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DasUnternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung
DasUnternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung
lvz.de/wirtschaftszeitung
Ausgabe 10
Heft 2/2021
Preis: 2,90 €
lvz.de/wirtschafts
Unternehmer & Unternehmen
Viele Unternehmen rutschten durchdie Corona-Pandemiein die größte Kriseihrer Geschichte. Mancheabererlebtendurch die verändertenUmstände einen wahrenSchub und eineNachfrage, der teilweise kaum nachzukommen war. So hatdieKrise etwa den Kaminbauboomenlassen, wieHandwerksmeister Wolfgang Parnow berichtet (Seite 3) Auch Konsumerlebte,wiedie Bestellungen beim hauseigenen Lieferdienst steilanstiegen (Seite 11). Start-upsbekameneineneue Offenheitfürihre Medizinprodukte zu spüren (Seite 17) undein regionaler Erzeugermarkt entstand (Seite 23).Doch wo Lichtist,daist auchSchatten.Nachwuchssorgen treibendas Handwerk um (Seiten 4/5), Kriminelle nutzen durchsHomeoffice entstandeneAngriffsflächen für Cyberattacken (Seiten 6/7)unddie PandemieoffenbartMängelim Gesundheitswesen (Seiten 12/13).Und währenddie Nachfrage nach Wohnmobilenund E-Bikes explodierte (Seite 25),brachendie FahrgastzahlenimÖPNV ebensoein wie dasNiveau an Geschäftsreisen (Seiten25und 27). Aber lesenSie selbst.
CORONA –ZWISCHEN KOLLAPS UNDCHANCE
Ofen- und Kaminbauer Wolfgang Parnow erlebt in der Corona-Krise einen Boom im Kaminbau Seite 3
Klinikdirektor Prof. Dr. Wieland Kiess über die Auswirkungen der Pandemie auf Kinderkliniken Seite 12
Leipziger Start-up FlyNex erspart Unternehmen mit Software für Drohnen Zeit und Kosten Seite 20
Geld & Märkte
Forschung & Innovation
Die Schwestern im Kloster Helfta gründeten mithilfe einer Physikerin unter ihnen eine Seifenmanufaktur Seite 32
Leben & Stil
zeitung zeitung
wirtschafts
Unternehmer Unternehmen
■ Corona-Krise lässt den Kaminbau boomen
Volle Auftragsbücher: Leipziger Handwerksmeister Wolfgang Parnow
über einen Trend zu nachhaltigen Öfen
■ Zwischen Optimismus und Verunsicherung
Nachwuchssorgen im Handwerk – das sagen IHK, Unternehmerverband, HWK und ein Geschäftsführer
■ Cyberkriminalität und die Illusion von Sicherheit
3
4/5
6/7
IT-Sicherheitsexperte Jan Bindig über Cyberattacken in der Corona-Pandemie und den Schutz großer und kleiner Unternehmen
Editorial
Was bleibt – was wird anders?
Von Hannah Suppa
8 Startup Safari zeigt, wie mitteldeutsche Start-ups mit der Pandemie umgehen
■ Die Anpassung der Gründerszene
■ „Sozialer Aufstieg ist nur noch schwer möglich“
9 Leipziger Wirtschaftswissenschaftler
■
frei Haus statt Gedränge im Supermarkt: Die Pandemie lässt die Umsätze
Impressum
Wirtschaftszeitung – Das Unternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung
Kontakt: wirtschaftszeitung@lvz.de; www.lvz.de Für Fragen oder Hinweise zur Lieferung der LVZ-Wirtschaftszeitungerreichen Sie uns kostenfrei unter 08002181-020. Wenn Sie Fragen zu einer Anzeigen-Buchung haben, melden Sie sich bitte unter der Telefonnummer: 0341 2181-1909.
Redaktionsleitung: Patricia Liebling
Autoren: Gina Apitz, Thomas Bothe, Roland Herold, Nannette Hoffmann, Regina Katzer, Uwe Köster, Ulrich Langer, Ulrich Milde, Jochen Reitstätter, Junes Semmoudi, Pauline Szyltowski
Layout: Christiane Kunze, Silke Kaiser
Collage Titelbild: Adobe Stock/Titova Ilona (1), Alexander Prautsch (1), André Kempner (10), Anja Schneider (1), Christian Modla (3), Daniel Förster (1), Dirk Knofe (2), Doro Kaiser (1), Freepik.com (4), Jan Woitas (1), Jochen Tack (1), Kirsten Nijhof (1), Mario Jahn (3), Michael Strohmeyer (3), Ole Spata (1), Pexels.com/Chokniti Khongchum (1), privat (3), Rico THUMSER viawww.imago-images.de (1), Robin Kunz (1), ronaldbonss.com (1), Sebastian Gollnow (1), Thomas Keil (1), unsplash.com (1)
Vermarktung: Björn Steigert, Thomas Jochemko
Projektleitung: Daniela Linke
V.i.S.d.P.: Hannah Suppa
Verlag und Herstellung: Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft mbH & KG Peterssteinweg 19, 04107 Leipzig.
Geschäftsführer: Björn Steigert, Adrian Schimpf
Druck: Pressedruck Potsdam GmbH
Auflage: 20 000
Nächster geplanter Erscheinungstermin: Oktober 2021
Preis: 2,90 Euro Bitte beachten Sie die Informationen gem. Art. 14 DSGVO zur Herkunft und Verarbeitung Ihrer personenbezogenen Daten: www.madsack.de/dsgvo-info-art-14
Es fühlt sich dieser Tage fast so an wie eh und je: Wir können in Geschäfte reinspazieren und einkaufen, im Restaurant Platz nehmen, ein Hotel in Sachsen oder gar in Spanien buchen – oder einem Konzert lauschen. Es liegt Leichtigkeit in der sommerlichen Luft in Leipzig und Mitteldeutschland. Viele wissen jetzt besonders zu schätzen, was sie am Handel und an den Menschen, die die eigene Heimat gestalten, haben. Und was fehlt, wenn das plötzlich nicht mehr da ist. So normal sich der Alltag in diesem zweiten Corona-Sommer für viele Bürgerinnen und Bürger anfühlt, für viele Wirtschaftsunternehmen ist weiterhin nichts normal. Die Pandemie hat sichtbare Spuren hinterlassen, mancherorts haben Händler aufgeben müssen, Gastronomen fehlt das Personal, um nach den langen LockdownMonaten wieder wirklich zu starten. In der Hotel- und Gaststättenbranche fürchten 20 Prozent der Unternehmen in Sachsen, pleite zu gehen – so eine Umfrage des Regionalverbandes des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes. Während also die Kundinnen und Kunden die zurückgewonnenen
Freiheiten genießen, kämpfen sich die Unternehmen und Händler mühsam zurück. Sicher, die CoronaHilfen – bei aller Kritik – waren durchaus umfassend, so etwas hat es in vielen anderen ebenso pandemiegeplagten Ländern in diesem Umfang nicht gegeben. Dennoch stellt sich nun, wo die Pandemie sich (hoffentlich) langsam ausschleicht, die Frage: Was bleibt übrig – und was wird anders?
Wir haben daher dieser Ausgabe Ihrer Wirtschaftszeitung den Schwerpunkt „Corona – zwischen Kollaps und Chance“ gegeben. Wir haben Wirtschafts- und Branchenexperten aus Mitteldeutschland nach ihrer Einschätzung gefragt, blicken darauf, ob Dienstreisen nicht eigentlich nach der Pandemie in Gänze runtergefahren werden können und welche Branchen richtige Krisengewinner sind (Campervans!). Auch, wenn viele „Corona“ als Thema nicht mehr hören mögen – diese Pandemie hat Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nachhaltig verändert. Und wie stark ist noch nicht mal sichtbar. Doch natürlich haben wir in der Sommer-Edition der Wirtschaftszeitung auch viele weitere Themen für Sie. So stellen wir, wie Sie es
Foto: Christian Modla
von uns kennen, pfiffige Unternehmen vor. So zum Beispiel die Dresdner Firma Füllett: Aus dem Einwegplastikverbot haben sie eine Geschäftsidee gemacht –und stellen nun essbare Schüsseln aus Brotteig her. Wie das geht, haben wir uns angeschaut. Auch immer wichtiger: Der Schutz vor Cyberkriminalität – auch hier setzen wir in dieser Ausgabe einen Schwerpunkt. Und ach ja, darf ich mich noch kurz vorstellen? Mein Name ist Hannah Suppa – und ich bin seit einem halben Jahr die neue Chefredakteurin der Leipziger Volkszeitung (LVZ). Und freue mich, erstmals auch bei der Wirtschaftszeitung dabei zu sein. Sie haben Themenideen, Anmerkungen, Wünsche? Dann schreiben Sie unserem Team der Wirtschaftszeitung gerne an wirtschaftszeitung@lvz.de.
Kommentar
Die Krux mit dem Nachwuchs
Von Ulrich Langer
Tja, mit dem Nachwuchs ist es so ein Ding. Erst mal kriegen und dann weitersehen? Stimmt, darauf läuft es nicht selten hinaus – im Privaten wie im Beruflichen. Nur ist es ein verheerender Fehlschluss, alles bloß auf sich zukommen zu lassen. Denn kaum ist das junge Leben an Bord, stürmen auch schon die Herausforderungen herein. Zunächst deren Zuneigung zu ergattern. So ähnlich funktioniert das bei der Gewinnung von Fachkräften. Die potenziellen Azubis überhaupt für den jeweiligen Beruf zu begeistern, hat es in sich. In Zeiten der Pandemie läuft dabei notgedrungen vieles online, virtuell, ohne direkten Kontakt. Es dennoch hinzukriegen, Neue zu animieren für einen Job, ist nicht hoch genug zu schätzen. Allerdings ist dies nur ein erster, wenngleich wichtiger Schritt. Es reicht jedoch nicht aus, die Nesthäkchen zu locken, sie für eine Sache zu interessieren. Sie bei der
Stange zu halten, jeden Tag aufs Neue – das ist die weitaus schwierigere Aufgabe. Lehrmeister wissen das nur zu gut. Rasch ist ein Azubi verprellt, wenn ihn die Ausbildung nervt. Schnell wirft er dann hin. Daher ist viel mehr überlebensnotwendig, den Spaß der jungen Leute an der Sache herauszukitzeln sowie deren Befriedigung dabei auszuprägen, auf Arbeit schließlich etwas Neues geschafft und bewältigt zu haben. Wie bei der Erziehung der Kinder ist auch der Lehrling stets aufs Neue zu motivieren, Unbekanntes auszuprobieren und daran eine Riesenfreude zu empfinden. Das ist das Eigentliche, dass hinter dem Wort Nachwuchsgewinnung steckt. Eben weit mehr, als nur jemanden zu angeln für einen bestimmten Weg ins Berufsleben. Das impliziert selbstredend –wie in der Familie bei den Töchtern und Söhnen –, als Ausbilder, Meister des Fachs für die Neulinge
Foto: Christian Modla
ständig da zu sein in schwierigen Situationen, wenn es eben mal nicht so läuft. Das impliziert zudem, Grundwerte des Miteinanders auszuprägen: Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Fleiß und Ordnung, Höflichkeit und Zuvorkommenheit. Da muss der Lehrmeister durchaus auch manchmal auf den Tisch hauen können und dürfen. Ein langer Atem ist also gefragt bei der Heranbildung fähiger und engagierter Fachkräfte der Zukunft. Ihn zu entwickeln garantiert, dass die Unternehmen selbst dann nicht untergehen, wenn die wirtschaftlichen Stürme ihnen arg zusetzen.
Gesundheit ist keine alltägliche Ware
Von Ulrich Milde
Das Bessere ist bekanntlich der Feind des Guten. Diese Einschätzung dürfte auf das deutsche Gesundheitssystem zutreffen. Es hat unterm Strich und auch im internationalen Vergleich die Corona-Pandemie bisher gut bewältigt. Da wurden rasch zusätzlich benötigte Intensivbetten in den Kliniken zur Verfügung gestellt, Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte zeigten und zeigen einen enormen Einsatz. Sie haben sich damit großen Respekt verdient. Doch ein gutes Gesundheitswesen wie das bundesrepublikanische verführt dazu, notwendige Veränderungen, wenn überhaupt, nur höchst halbherzig anzupacken. Dabei könnte es deutlich besser werden. Überfällig sind zum Beispiel massive Fortschritte in der Digitalisierung. So brauchen Pflegekräfte häufig viel Zeit, um Befunden hinterherzutelefonieren. Da werden Untersuchungen doppelt angeordnet, weil die Ergebnisse der ersten, die woanders vorgenommen wurden, nicht vorliegen.
Das bedeutet, dass die Anbieter in der Gesundheitsbranche, also die Krankenkassen, die Kliniken sowie die Ärzte, in Sachen Digitalisierung endlich gemeinsam vorgehen müssen – und das so rasch wie möglich.
Ein weiterer Punkt: Manche notwendige Untersuchung hat in diesen Pandemie-Zeiten nicht stattgefunden, weil die Patienten nicht zum Arzt gegangen sind. Das ist in vielen Fällen fatal, etwa bei Tumorerkrankungen. Andererseits sind auch lukrative Eingriffe verschoben worden. Und das ist häufig gut so. Rückenoperationen, sagte kürzlich Jens Baas, Chef der Techniker-Krankenkasse, seien in acht von zehn Fällen überflüssig. Auch Hüftoperationen würden viel zu häufig durchgeführt – zum Schaden der Patienten. Da zeigt sich, dass oftmals finanzielle Interessen der Kliniken überwiegen, das Wohl der Patienten nicht im Vordergrund steht. Hier ist ein Umsteuern nötig. Nötig ist zudem eine Strukturreform bei den Krankenhäusern. Nicht jedes Haus sollte alle Behandlungen auf Teufel komm
raus durchführen. Je öfter eine Operation in einer Klinik durchgeführt wird, desto höher ist die Kompetenz der Mediziner. Das ist nur zum Vorteil der Patienten. Gesundheit ist keine alltägliche Ware. Wenn Einrichtungen danach trachten, möglichst hohe Erlöse, gar Gewinne zu erzielen, dann läuft etwas falsch. Wobei das Gebot der Effizienz und Wirtschaftlichkeit weiterhin gelten muss. Schließlich steigen die Ausgaben im deutschen Gesundheitswesen seit Jahren unaufhörlich. Die Absicherung der Finanzen muss also ganz oben auf die Tagesordnung. Damit die Beiträge, die Versicherte, aber auch Unternehmen bezahlen, noch bezahlbar bleiben und den Wirtschaftsstandort nicht gefährden.
2 Inhalt
anhaltenden Niedrigzinspolitik
GeldMärkte Geld Märkte
Gunther Schnabl warnt vor den Folgen der
&
Business meets Leipzig
Bestellung
spürbar steigen ■ Das Gesundheitswesen und der Profit 12/13 Wieland Kiess, Chef der Universitäts-Kinderklinik Leipzig, über Kinder in der Pandemie, Aktionäre und ein mangelhaftes Gesundheitssystem ■ Existenzsorgen, Innovationskraft und Ost-Einkommen in der Krise 14/15 Wirtschaftsexperten und ihr Blick auf Mitteldeutschland ■ Exakte Vorgaben regional umsetzen 16 Ex-DDR-Kombinatsdirektoren über die Meisterung von Krisen und die Sorge ums Gemeinwohl ■ App-Entwickler erobern den Medizinmarkt 17 Physiotherapie und Gesundheitsnavigator – die Start-ups eCovery und docyet im Porträt & GeldMärkte Forschung Innovation ■ Der Nächste, bitte!! 18 Das Gesundheitswesen macht endlich Schritte in Richtung Digitalisierung. Die Patienten hätten gern mehr davon ■ Sonderkonjunktur für Laborbetreiber 19 Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf den Test-Betrieb ■ Höhenflug mit Drohne 20 Leipziger Start-up Flynex erspart Unternehmen mit seiner Software Kosten und Zeit ■ Das Boss-Büro 21 Zu Besuch bei Dr. Sabine König vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung ■ Gut verbackt 22 Als ökologische Alternative zu Einwegplastik stellt die Firma Füllett aus Dresden essbare Schüsseln aus Brotteig her ■ Apfelsaftrausch und Marktschwärmerei 23 Delitzsch ist um einen regionalen Erzeugermarkt reicher ■ Business-Class 24 Neues aus den Chef-Etagen der regionalen Wirtschaft & GeldMärkte Leben Stil ■ Die Mobilität im Umbruch 25 Der ÖPNV in der Krise, explodierende Nachfrage nach Wohnmobilen und E-Bikes – über Gewinner und Verlierer der Pandemie ■ Erhöhte Mobilität = höhere Inzidenz? 26 Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut Dresden sieht Forschungsbedarf ■ Willkommen zur Videokonferenz 27 Corona führt zu Talfahrt bei Geschäftsreisen ■ Prosit 28 So sind die Winzer in der Region durch die Corona-Krise gekommen ■ Angelesen 29 Thomas de Maizière und Karl-Ludwig Kley über „Die Kunst guten Führens“ ■ Reingehört 31 Fünf Podcast-Tipps aus der Welt der Wirtschaft ■ Gesegnete Seife 32 Im Kloster Helfta haben die Schwestern eine Seifenmanufaktur aus der Taufe gehoben & GeldMärkte
10 Club International verbindet seit 25 Jahren Menschen, Kulturen und Visionen ■ Konsum – ein Pionier unter den Lieferdiensten 11
Foto: Christian Modla
Corona-Krise führt
zu Boom im Kaminbau
Leipziger Handwerksmeister und RB-Fan Wolfgang Parnow sieht Trend zu nachhaltigen Öfen
Wolfgang Parnow ist bekennender Fan des Bundesligisten RB Leipzig. Der Dauerkartenbesitzer hat dem Fußball-Startup aber einiges voraus. Glänzt der Trophäenschrank der Rasenballer noch durch gähnende Leere, so hat der 66-jährige Parnow gleich drei Meisterbriefe aufzuweisen. Er ist Ofen- und Kaminbaumeister und hat diesen Titel auch als FliesenlegerundHochbauer.BeiRB,demVizemeisterderjetztabgeschlossenen Saison, gilt eher der Nike-Werbespruch:„Youdon`twinsilver,youlose gold.“
ImGegensatzzudenFußballvereinen, die unter Corona litten, weil ihnen vor allem Zuschauer- und Werbeeinnahmen fehlten, hat der gebürtigeLeipzigerParnowvonder Pandemie profitiert. „Einen so guten Auftragsbestand wie jetzt – das hatesnochnichtgegeben“,sagtder 66-Jährige,derfürdienächstenMonate ausgebucht ist. „Unsere Branche kann sich überhaupt nicht beklagen, uns geht es so gut wie nie. Wir schießen derzeit den Vogel ab. Die Menschen hätten in der Pandemie-Zeiterheblichwenigeretwafür UrlaubundRestaurantbesucheausgegeben. Folge: Der Wunsch, die eigenen vier Wände zu verschönen, wurde größer und in vielen Fällen auch umgesetzt. Tatsächlich hat einer Umfrage zufolge jeder vierte Bundesbürger wegen Corona Anschaffungen für den eigenen Haushalt getätigt, die sonst nicht geplant waren. Danach gaben 43 Prozent an, für Homeofffice und Homeschooling unter anderem neue Notebooks, Monitore und Headsets angeschafft zu haben. Zehn Prozent der Befragten gaben 5000 Euro und mehr für Gegenstände aus, die sie ohne die Pandemie (noch) nicht gekauft hätten. Bei knapp vier Prozent waren es sogar mindestens 10 000 Euro. Ein Teil dieser Beträge ging in neue Kamine undKachelöfen.FürParnowistklar, dass es sich bei den zusätzlichen Aufträgen „um vorgezogene Geschäfte der nächsten drei bis fünf Jahre handelt“. Wenn es derzeit überhaupt etwas Problematisches gebe, dann seien es die kräftig gestiegenen Rohstoffpreise.
Einen so guten Auftragsbestand wie jetzt –das hat es noch nicht gegeben.
Wolfgang Parnow Ofen- und Kaminbauer
Schärfere Vorschriften und wachsendes Umweltbewusstsein haben dazu geführt, dass auch bei Kaminen und Kachelöfen „mehr Wert auf Nachhaltigkeit gelegt“ werde.NeueHeizgerätebenötigten wenigerBrennstoffalsalteModelle, zudem sei der Wirkungsgrad höher als früher. Nach Ansicht des Industrieverbandes Haus-, Heiz- und Küchentechnik stellt das CO2-neutrale Heizen mit Holz aus nachhaltigen Quellen „die wichtigste regenerativeEnergiequelleimBereichderGebäudewärme dar“ und trägt maßgeblich zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen bei. Moderne Kamin-, Pellet- und Kachelöfen würden den Effizienzanforderungen des Wärmemarktes gerecht. Ofenwärme, schwärmt Parnow, sei anders als die aus einer Gas- oder Ölheizung, „einfach viel behaglicher“.
Drei Meistertitel Seine handwerkliche Karriere startete Parnow zu DDR-Zeiten. „Eigentlich wollte ich Tischler werden, dann habe ich aber doch eine
Ofenbauer-Lehre begonnen, bei Horst Welge in der Goldschmidtstraße.“ Er sei ein „strenger, aber guter Lehrmeister gewesen“. Und „ich gehörte zur Familie“, erzählt Parnow,derohneVatergroßgeworden ist. Eine Ausbildung in einem volkseigenen Betrieb oder einer Produktionsgenossenschaft „wollte ichnicht“.SpäterfolgtendieZeitbei der Armee und zwei weitere Meistertitel. Parnow freundete sich mit dem Gedanken an, sich selbstständig zu machen. Was damals kein leichtesUnterfangenwar.„Denersten Antrag habe ich 1980 gestellt“ –vergeblich. Drei Jahre später hatte er mit einem neuerlichen Vorstoß dann endlich Erfolg. Loslegen konnte Parnow ein Jahr später von Lindenthalaus,nachdemesihmgelungen war, die erforderlichen Gewerberäume nachzuweisen. Seine Auftraggeberwarenunteranderem die Wohnungswirtschaft in Schkeuditz, aber auch viele Privatpersonen. „Wir hatten straff zu tun.“ 1989, als die DDR am Ende war, wurden knapp zwei Drittel aller Wohnungen – die 3,2 Millionen
Alten Holzöfen
droht Aus
Nachkriegsbauten eingerechnet –nochmitKohleöfenbeheizt.24Prozent hatten keine eigene Toilette und 18 Prozent kein Bad. „Keiner wollte mehr Öfen“, berichtet der Dreifach-Meister. Die Häuser und Wohnungen seien auf Zentralheizung umgestellt worden. Er habe sich damit beholfen, alte Öfen abzubauen, um so das Überleben seines Betriebes zu sichern. „Das war nicht einfach, aber wir haben es geschafft. Mitte der 90er-Jahre ging es mit dem Neubau von Öfen und Kaminen wieder los. „Unser erster Kunde war ein Westdeutscher,dernachLeipzigumgezogen war.“ Das Geschäft kam wieder in Gang („mit einigen Höhen und Tiefen“),zudenAuftraggeberngehörte auch Leipzigs 2017 verstorbener früherer Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube.
Parnow sagt, er liebe seinen Beruf. Aber auch seine Sympathie für RB Leipzig mag er nicht verhehlen. Sieistsogargroßgenug,umsichdarüberzufreuen,wenndieKickerihn bei den Meistertiteln irgendwann überholen würden.
Bau im Osten leidet unter Anstieg der Rohstoffpreise
Verbandschef Robert Momberg befürchtet sinkende Margen und höheres Insolvenzrisiko der Betriebe Ein Leipziger Elektrogroßhandel erhielt kürzlich mehrere Tausend Meter Kupferkabel für den Hausbau. An einem Tag war der Vorrat weg, der sonst mindestens zwei Monate hält. Die Kunden, also die Bauhandwerker, deckten sich damit aus zwei Gründen ein: Kupfer istknappundderPreishatsichbinnen Jahresfrist rund verdreifacht. Dieser Grundstoff schlechthin für alle elektrischen Leitungen kostet nach Angaben des Ifo-Instituts mehr als 10000 US-Dollar die Tonne. „Nie zuvor war das Metall so teuer“, so ein Ifo-Experte. Ähnlich siehtesbeianderenRohstoffenaus.
Ob Holz oder Kautschuk, Palladium und Rhodium – die steigende Nachfrage trifft auf ein knappes Angebot. Die Holzpreise an der New Yorker Börse Nasdaq haben seit Ende November um über 160Prozentzugelegt.MitderFolge,
Nie zuvor war das Metall so teuer. ifo Institut – LeibnitzInstitut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.
dass die Preise steigen. Während der Corona-Pandemie wurden vielerortsrundumdenGlobusdieProduktionskapazitäten heruntergefahren. Das wieder aufzubauen dauert. Gestiegene Frachtkosten kommen obendrauf. Betroffen davon ist auch die ostdeutsche Baubranche. So haben sich beispielsweise Roheisen und Stahl um rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr verteuert. „Diese Entwicklung birgt die Gefahr, dass die in den vergangenen Jahren in der Bauwirtschaft mühsam aufgebaute Eigenkapitalausstattung bei sinkenden Margen abschmilzt und das Insolvenzrisiko im Baugewerbe wieder steigt“, warnt Robert Momberg, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Ost. Gerade bei lang laufenden Projekten führe diese Entwicklung zu großen Problemen in den Bauunterneh-
Wer einen alten Holzofen hat, muss diesen unter Umständen im Laufe der kommenden Jahre austauschen. Bis 2024 sind rund vier Millionen Anlagen betroffen. Eine Schonfrist für viele Holzöfen endete bereits mit dem Jahr 2020: Modelle, die vor 1995 errichtet wurden und deren Schadstoffausstoß Grenzwerte überschritt, mussten ausgemustert oder zumindest nachgerüstet werden. Das sieht die Bundes-Immissionsschutzverordnung vor.
Viele Hauseigentümer mussten prüfen, ob ihr Kaminofen, Kachelofen oder Heizkamin für Festbrennstoffe wie Holzscheite, Pellets, Hackschnitzel oder Kohle den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Darauf wies das vom Umweltministerium Baden-Württemberg geförderte Informationsprogramm Zukunft Altbau hin.
Betroffen waren zuletzt ummauerte Feuerstätten mit einem industriellen Heizeinsatz und einer Leistung von mindestens vier Kilowatt, die zwischen 1985 und 1994 errichtet wurden und deren Emissionswerte für Feinstaub 0,15 Gramm pro Kubikmeter Abgas und für Kohlenmonoxid 4 Gramm pro Kubikmeter überschreiten. Auch Schwedenöfen sind betroffen. Diese Anlagen müssen eine verschließbare Tür haben. Für alle entsprechenden Öfen mit Baujahr ab 1995 bis zum 21. März 2010 gilt nun eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2024. dpa
men,wennnochzuwesentlichniedrigeren Preisen kalkuliert wurde und diese Kosten nicht weitergegeben werden könnten.
Die Folgen würden auch für die Verbraucher spürbar werden, weil Lieferengpässe zwangsläufig zu Bauverzögerungenführen.Darüber hinaus werde sich die Entwicklung im Jahresverlauf in den Baupreisen widerspiegeln. „Nach einem moderaten Anstieg 2020 für Leistungen des Bauhauptgewerbes von 1,3 Prozent muss 2021 mit einem Preisanstieg von mindestens 2,0 Prozent gerechnet werden“, prognostiziert Momberg.
Und die Aussichten? Frühestens imHerbst,realistischerweiseerstim kommendenJahrdürftendieLieferengpässe flächendeckend enden, wenndieweltweiteProduktionwieder auf das passende Niveau angestiegen ist, meinen Experten. mi
Von Ulrich Milde
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Nachwuchssorgen in der Wirtschaft
Die Corona-Krise hat das Thema ein wenig in den Hintergrund gerückt. Es bleibt aber eine der wichtigsten Herausforderungen der regionalen Unternehmen: der Fachkräftemangel. Die demografische Entwicklung setzt den Arbeitsmarkt nachhaltig unter Druck. Wobei Digitalisierung und Automatisierung von Produktionsprozessen nur bedingt Abhilfe schaffen. Berechnungen zufolge werden in vier Jahren in Sachsen rund 8000 qualifizierte Arbeitskräfte fehlen. Grund genug, die Ausbildungsanstrengungen zu erhöhen. Vier Experten berichten, wie sie mit den Nachwuchssorgen umgehen und legen den Finger in die Wunde.
„Trotz der Corona-Belastungen müssen wir die Lehrlingsausbildung irgendwie packen. Denn der berufliche Nachwuchs ist das FundamenteinererfolgreichenZukunft unserer Firma.“ Profiroll brauche hoch spezialisierte Mitarbeiter. „Eingekaufte“ Fachkräfte seien teuer, müssten erst eingearbeitet werden.„Dasfälltbeivonunsselbst ausgebildeten Fachleuten weg. Zudem saugen Eigengewächse die Philosophie des international tätigen Unternehmens Profiroll mit der Muttermilch ein“, so Wunderlich. Zugleich habe Profiroll eine Verpflichtung der Region gegenüber. „Viele loben unser Ausbildungsengagement. Über Anzeigen in lokalen Zeitungen und Mundpropaganda läuft es gut. Vor Corona waren Berufs- und Ausbildungsmessen etwa in Delitzsch, Wittenberg, Torgau und Mockrehna ein Renner, ebenso wie die Berufsorientierungstage in Schulen in Delitzsch, Gräfenhainichen, Torgau, Taucha und Eilenburg.“Tollfunktioniertnachwievor die enge Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit.
„Wir wünschen uns, dass künftig nochmehrWertaufdieBerufsorientierung in den Schulen gelegt wird. UnddasssichdieSchulenfürUnternehmen öffnen.“ So bald wie möglichsolltenmitVolldampfalleVariationenneubelebtwerden,„dieeine direkte Ansprache der potenziellen Lehrlinge bieten. Der unmittelbare Kontakt vor Ort ist oft wirkungsvolleralssomanchenochsogutgestaltete Internet-Runde.“ U. L
Zur Person
Jens Wunderlich
1966 geboren in Leipzig
1986 Abschluss der Berufsausbildung Maschinenbauer mit Abitur
1994 Abschluss Studium an der Technischen Universität Chemnitz
Diplom-Ingenieur Maschinenbau
1994 Ingenieur für Verfahrensentwicklung Profiroll Technologies
GmbH Bad Düben
Jens Wunderlich, Geschäftsführer des Maschinenbauers Profiroll Technologies GmbH, Bad Düben, setzt auf Eigeninitiative Das Unternehmen produziert Maschinen und Werkzeuge für das Kaltmassiv-Umformen und ist einer der Weltmarktführer in diesem Segment. Zudem hat es sich als Lieferant komplexer Technologien etabliert. „Von Nachwuchssorgen würde ich beiunsnichtsprechen.Dennwirbilden vorausschauend aus“, gibt sich Jens Wunderlich, Chef des Bad Dübener Maschinenbauers Profiroll zuversichtlich. Zugleich qualifizierten sich eigens ausgebildete Azubis weiter zum Meister oder Techniker, „arbeiten heute bei uns in verantwortungsvollenPositionen.Siebleiben so Teil der Profiroll-Familie“. Damit sei die Firma bislang gut gefahren. „Seit 2012 wurden bei uns 95 Lehrlinge in verschiedenen Berufen ausgebildet. Hinzu kommen 13 Studenten der Berufsakademie Sachsen(BA),diesichbeiunsqualifizierten. Alles in allem haben wir davon 83 übernommen.“ Aktuell lernten in Bad Düben 39 Auszubildende und sieben BA-Studenten. „Kein schlechtes Ergebnis“, meint Wunderlich. Dennoch drücke der Schuh in Sachen Fachkräftegewinnung, „weil die Anzahl von Bewerbungen zurzeit sehr gering ist. Auch die Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Torgau undEilenburgnachBadDübenlässt zu wünschen übrig“. Teilweise müssten die jungen Leute bis zu einer Stunde Fahrtzeit mit Bus oder Bahn in Kauf nehmen. Das vergraule natürlich schon den einen oder anderen potenziellen Lehrling. Negativ schlug laut Wunderlich insKontor,dassdurchdiePandemie alle Praktika und Firmenbesichtigungen durch Mädchen und Jungen aus Kindergärten und Grundschulenausfielen.EbensoderTechnologietag der TU Dresden oder die Tage der offenen Tür und der Industriekultur. Mögliche Bewerber hätten keine Chance gehabt, sich ein Bild „von einer Ausbildung bei unszumachen.Berufsmessenfielen oftflach,2019gabeshingegennoch achtsolcherVeranstaltungen“.Eine einzige Messe fand statt – mit Mundschutz 2020. „Sie war ebenso schlecht besucht wie eine OnlineMesseindiesemJahr.“Nichtzuletzt lagen die von Profiroll unterstützten Arbeitsgemeinschaften in den Schulen wie die AG Robotik brach.
1999 Geschäftsbereichsleiter Vertrieb Profiroll Technologies GmbH
Seit 2019 Geschäftsführer Profiroll Technologies GmbH
4 Unternehmer Unternehmen & Leben Stil ANZEIGE
„Berufsnachwuchs ist das Fundament unserer Zukunft“
FOTO: Volkmar Heinz
Thomas Hofmann, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, zieht Bilanz
„Die Corona-Krise führt zu einer wachsenden Verunsicherung junger Menschen“, sagt Thomas Hofmann,HauptgeschäftsführerderIndustrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig. Er bezieht diese Einschätzung auf die Berufswahl und die-chancen.„DasAngebotanAusbildungsplätzen ist meist besser als in der Wahrnehmung von Schülern und Schülerinnen.“ Das liege nicht zuletzt am Wegfall diverser Berufsorientierungsmaßnahmen. So fehle oftmalsderÜberblicküberdiezahlreichen Möglichkeiten, eine Lehre zu starten. Beispielsweise gebe es imIT-Bereichundbeigewerblichen Berufen teilweise erhebliche Zuwächse an Ausbildungsplätzen. Einen ausschließlich durch die Pandemie bedingten Fachkräftemangel macht Hofmann nicht aus. „Dieser war bereits vor Corona vorhanden und besteht auch nach Corona weiter.“ Das sei allerdings von Branche zu Branche unterschiedlich. „Der Lebensmittel-Einzelhandel und große Teile der Dienstleistungsbereichs haben von der Pandemie profitiert; diese Betriebe benötigen aber trotzdem auch Nachwuchs, weil sie in dieser Zeit gewachsen sind“, schätzt der IHKHauptgeschäftsführer ein.
Ausbildungsstellen würden seitens der Betriebe nach wie vor gemeldet. Von der Pandemie besonders betroffene Branchen wie Gastronomie und Tourismus reagierten zwar verhalten, seien aber nicht uninteressiert.DerGroßteilderFirmen bilde aus, um den eigenen Fachkräftenachwuchszusichern.Klarist für Hofmann: „Unternehmen müssen und wollen ausbilden. Daher wird sich am Bedarf von Azubis und FachkräftentrotzCoronanichtsverändern“,istderIHK-Vertreterüberzeugt.
Allerdings habe Corona durchaus Spuren hinterlassen. So sei der
Zugang zu Schülern für Unternehmen sehr schwierig, komplizierter noch als vor der Pandemie, „da Schulen lange Zeit geschlossen waren und diverse Berufsorientierungs-Aktionen ausfielen“.
Schwierig gestalte sich die Nachwuchsgewinnung für die Firmen vorallemdeshalb,weil„Kontaktein Präsenzform fehlen – etwa BildungsmessenvorOrt“,Vorhabenin den Schulen, um Einblick in die Berufe-Vielfalt zu geben. „Alle Angebote fanden telefonisch oder online statt.“ Das sei in der Wirkung weniger stark als die unmittelbare Vorstellung von Angesicht zu Angesicht. Ein Problem der Nachwuchsgewinnung sei oft die Unwissenheit unddieUnsicherheitvonElternund Schülern. Zudem führten laut Hofmann schlechtere Noten im Homeschooling oftmals zur Überlegung, das Abschlussjahr zu wiederholen. Somit „stehen den Unternehmen weniger Jugendliche zur Verfügung“. Leider mussten, so Hofmann, „Praktika seitens der Unternehmen aufgrund von steigenden Infektionszahlen, Kontaktbeschränkungen usw. eingeschränkt werden“. Das sei allerdings für viele Firmen kein Grund, nicht einzustellen. Nicht selten würde statt dessen die Probezeit genutzt. Allerdings, so meint der Hauptgeschäftsführer, bedeuten „fehlende Praktika unter Umständen mangelnde Berufsorientierung und damit verbunden Unsicherheit bei den Jugendlichen, ob der ausgewählte auch wirklich der richtige Beruf ist“.
FürdienächsteZeitwünschtsich der IHK-Hauptgeschäftsführer „schnellwiedereinenvollumfänglichen Zugang für Externe an Schulen“–fürBerufsberaterderArbeitsagenturen, für Praxisberater und Unternehmen. U. L.
Überregulierung behindert Ausbildung
Unternehmerverbandschef Enk moniert Bürokratie
In der Rangliste der beliebtesten Ausbildungsberufe dürfte der öffentliche Dienst einen Sprung nach vorne machen. Die Beamten und Angestellten in den Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen „sind am besten durch die CoronaKrisegekommen,dasieabgesichert sind“, begründet Dietrich Enk, Präsident des Unternehmerverbandes Sachsen, seine Einschätzung. Obendrauf komme, dass auch die Verwaltungen vermehrt nach Lehrlingen suchten, da viele der jetzt dort Beschäftigten in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen, also Nachwuchs benötigt wird.
Als er in die Nachwuchsgewinnung eingestiegen sei, „da wurde mirunserSystemderdualenAusbildung als das beste weltweit angepriesen“. Trotzdem habe er große Schwierigkeiten, Fachkräfte zu finden. „Da sind wir irgendwann massiv falsch abgebogen“, meint der Gastronom. „Durch die Überregulierungistessehrschwergeradefür kleine und mittlere Unternehmen, Ausbildungsplätze attraktiv zu halten.“ So sei es ihm als Ausbilder gänzlich untersagt, mit disziplinarischen Maßnahmen die jungen Menschen ein Stück weit mit zu erziehen. Der Ausbilder sei in der Regel der, der nicht mehr fordern könne, sondern nur noch gefordert sei. „Ich halte das für ein gesellschaftli-
Gute Perspektive für Lehrlinge
Handwerkskammer gibt sich optimistisch Auch im angespannten CoronaJahr ist es dem regionalen Handwerk gelungen, „die Zahl der Lehrlinge konstant zu halten“. Das berichtet Matthias Forßbohm, Vorsitzender des Bildungsausschusses der Handwerkskammer Leipzig. 2020 wurden 1377 neue Lehrverträge unterzeichnet. Das sind 0,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Zudem habe es einen „starken Einstieg“ in diesem Jahr gegeben: Bis zum 31. Mai haben 425 junge Menschen einen Lehrvertrag unterzeichnet. „DassindtrotzwirtschaftlicherAusfälle in vielen ausbildungsstarken Gewerken wie Kfz und Friseur und pandemiebedingter Hemmnisse wie fehlender Möglichkeiten der Akquise von Jugendlichen sogar vier Prozent mehr“, freut sich der Maurermeister. Gleichwohl bleibe die Nachwuchsgewinnung eine große Herausforderung. Es werde immer schwieriger, den passenden Auszubildenden zu finden. „In diesem Jahr besonders, da Ausbildungsmessen häufig ausfielen, an den Schulen kaum Berufsorientierung, Praktika in den Betrieben fast nicht möglich waren.“ Coronabedingt habe es gegolten, weitere Herausforderungen zu meistern: BerufsschulenwarenüberlängereZeitgeschlossen, was die Vermittlung der
Fachtheorie eingeschränkt hat. „Ebenso erschwert war die betrieblicheAusbildungunddamitverbunden das Sammeln von praktischen Erfahrungen durch HygienemaßnahmenimBetrieb,aufdenBaustellen, bei den Kunden.“ Friseur- und Kosmetiksalonswarenzuundkonnten nur sehr eingeschränkt Ausbildungsinhalte vermitteln. Forßbohm betont, er habe durchaus Sorge, dass fehlender Nachwuchs die Entwicklung des Handwerks in den nächsten Jahren hemmen könnte. „Wir müssen alle Kräfte mobilisieren, um die Fachkräfte für die Zukunft unserer Unternehmen zu sichern. Die Entwicklung unserer Betriebe hängt in entscheidendemMaßdavonab,obwirkünftig den Bedarf an Fachkräften decken können.“ Wer als junger Mensch eine Berufsausbildung absolviere, habe als Fachkraft eine sehr gute Berufs- und Lebensperspektive.„Immernochfehltesangesellschaftlicher Anerkennung einer dualen Berufsausbildung gegenüber einem Studium“, kritisiert der Handwerksmeister. Die CoronaPandemie hat aber auch wieder gezeigt, dass Jobs im Handwerk besonders krisenfest sind. „Das ist durchaus ein Argument für die Berufswegplanung junger Menschen“, argumentiert Forßbohm. mi
ches Problem“, meint Enk. Es sei schädlich, wenn jungen Menschen immer mehr Verantwortung und eigenesDenkenabgenommenwerde.
Problematisch für kleinere Betriebe sei auch die überdurchschnittliche Ausbildungsvergütung in der Autoindustrie. Diesen Lehrlingen gehe es besser als manchem Facharbeiter in Handwerk oder Dienstleistung.FürdenPräsidenten ist klar, dass Sachsen allein wegen der demografischen Entwicklung ein Zuwanderungsland sein müsse.
Die öffentlichen Programme zur Integration von Migranten seien aber zumeist gescheitert, „da der Staat alles besser weiß“. Erst seien Sprachkenntnisse vorzuweisen, bevor eine Lehre begonnen werden könne. Enk sagt, er plädiere dafür, sofort eine Ausbildung anzustreben, die Sprache lernten die Menschen in den Betrieben.
In vielen Berufen sie es schwierig, das Thema Ausbildung auf einenBetriebabzulegen.Nachzwei JahrenLehreineinemlangweiligen Hotel an der Autobahn sie es nachvollziehbar, wenn der Lehrling das Handtuch werfe. Bei den Winzern beispielsweise finde die Ausbildung in drei Firmen statt. „Ich kann mir gut vorstellen, das auf weitere Berufeauszuweiten,derenAttraktivität wir erhöhen müssen.“ mi
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„Facharbeitermangel herrschte schon vor Corona“
„Vollkommene Sicherheit ist eine Illusion“
Im Interview: Jan Bindig, Experte für IT-Sicherheit, über Cyberattacken in der Corona-Pandemie und den Schutz großer und kleiner Unternehmen vor Angriffen
Vor einer Cyberattacke ist kein Unternehmen sicher, dasdigitaleStrukturennutzt – so viel vorneweg. Um sich zuschützen,gebenFirmenauchimmer mehr Geld für ihre Sicherheit aus – 2021 etwa 60 Prozent mehr als 2020. Trotzdem wurde laut einer aktuellen Umfrage jedes fünfte der 1000 befragten deutschen Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten Opfer einer RansomwareAttacke. Was sich hinter diesen Angriffenverbirgt,welcheRolledieCorona-Pandemie beim Sicherheitsniveau spielt und wie Firmen sich besser schützen können, weiß Jan Bindig, Geschäftsführer von Bindig Media, einem Unternehmen für Datenrettung, Datenvernichtung undIT-SicherheitmitSitzinLeipzig.
Wie kann es sein, dass Firmen zunehmend angegriffen werden, obwohl sie vermehrt auf ihre Sicherheit achten? Das hängt zum einen mit der zunehmenden Digitalisierung zusammen. Zum anderen ist durch die Dezentralisierung, also mehr Mitarbeiter im Homeoffice, die Angriffsfläche größergeworden.Außerdemmotivieren ErfolgsmeldungenvongroßenHacks und Datendiebstählen verbunden mitLösegeldzahlungeninhoherMillionenhöheweitereCyberkriminelle.
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Stichwort Lösegeld: Sogenannte Ransomware-Attacken (englisch ransom = Lösegeld) zielen genau darauf ab. Wie funktionieren diese Angriffe?
Da gibt es zwei Methoden. Bei der ersten wird eine automatisierte Schadsoftware ins Netzwerk des Unternehmens gebracht – zum Beispiel über einen infizierten E-MailAnhang. Mithilfe dieser Software werdenDatenverschlüsseltundgelöscht. Die Kriminellen erpressen dann das Unternehmen mit diesen Daten. So eine Software lässt sich wie ein fertiger Baukasten im Darknet kaufen.
Die Methode ist schon sehr lange bekannt. Funktioniert sie trotzdem noch immer?
Ja, sie ist eine der beliebtesten Methoden. An den E-Mails wird immer weiter gefeilt. Sie werden personalisiert und sind speziell auf die Person ausgerichtet, sodass die Betroffenen gezieltmanipuliertwerden.Daslässt sich auch nicht allein durch Sicherheitsmaßnahmen verhindern. Stattdessen helfen hier sogenannte awareness trainings, die einen solchen Angriffsimulierenundspäterausgewertet werden können. Problem ist auch, dass die Mitarbeiter Dinge parallel machen und dadurch ihre Wahrnehmung nicht geschärft ist.
Hier gilt es vonseiten der Führung anzusetzen. Langsameres Arbeiten kann besser und sicherer sein.
Wie funktioniert die zweite Methode?
Dieser Weg ist noch etwas interessanter und schwerer zu kontrollieren. Denn dabei geht es um eine individualisierte Programmierung, die speziell auf das jeweilige Unternehmen abgestimmt ist. Hier sind die Lösegeldforderungen deutlich höher und auf Großunternehmen ausgerichtet. Die Kriminellen verschaffen sich dabei Zugang und spähen das System teilweise über Wochenaus.MeistgehtesumGeldzahlungen, aber auch die Befreiung politischer Häftlinge kann durch Cyberattacken erpresst werden. Um nur zwei Beispiele zu nennen. Gehen die Angriffe immer über die PCs? Nein. Die größten Hacks in UnternehmengehenüberSchwachpunkte in der Infrastruktur. Das kann ein Drucker sein, eine große Maschine, ein Informationssystem, über das Werbung läuft, oder aber eine KameraimParkhaus.Sinddienichtgesichert, kommen Hacker darüber ins Netzwerk. Dass diese Geräte auchzumNetzwerkzählen,wirdoft vergessen.
Cyberattacken – hier griffen
Kriminelle jüngst an
Laut dem Branchenverband Bitkom betrug der Schaden durch Cyberkriminalität im Jahr 2019 weltweit mehr als Hundert Milliarden Euro. Erschwerend, so das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) noch Mitte Juni 2020, komme durch die „Covid-19-Pandemie für viele Organisationen ein wirtschaftlicher und finanzieller Ausnahmezustand“ hinzu, der eine unter normalen Umständen mögliche Erholung von einem derartigen Angriff „stark hemmt oder gar unmöglich“ mache. Bildungseinrichtungen, Behörden, Medienunternehmen – sie alle können Opfer von Cyberangriffen werden. Und wurden es auch schon. Drei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit: LernSax
Im Dezember 2020 kam es zu einem Angriff auf eine überregional agierende Lernplattform.
Bei dieser sogenannten DDosAttacke wurde der Angriff gleichzeitig von einer sehr großen Zahl an Rechnern aus durchgeführt. Indirekt betroffen war davon auch LernSax, eine vom sächsischen Landesamt für Schule und Bildung verantwortete webbasierte E-LearningPlattform. Der Grund dafür: Die angegriffene Lernplattform basiert auf der gleichen Technologie wie LernSax und nutzt dasselbe Rechenzentrum. Nutzer bekamen das insofern zu spüren, als dass die Seite zeitweise nicht erreichbar war oder sich nur sehr zögerlich aufbaute. Erst nach zwei Tagen funktionierte LernSax wieder problemlos. Bereits in der Vorwoche hatten Hacker die Lernplattform direkt attackiert. Auch damals handelte es sich um einen DDoS-Angriff.
Großangriff USA
Zahlreiche Ministerien und private Firmen in den USA sind in den vergangenen Monaten Ziel eines Hackerangriffs geworden, hinter dem russische Geheimdienste vermutet werden. Bereits im vergangenen Jahr traf es im Rahmen des sogenannten Solarwinds-Angriffs Behörden,
aktuell stehen Menschenrechtsgruppen und andere Nichtregierungsorganisationen im Fokus. Die Hacker verschafften sich 2020 auch Zugang zu einem EMail-Konto des damaligen Leiters des Ministeriums für Inlandsicherheit. Von dort aus verschickten sie Phishing-Mails mit Schadsoftware an 3000 Empfänger in gut 150 Organisationen. Der von den Hackern angerichtete Schaden lässt sich vorläufig nicht ermessen. Sicher ist aber: Sie hatten mindestens acht oder neun Monate Zeit, sich in die Computersysteme einzunisten.
In der Zwischenzeit könnten sie Erkenntnisse über die Computerinfrastruktur gesammelt und Unmengen vertraulicher Informationen abgeschöpft haben.
Technische Universität Berlin Erst im April traf ein Cyberangriff die Technische Universität Berlin. Wie das Campus-Management mitteilte, waren Teilbereiche von Windows massiven Angriffen ausgesetzt. Aus Sicherheitsgründen habe man verschiedene IT-Dienste abgeschaltet – erhebliche Einschränkungen für Studierende und Mitarbeiter inklusive. Der Angriff war aufgefallen, weil verschlüsselte Dateien am falschen Ort im System gewesen waren. Wie sich später herausstellte, konnten die Hacker sämtliche Nutzerdaten von Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden stehlen. Heißt konkret: Benutzernamen, TU-Passwörter, EMail-Adressen, Personalnummern der Beschäftigten, Matrikelnummern der Studierenden und organisatorische Zugehörigkeiten zu IT-Bereichen – alles weg. Ein vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) empfohlener ITKrisendienstleister ist engagiert, Anzeige beim Landeskriminalamt erstattet. Die Universität hat bereits begonnen, ihre zentrale IT-Infrastruktur vollständig neu aufzusetzen, bis zur vollständigen Wiederherstellung und der Überführung aller IT-Systeme könne es allerdings noch mehrere Monate dauern. pl
Kommen die Angriffe immer von außen? Die Attacken kommen durchaus auch aus den Unternehmen selbst. Das ist ein Thema, das nicht zu vernachlässigen ist. Manchmal geht es um Rachegelüste von Mitarbeitern, die möglichst großen Schaden anrichten wollen. Manchmal arbeiten Mitarbeiter auch für die Konkurrenz. Hier stellt sich die Frage nach der Unternehmenskultur. Herrscht ein harmonisches Verhältnis, macht esnichts,wennesmalzuMeinungsverschiedenheitenkommtoderman sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Was wir bei unseren ITforensischen Untersuchungen aber festgestellthabenist,dassMitarbeiter sich irrational verhalten, wenn Unternehmen aufgekauft werden. Da geht es zum Beispiel um Kundendaten oder Ähnliches.
Würden Sie Unternehmen nahelegen, Lösegeldforderungen zu entsprechen? Nein. Wir empfehlen, nicht zu zahlen.Manweißjaniegenau,obwirklich alles wieder entschlüsselt und freigeschaltetwurdeundobdieKriminellen sich komplett aus dem Netzwerk zurückgezogen haben.
Wer zahlt, geht einen Pakt mit dem Teufelein.DasUnternehmenbegibt sichineineAbhängigkeit,daessignalisiert hat, dass es offen ist für Erpressung. Damit sind die Unternehmen anfälliger für Folgeerpressungen. Unternehmen sollten hier eine klare Strategie haben. Die Ermittlungsbehörden und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik haben hier gute Ansätze.
Ist die vollkommene Sicherheit also nur eine Illusion? Ja. Man kann sie zwar durch entsprechende Vorkehrungen maximieren. Aber sicher ist: Auf eine Innovation folgt immer eine Gegeninnovation.DeswegensolltendieVorkehrungen regelmäßig durch spezialisierte Partner überprüft werden. Auf Basis dieser Schwachstellenanalysen können Unternehmer und Unternehmerinnen dann Entscheidungen treffen.
Die IT-Sicherheit ist übrigens auch ein Faktor, wenn Unternehmen hinzugekauft werden. Zum einen könnensoSicherheitslückenentstehen, zum anderen kann das Niveau der IT-Sicherheit in die Verhandlungen mit einbezogen werden.
Im Zuge der Corona-Pandemie sind für deutsche Verhältnisse übermäßig viele Mitarbeiter ins Homeoffice gewechselt: Welche Auswirkungen hatte das auf die IT-Sicherheit? Für Unternehmen, die schon vorher viel mit dem Konzept Homeoffice gearbeitet haben, hatte das keine nennenswerten Auswirkungen.
6 Unternehmer Unternehmen & Leben Stil
Von Patricia Liebling
Foto: pixel2013/pixabay opfer
Eine größere Rolle spielte das für kleine und mittlere Unternehmen. Sie sind teils panikhaft auf Homeoffice umgeschwenkt und haben auf allen Kanälen Informationstechnik eingekauft. Die war aber nicht getestet oder erprobt. Oft wurde die Verantwortungaucheinfachaufdie Mitarbeiter übertragen, die mit ihren privaten Geräten gearbeitet, sich übers heimische WLAN eingeloggt und selbst ausgewählte Cloud-Dienste genutzt haben. Das hatdieAngriffsflächederUnternehmen vergrößert, Sicherheitslücken sind entstanden.
Sie sprachen bereits die Zusammenarbeit mit Spezialisten an sowie awareness trainings: Was empfehlen Sie Unternehmen außerdem in Sachen IT-Sicherheit?
Cloud-Computing – eine Frage der Sicherheit
Leipziger Uni-Informatikexperte Ingolf Römer erklärt die verschiedenen Begriffe
Von Thomas Bothe
Die Cloud ist überall. Nicht nur medial, sondern tatsächlich. Denn Cloud (vollständig: Cloud Computing) bezeichnet Speicherplatz, Rechenleistung oder Software, die als Dienstleistung im Internet irgendwo auf der Welt bereitgestellt werden.OttoNormalverbraucherkennt Dienste wie Dropbox, iCloud (Apple/iOS) und die Google Cloud (Android), aber viele fremdeln mit diesen Möglichkeiten. Denn wer weiß schon, wo die eigenen Daten gespeichert werden, wie sie gesichert sind und wer sie nutzen kann? FürIngolfRömervonderUniversität
Leipzig eine verständliche Fragestellung: „Die Entscheidung für odergegendieCloud,aberauchdie Entscheidung für einen konkreten Dienst ist immer eine Abwägung zwischen Komfort und Sicherheit beziehungsweise ‚compliance‘, wie es in Unternehmen heißt, andererseits“, erklärt der Experte für Cloud ComputingundDatensicherheitam Institut für Angewandte Informatik. Unter dem Begriff Cloud werden jedoch eine Vielzahl an Varianten zusammengefasst, die es zu unterscheiden gilt.
Private Cloud
Hier speichern Privatpersonen oder Unternehmen ihre Daten auf einem Datenträger zu Hause im lokalen Netzwerk. Die Kontrolle liegt in der eigenen Hand, die Sicherheit jedoch auch. Wer also von unterwegs auf die eigene Cloud zugreifen möchte, braucht eine mobile Zugangsmöglichkeit und muss diese beschränken, also sichern. Hierfür benötigt man gewisse Fachkennt-
nisseundmusssichzumBeispielmit Verschlüsselung oder sicheren Passwörtern beschäftigen. Trotzdem ist die private Cloud meistens nicht vor einem weit verbreiteten „Brute-Force“-Angriff, also einem millionenfachen Ausprobieren von Passwörtern geschützt. Wer auf Nummer sicher gehen will, untersagt den Zugriff von außerhalb. Dann nimmt aber der Komfort deutlich ab.
Public Cloud
Wie der Begriff Public schon beinhaltet, handelt es sich dabei um eine „öffentliche Wolke“. Die eigenenDatenliegenaufRechnernoder Servern meist neben denen anderer Nutzer. Wer wie wo liegt, bleibt unklar. Bei kostenlosen Anbietern wie Google oder Apple kann man eventuell davon ausgehen, dass die Server gesichert sind und vor einem Zugriff von Dritten geschützt. Doch alleinaufdemWegindieCloudsind Daten für Kriminelle oftmals leicht abzufangen. Auch bleibt ein Gefühl des Unwohlseins, größeren Unternehmen die eigenen Fotos oder private Dokumente zu überlassen. Die Währung heißt hier normalerweise: die eigenen Daten. Bei bezahlten Diensten wiederum gilt wie immerdasPrinzip:Sicherheitgibtes nicht zum Nulltarif. Beim Cloud Computing unterscheidet man drei Ebenen:
SaaS, PaaS und IaaS Bei „SaaS“ (Software as a Service) wird Software, also ein Programm, per Cloud zur Verfügung gestellt wie etwa im Fall von Microsoft Of-
Die Entscheidung für oder gegen die Cloud, aber auch die Entscheidung für einen konkreten
Dienst ist immer eine Abwägung zwischen Komfort und Sicherheit beziehungsweise „compliance“, wie es in Unternehmen heißt, andererseits.
Ingolf Römer Experte für Cloud Computing und Datensicherheit am Institut für Angewandte Informatik
fice 365. Beim Dienst „PaaS“ (Plattform as a Service) wird eine Laufzeit-, eventuell auch EntwicklungsumgebungvomKundengenutzt,also eine Plattform, auf der Programme geschrieben oder Projekte betrieben werden können. „IaaS“ (InfrastructureasaService)bezeichnet wiederum ein Geschäftsmodell, bei dem Rechnerinfrastruktur gekauft wird, teilweise nach Bedarf. Je nachdem, welchen Dienst ein Unternehmen oder Kunde nutzt, liegt die Sicherheit der Daten bei einem selber oder dem Anbieter. Wer seinen eigenen Server im Haus hat, braucht vielleicht auch einen eigenen Feuerlöscher und ein SchlossvorderTür.WerRechnerinfrastruktur mietet, muss sich eventuell um die Datensicherheit selbst kümmern, bei Dropbox gibt man diesen Aspekt (bis auf die Wahl des Passworts) aus den Händen. „Am Anfang der Entscheidung solltenbeimUnternehmenwieauch bei der Privatperson immer die eigenen Bedürfnisse geklärt und definiert werden“, sagt Römer. Wie viele Faktoren und wie viele Daten gebe ich in die Hände des Anbieters? An welchem Standort sollen die Daten gespeichert werden (Stichwort deutsche Cloud)? Ist der Dienst DSGVO-konform? Wie komfortabel ist der Zugriff auf „meine Cloud“? Müssen meine Daten auch physisch von denen anderer Kunden abgetrennt gelagert werden? „Cloud-Umgebungen stellen kein erhöhtes Risiko für Geschäftsdaten dar“, meint Römer. Zumindest nicht, wenn Standards eingehalten werden.
Auf Basis dieser Schwachstellenanalysen können Unternehmer und Unternehmerinnen dann Entscheidungen treffen.
Jan Bindig Geschäftsführer von Bindig Media
Einen Notfallplan, der bereits in der Schublade liegt, bevor etwas passiert. Wer ist für was verantwortlich, wer muss informiert werden, was kostet mich ein Tag, an dem mein Unternehmen stillsteht, welche Bereiche müssen zwingend geschützt werden – diese Fragen sollten nicht erst im Notfall geklärt werden. Das kostet zu viel Zeit, Geld und Daten, diemöglicherweiseverlorengehen. Außerdem hilft eine zentrale Administrationdabei,zuvermeiden,dass Daten auf irgendwelchen Geräten gespeichertwerden.Dortliegtdann maximal eine Kopie. Das verhindert, dass Daten gelöscht werden. AucheinezentralePasswortverwaltung, bei der etwa die Mitarbeiter bestimmte Passwörter gar nicht kennen, ist zu empfehlen. Ebenso eine Multifaktorauthentifizierung, die beispielsweise über eine SMS ausgeführt wird.
Gerade kleineren Unternehmen fällt das aber schwer, hier anzusetzen. Sicherheit hat nicht nur mit Geld zu tun, oftmals ist die Einstellung entscheidend.Wichtigist,IT-Sicherheit als Wettbewerbsvorteil und InvestmentindieZukunftanzusehen.Wer unsicherist,welcheMaßnahmenfür sein Unternehmen Sinn ergeben, dem empfehle ich den Sec-o-Mat der Transferstelle IT-Sicherheit im Mittelstand (TISiM). Das Angebot stellt kleinen und mittleren Unternehmen, Handwerksbetrieben, Selbstständigen und Freiberuflern mithilfe eines Fragenkatalogs passgenaue Aktionen für mehr IT-Sicherheit im Betrieb zielgruppengerecht bereit. Außerdem gibt es eine neue Zertifizierungsstufe der VdS –10005 –, deren Richtlinien einen speziellaufKlein-undKleinstunternehmen sowie Handwerksbetriebe zugeschnittenen Maßnahmenkatalog beinhalten, mit dem ein angemessener Informationssicherheitsstatus eines Unternehmens sichergestellt wird.
Um sich zu schützen, geben Firmen immer mehr Geld für ihre Sicherheit aus – 2021 etwa 60 Prozent mehr als 2020.
Laut einer aktuellen Umfrage wurde jedes fünfte der 1000 befragten deutschen Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten Opfer einer Ransomware-Attacke.
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Mitteldeutsche Start-ups in Zeiten von Corona
Die Startup Safari in Leipzig hat gezeigt, wie sich die Gründerszene der Region an die Pandemie angepasst hat.
Im Vergleich zu anderen Unternehmen haben Start-ups den Vorteil einer starken Onlinepräsenz. Das kam ihnen in der Corona-Krise zugute“, erklärt Maximilian Krauß. Er und sein Kollege Marco Weicholdt vom Basislager Coworking Leipzig hatten die Startup Safari Mitteldeutschlandorganisiertundkoordiniert,die vom 1. bis 4. Juni stattfand.
Coronabedingt wurde das auf langjährigen Erfahrungen in der BoomcityLeipzigaufbauendeBrancheneventindiesemJahrwiederals digitales Treffen durchgeführt – für jungeFirmen,InvestorinnenundInvestoren, Expertinnen und Experten, Studierende sowie Interessierte.EsistdiesiebenteKonferenzdieser Art in der Messestadt. Zum ersten Mal jedoch kamen Akteure der mitteldeutschen Gründerszene zusammen, um sich zu vernetzen oder ihre Geschäftsmodelle, Technologien und Arbeitsmethoden vorzustellen.
Jannis Gilde vom „Bundesverband Deutsche Startups“ war einer der 185 Redner. Er referierte über den „Deutschen Startup Monitor 2020“, in dem die Beschaffenheit derGründerszeneinZeitenvonCorona analysiert wurde. Gildes Fazit: TrotzderKrisehabeesähnlichviele neueStart-upswieimVorjahrgege-
ben. Im regionalen Vergleich sei es außerdem in Mitteldeutschland zu den meisten Neugründungen gekommen, 46 Prozent allein im Bereich Nachhaltigkeit und grüner Energie. Dies war Grund genug, den gesamtenerstenTagderStartupSafari diesem Thema zu widmen. „Ein Highlight“, so Maximilian Krauß vom Basislager, „war die Präsentation des Vertical-Farming-Systems vonManaFarms.“DasinderLeipzigerSpinnereiansässigeStart-uphat eineArtSchrankentwickelt,indem Gastronomen direkt in der eigenen Küche mit wenig Aufwand Sprossen, Kräuter oder Salat kultivieren können–mitgeringemWasser-und Strombedarf und fast ohne CO2Ausstoß durch Wegfall der Lieferketten.
Laut Krauß habe die Veranstaltung ganz deutlich gezeigt, dass die Pandemie die Gründerszene stark beeinflussthat–womiterwiederauf dasallgegenwärtigeThemaCorona zu sprechen kommt. „Die Bereiche E-Commerce und E-Health sind stark gewachsen“, sagt er. Außerdem habe die Entschleunigung während des Lockdowns Raum und Zeit geschaffen, um neue kreative Start-up-Ideenzuentwickeln.Auch die globale Vernetzung habe sich aufeinneuesLevelerhoben.Danun
Auch Start-ups, die nicht in Hotspots ansässig sind, können jetzt ihr Potenzial ausschöpfen.
Maximilian Krauß Eventkoordinator Basislager Leipzig
fastjeglicherAustauschonlinestattfände, spiele der Standort der jungen Unternehmen immer weniger eine Rolle, so Krauß. „Auch Startups, die nicht in Hotspots ansässig sind, können jetzt ihr Potenzial ausschöpfen und international Erfolg haben“, sagt er. Die Kommunikationsplattform„Staffbase“etwa,die sich ebenfalls an der Startup Safari beteiligt hat, macht es vor. Das 2014 gegründete Unternehmen mit Sitz in Chemnitz „konnte dieses Jahr einen Investor aus Kanada für sich gewinnen“.
Krauß weist auch auf die Bedeutung der Veranstaltung für interessierte Studierende beziehungsweise junge Menschen hin, die planen ein Start-up zu gründen. „Die Startup Safari hat jedes Erfahrungslevel abgedeckt.EsgabeinenregenAustausch. Neulinge konnten von den Erfahrungen, Tipps und HilfsangebotenerfahrenerUnternehmenund Fachleuten profitieren“, berichtet er. Es habe auch Einblicke in die rechtlichen und finanziellen Rah-
15,9
Prozent der 2020 entstandenen Start-ups in Deutschland wurden von Frauen gegründet. Da ist noch Luft nach oben.
(Quelle: Deutscher Startup Monitor 2020)
menbedingungen für Start-ups gegeben. „Wer hier dabei war, kann Fehler umgehen, die andere Unternehmer in der Vergangenheit gemacht haben“, so Krauß. Studierende konnten Kontakte knüpfen und sich über mögliche Einstiegsjobs bei einem der teilnehmenden jungen Unternehmen informieren. Krauß erklärt: „Studenten,dieineinemStart-uparbeiten, haben die Möglichkeit, von Anfang an viel Verantwortung zu übernehmen. Das ist in einem großen Unternehmen meistens nicht gegeben.“
Der Veranstaltungskoordinator vom Basislager ist zufrieden mit dem Branchentreffen, das er und sein Team dieses Jahr auf die Beine gestellt haben. „Das Format kam gut an, es gab tolles Feedback“, freut er sich. Er weiß: „Dieser intensive Austausch hat eine große Bedeutung für die Region. Die nächsten interessanten Start-ups warten nurdarauf,gegründetundentdeckt zu werden.“
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Von Pauline Szyltowski
Raphael Schardt (rechts) von Mana Farms und Moderator Martin Jaehnert präsentieren das Vertical-Farming-System bei der Startup Safari Mitteldeutschland in Leipzig. Foto: screenshot Startup Safari Mitteldeutschland
Der Warenkorb zur Ermittlung der Lebenshaltungskosten
alkoholfreie
9,7 Prozent
alkoholische
3,8 Prozent
Die
Leipziger Wirtschaftswissenschaftler
Herr Schnabl, die Teuerungsrate zieht an. Droht eine Inflation?
Seit einigen Jahren, insbesondere seit Ausbruch der europäischen Finanz- und Schuldenkrise, hält die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsensehrtiefundkauftingroßem Umfang Staats- und Unternehmensanleihen. Deshalb wächst die Geldmenge sehr viel schneller als dieGütermenge.Dashatbereitsdazugeführt,dassdieVermögenspreise – die Preise von Aktien, Immobilien, Gold oder auch Bitcoin – stark angestiegen sind.
Aber auf die Preissteigerungsrate hat sich das seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 kaum ausgewirkt. Richtig, die Konsumentenpreise sind bisher vergleichsweise stabil geblieben. Das könnte sich nun ändern. Die EZB hat seit dem Ausbruch der Corona-Krise unter anderem mit dem „Pandemischen Notfallkaufprogramm“ im Umfang von 1850 Milliarden Euro die Ankäufe von Staats- und Unternehmensanleihen nochmals deutlich forciert. Gleichzeitig ist durch Krise und Lockdown die angebotene Gütermengegesunken,weilProduktionsbänder stillstanden und viele Geschäfte, Restaurants und Hotels geschlossen wurden. Der Überhang derGeldmengeüberdieGütermenge ist deshalb nochmals stark angestiegen. Die Inflation in DeutschlandhatindiesemJahrbereitsdeutlich angezogen.
Worauf führen Sie das noch zurück?
Im Januar war entscheidend, dass die Reduktion der Mehrwertsteuer zurückgenommen und die CO2Steuer eingeführt wurde. Im Lockdown scheint die Zahlungsbereitschaft für Lebensmittel höher, weil für andere Güter weniger ausgegebenwird,washöhereNahrungsmittelpreise erklären kann. Sobald Geschäfte, Hotels und Restaurants wieder öffnen, gibt es einen Nach-
holbedarf insbesondere beim Konsum von Dienstleistungen. Die Verbraucher dürften eher bereit sein, höhere Preise in Kauf zu nehmen. Außerdem müssen viele Anbieter die Verluste aus dem Lockdown kompensieren.
Welche Folgen haben die massiv gestiegenen Rohstoffpreise auf Teuerung und Konjunktur?
Die Rohstoffpreise schlagen einerseits direkt auf die Teuerungsrate durch,etwa beiTreibstoffundHeizkosten. Zudem dürften mit den gestiegenen Rohstoffpreisen auch die Preise der Güter steigen, die bestimmte Rohstoffe wie Kupfer oder Holz intensiv als Vorprodukte verwenden. Der Anstieg der Preise bei Baumaterialien ist derzeit dramatischundwirddieImmobilienpreise weiter nach oben treiben. Während in den 1970er-Jahren steigende Rohstoffpreise als wichtiger Faktor für die schwache Konjunktur gesehen wurde, war dies beim starken Preisanstieg zwischen 2000 und 2014 nicht der Fall. Dieses Mal sehe ich eher einen negativen Konjunktureffekt, weil es noch zahlreiche andere Gründe für eine schwache Konjunktur gibt, insbesondere die stark wachsende Regulierung im Zuge des Infektions- und Klimaschutzes.
Wie sieht es in der Industrie aus? Die Industrie hat einerseits davon profitiert, dass der Dienstleistungssektor vom Staat geschlossen wurde.AllerdingsistsiedurchdieCorona- und Klima-Maßnahmen mit wachsenden Kosten konfrontiert. Die internationalen Lieferketten wurden gestört, die internationalen Transportkosten wachsen. Viele Produzenten suchen nach neuen Lieferanten, erhöhen die Lagerhaltung oder holen die Produktion von Vorprodukten ins eigene Unternehmenzurück.DaskannzueinemAnstieg der Preise führen, der von den
Man sagt, viele Unternehmen würden zombifiziert, weil ihnen quasi günstige Kredite gewährt werden.
Gunther Schnabl Universität Leipzig Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Institut für Wirtschaftspolitik
Produzentenausgeht.DasneueLieferkettengesetz der Bundesregierung dürfte die Preise weiter nach oben treiben.
Ihr Tipp: Wie hoch könnte die Inflation ausfallen? Zentralbankvertreter rechnen damit, dass die Konsumentenpreisinflation 2021 über die Drei-ProzentMarke steigen wird. Allerdings gehensiedavonaus,dassdasvorübergehendseinwird.Ichseheehereine Verstetigung. Die umfangreichen Anleihekaufprogramme der Zentralbanken scheinen derzeit dazu beizutragen,dasssichdieRegierungenmitAusgabenprogrammenund neuen Regulierungen gegenseitig überbieten. Das könnte entsprechende Lohnforderungen der Gewerkschaften und weitere Preiserhöhungen nach sich ziehen. Ich gehe deshalb von einem deutlichen Anstieg über drei Prozent aus. Welche Folgen hat die lockere Geldpolitik der EZB? Sie geht seit Längerem mit sinkenden Produktivitätsgewinnen der Unternehmen einher. 2020 waren die Produktivitätsgewinne negativ. Man sagt, viele Unternehmen würden zombifiziert, weil ihnen quasi günstige Kredite gewährt werden. Produktivitätsgewinne sind jedoch die Grundlage für reale LohnerhöhungenunddenAusbaudesSozialstaates. Fällt das Produktivitätsniveau, was im Zuge der CoronaMaßnahmen nicht unwahrscheinlich ist, dann muss auch das reale Lohnniveaufallen.Daserreichtman entweder durch Druck auf die LöhneoderdurchInflation.InsbesonderejüngereMenschen,dieneuindas Berufsleben einsteigen, sind schon länger von einem negativen Effekt auf die Löhne betroffen.
Woran machen Sie das fest?
Der Rückgang der realen Löhne jungerMenschenhatunterschiedli-
che Aspekte. Einerseits weisen Daten auf einen Rückgang der Einstiegslöhne hin, andererseits nehmen in einigen Berufsgruppen die festen Beschäftigungsverhältnisse seitLangemab.Zudemistesfürjunge Menschen sehr schwer geworden, ein Eigenheim zu erwerben, weil aufgrund der anhaltend niedrigen Zinsen die Immobilienpreise sehr viel schneller als die Einkommensteigen.Manmusswissen,dass die Immobilienpreise bei der Inflationsmessung ausgeklammert werden.
Und die Konsequenzen für alle, die Geld anlegen?
Die Spareinlagen bei den Banken werden nicht mehr verzinst, sodass diese durch Inflation schrittweise entwertet werden. Dieser Effekt könnte sich beschleunigen, worunter vor allem die Mittelschicht leiden wird. Da die Geldpolitik der EZB die Vermögenspreise nach obentreibt,werdenvorallemreiche – meist ältere – Bevölkerungsschichten begünstigt. Diejenigen, die jetzt in Aktien, Edelmetalle oder Kryptowährungen einsteigen, kaufen bereits zu sehr hohen Preisen. Ein Eigenheim ist für viele in vielen Regionen Deutschlands unerreichbar geworden. Sozialer Aufstieg ist nur noch schwer möglich. Ich sehe deshalb Gefahren für den sozialen Zusammenhalt in Europa.
Wie könnte der Ausweg aussehen?
Die Flucht in Sachwerte zeigte schon vor der Corona-Krise einen Vertrauensverlust in die Währung. Die Klima-Politik scheint weitere umfangreiche Anleihe-Käufe der EZB zu rechtfertigen. Zudem scheint man bei der EU gewillt, die Ersparnisse in möglicherweise unproduktive grüne Investitionen zu lenken. Stabiles Geld ist jedoch die Grundlage für eine stabile Wirtschaft, ein hohes Lohnniveau und einen leistungsfähigen Sozialstaat.
Geldwertstabilität ist eng mit dem Vertrauen in den Staat verbunden. Deshalb sollte man über eine drohende Inflation nicht hinwegsehen. Das gilt nicht nur für die offiziell gemessenen Konsumentenpreise, sondern auch für die Vermögenspreise.Umdementgegenzuwirken, scheint es mir geboten, die Geldpolitik vorsichtig zu straffen sowie die staatliche Regulierung der Wirtschaft zurückzufahren.
Gunther Schnabl
Gunther Schnabl ist seit 2006 Professor an der Universität Leipzig. Der 54-Jährige unterrichtet Wirtschaftspolitik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen. Zugleich leitet er das Institut für Wirtschaftspolitik. Er gehört im Ranking der internationalen wissenschaftlichen Datenbank Ideas zu den Top-Volkswirten in Deutschland. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zählt ihn zu den 100 einflussreichsten Ökonomen im deutschen Sprachraum. Schnabl studierte Volkswirtschaft mit Schwerpunkt Japan in Tübingen und an der University of Washington in Seattle. Er promovierte und habilitierte in Tübingen mit dem Schwerpunkt Leistungsbilanzungleichgewichte sowie europäische und ostasiatische Währungsintegration. Er war Gastwissenschaftler an der Stanford University, der Katholischen Universität Leuven, der Université Paris Panthéon-Sorbonne, der Bundesbank, der Bank of Japan, der Federal Reserve Bank of New York. Vor seiner Berufung nach Leipzig war er als Berater der Europäischen Zentralbank tätig.
Gunther Schnabl warnt vor Folgen der anhaltenden Niedrigzinspolitik
Von Ulrich Milde
FOTO: pexels.com by Cottonbro | Grafik: Christiane Kunze || Quelle: Inflationsraten Deutschland, Basisjahr 2015, Quelle: Statistisches Bundesamt 105,8 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Nahrungsmittel,
Getränke:
Tabakwaren,
Getränke:
Bekleidung,
4,5 Prozent Wohnung, Wasser, Heizung: 32,5 Prozent Einrichtungsgegenstände: 5,0 Prozent Gesundheit, Pflege: 4,6 Prozent Verkehr: 12,9 Prozent Nachrichtenübermittlung: 2,6 Prozent Freizeit, Kultur, Unterhaltung: 11,3 Prozent Bildungswesen: 0,9 Prozent Hotels, Restaurants: 4,8 Prozent Andere Waren und Dienstleistungen: 7,4 Prozent 1 2 3 4 9 10 11 12 2020 65,5 1991 79,9 2000 93,2 2010 68,8 1992
Preissteigerungsrate in Gesamtdeutschland 1992 0,5% Preissteigerungsrate in Gesamtdeutschland 2020 75,1 1995 86,2 2005 100 2015 5 6 7 8 Legende Verbraucherpreisindex, Basisjahr 2015 & Unternehmen Unternehmer Märkte Geld 9
Schuhe:
5%
„Sozialer Aufstieg ist nur noch schwer möglich“
Entwicklung
Verbraucherpreisindex
des
Business meets Leipzig
Er gilt als der erste Business-Club in Mitteldeutschland: Seit 25 Jahren verbindet der Club International Menschen, Kulturen und Visionen. Jetzt ist auch er wieder aus seinem durch die Pandemie bedingten Dornröschenschlaf erwacht.
Happy Birthday, Club International! Der BusinessClub steht seit 25 Jahren für Internationalität, Vernetzung und Völkerverständigung.
Bei den vielfältigen VeranstaltungenzuPolitik,WirtschaftundKultur genießen die Mitglieder eine einzigartige Atmosphäre in der Stadtvilla mit Blick auf das Flutbecken der Weißen Elster. Der Club gilt als derersteBusiness-ClubinganzMitteldeutschland, der 1996 ins Leben gerufen wurde. „Damals standen vorallemgroßeFirmenwiedieLeuna-Werke im Fokus. Den dort beschäftigten Amerikanern und Franzosen gab der Club eine Heimstatt. Aber wir wollten unsere Visionen auch in die Bürgerschaft tragen“, erinnert sich der heute amtierende Präsident Detlef Bischoff.
DassderClubinderMeyerschen
Villa aus seinem Dornröschenschlaf inderpandemischenZeitwiedererwacht ist, freut nicht nur Anette Stapper, Leiterin der Geschäftsstelle. „Nach vielen Onlineveranstaltungen konnten wir Anfang Juni unsere erste Präsenzveranstaltung feiern – ein Barbecue in unserem schönen Garten. Was für eine Wiedersehensfreude“, lacht die Anwältin für Familienrecht. Eins ist klar: Der persönliche Austausch und die Gespräche seien durch kein ZoomMeeting oder E-Mails zu ersetzen.
Amliebstenbegrüßtdie59-jährige gebürtige Rheinländerin die zahlreichen Mitglieder im Clubambiente des Hauses in der Käthe-
Kollwitz-Straße115.Dashistorische Gebäude aus dem 19. Jahrhundert dienteeinstdemBuchhändlerHerrmann Julius Meyer, Sohn des Begründers des Bibliografischen Instituts, als repräsentatives Wohnhaus. Heute punktet das Anwesen mit großer Gastlichkeit und einem besonderen Ambiente. Auf der Gästeliste des Clubs stehen Namen wie derehemaligeBundesministerThomas de Maizière, Politiker Peer Steinbrück und Friedrich Merz, Fußballtrainer und Sportfunktionär Ralf Rangnick, der türkische Exilschriftsteller Can Dündar und auch die bekannte Journalistin Dunja Hayali. Die ZDF-Moderatorin tauschte sich beim Club-Talk vergangenen Herbst mit Gastgeber und Ehrenmitglied Ruprecht Eser überdeutscheBefindlichkeitenaus. UnvergessenbeiallenAnwesenden bleibt auch der „Tanz in den Häusern“, inszeniert und choreografiert von Ballettdirektor Mario Schröder, der mit seiner Company für große Begeisterung sorgte.
„Wir sperren keine Themen aus, schauen nach Russland, den Nahen Osten und nach Amerika. Wir wollen pluralistisch sein und öffnen uns allen gesellschaftlich relevanten Themen – immer mit Blick auf das Ausland“, betont Clubchef Bischoff, der als Rechtsanwalt einer international agierenden Anwaltskanzlei mit Sitz in Düsseldorf und Leipzig arbeitet.MitStolzschautder59-Jährige, der sein Amt wie der Vorstand ehrenamtlich ausübt, auf eine ge-
Wir sperren keine Themen aus, schauen nach Russland, den Nahen Osten und nach Amerika. Wir wollen pluralistisch sein und öffnen uns allen gesellschaftlich relevanten Themen –immer mit Blick auf das Ausland
wachsene Mitgliederzahl, enge Freundschaften und ein breites Veranstaltungsspektrum der letzten Jahre zurück. Als Geschäftsstellenleiterin hat Anette Stapper daran einen großen Anteil: „Ich habe 2013 die Aufgabe übernommen, neue Event-Formate zu entwickeln und die Attraktivität des Clubs zu erhöhen“, sagt sie. Damals habe sie mit 140 Mitgliedern angefangen, heute sind es 230. Das Netzwerk besteht aus vielen Entscheidern und Multiplikatoren – vom Gewandhaus bis zum Opernball, vom SC DHfK Leipzig bis zum Fußball-Bundesligisten. Glückwunsch auch zur Steigerung derFrauenquotedesClubs!Voracht Jahren habe man die Damen abzählen können, meint Stapper, die das Büro in der Stadtvilla mit zwei Mitarbeiterinnen betreut. Heute beträgt der Anteil weiblicher ClubMitglieder immerhin 25 Prozent.
Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte des Clubs wird die baldige ständige Verfügbarkeit des Hauses sein. „Mit einem 24/7-Zutritt geben wir unseren Mitgliedern die Möglichkeit, die Räumlichkeitenumfänglichundjederzeitzunutzen“, so Bischoff.
Zur Jubiläumsfestveranstaltung am2.SeptemberhatderClub-PräsidentschondieZusagevonSachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), auch Ehrengäste und Referenten sind eingeladen. „Die Location bleibt noch ein Geheimnis“, schmunzelt Anette Stapper zum Abschied.
Events, Referenten und Kontakt
Vorschau auf kommende
Veranstaltungen
2. September 2021: Festveranstaltung anlässlich 25 Jahre Club International mit dem Sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU)
27. Oktober 2021: Vortrag Arne
Schönbohm, Präsident Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik
16. November 2021: Vortrag Wolfram Günther, Sächsischer Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft
Folgende Referenten erwarten Sie im nächsten Jahr:
Prof. Dr. Maja Göpel, wissenschaftliche Direktorin der Denkfabrik The New Institute Hamburg
Alexander Graf Lambsdorff, Mitglied des Deutschen Bundestages, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, zuständig für Außenpolitik Politiker Dr. Gregor Gysi, Die Linke Weiterhin finden regelmäßig Lounges, Business-Frühstücke und andere Netzwerktreffen im Club statt. Aktuelle Informationen: www.club-international.de
Kontakt Club International e.V. Käthe-Kollwitz-Straße 115 04109 Leipzig Tel.: +49 341 14 94 610E-Mail: info@club-international.de
Blick in die stylische Bar, die mit einer sensationellen Espressomaschine im Retrostil glänzt.
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1 Präsident Detlef Bischoff ist Rechtsanwalt in einer internationalen Kanzlei, verheiratet und Vater zweier Kinder.
Foto: Club International
3 GeschäftsstellenLeiterin Anette Stapper ist maßgeblich für die Steigerung der Frauenquote im Club verantwortlich.
Das herrschaftliche Foyer mit Kamin und Flügel wird auch für Veranstaltungen genutzt.
4 Im Spiegelsaal der Meyerschen Villa finden regelmäßig Club-Talks statt. Hier begrüßt der Präsident die anwesenden Mitglieder.
Foto: Club International
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5 Die Bibliothek des Hauses mit wechselnden Ausstellungen besticht durch ein einzigartiges Ambiente. Sie ist ein Ort für Lesungen, Salongespräche und Business-Meetings.
Fotos (4): André Kempner
10 Geld Märkte & Leben Stil
Von Regina Katzer
Detlef Bischoff Präsident des Club International
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Konsum – ein Pionier unter den Lieferdiensten
Bestellung frei Haus statt Gedränge im Supermarkt: Die Pandemie lässt die Umsätze spürbar steigen
Von Ulrich Milde
Darf es ein bisschen mehr sein? Was an den Fleischtheken üblich ist, hat auch Einzug bei den Essensund Lebensmittellieferdiensten gehalten. Ob Delivery Hero, Lieferando,Gorillas,Flink–ihnenallenwerfenInvestorenGeldförmlichhinterher. Je mehr, desto besser. Gorillas etwa sammelte jüngst 245 Millionen Euro bei internationalen Investoren ein. Die Konsumgenossenschaft Leipzig beobachtet diese Entwicklung sehr genau. „Selbstverständlich schauen wir, wie diese Firmen agieren“, sagt Vorstandssprecher Dirk Thärichen. „Wir nehmen dieses Thema sehr ernst und erwarten, dass künftig auch unsere Kunden zunehmend auf Omnichannelsetzen,alsoindenMärkten und online einkaufen wollen.“ Experten gehen davon aus, dass der Markt dieser Dienstleistungen in den nächsten Jahren im Schnitt um gut zwölf Prozent zulegen wird. Allerdings von einem relativ niedrigen Niveau aus. In der Bundesrepublik beträgt der Anteil am jährlich rund 300 Milliarden Euro umfassendenLebensmittelmarktgerade mal 1,6 Prozent. Bei den Newcomern herrscht in erster Linie das Prinzip Hoffnung vor. Denn es handelt sich um ein Verlustgeschäft. Delivery Hero et-
Wir waren das eine oder andere Mal ausgebucht.
Dirk Thärichen Geschäftsführer
wa hat es zwar seit der Gründung vor zehn Jahren in den Deutschen Aktien-Index (Dax) geschafft, nicht jedoch,operativGewinnezuschreiben. Berichten zufolge muss Gorillas derzeit bei jeder Lieferung 1,50 Euro drauflegen. Vorrangig geht es darum, einen möglichst großen Marktanteil zu ergattern, um später von dieser Position aus zu hoffen, dass sich auch Profitabilität einstellenwird.DeliveryHeroetwahatdas klareZielausgegeben,dieNummer eins in Deutschland zu werden. Das könne aber gut zehn bis fünfzehn Jahrendauernund„eineguteMenge Investitionen“ erfordern, so Vorstandschef Niklas Östberg. Die
meisten Investoren wissen auch, dass solche Plattformen nicht schnellGewinneeinfahrenkönnen. Wie groß die Geduld der Geldgeber sein wird, ist allerdings ungewiss. ZudenPionierengehörtderKonsum. Der damalige Vorstandsvorsitzende Stephan Abend rief bereits vor21JahrendenLieferdienstLofex (Local Food Express) ins Leben. Nebenbei: Die erste Essensbestellung per E-Mail ging vor 27 Jahren bei Pizza Hut in den USA ein. Konsum-Kunden konnten aus einem Katalog auswählen, anrufen oder per E-Mail bestellen. Geliefert wurde gegen einen Aufpreis. Jedoch wurde diese Sparte nicht intensiv
Schon vor 21 Jahren startete der Konsum seinen Lieferdienst, betrieb ihn jedoch nicht intensiv. Das änderte sich ab 2016 mit einem klaren Bekenntnis des neuen Führungsgespanns. Das Bestellvolumen in der Corona-Pandemie –für den Konsum-Lieferdienst ein Grund zur Freude. Fotos: Christian Modla
betrieben. 2016 entschied das neue Konsum-Führungsgespann Dirk Thärichen/Michael Faupel daher, dieses Geschäft entweder richtig zu betreiben oder es aufzugeben. „Wir warendamalsnichtwettbewerbsfähig“, erinnert sich Daniel von der Heide, der heute den Lieferdienst leitet. So wurde die Bestellabwicklung über ein fremdes Call-Center beendet, „seitdem machen das Mitarbeiter von uns“, sagt von der Heide. „Das hebt uns von vielen Wettbewerbern ab.“ Der Online-Shop wurde neu aufgesetzt und mit der Konsum-Webseite verschmolzen. Inzwischensindüber6000Produkte im Lieferangebot, an der Spitze der Beliebtheitsskala steht H-Milch. Werfürmindestens120Euroordert, zahlt keine Zustellgebühren.
Gewinnbringend ist das beim KonsumLeipzig nicht,aber„operativlegenwirnichtsdrauf“,sagtThärichen.Eshandelesichumeinenzusätzlichen Service für die Kunden.
„Das hilft uns auch, Trends zu erkennen.“ Corona hat auch beim Konsum diese Sparte angetrieben. „Im vorigen Jahr ist unser Lieferdienst-Umsatz um 40 Prozent auf 1,07 Millionen Euro geklettert“, freut sich von der Heide. Ein Trend, der auch in diesem Jahr anhalte. In guten Wochen habe es 1500 Bestellungen gegeben. „Wir waren das eine oder andere Mal ausgebucht“, ergänzt Thärichen. Wer online kauft, gibt dabei auch mehr Geld aus. „Die durchschnittliche Bestellung beträgt 60 Euro“, berichtet der Konsum-Chef.Inden60Geschäften liegt der Durchschnittsbon bei etwa 11 Euro. Dafür wird in den Geschäften häufiger eingekauft. WährendsomancherKonkurrent damit wirbt, die bestellten LebensmittelinzehnMinutenanderHaustür zuzustellen, ist der Konsum zurückhaltender. Aber heute bestellt und morgen geliefert – das ist auch jetzt schon drin.
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Wieland Kiess, Chef der Universitäts-Kinderklinik Leipzig, lehnt es ab, dass Krankenkassenbeiträge an Aktionäre gehen
Zahlen & Fakten
pauschal
Die Kliniken finanzieren sich aus zwei Quellen. Für die Investitionen ist das Bundesland zuständig. Die Betriebskosten werden von den Krankenkassen bezahlt. Die Vergütung erfolgt über Fallpauschalen. Damit soll verhindert werden, dass Patienten länger als nötig in den Einrichtungen bleiben. Eine Hüftgelenkoperation steht mit rund 7000 Euro im Fallpauschalenkatalog. Der Basispreis wird von den Krankenhausgesellschaften und Krankenkassen auf Landesebene ausgehandelt. Für komplizierte Behandlungen gibt es Zuschläge.
Pflegebudget
Seit 2020 werden die Kosten des Pflegepersonals nicht mehr über die Fallpauschalen abgerechnet. Stattdessen erhalten die Kliniken ein Pflegebudget, das kostendeckend sein soll.
50000
Für jedes zusätzliche Intensivbett wegen der Corona-Pandemie erhielten die Kliniken einen Zuschuss von 50 000 Euro. Für jedes im Verhältnis zum Vorjahr nicht belegte Bett in Corona-Zeiten gab es zunächst eine Pauschale von 560 Euro pro Tag, später wurde das in eine Spanne von 360 Euro bis 760 Euro umgewandelt.
Von Ulrich Milde
Herr Kiess, Kinder waren von Corona wenig betroffen. Da hatten Sie in Ihrer Klinik nicht so viel zu tun? Kinder sind in der Tat von der Krankheit direkt weniger betroffen. Aber den Lockdown und die gesellschaftlichen Veränderungen haben sie besonders schwer zu spüren bekommen. In der Anfangszeit der Pandemie sind die Menschen weniger zum Kinderarzt gegangen. Der Rückgang bei den niedergelassenen Kinderärzten lag bei rund 35 Prozent.
Wie sah es bei Ihnen aus?
AlleKinderklinikeninDeutschland, wiralsoauch,hatteneinenungefähr gleich großen Einbruch bei den stationären Behandlungen.
Und international?
Dasahesähnlichaus.InNorditalien zum Beispiel wurden voriges Jahr imFebruarundMärzdeutlichweniger Kinder mit Krebserkrankungen in die Kliniken gebracht. Deshalb warendieKindertrotzdemanKrebs erkrankt. Sie wurden zu spät ins Krankenhaus gefahren. Eine verhängnisvolle Geschichte.
Wie war es hier? Ähnlich. Die zweite Phase erreicht uns jetzt. Die Menschen gehen wieder zum Kinderarzt. Jetzt kommen vermehrt Kinder mit Krebserkrankungen und Diabetes zu uns.
Können Sie trotzdem Ihrer Rolle als Maximalversorger gerecht werden? Dank unserer engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schaffen wir das. Man darf auch feststellen, dass alle deutschen Universitätskliniken gemeinsam mit den großen kommunalen Krankenhäusern den Hauptteil der CoronaBewältigung getragen haben. Das deutsche Gesundheitssystem insgesamt hat sich in der Krise gut geschlagen. Aber alles wäre noch besser,wennnichtgrundlegendeProbleme das Arbeiten erschweren.
Welche meinen Sie?
Zunächst: Wir haben einen massivenPflegekräfte-undÄrztemangel.
Aber von 1991 bis 2019 ist die Zahl der Pflegekräfte in Deutschland von 390000 auf 460000 gestiegen. Wir bilden wahnsinnig viele aus, nur bleiben die meisten gerade mal zehn Jahre im Beruf. Und: Pro Patient hat Deutschland immer noch viel zu wenige Pflegekräfte. In Großbritannien und Australien etwa ist der Pflegeschlüssel um das Zwei- bis Vierfache höher.
Das sollten Sie begründen! Da Krankenhäuser erlösträchtige Operationen nicht durchführen konnten, war diese Pauschale notwendig. Viele Kliniken sind finanziell nicht gut gestellt. Aber es wäre nicht erforderlich gewesen, wenn wir unser Gesundheitswesen auf die Menschen ausrichten und nicht auf den Profit.
Der Verband der Ersatzkassen (vdek) fordert eine Konzentration der Kliniken auf weniger Standorte. Argument: Je häufiger eine Behandlung durchgeführt wird, desto besser ist die Qualität der Versorgung.
16,5
Der Verband kritisiert, dass im Jahr 2019 von 1088 Standorten, die Knieoperationen durchführten, 16,5 Prozent die Mindestmengenfallzahl von 50 Eingriffen nicht erreicht haben.
Die Zahl der Krankenhausärzte ist in diesem Zeitraum von 109000 auf 190000 geklettert. Da müsste doch alles in Butter sein. Siemüssenaberbedenken,dassbei uns extrem viele Ärzte in Teilzeit arbeiten. Zudem ist die Elternzeit hinzugekommen.DieZeitderÄrzte amPatientenistaufkeinenFallgrößergeworden.Dasliegtauchdaran, dass die Anforderungen, etwa bei Dokumentation und Datenschutz, deutlich größer geworden sind.
Der Staat gab den Kliniken mehrere Hundert Euro am Tag für Betten, die für Corona vorgehalten wurden. Oft mehr, als andere Behandlungen einbringen. War das nötig oder Geldverschwendung?
Die Politik hat in der Tat für die Einrichtung zusätzlicher Intensivbetten Geld zur Verfügung gestellt.
Aber: Wenn wir ein anderes System der Vorsorge und Fürsorge hätten, wäre diese Leerbettenpauschale nicht nötig gewesen.
Wenn man ein Kind mit einer seltenen, schweren Grunderkrankung und zehn weiteren Problemen hat – das ist im Abrechnungssystem unseres Gesundheitssystems nicht vorgesehen.
Wieland Kiess
Nun ist Wirtschaftlichkeit auch in Kliniken alles andere als schlecht. Unbestritten. Aber es gibt seit 20 Jahren in Nordamerika harte Fakten. Für die Gesellschaft sind privatisierte Krankenhäuser am Ende kostspieliger als Non-Profit-Einrichtungen. Kommunen, die Krankenhäuser verkaufen, sparen nur kurzfristig Geld. Die Klinikkonzerne brauchen Gewinne, um an ihre Aktionäre Dividenden auszuschütten.WirentrichtenunsereKrankenkassenbeiträge, auch wenn wir keine Leistungen beanspruchen. Das ist das Prinzip der Solidargemeinschaft. Es ist eigentlich nicht vorgesehen, dass wir für die Aktionäre von Klinikunternehmen zahlen.
Andererseits optimieren sie womöglich mehr als öffentliche Einrichtungen die Prozesse. Optimieren,wirtschaftlichdenken–das gilt auch für öffentliche Häuser. Bei den Privaten heißt Optimierung häufig:IhreÄrztemüssenmehroperieren, um zusätzliche Einnahmen heranzuschaffen. Das führt dann unteranderemdazu,dassbeiunsso manche Hüftgelenk- oder KnieOperation durchgeführt wird, die nichtunbedingtnötigist.Eswerden leider sehr oft die Dinge gemacht, die Geld bringen, anstatt sich auf daszukonzentrieren,wasdenMenschen hilft.
Als da wäre?
Nur zwei Schlagworte: Altersmedizin und seltene Erkrankungen im Kindesalter. Bei beiden ist der Beratungs- und Betreuungsbedarf extrem hoch und kann zwar kostendeckend, aber nicht gewinnbringend durchgeführt werden.
Überhaupt ist der Eindruck verbreitet, dass Kindermedizin das Stiefkind ist, da sie mehr kostet als einbringt.
Dasistüberallso.Esgabvoreinigen Jahren in Tübingen eine Postkartenaktion mit Bildern von Kindern und dem Spruch darauf: Ich bin keine Fallkostenpauschale. Wenn man ein Kind mit einer seltenen, schweren Grunderkrankung und zehn weiteren Problemen hat – das ist im Abrechnungssystem unseres Gesundheitssystemsnichtvorgesehen. Betriebswirtschaftlich betrachtet machenwirmitsolchenFällenhohe Verluste. Wir behandeln diese Kinder natürlich trotzdem.
Zur Person
Wieland Kiess ist seit 1998 Direktor der Kinderklinik des Universitätsklinikums Leipzig. Der 63-jährige Professor wurde in Villingen-Schwenningen geboren. Nach dem Abitur studierte er Medizin in Tübingen und München, promovierte und wurde am Universitätsklinikum München sowie am National Cancer Institute in Bethesda im US-Bundesstaat Maryland zum Kinderarzt weitergebildet. Vor seinem Wechsel nach Leipzig arbeitete er als Oberarzt in München und Gießen. Kiess, der in seiner Freizeit gerne Tennis spielt, hat die Forschungsschwerpunkte Zellbiologie, Hormone und Signalmoleküle. Zudem beschäftigt er sich intensiv mit chronisch kranken Kindern. Der verheiratete Vater von drei Kindern und mehrfache Großvater zählt zu den international führenden Pädiatern und wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Seit 2014 ist er auch Lehrbeauftragter für Kinderheilkunde am Karolinska-Institut in der schwedischen Hauptstadt Stockholm. Er leitet seit 2011 auch die Life-Child-Studie. Mit ihr soll herausgefunden werden, wie Umweltfaktoren und Lebensgewohnheiten die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beeinflussen können. Der Wissenschaftler war Initiator der 2010 gegründeten Stiftung Uni-Kinderklinik.
12 Geld Märkte & Leben Stil
„Wir dürfen unser Gesundheitswesen nicht auf den Profit ausrichten“
Quelle:
(vdek)
Verband der Ersatzkassen
vdek
2012 2017 2019 2002 2221 527 877 817 2007 2087 2017 1942 1914 620 697 720 724 790 719 662 645 677 601 560 545
Legende
Krankenhäuser
Krankenhäuer in privater Trägerschaft Krankenhäuser mit freigemeinnützigem Träger Krankenhäuser mit öffentlich-rechtlichem
Träger
Quelle: Verband der Ersatzkassen (vdek), StBa
So kann die kinderärztliche Versorgung im ländlichen Raum gesichert werden
Eltern wollen, dass ihre erkrankten Kinder auch im ländlichen Raum kompetentundinderNäheversorgt werden. Allerdings fehlen dort zum einenPädiater,zumanderen„istder ökonomische Druck insbesondere auf Kinderkliniken mit geringen Fallzahlen und Patienten mit sehr vielen unterschiedlichen Diagnosen in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gestiegen“, sagt Wieland Kiess, Chef der Leipziger Uni-Kinderklinik. Er hat deshalb einenVorschlagerarbeitet,wieVersorgungaufdemLandegewährleistet werden kann.
Zusätzlich sei die Finanzierung in der Kinderheilkunde und Jugendmedizin insgesamt schwierig, daderhöhereZeitaufwand(Blutabnahme bei Kleinkind, GesprächsführungmitKindundEltern)beider Erstattung durch die Krankenkassen nicht berücksichtigt wird. Kleine Kinderkliniken könnten das nur mit hohen Fallzahlen auffangen. Dies könne mancherorts zu Fehlbelegungen, möglicherweise sogar zu unnötigen stationären Aufnahmen von Kindern führen. „Dies ist mit Kinderschutzgesetzen und dem
Trachten nach einer kindgerechten Gesundheitsversorgung und -fürsorgenichtinEinklangzubringen“, warnt der Wissenschaftler. Er schlägt vor, statt einer nicht mehrabbildbaren,ohneausreichendes Facharzt-Team vorgehaltenen kleinen Kinderklinik mit 20 Betten, mitdemAnspruch,auchEEG-Diagnostik, kinderchirurgische und seltene Eingriffe vorzunehmen und vereinzelt schwerkranke Kinder zu betreuen,einambulantestages-und teilstationäres System zu errichten. Es könnte ein Versorgungszentrum mit Belegarzt-Dienstarzt-System etabliert werden. Dazu gehörten eine teilstationäre und tagesstationäre Station mit bis zu sechs Plätzen für Infusionstherapien und kurzzeitige diagnostische Aufenthalte, eine Notfallambulanz, ein Schockraum sowie Infektionsbehandlungsräume.DieNotfallambulanzsolltevon8 Uhr bis 20 Uhr betrieben werden. Schwierige Fälle könnten an ein Schwerpunktkrankenhaus überwiesen werden. In Notfällen nach 20 Uhr sollte die erste Behandlung am kleinen regionalen Krankenhaus erfolgen. mi
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Foto: Pixabay.com
Prof. Dr. Wieland Kiess, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Leipzig, an seinem Arbeitsplatz. Foto: Christian Modla
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Wie geht es Mitteldeutschland nach der Pandemie?
Die Corona-Krise hat nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft rund 300 Milliarden Euro an Wohlstand gekostet. Dieses entgangene Wachstum kann nach Ansicht von Experten erst nach Jahren wieder aufgeholt werden. Die Analyse trifft natürlich auch auf Mitteldeutschland zu. Generell dürfte das Bruttoinlandsprodukt 2021 im Osten um drei Prozent zulegen. Große Sorgen haben allerdings Branchen wie Handel, Gastronomie und einige Handwerksberufe.
Von Ulrich Langer
Axel Klein, Geschäftsführer des sächsischen Regionalverbandes des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga)
Handel ist Wandel
Gunter Engelmann-Merkel, Geschäftsführer der Leipziger Geschäftsstelle des Handelsverbandes Sachsen, plädiert für Beschreiten neuer Wege
„Unsere Branche ist ständigen Veränderungen ausgesetzt“, sagt Gunter Engelmann-Merkel. Und er fügt auch gleich einen netten Slogan hinzu: „Handel ist Wandel.“ Das treffe im wahrsten Sinne des Wortes zu.SchonzuDDR-Zeitenhabeesim Einzelhandel zahlreiche Umbrüche und Neuerungen gegeben. Das Centrum-Warenhaus in der Leipziger Petersstraße etwa oder das Konsument am Brühl seien Zeugen einer Entwicklung, die nicht zuletzt bei der Bevölkerung in der Region große Resonanz ausgelöst habe. „Und nach der Wende ging es dann inunsererBranchenochmalsrichtig los“,soderGeschäftsführerdeshiesigen Handelsverbandes. „Das enorme riesenhafte Verkaufsflächenwachstum in der Region nahm nahezu kein Ende.“ Der Umbruch, „die faktische Neugeburt der Innenstädte“ – ganz besonders in Leipzig – sei beispielhaft in Ostdeutschlandgewesen.Abernahezu ohne große Atempause setzten, so der Verbandsobere, auch schon die nächsten Veränderungen ein. Der Online-Handel habe sich Bahn gebrochen. „Mit seinen gravierenden Auswirkungen auf den stationären Bereich.“ Jeder Laden, jedes Geschäft habe dies zu spüren bekommen.DerWettbewerb„nahmnebulöse, unübersichtliche Züge an“. Sich darin zu behaupten, „ist kein Kinderspiel“. Wer es geschafft habe, dem gebühre Hochachtung. Denn Unbekanntes, Neuland, „galt es und gilt es immer wieder zu beschreiten“.
Ähnlich wie die „uns überwältigende Corona-Krise“. Obwohl dem Handel eben der Wandel immanent sei einschließlich des Digitalisie-
rungsschubs,„istdiePandemieeine völlig neue Erfahrung gewesen. So etwas haben wir noch nie erlebt“, berichtet Engelmann-Merkel. Das seiwieeinSchockgewesen.„Vorallem, als Bund und die Länder die Schließung der Geschäfte verfügten.“ Sicher, der Lebensmittelhandel habe – allerdings auch mit zahlreichen Veränderungen wie höheren Hygienestandards und Sicherheitsregelungen – noch in gewisser WeiseGlückgehabt,„weildieTüren hierweiteroffenblieben“.DerBrancheinsgesamthättendieEinschnitte jedoch massiv zu schaffen gemacht. Viele Händler hätten sich über neue Online-Aktivitäten und neue Ideen so recht und schlecht über Wasser gehalten. Und auch die staatlichen Hilfen seien nützlich und absolut nötig gewesen. Allerdings „brachte der Wirrwarr an Unterstützungsvariantenauchviele nahezu zum Verzweifeln“. Fraglich bleibebisheute,inwieferndieMaßnahmen auch tatsächlich das bewirkt haben, was sie sollten. Sein Verband habe sich für Unterstützungsmaßnahmen und Öffnungen stark gemacht und durch strukturierte Information versucht, maximal mögliche Klarheit im GesetzesdschungelfürdieUnternehmendes Wirtschaftszweigs zu schaffen „Klar“, so Engelmann-Merkel, „es ist äußerst schwierig für den Staat, allen Individualitäten der Firmen gerechtzuwerden.“Trotzdemmüsse nun, wenn sich die schlimmsten Corona-Folgen gelegt hätten, genau geschaut werden, wer wie davongetroffenwurde.WeitereUnterstützung sei in vielen Fällen unumgänglich. Auch „weil die CoronaHilfen von Branche zu Branche
unterschiedlich gewährt worden sind. Deshalb dürften die derzeit laufenden Klagen vieler unserer Unternehmen von Erfolg gekrönt sein“. Die Ungleichbehandlung bei den November- und Dezemberhilfen sei nicht hinnehmbar. Während der Einzelhandel von diesen Finanzspritzen „verschont wurde“, erhieltbeispielsweisedieGastronomie 75 Prozent des ausgefallenen Umsatzes ersetzt. Diese Ungerechtigkeit müsse umgehend durch Gleichbehandlung ersetzt werden.
Zur Person
Gunter Engelmann-Merkel (60) ist diplomierter Ökonom. Der gebürtige Leipziger hat seinen Abschluss im Jahr 1986 an der hiesigen Handelshochschule HHL gemacht. Nach seinem Studium arbeitete er bis zur Wende im Rationalisierungs- und Forschungszentrum Einzelhandel. Dies war in Berlin angesiedelt, Engelmann-Merkel in dessen Leipziger Außenstelle tätig. Seit 1990, als in den neuen Ländern der Handelsverband aufgebaut wurde, hat er sich in ihm engagiert und seither die Funktion des Geschäftsführers inne. Der Verband beschäftigt in Leipzig drei, in Sachsen 16 Mitarbeiter. Insgesamt betreuen sie im Freistaat 1500 Firmen, in Leipzig 500 und vertreten deren Interessen mit 113 000 Beschäftigten. Der Umsatz des Handels betrug im vorigen Jahr in Sachsen 23 Milliarden Euro. Bundesweit lag dieser Wert bei 577,6 Milliarden Euro. Engelmann-Merkel ist verheiratet und Vater einer Tochter.
Der Schlag ins Kontor sitzt tief. Die Gastronomie und Hotellerie Sachsens hat mit den Auswirkungen der Corona-Krise mehr als zu kämpfen. „Mit der kompletten Schließung unserer Unternehmen wegen der PandemiewareinfaktischesAusfür deren Geschäftsbetrieb verordnet worden.“ Axel Klein, Geschäftsführer des sächsischen Ablegers des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), findet harte WortefürdieLage,diederzeitinseiner Branche herrscht. „Die Sorge um die Existenz geht um“, bringt es der gelernte Restaurantfachmann auf den Punkt. Die jüngste Umfrage habeergeben,„dassdieseAngstvor der Pleite ein unglaublich hartes Ausmaß angenommen hat. Immerhin 20 Prozent der Unternehmer fürchten, die nächsten Wochen nicht zu überleben“. Klar, es habe dieNovember-undDezemberhilfen gegeben. „Aber bei vielen sind sie äußerst spät angekommen, bei manchen erst im März dieses Jahres“, sagt der 52-Jährige. Mitunter sei da der Zug schon fast abgefahren.Unddabeischwingeschließlich nichtnurdieeigeneÜberlebenssorgemit,„sondernauch,dassdieMitarbeiter der Gaststätten für ihre Familien Verantwortung tragen und mit dem möglichen Jobverlust Ungemach ins Haus steht.“
Allein an der Zahl der Zugriffe auf die Verbandshomepage zeige, so Klein, wie sehr gebangt wird in der Branche. „In Spitzenzeiten wa-
ren es 10 000 am Tag. In normalen Zeiten vor Corona vielleicht 180.“ Die digitale Hilfestellung sei in der Krisesehrwichtiggeworden.Vorallem für den Austausch der Unternehmer untereinander. „Natürlich wurde auch darüber informiert, wo und wie Hilfe zu bekommen ist in der Not.“ Es sei eben nicht so einfach, „sich durch den gigantischen Dschungel an Maßnahmen und Bestimmungen durchzuschlagen“, betont Klein. Da habe sein Verband große Schützenhilfe geleistet. Das sei dringend nötig gewesen. „ImmerhinwarfürdieHoteliersund Gaststätteninhaber am schlimmsten, dass sie mit dem Schließungsbeschluss plötzlich vor dem Nichts standen.“ Klein sagt es kurz und knapp: „Kneipe zu, fertig, aus, nix ist mehr machbar.“ Diese Ungewissheit, Unsicherheit, Perspektivund Hilflosigkeit habe viele schwer getroffen. „Ein Unternehmer will was in die Hand nehmen – mit dem Aus waren ihm aber die Hände gebunden.“ Ihnen das Ruder sprichwörtlich aus der Hand zu nehmen, hätte viele ins Mark getroffen. Nun,mitdemRückgangderPandemieflammedieHoffnungauf,ein LichtamEndedesTunnelszuentdecken. Wir erwarten die Wiederöffnung unserer Gaststätten und Hotels“,blicktKleinindieZukunftund fügt kampfesmutig wie optimistisch hinzu:„WiralsVerbandwerdendafür sorgen, dass sie nicht wieder dichtmachen müssen.“ U. L.
Foto: senivpetro/freepik 14 Geld Märkte & Leben Stil
Foto: freepik
„Die Sorge um die Existenz geht um“
@ YekoPhotoStudio
FOTO: Sergejs Rahunoks
Ost-Einkommen haben sich günstiger entwickelt
Oliver Holtemöller, Vizepräsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, macht Zuwachs aus
Bis zum Herbst 2020 war das Corona-Virus in Ostdeutschland weniger stark verbreitet als im Westen derRepublik.„DasisteinGrunddafür,dassdieProduktionimJahr2020 hier mit 3,8 Prozent einen Prozentpunkt weniger stark eingebrochen ist als in der Bundesrepublik insgesamt mit minus 4,8 Prozent“, erklärt
Oliver Holtemöller, Vizepräsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Zu dieser Entwicklung hätten auch Besonderheiten der Wirtschaftsstruktur beigetragen: In Ostdeutschland hätten mit dem Bau und vor allem mit dem Sektor „öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit“ zwei Wirtschaftszweige, die sogar noch expandiert haben, ein größeres Gewicht als im Bundesdurchschnitt. „Zudem spielt die in der ersten InfektionswellestarkgetroffeneAutomobilindustrie im Osten eine geringere Rolle als in Westdeutschland“, begründetderWirtschaftsprofessor. DesWeiterendürfteeinegünstigere Einkommensentwicklung gestützt haben. Während die Bruttolöhne und -gehälter im Westen Deutschlandsum1,1Prozentgesunkensind, habensieimOstenum1Prozentzu-
gelegt. Zudem falle die Rentenanpassung bis zur Angleichung des Ost-Rentenwerts an den des WestensjedesJahrum0,7Prozentpunkte höher aus als in der alten Republik.
Aufgrund des geringeren Einbruchs dürfte die Wirtschaft Ostdeutschlands in diesem Jahr, wenn die Einschränkungen durch die Pandemie nach und nach aufgehoben werden, „nicht so stark expandierenwiedieinWestdeutschland“, prognostiziert der Konjunkturexperte. Zudem liege der Schwerpunkt des Verarbeitenden Gewerbes, das zurzeit von der weltweit starken Nachfrage nach Industriegütern profitiert, in den alten Bundesländern. Der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts in Ostdeutschland fällt nach Holtemöllers Einschätzung in diesem Jahr mit 3 ProzentgeringerausalsinDeutschland insgesamt mit 3,7 Prozent. Leicht positiv sieht es nach IWH-Prognose bei der Beschäftigungslage aus.
Holtemöller: „Die ostdeutsche Arbeitslosenquote nach der Definition der Bundesagentur für Arbeit dürfte von 7,3 Prozent im Jahr 2020 auf 7 Prozent fallen.“ mi
Ost-Wirtschaft ist eingebettet in den internationalenHandel
Die Erfolge sind ablesbar. Seit 2010 hat die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt die Ausfuhren um 50 Prozent auf knapp 16 Milliarden Euro gesteigert. Das entspricht einer Exportquote von 26 Prozent, bundesweitliegtderWertbeiknapp40Prozent. „Wir können als kleines Land nicht flächendeckend alle Märkte bedienen“, weiß Wirtschaftsminister Armin Willingmann. Daher sei eine Konzentration auf leistungsstarke Branchen und Unternehmen nötig. EinesderParadebeispieleistdie SonotecGmbHinHalle.DerSpezialist für Ultraschallsensoren, die unter anderem für Pipelines, Dialysegeräte und Herz-Lungen-Maschinenbenötigtwerden,kommtinzwischenaufeinenExportanteilvon 52 Prozent. „Vor sechs Jahren wareneserst15Prozent“,berichtetder geschäftsführende Gesellschafter Hans-Joachim Münch. Der Physiker beschäftigt inzwischen 180 Mitarbeiter und besetzt mit seinen Produkten („wir streben die Marktführerschaft an“) eine Nische. BranchenriesenwieBASF,BayerundDr. Oetker zählen zu seinen Kunden. Durch die Corona-Krise sind die Saalestädter gut gekommen, was ein Wachstum von knapp neun Pro-
zent im vorigen Jahr untermauert. Die gestiegene Nachfrage aus der Biotech-, Pharma- und Medizintechnik für die Herstellung von MedikamentenundImpfstoffenhatgeholfen. Die internationale Vermarktung sei bislang „ganz gut gelungen“, so der Physiker in einer Talkrunde des Ostdeutschen Bankenverbandes.
Sonotecistalsoindasinternationale Spannungsfeld eingebunden. Da gibt es Beschränkungen in den USA. Der neue Präsident Joe Biden betreibt eine restriktive Exportpolitik bei den Impfstoffen, das Investitionsabkommen zwischen der EU und China liegt auf Eis. Die Vereinigten Staaten und China befinden sich im Clinch. Dabei „ist Asien für unsere Wirtschaft ein sehr wichtiger Markt“, betont Harald Eisennach, Vize-Vorstandschef des OstBankenverbandes. Achim Oelgarth, Geschäftsführender Vorstand des Verbandes betont: Deutschland sei wegen „unserer Offenheit anfälliger für exogene Schocks als andere Länder“. Die Corona-Pandemie habe dies noch mal drastisch aufgezeigt. „So betrifft uns eine Änderung der weltweiten Handelsarchitektur im besonderen Maße.“ mi
Claus Gröhn, Kammer-Präsident, plädiert für Flexibilität
Die Konjunkturentwicklung im regionalen Handwerk ist ganz unterschiedlich. „Fakt ist, dass Handwerker, die körpernahe Dienstleistungen anbieten, durchdieKrisebesondersgetroffen worden sind“, sagt Claus Gröhn, Präsident der Handwerkskammer Leipzig. Auch wenn davon ausgegangen werde, dass es jetzt wieder schrittweise zum normalen Geschäftsbetrieb übergehe, „wirken die Einschränkungen–ichbefürchte sogarlängerfristig–nach“,soder Dachdeckermeister. Die langfristigen Wirkungen spiegelten sich nicht nur in den Auftragsbüchern und in den Jahresabschlüssen der Betriebe wider, sondern vor allem in den Köpfen der Unternehmerinnen und Unternehmer. Die Frage, die zu beantworten sei, laute: „Kann unter den gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen wirklich jeder wieder Mut fassen und noch einmal durchstarten?
Trotz überbordender Bürokratie, trotz fehlender Instrumente zur selbstbestimmten Risikovorsorge, trotz eine Abgabenquote von über 40 Prozent in Deutsch-
land?“ Gröhn berichtet, viele Selbstständige, mit denen er in den vergangenen Wochen und Monaten gesprochen habe, hätten Zweifel, ob die politischen Entscheidungsträger überhaupt noch wüssten, wie das Land funktioniere. „Als Ursache für diese Zweifel habe ich insbesondere die zum Teil nicht nachvollziehbaren, oft unlogischen und widersprüchlichen Entscheidungen in der Corona-Krise ausgemacht.“ Der Vorschlag, am Gründonnerstag einen bundesweiten Ruhetag einzulegen, habe bei vielen das Fass zum Überlaufen gebracht. Wichtig wäre auch gewesen, die finanziellen Hilfen bürokratiearm und schnell an die Unternehmenzuüberweisen.Aberdie Umsetzung sei falsch gewesen und habe zu existenzbedrohenden Verzögerungen geführt. „Bereits im Frühjahr 2020 hatte ich vorgeschlagen, das Prozedere umzudrehen und die Zahlungen an die Betriebe über die Finanzämter abzuwickeln, die über alle notwendigen Unternehmensdaten verfügen und ganz ohne zusätzliche Bürokra-
tie erkennen, wohin Hilfen fließen müssen.“ Ein Vorschlag ohne Erfolg. Wenn sich die Wirtschaft schnell erholen soll, dann müssten insgesamt die Sozialabgaben wieder in den Blick genommenwerden.Geradefürdas personalintensive Handwerk seien die hohen Abgaben eine schwere Belastung. „Das galt auch schon in der Vor-CoronaZeit, aber jetzt umso mehr“, so der Präsident.
EinandererAspektfürdieZukunft des Handwerks ist die Sicherung des Fachkräftebedarfs. Diesgelingenur,wenn„wirendlich zu einer wirklichen Gleichstellung und -behandlung von beruflicher und akademischer Bildung kommen“. Das Handwerk habe schon immer bewiesen, dass es mit seiner Flexibilität, mit seiner regionalen VerankerungundInnovationskraftKrisen meistern kann. „Ich bin sicher, dass dies auch jetzt gelingen kann“, betont Gröhn. Man müsse die Betriebe aber machen lassen,ihnenwirtschaftspolitisch Raum geben, Wertschätzung ausdrücken und Anreize zulassen. mi
Geld Märkte & Leben Stil 15
Foto: pvproductions/freepik
„Handwerk kann mit Innovationskraft Krisen meistern“
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Ausnahmesituationen erfolgreich meistern
Ex-Kombinatsdirektoren über Krisen in der DDR und die Sorge ums Gemeinwohl
Eckhard Netzmann sagt „Ganz einfach. Zu DDRZeitenwäredasSchutzmasken-Problem vergleichsweise unkompliziert gelöst worden“, meint der frühere Generaldirektor des DDR-Schwermaschinenbau-Kombinats „Ernst Thälmann“ Magdeburg (Sket). In einer kürzlich vonderLeipzigerManagerschmiede Handelshochschule (HHL) veranstalteten Video-Konferenz unter dem Motto „Gemeinwohl in der Krise“ mit weit über 200 Teilnehmern berichtet er, wie das Ganze vor der Wende hierzulande gelaufen wäre, welche Rolle mutiges und kompetentes Führungshandeln spielte und eigentlich auch heute noch spielt. „Die Regierung in Berlin hätte errechnen lassen, wie viele Masken gebraucht werden und welcher Betrieb sie produzieren kann und soll. In zwei Tagen wäre das geschafft worden.“ Falls die erforderliche Anzahl nicht komplett zusammengekommen wäre, „würde Alexander Schalck-Golodkowski eingeschaltet“. Das war der Mann, der im Außenhandelsministerium der DDR den Bereich Kommerzielle Koordinierungleiteteundzuständigwarfür denHandelmitdemkapitalistischen Ausland. „Innerhalb von einer Woche wäre das Thema Masken erledigt gewesen“, sagt der Ingenieur für Umformtechnik Netzmann. Und raschesHandelnseiinsolchenSituationen nötig, denn „jede Krise schwächt das Gemeinwohl“.
Viel Zeit verstreicht
Die aktuelle bundesrepublikanische Variante der Krisenbewältigung weiß Netzmann gleich anzuschließen, nicht ohne einen gewissen ironischen Unterton: „Da schreibt das Bundesgesundheitsministerium die Vergabe der MaskenProduktionaus“–entsprechenddes europäischen Wettbewerbsrechts.
Dann werde monatelang gewartet auf die entsprechenden Angebote von Unternehmen. „Natürlich melden sich auch Scheinfirmen“, sagt der Diplom-Ingenieur, „die keinerlei Ahnung von der SchutzmaskenHerstellung haben.“ Also verlaufe dasGanzeimSande,biseinseriöser Partner gefunden sei. Und die Zeit verstreiche, ohne dass es zu einer sinnvollen Lösung komme. Ein Beleg dafür, so Netzmann, dass es in Ausnahmesituationen darauf ankomme, „zentrale Entscheidungen zu treffen und sie vor Ort flexibel durchzusetzen.“
Klar, Krisenmanagement will gelernt sein. Wie das in der DDR-Wirtschaft bewältigt wurde, ist in der Diskussionsrunde unter Leitung von HHL-Professor Timo Meynhardt, der zum Thema Gemeinwohl
Eckhard Netzmann
Eckhard Netzmann ist ein Unikum: er war einmal Werkleiter, zweimal Generaldirektor, einmal Minister. Er wurde zweimal fristlos entlassen –um am nächsten Tag wieder eingestellt zu werden. Er war offenbar so gut, dass man nicht auf ihn verzichten konnte. 1938 In eine Lehrerfamilie hineingeboren, absolvierte er mit vierzehn eine Lehre als Werkzeugschlosser, qualifizierte sich bis zum zwanzigsten Lebensjahr zum Ingenieur für Umformtechnik.
Danach arbeitete er zwanzig Jahre im VEB Schwermaschinenbaukombinat „Ernst Thälmann“ (Sket) in Magdeburg. Parallel absolvierte er ein Fernstudium an der TU Dresden, das er 1966 als Diplom-Ingenieur abschloss.
Wissende in der Zentrale und Leistende an der Basis müssen an einem Strang ziehen.
Eckard Netzmann Ex-Generaldirektor des DDR-Schwermaschinenbau-Kombinats „Ernst Thälmann“ Magdeburg (Sket)
Definition Gemeinwohl nach Timo Meynhardt:
Gemeinwohl ist der Zustand eines Gemeinwesens, dass dem Einzelnen und Gruppen erlaubt, sich entwickeln und mit anderen gemeinsam zu wachsen und eigene Ziele zu verfolgen. Gemeinwohl ist kein Gegenbegriff zum Eigenwohl. Für mich ist Gemeinwohl eine Voraussetzung für Eigenwohl. Wichtig ist, dass beide in einer produktiven Grundspannung bleiben. Und: Gemeinwohl ist Einstellungssache, d.h. die Wahrnehmung entscheidet. Heute ist Gemeinwohl vor allem auch ein Begriff, um das Gemeinsame und Verbindende in den Blick zu nehmen. Was hält uns zusammen? Was sind die kollektiven Voraussetzungen unseres individuellen Lebensstils?
forscht, besprochen worden. „Welche Erfahrungen von damals können wir heute gut gebrauchen?“ –eine wichtige Frage der Debatte. Für Netzmann ist die Sache klar: „WissendeinderZentraleundLeistendeanderBasismüssenaneinem Strang ziehen.“ Das sieht Christa Bertag genauso. Die Ex-Generaldirektorin des Volkseigenen Betriebs (VEB) Kosmetik-Kombinat Berlin spricht es nüchtern aus: „Krisenbewältigung funktioniert nur in enger Zusammenarbeit aller Beteiligten.“DerharteWintereinbruchin den1970er-JahrenzumBeispiel,als die Energieversorgung zusammenbrach, sei eine enorme Herausforderung gewesen. „Sie wieder herzustellen so gut es ging, war nur durch gemeinsames Handeln zu stemmen.“DempflichtetAdolfEser bei. Der frühere Chef des ChemiekombinatsBitterfeldweiß,wasalles ansolcherKrisenbewältigungdranhängt. Erzählt, wie nach einer Explosion der PVC-Fabrik 1968 mit 60 Toten versucht wurde, künftig solche Katastrophen zu verhindern.
„Alle Kraftwerke wurden auf Beschluss der Berliner Regierung erneuert. Da hatten wir vor Ort alle Hände voll zu tun.“ Aber nur so sei es gelungen, künftig in harten WinternfürwohligeWärmeindenWohnungen zu sorgen.
Kaffee-Krise und Kaffee-Mix
In einer gesunden Gesellschaft geht es um das Wirken von Menschen für ein gemeinsames Ziel, das allen zugute kommt.
Christa Bertag Ex-Generaldirektorin des Kosmetik-Kombinats Berlin
Timo Meynhardt
Timo Meynhardt (* 14. Juli 1972 in Rudolstadt) ist ein deutscher Psychologe und Betriebswirtschaftler. Seit Oktober 2015 ist er Inhaber des Arend-Oetker-Lehrstuhls für Wirtschaftspsychologie und Führung an der privaten Handelshochschule Leipzig. Zudem ist er Managing Director des Center for Leadership and Values in Society an der Universität St. Gallen. Von 2013 bis 2015 war Timo Meynhardt Inhaber des Lehrstuhls für Management an der Leuphana Universität Lüneburg. Meynhardt studierte Psychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Oxford Brookes University (bei Michael Argyle) und in Peking und schloss sein Studium an der Universität Jena als Diplom-Psychologe ab. Er war Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. 2003 wurde er an der Universität St. Gallen zum Dr. oec. promoviert. 2013 habilitierte er sich an ebendieser Universität mit der Venia Legendi für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Organisations- und Personalmanagements. Von 1999 bis 2007 arbeitete er als Practice Expert bei McKinsey & Company, Inc. in Berlin. Er ist Mitgründer und Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Forum Gemeinwohl. Timo Meynhardt ist verheiratet und hat zwei Töchter und einen Sohn.
Adolf Eser
Und auch in Sachen leibliches Wohl hat es das eine oder andere zu regeln gegeben. Bertag nennt etwa die Kaffee-Krise 1976. Wegen einer MissernteinBrasilienschnelltendie
Preise für die Bohnen in die Höhe.
„Auf einen Schlag verdreifachten sich die Kosten für Rohkaffee auf dem Weltmarkt“, erinnert sich die Thüringerin. „Diese Devisen hatten wir natürlich nicht.“ Um diese Unwägbarkeit zu bewältigen, habe es eine ganze Reihe von Maßnahmen gegeben. Das zu ihrem Kombinat gehörende Chemische Werk Miltitz zumBeispielsollteeinentsprechendes Kaffee-Aroma entwickeln, was „natürlich nicht klappte“. Nur: Der Sachse sagt: „Ohne Gaffee gönnen wir nicht gämpfen.“ Also beschloss Berlin, um den drohenden Unmut der Bevölkerung zu verhindern, zur Bohne50ProzentGetreidezurStreckung zuzusetzen. Kaffee-Mix hieß die vermeintliche Lösung, die in Kantinen reihenweise die KaffeeAutomatenaußerGefechtsetzte,da die Gerste beim Brühen aufquoll und alle Leitungen zusetzte. Das im Volksmund als „Erichs Krönung“ bezeichnete Ersatzpulver taugte nichts, „das Getränk schmeckte nicht“ (Bertag), verschwand schließlichwiederausdenLadenregalen. „Der ganze Spuk dauerte
Im Sket, das 28 000 Menschen beschäftigte, begann er als Technologe, wurde Chef des Walzwerkbaus, stieg zum Werkdirektor im Zementanlagenbau Dessau und schließlich zum Generaldirektor auf. Darauf folgten vier Jahre als stellvertretender Minister für Schwermaschinen- und Anlagenbau – sie endeten 1983 mit der fristlosen Kündigung. Nach einem Tag Arbeitslosigkeit wurde er vom Kraftwerksanlagenbau Berlin angeworben und wurde alsbald Stellvertreter des Generaldirektors. 1987 erhielt er den Auftrag, als Sonderbevollmächtigter das letzte Kernkraftwerk der DDR, „Block V“, in Greifswald ans Netz zu nehmen. Nach der Wende wurde das Kombi-
Wolken aus den Kühltürmen steigen in den dunstigen Himmel über dem Chemiekombinat Bitterfeld (Foto aus dem Jahr 1970). Als dreckigste Region Europas galt Bitterfeld-Wolfen zur Wende. Mit dem Fall der Mauer vor 20 Jahren kam auch die Umweltkatastrophe am einst größten Chemiestandort der DDR ans Licht.
Foto: Manfred Uhlenhut dpa/lah
zwei Jahre.“ Der Ausweg schließlich hieß langfristige Lösung: Aufbau einer eigenen sozialistischen Kaffee-Produktion in Vietnam mit Hilfe aller sozialistischen Länder. DaranwurdemitallerKraftgearbeitet. Als dann jedoch die dortigen Plantagen so weit gediehen waren, dass brauchbare Bohnen geerntet werdenkonnten,wardieWendebereits im Gange. Das heißt, die DDR kam nicht mehr in den Genuss dieses Kaffees. Bertag: „Aber auf diese Art und Weise ist Vietnam zum zweitgrößten Kaffee-Exporteur der Welt geworden.“ Für die Chemiefacharbeiterin ein Beleg dafür, „dassinjederKriseaucheineChance steckt“.
Hoher persönlicher Einsatz des Einzelnen gefragt Sie zu ergreifen, darin sind sich die drei mit Blick auf ihre Führungsfunktion einig, braucht Gemeinschaft.Alleinseinichtszuerreichen.
Das, so Bertag, habe immer als ein wesentlicher Grundgedanke zu DDR-Zeiten gegolten. „Hoher persönlicher Einsatz des Einzelnen für das Wohl aller“, lautete die Devise. Siesprichtsogarvoneiner„einmaligenSorgeumdasGemeinwohl“.Es gehe schließlich in einer gesunden
nat zerschlagen, die Filetstücke verkauft, der Engineering-Bereich in eine der größten ostdeutschen Aktiengesellschaften umgewandelt. Netzmann wurde schließlich deren Vorstandsvorsitzender. Zwei erfolglose Privatisierungen veranlassten ihn zu gehen.
Von 1999 bis 2006 arbeitete Netzmann in Personalunion als Vorstandsvorsitzender der Riesaer Beteiligungs AG und als Geschäftsführer von sechs der AG unterstellten GmbHs. Seit dem Jahr 2007 ist er Unternehmensberater. Seine Freizeit widmet er seiner Frau, den Enkelkindern, dem Garten, den Kaninchen und dem Handballverband.
Christa Bertag
Gesellschaft um „das Wirken von Menschen für ein gemeinsames Ziel, das allen zugute kommt“. Daher sei es – ebenfalls ein einmütiges Bekenntnis der drei Ex-KombinatsChefs – problematisch, Dinge der Daseinsvorsorge, die für die Gemeinschaft lebensnotwendig sind, zu privatisieren. Bertag und Netzmann nennen hier das Verkehrsund Gesundheitswesen, die Energieversorgung. Und nicht zu vergessen die Gesundheitsvorsorge. Netzmann: „Wenn man betrachtet, wie sich die Krankenhauslandschaftenentwickeln,dassimEndeffektindenKlinikendieBereicheabgebaut werden, wo der Gewinn am niedrigsten ist.“ Dies könne jeder allesechsWochenimFernsehenanhören, „aber es ändert sich ja nichts“. Das widerspreche dem Gemeinwohl-Ziel. Daher gibt Bertag zu bedenken, ob dann in solchen Bereichen „eher wieder staatliche Strukturen eingeführt werden sollten“. Und Netzmann fügt hinzu: „Der Staat muss doch sagen, was dem Gemeinwohl dient.“ Was derzeit vielerorts im Gesundheitswesen passiere, habe damit nicht unbedingt etwas zu tun, sondern nur mit Profitmaximierung. „Dem kann ich nur zustimmen“, betont Eser.
Christa Bertag wurde 1942 in Thüringen als Tochter einer Arbeiterfamilie geboren. Sie legte ihr Abitur an der Arbeiter- und Bauern-Fakultät II in Halle ab, leistete im Chemiekombinat Bitterfeld ein praktisches Jahr als Schichtarbeiterin, währenddessen sie sich zur Chemiefacharbeiterin qualifizierte. Dann studierte sie an der TH Merseburg Chemie. In ihrer Diplomarbeit entwickelte sie ein Verfahren zur Beeinflussung der Korngröße bei der Kali-Verarbeitung, das zum Patent angemeldet wurde. Dafür erhielt sie als erste Frau den Kali-Preis. Während des Studiums lernte sie ihren Mann kennen und brachte ihre Tochter zur Welt. Kurz nach dem Studium wurde ihr Sohn geboren. Danach begann sie in den Leuna-Wer-
ken in der Forschung zu arbeiten. Als 30-Jähriger übertrug man ihr die Realisierung des Projektes Konsumgüterproduktion. Sie leitete den Aufbau eines neuen Betriebes zur Herstellung von PVC-Tapeten.
Nachdem sie die Parteihochschule „Karl Marx“ als diplomierte Gesellschaftswissenschaftlerin absolviert hatte, wurde sie in die Abteilung Grundstoffindustrie beim ZK der SED berufen und dort verantwortlich für den Sektor Leichtchemie (Lacke, Farben, Waschmittel, Kosmetika). Es gelang ihr, Investmittel durchzusetzen, um die Effektivität maßgeblich zu erhöhen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
1986 wurde sie zur Generaldirektorin des Kosmetik-Kombinats Berlin be-
Adolf Eser wurde 1936 in Halle an der Saale geboren. Nach einer Lehre als Maschinenschlosser, machte er an der Arbeiter- und Bauernfakultät Halle sein Abitur, nahm an der TH Merseburg ein Studium auf, das er als Diplom-Ingenieur für Verfahrenstechnik abschloss.
Ab 1964 war er am Aufbau des Rechenzentrums im Bitterfelder Chemiekombinat – unterstützt von Konrad Zuse – beteiligt. Er stieg zum Abteilungsleiter auf und wurde 1975 Sekretär für Wirtschaftspolitik innerhalb des Kombinats. Parallel absolvierte er ein Zusatzstudium der Soziologie, das er 1976 mit der Note „sehr gut“ abschloss. 1986 promovierte an der Hochschule für Ökonomie „Karl Marx“ in Berlin zum Dr. oec.
Am 1. Januar 1984 wurde er zum Generaldirektor des VEB Chemiekombinat Bitterfeld berufen. Bitterfeld war nach den Chemischen Werken in Leuna und Buna-Schkopau der drittgrößte Chemiestandort der DDR mit einem Umsatz 1989 von 4,647 Milliarden DDR-Mark (etwa 1,1 Milliarden Euro).
17 500 Arbeiter produzierten 4000 Verkaufserzeugnisse – Hüttenaluminium, anorganische und organische Grundchemikalien, Ionenaustauscher, organische Farbstoffe, haushaltchemische Konsumgüter. 1990 wurde Adolf Eser – nach dreißig Arbeitsjahren im Kombinat Bitterfeld – als Generaldirektor abberufen.
Bis 1995 war er geschäftsführender Gesellschafter einer Anlagenbau GmbH.
In den letzten Jahren beschäftigt er sich in mehreren Veröffentlichungen mit der Geschichte der Chemischen Industrie in Bitterfeld.
rufen, Das Kombinat mit seinen 8500 Beschäftigten und 3 Milliarden Mark Umsatz war verantwortlich für die Versorgung der DDR mit kosmetischen Erzeugnissen und produzierte den größten Teil seiner Roh-, Riechund Geschmackstoffe. Ein Drittel der Erzeugnisse wurde exportiert. Währenddessen realisierte sie einen Joint-Venture mit der Beiersdorf-AG und die Neu-Errichtung des Stammbetriebs Berlin-Kosmetik, der zur Wendezeit einer der modernsten Kosmetikbetriebe weltweit war. Nach Auflösung der Kombinate 1990 wurde sie Geschäftsführerin der Berlin-Kosmetik GmbH. 1998 verließ sie das Unternehmen und arbeitete als selbstständige Unternehmensberater.
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Von Ulrich Langer
Geld Märkte & Leben Stil
App-Entwickler erobern den Medizinmarkt
Langsam aber stetig schritt sie voran – die Digitalisierung. Bis die Corona-Pandemie uns alle ereilte. Die Krise gab dem digitalen Fortschritt einen zusätzlichen Boost. Das haben mit eCovery und docyet auch zwei Start-ups zu spüren bekommen, die sich mit ihren Apps der Medizin verschrieben haben.
Der PhysioHelfer 2.0
Auf eine Operation folgt in Deutschland nicht selten eine medizinische Nachbetreuung in Form von zum Beispiel Physiotherapie. Die findet dann über einen festgelegten ZeitraumteilsmehrmalsdieWochestatt.
Dazwischen und danach setzt das Gesundheitssystem auf Eigeninitiative, Motivation und Durchhaltevermögen der Patienten und Patientinnen.Oftmalsgehtdasabernachhinten los: Denn ohne Anleitung fällt es Patienten oft schwer, sich aufzuraffen, die Übungen korrekt auszuführen und vor allem dranzubleiben.
Doch das ist die Voraussetzung für eine vollständige Genesung. Hier setzt die App eCovery an.
DieTherapie-Appführtvolljährige Nutzer durch ein Training, das auf bis zu zwölf Wochen angelegt ist.AllezweiTagestehenTrainingseinheiten von etwa 30 Minuten auf dem Plan. Auf der Basis eines regelmäßigen Feedbacks, zum Beispiel zuSchmerzenoderdergefühltenIntensität der Übungen (zu schwer, zu leicht), lernt die App dazu. So werden Übungen individuell an die Nutzerangepasst.„Entstandensind die Trainingsprogramme, denen man in Anschauungs- und Übungsvideosfolgt,inZusammenarbeitmit einem Team aus Physiotherapeuten“, erklärt Benedict Rehbein, der das Unternehmen 2019 mit Marcus Rehwald und Dr. Alexander Georgi
InDeutschlandgibtesKrankenhäuser, Ärzte und Therapien für alle denkbaren medizinischen Probleme.Dochnichtimmererschließtsich unmittelbar,welcheArztpraxis,welchesKrankenhausoderwelcheTherapiefürdiejeweiligenPatientenam besten passen. Hier setzt die App Docyet an – ein zugelassenes Medizinprodukt für volljährige Nutzer. Sie schlägt die Brücke zwischen Patienten und medizinischer Versorgung. Sie schafft Effizienzgewinn für medizinisches Personal und hilft Versicherern, ihre Kunden zielgenau zur passenden Maßnahme zu führen und Umwege zu vermeiden.
„Mithilfe unserer Produkte Gesundheitslotse und Anamnese+, die unsereKundeninihresonstigenAngeboteintegrieren,holenwirdieGe-
sundheit zu den Patienten statt andersherum”, sagt Florian Bontrup. Zusammen mit dem Programmierer Alberto de Miguel Valdunciel gründete der 32 Jahre alte Betriebswirt vor vier Jahren das Unternehmen Docyet. Inzwischen zählt es 25 Mitarbeiter–darunterweitereProgrammierer,Designer,Tester,Ärzte,Krankenpflegepersonal, Vertriebler.
DasProduktGesundheitslotseist bereits seit einem Jahr auf dem Markt, vor allem für VersicherungenundApothekeninteressantund funktioniert so: Eine Person, beispielsweise eine Frau, hat bestimmte Symptome – etwa Kopfschmerzen. Dann fragt die App gezielt nach, wie in einem ärztlichen Gespräch: Ist der Schmerz stumpf oder stechend? Wird er bei Belastung –etwabeimTreppensteigen–intensiver? Auf Basis der individuellen Antworten fragt der intelligente Assistentweiternach.AmEndestehen eineErsteinschätzungundEmpfehlungen für Ärzte, Krankenhäuser, telemedizinische Angebote, Therapien, medizinische Produkte oder spezielle Apps, die sich außerdem geografisch eingrenzen lassen. Sucht die Patientin also einen Spezialisten in ihrem Umfeld, wird die entsprechende Auswahl angezeigt.
Mithilfe unserer Produkte Gesundheitslotse und Anamnese+, die unsere Kunden in ihre sonstigen Angebote integrieren, holen wir die Gesundheit zu den Patienten statt andersherum.
Anamnese+ ist vor allem für ärztliches Personal und Krankenhäuser spannend. Denn hier geben PatientenübereinenZugangperLinkoder QR-Code alle Daten ein, die sonst in den Gesprächen vor Ort – oft mehrmals – abgefragt werden. Der sonst übliche Papierzettel, auf dem Patienten alles eintragen, entfällt. Der Gewinn: Treffen Ärzte und Patienten aufeinander, kann sich gleich der Behandlung gewidmet werden, dajaalleInformationenzurSymptomatik bereits digital vorliegen. Die Herausforderung der vergangenen Jahre sieht Bontrup vor allem darin, den potenziellen Kunden den Nutzen seines Produktes nachzuweisen. „Bei ärztlichem PersonalistdasderGewinnanZeit.Bei Versicherungen argumentieren wir mit der Navigation. Also dass Patienten gleich die passende Therapie finden und zusätzliche Angeboteindividuellpassendplatziertwerden können.”
Mehr als 800 Krankheitsbilder wurden bislang in die App eingespeist. Darunter auch Corona. Docyet war 2020 europaweit das erste Unternehmen mit Symptomcheck für die Viruserkrankung. 50000 Nutzer verzeichnete die App im vergangenen Jahr. Und auch bei den Kunden geht es voran. „Wir erleben einen Aufwärtstrend. Die Corona-Krise war großartig für unser Unternehmen und hat uns als digitalem Gesundheitsunternehmen einen Boost gegeben”, sagt Bontrup. Aktuell geht es etwas ruhiger zu. Die Kunden seien noch sehr mit der Krise beschäftigt und der VertriebunterdenaktuellenBedingungen spürbar erschwert.
„Unser Ziel ist, die Gesundheitskompetenz der Patienten zu erhöhen.UnsereVision:eineintelligente Softwarezuhaben,dieinjederSituation für jeden immer erreichbar und hilfreich ist und die Gesundheit der Patienten verbessert.” Um die Gruppe möglicher Nutzer zu erweitern und aktuell oftmals benachteiligte Patienten zu erreichen, arbeiten die Unternehmer gerade daran, neben Deutsch und Englisch zehn weitere Sprachen in die App einzuspeisen.
gründete. Auch die Universität LeipzigistseitdenerstenTagenmit dabei und unterstützt die Gründer in Forschung und Entwicklung.
Patienten nicht allein lassen
Die Idee zur App kam dem 39-Jährigen in Gesprächen mit Dr. Alexander Georgi, den er aus seiner ZeitaufderRingermattekennt.BeidehattenRingkampfalsLeistungssport betrieben, waren dann aber unterschiedliche Wege gegangen. Rehbein ist heute Kommunikationswissenschaftler, Georgi Arzt. „Wir operieren die Patienten auf höchstem medizinischen Niveau, dannlassenwirsiealleineundnicht selten kommen sie wieder, weil die Nachbetreuung nicht geklappt hat“, erläutert Georgi das Problem. DasZielderTherapie-App:medizinisches Wissen und Technologie so weit voranzutreiben, dass Patienten zu Hause ähnlich gut betreut werden, wie im Krankenhaus oder beim Physiotherapeuten. „Unsere App soll Patienten befähigen, selbstständig zu ihrer Genesung beizutragen“, so Rehbein. Im Dezember vergangenen Jahres erhielt eCovery die Zulassung als Medizinprodukt für Knietherapien. Ob Arthrose, Meniskusprobleme oder unspezifische Schmerzen – für all diese Diagnosen bietet die App seither Trainingsprogramme an. Seit dieser Woche sind auch die Programme für Hüft- und Rückendiagnosen verfügbar. „Unsere App ist damit deutschlandweit die einzige, die Trainingsprogramme für Patienten einer Totalendoprothetik,alsoeinesGelenkersatzesan Hüfte oder Knie, anbietet. Wir de-
ckenmiteCoveryjetzt20Millionen Diagnosen im Jahr ab“, sagt Rehbein. „Gleichzeitig wollen wir mit unserem Angebot dazu beitragen, unnötige Operationen zu vermeiden. Stichwort Kniearthrose: Jede zweite OP könnte durch eine konservative Behandlung möglicher-
Wir glauben nicht an den Ersatz eines Physiotherapeuten, sondern an eine hybride Lösung.
Wir sind Partner, keine Konkurrenten.
Benedict Rehbein Geschäftsführer eCovery
weise vermieden werden. Da wollen wir ansetzen.“
Patienten mit diesen Diagnosen erhalten den Zugang zum Trainingsprogramm zum Beispiel über ihre Ärzte, Physiotherapiepraxen oder Krankenversicherungen. Mehr als 50 KooperationspartnerinundumLeipzig zählt eCovery bislang zu seinem Kundenkreis.
Therapie in Corona-Zeiten Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung und damit auch dem inzwischen zwölfköpfigen Team von eCovery in die Karten gespielt.MitderNotkamdieOffenheitunddamiteinesteigende Nachfrage. „Rehasportvereine waren entweder geschlossen oder das Training nur in sehr begrenztem Ausmaß möglich. Für davon Betroffene kann unsere App, die unabhängig von Zeit undOrtfunktioniert,dieRettung sein“, findet Rehbein.
Wie es weitergehen soll? Programme für weitere Diagnosen und Gelenke sollen das Angebot erweitern. Auch könnte die App in andere Sprachen übersetzt und in weiteren Ländern – in Österreich ist eCovery schon aktiv –eingesetzt werden. „Denkbar ist für uns aber auch ein digitalisiertes betriebliches Gesundheitsmanagement für Mitarbeiter zur gesundheitlichen Prävention“, beschreibt Rehbein seine Vision. Fest steht für ihn aber auch: „Wir glaubennichtandenErsatzeines Physiotherapeuten, sondern an eine hybride Lösung. Wir sind Partner, keine Konkurrenten.“
Die Geschäftsführer von eCovery: Benedict Rehbein (r.) und Marcus Rehwald geben Einblick in ihre App. FotoS: Christian Modla
Von Patricia Liebling
Florian Bontrup Geschäftsführer Docyet
Die App Docyet schlägt die Brücke zwischen Patienten und ihrer medizinischen Versorgung. Grafik/Foto: docyet
Innovation Forschung & Unternehmen Unternehmer
Der Navigator für die Gesundheit
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Der Nächste, bitte!
Das Gesundheitswesen macht endlich Schritte in Richtung Digitalisierung. Die Patienten hätten gern mehr davon.
Von Roland Herold
Jahrelang geschah in Sachen Gesundheit und Digitalisierungwenigbisgarnichts.Nun aber macht der Bund Druck und auch die Corona-Pandemie wird zum Treiber. „Die Corona-Krise hat der Digitalisierung in vielen Gesundheitsbereichen einen enormen Schub verschafft“, sagt AndreasStorm,VorstandschefderDAK.
EinerepräsentativeUmfrageder
Krankenkasse unter rund 1000 Sächsinnen und Sachsen ergab, dass vor allem Jüngere Gesundheitsinformationen aus dem Netzgutbeurteilenundfürsichumsetzenkönnen,währendÄlterebesserihreBeschwerdenperVideochat schildern. Während sich vor der PandemieetwaeinViertelaufInternetportalen zu Gesundheitsthemen informierte, ist es inzwischen die Hälfte.
Videosprechstunden noch die Ausnahme
Diskrepanzen gäbe es aber bei den Videosprechstunden. Zwar sei alleinbeiderDAKinSachsendieZahl der abgerechneten Videosprechstunden von zwei (!) im vierten Quartal 2019 auf 1055 im zweiten Quartal 2020 regelrecht explodiert. Doch reicht das längst nicht aus. „Die Ergebnisse deuten auf ein Missverhältnis zwischen Nachfrage und Angebot hin. Deshalb müssen wir mehr digitale Kontaktmöglichkeiten entwickeln und zwingend die Ärzteschaft einbeziehen“, so Storm. Er verweist auf ein Fernbehandlungs-Modellprojekt mit der Kassenärztlichen Vereinigung und weiterenKrankenkassen.Dabeisoll zunächstindreisächsischenPilotregionen ein Angebot für Menschen mitleichtenErkrankungengeschaffen werden.
AOK Plus bietet
Impfdokumentation an Auch AOK-Plus-Vorstand Stefan Knupfersagt:„Welcheimmensendigitalen Defizite im Gesundheitswesen hierzulande bestehen, hat die Pandemie schonungslos offengelegt.“ Neue Herausforderungen trä-
Die Corona-Krise hat der Digitalisierung in vielen Gesundheitsbereichen einen enormen Schub verschafft.
Andreas Storm Vorstandschef der DAK
fen auf veraltete Strukturen. Um die Rückstände in der Telematikinfrastruktur aufzuholen und bürokratischeRegularienzubeseitigen,müsse dringend an Tempo zugelegt werden. Dabei warnt Knupfer vor Grabenkämpfen: „Gegenseitige Schuldzuweisungen sind kontraproduktivundtragennichtdazubei,den E-Health-Prozess zu beschleunigen.“
DieAOKPlushabefrühzeitigauf die Digitalisierung gesetzt. So förderemanbeispielsweiseseitJahren Start-ups,dieDigitaleGesundheitsanwendungen (DiGA) entwickeln. „Inzwischen sind DiGAs verordnungsfähig. Das ist ein Meilenstein.“ Allerdings müssten Ärzte diese auch verordnen und von Patienten müssten sie aktiv nachgefragt werden. Kritisch sei, dass die Preise nach der Zulassung vorerst
hat Handlungsbedarf
Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Sachsen sieht Reserven beim Thema Digitalisierung
Der Geschäftsführer der Sächsischen Krankenhausgesellschaft, Dr. Stephan Helm, sieht noch großen Aufholbedarf beim Thema Digitalisierung im medizinischen Versorgungsbereich.
Herr Dr. Helm, hat die Corona-Pandemie die Digitalisierung im Bereich der Krankenhäuser vorangebracht?
Wenn Corona die Digitalisierung im Klinikbereich vorangebracht hat, dann nur partiell. Die Pandemie hat aber auf jeden Fall den Handlungsbedarf deutlich gemacht und den Druck auf die Akteure verstärkt.
Problem Schnittstellen
Wo genau besteht Handlungsbedarf?
In den Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, dem Transport, der Logistik, dem Rettungsdienst und schließlich
auch dem Krankenhaus. Das sind alles Themen, die schon vorher auf demSchirmwarenundeinedigitale Ertüchtigung erfordern.
Wodurch wurde nun während der Pandemie der Druck verstärkt?
Die Corona-Pandemie schuf eine besondere Versorgungslage, die sehrschnellentstandenistundganz bestimmte Reaktionsnotwendigkeiten hervorgebracht hat. Ich denkedaandieVernetzung,dieDatenhaltung und -aufbereitung sowie die schnelle Kommunikation mit ganz anderen Akteuren als bisher. Dazu zählen beispielsweise die Gesundheitsämter.
Internetversorgung auf Land problematisch
Der Investitionsstau an den Kliniken ist hoch. Wird sich durch Corona etwas verändern?
Es ist eher ein Zufall, dass der Bund zumgleichenZeitpunktüberseinen Zukunftsfonds ein Programm aufgesetzt hat zur massiven digitalen Ertüchtigung der Kliniken. Das Arbeiten unter den Bedingungen der Corona-Pandemie versetzt uns indieLage,dieeineoderandereErfahrung dort gleich mit aufzunehmen.
Was liegt denn besonders im Argen? VorallemderländlicheBereichund die Bandbreite dort. Das Internet muss ausgebaut, die Belastbarkeit der Netze verstärkt werden.
Sensiblere Diskussion
Warum ist das so wichtig?
In Sachsen wurde die Versorgung der Corona-Patienten gut und erfolgreich in drei Clustern und unter der Verantwortung der Universitätskliniken in Leipzig und Dresden
von den Herstellern frei festgelegt werden.
TK-Safe wird zum Erfolgsmodell Die Techniker Krankenkasse hat mit der am Beginn des Jahres gestarteten elektronischen Patientenakte bereits die Marke von 100 000 Nutzern geknackt. Wer die etwa zehn Minuten zur Freischaltung aufgebracht hat, kann von da an übereineAppdieAkteTK-Safefüllen lassen. In der Basisversion stehen dann der Medikationsplan, der Arztbrief, persönliche Erklärungen oder auch Behandlungsdaten in elektronischerFormzurVerfügung.
Ab kommenden Jahr werden weitere Daten folgen. Seit 2019 sammelt die Techniker Krankenkasse auch Erfahrungen mit dem eRezept, das bundesweit 2022 starten soll. Papierrezepte wird es dann
nur noch im Ausnahmefall geben.
Vorteil: Der Patient bekommt das Rezept beim Arzt aufs Handy, kann es sofort zur Apotheke senden und sich das Medikament später abholenoderliefernlassen.Einetelefonische pharmazeutische Beratung ist noch möglich. „In Sachsen können bereits 52 Apotheken das eRezept entgegennehmen“, sagt TK- Sprecherin Katrin Lindner.
Barmer-App mit Gesundheitsmanager
Bei der Barmer heißt die elektronische Patientenakte eCare. Für den erstmaligen Zugang können die Versicherten ihre Identität per App prüfen lassen oder (nach vorheriger Terminabsprache) in eine der Geschäftsstellen gehen. „Gerade in der Corona-Pandemie ist ein unkomplizierter und kontaktloser
Eine Ärztin kommuniziert mit ihrem Patienten über das Internet. Im Zuge der Corona-Krise rücken Angebote, die einen digitalen Arztbesuch versprechen, immer mehr in die Aufmerksamkeit.
Foto: Jochen Tack
Erstzugang zur elektronischen Patientenakte wichtig“, sagt Landesgeschäftsführer Fabian Magerl. eCare bietet neben dem gesetzlich vorgeschriebenen Standard bereits heute Extrafunktionen wie den Mediplaner. Er liefert den Versicherten einetransparenteÜbersichtüberalleverordnetenundprivatgekauften Arzneimittel.
2020 nutzten bundesweit rund 1,6 Millionen Versicherte die Barmer-App. Sie beinhaltet auch einen Gesundheitsmanager. Er erinnert zumBeispielanVorsorge-undImpftermine und enthält ein digitales Zahnbonusheft. „Momentan ist allerdings die zentrale Frage, wie viel Kontrolle die Versicherten über ihre Daten haben oder wofür und von wem diese Daten genutzt werden“, so Magerl. Sicherheit und Datenschutz seien unverzichtbare Pfeiler.
sowie dem Städtischen Klinikum in Chemnitzorganisiert.Dabeifanden viele Abstimmungen digital statt. Auch mit anderen Bundesländern, als Patienten ausgeflogen werden mussten.
Wird von dieser Art zu arbeiten etwas übrigbleiben?
Etwas schon. Wir diskutieren mittlerweile das Thema „Besondere Versorgungssituation“ schon sensibler. Wir sehen, dass wir nicht gut vorbereitet waren auf bestimmte Szenarien. Vollkommen unabhängig davon, ob das eine Corona-Pandemie, eine komplizierte Unwetterlage oder ein anderes Großschadensereignis ist – die digitale Leistungsfähigkeit des Systems gehört dazu. An der Stelle sind wir gut beraten, etwas zu tun.
18 Forschung Innovation & Leben Stil
„Pandemie
deutlich gemacht“
Von Roland Herold
Porträt von Dr. Stephan Helm, Geschäftsführer der Sächsischen Krankenhausgesellschaft.
Foto: Dirk Knofe
Sonderkonjunktur für Laborbetreiber
Corona-Pandemie mit außergewöhnlichen Auswirkungen auf Test-Betrieb/Nahezu unfassbar hohe Herausforderungen für das Personal / Zeitfaktor als zusätzliche Belastung
Von Ulrich Langer
Unvorstellbar, unvorhersehbar, unausweichlich – diese Worte umschreiben in etwa die Dramatik, mit der die Corona-Pandemie die sächsische undbundesdeutscheLabor-Branche in Aufruhr versetzt hat. Der enorme AnstiegderdurchzuführendenTests hatdenUnternehmenGroßesabverlangt. In besonderem Maße auch dem Medizinischen Versorgungszentrum am Universitätsklinikum Leipzig (MedVZ). „Mit steigenden Inzidenzen wurde im Vergleich zum viertenQuartal2019fastdasZehnfacheanTestungendurchgeführt“,berichtet die MedVZ-Geschäftsführung. Das habe zu ungeheuren zusätzlichen Arbeitsbelastungen geführt.DerAlltagindenLaborenhabe sichin der Folge „natürlich deutlich verändert.Insbesonderewurdengeplante Urlaube verschoben, das Schichtsystem ausgeweitet und vor allem das nicht ärztliche Personal aufgestockt“.
Das und der „hervorragende“ Einsatz der Beschäftigten habe geholfen, die schwierige Situation zu meistern. Dafür bedanke die Geschäftsleitung sich ausdrücklich „bei allen Beteiligten und Unterstützern für ihren unermüdlichen Einsatz, vorrangig bei unseren Mitarbeitern“. Inzwischen entspanne sich die Lage zum Glück wieder. So habe das MedVZ beispielsweise im erstenQuartaldiesesJahresimVergleich zum Vorquartal bei den Tests „einen Rückgang um 60 Prozent“ verzeichnet. „Wir nehmen an, dass sichdieserTrendmitdemRückgang derInzidenzensicherweiterfortsetzenwird“,prognostizierendieLeipziger Experten.
Frühzeitig Ressourcen geschaffen
TrotzallemseiendieAuswirkungen der Corona-Pandemie auf die Arbeit des Zentrums weitreichend gewesen. In der Zeit, als die NachfragenachTestskräftiganzog,„hatten wir Glück, dass wir uns bereits sehr frühzeitig mit der Thematik auseinandergesetzt und entsprechende Ressourcen geschaffen haben“, so die MedVZ-Chefetage.
Insbesondere im zweiten und dritten Quartal des vorigen Jahres „haben wir bereits erste deutliche Fallzahlanstiege bezogen auf das Corona-Virus sehen können. Besonders deutlich ist dies im vierten Quartal geworden, hier hatten wir vor allem durch die schwierige Situation in den Gebieten des Osterzgebirges und der Sächsischen Schweiz einen steigenden Bedarf an PCR-Auswertungen.“ Dieser konnte den AngabenzufolgeindendortigenLaboren nicht mehr befriedigt werden, „so dass uns insbesondere durch die GesundheitsämtereineenormeAnfrage nach Testungen erreichte“. Dies sei unter anderem durch die massiven Ausbruchsgeschehnisse in Altenheimen oder Flüchtlingsunterkünften verursacht gewesen. Positiv betrachtet, betont die Geschäftsleitung des MedVZ, „können wir insofern ab Herbst 2020 sicherlich von einer Sonderkonjunktur bezogen auf PCR-Testungen sprechen“.
Allerdings habe sich das nicht linear in höheren ökonomischen Ergebnissen niedergeschlagen. Zwar seien mit den zunehmenden TestFallzahlen auch die Umsätze gewachsen. Allerdings müsse dabei berücksichtigt werden, „dass auch Personal- sowie Sachkosten in gleichem Maße, wenn nicht sogar deutlicher gestiegen sind. Von einem wirtschaftlichen Nutzen ist daher nicht zu sprechen“, heißt es im Management,vielmehrhandeleessich um „eine Notwendigkeit für die Patientenversorgung“.
Ständig veränderte
Abrechnungsmodalitäten
So gut die enormen Herausforderungen am Ende auch gemeistert wurden,ganzohneEckenundKanten ist das Ganze dennoch nicht ab-
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Seit Beginn der Erfassung wurdenbisher rund 59,2 Millionen Proben getestet. Die Zahl der Tests ist jedoch nicht mit der Zahl der getesteten Personen gleichzusetzen, da zum Beispiel in den Angaben Mehrfachtestungen von Patienten enthalten sein können.
als 4 Millionen Test waren positiv.
Quelle: RKI Anzahl durchgeführter Tests für das Corona-virus (COVID-19) in Deutschland nach Kalenderwochen Foto: pexels.com by Chokniti Khongchum
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Das Corona-Virus hat sich mittlerweile in mehr als 190 Ländern ausgebreitet. Derzeit werden aus den USA,Brasilien, Indien, der Türkei undRussland die höchsten Fallzahlen gemeldet. In Europa verzeichnenItalien, Spanien, Frankreich,Deutschland und das Vereinigte Königreich die meisten Corona-Infektionen.
Sachsen investiert eine Milliarde
Sachsen hat in den vergangenen 20 Jahren rund eine Milliarde Euro in seine Biotechnologieoffensive gesteckt. InvestiertwurdeinForschungsinfrastruktur, neue Professuren, Bio-Innovationszentren und zahlreiche Forschungsund Investitionsprojekte, wie das Wirtschaftsministerium kürzlich mitteilte. „Das zahlt sich heute aus.“ Das Ministerium sieht „enormes Innovations- und Zukunftspotenzial“ in der Gesundheitswirtschaft mit einem Jahresumsatz von 1,9 Milliarden Euro. Die Pandemie zeige deren Bedeutung für die Bekämpfung und Überwindung einer globalen Gesundheitsbedrohung. Der Freistaat will ForschungundProduktionneuer Medikamente gegen Krankheiten wie etwa den Erreger Sars-CoV-2 weiter unterstützen, die bestehenden Forschungs- und Produktionsstandorte der Pharmaindustrie stärken sowie die Gründung und Ansiedlung von Unternehmen fördern. dpa
gelaufen. Die MedVZ-Experten bringen es auf den Punkt. „Das sicherlich Schwierigste waren die stetig veränderten Abrechnungsmodalitäten sowie die damit verbundenen geänderten Formalien.“ Dadurch habe das Praxispersonal stets unterscheiden müssen, „warum eine Testung erfolgt und dies mehrfach und eineindeutig dokumentieren“ müssen. Es sei zu unterscheiden gewesen, ob der Test aufgrund einer auftretenden Symptomatik oder aufgrund von Kontaktpersonen, nach Meldung der Corona-Warn-App oder eines Auslandsaufenthaltes ausgelöst wordensei.Daraushättensichwiederum unterschiedliche Abrechnungsformen und Vergütungen ergeben. All das habe den Patienten und dem Praxispersonal zum Teil viel Geduld bei Nachfragen abgefordert. „Mitunter waren notwendige Formulare nicht in der ausreichenden Menge verfügbar. Wir haben viel Verständnis und ebenso viel Unverständnis von Patienten und den umliegenden Arztpraxen und Ämtern bei den meist sehr kurzfristig umzusetzenden Veränderungenerfahren“,beschreibtdie Geschäftsleitung die Misere.
Allerdingsräumtsiezugleichein, dass die Beteiligten infolge der Corona-Pandemie vor einer „nahezu nicht fassbaren Herausforderung standen. Für uns alle war die Situation als solche eine schwere Aufgabe,beidersichderFaktorZeitoftals limitierender Faktor herausgestellt hat“.
Das Medizinische Versorgungszentrum
Das Medizinische Versorgungszentrum am Universitätsklinikum Leipzig gGmbH wurde 2007 als 100-prozentige Tochter des Universitätsklinikums Leipzig (UKL) zum Zwecke der sektorübergreifenden Versorgung der Patientinnen und Patienten der Region Leipzig gegründet. Die Gesellschaft ist gemäß Bescheid des Finanzamtes Leipzig II als eine gemeinnützige Gesellschaft anerkannt.
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durchgeführte Tests pro Kalenderwoche Anteil postive Tests
Flynex peilt mit Software für Drohnen den Höhenflug an
Leipziger Start-up sieht
Einsatzmöglichkeiten in 34 Branchen
Vorsichtig klettert der Mitarbeiter von EnviaM den 80 MeterhohenStrommastherunter. Wieder auf festem Boden angelangt, trägt er das Ergebnis seiner Untersuchung in das Prüfprotokoll ein: Alles in Ordnung. Bundesweit gibt es 350000 dieser stählernen Riesen, die regelmäßig gewartet und überprüft werden müssen.Einearbeits-undkostenintensiveAngelegenheit.Dochsienähert sich dem Ende. Auch bei EnviaM, dem führenden ostdeutschen Energieversorger, wird diese Tätigkeit vermehrt von Drohnen übernommen.UnddakommtdasLeipziger Start-up Flynex ins Spiel. Denn die Firma, die zu den Pionieren auf dem deutschen Drohnenmarkt zählt,hateinewegweisende,cloudbasierteSoftwarelösungentwickelt, wodurch das Projektmanagement vollständig digitalisiert wird. In der Regel dauert allein die Planung für einen Drohnenflug im unternehmerischen Einsatz fünf Stunden. Bei
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Wir sind der einzige Anbieter in Europa, der sich auf die Datengenerierung spezialisiert hat.
FlynexsindnurwenigeMinutenerforderlich. Dank digitaler und automatisierterProzessekönnendieFirmen ihre Geschäftsmodelle direkt skalieren. „Wir sind der einzige Anbieter in Europa, der sich auf die Datengenerierung spezialisiert hat“, sagt Vorstandschef Andreas Donsch. Planung, Durchführung und Analyse also aus einer Hand. Schließlich sind die Kunden nicht am Drohnenflug interessiert, sondern an den gewonnenen Daten. Kosten werden reduziert „Es gibt in 34 Branchen AnwendungsfällefürunsereSoftware“,betont der 38-Jährige, der in Rodewisch im Vogtland das Licht der Welt erblickte und in Zschopau aufwuchs. Die Vorteile für die Auftraggeber liegen laut Donsch, der verheiratet ist und vier Kinder hat, auf der Hand. „Wir helfen ihnen, die Kosten zu senken.“ Beispielsweise großen Wohnungsunternehmen bei der vorgeschriebenen regelmäßigen Kontrolle der Dächer. Bislang müssen eigens dafür geschulte Beschäftigte auf die Dächer steigen, nach Rissen und Schäden suchen. Eine aufwendige Prozedur. Drohnen mit der Flynex-Software macheninwenigenMinutendetaillierte Aufnahmen der Fassaden und Dächer, die Auswertung erfolgt mit Unterstützung der künstlichen Intelligenz.Eineentwickelte3-D-Karte zeigt, wo Drohnen ungehindert fliegen dürfen, wo Vorsicht angebrachtist.DieAusgabensinkeninsgesamt um 90 Prozent.
Auch in der hiesigen Region ist Flynex aktiv. Gemeinsam mit der städtischen IT-Beratung Lecos in Leipzig wurden in einem mehrmonatigen Projekt die Einsatzmöglichkeiten von Drohnen in der Kommunalverwaltung getestet. Dabei ging es nicht nur um die technische Handhabung,sondernvorallemum die Verarbeitung der beim Drohneneinsatz gewonnenen Daten.
Eine Einsatzmöglichkeit sieht Lecos, wenig überraschend, in der Dachinspektion. „Hierbei erspart der Drohneneinsatz Beträge bis in den fünfstelligen Bereich“, so die kommunale Firma. Perspektivisch könnte die Drohnennutzung zum normalen Werkzeug für die Stadtverwaltung werden, so der ITDienstleister.
Donsch berichtet, dass sein Unternehmen auch den medizinischen Luftfrachtdienst vorantreibt. So seien im vorigen Jahr erstmals
medizinische Proben zwischen dem Hamburger Marien-Krankenhaus und der dortigen Bundeswehr-Klinik per Drohne befördert worden. Aufgrund des Erfolges solle nun die zweite Phase eingeläutet und der regelmäßige Betrieb getestet werden.SeitMärzkooperiertFlynexmit der KSI Data Sciences in Kalifornien. Die beiden Partner bieten ein Livestreaming von Drohnen an, das Video- und Datenübertragungen weltweit in Echtzeit ermöglicht. Diese Lösung erleichtert nach AngabenvonDonschdenDrohneneinsatz in unübersichtlichen Situationen, etwa bei Unfällen oder Bränden.
Ziel: Marktführerschaft SeinFaiblefürDrohnenentwickelte Donsch bei der Bundeswehr, wo er es bis zum Hauptmann brachte.
„Dort kam ich mit Drohnen in Verbindung“, beschreibt er das etwas zurückhaltend. Gemeinsam mit zwei anderen Fallschirmjägern und
Eine von Flynex entwickelte 3-D-Karte zeigt an, wo Drohnen fliegen dürfen.
Andreas Donsch, Gründer und Geschäftsführer Flynex GmbH, hat sein Büro im Leipziger SpinLab aufgeschlagen.
Fotos: Christian Modla
einem Softwareentwickler gründeten sie 2015 ihre Firma in Hamburg. „Wir hatten nur die Idee, sonst nichts.“ Die Firma startete zwei Jahre später mit dem Umzug nach Leipzig durch, aus 7 Mitarbeitern wurdeninzwischen30.DerTechnologiegründerfonds Sachsen steuerte zur Finanzierung eine siebenstellige Summe bei. Donsch ist auch dank dieser Geldspritze zuversichtlich, dass der unternehmerische Höhenflug anhalten wird. Zunächst geht es darum, rasch Marktanteile zu gewinnen, dann sollten die schwarzen Zahlen automatisch kommen. Die Aussichten scheinen günstig zu sein. Derzeit gibt es in Deutschland 430000Drohnen,davonsindknapp zehn Prozent im gewerblichen Einsatz – mit stark steigender Tendenz. „Wir wollen Marktführer werden“, verkündet Donsch. Und hat mit einer Niederlassung in San Francisco bereits den Weg der Internationalisierung beschritten.
Am Flughafen Cochstedt entsteht das nationale Erprobungszentrum für Drohnen
Die Geschichte ist voll von Luftnummern. Ende der 1990er-Jahre wollen US-Investoren den ehemaligen Militärflughafen in Cochstedt mit Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe wiederbeleben. Doch daraus wird nichts, 2002 ist der Airport pleite. Ein dänischer Investor kommt acht Jahre später, steckt 6,5 Millionen Euro in den „Airport Magdeburg-Berlin International“. Zunächst mit Erfolg – 2011 jettet der erste RyanairFlieger nach Barcelona. Doch die Iren ziehen sich zwei Jahre darauf wieder zurück, der Flughafen muss erneut Insolvenz anmelden. Doch jetzt hat der Standort offenkundig eine gute Zukunft. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erweckt ihn aus dem Dornröschenschlaf, ist neuer Eigen-
tümer und hat dort jetzt im Frühjahr das „Nationale Erprobungszentrum für zivile unbemannte Luftfahrtsysteme“ gegründet. Damit bündelt das DLR seine Forschungsanstrengungen zu Drohnen im Salzlandkreis, plant in den nächsten vier Jahren Investitionen in Höhe von mindestens 20 Millionen Euro und will 60 Arbeitsplätze schaffen.
Der Weg zur praktischen Erprobung sei nur offen, „wenn Innovatoren ihre Ideen insicherer Umgebung testen können“, begründet Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, das Ziel. „Mit dem Erprobungszentrum wollen wir die Grundlagen dafür legen, dass Drohnenanwendungen aus dem Labor in die Praxis kommen.“ Mit
der Einrichtung verfüge die Region „über einen technologischen Leuchtturm, der weitere Unternehmen und Innovatoren anzieht“, so Jarzombek. Unbemannte Luftfahrtsysteme werden heute unter anderem in der Katastrophenhilfe und für den Medikamententransport in entlegene Gebiete eingesetzt. Erfolgreich getestet in Cochstedt wurde bereits der Prototyp einer Tragschrauber-Drohne. Sie soll künftig bis zu 200 Kilogramm schwere Frachtstücke in niedrigen Flughöhen bis zu 500 Kilometer weit transportieren. Das Drohnenzentrum versteht sich auch als Inkubator für Start-ups und arbeitet zudem mit wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen, beispielweise mit der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. mi
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Von Ulrich Milde
Andreas
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Donsch Vorstandschef
Zu Besuch bei: Dr. Sabine König, Administrative Geschäftsführerin des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung
Finanzen, Personalangelegenheiten, Recht und Infrastruktur – all diese Bereiche zählen zu Dr. Sabine Königs täglichen Aufgaben am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Womit sich die Experten am Helmholtz-Zentrum aktuell vor allem befassen? „Mit der Adaption an den Klimawandel, einem Projekt, in dem es darum geht, Coronaviren im Abwasser nachzuweisen, und mit dem Dürremonitor“, sagt König. Letzterer gibt an, wie viel Wasser sich in den einzelnen Bodenschichten befindet. „Im Frühjahr gab es zwar einiges an Regen und im Oberboden sieht es auch gut aus. Das Wasser in den tiefen Bodenschichten reicht aber noch nicht aus“, gibt sie einen kurzen Einblick.
Im Dezember jährt sich die Gründung des HelmholtzZentrums zum 30. Mal. Doch auch wenn sich die Lage in der Corona-Pandemie zu entspannen scheint, ein großes Fest in Präsenz ist nicht geplant. Stattdessen ist angedacht, das Jubiläum und die Verabschiedung des wissenschaftlichen Geschäftsführers Professor Dr. Georg Teutsch in den Ruhestand zusammenzulegen. Das wäre dann aber erst Ende März 2022. Für den Winter ist statt des gewohnten Jahresempfangs nur ein digitaler Spaziergang geplant – so wie auch schon im Vorjahr.
Auch sonst ist von einer Vor-Corona-Normalität noch wenig zu sehen. Von den etwa 850 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die sonst die Einrichtung mit Leben füllen, sind aktuell 200 bis 300 anwesend. Alle anderen arbeiten aus dem Homeoffice heraus.
Stichwort Büro: Das Arbeitszimmer von Dr. Sabine König liegt in der vierten Etage. Es ist hell, geräumig und hat einen direkten Zugang zu einer Terrasse. „Im Herbst und Frühjahr kann ich von hier aus wundervolle Sonnenuntergänge betrachten.“ Übernommen hat die gebürtige Heilbronnerin das Büro vor zwei Jahren von Heike Grassmann. Verändert hat sie daran kaum etwas. Das große Waldporträt erinnert sie an den Privatwald ihres Mannes. Außerdem mag sie die
Boss Büro
Waldporträt: Das zierte bereits das Büro der Vorgängerin. König mag grün und das Bild erinnert sie an den Privatwald ihres Mannes. Also blieb es hängen.
Stehpult: Hierhin wechselt die Geschäftsführerin gerne zwischendurch.
Teekanne: Nach Schwarztee zum Frühstück gibt es auf der Arbeit vor allem Rotbuschtee.
Fahrradtasche: Den Arbeitsweg legt Dr. Sabine König täglich mit dem Rad zurück.
Dr. Sabine König in ihrem Büro im HelmholtzZentrum für Umweltforschung. Fotos:André Kempner
Convertible: Ob im Büro oder unterwegs. Das Convertible – Laptop und Tablet in einem – ist eines ihrer liebsten Werkzeuge.
Farbe Grün. Also blieb es hängen. König legt den täglichen Arbeitsweg mit dem Fahrrad zurück; die Fahrradtasche ist daher ein fester Begleiter. Ebenso wie der Tee. „Ich trinke gerne und viel Tee“, sagt sie. Ein Liter zum Frühstück sei keine Seltenheit. Nach dem Schwarztee zum Morgen kommt auf der Arbeit Rotbuschtee in die Kanne. „Der schmeckt ähnlich wie Schwarztee, hat aber kein Teein. Ich kann ja nicht drei Liter Schwarztee am Tag trinken.“ Für den optimalen Fokus auf ihre Arbeit verzichtet die 56-Jährige auf jeglichen Schnickschnack. „Mein
Arbeitsplatz ist nicht mein Wohnzimmer. Ich bin auch nicht so der Dekotyp, ich bin eher praktisch veranlagt“, sagt sie. Aktenberge und Notizzettel sucht man in diesem Büro vergebens. König schätzt das Digitale. Zur mobilen Arbeit nutzt König gerne ein Convertible, auf dem sie auch mit einem speziellen Stift schreiben kann. „Ich bin nicht sehr ordentlich mit Papiersachen. Sonst hatte ich nach einem halben Jahr immer so viele Stapel angehäuft, dass ich nicht mehr genau wusste, was darunter eigentlich ist. Die elektronische Ablage liegt mir mehr“, erklärt sie. Da-
Baustellenausrüstung: Für Besuche auf der Baustelle liegen Helm und Warnweste bereit.
Bücher: Einem besonderen Buch aus dieser kleinen Ansammlung möchte Köng sich in jedem Fall noch widmen.
her habe sie beschlossen, alle Dokumente, die das erlauben, elektronisch aufzubewahren. Auch sonst ist das Büro überschaubar eingerichtet. ein Konferenztisch, ein Stehpult, eine Orchidee, ein Bauzeitenplan für ein neues Büro- und Laborgebäude, den sie gerne im Auge behält. Und ein paar Bücher. „Das hier“, sagt König, „möchte ich gerne noch lesen. ‚Leipzig Permoserstraße: Zur Geschichte eines Industrie- und Wissenschaftsstandorts’.“
Die Vergangenheit in den Händen blickt sie mit klarem Blick nach vorne.
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Die Füllett-Cups
Zutaten: Mehl, Wasser, Rapsöl und Salz
Backzeit: je nach Cup-Größe zwischen zwei und drei Minuten
Eigenschaften: knusprig, geschmacksneutral und flüssigkeitsfest
Preis: 73,90 Euro für „Mix-Sortiment“ mit 260 Cups in allen Größen
Goldbraun und handlich: Das sind die essbaren FüllettCups.
Marion Thiele und Wolfgang Linke –Erfinder, Ehepaar und Inhaber von Füllett.
Vom Brotteig zum abgepackten, essbaren Geschirr – ein Blick in die Produktion.
Fotos: Anja Schneider
Gut verbackt
Schon bald soll Einwegplastik per Gesetz der Vergangenheit angehören. Eine ökologische Alternative bietet die Firma Füllett aus Dresden, die essbare Schüsseln aus Brotteig herstellt.
In einem Industriekeller in Dresden steht seit 20 Jahren eine Maschine, die weltweit einzigartig ist. Sie gehört einem Erfinder-Ehepaar, das mit patentierter Technologie dem globalen Müllproblem etwas entgegensetzen will: Marion Thiele und Wolfgang Linke sind Inhaber der Firma Füllett. Mithilfe ihres selbst entwickelten Backautomaten fertigen sie essbare Schalen aus Brotteig.
„Unser Produkt bietet eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichem Einweggeschirr. Während dieses letztlich in der Mülltonne landet, können unsere ‚FüllettCups’ verzehrt werden – bis auf den letztenKrümel“,sagtMarionThiele, währendsiedurchihreProduktionshalle führt. Am Fließband bleibt die Geschäftsführerin stehen und begutachtet die fertigen, goldbraunen Snack-Schüsseln.
Die Schalen von Füllett sind biozertifiziert und vegan. Sie erinnern an Eiswaffeln, allerdings ist das Dresdner Produkt völlig geschmacksneutral. Der Teig dafür wird vor Ort zusammengemischt und zu Kügelchen geformt. Anschließend geht es in den Ofen, wo der Teig verdichtet und gebacken wird. Nach wenigen Minuten sind die Cups fertig.
Die Hauptklientel von Füllett kommtausderGastronomieundaus dem Eventbereich. Gerade für Biergärten, Märkte und Feste seien die Schalengeeignet,meintFirmenchefin Thiele: „Wenn Gastronomen unserProduktgegenüberihrenGästen gut kommunizieren, liegt die Verzehrquote der Cups bei über 80 Prozent“, sagt sie. „Und selbst die verbleibenden Reste sind dann nur einfacher Speiseabfall, der im Müll platzsparend zerbricht und somit Müllvolumen und Entsorgungskosten drastisch minimiert.“
WährenddesCorona-Lockdowns
lief die Backanlage in Dresden zwar nur auf Sparflamme. Doch nun, da sich die Situation entspannt und die Gastronomie wieder öffnen darf, hofft Geschäftsführerin Thiele auf neuen Schwung. Auch einer gesetzlichen Neuerung sieht sie hoffnungsvoll entgegen: Ab dem 3. Juli wirdEinwegplastikinderEUverboten – Plastikgeschirr und Wegwerfbehälter aus Styropor dürfen dann nicht mehr produziert werden. AlternativenwiedieFüllett-Cupskönnen dann noch attraktiver werden. „Die Nachfrage wird zwangsläufig steigen. Der aufblühende Markt eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten“, ist Thiele sicher.
Dank der besonderen Backtechnik sind die knusprigen Schüsseln fest versiegelt und lassen keine Feuchtigkeit durch. Je nach Füllung könnenSpeisenbiszu12Stundenin den Cups aufbewahrt werden.
Irgendwann kam uns dann die zündende Idee: Warum tauschen wir Plastikschalen und Pappen nicht gegen essbare Schüsseln ein?
Marion Thiele Geschäftsführerin Füllett
Trotzdem seien sie vorzugsweise für den Vor-Ort-Verzehr und nicht als Verpackung zum Mitnehmen gedacht, wie Thiele betont.
Die Füllett-Cups werden bislang in vier verschiedenen Größen produziert:Von20bis250MilliliterFüllmengeistfürjedenetwasdabei.Die kleinsten Schalen dienen zum Anrichten kreativer Fingerfood-Ideen, in den größeren können etwa Suppen oder Salate serviert werden. Zum Einfrieren von Speisen eignen sichdieGefäßeebenfalls.„Undklar, auch Trinkbecher oder Besteck aus Teig wären kein Problem für unsere Maschine“, sagt Linke. MittlerweilesuchtdasUnternehmerpaar aber nicht mehr nur nach Abnehmern für ihre besonderen Backwaren, sondern denkt schon weiter: „Wir sind auf der Suche nach backaffinen Unternehmen, die neuen Produkte offen gegenüberstehen und eine Lizenz für unsere Fertigungsanlage erwerben wollen“,erklärtLinke.EslaufenbereitsGesprächemitMaschinenbaufirmen, die nur noch auf erste Kunden warten, um den Backautomaten im Großformat nachzubauen.
„Bis zu 40 Millionen Schalen könnte ein einziger Industrie-Automat nach dem Maschinenkonzept von Füllett jährlich herstellen. Alles steht bereit, es kann schon morgen losgehen.“
Ihre ökologische Geschäftsidee kam Marion Thiele und Wolfgang Linke übrigens schon Ende der 1990er-Jahre: „Wir waren damals noch in der Gastronomie tätig und hatten unseren eigenen Cateringbetrieb“, erinnert sich Thiele. „Dabeihabenwirerstgemerkt,wieviel Abfall sinnlos produziert wird. Sogar das viel gepriesene Bio-Einweggeschirr hat mit seinem großen Müllvolumen hohe Entsorgungskosten verursacht. Irgendwann kam uns dann die zündende Idee: WarumtauschenwirPlastikschalen und Pappen nicht gegen essbare Schüsseln ein?“
Gesagt, getan: Als studierter Verfahrenstechnologe übernahm Wolfgang Linke die Entwicklung der Backanlage. Er tüftelte an der Maschinerie, seine Frau kümmerte sich derweil um den Vertrieb. Über die Jahre ist das Pilotprojekt gewachsen und gediehen: Das Familienunternehmen hat mit der Zeit einenbreitenKundenstammaufgebaut und auch zwei weitere Mitarbeiter eingestellt. „Der Weg, den wir gegangen sind,warnichtimmerleicht“,bilanziertThiele.„Wirhättenselbstnicht gedacht,dassessolangedauert,bis Unternehmen, Politiker und Verbraucher das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckt haben. Umso mehr wollen wir nun aber endlich unseren Beitrag leisten.“
Stichwort Einwegplastik
Immer mehr Menschen konsumieren Essen außer Haus oder lassen es sich liefern. Einen Kaffee to go, ein Schnitzel oder asiatische Nudeln in der Styropor-Box – ausgetrunken, aufgegessen, Verpackung weggeschmissen. Das ist bequem, aber dadurch wird immer mehr Müll verursacht.
320000
Stündlich werden allein in Deutschland rund 320 000 Einweg-Becher für heiße Getränke verbraucht, wie das Bundesumweltministerium mitteilt.
Die Abfallbilanz von Einweggeschirr und To-goVerpackungen betrug im Jahr 2017 mehr als 346 000 Tonnen, das ergab eine Erhebung der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung. Die Menge der Kunststoffabfälle insgesamt stieg laut Umweltbundesamt zwischen 2015 und 2017 um 3,9 Prozent auf 6,15 Millionen Tonnen. Das war bisher Höchststand.
Am 3. Juli tritt daher in der Europäischen Union das 2019 beschlossene Verbot bestimmter Plastik-Wegwerfartikel in Kraft. Einwegbesteck und -geschirr aus Plastik dürfen dann EU-weit nicht mehr produziert werden. Auch Trinkhalme, To-go-Becher, Fast-Food-Verpackungen und Wegwerfbehälter aus Polystyrol stehen auf der Liste. Verboten werden zudem Wegwerfgeschirr und -besteck aus biobasierten oder biologisch abbaubaren Kunststoffen. Das Gleiche gilt für Einweggeschirr aus Pappe, das mit Kunststoff überzogen ist. Der Handel kann zwar noch vorhandene Einwegware abverkaufen, zeitnah dürften die Restbestände allerdings aufgebraucht sein. Einige Wegwerfprodukte aus Kunststoff bleiben hingegen weiter erlaubt. Dazu gehören etwa Feuchttücher und bestimmte Hygieneartikel sowie Zigaretten mit kunststoffhaltigen Filtern. Sie müssen jedoch ab dem 3. Juli ein spezielles Kennzeichen aufweisen, das vor Umweltschäden durch Plastik warnt und Verbraucher über die korrekte Entsorgung informiert.
Das bevorstehende Verbot zwingt Produzenten und Verbraucher zum Umdenken. Die Umstellung auf Alternativen ist in vollem Gange. So wären etwa Bambusgabeln oder Schüsseln aus Pressfasern denkbare Optionen. Allerdings sind diese nach einer Untersuchung von Verbraucherschützern teils problematisch: Zum Teil seien die Bestecke und Gefäße mit Chemikalien belastet und auch nicht vollständig biologisch abbaubar, wie der europäische Verbraucherverband BEUC jüngst kritisierte. In Anbetracht dessen könnten sich Produkte wie die Füllett-Cups aus Dresden tatsächlich als ökologische wie schmackhafte Geheimwaffen im Kampf gegen das Müllproblem entpuppen.
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Von Junes Semmoudi
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Von Apfelsaftrausch bis Marktschwärmerei
Simon Kruse ist vor fünf Jahren mit seiner Mobilen Mosterei in Delitzsch gestartet. Mit seiner neuen Projektidee „Marktschwärmerei“ hat er die Stadt nun um einen regionalen Erzeugermarkt reicher gemacht.
Von Nannette Hoffmann
Wennmanetwastut,dann solltemanesmitLeidenschafttun.DennLeidenschaft gibt uns erst den Mut, Neues zu probieren, Wege anderszugehen,vielleichtsogargegen den Strom zu schwimmen. LeidenschaftgibtunsdieKraft,durchzuhalten, auch mal zu scheitern und trotzdemwiederaufzustehen.Undgenau diese Leidenschaft spürt man bei Simon Kruse – jede Sekunde. Man kannsiesehen,hören,sprichwörtlich fühlen. Seine Leidenschaft ist bewundernswert und ansteckend.
Nachhaltigkeit und Schonung der natürlichen Ressourcen sind zweiderwichtigstenBeweggründe, warumertut,wasertut.„Ichmöchte
in30JahrenmitmeinenKindernam
Tisch sitzen und wissen, dass sie weiterhin gut auf unserem Planeten leben können“, betont der zweifache Familienvater aus Zaasch. Dass dafürjederetwastunmussundauch kann, versteht sich von selbst. Doch nicht alle machen es.
„Saft für alle“
MachenlautethierdasZauberwort.
Simon Kruse hat gemacht. Er hat seinen Bürostuhl gegen einen Platz an einer mobilen Saftpresse ge-
tauscht. Bewusst. „Manchmal muss man einfach anfangen, damit etwas beginnt“, sagt der 37-Jährige. 2016 hat er die mobile Mosterei „Saft für alle“ ins Leben gerufen – eine riesige, auf einen Anhänger verbaute Presse. Aus dem, was uns die Natur schenkt,machterseithermitseinem FreundundPartnerAlexanderWust allerleiSaft.„Wirallewissen,wasin unseren Gärten wächst, und dass es besser schmeckt, weil wir es gepflegt und mit den eigenen Händen geerntet haben.“ So die Devise. Und als ob die Menschen nur darauf gewartet haben, kamen sie in Scharen. „Nachdem wir den ersten Tag geöffnet hatten, wurden die Autoschlangen immer länger. Wir haben es nicht mehr geschafft, alles Obst zu verpressen.“ Also wurden die Öffnungszeiten angepasst, die Infrastruktur ausgebaut und Lagerhallen angeschafft. Mit Erfolg.
Allerlei Obst
Zwischen 50 und 500 Kilogramm
Obst – in Kisten, im Anhänger oder im Pick-up verstaut – bringen die Kunden. Sie können dann an der Anlage live zuschauen, wie ihre Früchte gepresst werden, natürlich ohne Zusätze und Konservierungs-
stoffe. „Unsere Anlage ist 100 Prozent transparent. Jeden einzelnen Schritt kann man hier sehen.“
VonAugustbisNovemberhatdie mobile Mosterei geöffnet. Gepresst wird das, was die Kunden abgeben. „Die Klassiker sind Äpfel, Birnen, Quitten, Trauben und Beeren. Aber auch Rote Bete oder Möhren sind möglich. Kirschen, Pflaumen, Aprikosen und Pfirsiche müssen vorher entkernt werden.“ Die Saftausbeute beträgt in der Regel zwischen 50 bis 70 Prozent. „Aus 50 Kilogramm Äpfeln werden etwa 25 bis 30 Liter Saftgewonnen.“DerabgefüllteApfelsaft ist ungeöffnet bis zu einem Jahr haltbar.
Zudem sind er und sein Partner auf regionalen Märkten und Höfen unterwegs und verkaufen ihren frisch gepressten Saft im umweltfreundlichen 3-, 5- oder 10-LiterKarton und seit vergangenem Jahr auch in 0,75-Liter-Glasflaschen.
Übrigens:DerRest,dernachdem Pressen übrig bleibt, der Trester, gehtalsNahrungsergänzungandie Viehzüchter und Jäger der Region.
Neue Vetriebswege
Letztes Jahr im Februar wurden die Preise bei „Saft für alle“ zum ersten
Mal seit Firmengründung erhöht. Vier Wochen später kam der erste Lockdown.„Wirdachten,dieseSaison können wir abhaken und wurden positiv überrascht“, berichtet Simon Kruse. „Die Leute kamen weiter, haben ihr Obst abgestellt und nach Termin wieder abgeholt oder Saft online bei uns bestellt.“
Das habe ihn dazu bewogen, neue Vertriebswege für ihn und die Kunden auch in Pandemiezeiten zu suchen. „Da die Regiomaten bei uns immer beliebter werden und in Brodau auf dem Landgut bereits die Milch- und Eierautomaten sehr gut angenommen werden, haben wir
einen weiteren in Kooperation mit dem Rackwitzer Landei aufgestellt“, berichtet Simon Kruse. Dort können nun auch Nudeln, Honig und frisch gepresster Saft eingekauft werden.
UmseinenSafteinernochgrößerenKlientelanbietenzukönnen,hat SimonKrusedieMarktschwärmerei für sich entdeckt. „Das ist ein Online-Portal, auf dem man seine regionalen Produkte anbieten kann. Der Kunde kauft diese auch online ein und kann sie an einem festgelegten Zeitpunkt und Ort in seiner Region abholen“, erzählt er. Dieses Projekt gibt es deutschlandweit –
auch in Leipzig, Halle und Dresden. Doch Delitzsch war noch nicht auf der Landkarte – die Betonung liegt aufnoch.DennSimonKrusesahdas Potenzial. „Es ist der Wunsch der Kunden nach regionalen Produkten. Die regionalen Erzeuger sind auch in Pandemiezeiten immer erreichbar. Der Kunde weiß, wo die Produkte herkommen, und dass sie nicht Tausende an Kilometern zurücklegen müssen, um bei ihm auf demTischzulanden.“Zumanderen müsse man nicht selbst quer durch die Lande fahren, um seinen Einkaufszettel mit regionalen Lebensmitteln abzuarbeiten, sondern findet alles an einem Ort. Also suchte er Mitstreiter, regionaleErzeuger,undeineLocation,in der die Kunden ihre Ware abholen können. Mit der Theaterakademie in der Anna-Zammert-Straße war eine besondere gefunden – zentral gelegenundeinOrt,andemSchauspielerei und Gesang gelehrt werden. Am 18. März war Premiere. Mehr als 60 Bestellung gingen an diesem Tag über die Tische. „In der Marktschwärmereifindestduhochwertige Lebensmittel aus unserer Region:Gemüse,Obst,Fleisch,Eier, Käse,Milchprodukte,Öle,Brot,HonigundFeinkost.UndauchProdukte, die du nicht im Supermarkt findest – insgesamt fast 1000 verschiedene von 50 Produzenten“, sagt er. UnddasBeste:„MankanndieMenschen,diesieherstellen,kennenlernen und mit ihnen ins Gespräch kommen.“ Seitdem könne jeder Kunde, der keine Zeit hat, gute Landwirtschaft zu betreiben, hier gute Landwirtschaft kaufen. Bleibt doch am Ende die Frage: Rentiert sich das alles? „Es soll sich nicht in Geld eins zu eins umrechnen. Für mich ist es Idealismus, eine Lebenserfüllung.“
Info auf www.saft-fuer-alle.de sowie www.marktschwaermer.de
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Simon Kruse, einer der Gründer der mobilen Mosterei, hier an der Obstpresse. Foto: privat
Von Ulrich Milde
Michael Wegner
Die Ostdeutsche Landesbausparkasse (LBS) steht vor einem Führungswechsel. Michael Wegner (42) übernimmt am 1. Juli den Vorstandsvorsitz des zurSparkassen-Gruppe zählenden Unternehmens. Er wird Nachfolger von Werner Schäfer (62), der sich in den Ruhestand verabschiedet.Wegner will sich nach eigener Aussage „in enger Kooperation“ mit seinemVorstandskollegen Winfried Ebert (63) dafür einsetzen, die Innovationskraft der einzigen ostdeutschen Bausparkasse zu stärken und so ihre Position als Marktführer in den neuen Ländern weiter ausbauen. Wegner gehört seit einem Jahr dem Vorstand der LBS Ost an. Zuvor war er Sprecher der Geschäftsleitung der Landesbausparkasse Saar mit Sitz in Saarbrücken.
Michael Steiner
Es geht, oder genauer gesagt, er fährt voran. Der vollelektrische Porsche Macan ist reif für die Erprobung auf der Straße: Nach ersten Testfahrten auf dem Prüfgelände des Entwicklungszentrums in Weissach verlassen die getarnten Prototypen der nächsten Generation des Kompakt-SUV jetzt erstmals das Werksgelände. „Die Erprobung im realen Umfeld beginnt und ist einer der wichtigsten Meilensteine im Entwicklungsprozess“, sagt Michael Steiner (56), Vorstand für Forschung und Entwicklung der Porsche AG. Bis zur Markteinführung 2023 werden weltweit rund drei Millionen Testkilometer unter verschiedenen Bedingungen absolviert werden. Für Gerd Rupp (52), den Chef des Leipziger
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Toni Schaller
Foto: LBS Ost
Business Class
Vom Auszubildenden zum Vorstandsmitglied: Diese steile Karriere hat Toni Schaller (32) hingelegt. Er ist seit Kurzem im Top-Führungsgremium der Ethik Bank im thüringischen Eisenberg. Hobby-Fußballer Schaller startete im Institut, das das Geld ihrer Kunden auf Basis strenger ethischökologischer Kriterien anlegt, vor 13 Jahren eine klassische Ausbildung zum Bankkaufmann. Wie alle Lehrlinge absolvierte er zum Berufsstart zunächst ein vierwöchiges Praktikum auf einem Bauernhof. Während dieses ungewöhnlichen Beginns für einen Banker lernte er bewusst körperliche Arbeit kennen und wertschätzen. So schärfte sich sein Blick auf die Arbeitswelten und Bedürfnisse von Kunden. Eine Lektion, die Scheller verinnerlicht
Peter Reitz
Foto: Ethik Bank
hat: „Nur wer weiß, wie hart Menschen für ihr Geld arbeiten, wird auch verantwortungsvoll damit umgehen.“ Später schloss Schaller erfolgreich sein Studium zum Bankbetriebswirt ab.
Hartmut Koch
Im vorigen Jahr wurde er als Präsident des Verbandes der Wirtschaft Thüringen (vwt) einstimmig wiedergewählt. Hartmut Koch (74) steht seit inzwischen acht Jahren an der Spitze dieser Interessenvertretung der Unternehmen. Jetzt wurde der verheiratete Vater von zwei Kindern auch in seinem Amt als Vorsitzender des Allgemeinen Arbeitgeberverbandes Thüringen (AGVT) bestätigt. Koch hatte den AGVT vor 28 Jahren mitgegründet und ist seit 2004 ununterbrochen der Vorsitzende. Der Verband vertritt 170 Mitgliedsfirmen mit zusammen 20 000 Beschäftigten. Koch ist Geschäftsführer der 1991 gegründeten Tibor Gesellschaft für Bildung, Beratung und Vermittlung mbH in Erfurt.
Wolfgang Knirsch
Foto: Porsche AG
Porsche-Werks, sind das natürlich gute Nachrichten. Schließlich wird der neue Flitzer in der hiesigen Fabrik von den Bändern rollen.
Die Leipziger Energiebörse (European Energy Exchange, EEX) gehört zu den internationalsten Unternehmen Sachsens und ist in zahlreichen Ländern rund um den Globus aktiv. Im vorigen Corona-Krisenjahr steigerte Vorstandsvorsitzender Peter Reitz (55) mit seinen 700 Mitarbeitern den Umsatz auf 320,1 Millionen Euro. Es sei das „erfolgreichste Geschäftsjahr in der Geschichte der EEX“ gewesen, freute sich der Manager, der seit knapp zehn Jahren die Geschicke der Börse bestimmt. Die Expansion im Ausland geht offenkundig erfolgreich weiter. Binnen eines Jahres haben die Leipziger sich im Geschäft mit Derivaten zur führenden Plattform im Handel mit japanischen Stromfutures entwickelt. Im
ersten Quartal 2021 erreichte die EEX mit einem Handelsvolumen von 2,32 Terawattstunden einen Marktanteil von satten 96 Prozent.
Harald Rehberg
Die Corona-Pandemie hat die Shoppinglust der Deutschen naturgemäß ausgebremst. Auf Harald Rehberg (52) traf das nicht zu. Der Geschäftsführer der Leipziger CFH Management GmbH befand sich in diesem Jahr geradezu im Einkaufsrausch. Rehberg betreut den Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS). Er investierte erneut in die Sciendis GmbH aus Leipzig. Das Unternehmen bietet eine digitale Lösung zur Dokumentation der Wundversorgung an. Der TGFS stockte seine Beteiligung „signifikant“ auf. In Chemnitz stieg er bei
Oliver Fern
Da hat Oliver Fern (51), in Leipzig ansässiger Regionalvorstand der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), offenkundig noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Schließlich sehen die Sachsen die Geldanlage in Aktien und Immobilien im Bundesvergleich deutlich kritischer. Das
Patrice Heine
Im 1200 Hektar großen Chemiepark Bitterfeld-Wolfen geht es weiter aufwärts. Patrice Heine (47), Geschäftsführer der Chemieparkgesellschaft, kann einen Ansiedlungserfolg vermelden. Die AMG Lithium GmbH erwirbt ein Grundstück für die Lithiumhydroxid-Produktion in Batteriequalität. Ziel ist, die europäische Batterieindustrie mit diesem Schlüsselrohstoff zu versorgen. Lithiumhydroxid wird zur Herstellung von Kathodenmaterialen verwendet, die in Zellen für Lithium-Ionen-Batterien verbaut werden. „Durch die Ansiedlung wollen wir unsere Stellung im Bereich Energy Materials weiter aus-
Nicht alle Unternehmen litten massiv unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Der Vita 34 AG in Leipzig, eine der größten europäischen Zellbanken, gelang es im Jahresendgeschäft 2020, in den Kernmärkten Deutschland, Österreich und der Schweiz das pandemiebedingt schwächere Marktumfeld zu überwinden und leichte Absatzsteigerungen zu erzielen. Mit Umsatzerlösen in Höhe von 20,1 Millionen Euro (2019: 19,9 Millionen Euro) schaffte das Unternehmen nach schwächerem Auftakt im dritten und vierten Quartal die angestrebte Trendumkehr. Nach Angaben von Vorstandschef Wolfgang Knirsch (61) zeichnet sich auch in den spürbar von Corona in Mit-
der CBApply ein. Die junge Firma erleichtert mit ihren Softwarelösungen die Koordination von Lieferketten, Projekten und komplexen Aufträgen. Zudem gab der Fonds Geld für die qCoat GmbH in Leipzig, eine Ausgründung aus dem Institut für Oberflächenmodifizierung Leipzig. Nun sollen Polymermembranen hergestellt werden. Der TGFS hat auch bei einer Finanzierungsrunde der Dresdner Senorics GmbH mitgemacht, einem Spezialisten für Nahinfrarot-Spektroskopie-Sensoren zur berührungslosen Analyse von Inhaltsstoffen.
leidenschaft gezogenen Märkten Südeuropas seit diesem Jahr wieder eine Verbesserung der Lage ab.
geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die die LBBW kürzlich erhoben hat. Danach besitzen nur 31 Prozent der Sachsen Immobilien –im Bundesschnitt sind es 40 Prozent. Ähnlich das Bild bei Aktien, die ebenfalls unterproportional gehalten. werden: 13 zu 21 Prozent.
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bauen“, sagt Heine, Geschäftsführer der CPG. „Mittelfristig wollen wir die gesamte Wertschöpfungskette für Batteriematerialien an unseren Standort holen – und durch ein echtes Recycling der Batterien diese in eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft überführen.“ AMG Lithium GmbH ist eine Tochter der Amsterdamer Advanced Metallurgical Group N.V., einer weltweit operierenden Unternehmensgruppe für kritische Rohstoffe, Mineralprodukte und hochs pezialisierte Ofensysteme, die 3000 Mitarbeiter beschäftigt und auf einen Jahresumsatz von einer Milliarde US-Dollar kommt.
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24 Forschung Innovation & Leben Stil
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Die Corona-Pandemie –Beschleuniger des Wandels im Mobilitätssektor
Von Jochen Reitstätter
Persönliche Schicksale prägen seit eineinhalb Jahren den Charakter der CoronaPandemie als schicksalhaften Einschnitt in unser aller Leben. Doch derlei einschneidende Ereignisse führen in Gesellschaft und Wirtschaft oft auch zu Innovationssprüngen und erheblicher Beschleunigung des Wandels. Der Mobilitätssektor hat wie kaum ein anderer gesellschaftlicher Bereich diese Veränderung schockhaft durchlebt: mit Milliardeneinbußen bei den Verkehrsunternehmen im vergangenen Jahr, mit einem dramatischen Rückgang der Fahrgastzahlen in fast allen öffentlichen Verkehrsmitteln wie Straßenbahnen, Bussen und Zügen bis hin zu den Fluganbietern. Auf der anderen Seite explodierten die Verkaufszahlen bei Fahrrädern, elektrisch betriebenen Vehikeln allerArtundWohnmobilen.AuchdieCorona-Krise brachte wirtschaftlich Gewinner und Verlierer hervor. Und viele Menschen hinterfragten ihr eigenesMobilitäts-undReiseverhaltenundsorgten damit für Umbrüche in ganzen Branchen.
Rekordnachfrage und lange Lieferzeiten –Corona-Pandemie heizt Caravanmarkt weiter an
Über viele Monate beherrschte vergangenen Sommer wie auch jetzt die Kontroverse um mögliche Urlaubsreisen die öffentliche Diskussion. Doch auch erlaubte Reiseformate wurden von vielen Menschen aufgrund der InfektionsgefahrimJahr2derCorona-Pandemie kritischbewertet.Vielesahendaher den Ausweg beim Reisen in den eigenen vier Wänden: dem Wohnmobil oder Caravan.
Marie-Luise Richardt vom Wohnmobil-Vermieter Carservice Schkeuditz wurde wie ihre Mitanbieter von Caravans von Anfragen regelrecht überschwemmt, und dieser Trend hältbisheutean.„Früherkamenvor allem die Camper zu uns, welche von dieser Art des Urlaubs überzeugtsindunddasLebenauföffentlichen Campingplätzen oder ganz für sich allein bevorzugen“, be-
schreibt sie den Wandel zu heute. „Mittlerweile haben wir auch viele Anfragen von Pärchen, die in der Vor- oder Nachsaison sonst noch mal kurz weggeflogen wären, oder Familien, die für sich infektionsarm reisen möchten.“
Die Corona-Pandemie hat diese FormdesReisensnochmalsangefeuert, aber schon in den Jahren davor gingderTrendhinzuselbstbestimmtem und individuellem Reisen im eigenen Caravan steil nach oben.
„Leider mussten viele Käufer von Wohnmobilen gerade im vergangenen Jahr lange auf ihr neues Fahrzeug warten“, bedauert Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des Caravaning Industrie Verbandes (CIVD) die Situation. „Natürlich hat die Pandemie zusätzlich die Produktion beeinträchtigt. Vor allem durch die schlechtere Verfügbarkeit von
Komponenten und Rohstoffen. Die coronabedingten Verzögerungen stellen uns aktuell vor große Herausforderungen, unter anderem fehlen dergesamtenKraftfahrzeugindustrie Halbleiterchips.UnsereProduktionskapazitäten waren bereits vor diesen Ereignissen nahezu ausgeschöpft. DastrifftnunaufeineRekordnachfrage, was in der Summe zu längeren Lieferzeiten führt als sonst üblich.“
Die gebürtige Leipzigerin Doro Kaiser und ihr Mann hatten schon vor der Corona-Pandemie bestellt und somit pünktlich ihr Urlaubsgefährt erhalten. „Wir lieben das Freiheitsgefühl,spontanentscheidenzu können, wo wir hinfahren, sind praktisch auch im Urlaub immer zu Hause und haben nie zu viel Ballast dabei. Außerdem war es der LebenstraummeinesMannes“,erklärt sie augenzwinkernd.
Quasi von 100 auf 0 kam das öffentliche Leben im März vergangenen Jahres zum Erliegen. Wo sich zuvor noch Menschen im morgendlichen Berufsverkehr dicht an dicht in die Bahnen drängten, herrschte gähnende Leere. Der öffentliche Verkehrssektorhatjedochgezeigt,dass er trotz allem weiter funktioniert, denn Mobilität gehört zur Daseinsvorsorge des Staates. Und darauf war und ist Verlass, wie die Hunderttausenden von Menschen in diesem und anderen öffentlichen Beschäftigungsbereichen täglich unter Beweis stellten und stellen. „WährenddeserstenLockdowns 2020erbrachtendieVerkehrsunternehmen im Mitteldeutschen VerkehrsverbundnahezudievolleVerkehrsleistung, um insbesondere die Berufspendler, welche auf den ÖPNV angewiesen sind, verlässlich zur Arbeit und zurück zu bringen“, berichtet Juliane Vettermann von der Pressestelle des MDV. Die Schutz vor der Ansteckung der Fahrgäste stand dabei immer an erster Stelle. „Die Wirksamkeit der Maskenpflicht im Zusammenspiel mit der permanenten Frischluftzufuhr durch die Zwangsöffnung der Türen bei jedem Halt sind in ihrer Effektivität gegen die Infektionsgefahr auch wissenschaftlich nachgewiesen“, so Vettermann. Doch trotz aller Maßnahmen werde man auf das Vorkrisenniveau bei den Fahrgastzahlen nicht so schnell zurückkommen, prognostiziert sie.
Dabei tun auch die einzelnen Verkehrsunternehmen wie zum Beispiel die Leipziger Verkehrsbe-
triebe viel für einen sicheren und ansteckungsarmenVerkehr.Hygieneregeln wurden aufgestellt und umgesetzt, deren Einhaltung überwacht.AuchdasAnsteckungsrisiko konnte durch aufwendige Untersuchungen wie jüngst von der Charité Research Organisation nachweislich als unterdurchschnittlich nachgewiesenwerden.„Abstandhalten, Maske tragen und regelmäßig an Haltestellen durchlüften“, erläutert Sandy Brachmann, Bereichsleiterin Marketing der Leipziger Verkehrsbetriebe, seien hier entscheidende Maßnahmen.
„Zu Pandemiezeiten haben die öffentlichen Verkehrsträger gezeigt, dass es ohne sie nicht geht. Nur durch das verstärkte Homeoffice und den Umstieg vieler auf das RadsindunsereStraßennichtvöllig kollabiert, als viele die Bahn nicht mehr nutzten. Jetzt muss investiert werden: in mehr Züge, bessere Anschlüsse, einheitliche Tarifstrukturen“, fordert Ferdinand Fischer, Vorsitzender vom Deutschen Bahnkunden-Verband Mitteldeutschland, „sonst haben wir aus der PandemieunddembeschleunigtenKlimawandel nichts gelernt.“
DieStadtLeipzigsiehtsichindes für den Umbau des Verkehrskonzepts mit der Mobilitätsstrategie 2030 und mit dem Rahmenplan zur Umsetzung der Mobilitätsstrategie gut aufgestellt. Dabei steht die Förderung des Umweltverbundes aus ÖPNV, Fuß- und Radverkehr sowie Sharingangeboten (Carsharing, Fahrradverleih) im Mittelpunkt, so eine Stadtsprecherin.
Das E-Bike - die Alternative zum Auto?
Über 40 Prozent Absatzplus verzeichnetedasPedelec,landläufigEBike genannt, in 2020 zum Vorjahr, und der Trend zur Zweirad-Elektromobilität ist ungebrochen. Infektionssicher und umweltfreundlich spielt das Rad gerade in Zeiten der Pandemie seine Vorteile aus und wurde zum Kassenschlager bei lokalenFahrradhändlernundOnlinePlattformen.
GeradedasElektroradseihierfür Berufspendler eine echte Alternative, da es mehr Reichweite als ohne Motorunterstützung ermöglicht und man trotzdem noch unverschwitzt auf Arbeit ankommt. Auch beiEssenslieferantenoderPaketzustellernistdaselektrischeLastenrad mittlerweile fester Bestandteil der Fahrzeugflotteundmachteinenbeträchtlichen Anteil der Verkäufe in 2020 bis jetzt aus, berichtet Christian Heyne vom Fahrradladen und Kiezcafé Radrevier in Leipzig.
ÜberdenBoomaufdemFahrradmarkt freut sich auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club Leipzig (ADFC), allerdings hätte die Politik früher schon besser auf die damit verbundenen Anforderungen vorbereitet sein können: „Die Pandemie hat den Run auf Fahrräder und E-Bikes noch einmal deutlich verstärkt, die Herausforderungen für denVerkehrssektorinderStadthätten früher angenommen und mit Maßnahmen untersetzt werden können“, so der Leipziger ADFCVorsitzende Robert Strehler.
„Gebremst hat diesen Run aufs FahrradundE-BikeundunsalsFahrradhändler leider die ZwangsschließungunsererLädenin2020übervieleWochen,aberauchdieausbleibenden Lieferungen von Rädern aller Couleur sowie von Ersatzteilen“, berichtet Andreas Kühn von Kühnis Radhaus. „Viele Lastenräder kommenbeispielsweiseausAsien,wobe-
dingt durch die Pandemie ganze Lieferketten auseinanderbrachen, weil WanderarbeiterinihreHeimatländer zurückgegangen sind oder durch die grassierende Pandemie die Produktion wochenlang stilllag. Teilweise mussten wir bis zu 500 Tage auf bestimmte Ersatzteile warten.“
Die Pandemie hat vielen Menschen viel abverlangt, aber für bestimmte Entwicklungen wie in der Elektromobilität war sie ebenso InnovationsmotorundhatdenWandel im Verkehrsverhalten der Menschen erheblich beschleunigt. David Eisenberger vom Zweirad-Industrie-Verband sieht daher auch für die heimischen Radhersteller großes Potenzial. „Die Fahrradwirtschaft wird auch nach der CoronaPandemie nachhaltig wachsen, insbesondere im E-Bike-Segment“, so der ZIV-Sprecher, auf diese Entwicklung müssen sich nun auch die Kommunen schnell einstellen.
25 & Unternehmen Unternehmer Stil Leben
Der Nahverkehr – katastrophale Einbrüche und die Notwendigkeit, sich neu zu erfinden
FOTO: Doro Kaiser
FOTO: Eric-Kemnitz.com
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Ifo-Institut sieht keinen Zusammenhang zwischen Mobilität und Corona-Inzidenz
Joachim Ragnitz sieht Forschungsbedarf hinsichtlich regionaler Unterschiede
Ulrich Milde
Die von Corona verursachten Lockdowns haben die Mobilität in Deutschland verändert. Auf so manche Fahrt wurde – notgedrungen – verzichtet, Videokonferenzen haben Geschäftsreisen ersetzt, Ferienflüge unterdiesüdlicheSonnekaumstattgefunden,Besuchebeientferntwohnenden Verwandten und Freunden wurden weitgehend gestrichen. Öffentliche Verkehrsmittel haben aus Furcht vor Ansteckungen an Zuspruchverloren.„DieMenschenfahrenmehrAuto,aberauchmehrFahrrad: also einfach mehr Verkehrsmittel, bei denen man anderen MenschenausdemWeggehenkann“,erläutert Claudia Nobis, Verkehrsexpertin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das sich auch mit Verkehrsforschung beschäftigt. Generell habe sich die Mobilität im Zusammenhang mit den pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen
„deutlich reduziert“, sagt Joachim Ragnitz, Wissenschaftler am Dresdner Ifo-Institut. Der Wirtschaftsprofessor hat dazu ausführlich Zahlen analysiert, die das Statistische Bundesamt aus anonymisierten Mobilfunkdaten gewonnen hat, ergänzt um eine Erhebung von der Arbeitsgruppe „Research on Complex Systems“ derBerlinerHumboldt-Universität.
Danach ist im Frühjahr 2020 die tägliche Mobilität bis zu 40 Prozent gesunken. Zwischenzeitlich, im
Sommer,pendeltesichallesaufdas Normalniveau ein. „Grund hierfür waren vor allem vermehrte Urlaubsreisen an Nord- und Ostsee“, begründet der Ifo-Experte. DieEntwicklunginSachsen„folgte weitestgehend dem bundesdeutschen Trend“. Im zweiten Lockdown ab November ging die täglicheMobilitätdagegennurumzehn Prozent zurück. Dagegen habe der Freizeitverkehr kräftige Einbußen erlitten. „Die weitgehende Schließung von gastronomischen und touristischen Einrichtungen scheint insoweit ihre Wirkung auf die Mobilität nicht verfehlt zu haben.“ Den Unterschied zwischen diesen beiden Phasen erklärt Ragnitz in erster Linie damit, dass im Frühling vor einem Jahr die wirtschaftlichen Aktivitäten deutlich stärker eingebrochen waren und deshalb mehr Personen in Kurzarbeit geschickt wurden als während des zweiten Lockdowns. In der zweiten Dezemberwoche des Vorjahres nahm die Zahl der Reisen dann weiter ab. Der Ifo-Experte führt das auf die Appelle der Politik zurück, unnötige Fahrten zu vermeiden. Zwar kam es dann über die Weihnachtsfeiertage wegen der Betriebsruhe in vielen Firmen und des Verzichts auf Verwandtenbesuche zu einer „merklichen Verringerung der Mobilität“ um 28 Prozent. Doch nach dem Jahreswechsel zog das Reisen wieder an und kletterte
Die Zahl der Reisen allein scheint keine entscheidende Determinante für die Höhe der Neuinfektionen zu sein.
Joachim Ragnitz Ifo-Institut Dresden
auf einen Wert von 85 Prozent des Normallevels. Sachsen entwickelte sich dabei nach den Erhebungen von Ragnitz in zeitlicher Hinsicht kaum anders als Deutschland insgesamt. Allerdingsseiauffällig,dassdieZahlder Reisen je 100000 Einwohner hier deutlich niedriger liege als im Rest der Bundesrepublik. Dies dürfte in erster Linie „ein Ausdruck strukturellerBesonderheitendesFreistaates“ sein. Die Wirtschaft ist weniger international ausgerichtet, sodass ein Minus bei den Geschäftsreisen nicht so stark zu Buche schlug. Zwischen den einzelnen Landkreisen habe es dabei kaum Unterschiede gegeben. Allerdings wiesen die flächenmäßig größeren Landkreise eine höhere Zahl an Reisenje100000Einwohneraufals die kleineren Einheiten und insbesondere die Städte Leipzig, Dresden und Chemnitz. Nach Ansicht von Experten deutet das darauf hin, dass in den Metropolen mehr Beschäftigte ins Homeoffice geschickt wurden als auf dem Land. Was auch darauf zurückzuführen ist, dass in den ländlichen Regionen der Breitbandausbau erhebliche Lücken aufweist. Zudem ist es in den Großstädten leichter möglich, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu gelangen. RagnitznennteinweiteresArgument. Beim Aufenthalt am Arbeits-
platz liege Sachsen nahezu ununterbrochen um rund 15 Prozentpunkte über den entsprechenden Werten für Gesamtdeutschland. EtwasÄhnlichesgelteauchfürdieanderen ostdeutschen Flächenländer.
„Dies deutet darauf hin, dass hier die Möglichkeit zur Nutzung von Homeoffice weniger stark ausgeprägt ist als in den westdeutschen Ländern und hier insbesondere in den Stadtstaaten.“ Neben dem stockenden Glasfaserausbau ist für Ragnitz der Unternehmensbesatz ein weiterer wichtiger Grund. Homeoffice sei in erster Linie für Büroarbeiten nutzbar. „In Ostdeutschland ist demgegenüber der Anteil derBeschäftigteninProduktionsberufen vergleichsweise hoch.“
Die Politik begründete die währenddeszweitenLockdownsdurchgedrückten Einschränkungen damit, dass auf diese Weise das Infektionsgeschehen eingedämmt werden sollte. Dass eine Verringerung von Kontakten die AnsteckungsgefahrmitdemCoronavirusreduziere, sei unstrittig. „Die Zahl der Reisen alleinscheintjedochkeineentscheidende Determinante für die Höhe der Neuinfektionen zu sein“, meint derVize-ChefderDresdnerIfo-Niederlassung. Weder sei in zeitlicher Hinsicht ein enger Zusammenhang festzustellen, noch ließen sich die hohen Infektionswerte in Sachsen durch eine entsprechend hohe Anzahl an Reisen erklären. „Auch bei
stärkerer regionaler Differenzierung ist ein Zusammenhang zwischen Mobilität und Corona-Inzidenz weder in Deutschland insgesamt noch in Sachsen erkennbar.“ Hier bestehe offenkundig weiterer Forschungsbedarf mit Blick auf die Frage,welcheFaktorenfürregionaleUnterschiedeindenCorona-Fallzahlen verantwortlich seien. Ragnitz:„Diesistinsbesondereauchfür die Frage bedeutsam, welche Maßnahmen künftig zur Eindämmung der Pandemie getroffen werden sollten.“
26 Leben Stil & Leben Stil
Von
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Corona führt zu Talfahrt bei Geschäftsreisen
Regionale Wirtschaft setzt vermehrt auf Videokonferenzen
Corona hat bei den Geschäftsreisen zu massiven Einbrüchen geführt. Einer der großen Leidtragenden ist die Lufthansa. „Wir rechnen damit, dass wir noch bis Mitte des Jahrzehnts weniger Kunden haben als vorderKrise“,sokürzlichVorstandschef Carsten Spohr. „Und ob wir angesichtsderwachsendenBeliebtheit von Videokonferenzen je wieder so viele Geschäftsreisende haben, ist offen.“DassiehtderFlughafenLeipzig/Halle ähnlich. „Repräsentative Befragungen zeigen, dass Unternehmen sich vorstellen können, bis zu50ProzentallerGeschäftsreiseanlässe auch digital abzuwickeln beziehungsweise bei der Anreise vom Flugzeug auf andere Verkehrsmittel umzusteigen“, heißt es am Airport. DervonberuflichfliegendenGästen nicht so stark betroffen ist. Von den 2,65MillionenPassagieren2019waren zwei Drittel Urlauber. Von den knapp 900000 Kunden in den Linienflügen lag der Anteil der Geschäftsreisenden im unteren zweistelligen Prozentbereich.
Weitgehend eingeschränkt hat auchdieDeutscheBankihreDienstreisen.„Fürmichbedeutetediesvor allemdenVerzichtaufFahrtennach Berlin, nach Frankfurt, aber auch in unsere über 100 Filialstandorte der Region Ost“, sagt Markus Wägner, der von Leipzig aus das Privatkundengeschäft in den neuen Ländern verantwortet. Es sei dabei „erstaunlich gut“ gelungen, alternative Möglichkeiten zu entwickeln wie Videokonferenzen.Zudemhabedie
Pandemie eine neue Beweglichkeit gebracht. „Während in großen Unternehmen bestimmte PräsenzkonferenzeninderjeweiligenZentrale als Routine über Jahre hinweg etabliert waren, galt es jetzt, Neues zu denken: Kann man – anstelle der vielen Einzeldienstreisen der Teilnehmer – die anstehenden Tagesordnungspunkte und Projekte im Team auch ohne die physische Präsenz gemeinsam vorantreiben? Sicher geschah dieses Hinterfragen jetzt aus der Not heraus – aber mit einem Gewinn an Erkenntnissen, die uns über Corona hinaus von Nutzen sein werden.“ Kurzum: Der Ersatz vieler Dienstreisen durch digitale Kommunikation habe viel besser funktioniert als viele das dachten. Wägner geht davon aus, dass mit DienstreisenauchnachCoronasehr viel maßvoller umgangen wird. Zudem würden die Ressourcen Zeit und Geld sowie die Umwelt ge-
Repräsentative Befragungen zeigen, dass Unternehmen sich vorstellen können, bis zu 50 Prozent aller Geschäftsreiseanlässe auch digital abzuwickeln beziehungsweise bei der Anreise vom Flugzeug auf andere Verkehrsmittel umzusteigen.
schont. Die Entscheidung zwischen klassischer Dienstreise und digitaler Begegnung werde sich künftig stärker am konkreten Anlass orientieren. Es werde natürlich beides geben. „Um zum Beispiel ein neues wichtiges Projekt mit Mitarbeitern anzustoßen, die sich bisher nicht persönlich kannten, ist ein StartMeeting sicher sinnvoller als eine reine Zoom-Konferenz.“ Auch der Mensch in der digitalen Welt brauche hin und wieder den persönlichen Kontakt: bei wichtigen Mitarbeitergesprächen, bei Auswahlinterviews für Führungspositionen oderfürdieGratulationzum25-jährigen Betriebsjubiläum.
BeimgemessenamUmsatzgrößten ostdeutschen Konzern, dem Leipziger Gasriesen VNG AG, wurden Dienstreisen „auf ein absolutes betriebsbedingtes Minimum reduziert“. Das hat zu einem Rückgang geführt. Vorzugsweise werden Termine mittels digitaler Möglichkeiten, wie Video- und Telefonkonferenzen, durchgeführt. Im Vergleich zum aktuellen Niveau wird es nach der Pandemie sicherlich wieder eine Zunahme von Dienstreisen geben, da sie und Präsenstreffen „nach wie vor eine relevante Funktion haben“.
Statement
Martin Buhl-Wagner
Geschäftsführer der Leipziger Messe
Seit Anfang November 2020 befindet sich die Leipziger Messe mit allen ihren Gewerken in einem harten Lockdown. Betrieb und Öffnung von Messen, Ausstellungen und Kongressen sind untersagt. 2020 hatte die Leipziger Messe daher rund 270 Veranstaltungen abgesagt. Bis Mitte Mai dieses Jahres fand kein LiveEvent mehr statt, mit Ausnahme solcher Veranstaltungen, die vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassen wurden, zum Beispiel das Plenum des Leipziger Stadtrates in der Kongreßhalle am Zoo Leipzig. Wir konzentrierten uns auf digitale Veranstaltungen. Das ändert sich jetzt. Im Zuge der sinkenden Inzidenzzahlen sind ab dem 14. Juni Messen und Kongresse, Tagungen und Ausstellungen unter Anwendung eines Hygienekonzeptes wieder möglich. Das hat jetzt Martin Dulig, Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr für Sachsen angekündigt. Schon jetzt ermöglichte das Lesefestival Leipzig liest extra der Leipziger Buchmesse, das zuletzt in Leipzig stattfand, bei 100 seiner 400 im digitalen Livestream durchgeführten Veranstaltungen, unter hygienischen Auflagen zusätzlich die Anwesenheit von Publikum vor Ort.
Wir begrüßen den Beschluss der Staatsregierung außerordentlich. Er gibt unseren Ausstellern und Partnern die bisher schmerzlich vermisste Planungssicherheit zurück. Und er kommt rechtzeitig: Denn in diesen Wochen entscheidet sich, ob Veranstaltungen im Herbst stattfinden.
Die Leipziger Messe verfügt mit „Safe Expo“ über ein im vergangenen Jahr praxiserprobtes und ausgefeiltes Schutz- und Hygienekonzept, das eine sichere Durchführung von Events erlaubt. Wir sind daher zuversichtlich, unsere Veranstaltungen wie die Leipziger Markt Musik im August und im Herbst anstehende Kongresse, Gastveranstaltungen und Messen wie das Messequartett Cadeaux/Midora/Unique 4+1/Floriga autumnal, die Efa On, Medcare, die Modell Hobby Spiel für anwesendes Publikum öffnen zu können.
Es war vor allem diese Planungsunsicherheit und die mit ihr verbundenen finanziellen Risiken, die Unternehmen bisher bei ihren Ausstellerplänen zögern ließen. Mehr noch als etwa vorhandene Reiserestriktionen für Mitarbeiter, die es in manchen Unternehmen natürlich auch gab. Diese werden aber überprüft werden, wenn Messen
und Kongresse möglich sind.
Denn Messen und Kongresse bleiben für die Wirtschaft ein unverzichtbares Akquise- und Kontakt-Instrument.
Wir tragen als Messe selbst dazu bei, um Planungssicherheit zu schaffen und Risiken für die Aussteller und Teilnehmer zu vermeiden.
So beraten wir unsere Aussteller intensiv bei der Anwendung von „Safe Expo“ auf ihren Ständen.
Dazu haben wir mit unseren Partnerhotels in Leipzig eine Zusatzvereinbarung getroffen. Veranstalter, Aussteller und Kunden der Leipziger Messe profitieren ab sofort von verbesserten Hotelkonditionen und verkürzten Stornierungsfristen. Das mindert das Buchungsrisiko erheblich. Sehr viele Partnerhotels haben den neuen Zusatz zu den bestehenden Rahmenverträgen bereits übernommen.
Dazu haben wir auch unser Hotelportal der Leipziger Messe übersichtlicher und benutzerfreundlicher gestaltet.
Für die Zukunft wünschen wir uns daher vor allem eines: Planungssicherheit. Und dass die Pandemie vorbei sein möge.
Tonnen Kohlendioxid konnte der Energieversorger EnviaM einsparen. Das gelang durch die Verringerung der mit dem Auto zurückgelegten Fahrten seiner 3300 Beschäftigten auf 17,4 Millionen Kilometer.
Prozent weniger Hotelübernachtungen, von 4300 Übernachtungen im Jahr 2019 gab es 2020 nur noch 1660.
Beim führenden ostdeutschen Energieversorger EnviaM mit seinen 3300 Beschäftigten befinden sich die Reiseziele vorrangig innerhalb Ostdeutschlands, zu einem kleineren Teil in den westlichen BundesländernundnurinEinzelfällenimAusland.VorderCorona-Krise,imJahr2019,wurdenmitDienstwagen insgesamt rund 22,7 Millionen Kilometer zurückgelegt. DarüberhinausnahmendieMitarbeitenden1300Bahnfahrten,490Flügesowie 4300 Hotelübernachtungen in Anspruch. Im vorigen Jahr gab es einen signifikanten Einbruch. Die im Auto zurückgelegten Kilometer verringerten sich auf 17,4 Millionen Kilometer.PositiverEffekt:Dadurch wurden 687 Tonnen Kohlendioxid eingespart. Allerdings gibt es eine Ausnahme: Das Fahraufkommen der Netzmitarbeiter und Monteure, die für Bau, Betrieb und Reparatur des Strom- und Gasnetzes verantwortlich und damit im Netzgebiet mitFahrzeugenunterwegssind,änderte sich nicht. Ein durch die Krise anderes Bild zeigte sich auch bei den übrigen Geschäftsreisen. Die BahnfahrtengingenimvorigenJahr auf 440, die Flüge auf 150 und die Hotelübernachtungen auf 1660 zurück.
Leben Stil & Leben Stil 27 ANZEIGE
Von Ulrich Milde und Ulrich Langer
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„Frost und Hagel waren schlimmer als Corona“
Wie sind die Winzer in der Region durch die Corona-Krise gekommen? Ein Stimmungsbild.
Von Uwe Köster
So schlimm wie Sandro Bottega hat es von den hiesigen Winzern sicher niemandgetroffen.Deritalienische Prosecco-Gigant beklagt in der Corona-Krise 27 Prozent Einbußen seines Business, bedeutet 18 Millionen Euro Verlust. Aber klar, die PandemiehatauchdenWeinbaubetrieben inSachsenundanSaale-Unstrutzugesetzt, manchen mehr, manchen weniger. Ein Stimmungsbild unter Winzern der Region.
Eines scheint erst mal klar: Einen direkten Einfluss auf die Arbeiten in den Betrieben hatte die Pandemie nicht, Kurzarbeit oder Homeoffice waren keine Themen. „Wir können ja nicht einfach die Bewirtschaftung der Weinberge einstellen. Da sind dieArbeitenmehroderwenigernormal weitergegangen“, sagt Klaus Böhme,WinzerinKirchscheidungen an der Unstrut. „Was sich verändert hat war natürlich die Vermarktung. Unsere Kunden in der Gastronomie mussten von heute auf morgen ihre Betriebe schließen, da hatten wir plötzlich keine Abnahme mehr. Das haben wir schon gemerkt.“
Auch André Gussek, der in Naumburg ein 9-Hektar-Weingut führt, hat das gemerkt. Winzer Gussek sieht sich „zwischen den Fronten“. Denn: „Die Einbußen in der Gastronomie haben uns schon getroffen, das ist ein wichtiger Vertriebsweg. Gleichzeit ist die Direktvermarktung aber angestiegen, das bedeutet bessere Margen. Und der Online-Handel hat deutlich zugenommen. Kurz gesagt, wir haben weniger Wein verkauft, aber das zu einem höheren Preis.“ Das Plus aus Direktvermarktung hätten die Einbußen aus dem Verlust des Gastronomie-Geschäfts in etwa ausgeglichen.DannsagtAndréGusseknoch einen Satz, der von vielen Winzern zuhörenist:„FrostundHagelwaren schlimmer als Corona.“
DasbestätigtauchGeorgPrinzzur Lippe.DennochistderBossvonSachsens Aushängeschild Schloss Proschwitz in einer schwierigeren Lage alsGussek.Nichtnur,weilesmitLippes 70 Hektar im Elbtal um andere Mengen an Wein geht. „40 Prozent unserer Weine gehen in die Gastronomie,weltweit,aufKreuzfahrtschiffeundaufFlughäfen.Dasallesisteinfach weggebrochen“, sagt Georg PrinzzurLippe.Auchbeiihmhatder Umsatz im Direktverkauf zugelegt.
Die Einbußen in der Gastronomie haben uns schon getroffen, das ist ein wichtiger Vertriebsweg.
Gleichzeitig ist die Direktvermarktung aber angestiegen, das bedeutet bessere Margen. Und der OnlineHandel hat deutlich zugenommen
„Aber von den 40 Prozent Verlust bleiben halt immer noch 25 Prozent, unddasisteinMillionenbetrag.“ Die Corona-Geschichte hat viele Facetten, es geht nicht nur um Gastronomie und Direktvermarktung. Das Sächsische Staatsweingut Schloss Wackerbarth ist ein Hotspot fürVeranstaltungen.500Hochzeiten, Tagungen, Firmen- und FamilienfeiernmusstenwegenderPandemieabgesagt werden. „Wir waren immer auf 23 Weihnachtsmärkten“, sagt Sonja Schilg. 2020 fand kein einziger statt. Die Geschäftsführerin der GmbH erzählt aber auch von der anderen Seite der Medaille. „Im Sommer ist der deutsche Binnentourismus stark angestiegen. So hatten wir vordemzweitenLockdownsogarein Besucher- und Ertragswachstum!“ BilanzdesCorona-Jahres2020:MinimalerVerlust,aber190000Besucher, wiejedesJahr. ÜberalldasselbeLied: Abgesagte Veranstaltungen, keine Weinfeste, keine Weihnachtsmärkte, Verkostungen nur noch online.
Oft sind auf den ersten Blick Folgen von Corona-Verordnungen gar nicht absehbar. Andreas Clauß vom Thüringer Weingut Bad Sulza, wo knapp 50 Hektar Rebflächen bewirtschaftet werden, erzählt: „Wir hatten immer viel Laufkundschaft aus der nahen Toskana-Therme in Bad Sulza. Die musste während der Pandemie schließen. Plötzlich kam niemand mehr zu uns. Dann hatten wireinenneuenTrend:Essindzwar weniger Kunden gekommen, aber die gekommen sind, haben viel mehr Wein eingekauft.“ Auch Andreas Clauß sagt: „Der Spätfrost hat mehr weh getan als die Pandemie.“
Wolfram Proppe ist in seiner Bewertung der Corona-Krise zwiegespalten. „Die Ausfälle in der Gastronomie haben auch wir gespürt, aber viele unserer Kunden haben uns online die Treue gehalten“, sagt der Winzer aus Löberschütz in Thüringen.DieAusfälleimVeranstaltungsbereich haben ihn nicht getroffen –an Veranstaltungen wie Hoffesten oderWeihnachtsmärktenistderjunge Winzer gar nicht beteiligt. Kein Wunder, dass Proppe sagt: „Andere Betriebe hat es mit Corona schlimmer getroffen. Für mich waren die Spätfröste während der Eisheiligen 2020 ein viel größeres Problem.“
Klingt unterm Strich so, als sei den Winzern, was Corona betrifft, das Schlimmste erspart geblieben.
Klaus Böhme: „So sieht es aus.“
WeinTipp von Uwe Köster
Scheurebe Wackerbarthberg trocken 2020, Sächsisches Staatsweingut Schloss Wackerbarth
Die Scheurebe – eine nach Georg Scheu benannte und von ihm
1916 gezüchtete Rebsorte aus einer Kreuzung von Riesling und der Bukettraube – fristet ein merkwürdiges Dasein. Sie gilt nicht als edle Sorte. Manche Weinfreunde können mit der urdeutschen Aromasorte gar nicht viel anfangen. Massenware, altmodisch, aufdringlich, lauten die Urteile, korrekter: Vorurteile. Andere sind Fans dieser Rebsorte. Doch in den letzten Jahren hat die Scheurebe dank strikter Qualitätsbemühungen
einiger Betriebe einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt. Da lasse ich mich - ewiger Scheurebe-Skeptiker –doch gerne mal überzeugen. Die 2020er Scheurebe vom Weingut Schloss Wackerbarth aus der Spitzenlage Wackerbarthberg in Radebeul schafft das. Nichts da von altmodisch oder aufdringlich. Diese Scheurebe hat ein rassiges Aroma, in der neben einigen anderen Fruchtnoten Schwarze Johannisbeeren und Maracuja zu entdecken sind. Die feine Mineralität ist der lokale,
sächsische Aspekt. Der Wein macht einfach Spaß und ist weiß Gott keine Massenware, was auch die Vita beweist: Die Trauben wurden per Hand gelesen, danach drei Wochen lang gekühlt im Edelstahltank vollständig vergoren. Es folgte eine viermonatige Reife auf der Feinhefe. Habe die Wackerbarthsche Scheurebe zu einem thailändischen Menü getrunken – das war eine kulinarische Hochzeit vom Feinsten. Hätte sich Georg Scheu vor über 100 Jahren wohl nicht träumen lassen.
Der Fasskeller des Weinguts Böhme in Kirchscheidungen. Auf die Arbeiten im Keller und im Weinberg hatte die Pandemie keinen Einfluss. Foto: Uwe Köster
Georg Prinz zur Lippe im Weinberg in Proschwitz. Sachsens Starwinzer hat die coronabedingte Schließung der Gastronomie schwer getroffen. Foto: Nora Börding
Das idyllische Anwesen von Schloss Wackerbarth – in den letzten Monaten oft menschenleer. Ohne Pandemie ist das Areal gut besucht. Foto: Nora Börding
Auxerrois 2020, Wolfram Proppe, Saale-Unstrut Wolfram Proppe aus dem thüringischen Löberschütz hat sich den Ruf als Auxerrois-Spezialist erworben. Kein Wunder, macht die Sorte doch einen Großteil seiner Anbaufläche aus. „Für mich ist die Sorte schon immer interessant. Sie ist ähnlich dem Weißburgunder, aber eher reif, hat weniger Ertrag, die gelbfruchtigen Aromen gefallen mir, auch die von Natur aus harmonisierende Säure“, sagt der Winzer, dazu dieses starke Statement: „Für mich ist der Auxerrois sogar der bessere Weißburgun-
der!“ Das macht neugierig, probieren wir mal. Der erst kürzlich in die Flasche gefüllte 2020er Auxerrois ist tatsächlich von Format und macht Eindruck. Er tritt deutlich in Erscheinung, ein Musketier mit Aromen von Zitrus, Pfirsich und Grapefruit. Und ja, die Säure passt wirklich hervorragend. „Es gab zwei Lesetermine, einmal hatten wir 89 Oechsle, einmal 95. Der Wein lag lange auf der Hefe, ein Teil davon im Holz“ erklärt Proppe. Sein Faible für den Auxerrois ist durchaus
mutig. Die Rebsortesie gehört zur Burgunderfamilie – ist in Deutschland nicht wirklich etabliert, es gibt keinen deutschen Namen für Auxerrois. Ein Außenseiter also, aber auch nicht ganz. Verbreitet ist Auxerrois unter anderem im badischen Kraichgau, in der Südpfalz, im Elsass und an der südlichen Mosel, vor allem in Luxemburg. Nun, man muss nicht nach Luxemburg fahren, um einen feinen Auxerrois kennenzulernen. Den findet man um die Ecke.
28 Leben Stil & Leben Stil
André Gussek Winzer in Naumburg
Foto: André Kempner
Foto: André Kempner
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Thomas de Maizière
„Generalisten sind für das Führen in der Politik geeigneter als Spezialisten“
Der frühere Minister Thomas de Maizière hat zusammen mit Ex-Merck-Chef Karl-Ludwig Kley ein Buch geschrieben
Von Ulrich Milde
Wenn prominente Politiker Buchautoren werden, dann schreiben sie gerne Autobiografien. Bill Clinton hat das getan, HansDietrich-Genscher, Helmut Kohl, HelmutSchmidt–sieallestehennur als Beispiele für viele andere. Thomas de Maizière, der sowohl im Bund als auch in Sachsen Minister war, hat sich zusammen mit KarlLudwig Kley, früher unter anderem Chef des Darmstädter Chemie- und Pharmakonzerns Merck, Gedanken über die Kunst des guten Führens gemacht. Sie berichten von ihren WegenandieSpitze,vomgutenund schlechten Umgang mit Macht und von den Grundsätzen, die sie als Führungskräfte leiten.
DeMaizièreundKleykennensich seit vielen Jahren „und ziemlich gut“, wie der Politiker im Gespräch mitderLVZ-Wirtschaftszeitungsagt. „Unsverbindet,dasswirimmerüber unsereArbeitreflektierthaben.“Bei einem Spaziergang in der Toskana, wo die Familien zusammen ihren Urlaubverbrachten,seidieIdeeentstanden, gemeinsam ein Buch zu schreiben.NichtüberFührungsstile, sondern über Bedingungen erfolgreichen Führens. Die beiden einigten sich auf ein besonderes Format. Nach dem Vorwort kommt erst de MaizièrezuWort,dann,mitderidentischenGliederung,derManager.Im
dritten Kapitel führen sie ihre Erkenntnisse zusammen. Für de Maizière hängt gutes Führen davon ab, unter welchen Bedingungen es stattfindet. Dabei seien die Einflussfaktoren auf das Ergebnis guten Führens in der Politik größeralsinderWirtschaft.InderPolitik seien viele Menschen zuständig, es gebe Gerichte, Mitwirkungsregelungen, die Öffentlichkeit, die Medien – „viele reden mit“. Die Kunst bestehe darin, die Bedingungen nicht zu ignorieren, ihnen aber nicht zumOpferzufallen,sonderndieInstitution von A nach B zu bringen. Die Diskrepanz zwischen Politik und Wirtschaft ist häufig groß. „Politiker glauben, Wirtschaftsleute sind egoistisch, wollen nur Staatsknete undsindsichzufein,indiePolitikzu gehen, meckern dafür gerne an der Politik herum. Umgekehrt sagt die Wirtschaft über die Politiker, sie haben keine Ahnung, sollten erst mal lernen, wie das Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet wird, bevor es verteilt wird, die Politiker sind in ihrer Blase, viel zu opportunistisch“, beschreibt de Maizière. Diese Vorwürfe seien zwar nicht ganz abwegig,hättenabermitdenunterschiedlichen Rahmenbedingungen zu tun. Ob es schädlich sei, dass an der Spitze von Ministerien selten Fachleute stehen? „Das geht gar nicht anders“, antwortet de Maizière. Die
Das Buch
Karl-Ludwig Kley, Thomas de Maizière: Die Kunst des guten Führens. Macht in Wirtschaft und Politik. Herder-Verlag, Freiburg, 2021 288 Seiten 25 Euro
Auswahlprozesse seien anders, da gehe es um Mann oder Frau, um regionalen Proporz. „Wir hatten so gut wie nie einen gelernten Außenpolitiker als Außenminister, sind damit so schlecht nicht gefahren.“ Beim Führen eines Ministeriums komme es mehrdaraufan,Projektedurchzusetzen, Mehrheiten dafür zu organisieren. Selbstverständlich müsse man bereitsei,sichaufseinenBereicheinzustellen,wissen,worindieentscheidenden Punkte bestehen. „Generalisten sind für Führung in der Politik tauglicher als Spezialisten.“
Ziel des Buches sei, einen Beitrag für mehr Verständnis für die andere Rolle zu leisten, sagt de Maizière. Dann wäre womöglich auch die Bekämpfung der Corona-Pandemie anders verlaufen. Wie Kley hält de Maizière es für sinnvoll, mehr die Kompetenzen in den Unternehmen zunutzen.DieWirtschaftetwawisse genau, wie man gekühlte Ware transportiert. „Da gibt es viel Sachverstand,eristgrößeralsbeidenkassenärztlichen Vereinigungen oder beim Staat.“ Ähnlich bei der oft hakenden Terminvergabe für CoronaImpfungen. Lediglich SchleswigHolstein habe das über eine private Agentur organisiert, die ansonsten Rockkonzerte abwickelt. „Die wissen, wie das ist, wenn auf einen Schlag ganz viele Leute anrufen, die können das.“
Kley meint, in der Krise müsse zentral entschieden werden. Das gehe aber nicht in einer Demokratie, wirft de Maizière ein. „Unsere Aushandlungsprozessesindgutgeeignet fürdenInteressenausgleich,umKompromisse zu finden, alle mitzunehmen.“ Der Preis dafür sei VielstimmigkeitundLangsamkeit.„Dasistim Normalfall der Demokratie eher förderlich, in der Krise eher schädlich.“ Leider existiere bis heute bei Corona kein ebenenübergreifender Krisenstab zwischen Bund und Ländern. Da gebe es Gipfeltreffen der Kanzlerin mit den Länderchefs zur Frage, wann wie viel Impfstoff geliefert werde. „Normalerweise ein Thema für einen Krisenstab.“ Stattdessen gebe es „MikromanagementvonSpitzenpolitikern“. Es komme auf Verbindlichkeit und Schnelligkeit an, nicht so sehraufzentraloderdezentral.
De Maizière scheidet mit Ablauf der Legislaturperiode in diesem Jahr aus dem Bundestag aus. „Klar bleibe ich in Dresden wohnen.“ Er werde seine Ehrenämter ausbauen. So ist er Vorsitzender der Stiftung der Deutschen Telekom, die sich um die mathematisch-naturwissenschaftliche und technische Bildung junger Menschen kümmert, er sitzt im Präsidium des Evangelischen Kirchentages, steht der Ethikkommission des DeutschenOlympischenSportbundesvor. „Mirwirdnichtlangweilig.“
Thomas de Maizière (67) wurde in Bonn geboren. Nach dem Wehrdienst studierte er Rechtswissenschaften in Münster und Freiburg und promovierte dort. Später arbeitete er für die Regierenden Bürgermeister von Berlin, Richard von Weizsäcker und Eberhard Diepgen. 1990 war er für seinen Cousin Lothar de Maizière am Aufbau des Amtes des Ministerpräsidenten der DDR beteiligt und gehörte zur Verhandlungsdelegation für den deutschen Einigungsvertrag. Danach war er Staatssekretär im Kultusministerium von Mecklenburg-Vorpommern und Leiter der dortigen Staatskanzlei. Es folgte sein Wechsel nach Sachsen: als Chef der Staatskanzlei, als Finanz-, als Justiz- und als Innenminister. Von 2005 bis 2009 war er Bundesminister und Chef des Kanzleramts, anschließend erst Innen-, dann Verteidigungs- und nochmals Innenminister. Der CDU-Politiker ist verheiratet und hat drei Kinder.
Karl-Ludwig Kley
Karl-Ludwig Kley (70) wurde in München geboren. Er absolvierte eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei der Siemens AG, studierte Jura und arbeitete anschließend bei der Bayer AG. Parallel dazu schloss er seine Promotion ab. 1998 wechselte er als Finanzvorstand zur Deutschen Lufthansa AG, acht Jahre später trat er in die Geschäftsleitung des Chemie- und Pharmakonzerns Merck in Darmstadt ein. Ein Jahr darauf übernahm er den Vorsitz der Geschäftsführung. Zwischenzeitlich war er Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie und Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. 2016 trat er in den Ruhestand und ist jetzt als Aufsichtsrat tätig: Er ist Vorsitzender dieser Gremien bei Eon und der Lufthansa sowie Vizechef bei BMW. Kley gilt als einer der einflussreichsten Manager der deutschen Wirtschaft. Er ist verheiratet und hat einen Sohn.
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Fünf Podcast-Tipps aus der Welt der Wirtschaft
Manche sind knackig kurz, andere behandeln ein Thema über mehrere Folgen. Und all dem lässt sich in nahezu jeder Lebenslage lauschen. Die Rede ist von Podcasts, die immer mehr Menschen erreichen. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat zu einem rasanten Wachstum bei der Nachfrage geführt. Das lässt auch die Werbetreibenden hellhörig werden. Lag der Umsatz laut Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) 2019 bei etwa neun Millionen Euro, waren 2020 bereits 16 Millionen Euro zu verzeichnen – und damit noch einmal mehr als erwartet. Für das laufende Jahr rechnet der BVDW mit einer weiteren Umsatzsteigerung in Höhe von 25 Prozent auf 20 Millionen Euro. Hörspiele, Erziehung, Marketing, True Crime – Podcasts gibt es zu allerlei Themen. Hier kommen fünf Podcast-Tipps aus der Welt der Wirtschaftsexperten
brand eins
Der brand eins-Podcast, produziert vom Internetradio detektor.fm, verspricht neue Impulse, die den Blick der Hörer und Hörerinnen auf die Wirtschaft verändern. Zu hören gibt es jede Woche persönliche Gespräche mit den spannendsten Menschen der brand einsWelt. Dauer: zwischen 20 und 60 Minuten. Fortschritt, neue Ideen, besondere Erfahrungen vom Marketing über Produktentwicklung bis zur Unternehmensführung werden hier thematisiert. Beispiele für einzelne Folgen? „Die Vorteile des Büros“, „Scheitern und fokussieren“ und „Zu Gier wollte sich niemand bekennen“. Der Link zum Podcast: https://detektor.fm/serien/brand-eins
Handelsblatt Morning Briefing
Wie der Name schon sagt, können Zuhörer und Zuhörerinnen mit diesem kurzen Podcast des Handelsblatt in den Tag starten. Die Handelsblatt-Autoren Hans-Jürgen Jakobs und Sven Afhüppe verpacken börsentaugliche News aus Wirtschaft, Politik und Finanzen als snackable Content für die Ohren. Persönlich, meinungsstark, unterhaltsam. Zu reservieren sind dafür täglich von Montag bis Freitag etwa neun Minuten. Der Link zum Podcast: https://www. handelsblatt.com/audio/podcast-morning-briefing/
Wirtschaft
Weltmarktführer, Wirtschaftskrise, Welthandel, Ölpreis, Arbeitsplätze, Zinsen, Zölle – im Podcast „Wirtschaft“ der Deutschen Welle wird hinter die Kulissen der Weltwirtschaft geschaut. Und das täglich von Montag bis Freitag 15 bis 20 Minuten lang.
„Wie Gerichte in der Klimapolitik Druck machen“, „Autonomes Fahren – bald auf der Autobahn?“ oder „Auch das gibt’s: Mehr Geld in der Pandemie“ sind nur drei Beispiele für die Folgen, die Hörer und Hörerinnen hier erwarten. Der Link zum Podcast: https://www.dw.com/de/der-wirtschafts-podcast/t-18763471
Plan W
In diesem Podcast zum Wirtschaftsmagazin der Süddeutschen Zeitung wird gezielt einer Frage aus dem Wirtschaftsleben nachgegangen. Wie der Titel des Podcasts bereits erahnen lässt stehen hier Frauen im Fokus – Wirtschaftsfrauen und Unternehmerinnen, die ihren eigenen Weg gehen und die Wirtschaft verändern wollen. Erzählt werden Geschichten von Frauen, die Neues ausprobieren und von Phänomenen, die an den Schnittpunkten zwischen Weiblichkeit und Wirtschaft gerade spannend sind. Die einzelnen Folgen dauern um die 30 Minuten und tragen Titel wie „Stress & Chaos? Pah, macht mir gar nix!“, „Arbeitsplatz ohne Diskriminierung“ oder „Frauen digitalisieren Deutschland“. Der Link zum Podcast: https://www.sueddeutsche.de/thema/ Plan_W_Podcast
manager magazin – der Podcast
„Wirtschaft aus erster Hand“, bewirbt das manager magazin seinen Podcast, der sich staffelweise den interessantesten Themen der Wirtschaft mit besonderem Blick auf den deutschen Markt widmet. Hier erfahren Zuhörer und Zuhörerinnen wöchentlich in zehn bis 45 Minuten alles über relevante, aktuelle Zusammenhänge und Fragen, die die Arbeitswelt beschäftigen. Kurzweilig, informativ, präzise. „Linkedin und Twitter: Macht-Maschinen der Selbstdarsteller“, „Tui – die Dauerkrise des Weltmarktführers“ oder auch
„Die Lehren aus dem Fall Wirecard“ stehen hier im Mittelpunkt einzelner Folgen, in denen Akteure, Entscheider und Experten zu Wort kommen. Der Link zum Podcast: https://www.managermagazin.de/thema/podcasts_von_manager_magazin/
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Leben Stil & Leben Stil 31
Von Patricia Liebling
Eine ganz besondere Seife – zu haben im Kloster Helfta
Außergewöhnliche Düfte – Schwester Pauline und die anderen Nonnen haben die Fertigung voll im Griff / 13 verschiedene Geruchsnoten im Angebot
Naturwissenschaften studiert – Nonne geworden. Ein außergewöhnlicher Werdegang. Allerdings: Experimentieren, wie das bei Wissenschaftlern nicht selten der Fall ist, reiztsiesehr.Neueserfolgreichauszuprobieren, verschafft ihr Glücksmomente. Ungewöhnliche Wege zu gehen, beschert ihr Zufriedenheit.
Die diplomierte Physikerin und heutige katholische Schwester PaulinehatimZisterzienserinnen-Kloster St. Marien zu Helfta in der Lutherstadt Eisleben all das geschafft. Sie fand dort ihre Berufung.
Das geregelte Leben hat es ihr angetan, wenngleich sie durchaus eben auch gern mal in ihr unbekannte Sphären vordringt. „Als Physikerin – da liebt man Experimente.“ Das ist ihre ganz einfache Erklärung dafür, dass sie seit etwa anderthalb Jahren der Seife verfallen ist.
In Helfta haben die neun dort lebenden Schwestern einen recht weltlichenWirtschaftszweigausder Taufe gehoben – eine Seifenmanufaktur. „Und sie entwickelt sich prächtig“,sagtPaterJustinusChristoph Pech (48), der als promovierter Wirtschaftswissenschaftler selbstredend weiß, wie ein Kloster auch ökonomisch etwas zu leisten vermag und dies dort wohlwollend begleitet. Ein Manager-Mönch sozusagen. Er ist seit 2017 Gastprofessor fürLeadershipanderHandelshochschule in Leipzig (HHL), an der er auch seine Promotionsschrift „Die Bedeutung der Wirtschaftsethik für die marktorientierte Unternehmensführung“ 2007 verteidigte. SeitheristerengmitderRegionund ihrer Entwicklung verwurzelt.
Ständig neue Abnehmer
„Die Seife verkauft sich super“, berichtet Pauline, die mit bürgerlichem Namen Anne Klimach heißt. Die 35-Jährige ist froh darüber. „Anfangs war ich noch recht naiv, dachte, die Stücke nur in unserem Klosterladenzuverkaufen,undvielleicht noch in einigen befreundeten Klöstern.“ Dort jedoch werde längst mehrGeschäftgemachtalsamsachsen-anhaltischen Produktionsstandort. Zu haben seien die Waschhilfen inzwischen in über 20 katholischen Einrichtungen. Pauline nennt zum Beispiel das Benediktiner-Kloster Maria Laach in der Eifel und das Frauenchiemsee-Kloster am Chiemsee. „Ständig kommen neue Abnehmer hinzu“, sagt die aus RheinböllenimHunsrückstammende junge Frau. „Von Hamburg bis Wien und von Essen bis Dresden –
Von Hamburg bis Wien und von Essen bis Dresden –überall sind unsere Seifen zu haben.
Schwester Pauline
überall sind unsere Seifen zu haben.“ Der Erfolg zeigt sich nicht zuletzt in nüchternen Zahlen.
„Wir starteten mit dem Verkauf zu Ostern 2019. In dem Jahr brachtenwir10000StückandieFrauund den Mann. Im Folgejahr schon die doppelte Menge“, so Pauline. Der Umsatz liege zwischen 60000 und 80000Eurojährlich.“Alleinbiszum Mai dieses Jahres wurden schon 25000 Euro erlöst. Pech meint, Corona habe das Ganze befördert. „ImmerhinhatKanzlerinMerkelim März 2020 mit Blick auf höhere HygienestandardseinhäufigeresHändewaschen angemahnt.“ Dies habe sein Scherflein zum Erfolg der Helfta-Seifebeigetragen,sagtderTheologe mit einem Augenzwinkern.
Norwegischer Auslöser
Die äußerst gut riechenden Stücke machen auch etwas her. Der Begriff Pauline-Seife wäre wahrscheinlich etwas übertrieben. Zwar hatte sie seinerzeitdieIdee,diesekleineFertigungaufdieBeinezustellen.Aber inzwischen haben alle Schwestern dengesamtenFertigungsablauffest im Griff. Die ersten Produktionserfahrungen sammelte Pauline, die seit 2016 in Helfta lebt, im August 2015 auf einer Pilgerreise im Trappistinnen-Kloster im norwegischen Trondheimer Fjord. „Dort kam ich zum ersten Mal mit der Seifenherstellung in Berührung.“
Das Kloster als Wirtschaftseinheit –warum denn nicht.
Pater Justinus Christoph Pech Wirtschaftswissenschaftler und Gastprofessor für Leadership an der Handelshochschule in Leipzig (HHL)
Im Laufe der Zeit haben die Schwestern nicht nur Fachliteratur dazu gelesen, sondern Schwester Pauline auch auf einen entsprechenden Kurs geschickt. Längst sind ihnen die Abläufe in Fleisch und Blut übergegangen. Zunächst müssen Lauge und Öle vermischt werden bei entsprechender Temperatur. Damit die dabei entweichenden ätzenden Dämpfe niemandem zu sehr in die Nase fahren, haben „wir eine Dunstabzugseinrichtung selbstgebaut“.HinzukommenAromen und verschiedene Duftstoffe. Danach wird die Flüssigkeit in wuchtige Blöcke gegossen, wo sie härten muss. Diese Riesenstücke kommen später „unters Messer“, besser gesagt unter ein Gitter-Rost, dessen feste Drähte das Material in kleine Seifenstücke zerteilen – ähnlich wie ein Eierschneider, nur eben in größerer Dimension. Feinarbeiten schließen sich an.
So wird mit einer speziellen Form noch ein Profil-Stempelzeichen in die einzelnen Teile gedrückt, bevor sie in den kleinen hellbraunen Pappschachteln verschwinden.
„Diese Verpackungen zurechtzuknicken, das hat oft eine meditative Wirkung“, erzählt Pauline, deren
nahezu weiß schimmernden Haare verschmitzt unter ihrer Habit-Haube hervorlugen. Die Oberin Christiane hätte schon so manches Mal gemeint: „Ich brauch erst einmal was für meine Nerven, ich gehe in RuheeinpaarKartonsfalten.“Soist am Ende alles in allem im wahrsten Sinne des Wortes Handarbeit. Das erklärt auch den nicht ganz so niedrigen Preis – 5,90 Euro pro Stück. Übrigens nicht nur im Klosterladen zu haben, sondern auch online.
Start mit sechs Seifen-Sorten Begonnen hatte alles mit sechs verschiedenen Seifen-Sorten, „heute sind es 13“, sagt Schwester Pauline. Jede trägt einen besonderen Namen: Etwa Joseph, Monika, Gertrud, Benedikt, Hildegard, Katharina, Mechthild oder Teresa. „Der Renner ist in unserer Gegend die Gertrud“, meint die Oberin. „Das liegt bestimmt an ihrer PfirsischMandel-Note.“ In Bremen hingegen seien dezentere Versionen beliebt. „Die Seife mit SchokoTouch hingegen verkauft sich am bestenimGebietderdeutsch-polnischen Grenze“, berichtet Pauline.
Nicht selten haben die Bezeichnungen einen historischen Hintergrund. Die „Elisabeth“ zum Beispiel.Paulineerzählt:„DerLegende zufolge hat Elisabeth von ThüringenvorvielenJahrendenArmenim Ort Brot gebracht, verstaut im Korb, der mit einem Tuch bedeckt war.“ Dies war unter Strafe verboten. Ihre Stiefmutter, die Elisabeths Barmherzigkeit missbilligte, stellte ihr eine Falle und fragte, was sie im Korbversteckthabe.„Elisabethantwortete:Rosen.UndalsdasTuchgelüftetwurde,warenwirklichnurRosen darunter zu finden.“ Nun trägt die Oliven-Seife mit Rosenduft aus Helfta den Namen der Mildtätigen. Wer in jenes kleine Stübchen kommt, in dem die Seifenstücke gestempeltundverpacktwerden,dem schlägt eine Wucht an Gerüchen
entgegen. Eine wahres Duftparadies öffnet sich hier jedem, der eintritt.DiejungeSchwesternimmtdas garnichtmehrsoextremwahr,istes schon gewohnt. Fühlt sich hier aber ausgesprochen wohl. Wie überhaupt in Helfta. Sich als Naturwissenschaftlerin dem Glauben zu verschreiben mit dem „radikalen Schritt, ins Kloster zu gehen“, wie sie es formuliert, ist nicht alltäglich. ZunächstnochwährenddesPhysik-Studiums mit anderen Christen insGesprächgekommen,merktesie nach einigen „Gebetsexperimenten“, vielleicht könne es doch kein Zufallsein,wennihreGebeteerhört werden. Bei ein oder zwei unwahrscheinlichen Ereignissen könne man sich mit dem Zufall herausreden, „aber nicht häufiger“. Heute sagt sie: „Da mir Gott das Leben geschenkt hat, dann schenke ich ihm meinLebenmitgroßerDankbarkeit, stelle mein Leben in seine Dienste.“
Neue Kreationen im Blick
Ihrem experimentellen Geist tut dies aber beileibe keinen Abbruch. „Wir versuchen natürlich, immer neue Seifenkreationen zu entwickeln“, betont Pauline. Das trage wesentlichzumwirtschaftlichenErfolg des Klosters bei. Den übrigens auch Pater Pech im Fokus hat. „Das Kloster als Wirtschaftseinheit – warum denn nicht“, fragt er mehr rhetorisch. Dies zu stärken, hat er sich auf die Fahnen geschrieben. „Mein Monastic Dry Gin, den ich derzeit noch auswärts herstelle, soll bald aus Helfta stammen. Ich möchtedieProduktionhierherverlegen.“ Und damit den mitteldeutschen Wirtschaftsstandort stärken. Immerhin hat er mit einigen Firmenchefs bereits einen Unternehmerverband der Region Mansfeld-Südharz gegründet. „Mittelständler sind hier am Wirken.“ Er als Geschäftsführer der Monastic Distillery GmbH ist natürlich mittendrin –eben ein wahrer Manager-Mönch.
Verschiedene Farben, verschiedene Gerüche – Seifen aus Helfta. Öle sind wichtig als Rohstoff für die Seifen-Herstellung.
Ob Zedernholzöl oder Orangenöl –die Auswahl in Helfta ist vielfältig. Schwester Pauline (links) und Oberin Christiane beim Sortieren. Jede Seife bekommt den typischen Stempel und wird so unverwechselbar.
Foto: Christian Modla
Ereignisse
1229 Gründung des Klosters bei Mansfeld
1258 Verlegung des Klosters nach Helfta, östlich von Eisleben
1207-1282 Hl. Mechthild von Magdeburg, Mystikerin, bedeutende Schriften
1231-1291 Gertrud von Hackeborn, Äbtissin von 1251 bis 1291
1241-1299 Hl. Mechthild von Hackeborn, Schwester der Äbtissin, Mystikerin, Leiterin der Klosterschule
1256-1302 Hl. Gertrud von Helfta, Mystikerin, bedeutende Schriften 1342 Verwüstung des Klosters durch Albrecht von Braunschweig 1343 Verlegung des Klosters an die Stadtmauer von Eisleben 1483-1546 Martin Luther in Eisleben geboren und gestorben 1525 Verwüstung des Klosters NeuHelfta im Bauernkrieg, 1542 Reformation in Eisleben, Säkularisierung des Klosters Helfta Das Klostergut wurde preußische Staatsdomäne. Die DDR wandelt die Staatsdomäne in ein „Volkseigenes Gut“ mit Massentierhaltung um.
3. Juni 1992 Aus vier Förderkreisen entsteht der „Verband der Freunde des Klosters Helfta“.
8. August 1994 Das Klosterareal mit Teilen historischer Bausubstanz wird wieder Kirchenbesitz.
Aus Spendenmitteln des Verbandes kauft das Bistum Magdeburg von der Treuhand das Klosterareal. Bischof Leo Nowak übernimmt die Schirmherrschaft für den Wiederaufbau.
September 1998 Offizieller Beginn für den Wiederaufbau des Klosters Helfta
März 1999 Richtfest der Klosterkirche St. Marien
32 Leben Stil & Leben Stil
Von Ulrich Langer
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