leipzig

Thomas Wagner wollte hoch hinaus – am Ende ging sein Unternehmen mit ihm zusammen unter. Der BWL-Student gründete seine Unister im Jahr 2002, als Tauschbörse für Studenten im Internet. Schnell wuchs das Start-up, betrieb über Tochterunternehmen mehr als 40 Webseiten. Wagner und sein Mitgründer Mathias Krasselt waren in den Geschäftsbereichen Reisen, Finanzen, Medien, Immobilien und Social Media unterwegs, erreichten schnell nationale Aufmerksamkeit. 2010 hatte Unister fast 1700 Angestellte an neun Standorten bundesweit, Hauptquartier blieb Leipzig. Die Unister GmbH gehörte zu den großen eigenständigen Internetunternehmen Deutschlands, einer der ersten E-Commerce-Anbieter. Wagner war Hauptgesellschafter und Internetmillionär. Ab 2013 geht es abwärts mit der komplexen Firmenstruktur: Mit Notverkäufen wie dem von „Geld.de“

wurden akute Finanzlöcher in Millionenhöhe gestopft, Mitarbeiter mussten gehen, bei Google hatten sich Millionen Euro Schulden aufgetürmt. Es folgten Hausdurchsuchungen der Staatsanwaltschaft und Untersuchungshaft für Wagner. Der kluge Kopf Wagner wollte seine Firma retten, ließ sich 2016 auf dubiose Kreditvermittler ein, die ihn bei einem Treffen in Venedig um Millionen betrogen. Auf dem Rückflug nach Leipzig stürzte die einmotorige Piper am 16. Juli über Slowenien ab, Thomas Wagner, Geschäftspartner Oliver Schilling und zwei weitere Personen starben. Unister ging binnen weniger Tage in Insolvenz. FLOP 2

 Q-Cells – dunkle Wolken über Bitterfeld

Das Gründer-Quartett wollte nichts Geringeres, als eine industrielle Revolution auf dem Markt der erneuerbaren Energien zu starten: Anton Milner, Reiner Lemoine, Holger Feist und Paul Grunow gründeten Q-Cells 1999 in Berlin, um eine konkurrenzfähige Solarzellenproduktion in Deutschland aufzubauen. Zwei Jahre später startete die Produktion für polykristalline Solarzellen im Bitterfelder Ortsteil Thalheim, die Geschäfte liefen gut. Umsatz und Gewinn stiegen Jahr für Jahr, ebenso die Mitarbeiterzahlen, 2009 waren es fast 2800 Angestellte. Schon 2005 ging die Q-Cells AG an die Frankfurter Börse. Doch es zogen dunkle Wolken über Bitterfeld auf. Die Q-Cells-Manager hatten ihre Rechnung ohne die Konkurrenz aus Fernost gemacht. Chinesische Hersteller, mit enormen Krediten subventioniert, unterboten die Weltmarktpreise, mussten sich nicht an die europäischen Umweltschutzstandards halten. Hinzu kam,

dass die Bundesregierung nach und nach die Mindestabnahme des gewonnenen Solarstroms zurückfuhr, die notwendige Basis für die massenhafte Abnahme der Solarpanels war weg. Das Insolvenzverfahren wurde im Juli 2012 eröffnet, die Tochter Solibro ging an den chinesischen Konkurrenten Hanergy Holdings. Q-Cells selbst verschmolz 2012 mit dem südkoreanischen Hanwha Konzern. Am ehemaligen Q-Cells-Standort Bitterfeld sitzt nun das Hauptquartier für Technologie und Innovation, hier werden neue Produkte von Hanwha entwickelt. FLOP 3

 Schneider Immobilien – Tricks auf hohem Niveau

Jürgen Schneider ist ein Pleitier mit Fans, zumindest in Leipzig. Der Baulöwe machte nach der Wende aus der grauen Innenstadt ein echtes Schmuckkästchen, die Mädler-Passage und der Barthels Hof verdanken dem Frankfurter neuen Glanz. 1994 kam die Pleite, der Bauingenieur

hatte bei den Kreditanträgen getrickst. Seine Schulden beliefen sich auf 5,4 Milliarden D-Mark bei 55 Banken. Er und Gattin Claudia tauchten unter, wurden ein Jahr später in Miami verhaftet. Im Winter 1997 wurde Schneider zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. FLOP 4

 Die Lintec AG – Luftschloss aus Taucha

Hans Dieter Lindemeyer wurde Mitte der Neunzigerjahre als einer der ostdeutschen Wirtschaftsstars gefeiert. 1992 gründete er seine erste Firma in seiner eigenen Garage.

1994 ging die Lintech Information Technologies AG an die Börse. Doch 2001 der Schock: Nach einem Rekordumsatz

im dreistelligen Millionenbereich rutschte Lintec tief ins Rot. Vorstand Lindemeyer ging 2004, Nachfolger Thomas Goletz versuchte, mittels Übernahmen noch etwas zu retten. Doch 2008 war Schluss, Lintec war komplett zahlungsunfähig. FLOP 5

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André Kempner
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André Kempner
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Von Frank Schmiedel

Kirpals Kohle-Konzept

Ostdeutschland ist eine Region im Umbruch. Nach der Wiedervereinigung erfolgte ein beispielloser ökonomischer Strukturwandel. Alte Industriebetriebe brachen reihenweise weg, viele Jobs gingen verloren. Eine neue, moderne Wirtschaft entwickelte sich. Jetzt steht in Teilen der neuen Länder der nächste Umbruch bevor. Vom Ausstieg aus der Kohleverstromung sind die Lausitz und der Raum Leipzig betroffen. Einige Zahlen machen die Dimension im mitteldeutschen Revier deutlich. Hier gibt es 3600 direkt in der Kohle beschäftigte Arbeitnehmer. Indirekt hängen weitere 3600 Jobs von diesem Energieträger ab. Obendrauf kommt: In der Kohle lässt sich ordentlich Kohle verdienen. Die zumeist top qualifizierten Mitarbeiter erhalten im Schnitt 3744 Euro im Monat, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ermittelt. In der Dienstleistungsbranche sind das 1200 Euro weniger, so die Experten der Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit.

Ein weiterer Punkt ist zu berücksichtigen: Der Ausstieg könnte die energieintensive Industrie, die eng mit der Braunkohle verbunden ist, hart treffen. So verfügen einige Unternehmen über eigene Kraftwerke, die mit der verhältnismäßig günstigen Braunkohle betrieben werden, etwa die Zuckerfabrik in Zeitz. Die IAB-Experten sprechen von 27 000 Beschäftigten, die so indirekt die negativen Folgen des Kohleausstiegs zu spüren bekommen könnten. Darunter sind 11  000 in Sachsen, 15 000 in Sachsen-Anhalt und knapp 1000 in Thüringen.

Fakten, die die betroffenen Wirtschaftsverbände natürlich kennen. Kein Wunder daher, dass Kristian Kirpal, Präsident der Industrie-und Handelskammer Leipzig, bereits auf dem Neujahrsempfang der regionalen Wirtschaft einen geordneten Ausstieg aus der

Braunkohle forderte. „Er darf nicht zu neuen Strukturbrüchen führen“, mahnte er. Jetzt legten die betroffenen IHKs, die Handwerks-, Architektur- und Ingenieurkammern in einem gemeinsamen Positionspapier nach. Die Menschen in Ostdeutschland hätten viel-

Genehmigungsverfahren

Milliarden Euro bereitstellen – als „Chance für die Weiterentwicklung dieser nach wie vor strukturschwachen Regionen“ genutzt werde. Dafür seien zusätzliche Investitionen in Wirtschaft, Infrastruktur sowie Forschung und Entwicklung erforderlich, die so schnell wie möglich umzusetzen seien.

Genau das ist nach Ansicht der Kammern der wunde Punkt. „Die heute in Deutschland bei der Planung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten anzuwendenden Regularien führen zu oftmals jahrelangen Planungs- und Genehmigungsverfahren.“ Unter diesen Bedingungen könne der anstehende Strukturwandel in den Braunkohlerevieren nicht gelingen. Es seien also „wesentliche Elemente“ zur Beschleunigung erforderlich. Daher müssten diese Verfahren zwingend optimiert und, wo erforderlich, geändert werden. Dafür sollten auch Möglichkeiten der Erprobung neuer Regelungen umfassend genutzt werden.

#PositiverBeitrag

fach einen grundlegenden Wandel ihrer Lebens- und Arbeitsverhältnisse erleben und gestalten müssen, heißt es. Daher erwarten die Kammern der Braunkohleregionen, dass der einsetzende Strukturwandel – die Bundesregierung will dafür bis zu 40

Da die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen zu weiten Teilen nur privatwirtschaftlich erfolgen könne, bedürfe es attraktiver Rahmenbedingungen für die Akquise von Investoren und den Verbleib von Fachkräften. Hierzu ist es nach Ansicht der Kammern erforderlich, sowohl die Straßen- als auch die Schienenanbindungen zu verbessern. „Im Zeitalter der Digitalisierung sind zudem leistungsfähige Breitbandnetze für die Wirtschaft unerlässlich.“ Es sei eine flächendeckende Breitbanderschließung mit mindestens 50 Megabits je Sekunde zügig sicherzustellen. Der Ausbau der Gigabitnetze müsse beschleunigt werden. „Auch die technische Infrastruktur des 5G-Standards ist nachhaltiger Standortfaktor von internationaler Relevanz und muss zügig ausgebaut werden.“ Als exportorientiertes Land, weiß Kirpal, „brauchen wir diese Struktur dringend“. Um den erneuten Umbruch zu meistern.

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Leipzigs IHK-Präsident fordert für den Strukturwandel schnellere
„Wir brauchen dringend den 5G-Standard.“
Kristian Kirpal

Ein Familienvater aus Süddeutschland, der auszog, den Osten lieben zu lernen

Hans-Jürgen Mundinger leitet die Goldschmidt-Thermit-Gruppe, die 2004 ihren Firmensitz von Essen nach Leipzig verlagerte

Von Ulrich Langer

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Ein vermeintlich weiser Spruch von Michail Gorbatschow. Stimmt jedoch nicht in jedem Falle. Hans-Jürgen Mundinger weiß, dass zu große Eile auch unangenehme unternehmerische Konsequenzen haben kann. Bei seiner Firma Goldschmidt Thermit zum Beispiel ist dies passiert. Der Chef der weltweit agierenden Gruppe, er leitet diese seit 2012, erzählt: „Tja, die Familie Goldschmidt wollte möglichst rasch nach der Wende den früheren Standort in Halle-Ammendorf wieder übernehmen.“ Die Goldschmidts kauften kurz nach dem Mauerfall einen Teil ihres sachsen-anhaltischen Betriebs zurück, der nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 einschließlich seiner Thermit-Fertigung beschlagnahmt worden war. „Mit dem – sich allerdings erst später herausstellenden –Nachteil, damit in der Eile ebenfalls alle Altlasten und deren aufwendige Beseitigung mit zu schlucken“, berichtet Mundinger. „Denn schon kurze Zeit später hätte die Treuhand solche Risiken abgedeckt.“ Der gebürtige Heidelberger schmunzelt, als er erzählt, dass es darüber sicher „einige Diskussionen in der Familie gegeben hat. Wie das eben in jeder Familie mal passiert, wenn etwas nicht so, wie gedacht, funktioniert.“

Allerdings fügt er postwendend hinzu: „Diese Sache zeigt, wie konsequent die Goldschmidts an ihr Ost-Engagement glauben.“ Da verwundert keineswegs der spätere komplette Umzug des Unternehmens von West- nach Ostdeutschland. Die gesamte Produktion nach dem Thermit-Verfahren (siehe Kasten) wurde 2005 nach Halle-Ammendorf verlegt. „Im Jahr zuvor wechselte bereits die Firmenzentrale von Essen samt und sonders nach Leipzig.“ Eine in den vergangenen 30 Jahren eher seltene Entwicklung. Zugleich eine klare Absage an die sonst bei Konzernen übliche verlängerte Werkbank in die neuen Länder. Ein Glücksumstand. Vor allem, weil seither das weltweit führende Unternehmen für Verbindungsschweißen sowie Instandhaltung von Schienensystemen im Aufwind ist. „Wir sind schwer gewachsen“, sagt Mundinger stolz. Allein im vergangenen Geschäftsjahr kletterte der Umsatz um fast 20 Prozent auf 185 Millionen Euro. Zur Goldschmidt Thermit Group, deren Muttergesellschaft die Vermögensverwaltung Erben Dr. Karl Goldschmidt ist, gehören mittlerweile 24 Gesellschaften und Beteiligungen mit nunmehr 1200 Mitarbeitern, 200 mehr als vor Jahresfrist. Neben Deutschland gibt es Ableger in den USA, Schweden und Polen, in Russland, Italien, Frankreich, Ungarn, China, England, Österreich, Australien, Neuseeland, Tschechien, Japan, Südafrika und Brasilien. Die Profitabilität sei in den vergangenen Jahren nachhaltig gestiegen. Konkreter will Mundinger hier nicht werden. „Damit ist die Basis für weitere Investitionen geschaffen.“ In Ammendorf etwa wurden seinerzeit 20 Millionen Euro in die Hand genommen, durch Zukauf wurde das Werk von 20 000 auf 50 000 Quadratmeter vergrößert.

Und nach wie vor ist Wachstum angesagt. Dass das so kommt, hat sich Mundinger auf seine Fahnen geschrieben. „Um die weltweiten Geschäfte effizient zu führen, ist eine Managementholding dringend geboten.“ Sie agiert seit 2004 aus Sachsen heraus in die ganze Welt. Dieses Jahr werde der 15. Geburtstag in der Messestadt gefeiert. „Wir in Leipzig steuern das

Thermit-Verfahren

Die Thermit-Technologie hat eine lange Tradition. Der Erfinder des Thermit-Verfahrens, Hans Goldschmidt, bekam auf seine Erfindung das Kaiserliche Patent Nummer 96317 am 13. März 1895. Die Technologie scheint recht simpel zu sein. Ein Pulvergemisch aus Eisenoxid und Aluminium füllt einen Blechtopf, der auf einer Gussform „sitzt“. Sie ist direkt auf den zu verschweißenden Schienenenden montiert. Angezündet wird das Pulver mit einer Art großer Wunderkerze. Die dadurch ausgelöste chemische Reaktion setzt Hitze frei, bis zu 3000 Grad Celsius. Am Ende fließt flüssiges Eisen in den Schienenspalt und schließt ihn nahezu spiegelglatt. Das Ganze dauert gerade mal 45 Minuten. Auch bei Straßenbahnschienen wird dieses Prinzip angewandt. Seine Vorteile liegen auf der Hand. Es gibt keine Schienenstöße mehr. „Das Tack-Tack-Tack, das Reisende früher mitunter bis in die Sitze der Bahn spürten, ist damit Vergangenheit“, erklärt Firmenchef Hans-Jürgen Mundinger. Aber

große Ganze mit enormem Einsatz.“ Na klar, Goldschmidt Thermit-Firmen habe es auch vor der Zeit dieser Dachgesellschaft gegeben. „Aber wie das in Familien so ist: Die kleinen Geschwister, noch dazu im Ausland, haben meist naturgegeben einen schweren Stand. Fehlt die helfende, steuernde Hand der Eltern, läuft mitunter manches aus dem Ruder oder zumindest nicht so optimal, wie erhofft“, meint der Vater von vier Kindern und stolzer Opa von drei Enkeln. Die Rolle des Erziehenden spüre er nicht nur in seinem eigenen familiären Umfeld. Sie sei im beruflichen Leben genauso wichtig. „Es ging bei der Holding von Anfang an darum, die weltweiten Töchter zu emanzipieren, zu inspirieren, zu stärken“, sagt der studierte Naturwissenschaftler. „Genauso wie bei meinen beiden Töchtern und den beiden Söhnen. Natürlich habe ich sie unterstützt und darauf geachtet, dass sie ihre Möglichkeiten nutzen, ihren Mitmenschen respektvoll begegnen und weltoffen sind.“ Das ist bisher auch gelungen und das sagt er mit Stolz. „Aber besonders freut es mich, dass sie sich alle so fantastisch vertragen“, strahlt der promovierte Teilchenphysiker, der auf diesem Gebiet zwei Jahre an der Yale-Universität in Connecticut (USA) arbeitete.

Stellt sich gerne Neuem

Ein starkes Miteinander zu schaffen und zu leben, sehe er auch als seine Aufgabe im Unternehmen an.

„Da gibt es schon Situationen, in denen den größeren Gesellschaften hier und da einmal ihre Grenzen aufgezeigt werden müssen, ohne sie allerdings zu demotivieren. Und die Kleinen – da ist Fördern und Fordern angesagt“, meint der Sohn eines Elektroingenieurs.

Der 64-jährige Firmenchef, der in der Nähe von Heidelberg aufgewachsen ist, geht sogar noch einen Schritt weiter: „Ein guter Vater muss auch manchmal die Verträumten aus ihrem Dornröschenschlaf erwecken.“ Im privaten wie im beruflichen Leben empfinde er eine frappierende Parallelität der Herausforderungen. Und: „Erziehung hört eben nie auf.“ Dies sei hier wie da ein Gebot der Stunde.

Sich Neuem zu stellen – das stachelt ihn offensichtlich an. Wie sonst ist es zu erklären, dass Hans-Jürgen Mundinger in seiner Doktorarbeit sogenannte exotische Atome entdeckt hat. „Das sind Atome, die aufgrund ihrer äußerst kurzen Lebensdauer in der Natur praktisch nicht vorkommen. Aber mit ihrer Hilfe haben wir bestimmte physikalische Gesetze überprüfen und in der Folge exakter formulieren können.“ Es sei ja ständig so, dass Naturgesetze im Laufe der Zeit „genauer gefasst werden können, weil neue Erkenntnisse bislang unentdeckte Aspekte ans Tageslicht gebracht haben“. Das sei eine ganz spannende Angelegenheit, sagt er mit einem Leuchten in den Augen. „Ein Stückweit herauszufinden, was die Welt im Innersten zusammenhält, ist ein fantastisches Gefühl.“ In Yale hatte er in der Forschungsgruppe 20 Leute aus aller Herren Länder unter sich. „Menschen zusammenzuschweißen, die aus unterschiedlichen Kulturen stammen, sie zu begeistern für die Sache und immer wieder anzufeuern, das ist absolut spannend“, sinniert er. Da gelte es, die Mentalitäten der Akteure zu erkennen und im positivsten Sinne zu bündeln. Der Japaner, der stets „Ja“ sage und nicht immer „Ja“ meine. Oder

Goldschmidt Thermit

Claus Sauter

Er wählt deftige CO2-Steuer?“, produzenten hat. Bundesumweltministerin derartige zusparen. CO2-Preis. tionsquote bereich des die Mineralölindustrie Kraftstoffmenge erfüllen. Realisiert schung von dieser Verpflichtung CO2-Einsparung, Tonne liegt. vier Prozent. hat die Mineralölwirtschaft CO2-Emissionen Prozent zu wolle, dass dann müsse „So einfach

der Amerikaner, dem die deutsche Gründlichkeit auf den Nerv gehe und der schon Marketingstrategien auf die Beine stelle, „bunte Broschüren druckt, wobei das eigentliche Produkt noch gar nicht fertig ist – dies alles unter einen Hut zu kriegen, ist die Herausforderung“, schildert der Goldschmidt Thermit-Chef, der einst im Kirchenchor mitwirkte, einen Kinderchor und sogar ein Jugendorchester leitete. Dieses Dirigieren zahlreicher Akteure liegt ihm offenbar im Blut, ihm, der gelernt hat, mit Klavier, Trompete und Tenorhorn umzugehen. „Beim Üben war ich allerdings faul“, gibt der Manager unumwunden zu. Dennoch: Musik ist seine große Leidenschaft. Kein Wunder, dass alle seine vier Kinder Instrumente spielen.

Ein Firmenchef ist wie ein Familienoberhaupt

Weitergeben, was ihn begeistert – das macht seinen Charakter aus. „Ich bin und bleibe ein Familienmensch“, sagt er. Deshalb sei es ein Segen, dass er mit den Goldschmidts so gut harmoniere – „im Speziellen mit Karl T. Goldschmidt, dem Ur-Ur-Enkel des Firmengründers Theodor Goldschmidt und Aufsichtsratsvorsitzenden unserer Gruppe“. Mundinger sieht sich als einen, der Visionen zu entwickeln hat, um das Unternehmen voranzubringen. „Und dann muss ich die Leute in der Firma für diese Visionen begeistern, mitziehen, ihre Leidenschaft für das Ziel entfachen, möglichst maximal ihre Fähigkeiten herauskitzeln.“ Auch das sei eine begeisterungswürdige Sache. „Ein Firmenchef ist wie ein Familienoberhaupt“, meint der CEO. Heißt, für seine Kollegen einzustehen.

„Das habe ich schon als Kind erfahren – von meiner Oma, einer Bäckersfrau.“ Noch nach Ladenschluss am

Sonnabendnachmittag musste er so manchen Kunden noch freundlich bedienen – der Kunde ist eben König. „Wie sie es vorlebte, für andere da zu sein – das hat mich zutiefst geprägt.“

Familiäres und Musisches – etwas viel Besseres scheint es für Hans-Jürgen Mundinger nicht zu geben. „Und das bietet mir Leipzig nahezu perfekt.“ Der Firmenchef, er lobt nicht nur das Gewandhaus, die Oper, den Thomaner-Chor und die Kabarett-Szene über die Maßen, blüht regelrecht auf, wenn er über seine neue ostdeutsche Heimat spricht. „Ich lebe in der Stadt mit großer Freude, bin ein überzeugter Leipziger geworden und ein Botschafter für die Stadt in der Welt.“ Das kann er mit Gewissheit sagen, denn er kommt viel in der Welt herum und bringt Partner und Kunden in seine Lieblingsstadt. Für ihn sei es ein Glücksumstand, dass er vor elf Jahren zur Goldschmidt Thermit nach Sachsen kommen durfte. „Ich hatte mich von Anfang an in Leipzig verliebt, in den pulsierenden Lebensstil.“ Leipzig sei ein Traum. Es gebe nur zwei Städte auf dem Globus, die über ein solch ausgezeichnetes kulturelles Niveau verfügten: Leipzig und Wien. „Jeden meiner Bekannten oder Kollegen, die das erste Mal in der Messestadt sind, überzeuge ich, auch mit persönlichen Stadtführungen, von der Klasse meines neuen Wohnortes.“ Ein Verrat an seiner Bodensee-Heimat, wo er noch eine „Unterkunft“ besitze, sei das nicht. „Ich lebe an den zwei schönsten Orten der Welt“, sagt er mit Bestimmtheit. „Das kann ich durchaus beurteilen“, fügt Hans-Jürgen Mundinger rasch hinzu, der bereits viele Orte auf dem Erdball kennengelernt hat – nicht nur in Europa und den USA arbeitete, sondern ebenso in Asien. Auf sein Urteil dürfte also Verlass sein.

Michael

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Business-Class

Claus Sauter

Er wählt deftige Worte. „Was soll der Quatsch mit der CO2-Steuer?“, fragt Claus Sauter, Chef des Biospritproduzenten Verbio AG, der seine Zentrale in Leipzig hat. Bundesumweltministerin Svenja Schulze will eine derartige Abgabe, um im Verkehr Emissionen einzusparen. Dabei gebe es dort bereits seit 2015 einen CO2-Preis. Das Zauberwort heiße Treibhausgasreduktionsquote (THG-Quote) und liege im Verantwortungsbereich des Ministeriums. Die THG-Quote verpflichtet die Mineralölindustrie für die in Verkehr gebrachte Kraftstoffmenge eine festgelegte CO2-Einsparung zu erfüllen. Realisiert wird das vor allem durch die Beimischung von Biokraftstoffen zu Diesel und Benzin. Aus dieser Verpflichtung ergibt sich ein Preis pro Tonne CO2-Einsparung, der gegenwärtig bei 150 Euro je Tonne liegt. Die Höhe der THG-Quote liegt aktuell bei vier Prozent. Mit anderen Worten: Das Ministerium hat die Mineralölwirtschaft dazu verpflichtet, die CO2-Emissionen im Kraftstoffsegment nur um vier Prozent zu reduzieren. Also: Wenn das Ministerium wolle, dass im Verkehr mehr CO2 eingespart wird, dann müsse die THG-Quote erhöht werden. Sauter: „So einfach ist das.“

Es war so etwas wie eine Punktlandung. Kaum urteilte der Europäische Gerichtshof, dass zukünftig Unternehmen jede einzelne Arbeitsstunde ihrer Mitarbeiter dokumentieren müssen, um Minder- und Überstunden automatisch zu erfassen, reagierte Dirk Pappelbaum. Er ist Geschäftsführer des Leipziger IT-Betriebes Inveda.net GmbH. Sein Unternehmen hat jetzt ein webbasiertes Arbeitszeitverwaltungssystem im Einsatz, das die neuen Vorgaben erfüllen hilft. „Stundenerfassung ist nicht nur eine Pflichtübung, um aktuellen Gesetzen und Regelungen zu genügen“, sagte Pappelbaum. „Sie ist zentraler Bestandteil der Aufgabenplanung im Unternehmen und hilft, ungewöhnlich hohe Aufwände zu identifizieren.“ Sie liefere gleichzeitig die Datenbasis zur Aufwandsschätzung neuer Projekte. Pappelbaums Unternehmen wurde 2002 gegründet. Schwerpunkt ist die Entwicklung von Software-Lösungen für die Versicherungswirtschaft in den Bereichen CRM, Beratungsprotokolle, Tarifvergleiche, Antragstellung, Provisionsabrechnung und Online-Portale. Aktuell arbeiten 30 Mitarbeiter aus vier Nationen in dem Unternehmen.

Michael Salcher

Führungswechsel bei der KPMG im Osten: Michael Salcher, KPMG Deal Advisory-Partner und seit 2014 Head of Energy & Natural Resources, ist neuer Regionalvorstand Ost bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft. Er folgt auf Frank Wiethoff, der sich entschieden hat, eine neue Aufgabe außerhalb von KPMG zu übernehmen. Der 48-jährige Salcher kam im Jahr 2000 zum Unternehmen und wurde sieben Jahre später Partner. Er ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und repräsentiert in der Region das volle Spektrum an Dienstleistungen für die Kunden von KPMG mit einem besonderen Fokus auf den Energie- und Infrastrukturbereich sowie den öffentlichen Sektor. „Ich freue mich sehr auf meine neue Rolle in dieser pulsierenden Region mit einem überaus spannenden Kundenportfolio – von Bundes- und Landesministerien über Energieunternehmen bis hin zu Start-ups“, sagt er. In Leipzig beschäftigt KPMG inzwischen über 180 Mitarbeiter. Die Gesellschaft ist in Deutschland an mehr als 20 Standorten vertreten und hat 10 700 Beschäftigte.

Lichtenauer Mineralquellen GmbH

Christian Matschke

Die Führung des Arbeitgeberverbandes Nordostchemie ist wieder komplett. Auf einer Sitzung in Quedlinburg wurde Christian Matschke, Vorstandsmitglied der Berlin-Chemie AG, zum neuen stellvertretenden Chef des Verbandes gewählt. Er tritt die Nachfolge von Gerd Kunkel (Wacker Chemie AG, Werk Nünchritz) an, der aus Altersgründen ausgeschieden war. Zusätzlich wurden Jutta Matreux Wacker Chemie AG, Werk Nünchritz, und Frank Wilgmann, Bayer Bitterfeld GmbH, in den Vorstand gewählt. Vorsitzender des Verbandes ist Jürgen Fuchs von der BASF Schwarzheide GmbH. Stellvertretender Vorsitzender und Schatzmeister ist Klaus Heinrich Kuhlage von der Nouryon Akzo Nobel Functional Chemicals GmbH. Zu den weiteren Vorstandsmitgliedern gehören unter anderem Christof Günther, Geschäftsführer der InfraLeuna GmbH, Thomas Naujoks von der Mitteldeutschen Sanierungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH und Astrid Serfling von der Dow Olefinverbund GmbH, Werk Schkopau. Die Chemie- und Pharmabranche in Ostdeutschland hat 60 000 Beschäftigte.

Paul K. Korn

Große Freude bei Geschäftsführer Paul K. Korn: Schon zum zweiten Mal erhält die Lichtenauer Mineralquellen GmbH für ihre Lichtenauer Mineralwässer den „Preis für langjährige Produktqualität“ der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG). Seit vielen Jahren lässt das Unternehmen seine Produkte von der DLG testen und ihre Qualität von Sachverständigen bestätigen. Die Auszeichnung steht für mindestens fünf Jahre regelmäßige und erfolgreiche Qualitätstests. Die DLG honoriert damit die kontinuierliche Leistung und bestätigt den Sachsen „nachhaltiges Qualitätsstreben“. Es sei der Anspruch, „Produkte auf höchstem Niveau anzubieten“, sagte Korn. Sein Unternehmen, eine selbstständige Tochter der Hassia Mineralquellen Bad Vilbel, produziert mit 218 Mitarbeitern täglich mehr als 700 000 Flaschen Mineralwasser.

Armin Willingmann

Manchmal haben Politiker auch angenehme Termine. Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Armin Willingmann zeichnete kürzlich drei Unternehmen mit dem Außenwirtschaftspreis des Landes aus. „Die Preisträger sind seit Jahren überaus erfolgreich auf ausländischen Märkten unterwegs“, lobte der Minister. Ausgezeichnet wurde die Wirth GmbH aus Landsberg, die innovative Vakuumtechnik zum Heben schwerer Lasten produziert und Kunden in mehr als 20 Ländern hat. Die Codixx AG in Barleben hat sich auf die Entwicklung besonders leistungsstarker Polarisatoren spezialisiert. Das 2002 gegründete Unternehmen hat 1200 Kunden rund um den Globus und kommt auf eine Exportquote von 80 Prozent. Die Maaß-Bau GmbH in Thale stellt innovative Industrie-

öfen her und ist neben Europa auch in China, Südafrika, Russland und Australien tätig. Der Exportanteil der vor 19 Jahren gegründeten Firma liegt bei gut 50 Prozent. Die Betriebe seien Außenhandelsprofis, lobte Willingmann.

Fotostudio Stadthaus

Gunther Schnabl

Die jüngste Abkehr der Europäischen Zentralbank vom Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik hat die Diskussion über eine „Japanisierung“ Europas wiederbelebt. „Das japanische Szenario ist unschön“, meint der Leipziger Wirtschaftsprofessor Gunther Schnabl. Denn seit Beginn der 1990er-Jahre stagniere das Wachstum, das Lohnniveau falle und immer mehr Menschen würden in prekäre Beschäftigungsverhältnisse abgedrängt. Die sogenannten Abenomics, benannt nach Ministerpräsident Shinzo Abe, im Kern ein immenses zentralbankfinanziertes keynesianisches Ausgabenprogramm, „haben das Land nicht wie versprochen aus der Krise herausgebracht“, schreibt Schnabl gemeinsam mit Taiki Murai, Stipendiat an der Uni Leipzig, in einem Ökonomen-Blog. Lediglich die Statistik werde kreativ gestaltet. Das helfe aber nicht. Der Kern des Problems liege in einer verfehlten Wirtschaftspolitik, die die japanische Wirtschaft zombifiziere und damit den Wohlstand unterhöhle. Vielmehr würden solide Staatsfinanzen und eine stabilitätsorientierte Geldpolitik die Wachstumskräfte Japans stärken. Das Land könnte so zu einem

positiven Beispiel für die Europäische Zentralbank und die Länder der Europäischen Währungsunion werden, meinen Schnabl und Murai.

Ulrich Baumgarten

Harald Krüger

Sachsen ist Autoland. BMW, Volkswagen und VW-Tochter Porsche produzieren hier flotte Flitzer. Dabei prallen unterschiedliche Philosophien aufeinander. VW-Chef Herbert Diess setzt alles auf die Karte batteriebetriebener Elektro-Autos mit der Fabrik in Zwickau als Speerspitze. BMW-Lenker Harald Krüger baut ebenfalls das Angebot an elektrifizierten Fahrzeugen mit Hochdruck. In zwei Jahren wollen die Bajuwaren, so Krüger kürzlich auf der Hauptversammlung, fünf vollelektrische Autos auf dem Markt haben. Zur Erinnerung: Das erste reine Elektro-Auto, der i3, wird in Leipzig, produziert. Doch Krüger lässt sich beim Antrieb mehr als eine Heckklappe offen. „Technologieoffenheit heißt auch, dass wir unsere bereits sparsamen Verbrennungsmotoren noch weiter verbessern“, so der BMW-Primus. Sein Unternehmen treibe die vollelektrische Mobilität wie auch die mit Plug-in-Hybriden voran, investiere aber ebenfalls in neue Technologien wie die Brennstoffzelle. „Technologisch alles auf eine Karte zu setzen, ist nach unserer Ansicht der falsche Weg und für den Wohlstand in Deutschland gefährlich“, so Krüger. Es gebe eben nicht die einzig richtige Lösung, die alle Mobilitätsanforderungen der Kunden in aller Welt abdecke.

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Von Ulrich Milde

Sie sind häufig milliardenschwer. Die PrivateEquity-Gesellschaft EQT hat im vorigen Jahr für neue Firmenkäufe 10,75 Milliarden Euro eingesammelt – der größte Fonds in der Unternehmensgeschichte der Schweden. Dahinter steckt maßgeblich die Familie Wallenberg. Sie ist die wohlhabendste und einflussreichste Familiendynastie in diesem nordeuropäischen Land. 2017 stieg EQT beim Magdeburger Energiedienstleister Getec ein. Inzwischen gehören den Schweden rund 75 Prozent der Anteile. Vor einem Jahr gaben die beiden Gründer der HIT Holztechnik in Torgau die Mehrheit an einen Fonds ab, der von der Münchner Beteiligungsgesellschaft Orlando geführt wird.

Zwei von mehreren Beispielen, die zeigen: Die ostdeutschen Betriebe geraten zunehmend in den Fokus von Beteiligungsgesellschaften. „Das nimmt zu“, bestätigt Volker Heinemann (56), der das Unternehmens-

Stiften gehen

Sparkassen verwalten Vermögen für gute Zwecke

Bettina Nüdling formuliert es so: „Wir bieten überaus attraktive Möglichkeiten für alle Menschen, die mit ihrem Vermögen dauerhaft und nachhaltig Gutes tun wollen.“ Petra von Crailsheim betont: „Immer mehr Leute haben den Wunsch, Teile ihres Vermögens über Generationen hinaus zu bewahren.“ Die Sparkasse Leipzig und das Schwesterinstitut in Dresden haben auf diesen Trend im Osten der Republik reagiert. Beide Institute haben jeweils eine Stiftergemeinschaft gegründet. Weitere Parallelität: Beide Einrichtungen sind seit drei Jahren aktiv.

„Wir geben die Möglichkeit, schon mit einem kleineren Vermögen und völlig unkompliziert am Gemeinwohl orientierte Projekte zu unterstützen“, berichtet Nüdling, Vorstand der Stiftergemeinschaft der Sparkasse Leipzig. Es sei eben einfach und ohne großen Aufwand, unter dem Dach der Stiftergemeinschaft einen eigenen Fonds mit dem eigenen Namen ins Leben zu rufen, ergänzt von Crailsheim, die Vorstandsvorsitzende Stiftergemeinschaft der Ostsächsischen Sparkasse. Eine eigene Stiftung außerhalb der Sparkasse zu gründen, „ist durchaus kompliziert und mit viel Aufwand verbunden“, berichtet von Crailsheim. Zusätzlich sei in diesen Fällen ein hoher Kapitalbedarf erforderlich. Es gelte auch, gesetzliche Bestimmungen zu beachten und entsprechende

Gremien einzusetzen, sagt Nüdling. Rechtsfähige Stiftungen unterliegen der staatlichen Aufsicht, müssen also eine Jahresrechnung mit Nachweis der Einnahmen und Ausgaben vorlegen, eine Vermögensübersicht und einen Bericht darüber erstellen, welche Stiftungszwecke erfüllt wurden. Das garantiert volle Transparenz.

Als Alternative bietet sich an, sein Geld der Stiftergemeinschaft anzuvertrauen. Der Vorteil ist: Die Vermögensverwalter des jeweiligen Instituts kümmern sich um die Geldanlage. Das ist bei höheren Beträgen in der Regel lukrativer, als sich mit einer kleinen Summe selbst um die Rendite zu kümmern. Die Erträge werden entsprechend ausgeschüttet. Das Stiftungskapital wird nicht angegriffen, bleibt erhalten. Die Verwaltung und das damit verbundene Management werden von der Stiftergemeinschaft komplett ohne zusätzliche Kosten übernommen.

Finanzinvestoren haben den Osten entdeckt

Deutsche Bank sieht Vorteile beim Einstieg von Private-Equity-Gesellschaften

kundengeschäft der Deutschen Bank in Mitteldeutschland verantwortet. „Das tut der Region gut, es handelt sich keineswegs um eine bedrohliche Entwicklung.“ Immerhin fließe so zusätzliches Investitionskapital in die hiesige Wirtschaft. „Das ist eine Bereicherung“, ergänzt Michael Erfurt (44), bei der Deutschen Bank im Raum Leipzig/Chemnitz für das Firmenkundengeschäft zuständig. So steige die Chance, dass die Betriebe anorganisch wachsen könnten. Zudem bleibe dann der Sitz des Unternehmens hier.

Die Gründe für den Einstig der Private-EquityFirmen sind vielfältig. Zum einen sitzen diese Fonds weltweit auf rund einer Billion US-Dollar, die angelegt werden wollen. Angesichts der Niedrigzinsphase sind Beteiligungen an Unternehmen die bevorzugte Variante. Im vorigen Jahr wurden allein in Europa 2168 derartige Deals perfekt gemacht mit einem Gesamtumfang von 262 Milliarden Euro.

Häufig stoßen die Beteiliger auf offene Türen, weil die Unternehmensnachfolge gerade in den neuen Ländern häufig ungeklärt ist. „Viele der Kinder derjenigen, die nach der Wende hier den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt haben, wollen den elterlichen Betrieb nicht fortführen“, erklärt Erfurt. Oftmals, weil sie in den 90er-Jahren, als die Arbeitsplätze hier knapp waren, in den Westen gegangen sind und sich dort beruflich orientiert haben. Getec-Gründer Karl Gerhold (68) hatte den Mehrheitsverkauf an EQT auch damit begründet, er wolle sicherstellen, dass das Unternehmen sich unabhängig von seinem persönlichen Schicksal weiterentwickeln könne. Bei HIT in Torgau, dem nach eigenen Angaben größten Hersteller von Europaletten in Europa, ging es ebenfalls um eine vernünftige Nachfolgeregelung. EQT beteiligt sich nach eigener Aussage an Firmen „mit der Mission, sie dabei zu unterstützen, sich zu großartigen und nachhaltigen Unternehmen zu entwickeln“. Dazu trimmen die Finanzinvestoren die Betriebe auf Effizienz. Mittelfristig ist in der Regel der Verkauf zu einem deutlich höheren Preis als beim Einstieg vorgesehen. In jüngster Zeit haben viele Fondsgesellschaften sich zu aktivistischen Investoren entwickelt. Selbst bei Minderheitsbeteiligungen versuchen sie, auf die Unternehmensstrategie massiv Einfluss und Druck auszuüben. Dem US-Fonds Elliot ist es so gelungen, beim Industriegiganten Thyssenkrupp die Ablösung von Vorstandschef Heinrich Hiesinger (58) und des Aufsichtsratsvorsitzenden Ulrich Lehner (73) zu erreichen, was den Konzern in eine Führungskrise stürzte. Die Beteiligungsgesellschaft Cevian forciert Berichten zu-

folge die Zerschlagung des Industrieunternehmens Bilfinger.

Doch auch sonst haben die Unternehmen in den neuen Ländern bei der Finanzierung offenkundig Anschluss an den Westen gewonnen. Neben den üblichen Krediten nehmen Schuldscheindarlehen zu. „Sie weiten den Kreis der Investoren aus“, betont Heinemann. Diese Darlehen werden von Banken arrangiert. Sie dienen in der Regel der längerfristigen Finanzierung. Von 2004 bis 2017 hat sich das Volumen des Schuldscheinmarktes in Deutschland auf 25 Milliarden Euro fast versiebenfacht. Nach wie vor sind in den neuen Ländern dagegen Unternehmensanleihen, die an der Börse gehandelt werden, noch eine große Seltenheit. Jedenfalls im geregelten Markt der Frankfurter Börse. Nach dem Verständnis der Deutschen Bank geht es da um eine Größenordnung ab 100 Millionen Euro.

Was in der Firmen-Finanzierungspalette aktuell in der Region fehlt, ist der Sprung in den Aktienmarkt. Doch auch da sind die Deutschbanker optimistisch. „Wir werden in den nächsten drei bis fünf Jahren einige Börsengänge sehen“, prognostiziert Erfurt. Immerhin gibt es hier schon Unternehmen, die den Sprung auf das Börsenparkett gewagt haben. Dazu zählen der Biosprithersteller Verbio, der seine Zentrale in Leipzig hat, Jenoptik und Carl Zeiss Meditec (beide Jena) sowie der Halbleiterhersteller X-Fab. Der formale Sitz des Konzerns ist in Belgien, die operative Zentrale aber in Erfurt. X-Fab ist an der Pariser Börse notiert. „Die ostdeutsche Wirtschaft ist insgesamt auf einem guten Weg“, kommentiert Heinemann.

Bankhaus Lampe schaltet in Dresden das Licht aus

Es gehört zu den renommierten deutschen Privatbanken. Vor zwölf Jahren eröffnete es in Dresden am Käthe-Kollwitz-Ufer eine Niederlasssung. Doch jetzt zieht sich das Bankhaus Lampe aus der sächsischen Landeshauptstadt ein Stück weit zurück, verliert an Sichtbarkeit. „Die Bank wird sich Mitte des Jahres 2019 von den Räumlichkeiten in Dresden trennen“, bestätigte eine Unternehmenssprecherin entsprechende Informationen der LVZ-Wirtschaftszeitung. Die Entscheidung betrifft im Übrigen auch Bremen. Beschwichtigend teilte das Institut mit, dass die Kunden an den jeweiligen Standorten „weiterhin von etablierten Ansprechpartnern, die ihren Lebensmittelpunkt in der Region haben“, betreut würden. Die Kundenberater vor Ort würden auf die „hohe fachliche Expertise“ von standortübergreifenden Spezialisten zurückgreifen. Dresden war der einzige ostdeutsche Standort.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich an der Stiftergemeinschaft zu beteiligen:

• Spende: Sie ist bereits ab einem Euro möglich.

• Zustiftung:

Dieses Geld erhöht dauerhaft das Kapital der Stiftergemeinschaft. Der Mindestbetrag liegt bei 1000 Euro.

• Stiftungsfonds: Das Vermögen bleibt dauerhaft erhalten und die Erträge dienen dazu, den vom Stifter gewählten gemeinnützigen Zweck zu verwirklichen. Die Zustiftung wird unter dem Namen des Geldgebers geführt. Mindestanlage: 25 000 Euro (Leipzig), 20 000 Euro (Dresden).

• Treuhandstiftung: Hier übernimmt die Sparkasse Leipzig die Verwaltung. Es handelt sich um eine eigene Stiftung des Geldgebers mit individueller Satzung, eigenem Namen und eigenem Entscheidungsgremium. Mindestanlage: 100 000 Euro.

Die beiden Stiftergemeinschaften fördern vielfältige Projekte. Sie reichen von Wissenschaft und Forschung über den Sport bis hin zu Umwelt und regionalem Brauchtum.

Spenden, die für gemeinnützige Zwecke verwendet werden, und Zuwendungen zu einer Stiftung können innerhalb bestimmter Höchstgrenzen ganz oder zum Teil als Sonderausgaben steuerlich geltend gemacht werden. Der Staat honoriert also gemeinnütziges Engagement getreu dem Motto von Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe: „Wer nichts für andere tut, tut nichts für sich.“ mi

Das 1852 in Minden an der Weser gegründete und heute in Düsseldorf ansässige Geldhaus konzentriert sich auf die umfassende Beratung von vermögenden Privatkunden, Firmenkunden speziell im Mittelstand und institutionellen Kunden. Die Privatbank gehört zum Bielefelder Oetker-Konzern, zu dessen Firmenreich unter anderem auch die Biergruppe Radeberger zählt. Das Bankhaus Lampe verwaltet ein Vermögen von 19,1 Milliarden Euro und erzielte im vorigen Jahr einen Bilanzgewinn von 14,9 Millionen Euro. Die Cost-Income-Ratio lag bei 92 Prozent. 2017 betrug sie 101,8 Prozent. Das bedeutet, dass der Verwaltungsaufwand höher war als die Erträge. Das erklärt nach Ansicht von Branchenbeobachtern das Schließen der Niederlassungen Dresden und Bremen. mi

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Von Ulrich Milde Bettina Nüdling von der Sparkasse Leipzig. Petra von Crailsheim von der Ostsächsischen Sparkasse. Haben die ostdeutsche Unternehmerlandschaft fest im Blick: Volker Heinemann (links) und Michael Erfurt von der Deutschen Bank in Leipzig. Blick auf die Zentrale des Bankhauses Lampe in Düsseldorf. Daniel Naupold Sparkasse
(2)

Forschung in Leipzig

Neueste Erkenntnisse von Bio bis Kunststoff

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Von Stefan Michaelis

Mitteldeutschland ist einer der größten Forschungsstandorte in Deutschland. Neben Universitäten und Hochschulen in nahezu allen größeren Städten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind zahlreiche Institute in der Region eng mit der Wirtschaft verzahnt. Ihre Forschungsschwerpunkte reichen von industriellen Anwendungen über innovative medizinische Methoden bis hin zu den neusten Entwicklungen in der digitalen Welt.

Die Wirtschaftszeitung stellt in vier Teilen die wissenschaftlichen Einrichtungen mit ihren Forschungsschwerpunkten, ungefähren Mitarbeiterzahlen und ihren Internetadressen vor. Bei manchen Einrichtungen – insbesondere innerhalb der Universität Leipzig –sind die Synergien verschiedener Fakultäten für ein Institut so groß, dass der Vermerk „Mitarbeiterzahl variiert“ die seriöseste Angabe ist, um nicht einen Wissenschaftler doppelt oder dreifach zu zählen.

Heutige Folge: Leipzig. Neben der Universität, der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) sowie privaten Hochschulen bilden zahlreiche, zum Teil auch an die Uni gegliederte Institute den ganzen Kosmos der aktuellen Forschung ab.

1 Bio City Leipzig

• Biotechnologie, Biomedizin und Gesundheitswirtschaft

• 500 Mitarbeiter

• www.bio-city-leipzig.de

Biotechnologisch-Biomedizinisches Zentrum der Universität Leipzig

• Entwicklungen in der molekularen und zellulären Biotechnologie sowie in der regenerativen Medizin

• 90 Mitarbeiter

• www.bbz.uni-leipzig.de

Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung

• Erforschung, Erhaltung und Nutzung unserer Ökosysteme, auch in Halle und Jena ansässig

• 350 Mitarbeiter

• www.idiv-biodiversity.de

2 Deutsches Biomasseforschungszentrum DBFZ

• Anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung im Bereich der energetischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe in der Bioökonomie

• 210 Mitarbeiter

• www.dbfz.de

3 Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie

• Angewandte, sozio-technologische und sozio-ökonomische Forschung für Wirtschaft, Politik und Wissenschaft

• 180 Mitarbeiter

• www.imw.fraunhofer.de

4 Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie

• Problemlösungen an den Schnittstellen von Medizin, Biowissenschaften und Ingenieurswissenschaften (auch in Halle ansässig)

• 640 Mitarbeiter

• www.izi.fraunhofer.de

5 Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

• Energie, Gesundheit und Materie. In Leipzig werden unter anderem Sonden entwickelt, die Hirntumore sichtbar machen oder eine Frühdiagnose der Alzheimer-Krankheit ermöglichen (auch in Dresden-Rossendorf ansässig)

• 1200 Mitarbeiter

• www.hzdr.de

Sächsisches Institut für Angewandte Biotechnologie an der Universität Leipzig

• Anwendungsorientierte Forschung in der Biotechnologie

• Mitarbeiterzahl variiert

• www.siab-biotechnologie.de

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ

• Komplexe Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt unter dem Einfluss des globalen Wandels (auch in Halle, Magdeburg, Lauchstädt, Falkenberg ansässig)

• 1100 Mitarbeiter

• www.ufz.de

Institut für Nichtklassische Chemie an der Universität Leipzig

• Biomethan, Adsorption, poröse Materialien, chemische Verfahrenstechnik

• 20 Mitarbeiter

• http://research.uni-leipzig.de/inc

Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung

• Praxisorientierte Erforschung und Entwicklung neuer Materialien und innovativer Verfahren

• 150 Mitarbeiter

• www.iom-leipzig.de

Leibniz-Institut für Troposphärenforschung

• Aerosole und Klimasysteme

• 150 Mitarbeiter

• www.tropos.de

6 Institut für Angewandte Trainingswissenschaften

• Zentrales Forschungsinstitut des deutschen Spitzensports

• 120 Mitarbeiter

• www.iat.uni-leipzig.de

7 Integriertes Forschungs- und Behandlungszentrum Adipositas-Erkrankungen

• Erforschung und Behandlung von krankhaftem Übergewicht (Adipositas)

• 120 Mitarbeiter

• www.ifb-adipositas.de

LIFE Leipziger Forschungszentrum für Zivilisationserkrankungen

• Zivilisations- und Volkskrankheiten

• 75 Mitarbeiter

• www.life.uni-leipzig.de

8 Kunststoffzentrum Leipzig gGmbH

• Forschung und Problemlösungen rund um Kunststoffe

• 60 Mitarbeiter

• www.kuz-leipzig.de

9 Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa

• Geschichte und Kultur im östlichen Europa

• 75 Mitarbeiter

• www.leibniz-gwzo.de

10 Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur - Simon Dubnow

• Jüdische Lebenswelten in Mittel- und Osteuropa sowie die jüdische Emigrationsgeschichte

• 40 Mitarbeiter

• www.dubnow.de

11 Leibniz-Institut für Länderkunde

• Räumliche Strukturen und Entwicklungen bis hin zu theoretischen und historischen Grundlagen regionaler Geografie

• 90 Mitarbeiter

• www.ifl-leipzig.de

12 Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

• Geschichte der Menschheit mit Blick auf Genetik, Kulturen, kognitive Fähigkeiten und soziale Systeme

• 335 Mitarbeiter

• www.eva.mpg.de

13 Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften

• Kognitive Fähigkeiten und Gehirnprozesse beim Menschen.

• 300 Mitarbeiter

• www.cbs.mpg.de

14 Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften

• Interaktion von Mathematik und Naturwissenschaften

• Mitarbeiterzahl variiert

• www.mis.mpg.de

15 Sächsische Akademie der Wissenschaft zu Leipzig

• Langfristige Forschungsprojekte und Meinungsaustausch im geistes-, natur- und technikwissenschaftlichen Bereich

• 130 Mitarbeiter

• www.saw-leipzig.de

16 Sächsischer Inkubator für Klinische Translation

• Diagnostik- und Therapieverfahren in den Kernbereichen Herz- und Gefäßmedizin, Haut- und Bindegewebe sowie Leber

• Mitarbeiterzahl variiert

• www.uni-leipzig.de/forschung/saechsischer-inkubator-fuer-klinische-translation/

Helmholtz-Institut für Metabolismus-, Adipositas- und Gefäßforschung (HI-MAG)

• Krankhafte Fettleibigkeit und ihre Folgeerkrankungen, Diabetes

• Mitarbeiterzahl noch nicht bekannt

• www.helmholtz-muenchen.de/hi-mag/

17 Sächsisches Institut für die Druckindustrie

• Forschungspartner des grafischen Maschinenbaus und ingenieurtechnischer Dienstleister für die Druckbranche

• 30 Mitarbeiter

• www.sidleipzig.de

Karte erstellt mit Stepmap.de & Innovation Forschung

„Forschung macht Region attraktiver“

Stephen Stubner, Rektor der Leipziger Manager-Schmiede HHL, legt Wert auf Projekte mit Unternehmen

Wie gut oder weniger gut ist die mitteldeutsche Forschungslandschaft aufgestellt?

Ausgesprochen gut. Alle wichtigen großen Forschungsinstitute sind hier, oftmals mit mehreren Kompetenzbereichen. Hinzu kommen die Hochschulen mit ihren mannigfaltigen An-Instituten.

Also war die Entscheidung, nach der Wiedervereinigung, hier auf Forschungseinrichtungen zu setzen, richtig gedacht?

Auf jeden Fall. Aus zwei Gründen: In Mitteldeutschland war ein großer Pool an hochqualifizierten Personen vorhanden. Es war klug, diese Potenziale zu heben. Und zweitens?

Durch die gezielte Ansiedlung von Forschungsinstituten wurde die Anziehungskraft dieser Region erhöht.

Da kommen dann kompetente Menschen in wertige Arbeitsverhältnisse. Das macht die Region nicht nur für Nachwuchskräfte interessanter, sondern gleichzeitig auch für die gesamte Bevölkerung attraktiver, da eine Menge passiert.

Wo steht die hiesige Forschungslandschaft bundesweit betrachtet?

Es gibt eine sehr schöne Verteilung der Institute quer durch die Bundesrepublik. Sie sind alle sehr kompetenzgetrieben. Ein Forschungsinstitut hat nur eine Überlebensberechtigung, wenn hochklassige Ergebnisse produziert werden. Und das geschieht in Ost wie West. Kurzum: Hier ist die deutsche Einheit vollzogen.

Trotzdem hört die Öffentlichkeit relativ wenig über die Arbeit der Institute.

Wir haben hier Institute, die reichen von der absoluten Grundlagenforschung bis hin zur stark anwendungsorientierten Forschung. Von der Grundlagenforschung

hört man traditionell nicht so viel, denn deren Projekte gehen in der Regel über einen langen Zeitraum. Es ist auch wichtig, ihnen diese Zeit zu geben, denn nur so können bahnbrechende Entwicklungen stattfinden.

Und bei den anwenderorientierten Einrichtungen?

Sie machen öfter auf sich aufmerksam. Bei ihnen liegt der Fokus schließlich darauf, aus einem Forschungsergebnis einen Mehrwert für Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen.

Welche Bedeutung hat das für die hiesige Volkswirtschaft?

Das hat direkte und indirekte Effekte, etwa durch die Institutsmitarbeiter, die Geld in der Region ausgeben. Am wichtigsten ist jedoch die nationale und internationale Strahlkraft für die Region. Da kommen Menschen aus der ganzen Welt zu uns zu Forschungsprojekten und Konferenzen – oder um bei uns zu studieren.

Was spricht für Mitteldeutschland?

Hier sind viele Talente vorhanden. Oftmals wollen sie hierbleiben. Deshalb kommen Forschungseinrichtungen, aber zunehmend auch Firmen aus den alten Bundesländern mit Niederlassungen hierher, um sich so die hiesigen Fachkräfte zu sichern. Positiv wirken sich die gute Infrastruktur, die hohe Lebensqualität und die vergleichsweise niedrigeren Kosten aus, etwa für Miete. Zudem strahlt die Region Dynamik aus. Weshalb einiges in der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft passiert?

Ja, es gibt hier Ausgründungen aus den Forschungseinrichtungen und viele Kooperationen mit Unternehmen. Das ist auch wichtig für den Mittelstand, der nur durch kontinuierliche Innovationen wettbewerbsfähig bleiben kann.

Haben Sie da ein aktuelles Beispiel zur Hand?

Aktuell sind die Themen Daten und Künstliche Intelligenz stark im Fokus von Wissenschaft und Wirtschaft. Um die Kompetenzen zu bündeln, beteiligen wir uns als HHL an der Initiative KI Hub, an der zum Beispiel auch die Universität Leipzig und verschiedene Unternehmen aktiv sind. Hier wollen wir die Kompetenzen in der Region bündeln und Spitzenforschung im Bereich KI, aber auch neue Geschäftsmodelle und damit Arbeitsplätze aus dieser Forschung heraus schaffen.

Hinter all diesen Kooperationen steckt auch die Hoffnung, dass daraus vielleicht mal ein großes Unternehmen entstehen kann?

Absolut, ein großes Unternehmen oder eine große Lizenz. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Fraunhofer Institut IIS an der Universität Erlangen. Dort wurde das Musikformat MP3 erfunden. Von jedem verkauften Player mit MP3, jedem Handy weltweit, fließt ein kleines Stück Lizenzgebühr nach Erlangen.

Die Diskussionsbeschleuniger

„The Buzzard“ zeigt Nachrichten und Meinungen aus der Vogelperspektive

Um die Debattenkultur in Deutschland ist es schon seit einiger Zeit nicht gut bestellt. Das meinen Felix Friedrich und Dario Nassal, die Gründer von „The Buzzard“, dem deutschen Navigator für politische Perspektiven. Damit liegen die beiden Politikwissenschaftler und Journalisten nicht falsch: In den vergangenen Jahren versuchen sich fast alle politischen Lager gefühlt in Lautstärke und Härte zu übertrumpfen. Schaut der Interessierte aber genauer hin, fällt auf, dass es auch mit der Faktenlage nicht weit her ist, Diskussionen werden meist auf Stammtischniveau geführt. Dabei gibt es Informationen en masse, im Internet: „Wir leben in Zeiten, in denen die Menschen mit Informationen überflutet werden“, meint Geschäftsführer Dario Nassal. „Und in Zeiten, in denen jeder immer mehr in seiner eigenen Blase lebt, werden konträre und spannende Randstimmen außerhalb der Leitmedien und eigenen Vorlieben oft nicht mehr wahrgenommen.“

Das haben die „Buzzarde“ geändert. Der Name ist ein Wortspiel aus dem englischen „Buzz“ das so viel wie Gerede und Gemurmel bedeutet, sowie aus der thematischen Vogelperspektive, dem großen Überblick für die Leser. Auf ihrer Online-Plattform beleuchten sie aktuelle Nachrichtenthemen jeweils aus verschiedenen Winkeln des kompletten politischen Meinungsspektrums. Bei größeren Debatten recherchiert und verlinkt die Redaktion bis zu zehn Artikel verschiedener Medien aus dem Internet, die immer eine andere Perspektive auf die Debatte oder das gesellschaftliche Problem einnehmen. Pro-Artikel sind grün gerahmt, Contra-Stücke haben einen roten Rah-

men. Auch lösungsorientierte Perspektiven sind dabei: „Wir greifen bei der Artikel-Auswahl auch auf Blogger, unabhängige Journalisten und politische Aktivisten zurück, bringen so mehr Würze und Abwechslung in die Debatte“, erläutert Geschäftsführer Felix Friedrich die Zusammenstellung des Angebots. Das zweite Standbein des „Buzzard“ sind die Tagesempfehlungen: „Zusätzlich zu unseren Debatten empfehlen wir um 7 Uhr morgens die interessantesten nationalen und internationalen Artikel, die zu aktuellen Themen des Tages einen Perspektivwechsel bieten”, erklärt Felix Friedrich. „Der Tag beginnt für den Leser also mit Wissenszuwachs.“ Damit die Leser diesen Wissenzuwachs möglichst schnell und werbefrei genießen können, bietet „The Buzzard“ ein Monatsabo zu einem Preis von unter zehn Euro mit kompakten Zusammenfassungen und journalistische Einordnung zu allen Perspektiven und Debatten. Ein angemessener Preis, vergleichbar mit dem größerer Anbieter. Selbst Nutzer mit nur wenig Zeit können so ihren Horizont täglich erweitern.

Der „Buzzard“ ist ein ambitioniertes Projekt. In Zeiten, in denen große klassische Medienkonzerne unter Finanz- und Innovationsdruck stöhnen, ist ein solches Informationsportal ein gewagtes Unterfangen. Um geschäftlich zu funktionieren, braucht es konstante Einkünfte – und diese sind gerade für kleine und unabhängige Projekte schwerer zu generieren als für große Werbeverbünde oder multinational agierende Online-Konzerne, die es auf den schnellen Klick abgesehen haben. Dieser Herausforderung stellen sich Friedrich und Nassal, die seit 2017 an ihrer Firma ar-

Und die Chance auf wirklich große Unternehmen besteht auch. Gerade bei datengetriebenen Geschäftsmodellen kann Wachstum viel schneller erreicht werden als bei klassischen Modellen

Es besteht aber die Gefahr, dass hiesige Innovationen bei den kapitalstarken westdeutschen Konzernen landen. Davon hat der Osten wenig. Sicherlich besteht diese Gefahr. Aber man darf den Klebeeffekt nicht unterschätzen. Wenn ein Patent für einen hohen Betrag verkauft wird, bleibt wenigstens das Geld hier. Und die Menschen kommen obendrauf.

Wir müssen ein Umfeld schaffen, damit diese Forscher von hier aus die Innovationen in den Markt bringen wollen. Das können Forscher in der Regel nicht alleine, da müssen Institutionen helfen, etwa wir.

Wie schätzen Sie die Forschungsaktivitäten der hiesigen Unternehmen ein?

Die Wirtschaftsstruktur in Mitteldeutschland ist sehr mittelständisch geprägt und da ist es eher der kleine Mittelstand. Viele dieser Unternehmen sind auch international sehr aktiv. Das können sie nur, wenn sie regelmäßig an Innovationen arbeiten.

Aber die kleinen Mittelständler haben nicht so viel Geld für Forschung und Entwicklung zur Verfügung.

Das ist richtig. Das Geld, das sie investieren können, ist natürlich limitiert. Deshalb ist es für diese Firmen überaus wichtig, bewusst mit Forschungsinstituten zusammenzuarbeiten.

Die Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Sachsen insgesamt verfehlen die EU-Vorgabe eines Drei-Prozent-Anteils am Bruttoinlandsprodukt nur knapp. Aber zwei Drittel der Aufwendungen kommen vom Staat, der Rest aus der Wirtschaft. Im Westen ist es umgekehrt. Das zeigt, dass hier große Unternehmen mit den ent-

beiten, anfangs aus München, seit 2018 schließlich aus Leipzig im Social Impact Lab. Zusammen mit Digitalexperten und einem Stab von freien Mitarbeitern geben sie der politischen Diskussion wieder mehr Tiefe.

Mit dieser Agenda haben es die „Buzzard“-Macher bereits geschafft, die Aufmerksamkeit von Google zu erregen und eine Förderung von 50 000 Euro vom Internet-Riesen zu erhalten. Von der Bundesregierung wurde das Team um Friedrich und Nassal zudem als Kreativ- und Kulturpiloten ausgezeichnet. Weitere Unterstützung gab es bislang auch vom Media Lab Bayern und dem Journalismus-Netzwerk Vocer. Notwendig ist die neue Debattenkultur im Internet allemal. Das zeigte erst kürzlich die Berichterstattung zu den Europa- und Kommunalwahlen Ende Mai und die verknappte politische Kommunikation. Vor allem Letztere ist geprägt durch ein stark verbreitetes Halb-

sprechenden Forschungsabteilungen fehlen. Deshalb ist es richtig, dass die Regierung hier einspringt. Welche Rolle spielt in diesem Kontext die HHL?

Wir sind seit Jahrzehnten bemüht, in Verbundprojekten mit hiesigen Unternehmen unseren Beitrag zu leisten, einen Mehrwert für die Volkswirtschaft zu schaffen. Wir können Management, Betriebswirtschaftslehre, Unternehmertum. Aktuell arbeiten wir etwa mit einem Forschungsinstitut zusammen, das an einem spannenden Thema sitzt, aber nicht weiß, wie es das an den Markt bringen kann. Da kommen wir ins Spiel.

Wie noch?

Wir helfen Interessenten aus Forschung und Entwicklung, sich das betriebswirtschaftliche Rüstzeug für eigene Unternehmungen oder Führungspositionen in ihren Organisationen anzueignen. Wir haben dazu Teilzeitprogramme im Angebot, praxisorientiert, an Wochenenden. Und wir haben einen weiteren Plan.

Welchen?

Wir arbeiten daran, einen eigenen Inkubator für neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Da wollen wir Unternehmer und Manager einladen, sich für eine gewisse Zeit aus dem Tagesgeschäft herauszunehmen und mit anderen an neuen Ideen zu arbeiten, nachzudenken, um die Firma fortzuentwickeln – angereichert mit Kompetenzvermittlung durch uns, vielleicht sogar in Teams mit unseren Studenten oder jungen Gründern zusammen.

Klingt interessant, denn viele Unternehmen sind sehr stark im Tagesgeschäft eingebunden. Richtig, es fehlen die Zeit und die Ressourcen. Wir wollen den Unternehmen beim Nachdenken helfen, Impulse für die Zukunft setzen.

Von Ulrich Milde

In einem ein Vortrag nehmen Eine junge auf, geht in ist viel Gewusel wollspinnerei. er ist das Treiben von Anfang schmiede ups aus der Unternehmens gleich die folgsgeheimnis beschreibt sind selbst es im November schon acht wir uns gut 31-Jährige. wird. Das macht Die Start-ups, haben, bleiben entstehen Dell bis zum zur Madsack herausgibt, lichen, das Teilnehmern nen schnellen beste Wachstumsbedingungen, die Wahrscheinlichkeit. sich zumindest Potenzial hat. Acht bis dabei. Mit begleitet worden. lebt“, berichtet beitsplätze Riesaer aber tionsgrad gesichts des nige sogar 45 Millionen Spinlab setzt dadurch von steht ein Konzern teiligt in der

wissen und eine eher einseitige Meinungsbildung. Mehr Wissen um Fakten und andere Meinungen kann hier auch mehr eigene Meinung oder sogar einen Meinungswechsel bedeuten.

Das Portal versucht auch, die Filterblase der Sozialen Medien platzen zu lassen. Denn diese lässt je nach Einstellung nur noch Nachrichten und Meinungen durch, die auch der eigenen Überzeugung entsprechen. Offenheit für die Ideen und Meinungen aus der politischen Gegenrichtung oder auch die neutralen Äußerungen von Experten spielen damit für viele Mediennutzer so gut wie keine Rolle mehr. Mit ein paar Klicks verschwinden diese anderen Stimmen aus dem Medienangebot – und damit auch aus der eigenen Gedankenwelt. Ein erfolgreicher „Buzzard“ könnte neue Denkansätze schaffen und die politische Debatte wieder aufs Neue beflügeln. Frank Schmiedel

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Interview: Ulrich Milde
& Forschung Innovation
Stephan Stubner (45) ist seit zwei Jahren Rektor der HHL Leipzig Graduate School of Management.
Eric
Rat
Der
Weber steht
und
André Kempner Felix Friedrich und Dario Nassal (r) sind die Gründer von „The Buzzard

Der Aufbauhelfer

Eric Weber vom Spinlab steht Start-ups mit Rat und Tat zur Seite

In einem Besprechungsraum nebenan wird gerade ein Vortrag über die Förderung von Kleinunternehmen durch die Europäische Union gehalten. Eine junge Frau steht in der Halle 14 vom Schreibtisch auf, geht in die Küche und holt sich einen Kaffee. Es ist viel Gewusel in diesem Teil der Leipziger Baumwollspinnerei. Eric Weber bleibt ruhig und gelassen, er ist das Treiben gewohnt. Kein Wunder, denn er war von Anfang an dabei, als die Leipziger Managerschmiede HHL das Spinlab ins Leben rief, um Startups aus der Technologiebranche beim Aufbau ihres Unternehmens unter die Arme zu greifen und zugleich die regionale Wirtschaft zu stärken. Das Erfolgsgeheimnis der von ihm geleiteten Einrichtung beschreibt Weber so: „Wir als Betreibergesellschaft sind selbst ein Start-up.“ Mit anderthalb Stellen ging es im November 2014 los, heute gibt es immerhin schon acht fest angestellte Mitarbeiter. „Da können wir uns gut in die Start-ups hineinversetzen“, sagt der 31-Jährige. „Wir kennen es auch, wenn das Geld knapp wird. Das macht uns authentisch.“

Die Start-ups, die den Auswahlprozess bestanden haben, bleiben ein halbes Jahr vor Ort, Mietkosten entstehen ihnen nicht. 24 Unternehmenspartner von Dell bis zum Energieversorger EnviaM, von VNG bis zur Madsack Mediengruppe, die auch diese Zeitung herausgibt, unterstützen das Spinlab. Sie ermöglichen, das dürfte der wichtigste Aspekt sein, den Teilnehmern durch ihr Wissen und ihre Netzwerke einen schnellen Marktzugang. Das garantiert zwar nicht beste Wachstumsbedingungen, erhöht aber deutlich die Wahrscheinlichkeit. Wer einen Platz erhält, kann sich zumindest ziemlich sicher sein, dass seine Idee Potenzial hat.

Acht bis zehn jungen Firmen sind pro Durchgang dabei. Mit den acht jetzigen sind bislang 59 Start-ups begleitet worden. „85 Prozent von ihnen haben überlebt“, berichtet Weber. Zusammen haben sie 450 Arbeitsplätze geschaffen. Klingt gut, ist dem gebürtigen Riesaer aber schon fast zu viel. „Ein hoher Innovationsgrad bedeutet zugleich, dass die Projekte angesichts des hohen Risikos auch scheitern können, einige sogar scheitern müssen.“ Immerhin sind bereits 45 Millionen Euro Kapital in die Firmen geflossen. Das Spinlab setzt auf viele Partner und unterscheidet sich dadurch von den meisten anderen Einrichtungen. Oft steht ein Konzern dahinter, der sich an Start-ups beteiligt in der Hoffnung, dass wenigstens eines dieser

Die aktuellen Start-ups im Spinlab

• Aicura verknüpft die Themen Medizin, Management und künstliche Intelligenz. Das Unternehmen entwickelt lernende Algorithmen, die unter anderem Abläufe in Krankenhäusern optimieren und effizienter gestalten sollen.

• Idatase beschäftigt sich mit künstlicher Intelligenz und entwickelt Softwarelösungen für Echtzeit-KI. Anwendung sollen sie finden unter anderem in der der Energiewirtschaft oder in Smart Cities.

• Octagon Carreers will den üblichen Bewerbungsprozess revolutionieren und so frisch graduierten Studenten bessere Möglichkeiten bieten, schnell den passenden Job zu finden.

• we-do.ai entwickelt Softwarelösungen für künstliche Intelligenz. Die Firma konzentriert sich dabei auf die automatische Erkennung und Generierung von Texten oder die Bilderkennung für Immobilienunternehmen und Energiedienstleister.

• BrainPlug arbeitet in der Gebäudeüberwachung und entwickeln intelligente Kamera-Infrastrukturen, die nicht mehr nonstop und pauschal, sondern nur gerätespezifisch bei potenzieller Gefahr aufzeichnen.

• air-Q hat einen Sensor entwickelt, der die Luft in Innenräumen analysiert, auf verschiedene Qualitätskriterien hin überprüft und den Nutzer bei Abweichungen, etwa zu hoher Feinstaubbelastung, warnt.

• myo will es Pflegenden über eine Kommunikationsplattform ermöglichen, Fotos und Inhalte mit den Angehörigen des Patienten zu teilen und sie über das Wohlergehen und die Situation des Patienten auf dem Laufenden zu halten.

• qCoat entwickelt neuartige, hocheffiziente Wasser- und Abwasserfilter, die bei reduziertem Energieverbrauch eine verbesserte Reinigungsleistung erzielen sollen.

Biofabrik verwandelt Meeresplastik zu Kraftstoff

Nach über sechs Jahren Entwicklung hat der Bereich Wastx Plastic der Biofabrik Technologies GmbH Dresden die Marktreife für ein neues Verfahren geschafft. Gemeinsam mit der Umweltorganisation One Earth One Ocean konnten jetzt unter realen Bedingungen 300 Kilogramm Meeresplastik zu Kraftstoff verarbeitet werden. Mit der Wastx Plastic liefert die Biofabrik nach eigenen Angaben die erste dezentrale, mobile Lösung für die unmittelbare Verwertung des Plastikabfalls dort, wo er gesammelt wird. Jedes Jahr gelangen etwa acht Millionen Tonnen Plastikabfall in die Weltmeere. Etwa 150 Millionen Tonnen befinden sich Schätzungen zufolge bereits in den Gewässern der Welt. Bis 2050 –so eine Hochrechnung der Ellen MacArthur Foundation – könne die Masse des im Meer befindlichen Plastikabfalls größer sein als die von Fisch. Durch Strahlung werden die Plastikteile zersetzt und gelangen als Mikroplastik auch in unseren Nahrungskreislauf. Plastik in der Umwelt – schlecht für Klima und Gesundheit. Pyrolyse ist ein geeignetes Verfahren zur Verwertung von Meeresplastik. Bereits seit gut einhundert Jahren ist das Prinzip der Pyrolyse bekannt: Die langkettigen Kohlenwasserstoffverbindungen der Kunststoffe werden durch Erhitzen unter Ausschluss von Sauerstoff aufgebrochen. Es entstehen so kurzkettige Kohlenwasserstoffverbindungen, die flüssig oder gasförmig sind. Mit der Wastx Plastic hat das Dresdner Technologie-

Start-up Biofabrik eine dezentrale Kompaktpyrolyseanlage entwickelt, die auf dem beschriebenen Verfahren basiert.

Der entstehende Kraftstoff entspricht nach einer einfachen Nachbereitung den Normen verschiedener schwefelarmer Marine-Diesel. Darüber hinaus kann der Kraftstoff in Generatoren oder Turbinen in elektrische Energie umgewandelt werden.

Entgegen anderer Recyclingtechnologien ist die Wastx Plastic nicht auf sortenreine Stoffströme angewiesen. Die Anlage kann gemischte und verunreinigte Kunststoffabfälle rohstofflich verwerten. Damit ist sie in der Lage, mit den besonderen Anforderungen, die Meeresplastik an ein Recyclingsystem stellt, umzugehen. Nun sollte sie sich in einem Dauertest im Umgang mit Meeresplastik beweisen. U. L.

Unternehmen so durch die Decke geht, dass nicht nur sämtliche Kosten wieder eingespielt werden, sondern ein erklecklicher Gewinn übrig bleibt. Das allerdings ähnelt ein wenig der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.

Generell ist es nach Webers Einschätzung in Ostdeutschland schwieriger, Wagniskapital zu generieren. Hier gibt es, teilungsbedingt, wenig große Konzerne. Der Westen der Republik profitiert hier auch von seinen vielen ebenso traditionsreichen wie finanzstarken Familienunternehmen. Obendrauf kommen dort viele vermögende Privatpersonen. Um hier ein wenig Abhilfe zu schaffen, soll im Juli ein Venture Capital Fonds aufgelegt werden mit einem Volumen von zehn bis fünfzehn Millionen Euro. „Es handelt sich um den ersten privaten Fonds in Ostdeutschland“, sagt Initiator Weber. Mit dem Geld will der Fonds sich an jungen Unternehmen beteiligen und die Wachstumsphase finanzieren. Anleger müssen mindestens 100 000 Euro aufbringen, um sich an dem professionell gemanagten Fonds zu beteiligen. Das Risiko ist groß, die Chancen sind es ebenfalls. Zum Vergleich: Der Versicherungsriese Allianz hat kürzlich seinen Fonds für Beteiligungen an jungen Digitalunternehmen auf eine Milliarde Euro aufgestockt.

Weber selbst ist prädestiniert dafür, das Spinlab voranzubringen. Der gebürtige Riesaer gründete bereits mit 17 eine Firma, die unter anderem Webseiten für Firmen und Institutionen wie die Feuerwehr erstellte. Nach Abitur und Bundeswehr studierte er an der Berufsakademie Sachsen und arbeitete für ein Großhandelsunternehmen. Für diesen Betrieb baute er den Online-Shop auf. „Das war sehr interessant.“ Später war er unter anderem für eine damalige Tochter des Erdgasriesen VNG tätig. Es ging um die Entwicklung von Gas-Software. Weber schloss ein Betriebswirtschaftsstudium an der Universität Leipzig an und wechselte danach zur Handelshochschule. Der damalige Rektor Andreas Pinkwart (58, heute Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen) suchte einen wissenschaftlichen Mitarbeiter. Weber promovierte über Technologie-Start-ups. Eine dauerhafte Tätigkeit am Lehrstuhl strebte er aber nicht an. Passend trat der Leipziger Galerist Gerd Harry „Judy“ Lybke (58) mit einem Vertreter der Immobilienfirma MIB AG – ihr gehört das Gelände der Baumwollspinnerei – an Pinkwart mit der Idee heran, dort ein Zentrum für Start-ups einzurichten. Das Konzept, Kreative auf dem zehn Hektar großen Gelände zusammenzuführen, überzeugte Pinkwart. Weber erhielt den Auftrag, der Umsetzung. Die Erfolgsgeschichte begann – und geht weiter. Angesiedelt im Spinlab ist auch das Smart Infrastructure Hub, ein Gründerzentrum mit hochschulübergreifenden Kompetenzen. Die Schwerpunkte liegen in den Sparten Energie, Smart City und Gesundheit. Initiiert wurde es durch einen Wettbewerb des Bundeswirtschaftsministeriums. Ziel ist es, in Sachen Digitalisierung voranzukommen. „Hier ist Deutschland ein Stück zurück, wir müssen schnell aufholen“, sagt Weber.

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Von Ulrich Milde Eric Weber auf einer eher ungewöhnlichen Sitzgelegenheit in Halle 14 der Baumwollspinnerei.
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Hier wird Plastik in Kraftstoff verwandelt.
André Kempner
„Wir kennen es auch, wenn das Geld knapp wird. Das macht uns authentisch.“
Eric Weber

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Digitale Sicherheit mit Rhebo

Plagwitzer Start-up schützt kritische Infrastrukturen

Von Frank Schmiedel

Es passiert im laufenden Betrieb: Hacker greifen die digitale Infrastruktur eines chinesischen Atomkraftwerkes an, bringen den Reaktor fast zum Schmelzen, das Werk ist verstrahlt. Alles ist nur ein Test, denn kurz darauf soll in Malaysia ein Staudamm zerstört werden, um eine nahe Zinnerz-Mine zu überfluten. Die Weltmarktpreise des Metalls werden so in den Keller stürzen, durch die gesteuerte Katastrophe wollen die Kriminellen Millionen an den Börsen einsacken.

Im düsteren Hollywood-Reißer „Blackhat“ sieht das wie eine digitale Horror-Fiktion aus der Zukunft aus. Doch solche Szenarien könnten jederzeit Realität werden, täglich kommt es weltweit millionenfach zu Angriffen auf Computernetzwerke. Wer dabei allein an geknackte E-Mail-Konten, Instagram- und Facebook-Accounts denkt, liegt nur zum Teil richtig. Geknackte Passwörter von Social Media-Profilen sind für die Betroffenen schlimm – aber im industriellen Maßstab, in dem das Leipziger Industrial-Security-Unternehmen Rhebo seine Kunden vor Angriffen schützt, sind sie nur digitaler Beifang. „Cyberkriminelle haben es häufig auf sogenannte Kritische Infrastrukturen wie Energieversorger oder Flughäfen sowie ganze Produktionslinien von Unternehmen abgesehen“, erklärt Klaus Mochalski, Gründer und CEO von Rhebo. „Mittels eingeschleuster Schadsoftware und mehrstufiger Angriffe werden interne Abläufe gestört, zum zeitweiligen Erliegen gebracht oder die komplexe Infrastruktur komplett zerstört.“

Jede Minute Ausfall kostet Geld: Die Beratungsfirma ARC Advisory veröffentlichte einen Report, aus dem hervorgeht, dass zum Beispiel eine Minute Produktionsausfall in der Pharmaindustrie mit 8300 Dollar an Kosten und Verlusten zu Buche schlägt. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) schätzt, dass weltweit pro Tag rund 400 000 neue Arten von Trojanern, Viren oder anderer digitaler Schädlinge durchs Netz schwirren. Diese oftmals autark handelnden Programme stehlen vertrauliche oder geheime Daten und steuern Computer fremd. Mal ein Garagentor, mal ein Industrieroboter, in schlimmeren Fällen Windräder oder Kraftwerke.

Es ist der gewollte digitale Fortschritt, der diese Gefahr mit sich bringt: Intelligenz und Vernetzung kann bei Maschinen und digitaler Infrastruktur zum Problem werden. „Alles, was mit einem Server steuerbar ist und direkt oder indirekt ans Internet angeschlossen ist, kann auch angegriffen werden“, sagt Klaus Mochalski. Diese Bedrohung werde noch weiter wachsen, denn die Digitalisierung startet bei vielen Unternehmen gerade erst. Je mehr Produktionslinien und Infra-

Entwickelt in Sachsen-Anhalt: Intelligente Mobilitätsräume und Autonome Lastenräder

Mit einer leistungsfähigen Infrastruktur ist Sachsen-Anhalt heute nicht nur ein wichtiger Logistikstandort in der Mitte Europas. Auch eine einzigartige Forschungslandschaft prägt seit Jahrzehnten die angewandte technische Logistik und treibt deren Digitalisierung voran. Zukunftsprojekte wie Autonome Lastenräder und die Generierung von Intelligenten Mobilitätsräumen aus Sachsen-Anhalt sind top in Europa.

„Die Digitalisierung stellt eine der wenigen Chancen dar, den gordischen Knoten zu lösen, der sich aus zwei gegenläufigen Herausforderungen für die Logistik ergibt“, sagt Fabian Behrendt vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg. Einerseits müsse die Logistik mit umweltfreundlichen Prozessen die steigenden Anforderungen des Klimaschutzes realisieren. Auf der anderen Seite habe die Logistik aber die immer komplexeren, weltweit gespannten Wertschöpfungsnetzwerke zu organisieren. „Und das in Zeiten mit zunehmenden politischen Unsicherheiten, immer knapperen Kapazitäten in der Infrastruktur und steigenden Warenaufkommen sowie immer höheren Ansprüchen an Sicherheit, Zuverlässigkeit und Qualität in der Zustellung und Prozessorganisation“, so Behrendt. Der Professor erforscht die Digitalisierung von Produktions- und Logistiksystemen im Kontext der Industrie 4.0. Mit den Intelligenten Mobilitätsräumen als Forschungsnetzwerk an der Otto-von-Guericke-Universität soll die Digitalisierung des Verkehrssystems erfolgen und mit der Energieversorgung und der Logistik verknüpft werden. Ers-

teres ist Grundlage für die umweltfreundliche Elektromobilität, das Zweite für die nachhaltige und stauarme Bewegung von Gütern und Menschen, die besonders in Städten an ihr Limit komme“, sagt Behrendt. So hat das Fraunhofer IFF mit Industriepartnern neue Ansätze zur sogenannten Sektorenkopplung entwickelt: die Verbindung von Energienetzen und Verkehrsnetzen. „Beide Infrastrukturen sind bereits jetzt stark belastet, zunehmend flüchtige erneuerbare Energien und Elektro-Fahrzeuge verlangen neuen Ausbau- und strategischen Steuerungsbedarf, für die umsetzbare Lösungen gesucht werden“, so Behrendt.

Das Fraunhofer IFF ist auch eingebunden in die Forschungsprojekte der Ottovon-Guericke-Universität Magdeburg zum autonomen Lastenrad. Das interdisziplinäre Team „Transformers“ aus der Informatik, Logistik, Maschinenbau und Umweltpsychologie will Bikesharing-Systeme in die nächste Generation befördern. Mit einem autonomen Rufdienst erlaubt es eine echte Tür-zur-Tür Mobilität, eine vollständige Integration in multimodale Reiseketten und neue Kombinationsvarianten von Gütertransporten und Personenfahrten. „Das Charmante an der Nutzung der Lastenräder ist, dass diese weniger belastete Radwege nutzen können und durch einen deutlich geringeren Flächen- und Energieverbrauch die Umwelt sowie Städte deutlich entlasten können“, sagt Wissenschaftler Fabian Behrendt. Die Forschungsprojekte zum Autonomen Lastenrad und die Generierung der Intelligenten Mobilitätsräume in Sachsen-Anhalt seien einzigartig in Europa. mi

struktur digitalisiert werden, desto zukunftsfähiger bleibt das Unternehmen. Je größer das Unternehmen ist, je spezieller eine Produktfertigung, desto komplexer wird auch die notwendige IT-Technik. Aber je digitaler die Firmen werden, desto eher kann es zu Überforderung, Sicherheitslücken und Angriffen kommen.

Die eigene digitale Sicherheit können Unternehmen durch Dienstleister wie Rhebo, das 2014 von Klaus Mochalski, Frank Stummer und Martin Menschner gegründet wurde, stärken. Rhebo hat sich darauf spezialisiert, industrielle Infrastrukturen vor Angriffen und Fehlerzuständen zu schützen. Eine Firewall hat zwar mittlerweile jedes Unternehmen, diese ist aber nicht ausreichend. Denn die Standard-Software erkennt in der Regel nur bekannte Schadprogramme, ist jedoch machtlos gegen neue Angriffsmuster oder Manipulation über autorisierte Kanäle. Zudem sieht eine Firewall nur, was an der Grenze eines Netzwerks passiert. Gegenüber den Vorgängen innerhalb der Infrastruktur ist sie blind. Hier kommt Rhebo mit seiner Softwarelösung ins Spiel: „Unsere Monitoringlösung überwacht und analysiert die Datenkommunikation innerhalb industrieller Netzwerke, Netzleittechnik und Leitsysteme. Kommt es zu technischen Fehlern oder unbekannten Cyberangriffen, werden diese als Anomalie identifiziert und in Echtzeit an die Betreiber gemeldet“, erklärt Kristin Preßler, ebenfalls Geschäftsführerin von Rhebo. Dieser Ansatz nennt sich Anomalieerkennung und ist auch eine Praxis, die im Frühjahr 2019 vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) empfohlen wurde. „Dieser Zeitgewinn hilft unseren Nutzern, Attacken schnell abzuwehren und Schlimmeres zu verhindern. Wichtiger Zusatznutzen: Alle Daten werden gespeichert und für eine Analyse bereitgestellt, damit es nicht erneut zu einer solchen Attacke kommen kann.“

Schlüssige Konzepte und Produkte, die auch die Investoren und Branchenkenner überzeugt haben. Im Frühjahr 2018 erhielten Mochalski und Preßler eine Millionenfinanzierung durch den Stahlkonzern SHS und den in Leipzig ansässigen Ferngasversorger VNG. Beteiligt an dieser bereits zweiten Finanzierungsrunde waren die Wagniskapitalgesellschaft eCapital und der Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS). Beide Bestandsinvestoren hatten bereits 2016 rund 2,5 Millionen Euro in die Rhebo GmbH gesteckt. Auch international bekommt die Plagwitzer Firma Lorbeeren. Rhebo gehörte laut Branchendienst Gartner schon 2017 zu den weltweit 30 „Marktführern für betriebstechnische Sicherheit“. Die Leipziger waren im Übrigen das einzige deutsche Unternehmen, das im Ranking mit einer vollwertigen Lösung vertreten war.

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„Alles, was per Server mit dem Internet verbunden ist, ist angreifbar.“
Klaus Mochalski
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Rhebo-Gründer und CEO Klaus Mochalski mit Kristin Preßler, der Geschäftsführerin des Start-ups.

Autokauf von der Couch

Digitaler „Zwilling“ durch Twinner

Der graue VW Golf rollt in den ovalen Raum, auf einen riesigen Drehteller von sechs Metern Durchmesser, Mitarbeiterin Maria Fischer installiert die Innenraumkamera zwischen Dachhimmel und Mittelkonsole. Sie verlässt den Raum, der ein hochinnovatives Messgerät in der Größe eines Fotostudios ist. Das Tor schließt sich langsam. Mit einem QR-Code wird das Fahrzeug identifiziert, der Scan-Prozess kann beginnen. Auf Knopfdruck beginnt sich die Plattform mit dem dunklen Kombi im Innenraum zu drehen – die Kameras und Sensoren nehmen ihre Arbeit auf. Das Fahrzeug wird so lange gedreht, bis alle Sensoren und Aufnahmegeräte jeden Winkel erfasst haben. Nach knapp fünf Minuten ist der Prozess beendet. Auf den Monitoren erscheint der digitale Zwilling des Insignias – sein „digital twin“. Ausgedacht hat sich dieses revolutionäre System das Team der Twinner GmbH der beiden Geschäftsführer Geert Peeters und Danny Weckwarth. Revolutionär aus mehreren Gründen: Die komplette Ansicht des Autos, inklusive Innenraum und Unterboden, wird in einem Arbeitsgang aufgenommen. Zusätzlich werden auch die Reifenprofiltiefe gemessen und Farbunterschiede im Lack – wie etwa bei Nachlackierungen – erkannt. Per erfasster Fahrgestellnummer werden Fahrzeugdaten sowie Ausstattung ermittelt und dem Datenpaket hinzugefügt. Alle Infos werden in einen Cloud-Speicher hochgeladen, um sie dort verfügbar zu machen – aber auch, um sie vor Manipulationen durch Dritte zu schützen.

Der digitale Zwilling des erfassten Autos ist komplett drehbar, Details können problemlos herangezoomt werden. Zuvor hat ein Team von Autogutachtern und Verkaufsberatern die erfassten Fahrzeuge mit sogenannten „Tags“ versehen. Diese digitalen Markierungen beschreiben alle wesentlichen Ausstattungsmerkmale, aber auch bestehende Beschädigungen, Kratzer oder Dellen. Durch die Zoom-Möglichkeit des Systems sind diese Mängel für den potenziellen Käufer rasch sichtbar. Möglich wird das durch die enorm hohe Auflösung der verwendeten Kameras:

„Wir nutzen innerhalb des Twinners Kameras mit einer Auflösung von mehr als 50 Megapixeln“, erklärt Markus Hoffmann, der Leiter des Produktmanagements. „Das ist ungefähr eine doppelt so hohe Auflösung wie bei einer Spiegelreflexkamera oder vier Mal so viel, wie eine herkömmliche SmartphoneKamera erfassen kann.“ Bis zum Ende des Jahres soll die Erkennungssoftware die ersten Ergebnisse erzeugen. Hierbei werden dann Ausstattungsdetails des Fahrzeugs mittels künstlicher Intelligenz selbstständig erkannt und am Fahrzeug automatisch markiert.

Dass der spätere Verkäufer die gewonnenen Daten nicht manipulieren kann, dafür ist seitens Twinner gesorgt: „Wir behalten die Hoheit über die erfassten Daten, können damit allen Nutzern, egal ob Käufer, Zwischenhändler oder Verkäufer, unverfälschte Ergebnisse garantieren“, erklärt Hoffmann. Schummeln wird so fast unmöglich.

200 Digitalspezialisten, zwei Jahre Arbeit

Die 360-Grad-Ansichten und Fahrzeugdaten können Autohändler problemlos in ihre Online-Angebote einbinden, der Kunde bekommt ein reales Abbild des Automobils zu sehen. Wie schauen die Sitze aus, ist das Lenkrad abgegriffen, wo sitzt eventuell schon der Rost? Wichtige Informationen, um eine Kaufentscheidung zu treffen – oder eben zu einem anderen Fahrzeug weiterzuklicken. Aber auch Flottenmanager von Firmen mit vielen Dienstwagen dürften sich für den Twinner interessieren, ebenso Mitarbeiter von Autohäusern, die sich mit der Erfassung von Leasing-Rückläufern befassen.

Eine solche Innovation entsteht nicht über Nacht, eher in vielen durchgearbeiteten Nächten: Begonnen hat aber alles vor zwei Jahren, rund 200 Digitalspezialisten und Autoexperten hat den „Twinner“ ent-

wickelt, gebaut und zum Drehen gebracht. Ende 2018 kam der Twinner dann auf den Markt. Das Unternehmen hat seit dem Frühjahr seinen Sitz in Halle, begonnen hat alles in Leipzig. Das Versuchslabor mit dem aktiv genutzten Twinner befindet sich weiterhin in der Franz-Flemming-Straße der Pleißestadt. Geld verdient die Twinner GmbH mit einem transaktionsbasierten Geschäftsmodell, in welchem Gebühren für die durchgeführten Scans berechnet werden. Erste echte Erfolge konnten bereits erzielt werden – und das mit namhaften Partnern in der Automobilbranche: Im Frühjahr verkaufte die Autohaus Gotthard König GmbH rund 1000 Fahrzeuge des italienischen Herstellers Fiat über den Discount-Riesen Lidl auf ihrer Online-Plattform. Nahezu alle Autos waren zuvor mit dem mitteldeutschen Twinner erfasst und in den Online-Shop exportiert worden. Die Fahrzeuge waren innerhalb weniger Tage komplett vergriffen.

Weite Anreise – geringe Verkaufschance

„Der Twinner ist für uns ein ganz neues, innovatives Produkt, das wir unbedingt für uns austesten wollen“, erklärt der Geschäftsführer Dirk Steeger. „Wir sehen die Zukunft der digitalen Vermarktung von Fahrzeugen als etwas, was wir gern begleiten wollen.“ Die Händler bekommen eine hohe Zahl von Online-Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet. Dabei gilt die Regel: Je weiter die Anreise ist, desto unrealistischer wird der Vertragsabschluss. Denn zu oft entspricht das Fahrzeug, das dann im Verkaufsraum steht, nicht den Kunden-Erwartungen. „Diese Brücke für den Kunden schlagen wir mit dem Twinner, indem wir durch die umfangreiche visuelle Dokumentation klarer stellen, welches Auto wir da anbieten“, beschreibt Steeger den neuen Service. Denn um den Kundenvorteil als Verkaufsargument dreht sich auch im Online-Autohandel alles: „Was soll dem Käufer passieren?“, fragt Dirk Steeger. „Er bekommt eine Werksgarantie mit dem neuen Originalfahrzeug bzw. dem zuvor in allen Details gesehenen Gebrauchtwagen. Von der Couch hat er eine schnelle Verfügbarkeit aller Fahrzeugdaten rund um die Uhr – und einen guten Preis. Dem Käufer wird es durch technologische Lösungen wie dem Twinner egal sein, ob das Auto aus Heidelberg, Sindelfingen oder Berlin stammt.“

Der Fahrzeugscanner ist in China im Einsatz Insgesamt fünf Autohäuser in Deutschland nutzen das mitteldeutsche System bereits, weitere Verträge sind abgeschlossen und in China ist der innovative Fahrzeugscanner ebenfalls schon im Einsatz. Der Twinner ist damit neben dem starken deutschen Markt auf einem der weltweit größten Wachstumsmärkte mit einem enormen Potenzial vertreten.

Besonders im Gebrauchtwagenhandel dürfte sich das Gerät gut machen, dort haben die Fahrzeuge in Deutschland laut Statistikdienst Statista eine durchschnittliche Standzeit von 107 Tagen. Ein Wert, der für Händler zunächst hohe Kosten bedeutet, sich dank der idealen Online-Darstellung eines Fahrzeugs durch die neue Methode deutlich senken lässt. Eine weitere Zahl spricht für die Nutzung des Twinner-Angebotes – der deutsche Gebrauchtwagenmarkt hatte 2017 das Volumen von 82,1 Milliarden Euro. Es ist also genug Geld im Markt für die Nutzung des Twinner.

Neben der digitalen Innovation beeindruckt auch die reine Geschwindigkeit bei der Erfassung. Im Idealfall werden am Nachmittag oder Abend angelieferte Fahrzeuge über Nacht digital erfasst und können schon am nächsten Vormittag online gestellt werden. Bis zu 900 Fahrzeuge pro Monat könnten so mit nur einem Twinner erfasst und angeboten werden, so Hoffmann. Bisherige Erfassungszyklen von Neu- und Gebrauchtfahrzeugen lagen bislang zwischen zwei und drei Tagen. Ein enormer Geschwindigkeitszuwachs im schnelllebigen Autohandel durch den Twinner. Setzt sich das System durch, könnte ein wichtiger Baustein des zukünftigen Online-Automobilhandels aus der Metropolregion Leipzig-Halle stammen.

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& Forschung Innovation
Von Frank Schmiedel Komplett neue Art des Autokaufs: Das mit dem Twinner erfasste Fahrzeug ist komplett drehbar, das digitale Bild kann beliebig ein- und ausgezoomt werden. Bereit zum Einsatz im Twinner: Das zu begutachtende Fahrzeug rollt auf die sechs Meter große Plattform. Danny Weckwarth ist einer der beiden Geschäftsführer der Twinner GmbH. Er installiert die Innenraumkamera im Fahrzeug. Das Innere des „Twinners“ ist speziell ausgeleuchtet und mit hochauflösenden Kameras bestückt. Eine KI-Software steuert die Messvorgänge. Die Twinner GmbH von Danny Weckwarth und Geert Peeters ist auf den wichtigen deutschen und chinesischen Automärkten präsent.
„Wir garantieren allen Nutzern unverfälschte Ergebnisse.“
Dirk Knofe (5)
Markus Hoffmann

Neuer Chef im Stelzenhaus

Konrad Sell hat Leitung des Social Impact Labs übernommen

Das Social Impact Lab Leipzig (SIL) hat seit Februar 2019 einen neuen Standortleiter: Konrad Sell führt jetzt die Geschäfte in Plagwitz. Der 35-Jährige hat die Nachfolge von Marcus Bittner angetreten, der das Lab seit dessen Eröffnung im Jahr 2014 geleitet hat. Auf den neuen Chef warten nun einige Herausforderungen.

Der gebürtige Berliner Sell ist Betriebswirt, lebt seit zehn Jahren in Leipzig, wo er auch einen Masterstudiengang an der Handelshochschule HHL erfolgreich abgeschlossen hat. Der Vater von vier Kindern war unter anderem für die Q Cells-Tochter Sovello AG tätig, zuletzt leitete er das Marketing-Team des Medizintechnikunternehmens Sonovum in der BioCity Leipzig. Der begeisterte Chorsänger kann also auf jede Menge Erfahrung bei der Leitung schlagkräftiger Teams zurückgreifen. Zusammen mit seinem sechsköpfigen Mitarbeiterstab betreut er jetzt die Start-upTeams des SIL. „Ich freue mich sehr auf diese neue Aufgabe, stecke schon mittendrin in der Arbeit.“

Die Gründerteams am Lab müssen mit ihren Unternehmensideen sozial nachhaltig agieren, einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz verfolgen und im idealen Fall eine positive Veränderung für eine Vielzahl von Menschen bewirken. Dabei setzen die Start-ups oftmals moderne Technologien, Software und Kommunikationsmethoden ein, nutzen aber auch erprobte betriebswirtschaftliche Modelle, um tragfähige und belastbare Geschäftsmodelle zu etablieren. Teams

können sich mit ihren Geschäftsideen bewerben, werden bei einem Pitch durch eine Jury ausgewählt. Die ins Lab aufgenommenen Teams bekommen ein halbes Jahr lang Förderung, Beratung und ein gut ausgebautes Netzwerk innerhalb der deutschen Startup-Szene. Die aktuelle Bewerbungsphase hat im Juni begonnen, der entscheidende Pitch findet am 17. Oktober statt.

Vorerst bis April 2020 läuft der Vertrag des neuen Standortleiters. Nicht grundlos, denn das ist auch der Zeitpunkt, zu dem der bisherige Großförderer, die Schweizer Drosos-Stiftung, seine aktive finanzielle Förderung des Leipziger Standorts einstellt. Ab kommendem Jahr muss das Leipziger SIL im Plagwitzer Stelzenhaus neue Finanzierungsformen finden. Um weiterarbeiten zu können, werden Sell und das Lab

neue Wege gehen. „Wir haben für die nächste Kohorte thematische Schwerpunkte aufgestellt, die Themen am Puls der Zeit aufgreifen. Für die Finanzierung der Kohorte und der jeweiligen Arbeitsfelder suchen wir daher aktive Partner aus Wirtschaft und Industrie.“ Schwerpunkte der neuen Kohorte werden die Bereiche Ernährung, Gesundheit und Mobilität sein, ebenso der Komplex Kunst/Kultur/Medien, Gesellschaftliche Teilhabe sowie Ökologie. „Unsere Partnerunternehmen können den Teams spezifische Challenges – also konkrete geschäftliche Herausforderungen –stellen, welche dann innerhalb der Förderzeit am SIL gelöst werden sollen“, erläutert Konrad Sell. Neben der Lösung der gestellten Challenge können weitere positive Effekte beidseitig wirken: Einerseits bringt die andere Denkweise der sozialen Start-ups frischen

Komplettlösung für den Zahlungsverkehr

Creditreform Leipzig schnürt mit CrefoPay ein individuelles Konzept

Foto: Halfpoint/stock.adobe.com

Die Creditreform Leipzig steht seit jeher für branchenübergreifende Bonitätsprüfungen und e ektives Forderungsmanagement. Was viele nicht wissen, auch im Payment-Sektor können Unternehmen auf die Kompetenz der Creditreform bauen.

Erweitertes Geschäftsfeld

„Aus unserem Grundgedanken, die Geschäftsbeziehungen sicher zu machen, hat sich mit der Zeit auch die Idee entwickelt, Komplettlösungen für den gesamten Zahlungsverkehr anzubieten“, beschreibt Simone Polenz, Marketingbeauftragte bei der Creditreform Leipzig Niedenzu KG. Verkauf und Handel befinden sich schon lange im Wandel. „Der Online- und Versandhandel ist seit Jahren auf Wachstumskurs, denn er erö net Unternehmen neue Möglichkeiten und größere Chancen ihre Umsätze zu steigern. Zugleich ist er aber mit einigen Herausforderungen verbunden“, betont Simone Polenz. „Wir als Creditreform stehen unseren Kunden dann mit unserem Angebot CrefoPay zur Seite.“

Vielfalt und Risiko an Bezahlarten

Um den unterschiedlichen Wünschen der Käufer gerecht zu werden, bieten

Unternehmen beim Bezahlen verschiedene Zahlungsarten an – wie Kauf auf Rechnung, mit Kreditkarte, via PayPal, Sofortüberweisung et cetera. Gerade der Kauf auf Rechnung ist äußerst beliebt als Bezahlart, denn der Kunde muss erst später seine Rechnung begleichen. „Für das Unternehmen stellt diese Bezahlart wiederum ein hohes Risiko dar, weil Zahlungsverzögerungen oder gar -ausfälle drohen“, erklärt Simone Polenz. Dem nachzugehen, ist häufig mit großem Aufwand verbunden.

Vorteile mit CrefoPay

Hier greift CrefoPay. „Kauft ein Firmenkunde oder der Verbraucher online etwas ein, können wir in Echtzeit im Hintergrund prüfen, ob es den Einkäufer wirklich gibt, die Adresse stimmt und ob er kreditwürdig ist“, so Polenz. Je nach Ergebnis dieser Risikoeinschätzung wird dann die passende Bezahlart angeboten. So lassen sich Betrugsmuster aufdecken und Zahlungsausfälle auf ein Minimum reduzieren. Weiterer Vorteil für den Händler: Werden die verschiedenen Zahlungsarten angeboten, müssen auch mit den entsprechenden Partnern und Anbietern Modalitäten selbst ausgehandelt werden. „Mit

CrefoPay entfällt dieser Schritt, denn wir stellen alle gängigen Zahlungsmethoden über eine Schnittstelle zur Verfügung. Alle Transaktionen sind übersichtlich und detailliert im Händler-Service-Bereich einsehbar und können ausgewertet werden.“ Das Unternehmen hat damit immer Zugri und Kontrolle über die Zahlungsarten, weiß, welche mehr nachgefragt werden und kann seine Bezahlprozesse entsprechend anpassen. Darüber hinaus kann das Unternehmen bei Zahlungsausfällen auch auf das Forderungsmanagement der Creditreform zurückgreifen. „Damit bietet CrefoPay eine Komplettlösung für den Zahlungsverkehr aus einer Hand.“

Wind in die Partnerfirma, was hilfreich gegen eine gewissen Betriebsblindheit sein kann. „Andererseits begleiten die Firmen die Entwicklung unserer Start-ups durch ihr enormes Marktwissen und langjährigen Erfahrungen, sie können aber auch Partner bei Inhalten und der Finanzierung sein.“

Konrad Sell möchte daher gerade die regionale und lokale Wirtschaft einladen, sich am Social Impact Lab zu engagieren. Er sieht eine Menge Entwicklungspotenzial für beide Seiten, hält die Gelegenheit für Firmen aus der klassischen Wirtschaft für sehr günstig, sich mit einem Start-up zusammenzutun. „Wir präsentieren unsere motivierten Gründer, deren Ideen und Leistungsfähigkeit im übertragenen Sinne auf einem Silbertablett.“

Ein weitere Neuerung wird sein, dass die angebotenen Seminare und Workshops im Block angeboten werden. „Das erlaubt es auch Teams und Gruppen, die ihren Hauptsitz nicht in Leipzig haben, an den Vorteilen des Labs zu partizipieren.“ Bislang waren die angebotenen Schulungen unregelmäßig über die Dauer der Kohorten-Laufzeit verteilt, eine dauerhafte Präsenz der Teams war notwendig. „Mit der neuen Regelung können die Teammitglieder in ihrer angestammten Arbeitsumgebung bleiben, weiter an ihrem Geschäftsmodell arbeiten und dennoch unsere Förderung genießen.“ Die Teilnehmer werden in einem Sprint-Format betreut, aller drei bis vier Wochen gibt es kompakte Seminarblöcke zu unterschiedlichsten Themen.

Konrad Sell sieht das aktuelle Über-Thema Digitalisierung trotz aller negativer Nebengeräusche als riesige Chance an. „Ich bin überzeugt, dass die bestehenden und künftigen digitalen Entwicklungen den Menschen zu einem besseren Leben und besserem Wirtschaften verhelfen werden.“ Digitale Lösungen erlaubten, Staat, Demokratie und Gesellschaft partizipativ und sozial wie ökologisch gerechter zu gestalten. Als positives Beispiel nennt er hier Estland. Das baltische Land hat seinen Staatsapparat konsequent digitalisiert und „ans Internet angeschlossen“. Deutschland könne das auch, das Land habe die Kraft und alle Möglichkeiten dafür, so Sell: „Das Argument, dass wir als Land zu groß dafür sind, wird langsam alt. Wir sollten uns nicht mehr hinter unserer eigenen Größe verstecken, sondern den notwendigen Umbau mit Mut voranbringen.“

Einstieg in den Online-Vertrieb

Die Creditreform Leipzig Niedenzu KG geht noch einen Schritt weiter. Wer sich dafür interessiert, einen Online-Handel aufzubauen, der wird nun mit einem weiteren Angebot unterstützt. „Wir haben zwei Partner, die Unternehmen auf ihrem Weg begleiten. Zum einen prüft ein Beratungsunternehmen vorab die betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen für einen solchen Schritt. Das bedeutet, sie schauen, ob Markt und Zielgruppe überhaupt vorhanden sind, wie die finanziellen Mittel aussehen und ob auch genügend Mitarbeiter für die Umsetzung vorhanden sind. Zudem informiert er über mögliche Fördermittel,

denn Digitalisierungsprojekte sind bis zu 50 Prozent förderfähig“, zählt Polenz auf. Der zweite Partner steht mit seinem Know-how und seiner langjährigen Erfahrung auf den Gebieten Online-Shop sowie Web-Design den Kunden zur Seite. „Eine Rundum-Lösung um erfolgreich in das B2B- oder B2C-OnlineGeschäft einzusteigen.

Stetiger Wandel Auch die Bezahlmethoden werden sich in Zukunft in neue Richtungen bewegen. So bietet zum Beispiel „Pay by Link“ alle gängigen Zahlungsarten auch ohne Programm und Webauftritt an. Der Käufer erhält einen Bezahl-Link per E-Mail und bezahlt über die Pay-byLink-Website seine Rechnung. Für bargeldlose Zahlungen gibt es die Möglichkeit des CrefoPay-Terminals – ob stationär in den eigenen Geschäftsräumen oder mit einem WLAN-fähigen Gerät direkt beim Kunden vor Ort. Kontaktloses und mobiles Bezahlen wird in den nächsten Jahren in vielen Branchen Einzug halten und Unternehmen neue Möglichkeiten erö nen.

Mehr Infos auf www.crefopay.de.

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& Forschung Innovation Anzeige Creditreform Leipzig Niedenzu KG Hahnekamm 1 04103 Leipzig Telefon: 0341 9944-0 Fax: 0341 9944-133 E-Mail: info@leipzig.creditreform.de www.creditreform-leipzig.de
Transparenz und Kontrolle zu jeder Zeit – im Händler-Service-Bereich von CrefoPay. Foto: Freepik.com
Intelligente Bezahlprozesse mit CrefoPay.
„Unsere Wirtschaftspartner können den Teams spezifische Challanges stellen.“
Dirk Knofe
Konrad Sell

Wie aus Buna Dow wurde

Traditionsreicher

Chemiestandort behauptet sich

Plaste und Elaste aus Schkopau“ – jeder gelernte DDR-Bürger kennt diesen Werbespruch. Erstaunlich daran ist, dass er im Prinzip nichts an seiner Aktualität verloren hat. „Auch heute werden hier am Standort nahe Halle nach wie vor Kunststoffe und Elastomere produziert“, sagt Christoph Maier. Der Geschäftsführer der Dow Olefinverbund GmbH spricht dabei von Polyethylen, Polypropylen und Synthesekautschuk. „Jeder, der vor der Wende etwas aus Plaste im Haushalt verwendete, hatte mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Stückchen von Buna in der Wohnung“, meint der 54-Jährige. Es stimmt ihn froh, dass aus langer Tradition heraus etwas entstanden ist, das sich heute international sehen lassen kann, ein Che–miestandort mit Klasse, der in der Welt auf seine ganz bestimmte Art und Weise Seinesgleichen sucht.

Heute werden hier Natronlauge/Chlor für die Lebensmittel- und Aluminium- sowie Papierindustrie und für Reinigungszwecke produziert, Kunststoffe (Plaste) und Synthesekautschuk (Elaste) sowie auch Bau-Chemikalien. „Ohne Letztere würde der Fliesenkleber keine Kachel an der Wand halten“, erklärt der studierte Verfahrenstechniker, der zu DDR-Zeiten in Merseburg sein Diplom machte. Seit Januar ist er bei Dow als Geschäftsführer im Amt, zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Leiter des Schkopauer Dow-Werkes und der dortigen Chlor- und Vinylchloridproduktion.

Fünftgrößter Konzernstandort

„Wir sind in Mitteldeutschland super aufgestellt“, freut sich der gebürtige Dresdner. Denn zum Olefinverbund gehören neben dem Werk Schkopau auch noch Standorte im sachsen-anhaltischen Leuna und Teutschenthal sowie im sächsichen Böhlen. Maier beurteilt das gute Standing auch mit Blick auf die gesamte Dow-Gruppe weltweit. „Immerhin sind wir global gesehen der fünftgrößte Standort des Konzerns“, fügt er hinzu. Dow betreibt 113 Produktionsstätten in 31 Ländern. Die größten europäischen Werke liegen neben Mitteldeutschland in Terneuzen (Niederlande), Tarragona (Spanien) sowie im niedersächsischen Stade. Insgesamt beschäftigt Dow in Europa 12 000 Mitarbeiter, dabei ist Deutschland mit 3600 eine der größten Auslandsniederlassungen des Konzerns und wichtiger Absatzmarkt. Am Standort in Schkopau gibt es 950 direkt Beschäftigte, insgesamt beschäftigt Dow an seinen mitteldeutschen Standorten ca. 1550 Mitarbeiter.

Gegenüber den 18 000 Werktätigen, die seinerzeit im VEB Kombinat Chemische Werke Buna auf den Lohnlisten standen, „ist das natürlich vergleichweise wenig“, sagt der Geschäftsführer zu den Zahlen. Allerdings seien sie schwer vergleichbar. „Immerhin waren während der sozialistischen Entwicklungsphase an die 40 Prozent der Mitarbeiter in der Instandhaltung eingesetzt.“ Maier, dessen familiäre Wurzeln im Erzgebirge liegen, lebt seit seiner Studienzeit Ende der 1990er-Jahre in der sachsen-anhaltischen Region, ist inzwischen in Halle heimisch geworden und weiß, wovon er spricht. „So bitter es klingt, aber

die Anlagen waren zu DDR-Zeiten so marode, dass ständig irgendwer irgendwo etwas zu reparieren hatte.“ Das habe natürlich den Mitarbeiterstab aufgebläht. Und: „Es ist wirklich so gewesen: Buna konnten alle, die hier wohnten, sehen und riechen.“ Oft schwängerte Karbid-Staub die Luft, der Gestank kam hinzu. Das lag an der veralteteten Technologie.

Die chemische Produktion in Schkopau geht zurück auf das Werk der damaligen I.G. Farbenindustrie AG, die in Schkopau 1936/37 mit der Herstellung von synthetischem Kautschuk startete. „Auf Karbid-Basis, das heißt aus Braunkohle, wurde der Rohstoff für den synthetischen Gummi gewonnen“, erzählt der Vater zweier Kinder im Alter von 21 und 14 Jahren. Die Nazis hätten keinen Zugriff mehr auf Naturkautschuk in Südamerika für die Autoreifenproduktion gehabt und seien daher auf Kohle umgestiegen, die in der Region bis heute noch verfügbar ist. „Aus ihr wurde Karbid, daraus Acethylen, daraus Butadien – dies polymerisiert mit Natrium ergab den Synthesekautschuk“, refertiert Maier. Buna – der Markenname leite sich genau daraus ab – Bu-tadien und Na-trium. Im Laufe der Jahre wuchs das Buna-Werk zu einem der fünftgrößten Industriekombinate der DDR heran. Das änderte allerdings nichts „an der prekären wirtschaftlichen Lage des Betriebs. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit war inzwischen nur noch reines Wunschdenken.“

Immerhin hatten die westlichen Länder in den 1960er/70er-Jahren auf Erdöl als Ausgangststoff für Kautschuk und Kunststoffe umgestellt. „Der Energieaufwand ist dabei um ein Vielfaches geringer als bei der Karbid-Nutzung.“ Das habe die DDR-Produktion über die Maßen verteuert. Und der Absatz der Erzeugnisse im Westen – „um an die nötigen Devisen zu kommen“ – funktionierte nur zu Spottpreisen, „die nie die Kosten decken konnten.“

1300 Kilometer Leitungssystem

So gesehen, war die Wende für das mitteldeutsche Chemiedreieck mit Schkopau, Leuna und Bitterfeld ein Segen. „Heute können wir technisch und ertragsmäßig mit der globalen Konkurrenz mithalten“, sagt der Geschäftsführer nicht ohne Stolz. Wenigstens habe der alte DDR-Slogan „Chemie gibt Brot, Wohlstand und Schönheit“ auch etwas Wahres an sich gehabt. „Ringsherum sind zahlreiche Wohnungen gebaut worden – mit Warmwasser aus der Wand und Zentralheizung statt Ofen und die Toilette nicht eine

halbe Treppe tiefer. Viele Menschen sind damals hierhergezogen wegen der besseren Unterkunft – in zweiter Linie erst wegen der Arbeit“, meint Maier. Auch die vierspurige Straßenanbindung – „sie ist schon vor der Wende gebaut worden“ – hätte es ohne Buna und Co. nie gegeben.

Ein Glücksumstand ist nach Ansicht von Maier zudem der Treuhand-Schachzug gewesen, nach der Wende eine Art Verbundlösung aus den ehemaligen VEB-Kombinaten in Schkopau, Böhlen und Teilen Leunas zu schaffen. In Böhlen steht der Cracker, der Naphta (Rohbenzin) aufspaltet – die Voraussetzung, um aus den enstehenden Bestandteilen Kunststoffe oder Synthesekautschuk herstellen zu können. Die Weiterverarbeitung erfolgt vor allem in Schkopau und Leuna, zum Teil auch direkt in Böhlen. Das Rohbenzin kommt heute über eine Pipeline aus Rostock in die mitteldeutsche Chemie-Region. „Alles in allem verfügen wir über ein 1300 Kilometer langes Rohrleitungssystem“, berichtet der Geschäftsführer. Diese Kombination der drei Standorte habe schließlich den US-Chemieriesen Dow überzeugt, „hier einzusteigen“. 2,7 Milliarden D-Mark seien für die Modernisierung und den Bau neuer Anlagen und der Infrastruktur in den Jahren 1995 bis 2000 gesteckt worden. Ein großer Teil floss als Anschubfinanzierung von der Treuhand, Dow habe etwa 20 Prozent der Summe dazugegeben. Insofern ist der 4. April 1995, als die Amerikaner den Privatisierungsvertrag unterzeichneten, „so etwas wie die Neugeburt des ChemieStandortes gewesen“, ist Maier überzeugt.

Aber es ist längst nicht nur der Chemiekonzern Dow, der heute in der Region einen guten Namen hat. Auf einem Großteil des Areals des früheren Kombinats steht jetzt der Value-Park. Betrieben von Dow beherbergt er inzwischen 26 teils internationale Unternehmen mit 2400 Beschäftigten. Dazu kommen die 950 Dow-Mitarbeiter sowie nochmals an die 1200 Mitarbeiter von Dienstleistungs- und Service-Unternehmen. „Insgesamt also an die 4500 Menschen, die hier beschäftigt sind. Das kann sich sehen lassen“, sagt Maier.

Dass Dow auch weiter denkt, zeigen verschiedene Projekte und geplante Investitionen in den nächsten Jahren – für Instandsetzungsmaßnahmen und Kapazitätserweiterungen ebenso wie für „neue Technologien, um die Produktion energieeffizienter zu machen oder neue Lösungen für Kunststoffrecycling zu entwickeln“.

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Früher: Blick auf den Chemie-Standort Buna.
& Forschung Innovation
Heute: Blick auf den Dow-Standort in Schkopau Von Ulrich Langer
„Buna konnten alle, die hier wohnten, sehen und riechen.“
Christoph Maier
Christian Modla
Dow/ Buna (4) Dow/ Buna (4)
Umbruch in Wendezeiten: Abriss und Neubau am Chemie-Standort Schkopau. Vorne Abriss – im Hintergrund schon das neue Werk.

Der Überwinder des Stillstandes

Christian Albert Jacke stellte als erster Wirtschafts-Stadtrat nach der Wende die Weichen für den späteren Aufschwung

Es war die erste richtig große Unternehmensinvestition in Leipzig nach der Wiedervereinigung. Für eine Milliarde D-Mark, eine auch heute noch gigantische Summe, zog Quelle im Leipziger Norden ein Logistikzentrum hoch, das 1995 eröffnet wurde und in Spitzenzeiten 2500 Menschen Beschäftigung bot. „Die Phase des totalen Stillstandes vor allem in den Jahren 1991 bis 1993 war damit vorbei“, erinnert sich Christian Albert Jacke. Mit Quelle habe der Turnaround begonnen. Der heute 59-Jährige war damals Stadtrat für Wirtschaft, wie die heutige Position des Wirtschaftsbürgermeisters bezeichnet wurde. „Quelle stellte seinerzeit knallharte Bedingungen zur Infrastruktur“, berichtet Jacke. Und da die Stadt dank seiner Initiative über die kommu-

nale Firma Saatzucht Plaußig alle möglichen freien Flächen im Norden aufgekauft hatte, war das geeignete Areal für den Versandhandelsriesen vorhanden. Die Infrastruktur aus Straßen und Schienen entstand, der Flughafen wurde ausgebaut – die Saat für weitere Ansiedlungen war gelegt. Anfang der 2000erJahre ging sie auf mit BMW und Porsche, DHL und Amazon. Nicht zu vergessen der Neubau der Leipziger Messe. Von der Ideenfindung über die Umsetzung bis zur Organisation der Nachnutzung des Alten Geländes „war das ein wichtiger Bestandteil meines Wirkens“. Heute wohnen im Leipziger Norden 3,5 Prozent der knapp 600 000 Einwohner, dafür werden in dieser Region 35 Prozent des Leipziger Steueraufkommens erwirtschaftet, hat Finanzbürger-

meister Torsten Bonew (47) kürzlich vorgerechnet. All das wäre ohne die Weitsicht der damals Verantwortlichen im Rathaus mit Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube (er starb 2017 im Alter von 84 Jahren) und eben Jacke so wohl nicht möglich gewesen. Bekanntlich gibt es eine satirische Verschwörungstheorie, die behauptet, die Stadt Bielefeld gebe es nicht. Christian Albert Jacke ist der lebende Beweis, dass diese Theorie Blödsinn ist. Er wurde in der ostwestfälischen Metropole geboren, wuchs dort auf, um nach dem Abitur in Freiburg Volkswirtschaft und Jura zu studieren. Kurz vor dem Examen ließ er sich beurlauben, ging zurück in die Heimat, um seinem schwer erkrankten Vater beizustehen. Nach dessen Tod übernahm er die väterliche Bauträgerfirma, führte sie in die Erfolgsspur zurück und verkaufte sie, um sein Studium zu beenden. Danach arbeitete er für eine Investmentbank in Amsterdam und wechselte zu einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, für die er Anfang 1990 die Niederlassung in Leipzig aufbaute. „Unsere Büros bezogen wir in einem Gebäude der Baustoffversorgung. Die Räume waren frei geworden, vorher saß dort der Parteisekretär.“ Lehmann-Grube, aus Hannover importiert, wurde Leipzigs Stadtoberhaupt und auf den jungen Jacke aufmerksam. Gegen 120 Mitbewerber setzte er sich durch und wurde zum Stadtrat gewählt.

Zu diesem Zeitpunkt steckte die Leipziger Wirtschaft in einer schweren Umbruchkrise. 100 000 von 120 000 Industriearbeitsplätzen waren weggebrochen.

„Meine Aufgabe war es, die Voraussetzungen für Investitionen zu schaffen.“ Was schwierig war, da etwa bei den Grundstücken das Prinzip Rückgabe an die einst enteigneten Besitzer Vorrang vor Entschädigungen hatte. „Da bin ich in mehreren Ministerien in Bonn vorstellig geworden.“ Als Ergebnis wurde das Investitionsvorranggesetz beschlossen. So konnte es dann in Leipzig langsam losgehen. Befördert wurde der Prozess dadurch, dass Jackes Dezernat die Ablaufpläne fast bis zur Baugenehmigung fertig in der Schublade hatte. „Das ersparte uns später viel Zeit.“ Letztlich wurden so Investitionen über mehr als fünf Milliarden D-Mark ermöglicht, viel davon floss in den Wohnungsbau. Unter Jackes Regie wurden mehr als 5000 Liegenschaften an private Investoren verkauft – der Grundstein für die komplette Stadterneuerung war gelegt.

Dass viele Menschen ihren Arbeitsplatz verloren, „hat mich unendlich traurig gemacht“. Sie seien leider aus der Teilhabe an der Wirtschaft ausgeschlossen worden, wenngleich abgefedert durch allerlei staatliche Hilfsprogramme. Die Unterbeschäftigung habe damals bei gut 50 Prozent gelegen, schätzt er. Diese

bis heute anhaltende verständliche Enttäuschung der Betroffenen „ist im Westen nie verstanden worden“, kritisiert Jacke. Ebenso kritisiert er jetzige Behauptungen, die Treuhandanstalt sei an allen negativen Entwicklungen schuld. „Sie ist doch nicht verantwortlich für den miserablen Zustand der DDR-Wirtschaft“, wirft er ein. Das habe am „umfassenden Gestaltungsanspruch der SED gelegen und der damit verbundenen Selbstherrlichkeit des Apparates, für alle Bereiche Preise und Mengen festzulegen“. Solch ein Modell könne einfach nicht funktionieren, da es sich gegen die Menschen richte. Die DDR sei ökonomisch, ökologisch und auch mental abgewirtschaftet gewesen. „Sie war komplett am Ende.“ Die Wiedervereinigung sei auch in der Geschwindigkeit „ohne Alternative gewesen“. Falsch sei allerdings gewesen, dass die Treuhand nicht dem Bundeswirtschaftsministerium oder gar dem Kanzleramt, sondern dem Finanzministerium unterstellt war. So war die Aufgabe zu sehr auf Zahlen fixiert, anstatt längere Übergangsfristen für die DDR-Wirtschaft zu schaffen.

Im Zuge der Privatisierungen hatte Jacke es mit Investoren „aus aller Herren Länder“ zu tun. Darunter waren viele Seriöse, aber auch manche Gierige, Aufschneider wie der Baulöwe Jürgen Schneider (85). „Ein Betrüger“, meint Jacke kurz und bündig. Weil er sich dafür eingesetzt hatte, dass die hiesigen, von Schneider geprellten Handwerker letztlich ihr Geld bekamen, erhielt er als Dankeschön eine überdimensionale Erdnuss – in Anspielung auf den damaligen Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper (84). Er hatte 1994 die Schadenssumme von 50 Millionen D-Mark als „Peanuts“ bezeichnet in Relation auf den gesamte Schaden von fünf Milliarden D-Mark.

1997 gab Jacke die Rathaustätigkeit auf und zog mit Frau und den vier Kindern („ihnen ist das Leben in Leipzig schwer gemacht worden“) nach Hamburg, arbeitete zunächst im Vorstand der Vereins- und Westbank und wechselte später als Partner zu einer dortigen Consultingfirma. Zugleich ist er Wirtschaftsmediator bundesweit bei der Lösung besonders kniffeliger Herausforderungen tätig. Und Leipzig immer noch eng verbunden. Jacke ist auch aus beruflichen Gründen häufig in der Stadt, engagiert sich unter anderem bei Projektentwicklungen und Unternehmensnachfolgen. „Ich habe mich eben Leipzig verschrieben“, gesteht er und freut sich, dass sich die Stadt so gut entwickelt hat. Und der Aufwärtstrend gehe weiter. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich wirtschaftlich in der Metropolregion noch eine ganze Menge tun wird“, sagt er und lässt vermuten, dass er mehr weiß. Aber er sagt es nicht. Denn erfolgreiche Wirtschaftsansiedlungen sind auch Vertrauenssache.

Christian Albert Jacke wohnt zwar in Hamburg, ist aber häufig in Leipzigs Innenstadt anzutreffen. Mit dieser Riesenerdnuss wurde Christian Albert Jacke für seine Verdienste um die Handwerker nach der Schneider-Pleite geehrt.
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André Kempner
Dow/ Buna (4)
Von Ulrich Milde

Er schmunzelt verschmitzt, als er sich „als falschen Fünfziger“ bezeichnet. Nein, unaufrichtig oder gar verlogen trifft seinen Charakter ganz und gar nicht. Wer Hans-Werner Honert kennt, spricht vom Gegenteil: geradlinig und aufrichtig. „Dadurch bin ich schon da und dort im Laufe meines Lebens angeeckt“, erzählt der renommierte Filmemacher. Die Zahl 50 beziehe sich auf sein Geburtsjahr, fügt der in Leipzig auf die Welt Gekommene erklärend hinzu. Wie viele Filme der 68-Jährige „auf dem Gewissen“ habe? „Das weiß ich selbst gar nicht. Habe sie nie gezählt.“ Auch das Stöbern im Internet hilft hier nicht viel weiter. Wikipedia listet 37 Titel auf von 1980 bis 2007. „Der Uranberg“ von 2010 beispielsweise und viele andere sind nicht genannt. Wichtiger als die Anzahl ist wohl der Anspruch, dem Honert all die Jahre treu geblieben ist. „Ehrlich mit Geschichten umzugehen, das liegt mir am Herzen, ohne sich dabei verbiegen zu lassen, weil es vielleicht einigen in Entscheidungspositionen nicht passt, was das Leben bietet“, sagt der Regisseur, Produzent und Drehbuchautor, der in Großdalzig bei Leipzig aufgewachsen ist. Sein Credo bringt er zwar etwas drastisch, aber dafür umso treffender auf den Punkt: „Wie kann ich aufrecht über Menschen schreiben, wenn ich selbst ein Arschloch bin?“

Diesen Blick auf die Welt, auf seinen Beruf sei er den Leuten, über die er erzählt, und den Zuschauern schuldig. „Ich habe immer versucht, meine Erlebnisse in die Filme zu packen, dass was mir wichtig ist im Leben.“ In der Regel diffizile, zeitkritische und dadurch spannende Sachen. „Trutz“ (1990) sei solch ein Streifen gewesen. Zwei Abiturienten in der jungen DDR bekamen aus dem Westen Jeans. Damit trumpften sie, erzählt Honert kurz den Inhalt, in der Schule auf. Dies missfiel der Schulleitung gehörig. Denn „Werbung für kapitalistische Klamotten machen – das ging gar nicht“. Der Direktor stellte ihnen ein Ultimatum: Entweder die Jeans oder das Abi. „Hier ging es um mehr als um eine Hose. Einer der Jungen wurde Opportunist, der andere zog in die Welt.“

Nachdenklich stimmt ebenso der besagte „Uranberg“, 2010 in Annaberg-Buchholz gedreht. Er sei eine Art Romeo-und-Julia-Geschichte. Wie der Titel schon vermuten lässt, ging es um den Uranbergbau im Erzgebirge. „Ein russischer Offizier namens Burski war als Wismut-Leiter eingesetzt worden – gespielt von Henry Hübchen. Dessen mit nach Sachsen gekommene Tochter, ebenfalls Offizier der Roten Arme, verliebte sich in einen deutschen Jungen, der zuvor in sowjetischer Kriegsgefangenschaft und in einem dortigen Antifa-Lager auf die Übernahme der kommunistischen Herrschaft in Deutschland vorbereitet worden war. Ihr drohte Deportation nach Sibirien, sollte die Liaison ans Licht kommen. Um sie vor Unheil zu bewahren, zwang sie ihr Vater, einen russischen Offizier zu heiraten. Die Liebe mit dem jungen Deutschen war eine verbotene – ähnlich wie bei Ro-

Ein Leipziger, der Filmgeschichte schreibt

Hans-Werner Honert war lange Jahre Chef der Saxonia Media, die „In aller Freundschaft“ produziert

Durchkämpfen – ebenfalls ein Wesenszug von Honert, der mit Schauspiel-Größen wie Rolf Hoppe, Martina Gedeck, Kurt Böwe und vielen anderen arbeitete. Nicht aufgeben, „sich seiner Sache stets verpflichtet fühlen“, ist für ihn angesagt. Daran scheiterte durchaus das eine oder andere Projekt, wie der Mann mit den sympathisch wirkenden grauweißen Haaren erzählt. „Oder manche Vorhaben sind erst viel später in die Öffentlichkeit gekommen.“ Zum Beispiel eine Biografien-Folge über Frauen in der DDR nach Erzählungen, die Maxi Wander geschrieben hatte. „Das kriegten wir im DDR-Fernsehen seinerzeit nicht durch.“ So einiges passte nicht ins Bild von der sozialistischen Persönlichkeit. Zum Glück habe seinerzeit die Schnittmeisterin Arbeitskopien aufgehoben, sodass das Ganze 1990 doch noch gesendet werden konnte“, freut sich der Filme-Macher, der über 17 Jahre lang die Leipziger Firma Saxonia-Media leitete, wo die seit Jahren erfolgreiche Arzt-Fernseh-Serie „In aller Freundschaft“ produziert wird, die er – was Wunder – natürlich mit erfunden hat.

Froh ist er über seinen „Trutz“. Ohne ihn „hätte es nämlich den Ost-Tatort nie gegeben“. Denn nach der Premiere des Films bei einem oder mehreren Gläschen Wein „kam Peter Sodann in den Sinn, es sei doch super, einen Ost-Krimi zu drehen“. So habe Honert dann die hiesige Tatort-Reihe aus der Taufe gehoben. Der erste Streifen – noch 1990 im Deutschen Fernsehfunk produziert – wurde 1991 im neu gegründeten MDR ausgestrahlt. Insgesamt sind es mit Sodann in der Hauptrolle alles in allem 45 geworden.

Kurios und nicht weniger lustig ist, auf welchen Umwegen „Der brauchbare Mann“ (1988 - Drehbuch und Regie: Honert) entstanden ist. Diese Geschehnisse zaubern dem Bildschirm- und Leinwand-Meisterkinematografen noch heute ein einnehmendes Lächeln ins Gesicht. „Die Story beschreibt einen Ingenieur und Erfinder, der sich in der DDR nicht zum Opportunisten verbiegen wollte“, schildert Honert. Das Filmprojekt lehnte das DDR-Fernsehen ab, seines Inhaltes wegen. Daraufhin machte der Autor ein Hörspiel daraus. Dieses lief so erfolgreich, „dass eines Tages das Filmstudio Defa aus Potsdam-Babelsberg bei mir nachfragte, ob ich daraus nicht einen Spielfilm machen könnte“. So wurde aus dem einst abgelehnten Fernseh-Stoff eine tolle Kino-Geschichte.

2017 erschien Honerts erster Roman „Maria und der Patriot“. Geschrieben, weil er ein gleichnamiges Drehbuch nicht realisieren konnte. „Ich habe niemanden gefunden, der mit mir über den Tellerrand schauen wollte.“ Die Friedliche Revolution, freut er sich, führte zur deutschen Vereinigung. Allerdings seien auch manche Fragen offen geblieben. „Wer hat daran verdient? Warum wurde der Treuhandchef Rohwedder umgebracht?“ Ein Aspekt der jüngeren Historie, der Honert nicht losließ – deshalb nahm er sich seiner in dem Buch an.

meo und Julia. „Der Film hatte seinerzeit beste Einschaltquoten bei Arte“, berichtet Honert. Dass der Dreh überhaupt zustande kam, „hatten wir der Filmförderung zu verdanken“, erklärt der gelernte Maurer, der zu DDR-Zeiten Berufsausbildung mit Abitur machte. „Diese Qualifizierungsart ist ja längst ausgestorben.“ Nicht hingegen, sich um Geld kümmern zu müssen, um produzieren zu können – da gibt es in den beiden Systemen, „die ich nun kenne, kaum große Unterschiede“. Na ja, und wer die Sache finanziere, „der versucht natürlich Einfluss zu nehmen, das ist überall so“, sinniert der diplomierte Regisseur, der in den 1970er-Jahren in Moskau am Allunionsinstitut für Kinematografie die Meisterklasse von Professor Alexander Borisowitsch Stolper besuchte (Regisseur des Honertschen Lieblingsfilms „Die Lebenden und die Toten“). Ohne die Mitteldeutsche Medienförderung, da ist er sich sicher, wäre so manches nicht zustande gekommen. „Sie hat uns sehr gut in den vergangenen Jahren geholfen.“ Bei „Uranberg“ habe es zudem Finanzierungen von Arte als Teil der ARD und vom Sender MDR gegeben. „Alles in allem kostete der Film 2,8  Millionen Euro.“

Dass Kompromisse mit Finanzierern unausweichlich sind, „versteht sich von selbst“, sagt der Sachse. „Aber sich deshalb verdrehen – das kommt für mich nicht infrage.“ Allerdings sei dies in der Branche eine Herausforderung. „Das Filmgeschäft hat Seiten, die man lieber nicht erleben möchte“, zeigt sich der Familienmensch nachdenklich. Manche Insider sprechen hierbei von Ränke-Spielchen. Der Mann von Vivian Honert-Boddin, die die jährlichen Leipziger Opernbälle organisiert, habe versucht, den drei Kindern davon abzuraten, diese Zunft für ihren Beruf zu wählen. Die Mittlere, Maria Boddin, studierte Design an der Burg Giebichenstein in Halle. Der Große, Max Honert, schreibt als Drehbuchautor in Berlin unter anderem fürs ZDF Märchen und für die Kinderserie „Schloss Einstein“, die in einer fiktionalen Internatsschule in Erfurt spielt. Und die andere Tochter, Hedi Honert, „ist Schauspielerin geworden – leider“, fügt der Vater hinzu. „Allerdings hat sie sich durchgebissen, wirkte etwa in der Serie ,Rote Rosen‘ und auf dem ,Traumschiff‘ mit. Sie spielte auch eine Hauptrolle in einem RosamundePilcher-Film“, sagt der Senior dann doch mit sichtbarem Stolz.

„Höhen und Tiefen – die gibt es immer. Zusammen mit Freunden vermochte ich aber, vieles Fantastisches umzusetzen – vor und nach der Wende.“

Höhen und Tiefen – „die gibt es immer“, meint Honert rückblickend. „Zusammen mit Freunden vermochte ich aber, vieles Fantastisches umzusetzen –vor und nach der Wende.“ Sein Beruf sei der schönste, den er sich denken könne. Was Wunder, dass er noch heute als Rentner weiter in der Spur bleibt. Gerade schreibt er ein Drehbuch für einen Freund, der in Afrika eine Filmfirma betreibt. „In der Geschichte geht es um das Leben von Deutschen in dem südlichen Land.“

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Hans-Werner Honert
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Stefan Michaelis Von Ulrich Langer
„Ich habe immer versucht, meine Erlebnisse in die Filme zu packen, das was mir wichtig ist im Leben.“
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Hans-Werner Honert MDR/Laue Peter Krajewski/dpa-Zentralbild/dpa Marcus Brandt/dpa Szenen aus der Erfolgsserie „In aller Freundschaft“

Theater und Film setzen auf Know-how aus Lödla

Hut & Putz AHP GmbH beliefert die halbe Festspielwelt mit Uniformen, Kostümen und Hüten

Ihre Kundenliste liest sich wie das „Who is Who“ der Opern-, Theater- und Festspielwelt. Selbst die Entscheider der Salzburger Festspiele wissen, wo Lödla bei Altenburg auf der deutschen Landkarte zu finden ist. Die Hut & Putz AHP GmbH schrieb mit ihren Uniformen sogar Filmgeschichte. Für Geschäftsführer Harald Etzold (64) „setzt sich eben Qualität am Ende durch. Man muss einen langen Atem haben und manchmal nur überleben.“

Wenn man Kunden des nebenan liegenden Verbrauchermarktes fragt, wo die Hutfabrik zu finden sei, zucken die nur mit den Schultern. Dass sich Hutmacherei und Schneiderei hinter der Fassade eines Bungalows auf einem Firmengelände von 1200 Quadratmetern verbergen, erkennt man nur am Firmenschild. Bei Hut & Putz kommt es eben auf die inneren Werte an – und die sind in ihrer Qualität in ganz Europa spitze.

Dabei begann die Geschichte des hoch spezialisierten Betriebes tatsächlich mit dem Überleben. Hervorgegangen aus der Privatfirma Hollersen, war die Hut & Putz ab 1960 eine Produktionsgenossenschaft Handwerk (PGH). „Eine reine Hutmanufaktur, Hüte aller Art, Zylinder, Wartezeiten von bis zu drei Jahren“, berichtet Harald Etzold. 1989 dann die Wende – „und da sind alle in die Glitzerwelt Westen gerammelt und haben geglaubt, dort wird das Wasser kalt gekocht“, sagt der Geschäftsführer. Nach einer Beinahe-Pleite und dem Diebstahl fast aller Maschinen, als Harald Etzold die Hut & Putz übernommen hatte, kamen das Jahr 2003 und der Auftrag, der dem Geschäftsführer mit seiner Strategie recht gab: Kopfbedeckung, Hemd, Hose, Jacke, Weste, Schuhe –„wenn wir nicht komplett anbieten können, brauchen wir uns gar nicht zu bewerben“.

Das sagt Harald Etzold eigentlich über Filmproduktionen, die er später belieferte, aber dieser Grundsatz überzeugte 2003 bereits die Kostümchefin der Salzburger Festspiele. Eigentlich waren der „Hut &-Putz“Chef und sein Hutmacher Thomas Krause (40) dort, um über Hüte für den „Rosenkavalier“ zu verhandeln. Doch als er die k u. k.-Uniformen – Uniformen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie – sah, platzte es aus ihm heraus: „Jacke falsch, Hose falsch.“ Kein Säbelschnitt, kein Samt, um nur die wichtigsten Dinge zu nennen. „Wir sind dann zunächst mit dem Auftrag über 70 Hüte und einem Muster für eine K.-u.-k.Uniform wieder nach Hause gefahren“, sagt Harald Etzold. Daraus wurden 100 Uniformen und ein mehr als guter Ruf.

Als im Film „Der Untergang“ Bruno Ganz den Adolf Hitler im Führerbunker spielte, war das Altenburger Unternehmen mit den Uniformen für die gesamte Generalität dabei. „Wenn wir den Oscar bekommen hätten, hätten wir eine Prämie gekriegt“, lacht der Geschäftsführer. Für die Vermarktung war der Erfolg aber ebenso gut wie das ZDF, das die Salzburger Kostüme in „Wetten, dass?“ öffentlich und hinter den Kulissen lobte. „Goethe“, „Das Gelübde", „Baron Münchhausen“, „Ludwig II“ und weitere Filmproduktionen ließen sich bei Hut & Putz mit kompletten Kostümen ausstatten.

Auch auf den Bühnen Europas sprach sich die Qualität herum. Die Staatsoper Wien, die Bayerische Staatsoper München, selbst die Oper Peking oder die San Francisco Opera spielten in Kostümen „Made in Altenburg“. Als einen der größten Erfolge sieht das Unternehmen das Ballett „Mata Hari“ der Amsterdamer Oper an: „Die Uniformen sind heute noch im Einsatz. 150 Auftritte im Jahr, und keine Naht ist kaputt“, freut sich Harald Etzold.

Wer Hutmacher Thomas Krause oder den Modistinnen und Schneiderinnen bei der Arbeit zusieht, erkennt schnell, warum das so ist: Alles ist Handarbeit, alles wird mit großer Sorgfalt und Ruhe getreu dem Motto des Chefs, „arbeite fünf Minuten langsamer,

aber arbeite ordentlich“, angepackt. Der Filz eines Hutes kommt auf die uralte Originalform, wird gehärtet, trocknet, wird weiter geformt, geglättet und wieder mit Dampf gefügig gemacht, damit er noch feiner bearbeitet werden kann. Thomas Krause arbeitet eher wie ein Künstler als ein Handwerker, der aus einem groben Findling eine Skulptur erschafft. Dann geht’s hoch ins Dachgeschoss, wo die Modistinnen Peggy Kuhn und Kerstin Westphal unter anderem die Hutschnüre anbringen. Währenddessen legen Kathrin und Steffi Seidemann Hand an Stoffe an, von denen einige vielleicht an einem Film-Set landen werden. Hut & Putz mache konstant 500 000 Euro Umsatz pro Jahr, mit elf Leuten in Lödla, wo die Firma seit 2005 beheimatet ist. Der gelernte Textilkundler und sein Team haben sich jede Menge wertvolles Spezialwissen angeeignet, zum Beispiel, wie man durch Spezialschnitte steife Uniformen beweglich machen kann. Hüte und Zylinder aller Art, Mützen, Kostüme, Smokingjacken, Komiteejacken, Kleidung für Bergmannsvereine, Uniformen und vieles mehr werden

überwiegend im B2B-, aber auch Endkundenbereich verkauft. Dies funktioniert durch Anrufe, E-Mails und den direkten Verkauf, aber nicht über einen OnlineShop. „Digitales bringt uns nichts, Sie kriegen den ganzen Mist zurück“, verliert Harald Etzold für einen Moment lang seine gute Laune. Auch, wenn er über Dumpingpreise in Niedriglohnländern spricht. Frackhemden bekomme man in Moldawien für 25  Euro, in Mitteldeutschland für 125, im Westen für 155 Euro –„ein Mindestlohn für alle europaweit wäre gut, dann käme kein Schrott mehr rein“, sagt er.

Seine drei Abteilungen Schneiderei, Hutmacherei und Handelsware seien gut ausgelastet. Das werde auch in Zukunft so sein: Da vor allem Theater ihre handwerklichen Abteilungen abbauen würden, sei dies eine Chance für spezialisierte Unternehmen wie Hut & Putz. Der Fachkräftemangel sei allerdings auch für ihn ein großes Problem, denn „neue Leute brauchen fünf bis sechs Jahre, bis sie die Arbeiten beherrschen“. Wenn der 64-Jährige mit einem Grinsen anfügt, dass er noch 27 Jahre Zeit habe, einen Nachfolger für Thomas Krause zu finden, ist das auch ein bisschen pfeifen im Keller – er ist der aktuell letzte ausgebildete Hutmacher in der Region.

Harald Etzold, Geschäftsführer Hut & Putz

Hut & Putz habe daher auch hier eine klare Linie als besonderes Unternehmen. Harald Etzold: „Wir bleiben klein, aber fein. Ich habe nicht den Zwang, größer zu werden. Bekomme ich jetzt drei Theateraufträge, bin ich bis November ausgelastet. Wenn Sie mehr Leute haben, müssen Sie auch mehr Aufträge ranholen.“

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Von Stefan Michaelis Handarbeit und Herzblut für Hüte und Uniformen (von links): Hutmacher Thomas Krause (40), Geselle Henry Glauel (46) und Geschäftsführer Harald Etzold (64). Alles Hand- und Maßarbeit: Jeder Hut, den Thomas Krause fertigt, ist ein sorgfältig hergestelltes Unikat. Kathrin Seidemann (48) hat schon einige Uniformen und Kostüme für den Film oder die Bühne genäht. Modistin Peggy Kuhn (41) verarbeitet einen frisch gefertigten Zylinder mit der Nähmaschine weiter.
Stefan Michaelis (4)
„Wir bleiben klein, aber fein.“

Der Tonzauberer

Joachim Kiesler ist mit der Musikelectronic Geithain Marktführer für Studiolautsprecher

Wenn Joachim Kiesler erzählt, dann sitzt ihm schon mal der Schalk im Nacken. Der heute 77-jährige Inhaber der Musikelectronic Geithain GmbH ist ein Tüftler, der mit viel Energie und immer einer Prise Humor schon so manche Klippe umschifft hat. Das Werkeln und Probieren liegt dem Geithainer im Blut. „Ich hatte schon mit zehn Jahren eine kleine Dampfmaschine, träumte aber immer von einem Radio. Doch das war im Familienbudget einfach nicht drin.“ Die dafür nötigen Einzelteile waren schon eher bezahlbar, seine Mutter gab ihm dafür 18 Mark auf die Hand. „Ich hatte nicht mal einen Lötkolben, den habe ich mir dann kurzerhand aus einem Schraubenzieher gebaut“, erinnert sich Kiesler. Nach 14 Tagen Friemelei war das Radio empfangsbereit. Und der junge Bastler hatte sein erstes Erfolgserlebnis. Etwas aufwendiger war dann eine Aufgabe, die er für den Kantor der Geithainer Kirche übernahm. „Für ihn habe ich eine Tonbandmaschine gebaut, damit er eine Aufführung von Beethovens ‚Missa solemnis‘ aufnehmen konnte. Das war für mich der Einstieg in die praktische Seite der Musik.“ Kiesler nahm als 18-Jähriger Orgelstunden und stellte schnell fest, dass er das absolute Gehör besitzt. Sein technisches Talent und sein Gespür für das Machbare verbanden sich so zu einer perfekten Mischung. Die Begeisterung für technische Dinge sollte ihn nicht mehr verlassen, eine Lehre als Rundfunkmechaniker war die logische Konsequenz. „Mit 19 Jahren wurde ich damals der jüngste Fernsehtechniker.“

Kirchenorgel als Jugendtraum

Am 5. Mai 1960 gründete Kiesler gemeinsam mit zwei Uhrmachern eine kleine Firma für die Reparatur von Rundfunk-, Schallplatten- und Fernsehtechnik sowie Uhren. „Der Rat des Kreises wollte, dass wir mit Instandsetzungen unseren Umsatz steigern. Doch so viele Geräte gingen damals ja gar nicht kaputt.“ Geld verdienen konnte man also nur mit einem Verkaufsschlager. Kiesler setzte sich hin und baute einen Mikrofonverstärker, den es so bisher nur für den Rundfunk gab. Das Gerät schlug ein, in kurzer Zeit gingen 1500 Stück über den Tisch. Aus der Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) wurde 1972 zwangsweise ein volkseigener Betrieb (VEB), damals entstand auch der noch heute gültige Name Musikelektronik Geithain, damals nur mit dem Zusatz VEB versehen. Bis 1980 konstruierte und baute Kieslers Team vor allem elektronische Komponenten wie Mikrofonverstärker, Mischverstärker und Endstufen. Kieslers Faible für die Musik sorgte zudem dafür, dass schließlich auch zwei Modelle elektronischer Konzertund Kirchenorgeln entstanden. Alles in allem wurden

rund 150 Orgeln gebaut, die teilweise bis heute genutzt werden. Fachleute sparten nicht mit Lob und bescheinigten den Instrumenten den Klang guter Orgeln herkömmlicher Bauart. Kieslers Produkte trugen dazu bei, dass das Thema der elektronischen Nachbildung von Pfeifenorgeln ein ganz anderes Gewicht bekam. „Der Orgelbau war mein Jugendtraum“, gibt Kiesler zu.

BR 25 als Bestseller

Der

Im Jahre 1980 entstanden die ersten Lautsprecher, meist für den Einsatz in Trabant, Wartburg und Co. wie der Autolautsprecher Uni 10, von dem rund neun Millionen Exemplare gefertigt wurden. Bis heute geradezu Kultstatus besitzt der Lautsprecher BR 25, der Ende 1984 vorgestellt wurde. „Für den gab es damals das Gütezeichen Q der DDR“, erinnert sich Kiesler. Mit diesem Siegel wurden damals nur absolut überragende Produkte ausgezeichnet. Der BR 25 ist ein Beispiel für Langlebigkeit und genießt bis heute einen guten Ruf in der Musikszene. Schnell wurde er damals in beiden Teilen Deutschlands bekannt, im Westen ging der Lautsprecher damals für den lächerlich niedrigen Preis von 69,50 DM über den Ladentisch, im Osten für 250 Mark. Noch heute ist der BR 25 einer der meistverkauften HiFi-Lautsprecher Deutschlands. Ein weiterer Meilenstein war der Rundfunk-Regielautsprecher RL 900, mit dem ab 1985 alle Rundfunkund Fernsehanstalten der DDR sowie das Leipziger

„Mein freches Mundwerk war bekannt, doch man ließ mich immer gewähren.“

Gewandhaus, die Dresdner Semperoper und das Berliner Schauspielhaus ausgestattet wurden.

Seine erfolgreichen Entwicklungen sicherten Joachim Kiesler ein Stück Narrenfreiheit. „Mein freches Mundwerk war bekannt, doch man ließ mich immer gewähren.“ Mit gutem Grund, schließlich waren die Produkte aus dem Hause Musikelectronic Geithain längst ein wichtiger Devisenbringer. So mancher Kombinatsdirektor sei angesichts der Kieslerschen Entwicklungen regelmäßig „durchgedreht“, erinnert sich der Firmengründer heute spitzbübisch lächelnd. Denn wo in den riesigen Kombinaten zahlreiche Techniker tüftelten, waren es in Geithain nur zwei Leute.

Das habe natürlich für Neid und Missgunst gesorgt. Doch seine devisenbringenden Entwicklungen machten Kiesler schnell unantastbar. „Ich war der einzige Nicht-Genosse, dem der Titel ‚Verdienter Techniker des Volkes‘ verliehen wurde.“ Solche Ehrungen hätten normalerweise nur wichtige Firmenchefs kurz vor dem Rentenalter bekommen.

Kiesler hatte immer freie Bahn für weitere Entwicklungen. Und die drehten sich nicht nur um die weite Welt der Akustik und der Musik. Denn auch im medizinischen Bereich kann er einige Lorbeeren vorweisen. „Gesucht wurde damals ein Verfahren zur Beatmung von Frühgeborenen ganz ohne Pressluft“, erinnert sich Kiesler an die Achtzigerjahre. Denn die Verwendung von Pressluft erforderte immer einen leichten Überdruck – in einigen Fällen führte dies zu gefährlichen Aderrissen im Gehirn. Kiesler entwickelte daraufhin eine Pumpe mit einem schwingenden Mechanismus, bei der eine Membran den Luftstrom erzeugt. „Die funktioniert ganz ähnlich wie ein Lautsprecher“, erklärt Kiesler. „Seitdem stellen wir die Pumpe für eine deutsche Medizintechnikfirma her, wo das Endprodukt bis heute weltweit vertrieben wird. Die kompletten Geräte werden zwischen 80 000 und 250 000 Euro gehandelt.“

Erfindung wird zum Politikum

Bei einer anderen medizintechnischen Entwicklung funkten ihm die DDR-Politiker dazwischen. „In Berlin kam ich mit Ärzten aus der Charité ins Gespräch. Die suchten schon seit zwölf Jahren vergeblich nach einer effektiven Methode, um Bronchitis schnell und sicher diagnostizieren zu können. „Ich wettete mit denen um zwölf Flaschen Steinhäger, dass ich das in sechs Wochen schaffen würde.“ Die Ärzte schüttelten die Köpfe und ließen sich auf die Wette um den raren West-Schnaps ein. „Ein Mitarbeiter hatte selbst Bronchitis und war deshalb mein Versuchsobjekt“, sagt Kiesler. „Dahinter steckte eigentlich ein mathematisches Problem der Messung der Zeit fürs Ein- und Ausatmen.“ Kiesler entwickelte zwei Maschinen, die die Tests übernahmen. „Die Mediziner mussten dann schnell in den Intershop, um den Wetteinsatz zu kaufen.“ Bei diesen Worten lächelt Kiesler noch, doch die weitere Entwicklung der Geschichte ist eher ein Trauerspiel. Denn als in Bitterfeld rund 1800 Kinder auf diese neue Art getestet wurden, zeigte sich ein verheerendes Ergebnis. „Rund 70 Prozent der Kinder wären nicht krippentauglich gewesen“, erinnert sich Kiesler. „Damit wurde das Thema zum Politikum, das Ministerium für Gesundheitswesen untersagte alle weiteren Arbeiten.“ Aus purer Angst: Denn hier hätte man den klaren Beweis sehen können, welche schlim-

men gesundheitlichen Folgen die extreme Umweltverschmutzung in der DDR hatte.

Mit dem Ende der DDR gerieten zahlreiche Elektronikfirmen ins Trudeln. Doch Joachim Kiesler war davon überzeugt, dass seine Qualitätsprodukte auch unter marktwirtschaftlichen Bedingungen überleben können. Schließlich hatten ihm schon vor Jahren etliche Experten aus dem Westen bescheinigt, dass seine Produkte auf Weltniveau sind. Darauf müsste man doch aufbauen können, dachte sich Kiesler. Die Banken sahen das anders - Geld wollte so schnell kein Kreditinstitut lockermachen. Kurzerhand verpfändete Kiesler sein Einfamilienhaus, um an den begehrten Kredit für den Start in die Marktwirtschaft zu kommen. „Ich wusste ja, was ich kann.“ Aus dem VEB wurde nun eine GmbH mit Kiesler als Eigentümer.

Mit seinen Lautsprechern überzeugte der begnadete Tüftler alle. Genau zur Wendezeit beteiligte er sich mit seinen Produkten an einem Auswahlverfahren der ARD für Regielautsprecher. Sein Modell RL 900 holte sich dabei das Prädikat „Beste Transparenz und Ortungsschärfe“. Ein Sieg mit Folgen – die Lautsprecher eroberten in Windeseile den internationalen Markt. Heute ist die Firma Musikelectronic Geithain Marktführer im Bereich der ARD-Studios und Lieferant für viele Sender und Studios in ganz Europa und weltweit. „Im Bereich Rundfunk und Fernsehen haben wir einen Marktanteil von 80 Prozent“, freut sich Kiesler. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille –längst kaufen auch viele anspruchsvolle private HiFi-Freunde die handwerklichen Meisterstücke. Heute ist das Unternehmen der einzige Hersteller aus der ehemaligen DDR, der sich in dieser Branche auf dem Markt halten konnte.

Gefertigt werden die akustischen Glanzstücke komplett von A bis Z in den Firmenräumen in einem altehrwürdigen Haus in Geithain. Gemeinsam mit 20 Mitstreitern kümmert sich Joachim Kiesler dort um Beschallungstechnik der Spitzenklasse. „Wir machen alles selbst“, betont der Firmenchef. Sein Unternehmen sei der ideale Platz für Tüftler mit vielen Ideen und großen Plänen. „Fast alle bei uns sind Quereinsteiger.“ Manchmal bleibt ihm auch keine andere Wahl. „Ein Elektrotechnik-Studium ist für manche nicht cool genug, schließlich hat es viel mit Mathematik zu tun.“ Sorgen um die Zukunft seiner Firma muss er sich nicht machen. Die Betriebsnachfolge ist geregelt, dafür stehen ein paar seiner Mitarbeiter bereit. Die Qualität seiner Produkte ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Dirigent Sergiu Celibidache (1912 bis 1996) habe einst bemerkt, dass ja nun die Lautsprecher ausgeschaltet seien, als er die Musik aus dem Saal hörte. „Doch alle Klänge kamen aus unseren Boxen, das war für uns das größtmögliche Lob“, so Kiesler.

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Joachim Kiesler im schalltoten Raum, den er bereits 1984 mit Dämmstoff aus dem Schiffsbau einrichtete. Von Bert Endruszeit Bert Endruszeit

Frauen-Power

In diesen Zeiten ist viel von Emanzipation, Gleichberechtigung und Chancengleichheit für Frauen die Rede. Nun, die Weinwirtschaft ist da schon ein ganzes Stück weiter als manch andere Branche. Winzerinnen sind mittlerweile längst auf Augenhöhe mit den männlichen Stars der Szene - mindestens. Drei Beispiele.

Die Weine vom Weingut Born in Höhnstedt, im nördlichen Teil Saale-Unstruts, haben seit Jahren einen festen Platz im Keller. Günter Born war nach 1990 einer der ersten privaten Weinbaubetriebe im Gebiet. Seiner Linie blieb er in all den Jahren treu: Blitzsaubere Weine, bei denen die Rebsorte im Mittelpunkt steht, keine Schnörkel, immer trocken, mit schöner Mineralität und starkem Charakter. Eine sichere Bank über viele Jahre. Am 1. September 2017 hat Günter Born seiner Tochter Elisabeth den Betrieb übergeben. Sie führt ihn nun gemeinsam mit ihrem Mann Jochen. Elisabeth Born war Gebietsweinkönigin, deutsche Weinprinzessin, studierte in Geisenheim und sammelte unter anderem in Neuseeland Erfahrung. Das Weingut würde in gute Hände gehen, so viel war klar. Klar war aber auch: Eine neue Generation hat eigene Vorstellungen, Pläne und Ideen. So wurde Sauvingon Blanc angepflanzt oder Weine wie der „Pink Pony“ produziert. Das ist ein Rosé halbtrocken aus Portugieser, Regent, Spätburgunder, Zweigelt mit überbordender (roter) Frucht, nicht richtig süß, aber ein bisschen schon. Nicht ganz meine Welt –aber extrem erfolgreich.

Die Frage, ob sie als Tochter eines Winzers überhaupt eine andere Chance hatte, als Winzerin zu werden, beantwortet Elisabeth Born so: „Das war nicht von vornherein klar. Mein Vater hatte mich zwar schon sehr früh und sehr sanft in diese Richtung gedrückt. Er wollte schon sehr gerne, dass ich nach Geisenheim gehe und dort Weinbau studiere. Aber wenn ich andere Interessen gehabt hätte oder etwas ganz anderes hätte machen wollen, wäre das auch kein Problem gewesen. Mein Vater hätte es nicht verhindern können.“ Nun, sie wollte dem Wein treu bleiben – nun bewirtschaftet sie neun Hektar Rebfläche, davon ein Hektar Terrassenlage.

70 Prozent der Sorten sind weiß, 30 Prozent rot. Aktuell laufen große Umbauarbeiten, ein größerer, moderner Verkostungsraum entsteht, beim Wein die Serie „Born to be Wine“.

Auf der Homepage des Weinguts heißt es: Günter Born, der Patron des Hauses, blickt wohlwollend auf die jetzt im Weingut eingestiegene nächste Generation.

Das geht nicht nur dem Patron so.

Drei bemerkenswerte Weine von Born

• Riesling – ein Großteil spontan vergoren, keine Schönung. Eigentlich eine Riesling-Cuvee, weil von drei Riesling-Lagen, in zwei Etappen gelesen und alles eigens ausgebaut. Dieser Riesling passt in keine Schublade, jeder Schluck ist eine Entdeckung und hat Charisma.

• Silvaner, der 2016er. Der Wein lag fast ein Jahr auf der Hefe, superlangsame Gärung, komplett trocken ausgebaut. Das Ergebnis ist natürlich kein 08/15-Silvaner. Der Wein hat einen schönen Schmelz, ist etwas rauchig, zeigt erstaunlich viele Facetten.

• Gewürztraminer , auch eher ungewöhnlich, weil er die Klischees würzig, leicht süßlich etc. nicht bedient. Dieser ist knochentrocken, dennoch aromatisch, kräutrig, Obst scheint im Spiel, die Nase rosig. Er riecht süß, ist es aber nicht.

Annette Closheim galt als der Shooting-Star an der Nahe. Kurz nachdem sie ihre ersten Weine (erster eigener Jahrgang war 2008) unter eigenem Label (annetteclosheim) präsentiert hatte, war ihr Name in aller Munde: Als erste Winzerin überhaupt errang sie die Auszeichnung „Riesling-Entdeckung des Jahres“ vom Fachmagazin Weinwelt, der Gault Millau verlieh ihr eine Traube, Sommeliers von Spitzenrestaurants orderten, ihre Weine werden in London und auch auf dem Semperopernball serviert.

An sich schon eine bemerkenswerte Karriere, dann ist da auch noch ihre Vita. Anette Closheim ist zwischen den Reben aufgewachsen, das elterliche Weingut Konrad Closheim ist etabliert. Fast logisch, dass Anette Weinbetriebswirtschaft studierte. Doch dann zog es sie in die große weite Welt. Getränken blieb sie treu: Als Produktmanagerin bei einem SpirituosenMulti kümmerte sie sich um die Vermarktung von Single Malt Whiskys und Spitzen-Wodkas. 2008 kehrte sie nach Langenlonsheim zurück, „weil ich gemerkt habe, dass mein Herz mehr für den Wein schlägt“. Zurück also in den elterlichen Betrieb. Das GenerationenProblem haben die Closheims clever gelöst. Vater Konrad machte seinen eigenen Wein, Tochter Anette durfte ihre Ideen verwirklichen, ihren Wein unter eigenem Label erzeugen und vermarkten. Sie machte vieles anders und manches neu. Im Weinberg reduzierte sie die Erträge, las später, selektierte stärker. Heraus kamen/kommen Weine, die sich stilistisch von denen ihres Vaters unterscheiden. Alles anders auch im Marketing, da ist die junge Frau ja Profi: Neues Label, neue Etiketten, eigene Website, höhere Preise. Die Vater-Tochter-Geschichte mit gemeinsamer Rebfläche (zehn Hektar, 70 Prozent weiß), aber zwei unterschiedlichen Betrieben ist eine eigene Geschichte. Nur so viel: Konrad Closheim hat einmal gesagt: „Ich mache die Weine für den Normalotto.“ Anette Closheim sagt selbstbewusst: „Meine Kunden fahren schon mal 200 Kilometer hierher.“ Worauf es beim Wein ankommt? „Er muss schmecken“, sagt sie kurz und knapp.

Drei bemerkenswerte Weine von Closheim

• Der Riesling vom Löhrer Berg (wurde mal Grand Cru Langenlonsheims genannt), gleich um die Ecke des Weingutes, präsentiert sich feingliedrig, fast zart, mineralisch.

• Der Sauvignon Blanc ist der Wein, der die Szene von Dresden bis London entzückt. Frisch, knackig, cremig, mit den klassischen Stachelbeer-, Johannisbeer-, Grapefruit-, Paprika-Aromen, trinkfreudig gemacht, liegt voll im Trend.

• Pinot Noir , hier ist der Name Programm: Pinot Noir steht auf dem Etikett und nicht Spätburgunder - also französischer Stil. Da muss sich so mancher Franzose strecken, Farbe, Nase und Geschmack (Himbeeren, Süßholz, Fleischsaft) erfüllen alle Erwartungen.

Lisa Bunn aus Nierstein studierte in Geisenheim, hat 2012 das elterliche Gut übernommen und ist seither für die Weine verantwortlich. Vater Georg Bunn hilft, musste aus gesundheitlichen Gründen aber die Fäden aus der Hand geben. Die Umstellung erfolgte bemerkenswert konsequent. Das Zehn-Hektar-Gut wurde von „Margarethenhof“ in „Weingut Lisa Bunn“ umbenannt, die Etiketten wurden vollkommen neu gestaltet, sind nun modern und ganz witzig: Die Schreurebe heißt „Scheu“, der Gewürztraminer „Gewürzschlawiner“ oder der einfache Riesling „Fleißiges Lieschen“ – nette Anspielungen auf den Vornamen. Die feschen Wortspiele werden nur bei den Gutsweinen angewendet, bei den Orts- und Lagenweinen findet sich dann ganz klassisch Rebsorte und Lage auf dem Label. Dass Lisa Bunn in der Welt herumgekommen ist (Praktika in Südafrika und Australien), die Website auch

in englischer Sprache betreibt und in den sozialen Netzwerken aktiv ist, versteht sich bei Winzern dieser Generation fast von selbst. Nach ihrer Hochzeit mit Bastian 2015 – ein Winzersohn – fusionierten beide Weingüter zum „Weingut Lisa Bunn“, Reben stehen nun auf 21 Hektar. „Wir können somit unterschiedliche Terroirs und Reifesituationen nutzen“, erklärt die Winzerin. Ist das Weingut ihr Lebenstraum? Lisa Bunn sagt das, was viele ihrer Berufskolleginnen sagen: „Ich wollte als Kind nie Winzer werden.“ Gedrängt worden sei sie aber nicht. „Wir sind drei Geschwister und hatten nie einen Zwang vonseiten unserer Eltern erlebt, dass das Weingut weitergeführt werden muss“, erzählt sie. „So haben wir uns alle erst mal anders orientiert, da wir immer nur die stressigen Seiten des Berufs mitbekommen haben: wenig Freizeit, viel Arbeit und immer nach dem Wetter richten… Also habe ich verschiedene Praktika gemacht und mir andere Berufe angesehen. Dabei bin ich dann zurückgekommen und habe festgestellt, dass mir der Beruf Winzer am meisten liegt …“ Gute Entscheidung.

Drei bemerkenswerte Weine von Bunn

• Die Rieslinge die kommen aus den Lagen des Roten Hangs: Hipping, Oelberg und Orbel. Spannend die Lagen-Cuvées: Der Riesling Kalkstein mit schöner Säure, zitronig, mineralisch; der Riesling vom Rotliegenden mit viel Mineralität, schlank, knackig, von schöner Strahlkraft.

• Pinot Noir vom Löss (12 Monate in gebrauchten Barriques), ein strammer Bursche mit Charisma. Diese Stichworte sind beim Verkosten gefallen: „Pfeffrig, kräutrig, hinten Muskat, Chili, fast wie Chilischokolade.“

• Spätburgunder Reserve (24 Monate in neuen Barriques), Klasse-Wein, der viel hat: Tabaknoten, leichter Holzton, verführerische Muskeln, schöne Power.

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Lisa Bunn Nierstein, Rheinhessen Elisabeth Born Höhnstedt, Saale-Unstrut Annette Closheim Langenlonsheim, Nahe privat privat

Das Boss-Büro

ASL-Chefin Ute Steglich

Selbstbewusst reckt der Oskar seinen linken Arm in die Luft. „Wenn ich mich motivieren will, schau ich mir diese schöne Statue an“, sagt Ute Steglich und zeigt auf die Bronzefigur, die sie prominent auf ihrem Schreibtisch platziert hat. „Das ist der Große Preis für den Mittelstand“, erklärt die Geschäftsführerin der Firma ASL – Alles Saubere Leistung. „Wir haben ihn 2010 bekommen.“

Der Oskar gibt die Richtung vor: „Es geht nach oben, Aufbau West geht weiter“, erklärt Steglich und verweist darauf, dass sie bundesweit in mehr als 30 Städten als Lizenz-System vertreten ist. „Wir haben uns auch erfolgreich im Westen breitgemacht. Und da ist noch lange nicht Schluss.“

Motivierende Objekte gibt es im Büro der 64-Jährigen einige. Auf dem Sideboard stehen Familienfotos und an der Wand hängen Urlaubserinnerungen: ein Bild mit ihrem Namen auf Ägyptisch, ein Rahmen mit kleinen Elefantenfiguren aus Südafrika, Impressionen von Warnemünde, ein Foto vom Nationalpalast Pena in Portugal. „Wenn ich gestresst bin, lasse ich hier meine Augen auf Kurzreise gehen“, sagt die gebürtige Leipzigerin, die früher lange Jahre als Berufsschullehrerin gearbeitet hat, seit 1993 aber mit ihrem Unternehmen haushaltnahe Dienstleistungen anbietet. Von Haushaltshilfe über die Kinder- und Seniorenbetreuung bis hin zum Hausmeisterdienst und der Hausbetreuung: Mehr als 600 Kunden profitieren mittlerweile von dem Service, mit der die ASL hilft, den Alltag zu meistern. Der Schreibtisch ist dabei die Schaltzentrale, der kleine Tisch daneben dient zur Lagebesprechung „mit meinen Mädels“ aus der Verwaltung. „Aber egal, was zu klären oder zu organisieren ist –ohne Fiona geht hier nichts“, sagt die sympathische Frau, die in Leipzig knapp 70 Mitarbeiter beschäftigt. Der Zwergspitz genießt die Kuscheleinheiten zwischendurch. „Zeit für die wesentlichen Dinge“ lautet das ASL-Motto – bei Ute Steglich gilt das eben auch für kleine Hunde. Kas

Aus Ärger über einen Witz mit noch mehr Witzen zurückgeschlagen: „Der Besser Wessi“ erschien 1991, recht kurz nach der Wende, im Forum Verlag und machte den Kabarettisten Ingolf Serwuschok und die Karikaturistin Christine Dölle zu Erfolgsautoren. Die Sammlung von Witzen über den Westen Deutschlands und seine Bewohner wurde zum Bestseller, der Besserwessi zum geflügelten Wort. Bis heute leitet Autor Ingolf Serwuschok das Traditionskabarett Sanftwut.

Was bekommt man, wenn man einen Wessi mit einem Ossi kreuzt? Einen arroganten Arbeitslosen. So einfach ist das. Und schon ist man mittendrin im Genre der Ossi-Wessi-Witze, dessen kleine Meisterwerke sich zumeist auf genau diese Formel herunterbrechen lassen. Der Wessi hat eigentlich nur zwei Eigenschaften: Er ist arrogant und linkisch. Der Ossi eine arme Sau. Auf dieser Basis wurden bis Mitte der Neunzigerjahre deftige Pointen ausgeteilt.

Der Witz als Waffe

Genau so begann auch der „Besser Wessi“, Titel einer Witzesammlung, die der Leipziger Kabarettist Ingolf Serwuschok 1991 veröffentlichte. „Das ging fies zu damals. Da hatte ich mich über irgendeinen Ossi-Witz aufgeregt und mir gesagt: Na, nu wart s ab“, erinnert sich der Sanftwut-Chef.

Die Witze über unterschiedliche Mentalitäten und Interessen, die so ganz ohne Mauer plötzlich aufeinanderprallten, trafen den Nerv der Zeit. „Es war ein kleiner Spaß. Und auf einmal haben die Menschen da einen Ernst reingelegt...“ Günter Grass habe sich in einer TV-Sendung mit Serwuschok gar zu dem Kommentar hinreißen lassen: „Die Ossis haben nichts Besseres zu tun, als sich mit blöden Witzen zu wehren.“ Und er schoss damit nicht ganz am Ziel vorbei, gibt auch Ingolf Serwuschok zu: „Natürlich war das auch ein ver-

zweifeltes Wehren. Wir hatten doch keine Chance.“ Neu war das nicht. Schon Aristoteles Überlegenheitstheorie betrachtet Humor als Angriff: Wir lachen, weil wir uns einem Mitmenschen überlegen fühlen. Wir lachen aus, wir machen lächerlich. Gefühlte Stoßrichtung: Die Wessis keilen nach unten, die Ossis nach oben.

Alte Form, neuer Inhalt

Der Ossi-Wessi-Witz ist aber durchaus mehr als das. Er ist auch Ausdruck der Unzufriedenheit mit politischen Prozessen, eine Kritik am gesellschaftlichen Miteinander – und steht damit in der Tradition des politischen Witzes. Mit dem „Flüsterwitz“ als Mittel des politischen Protestes kannte sich der einstige DDR-Bürger gut aus. „Wir waren daran gewöhnt, dass es ernst genommen wurde, wenn der Bürger etwas gesagt hat“, so Serwuschok, „so ernst, dass er verhaftet wurde.“ Nach der Wende habe es die Tabus nicht mehr gegeben – alles durfte gesagt werden.

Nun kam der Humor zwischen den Zeilen hervor und richtete sich eben nicht mehr auf das DDR-Regime, sondern auf das geeinte Deutschland und die andere Seite der gefallenen Mauer. „Der Witz ist immer die gleiche Form, die einen neuen Inhalt transportiert“, erklärt der Kabarettist. „Solche Witze gab es schon Achtzehnhundertirgendwas.“

Treffen sich zwei Ossis auf Arbeit...

Politische Witze gab es immer schon, spöttische

Witze über einzelne Bevölkerungsgruppen erst recht – den Ostfriesen beispielsweise wurde in dieser Hinsicht einiges Unrecht getan. Kurz vor und nach der Wende transportierte die alte Form eben die neue Welt, ihre Unsicherheiten, Hoffnungen und Enttäuschungen.

Kategorie: Banane

Wessi gönnerhaft zum Ossi:

„Sie kämpfen fürs Geld, wir für die Ehre.“

„So ist es“, bestätigt der Ossi, „jeder kämpft um das, was ihm fehlt.“

Dazu gehört in besonderem Maße die wirtschaftliche Dimension. Beispiel: Kann man aus einer Banane einen Kompass machen? Klar, abends die Banane auf die Berliner Mauer legen. Da, wo am nächsten Tag abgebissen wurde, ist Osten... Die symbolträchtige Banane spitzt diesen Witz aus der Wendezeit komisch zu. Die Mangelwirtschaft in der DDR verdient ohnehin eine ganz eigene Witzekategorie, so häufig wird darauf abgezielt. Die beliebtesten Zielscheiben: Der Trabant und – natürlich – die Banane. Dem gegenüber steht der „goldene Westen“: Was sagt die Sonne am Abend, wenn sie untergeht? Gott sei Dank, ich bin wieder im Westen!

Es geht noch böser. Im besten Fall enlarvt ein Witz, stellt bloß, stellt zur Schau. So geschehen mit der Treuhandtätigkeit: Lieber Ossi, packen Sie den Krempel zusammen, ich habe einen neuen Laden gefunden, einen neuen Bankkredit bekommen und einen Berg

neuer Aufträge. – Oh fein, wohin ziehen wir denn? – Umziehen? Sie fliegen raus! Unvergessen auch der kurze, aber bittere Witz, den der ehemalige   Bun destagspräsident Wolfgang Thierse zum Besten gab: Treffen sich zwei Ossis auf Arbeit.. Und hier greift die vielleicht wichtigste Funktion von Humor: Ein Witz ist auch Bewältigungsmechanismus.  Er macht die mitunter deprimierende Realität etwas leichter.

Dann doch lieber lachen

„Humor ist wichtig, um das geistige Überleben zu sichern“, findet Ingolf Serwuschok. „Für die Seelenhygiene ist das Lachen unverzichtbar.“ Und letztlich tut es jeder Gesellschaft gut, wenn sie über sich lachen kann. „Man soll sich selbst und andere nicht zu ernst nehmen“, sagt er. „Klar, nehme ich die anderen ernst, aber nicht so ernst, dass ich sie umbringen will. Dann lacht sie doch lieber kaputt! Lacht euch zusammen.“

Sein Lieblingswitz aus der Sparte Ost-West? „Der ist ein bisschen bekloppt und geht so“, hebt er an. „Sitzt ein Ossi in der Wüste, kommt ein Wessi dazu und sagt: ‚Rück mal ’n Stück.‘“ Juliane Groh

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Katrin Schreiter
„Lacht euch zusammen“: Über die humorvolle Seite der Wende
Ingolf Serwuschok auf der Bühne des Kabaretts Sanftwut in der Leipziger Mädlerpassage. Juliane Groh
„Humor ist wichtig, um das geistige Überleben zu sichern.“
Ingolf Serwuschok, Kabarettist
Foto: privat Buchtipp

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Mit Service gegen Online-Konkurrenz

Leipzig Media und Marketingexperte Norbert

Beck starten Aktion „Top Service vor Ort“ für regionale Unternehmer und Händler

Der Handwerker vor Ort, der kleine Einzelhändler um die Ecke, das regionale Familienunternehmen mit mehreren Filialen oder der Mittelständler mit vielen Angestellten: Noch gibt es sie, die vielen Betriebe und Unternehmen, die ihren Service direkt vor Ort anbieten, die hier produzieren, arbeiten und Jobs in der Heimat schaffen. Aber – ob in Altenburg, Borna, Delitzsch, Döbeln, Eilenburg, Geithain, Grimma, Leipzig, Oschatz, Torgau oder Wurzen – viele regionale Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Position auf dem Markt zu behaupten. Der Online-Handel und das Internet haben das Einkaufs- und Konsumverhalten der Menschen nachhaltig verändert.

E-Commerce: Totengräber des eingesessenen, ortsgebundenen und oftmals traditionsreichen Handels? „Nein“, sagt Norbert Beck. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Metatrain. Gemeinsam mit seinem Bruder Johann Beck, mit dem er vor 18 Jahren Metatrain gründete, hat er diesen gesamten, bedrohten Wirtschaftszweig unter die Lupe genommen und beraten. Mehr als 7000 mittelständische Unternehmen in 150 Städten und Gemeinden wurden in zehn Jahren analysiert. Sein Credo: Freundlich, vertrauenswürdig, wertschätzend – wer seinen Kunden so begegnet, braucht die Online-Konkurrenz nicht zu fürchten.

Crossmediale Berichterstattung

Gemeinsam mit Norbert Beck hat die Leipzig Media GmbH im Juni „Top Service vor Ort“ gestartet – eine Service-Kampagne mit nachhaltiger Werbewirkung. Unternehmen, die sich daran beteiligen, erhalten in ihrem Paket eine professionelle Kundenbefragung, Auswertung des „Kunden-Beziehungs-Index“ sowie ein Qualitätssiegel – wenn sie die erforderlichen Bewertungen am Ende erreichen. Zusätzlich enthält die Kampagne eine crossmediale Berichterstattung auf allen Kanälen der Leipziger

Großes Interesse bei der „Top Service vor Ort“-Auftaktveranstaltung in der LVZ-Kuppel: Marketing-Experte Norbert Beck mit den Geschäftsführern des Veranstalters Leipzig Media, Thomas Jochemko (links) und Arne Frank (rechts).

Volkszeitung, deren Regionalausgaben sowie der Rundschau.

Start der Aktion waren unterhaltsame Vorträge von Norbert Beck vor Unternehmerinnen und Unternehmern in Leipzig, Krostitz, Döbeln und Borna. Nach dem Auftaktevent in Leipzig zeigten sich die Geschäftsführer von Leipzig Media, Arne Frank und Thomas Jochemko, sehr zufrieden: „Wir haben heute absolut positives Feedback unserer Gäste bekommen“, so Jochemko. Und Frank ergänzte: „Ich bin mir sicher, dass für jeden Impulse dabei waren, die zukünftig helfen werden, die eigenen Kunden zu begeistern.“

Auch Uwe Arnold, Geschäftsleiter von Porta Möbel, war der Einladung für den Abend in Leipzig gefolgt und freute sich darüber, dass viele Gewissheiten an diesem Abend aufgefrischt wurden: „Man muss an diese Dinge immer wieder erinnert werden und sie lebendig halten, tagtäglich.“ Das Internet sei auch in seiner Branche ein starker Wettbewerber, auf den man sich einstellen müsse.

Mehr Informationen, Berichte und Fotos gibt es auf www.lvz.de/topservice.

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Norbert Beck begeisterte das Publikum mit seinem Vortrag „Service ist sexy“. Uwe Arnold, Geschäftsleiter von Porta Möbel, schildert seine Eindrücke vom Abend.
Dirk Knofe (4)
Nach dem Vortrag kamen die Gäste ins Gespräch, knüpften Kontakte und diskutierten.

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