Wirtschaftszeitung - das Unternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung | Juni 2024

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Das Unternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung wirtschaftszeitung.lvz.de

MITTELSTAND

Dietrich Enk vom Unternehmerverband Sachsen blickt auf die Lage des Mittelstandes. Seite 3

Bluechip Computer AG ist für weltweit tätige IT-Hersteller die erste Wahl in Mitteldeutschland. Seite 7

Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung ist der Natur auf der Spur. Seiten 18-19

Der Biedermeierstrand am Schladitzer See hat sich zum Erholungsort und kulturellen Hotspot entwickelt. Seite 28

Ausgabe 19

Heft 2/2024

Preis: 2,90 €

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–DER MOTOR DER WIRTSCHAFT?

■ Mittelstand

Interview mit Dietrich Enk, Unternehmerverband Sachsen, zur wirtschaftlichen Lage des sächsischen Mittelstandes und seine Wünsche an die Politik.................3

Der sächsische Mittelstandbericht des Freistaates Sachsen ist erschienen. Einblick in die aktuelle sächsische Wirtschaftsstruktur........ ......................4

Finanzmanager der Deutsche Bank berichten über die Finanzlage des Mittelstandes.....5

Thüringer Technologiekonzern Jenoptik hat es geschafft und ist zum ostdeutschen ­Umsatzmilliardär aufgestiegen..................... ................6

Die Bluechip Computer AG in Meuselwitz behauptet sich am Markt und ist für weltweit tätige IT-Hersteller die erste Wahl................ ...................7

Die Heizung Sanitärbau Leipzig GmbH hat im Objektgeschäft seine Nische gefunden.....8

■ Verbandsarbeit

Enge Kooperationen zwischen Industrie- und Handelskammer und Handwerkskammer und ihre Erwartungen an die Landespolitik.......... ....................9

Oliver Köhn, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen und Anlagenbau Ost, wirbt rund um den Globus für die hiesige Wirtschaft ........................15

■ Zukunft

Norbert Menke über die Vergabe der Milliarden Euro an Fördermitteln für den Strukturwandel in den Kohlerevieren und warum er seinen Vertrag als Chef der Sächsischen Agentur für _Strukturentwicklung nicht verlängert hat.......... .....................9 Timo Meynhardt stellt einige Kernideen der gemeinsamen Stellungnahme „Die Zukunft der Arbeit“ vor....................... ................11

Neuer Aufschwung in den Außenhandelsbeziehungen zwischen Deutschland und ­Großbritannien, geringe Brexit-Spuren in Sachsen.. .......................12

■ Boss-Büro

Besuch bei Thomas Wollesky, Chef der Markkleeberger Firma ACL...............13

■ Porträt

Wie das Unternehmen Partzsch, Döbelns größter Arbeitgeber, heute aufgestellt ist und was das familiengeführte Unternehmen unternimmt, um Mitarbeiter zu gewinnen.......14

Sächsisches Unternehmen Frieweika setzt auf Regionalität und Nachhaltigkeit in der Verarbeitung und ist damit deutschlandweit erfolgreich......................25

Diamant Fahrradwerke, das sächsisches Traditionsunternehmen aus Hartmannsdorf bei Chemnitz, feiert im nächsten Jahr seinen 140. Geburtstag....................26

Leibert-Kosmetik: Dank eines innovativen Konzeptes hat sich das Familienunternehmen auf dem Gebiet der Hautanalyse und Hautpflege erfolgreich spezialisiert............27

■ Natur

Neues Projekt des Deutschen Wanderverbandes untersucht das Konfliktpotenzial im Wald.......................... ..............17

Das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung im sachsen-anhaltischen Gatersleben ist in der Welt in seiner Art einmalig...........18-19 Mehrfach ausgezeichnetes Leipziger Start-up Nadar hat eine Cloud-basierte Plattform zur ­Optimierung der Waldüberwachung entwickelt.... ...................18-19 Im Botanischen Garten der Universität Leipzig werden die unterschiedlichen Facetten der pflanzlichen Vielfalt gezeigt, erforscht und erlebbar gemacht................20

■ Eventlocation

Wo Unternehmen bei uns in der Region erstklassig feiern und speisen können.........22

■ Gründerszene

Private Risikokapitalgeber haben sich zu dem Verein „BAM! Business Angels Mitteldeutschland“ zusammengeschlossen, um die Vernetzung der Akteure in der Region voranzutreiben und neue „Unternehmensengel“ zu gewinnen........... .................24

Max Seidel hat mit 20 das Start-up „Mixed Spirits“ aufgebaut. Seine selbstkreierten Liköre ­begeistern seither Gastronomen, Unternehmen und Genießer..................29

■ Kulturarbeit

Wie Mitteldeutschlands vielfältigen Kulturdenkmale erhalten, bewahrt und erlebbar gemacht werden..................................... ........21

Gespräch mit Stefan Schmidtke und Andrea Pier, Geschäftsführer der Kulturhauptstadt ­Europas Chemnitz 2025 gGmbH, über ihre Arbeit und die Feierlichkeiten im Rahmen des ­Kulturhauptstadtjahres............................ .............29

Wie der Haynaer Strandverein den heutigen Biedermeierstrand des Schladitzer Sees von einer ehemaligen Kohlegrube hin zu einem Kultur- und Erholungsort entwickelt hat...28 ■ Genuss

Röstfein hat als einzige von sieben DDR-Kaffeeröstereien überlebt ...............30 Die Trends des Weinmarktes......................... .............31

DIE WIRTSCHAFTSZEITUNG – MEHR DIGITAL.

Liebe Leserinnen und Leser, bei einigen Artikeln finden Sie solch einen kleinen Kasten inklusive eines QR-Codes. Damit gelangen Sie ­direkt zu unserem neuen Digital­magazin. Hier erhalten Sie noch mehr ­Themen rund um die mitteldeutsche Wirtschaft und weitere ­Hintergrundinformationen. Interessiert? Dann einfach denQR-Code ­scannen oder direkt auf wirtschaftszeitung.lvz.de schauen!

Impressum

Wirtschaftszeitung – ein Produkt der Leipziger Volkszeitung Verlag und Herstellung: Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft mbH & KG, Peterssteinweg 19, 04107 Leipzig.

Geschäftsführer: Björn Steigert

Vermarktung: Thomas Jochemko

V.i.S.d.P.: Hannah Suppa

Redaktion und Produktion: Nannette Hoffmann (Redaktionsleitung), Manuela Engelmann-Bunk, Uwe Köster, Ulrich Langer, Ulrich Milde, Christiane Kunze (Layout), Marius Ludwig (Layout ­Advertorials)

Druck: Pressedruck Potsdam GmbH, Friedrich-Engels-Straße 24, 14473 Potsdam

Auflage: 20000

Redaktionsschluss: 30. Mai 2024

Nächster geplanter Erscheinungstermin: Okotber 2024

Preis: 2,90 Euro Idee und Konzept: Leipzig Media GmbH Für Fragen oder Hinweise zur Lieferung der LVZ-Wirtschaftszeitungerreichen Sie uns kostenfrei unter 08002181-020. Wenn Sie Fragen zu einer Anzeigen-Buchung haben, melden Sie sich bitte unter der Telefonnummer 0341 2181-1909.

Kontakt: wirtschaftszeitung@lvz.de; www.lvz.de

Bitte beachten Sie die Informationen zur Herkunft und Verarbeitung Ihrer personen­bezogenen

Daten: https://www.madsack.de/datenschutzhinweise/ Inhalt

Editorial

Das Herz der deutschen Wirtschaft

Für den Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) steht fest: „Der Mittelstand ist Deutschlands Wirtschafts- und Beschäftigungsmotor. Er ist die treibende Kraft bei Innovationen und ein starker Partner für Großunternehmen weltweit.“

Oder in Zahlen ausgedrückt: Mehr als 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Sie stellen mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze und erwirtschaften dabei mehr als jeden zweiten Euro (Nettowertschöpfung).

Daher setzen wir in dieser Ausgabe der LVZ-Wirtschafts-zeitung unseren Schwerpunkt auf genau diese Gruppe. Wir stellen explizit drei mittelständische Unternehmen genauer vor: zum einen die Heizung-Sanitärbau Leipzig GmbH als Paradebeispiel für einen typischen kleinen, gut aufgestellten und mutigen Mittelständler. Zum anderen die Bluechip Computer AG, die zu den respektablen mittelgroßen Mittelständlern in Ostdeutschland

zählt. Und zu guter Letzt den Technologiekonzern Jenoptik, ein Markt- und Technologieführer, der weltweit mit seinen Produkten und Services überzeugt. Gerade Letzterer zeigt, dass der Mittelstand auch international eine wichtige Rolle spielt. Weltweit gibt es laut BVMW 2700 „Hidden Champions“ – fast die Hälfte davon gehört zum deutschen Mittelstand. Des Weiteren lassen wir den Unternehmerverband Sachsen und den Kreisverband Leipzig des BVMW zu Wort kommen. Sie geben uns einen Einblick in die aktuelle Lage des Mittelstandes bei uns in Sachsen. Hohe Energiekosten, viel Bürokratie und fehlende Fachkräfte seien hier die aktuellen Herausforderungen. Zusätzlich beleuchten wir das Thema mit Zahlen aus dem neuen Mittelstandsbericht des Freistaats Sachsen. Passend zur warmen Jahreszeit wirft die LVZ-Wirtschaftszeitung einen Blick auf die Natur. In diesem Zusammenhang stellen wir ein neues Projekt des Deutschen Wan-

derverbandes vor, zeigen, wie sich das Leipziger Start-up Nadar für den Umweltschutz stark macht, und präsentieren eine besondere Oase inmitten der Stadt Leipzig. Daneben lassen wir die Entwicklung des nordsächsischen Biedermeierstrandes von einer ehemaligen Kohlegrube hin zu einem Kultur- und Erholungsort aufleben.

Hinzu gesellen sich in der LVZWirtschaftszeitung zahlreiche weitere, lesenswerte Themen wie zum Beispiel die vielfältigen Kulturdenkmale in Mitteldeutschland bewahrt werden, was uns im Kulturhauptstadtjahr 2025 erwartet und wie Röstfein als einzige von sieben DDR-Kaffeeröstereien überleben konnte.

In diesem Sinne: Viel Spaß bei der Lektüre!

Kommentar

Kohle für die Bildung

So ändern sich die Zeiten. Als der Ausstieg aus der Braunkohle beschlossen wurde, ging es in erster Linie darum, möglichst vielen der 20 000 betroffenen Kumpeln eine berufliche Perspektive zu bieten.

Dafür fließen bis zu 40 Milliarden Euro in das Lausitzer, das Mitteldeutsche und das Rheinische Revier. Umgerechnet sind das zwei Millionen Euro pro Arbeitsplatz. Und es tauchen Fragen auf. Etwa: Wie viele Jobs für die Braunkohlen-Beschäftigten schafft die Sanierung des Naumburger Doms, wie viele ein angedachtes Filmfestival für Leipzig? Die ehrliche Antwort: Keine. Aber das ist inzwischen in dem Maße auch nicht erforderlich. Ein Großteil der betroffenen Arbeit-

nehmer geht in den nächsten 15 Jahren in den Ruhestand, muss also nicht versorgt werden. Zudem macht sich allerorten aufgrund der demografischen Entwicklung der Fachkräftemangel bemerkbar und bietet denjenigen, die eine berufliche Perspektive benötigen, gute Möglichkeiten. Der Mangel an Erwerbspersonen wird tendenziell die Wirtschaft hemmen. Nötig ist es daher, die Kohle-Gelder zu einem Gutteil in vorschulische, schulische, berufliche und akademische Bildung zu stecken und insgesamt die Mittelvergabe zu schärfen. Also weg davon, Kohle für beliebige Wünsche der Kommunen auszugeben. Ein neuer Parkplatz am Görlitzer Tierpark hat mit dem Strukturwandel nur herzlich wenig zu tun. Viel-

mehr ist es wichtig, Mängel in der Infrastruktur zu beheben sowie Forschung und Entwicklung zu fördern. Beispielhaft stehen dafür die Großforschungszentren für Astrophysik in der Lausitz und für die Transformation der Chemie in Delitzsch. Das sind beides Projekte, mit denen die jeweiligen Standorte erheblich gestärkt werden und an Attraktivität sowie an Arbeitsplätzen gewinnen.

Nachhaltiger Mittelstand

Von Ulrich Langer

Schlaraffenland ist allerhand, dort ist das Trauern unbekannt. Zu schön, um wahr zu sein. Oder vielmehr zum Glück. Denn: Wer in Saus und Braus lebt, wird rasch leichtsinnig, verschwenderisch. Mit Milliarden in der Tasche frönen Konzerne meist ohne große Skrupel einem weltweiten Einkaufsrausch – ob bei Material und Rohstoffen oder bei Bauteilen und Zulieferungen jeglicher Art. Die langen Transportwege und damit verbundenen Kosten fallen oftmals kaum ins Gewicht. Anders ist dies bei kleinen und mittelständischen Unternehmen. Hier sind mehr Augenmaß und Sparsamkeit angesagt. In der eigenen Region die nötigen „Zutaten“ für die Produktion einzukaufen, möglichst wenig Ressourcen zu vergeuden hilft ihnen, effizient zu sein und zugleich umweltschonend. Charles Maurice de Talleyrand (1754–1838), seinerzeit französischer Außenminister, umschrieb dies mit dem schönen Satz: „Niemand vermag zu sagen, wie viele politische Dummheiten durch Mangel an Geld verhindert worden sind.“ Das Adjektiv „politisch“ durch „wirtschaftlich“ ersetzt, trifft die Sache auf den unternehmerischen Punkt. Wohlüberlegt, pfiffig, sparsam und umweltfreundlich zu agieren –das ist das Gebot der Stunde. Not macht erfinderisch. So erlangt der oft zitierte DDR-Spruch „Wir hatten doch nüscht“ eine ganz neue Bedeutungsqualität. Gerade deshalb sind Dinge „erfunden“ worden, die so schlecht gar nicht waren hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Naturschutz. Wolfgang Groß, Chef der Firma Fit in Zittau, weiß das zu schätzen: „Fit stellte schon immer seine Kunststoff-Spülmittelflaschen selbst her, Plaste-Verschnitt wurde nicht weggeworfen, sondern zu Granulat verarbeitet und erneut für die Flaschenfertigung genutzt. Heute heißt das nachhaltiges Verfahren.“ Mit einem hübschen Nebeneffekt: Die benötigten leeren Flaschen müssen nicht erst von weit her angeliefert werden. Das schont die Umwelt und spart Geld. Ähnlich die Wertschätzung der Natur bei Friweika in Weidensdorf. Der sächsische KartoffelprodukteHersteller verwandelt seine Knollenschalen in Biogas und nutzt dies komplett zur Dampferzeugung für die Verarbeitungsprozesse. Keinerlei Abfälle, vollständige Ausbeutung der Ressourcen. Materialschonung hilft allerdings auch. Erinnert sei hierbei etwa an Styropor-Eierverpackungen. Das Material war in der DDR knapp, also wurden die Eier-Behälter aufgehoben, beim nächsten Einkauf brav wieder mit in den Laden genommen und vollgepackt mit den ovalen Leckereien. Sicher, heutzutage gelangen die alten Pappschachteln in die Wiederverwertung. Nur kostet das zusätzlich Energie und Arbeitskraft –eine unnötige Vergeudung. Weit ab vom Schlaraffenland-Traum.

2 | INHALT
Foto: André Kempner Foto: Hagen Wolf Foto: André Kempner

„Herausforderung, Betriebe in die Zukunft zu führen“

Unternehmerverband Sachsen fordert Priorisierung der dualen Ausbildung und Bürokratieabbau

Die sächsische Politik muss der Bildung eine „hohe Priorität“ einräumen. Das fordert

Dietrich Enk, Präsident des Unternehmerverbandes Sachsen, im Interview mit der LVZ-Wirtschaftszeitung.

Die Konjunktur schwächelt. Wie sieht die wirtschaftliche Lage im sächsischen Mittelstand aus?

Dietrich Enk: Überwiegend sind kleine und mittelständische Betriebe in Sachsen in einer kritischen Situation, Betriebe aller Branchen beklagen Produktivitätsrückgang, Kostensteigerung, zunehmend auch Auftragsrückgänge sowie Konsumverzicht. In zahlreichen westsächsischen Zulieferbetrieben steigen die Kurzarbeitsmeldungen, die Unternehmen wollen ihre Mitarbeiter natürlich binden, was die Liquidität strapaziert. Wie sieht es im Handel und bei den Dienstleistungen aus? Dort begegnen sich Fachkräftemangel undeinverändertes Konsumentenverhalten toxisch. Das sind großeHerausforderungen,Betriebe profitabel zu halten und in die Zukunft zu führen.

Welches sind die größten Probleme? „Es muss sich was ändern“, „Die Karten sollen neu gemischt werden“–dasistsoweitallenklar.Aber einjederpochtdarauf,seinenStand zu wahren und ja nicht den ersten Schritt gehen zu müssen. Kaum einerziehtzurück.Dieerdrückende undurchschaubarexplodierteBürokratie. Selbst am Behörden-Dienstag sind wesentliche Entscheidungsträger und Ermöglicher nicht ans Telefon zu bekommen, um einem durch den Dschungel zu helfen. Ich empfinde ein sich vervielfachendes Bewusstsein, wonach sich die Fehllogik aufbaut, dass mit weniger Arbeit und Anstrengung dennoch mehr Geld, Sicherheit und persönlicheFreiheiterwirkbarsind.

Was ist das Problem Nummer eins? DasgrundsätzlicheProblemscheint mir der Rückzug auf den ureigenen egoistischen Standpunkt zu sein. Der wirkt fast nicht verhandelbar und Gemeinsinn baut sich ab, im Betrieb, im Land, im Bund und besonders dramatisch spürbar in der Weltpolitik.

Wie sollte dem begegnet werden? Unserer Gesellschaft ist in großen Teilen das Vermögen und die Motivationabhandengekommen,politi-

Das grundsätzliche Problem scheint mir der ­Rückzug auf den ­ureigenen egoistischen Standpunkt zu sein.

Dietrich Enk Präsident des ­Unternehmerverbandes Sachsen

schen Diskurs zu führen. Das müssen wir neu aufsetzen und keiner kann sich da rausziehen. Das erlebenwirjaauchgeradebeimThema Technologieoffenheit. Die Bundesregierung hat klare Leitplanken vorgegeben und Verbote erlassen, also eine Transformation erzwungen – okay, jetzt kommen aber Pandemie, verixtfache Energiepreise und steigende Arbeitskosten obendrauf. Zudem wächst der Staat und wächst, kein Einbremsen in Sicht, keine Regulierung, getreu dem Motto „wer hat, der kann“. Jeder muss liefern und wir gehören zusammen, alle. Wir müssen unsere Gemeinschaft wertschätzen und uns aus unseren Bubblen herauswagen. Vor nicht langer Zeit haben die Menschen solche Zusammenhänge noch beim gemeinsamen Kirchgang und anschließenden Frühschoppen reguliert, ich spüre eine nostalgische Sehnsucht.

Rechnen Sie im nächsten Jahr mit einer anziehenden Konjunktur?

Da bin ich kein Experte, aber allein die geplanten Rüstungsausgaben lassen vermuten, dass irgendwelche Zahlen kurz nach oben ausschlagen.Ichwünschemirnachhaltiges Wachstum. Nachhaltigkeit und Produktivität – das liegt eng beisammen.

Die Regierungsbildung nach der Landtagswahl in Sachsen könnte schwierig werden. Was fordert der Unternehmerverband? Wir wünschen allen dann gewählten Volksvertretern und Volksvertreterinnen viel Glück, ihrem Mandat im Sinne der Wohlfahrt unseres Landes gerecht zu werden. Alle müssen sich einig sein, dass die zu besetzenden Ministerien bestmögliche ideologiefreie Kompetenz benötigen. Der Bock ist kein guter Gärtner. Ein guter Gärtner, eine gute Gärtnerin für den Garten, das wär’s.

Werden die kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) ausreichend gewürdigt? Gewürdigt? Aber natürlich, meine Eltern sind stolz auf mich.

Die Anerkennung für Menschen, die ihren Lebensunterhalt selbstständig erwirtschaften, muss gehoben werden, in der Bildung, in der Gesellschaft, in der Behörde. Mich selbst hat es als junger Mensch regelrecht berauscht und extrem motiviert, dass ich in einer freien Gesellschaft ein selbstbestimmtes

Leben führen kann und noch dazu eine selbstverantwortete Existenz aufbauenkonnte.DieBasisfürinno-

Unternehmer­verband Sachsen

Der Unternehmerverband ­Sachsen wurde 1990 gegründet. Er versteht sich als Vertreter von vorwiegend kleinen und mittelständischen Betrieben. Hauptziele sind die Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und die Unter­stützung zur Entwicklung des einheimischen Mittelstandes. Der Verband mit seinen 600 Mit­gliedern vereint branchenübergreifend die Firmen zu einem Netzwerk. Die Spanne reicht vom Existenzgründer über den Handwerker und Unternehmer bis hin zur Führungskraft.

vative Motivation sind wir der jungen Generation schuldig, und sie wird fleißig und strebsam sein, wenn es aus ihrer Sicht Sinn macht und die Gesellschaft das anerkennt und wertschätzt. Nachhaltig und frei.

Es gibt massive Subventionen etwa für die Ansiedlung von Intel in Magdeburg. Wird das gut angelegtes Geld sein? Bitte, ich vertrete die KMU und mühe mich seit Jahren, den tieferen SinnvonstaatlicherIndustrieförderpolitikzuerkennen.WirimVerband fordernauf,daseinezutunohnedas andere zu lassen. Eine Kommune mit stabilem Mittelstand hat eine deutlich höhere Resilienz, kulturelle und intellektuelle Vielfalt, als wenn Monoindustrien mit internationalen Eignern sich vorübergehendeinmieten.Wirbrauchenauch hier Maß, Mitte, Weitblick und den Mut, das direkte Bürgerinteresse einzubinden.

Sind Ansiedlungen ohne Subventionen noch denkbar?

Janatürlich,esistAufgabederPolitik, Rahmenbedingungen für nachhaltige Entwicklung zu schaffen. In Leipzig ist es für einheimische Unternehmen mit Flächenbedarf enorm schwer zu expandieren. Es gibt quasi keinen Bestandsschutz oder Vorteil, dass man schon am Standort ist. Industriesubventionen fallen nicht vom Himmel, sondern werdenzumgrößtenTeilinKMUerwirtschaftet.Subventionsfreiesächsische Innovation im Mittelstand, natürlich gibt es die.

Wären die Mittel in Bildung sinnvoller investiert?

Foto:

DieQualitätderSchulausbildungist entscheidendfürdieZukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Natürlich erwarten wir, dass sächsische Politik der Bildung hohe Prioritäteinräumt. Aucheine Priorisierung dualer Ausbildung ist wünschenswert, der Anteil beruflicher Bildung sollte um mindestens 30 Prozent steigen. Dafür können steuerliche Anreize für junge Menschen eingeräumt werden, die einen Beruf erlernen, ebenso müssen Azubis von Sozialabgaben befreit werden.

Zurück zur Bürokratie: Wie dringend ist der Abbau? Politik und Verwaltung befördern unnötiges Misstrauen gegenüber Unternehmen in unserer Zivil- und Wertegemeinschaft. Eine als übergriffig und inzwischen anmaßend empfundene Bürokratisierung bindet in Unternehmen Kapazitäten, verhindert Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen, Innovationund Kreativität und grenzt die Unternehmen zunehmend vom internationalen Markt und Wettbewerb aus.

Die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind besonders betroffen? Eindeutig ja. Die Vorschriften binden oft erhebliche Ressourcen für die Umsetzung, die bei den KMU zulasten der produktiven Prozesse gehen. Es gilt, jeglichen Verwaltungsaufwuchs zu verhindern. Viel hilfreicherwärees,bestehendeÄmterneuzuorganisierenundVerwaltungsangestellte umfassender einzusetzen und natürlich die Digitalisierung voranzutreiben.

Zur Person

Dietrich Enk (51) steht seit 2019 als Nachfolger von Hartmut ­Bunsen an der Spitze des Unternehmerverbandes Sachsen. Der Leipziger Großgastronom (unter anderem Max Enk, Pilot) erlernte den Beruf des Kochs, war als Schiffskoch und Proviantmeister auf Traditionsschulschiffen auf den Weltmeeren unterwegs und machte sich 1999 selbstständig. Enk ist verheiratet, hat vier ­Kinder und ist auch sozial engagiert. So ist er Mitglied des Stiftungs­rates der Stiftung der Leipziger Uni-Kinderklinik.

Die Unzufriedenheit ist nicht zu überhören. „Während Großkonzerne immer öfter mit Subventionspaketen in Milliardenhöhe nach Deutschland gelockt werden, gehen standorttreue Mittelständler häufig leer aus“, schimpft Patrick Paul, Leiter des Kreisverbandes Leipzig des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW). Damit spielt der gebürtige Leipziger etwa auf die Finanzhilfen in Höhe von zehn Milliarden Euro für den Bau einer Chipfabrik des US-Konzerns Intel in Magdeburg an. Dabei kämpften die kleinen und mittelständischen Betriebe „im internationalen Wettbewerb mit teilweise nachteiligen Rahmenbedingungen am Standort Deutschland“.

Bürokratie ein Standortnachteil Der diplomierte Ingenieur sagt, sein Verband setze sich daher für eine mittelstandsfreundliche wirtschaftspolitische Strategie ein, „die insbesondere diese Rahmenbedingungen am Standort verbessert“. Es gehe darum, die Chancengleichheit für den Mittelstand wie für Großkonzerne „auf einem wettbewerbsfähigen Niveau“ zu sichern. Nach Einschätzung des hiesigen BVMW-Chefs kämpfen die kleinen und mittelgroßen Firmen in Sachsen, wie im gesamten Bundesgebiet, mit konjunkturellen und strukturellen Problemen. „Zwar ist der deutsche Mittelstand krisenerprobt und robust, dennoch gibt es große Herausforderungen und hausgemachte Probleme, die zwingend überwunden und gelöst werden müssen“, fordert Paul und präzisiert: „Neben der im internationalen Vergleich hohen Besteuerung von Arbeitseinkünften und Gewinnen ist insbesondere die Bürokratielast ein erheblicher Standortnachteil für Unternehmen in Deutschland.“ Hinzu kämen die transformativen Herausforderungen wie die Digitalisierung und die Nachhaltigkeit.

Hoffnung auf Ende der Flaute Paul sagt, die jüngsten Prognosen des Internationalen Währungsfonds und der führenden Wirtschaftsinstitute seien allesamt deutlich pessimistischer als im Herbst letzten Jahres. Trotzdem könne die konjunkturelle Flaute bereits im Laufe des Jahres zu Ende gehen. „Die eigentlichen Probleme sind allerdings struktureller Natur“, betont der Manager. Ob diese im nächsten Jahr angegangen würden, hänge vom politischen Willen ab. „Die kommende Regierung in Sachsen täte gut daran, den Mittelstand als Wachstumsmotor in ihrer wirtschaftspolitischen Strategie zu priorisieren.“

Herausforderung Nachfolge Die Wirtschaftsstruktur in Ostdeutschland ist geprägt von kleinen und mittelständischen Betrieben. Ihr Anteil am Gesamtumsatz aller Unternehmen ist in den neuen Bundesländern traditionell höher als im Westen. „Das zeigt die Relevanz des Mittelstands für die Wirtschaftsstruktur in Sachsen“, meint Paul. Im Trend nehme auch im Freistaat die Anzahl von Mittel- und Großunternehmen zu. „Prinzipiell wachsen Unternehmen am besten, wenn sie wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen haben.“ Diese zu schaffen, sei Aufgabe der Politik. Der BVMW setze sich dafür ein. Die Politik sei auch beim Thema Unternehmensnachfolge mit gezielter Unterstützung gefordert. Dabei handele es sich um eine gesamtwirtschaftliche Herausforderung. Bis 2030 stehe bei 33 000 kleinen und mittleren Betrieben in Sachsen eine Übergabe an. Betroffen seien weit über 100 000 Arbeitsplätze. Bereits heute seien 20 Prozent der Mittelständler in Sachsen 60 Jahre oder älter. „Dass all diese Nachfolgen auch wirklich funktionieren, ist kein Selbstläufer“, so Paul und regt ein MatchMaking zwischen Unternehmern und potenziellen Nachfolgern an. mi

MITTELSTAND | 3 Fotos: rrudenkois/Adobe Stock, André Kempner
Von Ulrich Milde
Verbandsarbeit
Strategien
BVMW fordert
für den Mittelstand
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BusinessClass

Sven Tanneberger

Die Verwalterakademie GmbH in Leipzig startet nach einem Wechsel in der Geschäftsführung neu: Sven ­Tanneberger (37) und Reik Westerhoff (49) haben die Leitung des Unternehmens übernommen, das Weiterbildungsangebote in der Immobilienverwaltung anbietet. „In ­diesen wirtschaftlichen dynamischen Zeiten ­geben wir den Hausverwaltern das Rüstzeug an die Hand, um ihr Geschäftsfeld erfolgreich aufzustellen beziehungs­weise auszubauen“, sagt Westerhoff. Der Fokus liege auf der Lösung praxisrelevanter Herausforderungen. Zum Leistungsportfolio gehören auch die ­Begleitung bei der Firmennachfolge, die Unternehmensberatung sowie die außergerichtliche Mediation im Streitfall. Die ­Gesellschaft wurde 2018 gegründet.

Diana Henke

Foto: Verwalter­akademie GmbH

Führungswechsel im Sächsischen Landesbauernverband: Diana Henke (48) ist neue Hauptgeschäfts­führerin. Sie tritt damit die Nachfolge von Manfred ­Uhlemann (66) an, der 34 Jahre lang die Geschicke des Verbandes geleitet hatte und in den Ruhestand getreten ist. Henke hat an der Technischen Universität Dresden Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft und Soziologie studiert. Sie ist bereits seit 2020 für den Verband tätig, zunächst als Pressesprecherin, danach als Referatsleiterin. Henke sagte, sie werde sich mit aller Kraft dafür einsetzen, „dass die sächsische Landwirtschaft auch weiterhin eine erfolgreiche Zukunft hat“. Präsident der sächsischen Bauern ist Torsten Krafczyk (47).

Florian Huettl

Das Opel-Werk in Eisenach galt nicht gerade als sicherer Standort. Nun dürfte die Zukunft zumindest für die nächsten Jahre gesichert sein. Die 1000 Beschäftigten produzieren jetzt das neue SUV-Modell „Grandland“, ein vollständiges Elektroauto. Opel-Chef Florian Huettl (46) sprach dabei von einem ultimativen Meilenstein und einem „großen Schritt in die Elektrooffensive“. Schon ab 2025 werde jeder neu in Europa auf den Markt ­kommende Opel nur noch rein elektrisch sein, so der Automanager. Opel nahm die für eine Milliarde D-Mark errichtete neue Fabrik in Thüringen 1992 mit 1900 Mitarbeitern in Betrieb. Nahezu zeitgleich wurde das ­Automobilwerk Eisenach (Wartburg) abgewickelt. In den jetzigen Umbau des Werks wurden 130 Millionen Euro investiert.

Volker Lux

Foto: Opel Automobile GmbH

In der Zentrale der Handwerkskammer zu Leipzig ist Kontinuität angesagt. Der Vorstand um seinen Präsidenten Matthias Forßbohm (54) hat einstimmig beschlossen, den Vertrag von Hauptgeschäftsführer Volker Lux (53) vorzeitig um fünf Jahre zu verlängern. Der Ver­waltungswirt ist seit 2015 oberster Angestellter der Einrichtung. Diese Entscheidung erfolge wegen seiner ­Leistungen, des gegenseitigen Vertrauens und der Wichtigkeit von Planungssicherheit für die Zukunft der Kammer, hieß es. „Wir sind überzeugt, mit dieser ­Entscheidung die Stabilität und Effizienz der Handwerkskammer weiter zu stärken“, begründete ­Forßbohm. Gemeinsam würden die Verantwortlichen sich auf allen Ebenen dafür einsetzen, die Interessen und Anliegen der 12 000 Mitgliedsbetriebe mit zusammen gut 90 000 Beschäftigten voranzutreiben.

Foto: André Kempner

Nicola Leibinger-Kammüller

Ein Loblied auf die deutsche Ingenieurkunst stimmte kürzlich Nicola Leibinger-Kammüller (64) an. „Wenn ich an unser Land denke, dann denke ich neben seinen ­gelobten Dichtern und Denkern an seine Ingenieure und die durch sie geschaffenen strahlenden Marken“, sagte die Chefin des baden-württembergischen Hoch­technologieunternehmens Trumpf (18 400 Mitarbeiter, 5,4 Milliarden Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2022/23) in einem Interview. Ihr Vater, Berthold Leibinger (er starb 2018 im Alter von 87 Jahren), sei ein genialer Erfinder gewesen, „der es zu weit über 100 Patente brachte“. Trumpf ist auch in Sachsen vertreten. In Neukirch werden hochdynamische, ­linearangetriebene Werkzeugmaschinen für die Laserstrahlbearbeitung sowie Automatisierungseinrichtungen für Laser­schneidemaschinen und die Stanz-/Kombimaschinen produziert. Beschäftigt sind 460 Mitarbeiter, darunter 100 im Entwicklungsbereich, der jährlich ­Innovationen herausbringt.

Sigrid Nagl

Foto: Jens Kalaene/dpa

Angleichung schreitet voran

Aus dem Mittelstandsbericht des Freistaates Sachsen

Der Mittelstand ist das Rückgrat der sächsischen Wirtschaft. Er erwirtschaftet mit gut 54 Prozent mehr als die Hälfte der im Freistaat Sachsen hergestellten Waren und Dienstleistungen, beschäftigt 72ProzentderhiesigenArbeitskräfte und bildet 70 Prozent der Auszubildenden aus. Das geht aus dem jüngsten Mittelstandsbericht des Freistaates Sachsen hervor. DieAnalyseverdeutlichtderEinschätzung nach, dass der Angleichungsprozess der sächsischen Wirtschaftsstruktur an das gesamtdeutsche Niveau fortschreitet. „Die Wachstumsdynamik mittlerer Betriebe hin zu größeren Unternehmen hat im Zeitraum von 2011 bis 2021 sogar etwas stärker zugenommen als in Westdeutschland“, heißt es. Selbstständige sind vor allem als Inhabervonkleinenundmittelständischen Unternehmen tätig, weshalb diese Zahl und deren Entwicklung vom besonderen Interesse für die Beobachtung des sächsischen Mittelstandsist.ImJahr2022gabes im Freistaat 168000 Selbstständige und somit fast ein Fünftel weniger als im Jahr 2011 (208000). Selbstständigenquote gesunken Auch die Selbstständigenquote (Zahl der Selbstständigen in Relation zu den Erwerbstätigen insgesamt)istindenvergangenenJahren in Sachsen deutlich gesunken. Eine ähnliche Entwicklung ist aber auch indenübrigenostdeutschenLändernsowieinDeutschlandinsgesamt nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes festzustellen. 2022 lag die Selbstständigenquote in Sachsen bei 8,5 Prozent und somit genau im bundesdeutschen Durchschnitt

(8,5 Prozent), jedoch unter dem DurchschnittderostdeutschenBundesländer von 9,0 Prozent. Zum30.Juni2022gabesinSachsen insgesamt knapp 110 000 Betriebe mit mindestens einer sozialversicherungspflichtig beschäftigten Person. Davon sind mehr als 99 Prozent der Betriebe dem Mittelstand zuzuordnen. Damit bewegt sich Sachsen im Bereich des bundesdeutschen Durchschnitts. Anders gestaltet sich die Verteilung beimBlickaufdieZahlderBeschäftigten. Obwohl Großbetriebe nur weniger als ein Prozent aller Betriebe ausmachen, stellen sie in Sachsen rund 28 Prozent der sozialversicherungspflichtigBeschäftigten.Im bundesdeutschen Durchschnitt sind es sogar knapp 34 Prozent. Folglich kommt dem sächsischen Mittelstand für die Beschäftigung eine größere Bedeutung zu als in Deutschland insgesamt. Verdienstniveau gestiegen Der durchschnittliche Monatsbruttoverdienst lag im Jahr 2022 in Sachsen bei 3300 Euro je Vollzeitbeschäftigten und damit rund 60 Euro über dem ostdeutschen, aber rund

250 Euro unter dem westdeutschen Durchschnitt. 2018 war das Verdienstniveau in Sachsen mit 2830 Euro je Vollzeitbeschäftigten noch niedriger als in Ostdeutschland. In Westdeutschland betrug es damals 3330 Euro je Vollzeitbeschäftigten. Seit 2018 stieg der monatliche Durchschnittsbruttoverdienst in Westdeutschland mit plus 6,6 Prozent und in Ostdeutschland mit plus 10,9 Prozent weniger stark als in Sachsen mit einem Plus von 16,6 Prozent. Dementsprechend verringerte sich der Lohnabstand Sachsens zu Westdeutschland von 15 Prozent auf 7 Prozent. Für Ostdeutschland ging er von gut 12 Prozent auf rund 9 Prozent im Jahr 2022 zurück.

Foto: André Kempner

Der Mangel an Fachkräften trifft auch die großen Unternehmen. EnviaM, der führende ostdeutsche Energieversorger, hat daher eine Initiative gestartet, um dem gestiegenen Personalbedarf für die künftigen Investitionen zu entsprechen. Die Maßnahmen zielen nach Angaben von Personalvorstand Sigrid Nagl (50) darauf ab, die Sichtbarkeit in der Region zu erhöhen und so erfolgreich neue Beschäftigte zu gewinnen. Im vorigen Jahr hat sich die Mitarbeiterzahl bereits um 200 auf 3800 erhöht. EnviaM will in den nächsten Jahren drei Milliarden Euro vor allem in die Stromnetze und erneuerbare Energien stecken. „Ingenieure und Facharbeiter sind bei uns weiterhin sehr gefragt; wir sprechen auch aktiv Frauen für technische Berufe an“, sagte Nagl. Die Diplom-Kauffrau sitzt seit drei Jahren im obersten Führungsgremium der RWE-Tochter, das von Vorstandschef Stephan Lowis (55) geleitet wird.

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Foto: Landesbauern­verband
Foto: Adobe Stock/Photocreo Bednarek 3300 Der durchschnittliche Monatsbruttoverdienst lag im Jahr 2022 in Sachsen bei 3300 Euro je Vollzeitbeschäftigten. 40 Die Zahl der Ausbildungsverhältnisse im Zeitraum 2019 bis 2022 ist im ­Mittelstand um 3,8 Prozent auf 40 881 gewachsen. 70 Rund 70 Prozent aller sozialversicherungs­pflichtig Beschäftigten verdienten 2021 ihr Einkommen in kleinen und mittleren Betrieben. 0 2 4 6 8 10 12 14 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 Prozent) Deutschland Sachsen NeueBundesländer Anmerkung: Technische und methodische Umstellungen im Mikrozensus ab Berichtsjahr 2020. Zudem Auswirkungen der Coronapandemie auf die Datenerhebung. Zahlen nur eingeschränkt mit früheren Zahlen vergleichbar. Vorläufige Ergebnisse für das Jahr 2022. Quelle: Statistisches Bundesamt (2023I). © ifo Institut 131 2021 waren in Sachsen 131 618 umsatz­steuerpflichtige Unternehmen registriert, von denen 99,8 Prozent dem Mittelstand ­zuzurechnen waren. 54 Kleinere und mittlere Unternehmen ­erwirtschafteten rund 54,4 Prozent des ­Gesamtumsatzes im Freistaat Sachsen. Mehr zum Thema im ­Digitalmagazin Entwicklung der Selbständigenquote (in Prozent)
Von Ulrich Milde

Klein, kleiner, Sachsen. So ungefährlässtsichdieWirtschaftsstruktur im Freistaat beschreiben. Von den rund 132000Firmensind99Prozentklein oder mittelständisch, davon wiederum zählen 122000 Betriebe zu den KleinstunternehmenmiteinemUmsatz bis zu zwei Millionen Euro und weniger als zehn Beschäftigten.

Diese Kleinteiligkeit wird in den nächstenJahrenkleiner,sprich:Die Firmengröße wird zunehmen. Das meint zumindest Michael Erfurt. Der Verantwortliche für das Unternehmenskundengeschäft der Deutschen Bank in Sachsen (Unternehmerbank) sieht eine klare Tendenz hinzugrößerenEinheiten.„Dashalte ich auch für sinnvoll, in diese Richtung wird es gehen.“ Kooperationen sinnvoll Das hat mehrere Ursachen. So sind einerUntersuchungzufolgeimFreistaat39ProzentderFirmenchefsauf Nachfolgersuche, vorrangig aus Altersgründen. Gelingt ihnen dies nicht, will ein gutes Drittel den Betrieb schließen. „Da wäre es sinnvoll, wenn kleine Betriebe kooperieren oder sich zusammenschließen“, meint Markus Wägner, der dasPrivatkundengeschäftdesInstituts in Ostdeutschland leitet. Sie wären dann, ergänzt Erfurt, auch attraktiverfürdieBeschäftigten,die sich etwas mehr spezialisieren könnten.

EineErfahrungbesagtzudem:Je größer eine Firma ist, desto eher steckt sie Geld in Forschung und Entwicklung, um mit Innovationen neue Geschäftsfelder zu erschließen oder die jetzige Marktposition zu verbessern. Nach Expertenansicht ist das gerade in Sachsen eine lohnende Sache. Denn 94 Prozent der hiesigen Erwerbstätigen haben eine abgeschlossene Berufsausbil-

Gute Finanzlage im sächsischen Mittelstand

dung oder mindestens die Hochschulreife vorzuweisen. Im Durchschnitt aller OECD-Länder sind es lediglich 80 Prozent.

Bürokratie nimmt zu

Aber auch der bürokratische Druck auf die Betriebe nimmt zu, die Berichtspflichten steigen. Erfurt nennt alsStichworteinGesetz,dasaufden sperrigen Namen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hört und die

unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von MenschenrechteninglobalenLieferkettenwie Schutz vor Kinderarbeit, Recht auf faire Löhne und Schutz der Umwelt regelt. Dazu sind zwar eigentlich nur große Betriebe verpflichtet, dochsiegebenzumindesteinenTeil dieser Aufgabe auch an Zulieferfirmen weiter. „Das können viele Kleinstunternehmenkaumleisten“, sagt der Bankier.

Bei all diesen Herausforderungen–finanziellsinddiesächsischen Firmen im Schnitt gut aufgestellt. „Die Liquidität und die Auftragslage sind gut beziehungsweise werden wieder besser“, berichtet Erfurt. Viele Investitionen seien auf Eis gelegt worden. „EsscheitertnichtanderFinanzierung.“ Es fehlten Vertrauen und Planbarkeit in politische Entscheidungen. Sollte es hier Ver-

besserungen geben, „löst sich der Stau“.

Firmen stellen sich breiter auf Unterm Strich seien die Unternehmen gut durch die Corona-Pandemie gekommen. „Sie haben die Zeichen der Zeit erkannt und sich breiter aufgestellt.“ Also zusätzliche Zulieferer gefunden, neue Märkte etwa im Ausland erschlossen, Prozesse effizienter gestaltet. „Die Firmen sind resilienter geworden“, bilanziert der Finanzmanager. Das gelte auch mit Blick auf die fortgesetzten Folgen des UkraineKrieges, die hohen Energiepreise und die gestiegenen Finanzierungkosten.

Die Wirtschaft stecke auch in Sachsen in einem starken Wandel. EsgebeeineganzeReiheaussichtsreicher und neuer Technologien, „die viele Möglichkeiten für die regionale Wirtschaft eröffnen“, meint Erfurt und denkt an Themen wie Digitalisierung, Klimaschutz, Energiewende und künstliche Intelligenz. Dem Silicon Saxony komme beim Wachstum der sächsischen Wirtschaft eine bedeutende Rolle zu.JederdritteinEuropaproduzierteChipstammtausdemRaumDresden, wo große Player wie Globalfoundries, Infineon, Bosch sowie Jenoptik und künftig TSMC angesiedelt sind. Globale Präsenz Auch die Begleitung aufstrebender Tech-Firmen spiele in Ostdeutschland,abervoralleminSachseneine immer wichtigere Rolle. Mit seinem Team begleitet Erfurt seit Jahren hiesige Unternehmen bei ihren Weichenstellungen. Immer mehr Geschäftsmodelle seien international ausgerichtet. „Dank unserer globalen Präsenz konnten wir auch imvorigenJahroftmalsalsBrückenbauer für unsere Unternehmenskunden unterwegs sein.“

Stipendien für den Mittelstand

Aus der Region, für die Region: Die Manager-Schmiede HHL und die Stadt Leipzig bieten für Unternehmen des Mittelstandes ab sofort zehn Stipendien für ihr Teilzeit MBA-Programm. Es umfasst je fünf Voll- und Teilstipendien (25 Prozent) für den Teilzeit MBA der HHL. Der Abschluss eines berufsbe­gleitenden Master of Business ­Administration (MBA) vermittelt fundiertes Managementwissen und nachhaltige Führungskompetenzen. Weiterhin stehen den Teilnehmenden unterschiedliche Möglichkeiten der Persönlichkeitsentwicklung ­offen. Im Rahmen der praxisnahen Ausbildung erhalten Stipendiaten Zugang zum weitreichenden Netzwerk der HHL. Bewerbungen unterliegen dabei den üblichen Zulassungsbedingungen. Beispielsweise wird eine ­Berufserfahrung von mindestens drei Jahren sowie ein vorhergehender akademischer Abschluss­vorausgesetzt. Der Vorteil des berufsbegleitenden MBA ist, dass im Gegensatz zum Management-Master jegliche Bachelor-Fachrichtungen akzeptiert sind. Interessierte können sich mit einem Empfehlungsschreiben ihres Arbeitgebers unter mittelstandsstipendium@hhl.de bewerben. Alternativ können berechtigte Unternehmen via Bewerbung potenzielle Stipendiaten einreichen. Die Frist läuft ­Ende Juni aus. Damit „unterstützen wir die ­Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen“, so HHLRektor Tobias Dauth. Leipziger Unternehmen könnten so „ihre ­Talente halten und gleichzeitig ­qualifizieren“, ­betont Wirtschaftsbürgermeister Clemens Schülke. mi

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Michael Erfurt und Markus ­Wägner von der Deutschen Bank sehen die Wirtschaft in Sachsen in einem starken Wandel. Foto: André ­Kempner
Deutsche Bank: Firmen sind resilienter geworden Weiterbilden. Weiterdenken. Weiterentwickeln. GebenSieIhremWisseneinFresh-up.FindenSieIhreWeiterbildung oderIhrUnternehmenstraining. QR-Codescannenundmehrerfahren! AlsBildungszentrumderIHKzuLeipzigsindwirIhrPartner fürberuflicheBildunginderRegionLeipzig. ZAWZentrumfürAus-undWeiterbildungLeipzigwww.zaw-leipzig.de ©IvanTraimak,AdobeStock2024

Vom Abwicklungskandidaten zum Umsatzmilliardär

Thüringer Technologiekonzern Jenoptik peilt organisches Wachstum an

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Die Jenoptik AG hat es geschafft. Der Thüringer Technologiekonzernistindenerlauchten Kreis der ostdeutschen Umsatzmilliardäre aufgestiegen. Im vorigen Jahr wurden die Erlöse um 8,7 Prozent auf 1,066 Milliarden Euro gesteigert.Die4600Mitarbeiter(plus200) verbesserten das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf Sachanlagen (EBITDA) von 184 Millionen Euro auf 210 MillionenEuro.DieseKennziffergibtAufschluss über die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens und wird zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit herangezogen. 2023 sei „ein Rekordjahr“ gewesen, sagte Finanzvorstand Prisca Havranek-Kosicek, eine gebürtige Österreicherin. „Wir haben insgesamt erreicht, was wir uns vorgenommen haben, und kommen unserem Ziel, ein global führender Photonik-Konzern zu werden, Stück für Stück näher“, bilanzierte Vorstandsvorsitzender Stefan Traeger die Ergebnisse, die erreicht wurden, obwohl 2023 wegen vielfältiger Krisen „von hohen Unsicherheiten“ geprägt gewesen sei. Jenoptik sei „durch dieses herausfordernde Umfeld dank des auf Wachstumsfelder im PhotonikMarkt fokussierten Produktportfolios, in denen wir über eine starke Positionverfügen,gutdurchgesteuert“. Aber auch die Smart Mobility Solutions und das Non-PhotonicPortfolio hätten sich gut entwickelt. Konzentration auf ­Kernkompetenzen

Dahinter steckt, dass Traegers Strategie offenkundig aufgeht. Der Firmenboss, ein gebürtiger Jenenser und seit 2017 an der Spitze, hat das Profil geschärft und fokussiert. Das Unternehmen hat sich von einer Reihe von Geschäftsfeldern getrennt, darunter die Militärtechnik. Dafür konzentriert sich der große Mittelständler auf seine Kernkompetenzen mit optischen Systemen, Lasern und Messtechnik für unterschiedlicheindustrielleAnwendungen sowie die Verkehrsüberwachung. Optische Technologien sind die Basis des Geschäfts. MitdemüberwiegendenTeildes Leistungsspektrums ist die Gesellschaft im Photonik-Markt tätig. Zu den Schlüsselmärkten zählen vor allemdieHalbleiterausrüstungund die Elektronikindustrie, Life Science und Medizintechnik sowie

1: Hochpräzise optische Komponenten stellt Jenoptik bei der Tochter Berliner Glas her.

2: Produktion optischer Mess- und Prüfsysteme auf Basis industrieller Bildverarbeitung.

3: Der Thüringer Technologie­konzern stellt diodenlaser-basierte Lösungen her.

4: Optische Technologien gehören ebenfalls zum Produktportfolio.

5: Das Top-Führungsgremium: Vorstandsvorsitzender Stefan Traeger (rechts), Finanzvorstand Prisca Havranek-Kosicek und ­Vorstand Ralf Kuschnereit, ver­antwortlich für die Division ­Advanced Photonic Solutions. Fotos: Jenoptik, Berliner Glas Group, Heiner Mueller-Elsner, ­Andreas ­Müller, Anna Schroll

SmartMobility.NachJahrenderErlösverbesserung über den Kauf von Firmen, wodurch die Umsätze in den Kernmärkten abgerundet wurden, liegt der Schwerpunkt nun auf organischem Wachstum, wofür „unsere hohe Innovationskraft ein wichtiger Garant bleibt“, so der Vorstandsvorsitzende. Dabei sei es das erklärte Ziel, „ein global führender Photonik-Konzern zu werden“.

Wichtig für Halbleiterindustrie ImZugederverabschiedetenAgenda 2025 unter der Bezeichnung „MoreValue“sollenderUmsatzauf 1,2 Milliarden Euro und die EBITDA-Marge auf 21 bis 22 Prozent klettern. Mit diesem Konzept, so Vorstandsmitglied Ralf Kuschnereit, sollen Märkte bedient werden, „die für die Zukunft überdurchschnittliches Wachstum versprechen“. Dazu zählt der promovierte Physiker Halbleiter & Elektronik, Life Science & Medizintechnik sowie Smart Mobility. Die im M-Dax sowie im Tec-Dax notierte Gesellschaft sei mit ihren photonischen Lösungen „ein unverzichtbares Glied“ in der Wertschöpfungskette, etwa in der Halbleiterausrüstungsindustrie. Experten erwarten in der Chipbranche bis 2030 eine dynamische Zunahme auf rund eine Billion US-Dollar. „Davon werden wir profitieren“, sagte Kuschnereit. Deshalb würden die Kapazitäten am Standort Dresden deutlich aus-

gebaut. Dort sind Investitionen zwischen 90 und 100 Millionen Euro in den Neubau für die Fertigung von Mikrooptiken und Sensoren für die Halbleiterausrüstungsindustrie vorgesehen. Die Arbeiten laufen nach Plan.SpatenstichwarimSeptember 2022 und im Herbst 2023 das Richtfest.DieFertigstellungderGebäude erfolgt in Kürze. Der ProduktionsstartinderneuenFabriksollAnfang 2025 erfolgen. „Wir denken global, dennoch bleibt unser Bekenntnis zum Standort Deutschland hoch“, betonte Kuschnereit. Er verwies darauf, dass im vorigen JahrderneueMedizintechnik-Standort in Berlin eröffnet worden sei.„DamitistdasFundament für weiteres starkes, weltweites Wachstum bei Jenoptik gelegt“, so der Manager.

Plan war die ­Abwicklung Eine Erfolgsgeschichte aus den neuen Bundesländern, die es eigentlichgarnichtgeben sollte. Das Unternehmen entstand in der Wendezeit aus dem Kombinat Volkseigener Betrieb Carl ZeissJena.DiePrivatisierungsanstalt Treuhand schuf daraus die Jenoptik Carl Zeiss Jena GmbH.Jenoptikgabesbereitsviele Jahre lang als Marke. Später folgte die Aufspaltung in Carl Zeiss Jena GmbHundJenoptikGmbH.Letzteregaltalsnichtsanierungsfähigund sollte abgewickelt werden. Doch der erste Geschäftsführer der Jenoptik GmbH, Lothar Späth, erschloss, sanierte und verkaufte Immobilien. So gelang es dem früheren Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg,dieVerlusteauszugleichen und schon 1993 einen kleinen Gewinn auszuweisen. Zu seinen Ehren verleiht der Konzern jährlich den Lothar-SpäthAward, mit dem herausragende Kooperationen zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus Baden-Württemberg oder Thüringen geehrt werden. Späth war bekannt für sein zukunftsorientiertes Denken. Die Förderung von Innovation und Kooperation lag ihm dabei stets am Herzen.

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Erste Wahl in Mitteldeutschland

Bluechip Computer AG in Meuselwitz behauptet sich gegen alle Schwankungen des Marktes

Seit 15 Jahren behauptet sich der ZFC Meuselwitz inderFußball-Regionalliga. Eine beachtliche Leitung des Vereins aus der kleinen, 10000 EinwohnerzählendenKommuneinderNähe von Altenburg, der sich gegen Clubs aus großen Städten wie LeipzigundBerlin,Jena,ErfurtundRostock behauptet. „Das ist sportlich das höchste erstrebenswerte Ziel“, sagt Präsident Hubert Wolf und spricht schmunzelnd von einer „Champions League für Arme“, in der die Thüringer, die ihre Heimspiele in der Bluechip-Arena bestreiten, erfolgreich mitmischen. VereinschefWolfistimHauptberuf Vorstandsvorsitzender der Bluechip Computer AG, dem wichtigsten Sponsor der Fußballer. Das Unternehmen gehört zu den respektablen mittelgroßen Mittelständlern in Ostdeutschland. Was Wolf durchaus gerne hört, aber zugleichrelativiert.„ImWestenwären wir ein kleiner Mittelständler“, sagt der 55-Jährige und verweist damit auf die wirtschaftlich nach wie vor bestehenden Ost-West-Unterschiede. Tatsächlich werden etwa in Baden-Württemberg selbst Konzerne wie der Technologieriese Freudenberg & Co KG in Weinheim mit einem Jahresumsatz von 11,9 Milliarden Euro und 52000 Mitarbeitern noch zu den großen Mittelständlern gezählt. Davon ist Bluechip mit seinem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro und 300 Beschäftigten weit entfernt. Regionalliga sozusagen.

Lieferant für 3000 Fachhändler Was aber nichts daran ändert, dass Wolf, der gemeinsam mit seiner Frau Brit, die ebenfalls im Vorstand tätig ist, erfolgreich seit der Firmengründung1992eineostdeutscheErfolgsgeschichte geschrieben hat. Bluechip fertigt maßgeschneiderte ComputerundServer,Workstations undNotebooks.Fürüber3000Fachhändler und Dienstleister in der Informationstechnologie sind die Thüringer seit Jahren Lieferant. „Für viele weltweit tätige IT-HerstellersindwirdieersteWahlinMitteldeutschland – und zunehmend darüber hinaus“, berichtet Wolf. Dank des breiten Produktsortiments, hoher Verfügbarkeit und persönlicherAnsprechpartnernutzten immer mehr Partner Bluechip –die AG bietet auch Cloud Services an–alsHauptlieferant.IndenSystemen würden ausschließlich Markenkomponenten namhafter Hersteller verbaut.

Der gelernte Elektronikfacharbeiter, der sein Abitur an der Volkshochschule ablegte, in Chemnitz Automatisierungstechnik studierteundnebenbeiinComputerläden jobbte, wollte sich schon früh selbstständig machen. 1992 verwirklichten er und seine Frau den Traum. Bluechip wurde als GmbH ins Leben gerufen und neun Jahre später in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die ersten Produkte montierte er im Hobbyraum seines Vaterszusammen,zurFinanzierung wurde das Grundstück der Eltern beliehen.

Gewinne nie ausgeschüttet

Bluechip startete durch – mit vielen Höhen, aber auch manchen Tiefpunkten. So erwies sich gleich nach der Geschäftsaufnahme eine Teilelieferung als defekt. 2005 musste AgfaPhotoGmbHInsolvenzanmelden – die Meuselwitzer waren Hauptlieferant und stellten unter anderem einen Fotokiosk her. Doch Probleme sind dafür da, gelöst zu werden.UntermStrichlegtederBetrieb zu, erwarb 2010 die BrunnenGruppe, einen der größten PC-On-

Wir finden stets ­Lösungen für ­unsere Partner, mit denen wir uns von den ­Mitbewerbern ­signifikant ­unterscheiden.

Hubert Wolf Vorstandsvorsitzender der ­Bluechip Computer AG

linehändler in der Bundesrepublik. Wolf ging unternehmerische Risiken ein, investierte Millionen am Standort und schuf so weitere Arbeitsplätze. In einem hart umkämpften Markt hat die Gesellschaftsichimmerwiederbehauptet, die Strategie den sich ändernden Erfordernissen angepasst. Mit dazu beigetragen hat auch, „dass wir die erwirtschafteten Gewinne nie ausgeschüttet haben“, berichtetderChef.DasGeldbliebin der Firma, stand für Investitionen zur Verfügung. Folge: „Wir haben keine Bankkredite laufen.“ Das führt zur Unabhängigkeit vom Druck der Geldhäuser, die gleichwohl regelmäßig von Wolf über die Geschäftslage informiert werden. Die Rentabilität macht resistent gegenüber Schwankungen des Marktes und immun vor möglichen Übernahmen.Und:„Wirhabeneine bombastische Eigenkapitalquote.“

Anspruchsvolle Ziele

Der Vorstand achtet darauf, den Angestellten ein angenehmes Arbeitsumfeld zu bieten. Die Work-Life-Balancewirdgroßgeschrieben,FlexibilitätzwischenmobilemArbeitenund

Anwesenheit im Büro sind ebenso selbstverständlich wie Eigenverantwortung und Vertrauen. „Wir gehen auf unsere Mitarbeiter ein“, betont Wolf. Bluechip hat 31 Lehrlinge, ein probatesMittelgegendenFachkräftemangel, und wurde jüngst von der Industrie- und Handelskammer Gera als Top-Ausbildungsbetrieb geehrt.„WirlegengroßenWertdarauf, dass jeder Auszubildende auf seinem beruflichen Weg bestmöglich unterstützt wird und sich in unserem Unternehmen wohlfühlt“, ergänzt Ausbildungsleiterin Anja Petzold. Der Vorstandsvorsitzende räumt zwar ein, dass er nicht unbedingt bis zum regulären Renteneintrittsalter von 67 auf dem Chefsessel bleiben wird, sieht aber im Unternehmen fähigeFührungskräfte,diedannaufrückenkönnen.DenndieZielesindanspruchsvoll. Wolf sieht im Jahr 2030 sein Unternehmen als einen der führenden Hersteller und Anbieter von Geräten, Dienstleistungen sowie Lösungen im Technologie-Umfeld, also in zukunftsorientierten Marktsegmenten. „Wir finden stets LösungenfürunserePartner,mitdenenwir uns von den Mitbewerbern signifikant unterscheiden“, verspricht er. Auf der Entwicklung und Herstellung von Geräten für die Integration von unternehmensbasierten Lösungen liege der Fokus. Zudem setzt Bluechip auf Dienstleistungen, etwa auf das Einspielen von Software-Updates bei Elektrorollern.

Seit 31 Jahren Präsident des ZFC Für den ZFC Meuselwitz stellt die Regionalliga das „sinnvolle sportliche Maximum“ dar, sagt Wolf, der seit 31 Jahren Präsident ist. Der Verein ist ein Stück Familienunternehmen. Den Jahresetat von 1,5 Millionen Euro verantwortet als Schatzmeisterin Brit Wolf. Das Unternehmen hat dagegen noch nicht das Ende des Möglichen im Mittelstand erreicht.

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Von Ulrich Milde
1: Beträchtliche Ausmaße hat das Werk der Bluechip Computer AG in Meuselwitz. 2: Vorstands-Gruppenbild mit Dame: Sven Buchheim (von links), Brit Wolf, Hubert Wolf und Frank Oelsch. 3: Computer, Notebooks, Server und Workstations produziert Bluechip. 4: Die Geräte werden versandfertig gemacht. 5: Blick ins Lager: Die Meuselwitzer verarbeiten ausschließlich Markenkomponenten. Fotos: Christian Kroehn

„Nach dem Regen kommt wieder die Sonne“

Heizungs- und Sanitärbaufirma trotzt Konjunktur und Bürokratie

Die Büros sind hell, lichtdurchflutet. Die Besprechungsnischen machen einen gemütlichen Eindruck, die Lehrwerkstatt ist modernausgestattet.Mitberechtigtem Stolz führt Jens Bochnig durch das repräsentative Gebäude im Leipziger Stadtteil Wiederitzsch. „Meine Beschäftigten sollen sich wohlfühlen und gerne zur Arbeit kommen“, sagt der geschäftsführende Inhaber der Heizung Sanitärbau Leipzig GmbH. Die Zentrale mit einem Mast, den das Firmenlogo ziert, ist weithin sichtbar – wie der Turm der Leipziger Messe, der zu sehen ist. Mit dem vor knapp drei Jahren eingeweihtenGebäude„wollenwir verkörpern, was Handwerk leisten kann“, begründet Bochnig die 6,5Millionen-Euro-Investition, die er privat finanziert hat, „ohne staatliche Förderung“. Der 57-Jährige, dessen Betrieb ein Paradebeispiel für den typischen kleineren, aber gut aufgestellten Mittelstand darstellt,hatdabeierneutunternehmerischen Mut bewiesen. Auf der einen Seite des Areals, gegenüber demHaupteingangseinerZentrale, hat er einen Handwerkerhof hochgezogen. Dort sind mehrere Betriebeangesiedelt.DiehatBochnig,zukunftssichernd,danachausgesucht, „dass wir mit ihnen kooperieren können“. Auf neudeutsch also eine Win-Win-Situation.

den Wendezeiten, kehrte er nach Leipzig zurück, machte den Meisterbrief und leitete die hiesige Niederlassung der Bamberger SanitärfirmaKöberlein.„Daskannichauch selber machen“ – dieser Gedanke reifte in ihm. 1996 wagte er den SprungindieSelbstständigkeitund gründete seinen Betrieb. Auftragsbücher gut gefüllt Bochnig ist Vizepräsident des Leipziger Surf- und Kitevereins. In dieser Eigenschaft kennt er sich mit Gegenwindausundverstehtes,ihn zumeistern.SeineFirmaüberstand dieBaukrise,als1999derMarktfast komplettzusammenbrachundkam gut,alsoohneKurzarbeit,durchdie Corona-Pandemie. Auch jetzt, wo die Baubranche erneut stark schwächelt und „die Marge drücken wird“, blickt er zuversichtlich in die Zukunft, die Auftragsbücher sind ordentlich gefüllt, die Segel stehen im Wachstumswind. „Nach dem Regen kommt wieder die Sonne.“

Geschafft hat Bochnig diese Entwicklung, indem er im Objektgeschäft seine Nische gefunden hat und sein Unternehmen breit aufgestelltsieht.„WirhabenkeinePrivathaushalte als Kunden.“ Seine Beschäftigten sind vor allem auf Großbaustellen in Leipzig und Berlin tätig, vom Steigenberger Hotel in Leipzig bis zu einem Wohngroßprojekt in Berlin-Spandau, dem wegen

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Der gebürtige Leipziger hat sein Unternehmen zum Erfolg geführt. Der Umsatz „ist stetig gewachsen“ und betrug im vorigen Jahr 30 Millionen Euro – fünf Millionen mehr als 2022. Auf den Gehaltslisten stehen120Mitarbeiter.SchwarzeZahlensindfürBochnigselbstverständlich. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform stellte ihm deshalb ein Zertifikat für finanziell besonders gut aufgestellte Firmen aus. Dabeiwaresnichtgeradeselbstverständlich, dass er seine Managerqualitäten in der Messestadt an den Tag legen würde. Der gelernte Rohrleitungsbauer floh im August 1989überUngarnausderDDR(„ich war Wehrdienstverweigerer und durfte nicht studieren“), landete im fränkischen Bamberg. 1991, also in

Bürokratie

Die Kosten der Bürokratie sind enorm. Erhebungen dazu beziffern sie auf 65 Milliarden Euro jährlich. „Tatsächlich dürften sie sogar noch höher sein“, sagt Joachim Ragnitz vom Dresdner Ifo-Institut. Er führt das darauf zurück, dass die Quantifizierung auf Schätzungen aus dem Jahr 2006 beruht. Durch vermeid-

1: Die Büros und Besprechungsräume sind hell und gemütlich eingerichtet worden, denn die Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen.

2: Blick in die Lehrwerkstatt: Azubi Niklas Westerhoff am Schraubstock.

3: Jens Bochnig zeigt auf den Handwerkerhof, den er auf seinem Firmengelände errichtet hat.

Dirk

Wir haben keine ­Lobby, sind wohl zu kleinteilig.

Jens Bochnig Inhaber 3

seiner Funktionalität und Durchmischung das Prädikat Modellstadt verliehen wurde, reichen die Referenzen.„WirstehenfürQualitätund Zuverlässigkeit“, beschreibt er sein Rezept.

Ohne Lobby in der Politik SogutesseinerFirmaundihmauch geht – mit der Unterstützung der Politik für Mittelstand und Handwerk zeigt er sich nicht gerade zufrieden. „Wir haben keine Lobby, sindwohlzukleinteilig.“DasHandwerk fühle sich als gemolkene Kuh, es komme wenig zurück. Die SteuernundAbgabenseienzuhoch,dafür der Freiheitsgrad für unternehmerische Entscheidungen zu gering. Es gehe vieles in eine zu große Umverteilung. „Das motiviert nicht zu arbeiten.“

AuchdieBürokratie„wirdimmer schlimmer“, seufzt Bochnig. Da müssten Statistiken geführt werden, „die unterm Strich niemanden interessieren“. Aber er sei gezwungen,MitarbeiterfürdieseAufgaben abzustellen. „Das verursacht einen hohen Aufwand, die eigentliche ArbeitaufdenBaustellenkommtzu kurz.“DieWirtschaftsweiseVeronika Grimm sieht das offenbar ähnlich. „Wir stellen den Mittelstand vor substanzielle Herausforderungen.JekleinereinUnternehmenist, desto mehr hat das Unternehmen natürlichSchwierigkeiten,denganzen Vorgaben zu folgen und tatsächlichauchdieseBelastungaktuell auszuhalten“, sagte die Wissenschaftlerin kürzlich in einem Interview.

Hohe Ausbildungsquote Mit vielfältigen Sozialleistungen wie dem Jobfahrrad und der Übernahme der Kita-Kosten, einer 38Stunden-Woche, wobei freitags um 14UhrdasWochenendeeingeläutet wird, sowie einer hoher AusbildungsquotesichertBochnigsichdie Fachkräfte der Zukunft. 30 LehrlingestehenunterVertrag,werdieGesellenprüfung besteht, erhält ein Übernahmeangebotundkannseine Karriere fortsetzen. Bochnig übernimmt die Kosten der Meisterausbildung. Auch die Nachfolge hat er schon geregelt. Ein ehemaliger Lehrling, Kevin Englisch, seit über 20 Jahren in der Firma, ist inzwischen Geschäftsführer und Gesellschafter geworden. „Er hat die Heizung-Sanitär-DNA aufgesogen, das passt.“ Auf einem neben der Eingangstür angebrachten Schild steht „Carpe diem“, nutze den Tag. Ein Motto, das Bochnig nun auch privat vermehrt umsetzen möchte. Er will mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Schließlich ist die jüngste TochterdesachtfachenFamilienvaters gerade erst zwei Jahre alt.

baren bürokratischen Aufwand entstünden „Kosten für die Unternehmen“, so der Wirtschaftsprofessor. Es werde Arbeitskraft gebunden, die zur Erzielung von betrieblicher Wertschöpfung nicht zur Verfügung stehe. Ebenso könnten Arbeitskräfte im öffentlichen Bereich eingespart beziehungsweise anderweitig verwendet werden, „wenn auf überflüssige Bürokratie verzichtet würde“. Unterstellt, die Bürokratieaufwendungen seien ausschließlich Personalkosten, wären mehr als 1,3 Millionen Arbeitnehmer in der deutschen Wirtschaft nur damit beschäftigt, staatlich auferlegte Informationspflichten zu erfüllen. mi

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fotos: Knofe (2), Ulrich Milde

„Da fängt der Frosch an zu humpeln“

Die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer proben den Schulterschluss und lehnen neue Stellen im öffentlichen Dienst ab

Sie melden sich häufig gemeinsam zu Wort. Im Interview mit der LVZWirtschaftszeitung erklären Fabian Magerl, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig,sowieVolkerLux,Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Leipzig, die Beweggründe.

Ihre beiden Kammern äußern sich seit einiger Zeit oft in gemeinsamen Mitteilungen. Wann steht die Fusion an?

Magerl: Wir arbeiten sehr, sehr gut zusammen. Das mag für manche überraschend sein, weil nicht alle Institutionen partnerschaftlich agieren. In vielen Fällen überlappen sich unsere Interessen. Eine Fusion steht nicht an.

Lux: Wir sind eine kleine Kammer. Dahersindwirklugberaten,Dinge, die wir gemeinsam auf der Agenda haben, auch gemeinsam zu tun, weildasdieSchlagkraftdeutlicherhöht. Wir leben aber auch unsere Eigenständigkeit.

Sind weitere Kooperationen Ihrer Kammern denkbar?

Lux: Es gibt bereits Kooperationen im Prüfungswesen, wir arbeiten auch beim Veranstaltungsmanagement zusammen. In der Bildung existiert ebenfalls schon eine Aufgabenteilung. Wir kümmern uns auch gemeinsam um die Fachkräftegewinnung im Ausland, etwa in Vietnam.AlleinehättejedederbeidenKammernnichtdieRessourcen.

Magerl: Generell haben wir die Verpflichtung,sorgsammitunseren Mitteln umzugehen. Ich kann mir daher weitere Kooperationen in StadtundRegionmitweiterenInstitutionen vorstellen.

Mit welchen?

Magerl: Wir solltendieZusammenarbeit mit der Stadt Leipzig intensivieren. Mit dem Wirtschaftsdezernat läuft das toll, in der Verkehrspolitik könnten wir intensiver und klügerkooperieren.Daistnochviel Potenzial.

Woran hapert es?

Lux: DasliegtamTrugschlusspolitischerAkteure,dieglauben,dasssie aufdieExpertisederKammernver-

zichtenkönnten.Dabeiarbeitenwir konstruktiv mit. Da wäre das eine oder andere zusätzliche offene Ohr wünschenswert.

Gerade in der Leipziger Verkehrspolitik besteht der Eindruck, die Stadtverwaltung interessiert sich nicht für die Auffassung der Kammern?

Lux: Ja.

Magerl: Den Eindruck habe ich manchmal ebenso. Es gibt aber auch Lichtblicke, etwa bei den Anlieferzonen. Da haben wir gemeinsam mit der Stadt konstruktive Lösungen erarbeitet. Generell bleiben unsere Hände ausgestreckt.

Lux: Handwerksbetriebe empfindeneszunehmendalsdemütigend, weil sie den Eindruck haben, dass ihreBelange–siebrauchennunmal das Fahrzeug, um Aufträge auszuführen – auf der Strecke bleiben.

Wie reagieren Sie darauf?

Lux: Als Interessenvertretung gibt es zwei Handlungsoptionen: Am besten, es gelingt, etwas im Sinne unserer Klientel zu verändern. Die zweiteOptionistdieEmpörung.An der Stelle sind wir mittlerweile. Die Art und Weise, wie unsere Argumente im Dezernat Stadtentwicklung entgegengenommen werden, führt zur Frustration.

Mit welchen Folgen?

Lux: Natürlich kann man die Empfehlungen der Kammern in den Wind schlagen. Aber wer das tut, stellt schlussendlich das System infrage. Dieses hat den Vorteil, dass wir sachliche und ausgewogene Empfehlungen geben. Wenn die Politik darauf verzichten möchte, ruftsiemöglicherweiseAkteureauf den Plan, die eine andere Art und WeisederKommunikationpflegen.

Wie wirtschaftsfreundlich sind die Stadt Leipzig und die beiden Landkreise Nordsachsen und Leipzig?

Magerl: Da mache ich große Unterschiede.DiebeidenKreisesindsehr wirtschaftsfreundlich. In der Stadt gibt es unterschiedliche politische Lager. Teile sind sehr kritisch gegenüber privatwirtschaftlichen Interessen. Es ist schade, dass das Bewusstsein nicht weiter verbreitet ist,dassohnedieWirtschaftindieser Stadt die Räder stillstehen würden.

Lux: Nehmen wir den Leipziger Lärmaktionsplan. Darin sind viele Hindernisse, die die Wirtschaft beschränken.WennmandieWohnund Lebensbedingungen einer ländlichen Gemeinde in einer Großstadthabenmöchte,entstehen Zielkonflikte. Es leiden dann diejenigen darunter, die hier arbeiten möchten und müssen.

Was fordern Sie?

Lux: Wohnortnahes Arbeiten sollte leichter ermöglicht werden. Das würde den Verkehr verringern. Wenn der Lärmaktionsplan aber restriktiv Dezibelgrenzen festlegt und bestimmte Gewerbe in Wohngebieten untersagt, dann könnte man daraus schlussfolgern, dass Arbeitnichtsogelittenist.Dasgeht aber nur bis zu dem Moment, in dem für die guten Taten des Stadtrates das Geld alle ist.

Auch gegen das mögliche Industriegebiet im Norden Leipzigs, in Wiedemar, gibt es Widerstand. Sind die Menschen inzwischen zu satt?

Magerl: Wir haben massive Sozialund Umverteilungssysteme. Noch funktionieren sie. Da ist vielen der große Handlungsdruck bei Investitionen nicht ganz klar. Wenn wir jetzt keine Investitionen ermöglichen, werden wir in 10, 15 Jahren sinkende Einnahmen haben. Dann verlieren wir den Anschluss, was Wohlstandsverluste bedeuten würde bis hin zur Kürzung beispielsweise kultureller Angebote. Wir leben derzeit von den Ansiedlungen der vergangenen 15, 20 Jahre. Aber die Welt verändert sich. Ohne eine starke private Wirtschaft in unserer Region ist die freiheitliche Gesellschaft in der jetzigen Form gefährdet.

Lux: Hätte man vor gut 20 Jahren nicht den Mut gehabt, den Flughafen entsprechend zu dimensionieren, hätten wir nicht die vielen Ansiedlungen, von denen wir jetzt sehr gut leben.

Magerl: Ein funktionierender Flughafen ist gerade für große, ansiedlungswillige Unternehmen elementar. Wir haben die ganz klare Erwartungshaltung, dass die Staatsregierung sich unmissverständlichzurweiterenEntwicklung und Stärkung des Flughafens be-

Arbeiten sehr gut zusammen: Fabian Magerl, Hauptgeschäftsführer der IHK (links), und Volker Lux Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Leipzig.

Foto: André Kempner

kennt. Zur größeren Akzeptanz würde beitragen, wenn mehr Städte in Europa direkt angeflogen würden.

Im September sind Landtagswahlen. Welche Erwartungen haben Sie an die Landespolitik?

Magerl: Die Förderung von Wirtschaft und Arbeit muss das TopThemasein.DerFokusmussaufdie Wirtschaft gelegt werden, nicht auf die Umverteilung. Der Kuchen muss erst gebacken werden, bevor er verteilt wird.

Lux: Das immer kürzere Tischtuch bei den Fachkräften muss ganz oben auf die Tagesordnung kommen. Ein Stellenaufwuchs im öffentlichen Dienst hat zu unterbleiben. Die Personalaufwendungen für politische Führung haben sich deutlich stärker entwickelt als die für Bildung und innere Sicherheit.DafängtderFroschanzuhumpeln. Es muss für die Wirtschaft genügend Personal übrig bleiben.

Magerl: Das gilt auch bei der Bürokratie.WirlehnenneueBelastungen ab und erwarten von der Staatsregierung, dass sie uns darin unterstützt. Wir müssen Belastungen abbauen, keine neuen aufbauen.

Lux: Wer von einem Handwerksmeister verlangt, ein Zertifikat zur Nachhaltigkeit vorzulegen, bevor ein Auftrag erteilt wird, der müsste auch von einem Fisch verlangen, die Seepferdchenprüfung abzulegen. Nachhaltigkeit liegt in der DNA des Handwerks, da braucht man keinen Nachweis.

Magerl: Das bremst auch die Lust darauf, Unternehmer zu werden. Dabei ist Selbstständigkeit ein wichtiges Kulturelement unserer freiheitlichen Gesellschaft.

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Es handelt sich schon um eine Art zweite Transformation. Nach dem riesigen Umbruch der ostdeutschenWirtschaft als Folge der Wiedervereinigung sind Teile der neuen Länder vom beschlossenen Ausstieg aus der Braunkohle bis 2038 betroffen: das Mitteldeutsche Revier und die Lausitz. „Es ist Bewegung und Veränderung in die Reviere gekommen“, zieht Norbert Menke eine Zwischenbilanz. Er war bis Ende April Geschäftsführer der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung (SAS), eine Gesellschaft, die zu 51ProzentdemLandundzu49Prozent der Sächsischen Aufbaubank gehört und die Vergabe der Milliarden Euro an Fördermitteln für den Strukturwandel organisieren soll. Im Freistaat sind nach Angaben Menkesbislanggut150Projektemit einem Volumen von zusammen 1,5MilliardenEuroinitiiertworden.

Es ist Bewegung und Veränderung in die ­Reviere gekommen.

Norbert Menke ehemaliger Geschäftsführer der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung

Hin zu neuen Technologien

Menke, der Honorarprofessor an der Technischen Universität Chemnitz ist, räumt ein, dass es nicht immer leicht gewesen sei, die Maßnahmen „durch den Förderdschungel zu bringen“. Dafür aber sei es gelungen, den Schwerpunkt auf Forschung und Wissenschaft zu legen.SachsenaufdenWegzuneuen Technologien und Innovationen zu bringen – „das ist goldrichtig“, meint der frühere Chef des Leipziger Stadtkonzerns LVV, der Dachgesellschaft der Stadtwerke, Wasserwerke und der Verkehrsbetriebe. „Das muss gelingen“, fordert der promovierte Elektrotechniker. DannsehedasLandeinergutenZukunft entgegen. Der verheiratete Vater von zwei Kindern verweist darauf, dass mit den Kohle-Geldern keine direkten Arbeitsplätze gefördert werden dürfen. Ein Schwerpunkt liegt also darin, die Lebensqualität in den betroffenen Regionen zu erhöhen. Alsoetwa,indemindieSanierungvon Kitas, die Ansiedlung von Arztpraxen oder die Renovierung des Schwimmbades sowie die InfrastrukturGeldfließt.Dadurchsolldie Attraktivität der betroffenen Kom-

Tagebau Vereinigtes

Schleenhain

40

In Deutschlands Braunkohlerevieren investiert der Bund bis 2038 bis zu 40 Milliarden Euro für den Strukturwandel.

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Milliarden Euro fließen davon in die ­sächsischen Reviere.

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Im Freistaat sind bislang 150 Projekte mit einem Volumen von zusammen 1,5 Milliarden Euro initiiert worden.

Foto: Jan Woitas/DPA

Raus aus der Kohle mit viel Kohle

Norbert Menke hat seinen Vertrag als Chef der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung nicht verlängert

munen erhöht werden in der Hoffnung, dass die Menschen nicht abwandern, dort sogar Zuzüge zu verzeichnensindundansiedlungswillige Firmen angelockt werden. „Nicht alles ist im Sinne des Strukturwandels“, bemerkt der gebürtige Ostwestfale kritisch, ohne konkrete Beispiele nennen zu wollen.

Strittige Projekte Tatsächlich dürfte strittig sein, ob GeldfüreineneueJugendherberge in Markkleeberg oder die Sanierung des Bahnhofes in Weißwasser zwingend mit Kohle-Geldern bezahlt werden sollten. „Ein Fokus solltevielmehraufdieStärkungdes Arbeitskräftepotenzials gelegt wer-

Sachsen sieht sich als attraktiven Ansiedlungsstandort

Sachsen ist weiterhin ein attraktiver Ansiedlungsstandort. Das meint ­zumindest die Wirtschaftsförderung Sachsen. Nach ­Angaben von ­Geschäftsführer Thomas Horn verzeichnete der Freistaat im vorigen Jahr 16 An­siedlungen und Erweiterungen mit einem Gesamtvolumen von 10,1 Milliarden Euro und 2700 neu geschaffenen oder gesicherten Arbeitsplätzen. Zum Vergleich: 2022 gab es ebenfalls 16 Ansiedlungen und ­Erweiterungen mit zusammen 690 Millionen Euro, die hierher flossen (1265 Jobs). Hauptgrund für die exorbitant gestiegene Investitionshöhe: die Ansiedlung

des taiwanesischen Chipherstellers TSMC in ­Dresden. Das sei mit zehn Milliarden Euro die größte Einzelmaßnahme, den die Wirtschaftsförderung jemals betreut habe, ­sagte Horn. Sie sei zugleich auch die bisher größte Einzelinves­tition in Sachsen überhaupt und „ein Quantensprung für unseren Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort insgesamt“. Damit ­etabliere sich Sachsen in Europa neben Asien und Nordamerika als globaler Halbleiterstandort. „Davon versprechen wir uns ­positive Effekte für die Branche, aber auch für regionale Zulieferer und Dienstleister in der Wertschöpfungskette.“

Nicht alles ist im Sinne des ­Strukturwandels.

Die internationale Strahlkraft will Horn zudem nutzen, um das Ökosystem mit verschiedenen Partnern weiterzuentwickeln und die Wahrnehmung Sachsens als attraktiver Standort zu ver­stetigen. Neben diesem besonderen Großprojekt seien es vor ­allem Ansiedlungen und Erweiterungen von klein- und mittelständischen Unternehmen, die die Arbeit der Wirtschaftsförderer maßgeblich prägten und wichtig für die Stärkung der Branchenvielfalt und der Technologiekompetenz seien, so Horn. TSMC will in der Landeshauptstadt 2000 Arbeitsplätze schaffen. Mit an Bord sind Bosch, Infineon und NXP.

tenzzentrum geschaffen werden soll, das „in einzigartiger Weise“, wie es heißt, lebenslanges Lernen vonderAusbildungbiszurFort-und Weiterbildung mit universitärer Grundlagenforschung verbindet. So sollen Handwerk und Industrie Zugänge zu aktuellen technologischen Entwicklungen ermöglicht werden.

Wir brauche eine ­zukunftsträchtige ­Industrie mit großer Wertschöpfung, die gut bezahlte Jobs und somit ­Wohlstand bringen wird.

den, insbesondere durch BildungsundUmschulungsprojekte,“fordert Reint E. Gropp, Präsident des Instituts für Wirtschaftsförderung Halle (IWH). Da dürfte schon mehr seinen Nervtreffen,dassmitGesamtinvestitionen von 34 Millionen Euro mit dem GlasLab in Torgau ein Kompe-

Die Taiwanesen halten 70 Prozent an dem Gemeinschaftsunternehmen „Semiconductor Manufacturing Companie“, ESMC. Der Spatenstich soll noch in diesem Jahr erfolgen. Der Steuerzahler ist mit Subventionen von rund fünf Milliarden Euro bei diesem Projekt dabei. Joachim Ragnitz vom Dresdner IfoInstitut warnte davor, die Auswirkungen zu überschätzen. Bezogen auf die Gesamtzahl der 300 000 Arbeitsplätze in Sachsen seien die neuen Jobs eher unbedeutend, so der Professor. Zudem befürchtet der Mittelstand die Abwerbung von Fachkräften. mi

Überragende Impulse Menke, durch seine vorherigen Tätigkeiten ein Strukturwandelexperte, lobt vor allem, dass Sachsen den Zuschlag für zwei Großforschungszentren erhalten hat. In der Lausitz das für Astrophysik, in Delitzsch das für die Transformation der Chemie hin zu einer Kreislaufwirtschaft, die auf nachwachsende Rohstoffe und Recycling setzt. Auf dem Gelände des früheren Kraftwerkes Thierbach im Leipziger Südraum sind Wasserstoffprojekte inVorbereitung.„Dasalleswirddie RegionenindieZukunftbringen,es handelt sich um überragende Impulse.“ Gut vorangekommen ist nach Einschätzung von Menke die Erschließung eines potenziellen Industriegebietes in Wiedemar nördlichvonLeipzig.„Wirbrauchendort einezukunftsträchtigeIndustriemit großer Wertschöpfung, die gut bezahlte Jobs und somit Wohlstand bringenwird“,betontderManager. Logistikfirmen – davon gibt es im GroßraumLeipzigmehralsgenug–sollen sich dort nicht niederlassen dürfen. Ob das 400 Hektar große Gebiet tatsächlich für eine Ansiedlung vorbereitet wird, darüber gibt es am 1. September einen Bürgerentscheid.

Mehr Zeit für Familie Ob all die Investitionen die erhoffte Wirkung entfalten werden, „ist nochnichtabzusehen“,meintIWHVizepräsident Oliver Holtemöller. Schon jetzt verstärke sich in den Revieren der Fachkräftemangel. „Dieses Problem zu lösen, wird in den kommenden Jahren die größte Herausforderung“, meint der Wissenschaftler.

All das wird Menke nur aus der Ferne beobachten. Er hat sich entschlossen, seinen Vertrag bei der SAS,derEndeAprilauslief,nichtzu verlängern.SeineZeitbeiderAgenturseireizvollgewesen,erhabeviel bewegen können. „Ich möchte andere Prioritäten setzen“, erklärt der 62-Jährige.AlsomehrZeitfürFamilie und Freunde haben, mithin „ein größeres Stück selbstbestimmte Lebensqualität“.

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Auf dem Weg in die Tätigkeitsgesellschaft

Wettbewerb um innovative Wege in der Arbeitswelt hat begonnen

Arbeit gibt uns mehr als den Lebensunterhalt, sie gibt uns das Leben, meinte einst Henry Ford.Dabeierlebenwir momentan,wiesichdie Arbeitswelt in hoher Geschwindigkeit verändert. Was auf uns zukommt, das prognostiziert Timo ­Meynhardt, Professor an der Leipziger Manager-Schmiede HHL, in seinem Autorenbeitrag:

VorunserenAugenvollziehtsich

ein rasanter Wandel der Arbeitswelt: Die Covid-19-Krise brachte dauerhafte Veränderungen mit sich. Der demografische Wandel erzwingt eine neue Diskussion über Lebensarbeitszeiten, Automatisierung und Digitalisierung („KünstlicheIntelligenz“)eröffnenChancen, Arbeitandersundneuzuorganisieren. Vordergründig sind jedoch die sich abzeichnenden Auswirkungen desKlimawandelsinallenBelangen unseresLebensunddamitvorallem auch unserer Wirtschaftsweise.

In einer gemeinsamen Stellungnahme „Die Zukunft der Arbeit“ haben dazu die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und dieUnionderdeutschenAkademien der Wissenschaften Vorschläge unterbreitet, woran sich Wirtschaft und Gesellschaft orientieren können.AlsMitgliedderinterdisziplinären Arbeitsgruppe möchte ich kurz einige Kernideen der vorstellen. Selbstbestimmung des ­Einzelnen

Ein Schlüsselgedanke ist die AusrichtungamKonzeptderTätigkeits-

gesellschaft, wie es zuerst der deutsch-britische Soziologe Ralf Dahrendorf in den 1980er-Jahren beschrieben hat und seither in unterschiedlichen Varianten diskutiert wird. Danach gilt es, das „Leben als Tätigkeit“ in seiner Vielfalt zu begreifen, einseitige Abhängigkeiten zu überwinden und so FreiheitundSelbstbestimmungderund des Einzelnen zu stärken. Dieser Aufruf zum eigenverantwortlichen Gestalten, zum Tätigwerden und Tätigbleiben – im Gegensatz zu Rückzug, Verweigerung und Untätigkeit – zielt auf ein breiteres Verständnis davon, wo und wie Menschen aktiv und wirksam werden. Im Unterschied zur Arbeitsgesellschaft,wiewirsieseitderIndustrialisierung kennen, ist (klassische) Erwerbsarbeit von vornherein in ihrem Wechselspiel mit anderen Formen des Tätigseins zu betrachten, der Begriff der Arbeit weit zu fassen und unterschiedlichste FormenmenschlicherTätigkeitundderen Zusammenspiel sollten in den Blick genommen werden.

Neue Formen

Bisher nicht oder kaum gesellschaftlich wertgeschätzte Tätigkeiten erhalten so eine höhere Aufmerksamkeit in Politik, Wirtschaft undGesellschaft.BeiderAusgestaltung neuartiger Formen der Erwerbsarbeit wird die Rolle anderer Tätigkeiten im Leben der Arbeitenden mitgedacht. Hierfür sind Übergängezwischendenverschiedenen Erwerbsformen und Tätigkeiten sowie Kriterien zu deren Bewertung neu zu entwickeln. Nimmt man diese Vision ernst, entsteht ein Orientierungsrahmen, derindenlebhaftgeführtenDiskussionen um flexibles Renteneintrittsalter, Un-Retirements („Unruhestand“), aber auch Vier-Tage-Woche und bedingungsloses Grundeinkommen einen soliden Kompass bietenkann.Einewettbewerbsfähige Unternehmenspolitik in Zeiten multipler Krisen kann von dem Bild „LebenalsTätigkeit“vorallemdeshalb profitieren, weil sich darin die Interessen der Arbeitnehmer und die der Unternehmen treffen.

Knackpunkt Produktivität

Eine solche gemeinsame AusrichtungkämederProduktivitätzugute, erfordertaberzugleicheinerweitertes Verständnis dessen, was als produktiv gelten soll. Denn: Produktiv zu sein heißt, wirksam zu sein – in einer für die Tätigkeitsgesellschaft zu entwickelnden Form. Tätigwerden und Tätigbleiben bedeuten dann insgesamt ein Mehr an individueller und kollektiver Wirksamkeit, bei dem Freiheit und Gemeinwohl einander befördern. Hierin liegt letztlich – bei allen Spannungsfeldern – der Schlüssel für Innovation und Wertschöpfung. Den abhängig Beschäftigten eröffnen sich in der Tätigkeitsgesellschaft neue Möglichkeiten zur sinnorientierten Gestaltung ihres Arbeitslebens. Auch (erwerbs-)biografische Sackgassen lassen sich so vermeiden. Für die Gesellschaft als Ganzes könnte der Übergang zur TätigkeitsgesellschafteinSchrittauf demWegzurSicherungdereigenen (Über-)Lebensfähigkeit sein.

In der Stellungnahme schlagen wir fünf Handlungsfelder vor, wie der Weg hin zur Tätigkeitsgesellschaft aussehen könnte:

Tätigkeitsbiografien an demografischen Wandel anpassen

Organisationsformen der Erwerbsarbeit an den digitalen Wandel anpassen

Bildung, Aus- und Weiterbildung stärker an den großen Herausforderungen ausrichten

Geschlechterbezogene Ungleichheiten in der Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit mildern

Räumlich-bauliche Rahmenbedingungen anpassen

Die Umsetzung der Vorschläge erfordert natürlich Anpassungen im Steuer- und Transfersystem, politischen Willen und eine breite gesellschaftliche Akzeptanz. Gleichzeitigsindbereitsjetztin derUnternehmenspraxiszahlreiche innovative Ansätze zu beobachten. Beispielhaft dafür stehen die Ansätze, die sich unter der Überschrift „New Work“ näherungsweise zusammenfassen lassen, also persönliche Entfaltung und berufliche Entwicklung miteinander zu verbinden. Ein weiterer Ansatz, nichtmarktbezogene Tätigkeiten in den Kontext der Erwerbsarbeit zu integrieren, ist das Angebot vieler Unternehmen, sich innerhalb der Arbeitszeit ehrenamtlich zuengagieren(SocialDay,Freiwilligentage, Hilfsaktionen).

Die Kritik an der Tätigkeitsgesellschaft liegt auch auf der Hand: Wer soll das bezahlen? Schneiden wir uns nicht ins eigeneFleisch?Wersofragt, verkennt, dass der Wettbewerbumdieinnovativsten WegeindieTätigkeitsgesellschaft längst begonnen hat.

Die gesamte Studie steht hier zur ­Verfügung:

Jubiläum

Großer Fisch im kleinen Teich

Die 510 Sparkassen in Deutschland haben einen ehren­werten Auftrag. Als einziges Kreditinstitut müssen sie die finanzielle ­Teilhabe für alle Menschen gewährleisten. ­Zudem sollen sie den Wohlstand in ihrer Region und das Wachstum der Wirtschaft ­fördern.

Die Sparkasse Leipzig, die im vorigen Jahr die Bilanzsumme um 0,6 Prozent auf 11,55 Milliarden Euro und den Überschuss von 17 auf 20 Millionen Euro gesteigert hat (Vorstandschef Harald Langenfeld (Foto li.): „2023 war ein ­herausforderndes Jahr, das wir gut gemeistert haben“), hilft dabei der hiesigen Wirtschaft nicht nur mit der Abwicklung des ­Zahlungsverkehrs und Beratungen, Krediten und Geldanlagen. Mit der Tochter S-Beteiligungen stellt sie Firmen, die wachsen oder die Unternehmensnachfolge realisieren wollen, Eigenkapital zur Verfügung. Eine freiwillige Aufgabe. „Das trägt zur Stabilität unseres Wirtschaftsraumes bei“, lobt Langenfeld das Unternehmen, das in diesen Tagen seinen 25. Geburtstag feiert. „Innovative Vorhaben benötigen einen starken Partner, vor allem, wenn es um die Finanzierung geht“, so der promovierte Jurist. „Wir begleiten als regionaler Experte die Visionen und Ziele mittelständischer Unternehmen.“ „Wir waren und sind unterm Strich sehr erfolgreich“, zieht S-Beteiligungen-Geschäftsführer Stefan Leermann (Foto re.) eine positive Bilanz der bisherigen Tätigkeit. Natürlich gebe es Investments, die nicht so gut verlaufen seien. „Das gehört zur Natur der Sache.“ Aber das Positive überwiege ganz eindeutig. Und da hat die Beteiligungsgesellschaft imposante Zahlen vorzuweisen. „Wir haben seit Bestehen mehr als 100 Millionen Euro investiert und dadurch schätzungsweise eine mittlere vierstellige Zahl an Arbeitsplätzen geschaffen und gesichert“, berichtet Leermann. Dabei hat sich nach Angaben des Finanzmanagers, der seit elf Jahren an der Spitze steht, die Strategie im Laufe der Jahre geändert. Stiegen die S-Beteiligungen früher direkt bei Betrieben ein, so wird heute über den Wachstumsfonds Mittelstand Sachsen (WMS) und den Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS) investiert. An beiden Geldtöpfen sind die Sparkasse Leipzig, weitere sächsische Sparkassen sowie die Aufbaubank beteiligt. „Dadurch können wir auch höhere Engagements eingehen“, berichtet der Geschäftsführer. „Wir sind der regionale Partner dieser Verbundlösung.“ Der TGFS investiert in technologieorientierte Start-ups ab 200 000 Euro. „Aus Erfahrung wissen wir, dass sich ­Geschäftsmodelle in der frühen Lebensphase eines Unternehmens auch mal verändern können. Neugegründeten Unternehmen bieten wir deshalb flexible und skalierbare ­Lösungen an“, betont Leermann. Beim WMS geht es darum, mit mindestens einer Million Euro Eigenkapital das Wachstum oder die Unternehmensnachfolge zu begleiten. Jüngst hatte sich der Fonds mit 48 Prozent an der Goldeck Süß­waren GmbH (Zetti) beteiligt, um die Absatzausweitung und den Generationenwechsel auf dem Chefsessel abzusichern. Leermann sagt, in allen Fällen stünden die Experten mit Hilfe und Beratung zur Verfügung. „In das operative Geschäft ­mischen wir uns aber nicht ein.“ Großen Wert legt der Experte darauf, dass sein Unter­nehmen, im Gegensatz zu manchem vor allem anglo-amerikanischen Finanzinvestor, „keine Heuschrecke ist“. Es gehe eben nicht darum, kurzfristig Gewinne herauszupressen und rasch wieder zu verkaufen. „Wir investieren in die nach­haltige Wertsteigerung unserer Beteiligungen.“ Die S-Beteiligungen seien „ein großer Fisch in einem kleinen Teich. Nicht umgekehrt.“ mi Fotos: claudiamasur.com, Christoph Schwabe

STUDIE | 11
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Prof. Timo Meynhardt
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Foto: André Kempner

Aufgelesen

Innenansichten aus der Treuhand

Geringe Brexit-Spuren in Sachsen

Literatur über das Wirken der Treuhandanstalt gibt es reichlich. „Vom Hoffnungsträger zum Prügelknaben“ heißt etwa ein Buch, das wahrscheinlich treffend das Urteil vieler über die von der letzten SEDRegierung unter Hans Modrow gegründete Einrichtung beschreibt. Die Treuhand war angetreten, den Übergang in die soziale Marktwirtschaft maßgeblich mitzugestalten. Um zunächst 8500 Volkseigene Betriebe in 320 Kombinaten mit zusammen über 45 000 Betriebsstätten und vier Millionen Beschäftigten ging es bei diesem historisch einmaligen Umbau der Wirtschaft. Die Ausgangslage war mehr als schwierig. Laut einem Papier von Gerhard Schürer, Vorsitzender der Zentralen Planungskommission von Oktober 1989, gab es einen hohen Verschleißgrad der Maschinen und Anlagen, galt die Produktion als vergleichsweise aufwendig und kaum weltmarktfähig. Ergebnis: Rund ein Drittel der Betriebe wurde abgewickelt, die Arbeitslosigkeit schoss in die Höhe. Olaf Jacobs hat im Mitteldeutschen Verlag in Halle soeben einen Interviewband herausgebracht, in dem die bislang eher kurz abgehandelte Sichtweise von Mitarbeitern der Treuhand erzählt wird. „Es war eine Erfolgsgeschichte, die Privatisierung. Daran mitgewirkt zu haben, das können Sie mit keinem Job der Welt ausgleichen“, schwärmt etwa der frühere Vizepräsident der Treuhand Hero Brahms. Er berichtet auch von der „Treuhand-Rendite“. Sie war dann erreicht, wenn der Verlust der Firma nur noch so hoch war wie der Umsatz. Das wurde mit einer Flasche Sekt in der Anstalt gefeiert: Rotkäppchen natürlich. Die Kritik an der Treuhand sei im Wesentlichen „von Leuten gekommen, die überhaupt nicht gesehen haben, was wir gemacht haben und sehr spät in die Sache eingestiegen sind und beispielsweise nicht gesehen haben, in welchem Zustand die DDR war“, meint Alexander Koch, zwei Jahre lang Personalvorstand der Treuhand. Pressesprecher Wulf Schöde erinnert sich, dass es in seiner viereinhalbjährigen Amtszeit „dauernd Höhepunkte, dauernd Tiefpunkte“ gegeben habe. Immerhin sei es gelungen, die Mikroelektronik in Dresden, die heute europaweit führend ist, zu halten. „Da hat die Treuhand ihren Anteil dran.“

Fazit: Ein interessantes, gelegentlich langatmiges, gleichwohl strittiges Buch.

Olaf Jacobs und die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (Hg.): „Die Treuhand. Innenansichten einer Behörde.“ Mitteldeutscher Verlag Halle 2024, 428 Seiten, 28 Euro. mi

Nachfolge

Haben die Unternehmensnachfolge geregelt: Christian Kosel (von links), Giso Wittig, Matthias Wendenburg, Jekaterina Spanka und Ulrich Spanka.

Spanka

ITC Solutions: Unternehmensnachfolge ist vollzogen

Ulrich Spanka war Bahn-Beschäftigter. Ein sicherer Job. Doch er gab 1990 seine Angestellten-Tätigkeit auf und wagte den Sprung in die Selbstständigkeit. „Phone und Fax“ nannte er sein Geschäft in Lützschena, expandierte nach Halle und zog schließlich in das frühere Verwaltungsgebäude der Brauerei in Schkeuditz um. Der Ingenieur hatte den Unternehmenszug auf das richtige Gleis gesetzt, denn damals in den Nachwendezeiten waren Telefon-Festanschlüsse ebenso wie Faxgeräte oder die aufkommenden Mobilfunkapparate Mangelware bei riesigem Bedarf. 1996 wurde der Telefonanlagenbau Spanka GmbH ins Handelsregister eingetragen. Was so klein begann, hat sich heute zu einem Betrieb entwickelt, der inzwischen 34 Mitarbeiter auf den Gehaltslisten stehen hat. Zu den Kunden des 2013 in Spanka ITC Solutions GmbH umbenannten Betriebes zählen öffentliche Auftraggeber sowie privatwirtschaftliche Unternehmen aus Mittelstand und Konzernen . Die 2002 bezogene Firmenzentale in der Schkeuditzer Industriestraße steht im Eigentum – ein Beleg für vernünftiges, seriöses Geschäftsgebaren.

Beim Angebotsportfolio ist Ulrich Spanka mit der Zeit gegangen. Denn er weiß: Technologien verändern sich, wer nicht Schritt hält, läuft Gefahr, aus dem Markt zu fallen. Sein Betrieb bietet Lösungen in der Telekommunikation, Informationstechnologie, projektiert Datennetzinfrastrukturen, Kamerasysteme und Gefahrenmeldesysteme. Jetzt hat Ulrich Spanka einen Schritt zurückgelegt, der vielen Firmeninhabern schwerfällt: Der 66-Jährige hat rechtzeitig die Weichen für die Unternehmensnachfolge gestellt, was zugleich einen Generationenwechsel darstellt. Neue Geschäftsführer sind Matthias Wendenburg (41) und Giso Wittig (49). Spanka selbst bleibt noch in beratender Funktion. Beim Übernahmeprozess wurde er von der Sparkasse Leipzig., der Manager-Schmiede HHL und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG unterstützt. „Da bin ich gut beraten worden“, sagt Spanka. „Unser Anspruch ist, den Kunden alles aus einer Hand zu bieten“, betont der neue Geschäftsführer Wendenburg. Der Vertriebsexperte ist seit 2017 im Betrieb und hält, allen konjunkturellen Widrigkeiten zum Trotz, die Aussichten für gut. „Wir sind positiv gestimmt, da wir breit aufgestellt sind.“ Um die Tätigkeiten auf eine noch breitere Basis zu stellen, plant er den Einstieg in den Glasfaserausbau. „Da sehen wir großes Potenzial.“ Dabei beschränkt sich die Firma im Wesentlichen auf den Osten der Republik. Das ist auch dem Trend geschuldet, dass immer weniger Menschen wochenlang auf Montage sein wollen. „Wir sind im Umkreis von rund 200 Kilometern tätig.“ Der Fachkräftemangel macht sich auch ein wenig bemerkbar. „Wir sind auf der Suche nach Elektrikern und Elektronikern“, berichtet der neue Chef. Zur Sicherung des künftigen Bedarfs werden drei Lehrlinge zu IT-Systemelektronikern ausgebildet. mi

Hiesige Unternehmen setzen immer mehr Produkte in Großbritannien ab

Entwicklung des Außenhandels zwischen Sachsen und ­Großbritannien | Export und Import in Millionen Euro Quelle: Wirtschaftsförderung Sachsen

Die schlimmsten Befürchtungen sind ausgeblieben. Von einem Niedergang der Wirtschaft in GroßbritannienkanngutvierJahre nach dem Austritt des Königreiches aus der Europäischen Union (EU),allenanfänglichenKrisenzum Trotz,keineRedesein.Soistdasbritische Bruttoinlandsprodukt im erstenQuartaldiesesJahresum0,6Prozentgestiegen,alsodreimalsostark wie im EU-Land Deutschland. Hauptgrund ist nach Ansicht des US-Finanzdienstleister T. Row Price „einkräftigerAnstiegderUnternehmensinvestitionen“, angestoßen durch beschlossene höhere AbschreibungenaufInvestitionen. In den Wirtschaftsbeziehungen mitderBundesrepublikhatGroßbritannien im vorigen Jahr ein Comeback hingelegt. So belegten die Briten nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes im Handelspartnerranking Platz neun – zwei Rängebesserals2022.DasdeutschbritischeWarenhandelsvolumenlag bei rund 115 Milliarden Euro. Nach fünf Jahren des Abstiegs in dieser Tabelle„erlebtderdeutscheAußenhandel mit dem Vereinigten Königreich einen neuen Aufschwung“, urteilt die Außenwirtschaftsagentur desBundesGTAI(GermanyTrade& Invest). Von einem rasanten Aufschwung könne jedoch keine Rede sein, denn der deutsche Warenhandel mit dem Vereinigten Königreich habe im Vergleich zum Vorjahr nominal nur um 0,9 Prozent zugelegt. „Damit aber immer noch stärker als mit anderen wichtigen Handelspartnern“, so die Wirtschaftsförderer.

Kein Einbruch in den Beziehungen Von einer tiefgreifenden Zäsur in den Kontakten zwischen Sachsen unddemVereinigtenKönigreichals Folge des Ausstiegs aus der EU kann offenkundig keine Rede sein. „DerBrexitwarzwareinEinschnitt,

Der Brexit war zwar ein ­Einschnitt, der die Rahmenbedingungen verändert hat. Es ist aber nicht zu dem befürchteten Einbruch in unseren ­bilateralen Wirtschaftsbeziehungen gekommen

Thomas Horn Geschäftsführer der ­landeseigenen ­Wirtschaftsförderung Sachsen

der die Rahmenbedingungen verändert hat. Es ist aber nicht zu dem befürchteten Einbruch in unseren bilateralen Wirtschaftsbeziehungen gekommen“, berichtet Thomas Horn, Geschäftsführer der landeseigenen Wirtschaftsförderung Sachsen(WFS).DieEntwicklungim Außenhandel zeige vielmehr, dass es den Unternehmen in Summe gelungensei,ihreGeschäftsbeziehungentrotzderfehlendenVorteiledes Binnenmarktes und der Zollunion erfolgreich fortzusetzen und sogar noch auszubauen. „Das Handelsund Kooperationsabkommen zwischen der EU und Großbritannien fängt dies offensichtlich auf, indem es die notwendige Planungs- und Rechtssicherheit geschaffen hat“, betont Horn. Zwar sanken die Ausfuhren von Sachsen nach Großbritannien im Brexit-Jahr2020von2,41Milliarden auf 2,06 Milliarden Euro. Doch legten die Exporte danach kräftig zu und kletterten 2023 auf 3,97 Milliarden Euro. Den Löwenanteil steuerte dabei das Autoland Sachsen (BMW, Porsche, VW) mit 3,12 Milliarden Euro bei, gefolgt vom Maschinenbau (0,222 Milliarden Euro) und elektrotechnischen Erzeugnissen (0,075 Milliarden Euro).

Großbritannien bleibt Partner Zurückgegangen sind allerdings die Importe aus dem Vereinigten Königreich. Hier liegen die Zahlen unter den Werten vor dem Brexit. 2019 etwa machten die Einfuhren 0,929 Milliarden Euro aus, im vorigen Jahr waren es lediglich 0,642 Milliarden Euro. Das gleiche Bild zeigt sich auch für den gesamten deutsch-britischen Außenhandel. „Dies deutet also darauf hin, dass sich die hiesigen Firmen teilweise nach anderen Lieferanten umgesehenhaben,mitdeneninnerhalb des EU-Binnenmarktes alternative Geschäftsmöglichkeiten bestehen“, begründet Horn. Gleichwohl bleibe Großbritannien trotz

des Brexits nicht nur ein wichtiger Exportmarkt, „sondern weiterhin ein attraktiverPartnerinderinternationalen Zusammenarbeit, etwa bei den Themen Life Sciences und Wasserstoff sowie in der Bahntechnik“, so der oberste sächsische Wirtschaftsförderer. Dass britische Unternehmen den Standort Sachsen schätzen, machen beispielhaft folgende Investitionen nach dem Brexit deutlich, die allesamt von der WFS betreut wurden. Verstärkung für das „Silicon Saxony“ gab es 2021 mit der Investition der Vodafone Group in ein globales Kompetenzzentrum für Forschung undEntwicklunginDresdenmit200 neuen Jobs. Im Fokus stehen dabei Innovationen für die neuen Mobilfunkstandards5Gund6Gundderen Anwendungsmöglichkeiten, unter anderem in den Bereichen digitale Gesundheit,vernetzteMobilitätund industrielle Produktion. Zudem sollen Technologien für die erweiterte und virtuelle Realität, Cyber Security und Data Science erforscht und weiterentwickelt werden. Mura Technologies entschied sich, eine neue Recycling-Anlage zurVerölungbeziehungsweisezum Recycling von Kunststoffabfällen am Dow-Standort in Böhlen zu errichten. Diese ist als größte Anlage ihrer Art in Europa geplant. Sie soll dieVersorgungvonDowmitneugewonnenen Ausgangs-Rohstoffen verbessern und die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen verringern. Die Investition soll 200 Millionen Euro betragen, 100 neue Arbeitsplätze sind vorgesehen Erfolgreiche Kooperationen Erfolgreich war Sachsen auch bei der Entscheidung für die erste kontinental-europäische Ausgabe der Bespoked, Europas größter jährlich stattfindenderMessefürindividuelle und handgefertigte Fahrräder. Diese feierte 2023 in Sachsen Deutschlandpremiere. „Das war eine große Auszeichnung für den Standort und die sächsische Fahrradwirtschaft,diesichindenletzten Jahren sehr dynamisch entwickelt hat“,berichtetHorn.ZielderMesse, die in diesem Jahr vom 18. bis 20.OktobererneutinDresdenstattfindet, sei es, den Aufbau einer florierenden Kultur kleiner unabhängiger Fahrradhersteller in Mitteleuropa zu fördern. ImBereichBio-undGesundheitswissenschaften (Life Sciences) kooperiert die Technische Universität (TU) Dresden bereits seit 2015 im Rahmen der „TransCampus“-Initiative erfolgreich mit dem King’s College London. Aus der erfolgreichen Zusammenarbeit beider Exzellenzuniversitäten ist das britisch-sächsische Start-up Innate Repair hervorgegangen, das neue Therapien gegen Krebserkrankungen entwickelt.

Die University of Birmingham und die Fakultät Verkehrswissenschaften Friedrich List der TU Dresden haben eine Absichtserklärung für gemeinsame Forschungs- und Lehraktivitäten sowie den Studenten- und Personalaustausch unterzeichnet.

AuchdieTUBergakademieFreiberg hat zahlreiche Kooperationen mitbritischenUniversitäten,etwain der Materialforschung, Energietechnik sowie im Bereich additive Fertigung.

Sächsische und britische Firmen kooperieren ebenfalls. Einige Beispiele:

■ Die Codon AG aus Leipzig und die Joint Operations LLP (Wiltshire bei Swindon) unterzeichneten 2022 einen auf zunächst über drei Jahre laufenden Vertrag über den exklusiven Vertrieb des EUweit zugelassenen zellbasierten

Arzneimittels Spherox in Großbritannien. Das Medikament dient der Behandlung von Knorpeldefekten.

■ Die Pla-to GmbH aus Hagenwerder (bei Görlitz) stellt Maschinen her, um Kunststoff-Verpackun-

gen wiederzuverwerten. Der größte Kunde sitzt in Großbritannien.

■ Das britische IT-Unternehmen Westcoast übernimmt schrittweise Sachsens größten Kommunikationsdienstleister, die Komsa AG in Hartmannsdorf.

■ Das britische Unternehmen GlaxoSmithKline entwickelt und stellt am über 100-jährigen Standort des Sächsischen Serumwerkes in Dresden saisonale und pandemische Grippeimpfstoffe sowie Impfstoffe gegen Hepatitis her.

12 | AUSSICHTEN Foto: Spanka ITC Solutions
Fotos: Adobe Stock/sea and sun, © BLEND3 Frank Grätz
Von Ulrich Milde
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Zahlreiche Bilder und Fotos von bekannten Künstlern wie Neo Rauch hat Thomas Wollesky an den Wänden hängen.

Eine große Fensterfront sorgt für viel Tageslicht. Wer hinausschaut, kann den Fortschritt beim Neubau einer Lagerhalle beobachten.

Das zentrale Element im Büro: Der Steinway-Konzertflügel, den ACL-Chef Thomas Wollesky vor vier Jahren dem Gewandhaus ­abgekauft hat.

Modern, elegant und zweckmäßig – der ­obligatorische ­Besprechungstisch darf nicht fehlen.

Bilder und Konzertflügel –Zu Besuch bei Thomas Wollesky

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Von diesem Schreibtisch aus, versehen mit zwei Monitoren, lenkt Thomas Wollesky die ­Firmengeschicke.

Das Interesse an Kunst und Kultur wurde ihm mit in die Wiege gelegt. „Mein Vater war Produktionsleiter des Insel-Verlages“, berichtet Thomas Wollesky. Bücher spielten also von klein auf eine große Rolle. Zur Malerei als Fan fand der Chef der Markkleeberger Firma ACL, als er Anfang 20 war. Er schaute sich Bilder des Leipzigers Norbert Wagenbrett an, der fast ausschließlich Porträts erschafft. Im Gesicht seiner Modelle sucht er nach dem Unverwechsel­baren. „Das war der Moment, der mein Interesse geweckt hat“, erzählt Wollesky, der mit seiner Firma großzügiges Kultursponsoring betreibt, vom Gewandhaus bis zum Bachfest. Unverwechselbar ist auch sein Büro. Natürlich gibt es den Schreibtisch, auf dem zwei Monitore platziert sind. Schon etwas aus dem Rahmen fällt eine kleine Buddha-Figur daneben. „Ich habe sie aus Thailand vom Flughafen mitgebracht.“ Er sei zwar kein Buddhist, „aber sie hilft mir herunterzukommen, wenn ich mal auf 180 bin“. Selbstverständlich ist auch der obligatorische Besprechungstisch, an dem der Unternehmer sich mit Gästen unterhält oder mit Mitarbeitern die nächsten betriebsinternen Schritte abstimmt. Doch alles andere ist ungewöhnlich, der Besucher fühlt sich eher in das Büro eines Opern-Intendanten oder Galeristen versetzt. Den Raum beherrscht ein schwarzer Steinway-Konzertflügel. „Den habe ich vor vier Jahren dem Gewandhaus abgekauft“, erinnert sich Wollesky. Dort sollte das Instrument ausrangiert werden. Gelegentlich setzt er sich daran und spielt ein wenig. Drei der vier Wände sind voll mit Bildern, die vierte bietet dank einer großen Fensterfront einen Blick auf den Neubau einer Logistikhalle, die gerade hochgezogen wird. Ein Beleg, das ACL mit seinem Produktportfolio auf Wachstumskurs st. Der Betrieb stellt Computer und Monitore in erster Linie für hochsensible und kritische Bereiche wie Operationssäle und Intensivstationen her. Unter Wolleskys Regie entwickelte sich die Firma mit ihren heute gut 90 Beschäftigten zum größten inhabergeführten Hersteller von spezialisierter IT-Technik in Europa. Im vorigen Jahr wurde ein Umsatz von knapp 23 Millionen Euro erwirtschaftet. Unter den Bildern sind welche von Johannes Rochhausen, einem Meisterschüler von Neo Rauch. Zuvor studierte Rochhausen in der Fachklasse Malerei bei Arno Rink. Rauch ist übrigens mit einer Lithografie vertrete. Zwei große Bilder stammen von Katrin Brause, die zur jüngeren Generation der Leipziger Schule zählt. Sie war ebenfalls eine Meisterschülerin von Rauch. Vor 20 Jahren fing der ACL-Chef mit dem Sammeln der Kunstwerke an. Ein Ende ist nicht abzusehen. mi

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BOSS-BÜRO | 13
Fotos: André ekmpner
www.s-beteiligungen.de

Die Döbelner Elektromotoren-Profis

Seit 70 Jahren wird bei Partzsch in Motoren gemacht. Wie Döbelns größter Arbeitgeber heute aufgestellt ist und was das immer noch familiengeführte Unternehmen unternimmt, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten.

Am 1. Juli 1954 eröffnete der Elektro-, Installations- und Maschinenbauer Werner Partzsch ein neues Geschäft in der kleinen Muldestadt DöbelnmitteninSachsen.Heute,70 Jahre später, gibt es sein einst kleines Reparaturwerk für elektrische Maschinen und Apparate immer noch. Klein ist es schon lange nicht

1: Thomas Götze und Christian Partzsch (rechts) leiten die Partzsch Unternehmensgruppe, die in dritter Generation familiengeführt und einer der größten Arbeitgeber in der Region ist.

2: Azubi Sara Michelle Krusch bei der Arbeit.

3: Bei Partzsch werden seit Jahrzehnten Motoren gebaut und repariert. Im Bild eine Reparaturmaschine, in der gerade Formspulen eingebaut werden.

4: Ein herausragender Auftrag ist der für 80 Offshore-Windkraftgeneratoren, die aktuell in Döbeln produziert werden. Fotos: Sven Bartsch

für rotierende Elektromaschinen“, formuliert der 42-Jährige stolz, was das Partzsch-Leitbild ist.

VeränderthatsichinsiebenJahrzehnteneiniges.1989hatteThomas PartzschdenväterlichenReparaturbetrieb übernommen, der als Elektromotoren GmbH bis heute das Herzstück des Unternehmens ist. InnerhalbvonnurzehnJahrenhatte

Thomas Partzsch ein 220 Mitarbeiter starkes Unternehmen aus der vormals kleinen Werkstatt gemacht und entwickelte sein Unternehmen darüber hinaus stetig weiter.

Konsolidierung statt

Riesenwachstum

DasRiesenwachstumistvorbei,sagt Christian Partzsch. Inzwischen ist Konsolidierung angesagt. Auf rund 40000 Quadratmetern wird in der gesamten Partzsch Unternehmensgruppe produziert, der größte Teil dieser Fläche befindet sich in Döbeln.DieStrategieseitfünfJahreist, als Unternehmensgruppe enger zusammenzurücken. In einem Punkt allerdings ist Wachstum erwünscht. Noch immer ist die Partzsch Unternehmensgruppe mit ihrer Elektromotoren GmbH – dem mit 340 Mitarbeitern größten Unternehmen der Gruppe – dem WindgeneratorenService und dem Elektrowerkzeuge- und Geräteverkauf sowie dem PAMO Reparaturwerk in Bitterfeld und der Partzsch Spezialdrähte GmbH in Ossig neben dem Döbelner Klinikum der größte Arbeitgeber in der Region. Rund 600 Mitarbeiter an allen Standorten gehören dazu. Geht es nach den Firmenchefs, könnten es mehr sein. Großaufträge für Windkraftgeneratoren

und einen Lehrmittelzuschuss.“ Übernahmegarantie inklusive. Auch in Sachen Mobilität legt das Unternehmen jetzt für seine Azubis noch eine Schippe drauf: Es übernimmtnichtnurdieFahrtkostenzur Berufsschule, sondern bietet auch das Bike-Leasing an.

650 000 Euro Inflationsausgleichsprämie

Dass ein Unternehmen ohne seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Untergang geweiht ist, hat die Philosophie bei Partzsch schon seit jeher geprägt. Die neue Führung setzt das fort: „Unsere Mitarbeiter haben oberste Priorität und sollen partizipieren, wenn wir als Unternehmen erfolgreich sind“, sagt ChristianPartzsch.Dasdrücktesich aus in der Zahlung der Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 650000 Euro im vergangenen Jahr. Sein Ziel ist es, dieses Geld in diesem Jahr den Angestellten wieder zahlen zu können. Gehegt und gepflegt werden zudemetwa30ausländischeMitarbeitendeimUnternehmen.Fürdiegibt es zum Beispiel kostenfreie Deutschkurse und Einzelbetreuung bei der Einarbeitung. Aus Ukraine, Iran und Irak, Indien, Mazedonien und Polen kommen sie. „Wir sind weltoffen“, sagt Christian Partzsch, der außerdem eine klare Haltung vertritt, was Fremdenfeindlichkeit und Extremismus angeht: „Die sind genauwieAbschottungGiftfürden deutschen Export und die Arbeitsmarktsituation bei uns in Deutschland.“

mehr. In dritter Generation familiengeführt, sind aus ursprünglich sechsMitarbeiternzwischenzeitlich rund 600 geworden. AusderüberschaubarenWerkstatt inderLeipzigerStraßeistübersieben Jahrzehnte hinweg diePartzsch Unternehmensgruppe erwachsen, die heute mit fünf Unternehmen an Standorten in Döbeln, Ossig und Bitterfeld Europas größtes herstellerunabhängigesReparaturwerkfürElektromotorenist.Indemkanndankneuester Technologien außerdem ein Komplettservice für elektrisch rotierende Maschinen bis zu 120 Tonnen Gewichtangebotenwerden.

Familiengeführt in dritter Generation „Früher waren wir eher ein Komponentenfertiger“, sagt Christian

Partzsch. Der 42-Jährige führt das FamilienunternehmenindritterGeneration. Ende 2021 hat er die Verantwortung für 625 Mitarbeiter von seinem Vater Thomas Partzsch übernommen, teilt sich diese seit dem mit Thomas Götze. Götze hat wie Christian Partzsch 1999 als Elektromaschinenbau-Azubi in der Firma angefangen. „Heute sind wir derschnellsteKomplettdienstleister

GEMEINSAMHABEN WIRGROSSES BEWEGT

DANKESCHÖNANDIESPONSORENUNDPARTNERDES

SÄCHSISCHENUNTERNEHMERPREISES2024

DieSächsischeZeitung,FreiePresse,LeipzigerVolkszeitungundMDRSACHSENdankendenSponsorenunddem KooperationspartnerdesWettbewerbs »SachsensUnternehmer:indesJahres«:

OhneIhrgroßesEngagementundIhrenstarkenSupportwäredieAusrichtungdeswichtigstenWirtscha spreises inSachsennichtmöglich.Dafürbedankenwirunsganzherzlich!

Wirsindbereitsjetztgespanntaufdas20-jährigeJubiläum derInitiative »SachsensUnternehmer:indesJahres« im kommendenJahrundsteckenvollerIdeenfürdiesenbesonderenAnlass.

CARSTENDIETMANN Geschä sführer DDVMediengruppe GmbH&Co.KG

DR.DANIELDAUM Geschä sführer ChemnitzerVerlagund DruckGmbH&Co.KG

BJÖRNSTEIGERT Geschä sführer LeipzigerVerlags-und Druckereigesellscha mbH&Co.KG

SANDROVIROLI Direktor MDR-LandesfunkhausSachsen

Die Auftragslage bis Jahresende ist sehrgut,istChristianPartzschzufrieden. Das Unternehmen hat unter anderem einen Großauftrag für Windkraftgeneratoren, die offshore, also auf dem Meer zum Einsatz kommen, an Land gezogen. 80 Stück davon dürfen die Döbelner jetzt liefern. 250 dieserGeneratorensindfrüherschon mal hier gebaut worden, bevor sich der Großkunde zwischenzeitlich ins Ausland orientierte. Nach drei JahrenPauseistPartzschinSachsennun wieder im Spiel. Es ist einer von den besonderenAufträgen,aufdieChristianPartzschstolzist. Ein weiterer Highlight-Auftrag fürdenFirmenchefistderTurboläufer für die Energieversorgung im Kraftwerk,dendiePartzschElektromotoren GmbH erstmals in der FirmengeschichtefüreinenDeutschen Energieversorger bauen darf. Im vergangenen Jahr hatte man am Standort Döbeln für den Kunden einen solchen Turboläufer als Referenzauftrag repariert, jetzt folgte der Komplettauftrag mit einem Volumen von 850 000 Euro. Wechselprämie für neue Mitarbeiter und Auszubildende Die gute Auftragslage im gesamten Unternehmen ist aktuell Segen und Fluch zugleich. „Wir könnten mehr Aufträge annehmen – wenn wir mehr Personal hätten.“ In allen Bereichen werden Mitarbeiter gesucht, vor allem Elektromaschinenbauer. „Wir spüren den Fachkräftemangel genauso wie jedes andere Unternehmen.“ Am liebsten würde man sich deshalb bei Partzsch diese Fachkräfte selbst heranziehen und ausbilden. Früher gab es pro Jahr drei bis fünf Azubis hier. Diese Zeiten sind längst vorbei. „Für das nächste Ausbildungsjahr suchen wir dringend Elektroniker für Maschinen- und Antriebstechnik“, sagt Partzsch. Deshalb geht das Unternehmen jetzt in die Offensive und bietet potenziellen Interessenten noch mehr Annehmlichkeiten –sowohl Auszubildenden als auch neuen Mitarbeitern. Zusätzlich zu bereits festen Größen wie Bike-Leasing, monatlichen Sachzuwendungen, regelmäßige Entgelterhöhungen und Sonderzahlungen winken jetzt nach bestandener Probezeit 2000 Euro Wechselprämie. Für Azubis heißt dieses Angebot Willkommensprämie, die wahlweise zur Übernahme der Führerscheinkosten gezahlt wird. Neben den Prämien und Boni wirbtPartzschauchmitseinemAusbildungskonzeptundbestenBedingungenindereigeneLehrwerkstatt und dem eigenen elektronischen Labor.„BeiBedarfgibtesaußerdem kostenfreieNachhilfe,PrüfungsvorbereitungeninkleinenLernguppen

Wir könnten mehr Aufträge ­annehmen – wenn wir mehr Personal ­hätten. Wir spüren den Fachkräftemangel genauso wie jedes andere ­Unternehmen.

Christian Partzsch Geschäftsführer Partzsch Unternehmensgruppe

Statt Abschottung jetzt Zusammenarbeit mit Konkurrenz Was den Umgang mit der Konkurrenz betrifft, hat sich die Strategie im Unternehmen in den zurückliegenden Jahren noch einmal geändert. Statt sich abzuschotten, existiert jetzt ein guter Draht zu allen Konkurrenten in Deutschland. Um die Arbeit in Deutschland zu lassen und sich gegenseitig zu unterstützen,hatmansichbeiPartzschschon vordreiJahrenmitvielendeutschen UnternehmenzueinerArtKoalition zusammengeschlossen. „Wir stehenfürgemeinsameWerteundeine enge Zusammenarbeit im Elektromaschinenbau, um uns stark für die nächsten Jahre aufzustellen“, so Partzsch. Um sich im eigenen Unternehmen stark aufstellen zu können, pflegt man bei Partzsch die Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr gab es erstmals ein großes Familienfest, bei dem Angehörige der Mitarbeitenden Einblicke in das gewinnen konnten, was eigentlich passiert hinter den Wänden der großen Produktionshallen. Es gibt Produktionsbesichtigungen und Mitmachaktionen, Livemusik und Unterhaltung. Im 70. Jahr des weltweit agierenden Familienunternehmens wird das Fest erweitert um einen Job- und Azubitag.„Wir wollen das Fest in diesem Jahr dafür nutzen, neue Mitarbeiter und Auszubildende zu gewinnen“, sagt Christian Partzsch und hofft auf regen Zuspruch auf das Angebot.

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Von Manuela Engelmann-Bunk
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Wenn es nach Jürgen Hartundseinervermeintlichen Sachsen-Hymnegeht,ist Oliver Köhn ein echterSachse.DennerliebtdasReisen sehr – nee, nicht das, wie der frühere Academixer-Kabarett-Chef inseinemLiedbemerkt,indenKnochen, sondern das Verreisen in alle EckenderWelt.„Grobgeschätztbin ich schon in 50, 60 Ländern gewesen“, versucht sich der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) Ost mit einer vorsichtigen Bilanz. Allerdings – ein „waschechter Sachse“ ist der gebürtige Stendaler nicht, wohnt zudem seit JahreninMagdeburg.„InSachsenAnhalt eben – aber in dem Namen steckt ja auch ein bisschen Sachsen“, fügt er scherzhaft hinzu. Und mit einem Lächeln im Gesicht: „Mein Arbeitsplatz ist ja immerhin im Freistaat, in Leipzig.“ Werbetour im Namen der mitteldeutschen Wirtschaft

Allerdings saß er seit November 2023oftimFlugzeug,umweitabvon zu Hause für die hiesige Wirtschaft zu werben. „Das ist derzeit umso dringlicher, weil für viele ostdeutsche Maschinenbaufirmen peu à peu Absatzmärkte weggebrochen sind“, erklärt Köhn, der im kommenden Herbst sein fünfjähriges Verbands-Dienstjubiläum feiert. Der Betriebswirt, der nach seinem Diplom 1996 – er studierte an der UniversitätMagdeburg–oftimAusland zugange war, schätzt die Lage nüchtern ein: „Viele Jahre hatten unsere kleinen und mittelständischen Betriebe in der Autoindustrie guteAbnehmer.DaistinletzterZeit leider einiges weggebrochen“, sagt der 53-Jährige. So machte im vorigen April das Münchener Ifo-Wirtschaftsforschungsinstitut einen Geschäftsklimaindex in der Automobilindustrie von minus 1,5 Punkten aus. „Seit Juni 2023 bewegte sich der Index stets im negativen Bereich.“ Daher, betont Köhn, „ist eines unserer wichtigsten Verbandsziele, unseren Maschinenund Anlagenbauern bei der ErschließungneuerTechnologienund neuer Märkte zu helfen.“ So verwundert es nicht, dass KöhnerstjüngstimMaieineWoche langinChicagoweilte.Aufderdortigen Messe für Robotik und Automation,„einerderweltgrößtenihrer Art“, stellte er die LeistungsfähigkeitostdeutscherUnternehmenseinerBranchevor.Zusammenmitder

Der Weltenbummler

Oliver Köhn, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen und Anlagenbau Ost, wirbt rund um den Globus für die hiesige Wirtschaft

Wirtschaftsförderung Sachsens und des Bundes war er in den USA auf „Werbetour mit dem Ziel, schrittweisedieInternationalisierungmitteldeutscher Firmen zu forcieren“. Für Köhn eine Herzensangelegenheit. Immerhin wurmt ihn, dass die

Nun sind dunkle ­Wolken am ­Konjunkturhimmel ­aufgezogen.

Exportquote hiesiger Maschinenbaubetriebe deutlich hinter dem Bundesdurchschnitt hinterherhinkt. „Der ostdeutsche Wert liegt hierbeireichlich50Prozent,dergesamtdeutsche bei 80. Das heißt, die westdeutsche Ausfuhrquote allein beträgtetwa85Prozent.“Diesallein schon verdeutliche den enormen Nachholbedarf.

Trübe Aussichten

Zumalsichgenerelldiewirtschaftliche Situation deutlich verschlechtert habe. „2023 hatten wir im mitteldeutschen Maschinenbau mit einem Umsatzwachstum von elf Prozent einen Spitzenwert. Dahinter verbirgt sich auch ein gewisses aufgestautes Auftragspolster aus der Corona-Zeit. Nun sind dunkle Wolken am Konjunkturhimmel aufgezogen“,berichtetderVDMA-Geschäftsführer. So heißt es im MärzMonatsberichtdesVerbandes:„Der ostdeutsche Maschinen- und AnlagenbaumusstezumEndedesersten Quartals einen Dämpfer hinnehmen, verzeichnete erstmals in diesem Jahr einen Orderrückgang. Im bisherigenJahresverlaufweisendie Auftragsbücher ein Minus von zwölf Prozent auf.“ Trübe Aussichten für die kommenden Monate. Und Köhn setzt noch eins drauf: „DasklareMinusvonelfProzentbei den Auslandsbestellungen überrascht uns, da die internationalen Kunden zuletzt eine stabile Bank waren.“

Beziehungen aufbauen

So gesehen ist Köhns „Reisefieber“ für seine Branche Gold wert. Daher ging er im Februar mit Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig für eine Woche nach Indien. „Das mit 1,4 Milliarden Einwohnern bevölkerungsreichste Land der Erde ist ein aussichts-

Stärkste Handelpartner Umsatz in Millarden Euro

Basislager meets Wirtschaftszeitung ärk

reicher Wachstumsmarkt. Er weist einPlusvonjährlichsechsbissieben Prozent auf“, betont der Geschäftsführer. Wenn hiesige Betriebe dort Fußfassenwürden,seidaseineRiesenchance. Auch die Möglichkeit, „in Indien Fachkräfte für Mitteldeutschland zu gewinnen, ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil. ImmerhinsuchenvieleMittelständler händeringend Beschäftigte“. Dass sich Köhn ebenfalls zusammen mit Vertretern der WirtschaftsförderungSachsensunddesBundes im vergangenen November nach TokioaufdenWegmachte,erstaunt angesichts der konjunkturellen Begleitumständenicht.„AufderRobotik-MesseIrexkamenwirmitvielen japanischen Fachleuten ins Gespräch.“ Wenn daraus fruchtbare wirtschaftliche Beziehungen entstünden, „hätten wir Großes erreicht“. Immerhin sei das asiatische Land führend gerade auf dem Gebiet der Automatisierungstechnik, berichtet der Verbandschef und kommt regelrecht ins Schwärmen. „Wir besuchten ein Restaurant – es war wie ein Showroom gestaltet. Darin arbeitete kein einziger Mensch. Bedient wurden wir von einemRoboter,derunszunächstauf Japanischansprach.Abererkonnte auf Deutsch umgestellt werden. Nach unserer Bestellung begab er sich im Handumdrehen in die vollautomatisierte Küche, wo er die jeweilsvorabvorbereitetenSpeisen auswählte.“ Und mit einem Augenzwinkern fügt Köhn noch an: „Wir wurdenvomRoboterfreundlicher bedient als von manchem lebendigen Kellner in hiesigenGaststätten.“

Internationale Kontakte pflegen ModerneTechnik,hochspezialisierte Industrien und das, was ostdeutsche Maschinen- und Anlagenbauer dazu beitragen können – das ist nach seiner Ansicht eine wichtige Zukunftsvision. Deshalb sei es nötig,sichaufrasantenWachstumsmärkten der Welt zu etablieren. So sei es von großem Wert, etwa in der weltweiten Auto- und Chemieindustrie, in der Nahrungsgütertechnik und Verpackungsmaschinen-Branche, in der Petrochemie und Umwelttechnik mitzumischen. Nicht zuletzt auch mit Blick auf die zahlreichengeopolitischenUnwägbarkeiten,soKöhn,undsprichtvom Konflikt China-Taiwan oder vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.Alldaserschwerevernünftig funktionierende weltwirtschaftliche Prozesse, störe sie vielmehr ganz gewaltig. Trotzallemgeltees,internationale Kontakte zu pflegen. „Deshalb ja auch unsere Reisen ins Ausland.“ Köhns zahlreiche Auslandsaufenthalte während seiner langjährigen beruflichen Laufbahn kommen ihm dabei enorm zupass. Er konnte wertvolleErfahrungensammelnfür seine fachliche Entwicklung – ob in demJahranderGlasgowUniversity während seines Studiums, oder in seinem ersten Job als Supply Chain Controller im Zentrallager des USHealthcare-Unternehmens Baxter im belgischen Brüssel, oder im belgischen Lüttich im BEA Büro für angewandte Elektronik (spezialisiertaufGebäudeautomatisierung), „wo ich für den Vertrieb in Osteuropa zuständig war“, oder beim Jagd- und Sportwaffenhersteller Browning in Lüttich als Vertriebschef für den Asien- und PazifikRaum von Japan bis Neuseeland, oder in Hannover für die Deutschland-Vertretung des italienischen Reifenherstellers Pirelli als Vertriebsleiter. Ab 2007 führte er die Auslandsabteilung bei der Wirtschaftsförderung von Sachsen-AnhaltinMagdeburg.„Dagingeszum Beispiel darum, Investoren herzulocken. So bin ich in Japan, den USA, Taiwan, Korea, der Mongolei, Kanada,Chinaundallenmöglichen anderen Staaten unterwegs gewesen.“ Kein Wunder, dass er seinerzeit vonderKindergärtnerinseinesmittlerweile erwachsenen Sohnes Benjamin,dervondenvielenReisendes Vaters erzählt hatte, gefragt wurde: „Sind Sie Pilot?“ Das nicht, aber ein Weltenbummler, der für seine Unternehmen immer nach neuen Entwicklungsmöglichkeiten sucht, schon eher.

Grafik: macrovector/Freepik.com bearbeitet Christiane

Wie klassische Musik für alle zugänglich wird

Wann waren Sie zuletzt in einem klassischen Konzert? Und die viel wichtigere Frage: Wie viele Gedanken haben

Sie sich im Voraus darüber gemacht, was Sie anziehen?

Julia Nagel ist studierte Trombonistin und liebt klassische Musik genauso sehr wie Swing Metal. Doch während letzteres schon in den Clubs angekommen ist, findet Klassik noch überwiegend in Einrichtungen wie dem Gewandhaus statt. Ein Grund für Julia Nagel: Die Vorurteile rund um klassische Musik, das damit verbundene Nichtwissen darum, wie vielfältig Musik mit Streichern und Blasinstrumenten sein kann, und die Regeln. „Du musst das anziehen, du musst dich so benehmen, du musst das wissen – wenn ich vorher schon 3000 Regeln auswendig lernen muss, hätte ich auch keine Lust mehr, ins Konzert zu gehen“, so Julia Nagel. Aus diesem Grund kam sie 2017 auf die Idee, ein FreelanceOrchester zu gründen. Was vor inzwischen sieben Jahren als ziemliches Durcheinander begonnen hat, wurde 2019 zu

Sinfonia Leipzig. Die Musikerinnen und Musiker, die ein Teil davon sind, wollen klassische Musik für alle zugänglich machen. Sinfonia ist damit ein Teil der Formationen, in denen die Musikerinnen und Musiker spielen. Das erklärte Ziel: Sinfonia Leipzig soll klassische Musik zugänglich machen –vor allem für diejenigen, denen der Zugang bisher gefehlt hat. „Sinfonia stärkt das Miteinander im Orchester und auch zwischen Publikum sowie Musikerinnen und Musikern. Barrieren sollen abgebaut und Gemeinsamkeiten sowie Unter-

schiede gefeiert werden“, so Julia Nagel. Man könnte also sagen: Klassik im neuen Gewand, ohne Gewandhaus. Besondere Kleiderordnung, angemessene Manieren, nahezu einstudiertes Klatschen - all das sollte für Sinfonia Leipzig keine Rolle spielen. Nach einer Zwangspause während der Corona-Pandemie formierte sich Sinfonia vor zwei Jahren für einen Neustart, der mehr als gelungen ist. Das Freelance-Orchester war auf Tour, spielte im Werk 2 oder in Zusammenarbeit mit dem Lukas Bäcker sogar in Filialen der Leipziger Kette. Die Organisation übernimmt Julia Nagel aus dem Basislager heraus. Hier arbeitet sie seit dem vergangenen Jahr, nachdem sie schon vorher das Let’s Talk Music Meet-up im Basislager ins Leben gerufen hatte. Inzwischen konnte sie über ihren Schreibtisch hinweg Kontakte knüpfen – weitere dürfen und werden kommen. Im Sommer spielt Sinfonia Leipzig im Übrigen ein Open Air Konzert auf der Sommerbühne am Panometer; zwei BackHaus-Konzerte stehen auch noch aus. Es gibt also ausreichend Möglichkeiten, sich von klassischer Musik überzeugen zu lassen. Das Besondere dabei: Der Ticketpreis ist nicht festgelegt. Stattdessen gibt es meist einen Rahmen zwischen zehn und 20 Euro – das Publikum zahlt dementsprechend das, was es kann. Sinfonia Leipzig macht klassische Musik damit also nicht nur zugänglicher, sondern im gleichen Atemzug auch bezahlbar. Lucie Herrmann

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Quelle: VDMA Kunze

BusinessClass

Uwe Nostitz

Wechsel an der Spitze des Sächsischen Handwerkstages: Der Bauunternehmer Uwe Nostitz (62) aus Großpostwitz bei Bautzen ist neuer Präsident der höchsten politischen Interessenvertretung des Handwerks im Freistaat. Der diplomierte Bauingenieur folgt auf Jörg Dittrich (54). Der Dresdner Dachdeckermeister ist seit anderthalb Jahren Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. Dittrich hatte bereits vor einem guten halben Jahr gegenüber der LVZ-Wirtschaftszeitung angekündigt, sich vom Posten an der Spitze des Sächsischen Handwerkstages zurückzuziehen. Nostitz ist seit diesem Jahr auch Präsident des Sächsischen Baugewerbeverbandes.

Thorsten Posselt

Foto: Sächsischer Handwerkstag

1: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (Zweiter von links) und Stadtwerke-Chef Karsten Rogall (Vierter von rechts) bei der Inbetriebnahme einer Photovoltaik-Anlage im mittelsächsischen Priesteritz.

2: In Lausen errichten die Stadtwerke ­Leipzig die gegenwärtig größte Solarthermie-Anlage in Deutschland.

3: Oft ein Spektakel: Die Anlieferung von Windkraft-Rotoren wie hier in Königshain-Wiederau erfordert Präzisionsarbeit.

fotos: Bertram ­Bölkow, Leipziger Gruppe, Eric Kemnitz

Das Leipziger Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie unter der Leitung von Thorsten Posselt (62) soll aufgelöst werden. Trotz der „hohen Reputation“ und der „exzellenten Forschungsarbeiten“, wie der Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft unter der Leitung von Holger Hanselka (62) einräumte. Die Leipziger Wissenschaftler arbeiten unverdrossen weiter. Die Abteilung Regionale Transformation und Innovationspolitik startete jetzt das Projekt Genesis (Gestaltung neuer Entwicklungspfade in den sächsischen Revieren ). Dabei wird ein datenbasierter Zwilling der Reviere entwickelt, um den Strukturwandel zu begleiten, evidenzbasierte Lösungsansätze zu unterbreiten und Transparenz über die Fortschritte in den Revieren zu schaffen. Fraunhofer verfolge damit „einen Ansatz, der uns im weiteren Verlauf der Strukturentwicklung wertvolle Unterstützung liefern wird“, sagte auf der Auftaktveranstaltung Sachsens Regionalminister Thomas Schmidt (63).

Foto: André Kempner

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Eine Milliarde Euro für Wind- und Sonnenenergie

Stadtwerke Leipzig planen massive Investitionen / Kommunales Unternehmen setzt auf Fernwärme

Foto: André Kempner

Die bundesrepublikanische Wirtschaft dümpelt mit minimalen Wachstumsraten vor sich hin. Bei der European Energy Exchange (EEX), der europäischen Energiebörse in Leipzig, ist von Krisenstimmung dagegen nichts zu spüren. Das Unternehmen hat 2023 seine Handelsvolumina über alle Assetklassen und Regionen hinweg weiter gestärkt und damit den Umsatz um 19 Prozent auf 575,6 Millionen Euro gesteigert. „Wir freuen uns über den anhaltenden Aufwärtstrend in unseren Kernmärkten“, kommentierte Vorstandschef Peter Reitz (58) das Ergebnis. Zudem habe die EEX ihre Expansions- und ­Diversifizierungsstrategie sowohl geografisch als auch produktseitig fortgesetzt und so die Grundlage für weiteres langfristiges Wachstum geschaffen, sagte der oberste Stromhändler, der seit knapp 13 Jahren das Unternehmen anführt.

Jutta Mattreux

Erfreulicherweise ist die ostdeutsche Wirtschaft ein vielseitiges Gebilde. Da geht es nicht im Gleichschritt abwärts oder seitwärts, wie es angesichts der momentanen Konjunkturflaute scheint. Der Chemieriese Wacker etwa hat vor wenigen Wochen in seinem Werk in Nünchritz, das seit über fünf Jahren von Jutta Matreux (58) geleitet wird, das Richtfest des neuen Produktionsgebäudes für Silicondichtstoffe gefeiert. In den Ausbau der Fertigung steckt der Münchner Konzern 20 Millionen Euro. Die Anlage soll im ersten Quartal 2025 in Betrieb gehen. Matreux, Chefin von 1500 Beschäftigten, berichtete, dass ihre Fabrik dadurch die Produktionskapazität von Silicondichtmassen und Kartuschen in Sachsen signifikant erhöhen werde. In der neuen Abfülllinie können je nach ­Produkt pro Jahr bis zu 30 Millionen Kartuschen zusätzlich abgefüllt werden. Foto: Wacker Chemie AG

Jörg Brückner

Die Herausforderung ist riesig. Für die Energiewende werden bis 2030 rund 720 Milliarden Euro an Investitionen benötigt. Bis 2035 kommen weitere 500 Milliarden Euro obendrauf, haben Fachleute ausgerechnet. Die Mittel werden für den Ausbau der Wind- und Sonnenkraft, für die Erweiterung und den Umbau der Strom-, Fernwärme- und Gasnetze, die Dekarbonisierung des Wärmesektors und die Förderung der Wasserstoffwirtschaft gebraucht.

„Das ist auch für uns eine riesige, anspruchsvolle Aufgabe“, sagt Christoph Jansen, Bereichsleiter Erzeugung der Leipziger Stadtwerke. Denn das kommunale Unternehmen ist ebenfalls gefordert, in der Messestadt so rasch wie möglich die Fernwärmeversorgung klimaneutral zu stellen. „Das wollen wir bis 2038 entsprechend der Zielvorgabe der Stadt schaffen“, betont der promovierte Ingenieur, der für 220 Beschäftigte verantwortlich ist, die sich um den Betrieb und Service der laufenden Anlagen sowie um neue Projekte kümmern.

Erweiterung der Fernwärme-Erzeugung

werksstandort Kulkwitz nach Leuna. Damit soll – auch mit Fördergeldern des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz – die in der TotalRaffinerie im Chemiepark anfallende unvermeidliche industrielle Abwärme genutzt und ins Fernwärmenetz eingespeist werden. Die nutzbare Wärmemenge entspricht rund 38 Prozent des aktuellen Leipziger Fernwärmebedarfs. Somit könnten rund 100 000 Leipziger Wohnungen auf diesem Weg CO2 -neutral beheizt werden. „Das wäre ebenfalls ein wichtiger Teil unseres künftigen Wärmeaufkommens“, meint Jansen. Investitionen in Strom Beim Strom setzen die Stadtwerke vor allem auf Wind und Sonne, um die Kraft dieser natürlichen Ressourcen zu nutzen. „Knapp 50 Projekte sind derzeit in Planung oder Bau“, berichtet der 58-Jährige. „Wir sind mit unserem kompetenten Team nunmehr in der Lage, derartige Maßnahmen selbst zu entwickeln. In der Vergangenheit hatten wir den ein oder anderen Zukauf vor – dies erwies sich aber stets als viel zu teuer.“

Der Schwerpunkt der Vorhaben liegt in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg. Bei der Suche nach den erforderlichen Flächen „hilft die Reputation der Stadtwerke“. Gemeinsam mit den Flächenbesitzern und Kommunen werden sinnvolle Lösungen entwickelt. Denkbar ist für die Stadtwerke auch, mit Partnern zusammenzuarbeiten, um eine Finanzierung zu ermöglichen. Über allen stehen die großen energiepolitischen Ziele. Neben der Umweltfreundlichkeit sind das die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit auch für die Kunden. Es geht dabei momentan Schlag auf Schlag. So wurden zuletzt im Landkreis Meißen zwei neue Photovoltaik-Anlagen errichtet. Für frischen Wind wollen die Stadtwerke auch in Königshain-Wiederau und im Ortsteil Kleinschirma der Gemeinde Oberschöna (Mittelsachsen) sorgen. Dort entstehen jeweils zwei hochmoderne Windkraftanlagen. Zusammen sollen jährlich knapp 15 000 Haushalte mit der Energie versorgt werden. „Auch das gehört zu unseren Beiträgen zum Klimaschutz“, sagt Jansen. Für ihren Ausbau der Erneuerbare Energien werden die Stadtwerke, die im vorigen Jahr einen Umsatz von 3,872 Milliarden Euro und ein Ergebnis von 104,5 Millionen Euro erwirtschafteten, viel Geld in die Hand nehmen. ­„Allein für Wind- und PV-Projekte rechnen wir mit Investitionen in Höhe von rund einer Milliarde Euro“, erläutert der Energieexperte, der vor seinem Wechsel nach Leipzig vor anderthalb Jahren bei ThyssenKrupp tätig war. Dabei sollen massiv die erneuerbaren Stromerzeugungskapazitäten ausgeweitet werden. „Das geht in die Richtung von 1,4 Gigawatt.“ Rein rechnerisch würde das reichen, um mehr als 600 000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Alle Überlegungen eint das Ziel, Leipzig nachhaltig zu machen. Ulrich Milde

Es klingt alarmierend: Der Freistaat Sachsen erwartet in diesem Jahr Steuereinnahmen in Höhe von 19,1 Milliarden Euro, also 385 Millionen Euro weniger als erhofft. Jörg Brückner (65), Präsident der Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft (VSW), mahnt denn auch zur Zurückhaltung. „Sparsamkeit ist angesagt beim Ausgeben des Geldes der Steuerzahler“, so der Arbeitgeberchef. Es müsse jede Staatsausgabe auf ihren individuellen Beitrag zur sächsischen Wertschöpfung – und damit zur Generierung von zukünftigen Steuereinnahmen – geprüft und entsprechend angepasst werden. Dabei sei der Fokus auf die Kernaufgaben des Freistaates zu legen: Bildung, Infrastruktur und innere Sicherheit. „Und dies im Rahmen der verfügbaren Mittel, also ohne Finanztricks und Neuverschuldung. “ Nebenbei: Die Einnahmen Sachsen steigen weiter, nur nicht ganz so kräftig. Finanzminister Hartmut Vorjohann (61) rechnet 2026 mit immerhin 20,4 Milliarden Euro an Steuergeldern, die das Land verwenden kann.

Dirk Schröter

Foto: Steffen Fuessel/ VSW/dpa

Solarthermie-Anlagen, das Heizkraftwerk Süd, das mit wenigen Anpassungen schnell auf Wasserstoff umgestellt werden kann, Großwärmepumpen sowie Power-to-heat-Anlagen und Wärmespeicher sollen zum langfristigen umweltschonenden Wärme-Erzeugungs-Mix beitragen. Auch der Heizkraftwerksstandort Nord wird weiterhin ein wesentliches Element darstellen. „Wir müssen alle Potenziale zur Dekarbonisierung nutzen“, sagt Jansen, dessen Team derzeit an der erforderlichen Strategie mitarbeitet. Über unterschiedlichste Technologien wird daher nachgedacht, um eine möglichst robuste Gesamtlösung zu finden. Auch die Biomasse kann künftig eine Rolle spielen – zumindest verfügen die Stadtwerke mit den Kraftwerken in Piesteritz und Bischofferode über jede Menge Erfahrung. „Das ist ein herausforderndes Geschäft, da die Holzpreise sehr volatil sind“, sagt Jansen. Bei der Biomasse-Verbrennung wird zwar auch CO2 freigesetzt, aber anders als Kohle können die pflanzlichen Energiespeicher rasch nachwachsen. Dabei nehmen sie wiederum CO2 aus der Luft auf – die Bilanz bleibt also unverändert. Deshalb gelten Strom und Wärme aus Biomasse als erneuerbare Energien. Die Erweiterung des Fernwärmenetzes steht ebenso als wichtiger Energiebaustein auf der Tagesordnung. „Es ist ein ideales Instrument zur Verteilung von klimafreundlicher Wärme in der Stadt.“ Die Stadtwerke rechnen damit, dass die Zahl der an die Fernwärme angeschlossenen Haushalte deutlich ansteigen wird. Vorgesehen ist als Teil der Strategie der Bau einer gut 150 Millionen Euro teuren 19 Kilometer langen Trasse vom Kraft-

Investition

Neue Fabrik trennt Kunststoff und Aluminium

Foto: Wirtschaftsrat Sachsen

Die hohen Energiepreise in Deutschland gelten als Standortnachteil. „Insbesondere steigende Strompreise sind Gift für die heimische Wirtschaft“, sagte Dirk Schröter (47), Vorsitzender des Wirtschaftsrates in Sachsen, auf einer Veranstaltung seiner Organisation in Leipzig. Mit Blick auf die mögliche Abwanderung von Firmen wegen der hohen Kosten mahnte Schröter, ein gebürtiger Radebeuler und im Hauptberuf Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor der Mibrag GmbH, dass der Bäckermeister um die Ecke, der seine Produktion nicht ins Ausland verlagern könne, nicht der Verlierer der Energiewende sein dürfe. Stefan Reindl (58), Vorstandschef der Thüringer Energie AG, sagte voraus, dass es für die Stadtwerke immer schwieriger werde, angesichts massiver Enmerige-Investitionen den kommunalen Querverbund, also die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs aus ihren Gewinnen, weiter zu gewährleisten.

Das Kreislaufwirtschaftsunternehmen Saperatec GmbH hat in Dessau-Roßlau ein Werk eröffnet. In der Fabrik, in die dem ­Vernehmen nach 30 Millionen Euro investiert wurden, werden großindustriell Kunststoff-/Aluminiumverbundfolien aus ­Getränkekartons und anderen Verbundverpackungsabfällen ­verwertet. Getränkekartons bestehen vorrangig aus Faser-, Kunststoff- und Aluminiumschichten. Der Faseranteil von ­Getränkekartons aus der Haushaltssammlung in Deutschland wird bereits seit Jahrzehnten zurückgewonnen und zur Produktion von Kartonverpackungen oder Hygienepapier eingesetzt. Saperatec (60 Beschäftigte) trennt und reinigt nun auch Kunststoff und ­Aluminium sortenrein. Dabei kommt ein neuartiger, von der ­Firma entwickelter Waschprozess zum Einsatz. Mit moderner ­Recyclingtechnologie wird der Abfallkunststoff so weit aufgereinigt, dass unter anderem ein Polyethylen-Granulat zur Produktion neuer Kunststofffolien entsteht. Verpackungshersteller können aus diesem Sekundärrohstoff wieder neue Folienverpackungen fertigen und so den Wertstoffkreislauf schließen. Als strategischer Investor hat sich vor fünf Jahren der Düsseldorfer Henkel-Konzern an Saperatec beteiligt. Dadurch „haben wir ­Zugang zu einer hochmodernen Recyclingtechnologie“, freute sich Henkel-Manager Björn Schlömer. Sachsen-Anhalts Wirtschafts­minister Sven Schulze nannte die Werkseröffnung einen „bedeutenden Schritt zur werkstofflichen Abfallnutzung“. Sachsen-Anhalt biete attraktive Rahmenbedingungen für junge und innovative ­Industrieunternehmen. mi Foto: Rene Lonkowsky/Lonko.de

16 | ERNEUERBARE ENERGIEN
2

Für ein besseres Miteinander

Das neue Projekt des Deutschen Wanderverbandes untersucht das Konfliktpotenzial im Wald und möchte in Kooperationen mit drei Modellregionen digitale Lösungsansätze zur Besucherlenkung entwickeln.

Der Wald ist für viele Menschen vor allem eines: ein Ort der Erholung. Vielfältige Aktivitäten treffen hieraufeinander:Spazieren,Wandern,Radfahren,Mountainbiken,Geocaching,Reiten.Diese Freizeitgestaltung ist die eine Seite. Auf der anderen Seite ist der Wald Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen und zugleich auch der Arbeitsplatz von Förstern und Forstwirten. Außerdem erfüllt derWaldverschiedeneSchutzfunktionen,erreguliertzumBeispielden Wasserhaushalt, schützt vor Immissionen und Lawinen. Alles in allem gehört er zu den wichtigsten und größten, aber auch sensiblen Ökosystemen unserer Erde. Corona hat die Menschen in den Wald gezogen Doch aufgrund dieser Diversität kommtesimmerwiederzuKonflikten – auch zwischen Erholungssuchenden und der Forstwirtschaft. Daher hat der Deutsche Wanderverband (DWV) im vergangenen JahreinneuesProjektaufdieBeine gestellt, das sich genau mit diesen Konflikten beschäftigt.

„Als Dachverband befassen wir uns von jeher mit den Schwerpunkten Erholung, Gesundheit, Naturschutz, Nutzung und Perspektiven desWaldes“,beschreibtProjektmitarbeiterin Hanne Hermann. Und im Rahmen seiner Arbeit hat der DWV auchStudienundBefragungenzum Nutzungsverhalten in der Natur erstellt beziehungsweise daran mitgewirkt.„VorallemdurchdieCorona-Pandemie haben mehr MenschendenWaldfürsichentdecktals noch davor“, erläutert sie das Fazit

verschiedener Befragungen. Nach der Pandemie sind viele Menschen zurück in ihren ursprünglichen Urlaubs- und Freizeitraum gekehrt. Aber:LautdemWandermonitordes Deutschen Wanderinstituts sind ein Drittel derjenigen, die Corona neu in den Wald gezogen hat, geblieben. Damit steht für den DWV fest: DerNutzerdruckimWaldistgestiegen.ImmermehrErholungssuchende stoßen aufeinander und diese wiederum mit den Akteuren der Wald- und Forstwirtschaft.

Über den Deutschen Wanderverband

Der Deutsche Wanderverband (DWV) ist eine starke Lobby für Wandern, Wege, Naturschutz und Kultur. Seit 140 Jahren vertritt der DWV die Interessen seiner rund 70 landesweiten und regionalen Mitgliedsorganisationen mit rund 500 000 Einzelmitgliedern in mehr als 3000 Ortsgruppen. Er ist bundesweit ein anerkannter Fachverband für Nachhaltigkeit, Wegearbeit, Wandern, Ausbildung und bürgerschaftliches Engagement. Als anerkannter Naturschutzverband ist ihm der achtsame Umgang mit der Natur ebenso wichtig wie das Naturerleben.

Achtsamkeit und Respekt

„FürdieTiereimWaldstellenmehr Menschen nicht gleichzeitig ein größeres Problem dar, sofern sie sich an Wege halten und die Tiere nicht in ihren Ruhephasen stören. Wird aber querfeldein gelaufen,

Auftakttreffen im Selketal mit Astrid Witte und Christian Resow vom Regionalverband Harz e.V. sowie Klaus Dumeier, der unter anderem Geschäftsführer der Harzer Wandernadel ist. Foto: Hanne Hermann

Zum Projekt

Das neue Projekt des Deutschen Wanderverbandes „Open Data und digitale Lenkung für Besucher*innen – Handlungsbedarf, Regelungsmöglichkeiten & Kommunikation im Wald“ (kurz: WaldWegweiser) wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) gefördert. Darüber hinaus ist das Projekt dem Handlungsfeld „Wald und Gesellschaft“ der Charta für Holz 2.0 zugeordnet. Das Projekt hat eine Laufzeit bis August 2025.

kann das zum Problem werden“, betontHanneHermann.Außerdem könne sich die Natur von den neu entstandenen Trampelpfaden nur schwererholen.„WirdzumBeispiel ein Trampelpfad 50-mal genutzt, braucht die Natur 19 Monate, um sichzuregenerieren“,stelltsieeine Rechnungauf.DieGrundlagedafür habe sie aus der australischen Fallstudie „Nachhaltiges Mountainbiken“.

Ein Großteil der Erholungssuchenden verhält sich laut Hanne Hermann vernünftig. „Aber es gibt auchwelche,diezumBeispielSperrungen der Waldwirtschaft ignorieren und keinen Respekt vor der Arbeit im Wald und der Natur haben.“

Daher ist es das Ziel des neuen Projektes, die vielfältigen Konflikte im Wald zu identifizieren und die unterschiedlichen Perspektiven besser miteinander in Einklang zu bringen. „Außerdem möchten wir universelle Lösungsansätze entwickeln, um das Konfliktpotenzial zu verringern“, benennt Hanne Hermann die wichtigsten Projekteckpunkte.

Kartendatenbasis verbessern

Das Projekt trägt den etwas sperrigen Titel „Open Data und digitale Lenkung für Besucher*innen –Handlungsbedarf, Regelungsmöglichkeiten & Kommunikation im Wald“. Zugleich weist er aber auf einen kooperierenden Schwerpunkt im Projekt hin: „Wir haben gemerkt,dassdieNutzungdigitaler Portale für die Urlaubs- und Routenplanung zugenommen hat.“

Die Möglichkeit der AufzeichnungvondigitalenTracksführezunächst zur Entwicklung und Weitergabe von Routen. „Auf diversen Plattformen (wie komoot, Outdooractive etc.) können diese mittlerweile leicht zugänglich gemacht undverbreitetwerden.“Herausfordernd wird es dann, wenn diese digitalen Tracks da verlaufen, wo konkrete Regeln verletzt werden können .Es sei wichtig, diese Regeln ausreichend zu kommunizieren.

Hinzu kommt, dass bestimmte Zusatzinfos, beispielsweise zu Sperrungen, nicht immer direkt für die Nutzenden kenntlich werden. Dasheißt,jebesserdieKartendaten sind, desto besser können die Apps verwendetwerdenunddestogeringer das Konfliktpotenzial. „Da wollen wir ansetzen und die Kartenbasis der digitalen Routenportale verbessern und andere dabei unterstützen,selberhierzubeizutragen“, so Hanne Hermann. Zusammenarbeit mit drei Modellregionen Um das Projekt praktisch umsetzen zu können, wurden in einem mehrstufigen Auswahlverfahren drei Modellregionen ausgewählt: das Selketal im Naturpark Harz in Sachsen-Anhalt, der Rohrhardsberg im Hochschwarzwald in Baden-Württemberg sowie der Gehn und das Westliche Wiehengebirge imLandkreisOsnabrückinNiedersachsen. „Damit werden sowohl

Stadt-Umland-Beziehungen, touristischstarkfrequentierteGebiete, verschiedene Landschaftsstrukturen sowie Flächen mit besonderem Schutzstatus wie auch verschiedeneWaldbesitzstrukturenimProjekt gut abgebildet.“ Im Dezember vergangenen Jahres gab es die ersten Auftakttreffen in den jeweiligen Modellregionen. „WirhabendenIst-StandindenRegionen erarbeitet, die Wünsche erfragt und erste Datenanalysen zu Wegen und Infrastruktur durchgeführt“, erklärt die Projektmitarbeiterin.IneinemzweitenSchrittsollen Workshops in den Regionen erfol-

gen. „Hier wollen wir mit 15 bis 20 lokalen Akteuren das offizielle Wegenetz untersuchen und mit den Routenempfehlungen auf den digitalen Portalen abgleichen, um so Hinweise zu möglichen Konflikten für die Region identifizieren und evaluieren zu können. Auf dieser Grundlage sollen universelle Lösungsansätze entwickelt und erprobt werden, die bevorzugt Open Data-basiert arbeiten und eine möglichst konkrete und niedrigschwellige Hilfestellung für Waldakteure bieten.“ Dies soll im intensivenAustauschmitsowiezwischen den verschiedenen Akteurs-

gruppenpassieren.„Damitträgtdas Projekt auch zur Verbesserung von Kommunikationsprozessen und zur Bildung von starken und handlungsfähigen Netzwerken bei“, bekräftigt Hanne Hermann. Ein Meilenstein in diesem Projekt wird am Ende die Entwicklung eines digitales Beratungstools sein. „Es soll unter anderem unterschiedlichenNutzer-undNutzerinnengruppen Handlungsempfehlungen für verschiedene Situationen im Wald auf einer Datenbank zur Verfügung stellen und schließlich auch für andere Regionen anwendbarsein“,soHanneHermann.

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Von Nannette Hoffmann
NATUR | 17 Der Wald erfüllt unter­schiedliche Funktionen:
ist ökologischer ­Schutzraum, ökonomische Nutzfläche
Er
und ­Erholungsort in einem. Fotos: mgnorrisphotos/ Pixabay, MaBraS/­Pixabay, hagenstaadt/Pixabay.com
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Der Fachmann mit dem Naturfimmel

Das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung im sachsen-anhaltischen Gatersleben hat sich der Nachhaltigkeit verschrieben und ist in der Welt in seiner Art einmalig.

DerNaturaufderSpur–ihre Geheimnisse aufzuspüren, zu ergründen, zu enttarnen, das istseinBeruf,vielmehr seine Berufung: Nicolaus von Wirén. Im September vorigenJahresisterzumneuenDirektor des Leibniz-Institusts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung(IPK)Gatersleben(SachsenAnhalt) berufen worden und folgte in dieser Position Professor Andreas Graner,derindenRuhestandwechselte. Der Neue ist allerdings gar nicht mehr so neu, denn er leitet seit Frühjahr 2009 die Abteilung „Physiologie & Zellbiologie“ des IPK. Sein Faible für die natürlichen Mysterien liegen Professor von WirénsozusagenimBlut.BereitsinseinerDiplomarbeit,erstudierteander UniStuttgart-HohenheimAgrarbiologie, befasste er sich etwa mit der Nickel-Aufnahme im Hafer. Für ihn eine spannende Angelegenheit zu begreifen, wie Pflanzenwurzeln zum Beispiel metallische Nährstoffe aufspüren und sie aufzunehmen vermögen, um damit ihr Wachstum zustärken.Logisch,dasserinseiner Promotionsschrift,dieer1994verteidigte, „genau diese Phänomene untersuchte. Ich wollte wissen, wie die Wurzeln unlösliches Eisen so aufbereiten, dass sie es mobil machen und aufnehmen können“, versucht der Wissenschaftler die komplizierte Materie verständlich zu erklären.Siewürden,soderimschwedischen Trollhättan geborene Sohn einerDeutschenundeinesDeutschBalten aus Estland, ein organisches Molekül synthetisieren, das schließlich das Metall umschließt, löslich macht und dann zur Wurzel bringt

Spannende Aufgabe

Diese Geheimnisse sind es, die von Wirén regelrecht enthusiastisch werden lassen. „Das ist das Tolle an der Forschung“, meint der 61-Jährige. Und dabei sprudelt es regelrecht aus ihm heraus. „auszukundschaften, wieso Wurzeln gezielt zu denNährstoffenhinwachsen,wiesie sie in gewisser Weise erfühlen“, das

sei doch eine spannende Angelegenheit,kommtderProfessorimmer mehr ins Schwärmen für seinen Beruf. „Wenn wir diese Mechanismen aufdecken, die dafür verantwortlich sind,könnenwirganzneueKonzepteentwickeln,dieeserlauben,Nährstoffevieleffizienterzunutzen.“Am Ende liefe es auf ein frappierend logisches,nahezueinfachesPrinziphinaus: „Weniger, aber gezielter dün-

Ich habe doch ein ­riesiges Glück, Beruf und Hobby so ­miteinander verwoben ausleben zu können.

Nicolaus von Wirén Direktor des Leibniz-Institusts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben (Sachsen-Anhalt)

genbeigleichbleibendemodermehr Ertrag. Damit die Landwirtschaft nachhaltigerwird!“,erzähltderWissenschaftlerbegeistertvondem,was er und die über 500 Mitarbeiter des IPK für die Zukunft der menschlichen Ernährung leisten können. „Hier stehen wir allerdings noch am Anfang“, fügt er bescheiden hinzu. Schneidekunst ErmeintdamitnichtzuletztdieGenSchere. „Wir müssen aus den ver-

Weltweite Wald-Wächter

Mehrfach ausgezeichnetes Leipziger Start-up macht sich für den Umweltschutz stark

Ist die Zahl der Auszeichnungen, gemessen an der Lebensdauer des Unternehmens, ein Gradmesser, dann steht der Leipziger Nadar GmbH eine große Zukunft bevor. Das Unternehmen wurde 2022 gegründet und hat in der kurzenZeitschonzweibedeutendeBelobigungen erhalten. So wurde die Firma im Gründungswettbewerb digitale Innovationen des Bundeswirtschaftsministeriums geehrt, hat also bereits überregionale Relevanz erreicht. Und auch vor der eigenen Haustür gingen die Leipziger nicht leer aus: Sie holten sich im vorigen Jahr den begehrten IQ Innovationspreis Mitteldeutschland, der an neuartige, aber markt-

fähige Produkte und Dienstleistungen verliehen wird. Die drei Gründer Caroline Busse (27), Marco Eberle (28) und HyeonminKang(32)habeneineCloud-basiertePlattformzurOptimierungder Waldüberwachungentwickelt.Mithilfe von künstlicher Intelligenz werden Erkenntnisse aus mehreren

Satellitendatenquellen gewonnen: optische Satellitenbilder, Synthetic Aperture Radar (SAR) und satellitengestütztes LiDAR. SAR liefert eine zweidimensionale Darstellung des Geländeausschnitts durch das Abtasten der Erdoberfläche mit elektromagnetischen Wellen.LiDARstehtfür „light detection and ranging“ und heißt so viel wie lichtgestützte

schiedenen Linien der Genbank genau die Gene finden, die Krankheitsresistenz oder Nährstoffeffizienz erhöhen und dann den wissenschaftlichen Beweis für ihre Funktion führen“, erzählt von Wirén, der im Alter von fünf Jahren mit seinen Eltern ins baden-württembergischeReutlingen übersiedelte und inzwischen neben der schwedischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. „Um dies zutun,schneidenwirdasGenheraus, von dem wir vermuten, dass es für dieseEigenschaftzuständigist.Wenn danndiePflanzedievermuteteFunktion verloren hat – ist das der Beweis füruns,richtigzuliegen.“

Riesige Genbank Das riesige Reservoir an ungeheuer vielen Pflanzenlinien ermögliche es, „auf diesem Gebiet richtig durchzustarten“. Immerhin enthält dieGenbankdesIPK151000„Muster“ aus über 3000 Arten, also Saatgut, darunter von Getreide 66000 odervonHülsenfrüchten27000.Allesistbeiminus18GradinEinweckgläsern eingelagert – manches seit über100Jahren.„Davonprofitieren wir“, sagt der Agrarbiologe. Sein Institut sei eine regelrechte genetische Fundgrube. „Toll, was wir hier alles haben. Das ist ein riesiger Schatz“, meint er und strahlt übers ganzeGesicht.Diesseinichtzuletzt der Zeit des Instituts als Teil der Akademie der Wissenschaften in der DDR zu verdanken. Mitarbeiter seien seinerzeit auf Sammelreisen gegangen – zum Beispiel auf den Balkan, in den Nahen Osten, in die Sowjetunion, China oder Indien. SowürdeimMomentbeietwa200 Genotypen von Pflanzenlinien bestimmtergeografischerHerkunftgecheckt, wie sie auf Nährstoffmangel reagieren. Wenn „spezielle Gene von uns ausfindig gemacht wurden, diefürbesseresWachstumzuständig sind,könnenkleinsteTeilevonihnen danninElite-Sorten,eingebaut’oder implantiert werden.“ Eine wichtige, hoffnungsvolle Methode, um die wachsende Erdbevölkerung mit Lebensmitteln auch in Zukunft sicher zu versorgen. „Und noch dazu mit

1 + 2: Die Gewächshäuser auf dem Campus des Instituts werden von verschiedenen Arbeitsgruppen für ihre Versuche genutzt.

3: Blick in die Phäno-Sphäre.

4: Saatgut eingelagert in Einweckgläsern.

5: Wichtig für das IPK: der Erhalt und die Nutzung der genetischen Vielfalt. Fotos: IPL-Leibniz-Institut/Sam-Rey, IPK-Leibniz-Institut/Josef-Bergstein

Objekterkennung und Abstandsmessung. Gearbeitet wird hierbei mit Laserstrahlen, beim Radar werden Radiowellen genutzt.

Einsatz von künstlicher ­Intelligenz Mit diesen Methoden bietet das Erdbeobachtungs-Start-up die Vision, für einen besseren Schutz der natürlichen Ressourcen zu sorgen. Mit den gewonnenen Satellitenbildern und künstlicher Intelligenz können zahlreiche Waldparameter rund um den Globus, in jedem Gebiet der Welt, analysiert werden. Nadar fungiert also auch als Frühwarn- und Überwachungssystem von Waldschäden. Und das alles hat einen ernsthaften geschäftlichen Hintergrund. UnternehmenkönnenmitdemKauf von CO2-Zertifikaten ihre Klimabilanz aufbessern. Diese Bescheinigungen sollen belegen, dass in

Sie verbindet die Leidenschaft für Wald und Natur:Caroline Busse, Marco Eberle und Hyeonmin Kang (von rechts) vom Start-Up Nadar. Foto: André ­Kempner

einem anderen Teil der Welt dieser Schadstoff eingespart wird. Firmen, die fossile Brennstoffe absetzen, müssen Emissionsrechte erwerben, um CO2 emittieren zu dürfen. Wer wenigerausstößt,kannseineRechte an andere veräußern. Generell soll die Zahl der Zertifikate verringert werden, um so den Treibhausgasausstoß insgesamt zu reduzieren. Milliardenschweres

18 | NATUR
Geschäft
wertvollste
für den
ist dabei der Wald, der große Mengen Treibhausgase aufnimmt. Erhält man den eigenen Waldbestand oder forstet auf, kann man CO2-Zertifikate weltweit verkaufen.EinmilliardenschweresGeschäft in einem unübersichtlichen Markt, auf dem mit oft falschen An-
Die
Ressource
Klimaschutz
Mehr zum Thema im ­Digitalmagazin 2
Von Ulrich Langer
1

gaben Greenwashing mit Waldschutzprogrammen betrieben wird. DemstelltsichNadarindenWeg. EinAlgorithmusermitteltausDaten punktgenau,wiesicheinWaldkonkret entwickelt, an jedem Ort. So könnenalleBeteiligtenimZertifikate-Markt zweifelsfrei und transparent belegen, wie hoch der Beitrag eines Waldes zum Klimaschutz tatsächlich ist. Die Leipziger Wächter wollen mit ihrer Plattform weltweit über zwölf Millionen Hektar Wald schützen,der 127 MillionenTonnen CO2 speichern kann. Verschiedene Fähigkeiten

DiedreiFirmengründerlerntensich im Studium in München und Würzburgkennen.NebenihremEngagementfürdenSchutzderUmweltkamen verschiedene Fähigkeiten zusammen, die offenkundig passen. Busse, eine gebürtige Leipzigerin, die jetzt als Vorstandschefin fungiert, ist Datenwissenschaftlerin und arbeitete unter anderem für die Umweltschutzorganisation WWF. Die Südkoreanerin Kang ist Forstwissenschaftlerin, kennt sich also mit Wäldern perfekt aus und ist für die Analyse der Bilder zuständig. Eberle stammt aus dem Schwäbi-

3 weniger Belastung der Umwelt.“

DafürbietedasIPKdasbestmögliche Forschungsumfeld „wahrscheinlich eines der besten der Welt“, urteilt der Professor. Ob das nicht zu sehr Eigenlob ist, muss er als Institutschefnichtso reden? Keinesfalls,erschütteltdenKopf,weiß, wovonerspricht.„Immerhinbinich viel in der Welt herumgekommen.“ SchließlichhaterStudienaufenthalteimfranzösischenMontpellierund Nancy ebenso aufzuweisen wie in Tokio, Adelaide oder am Londoner King’s College. Aber es sei ja nicht nur die Genbank, die Spitze im internationalen Maßstab sei. „Weltweit einmalig ist auchunserePhäno-Sphäre“,betont der Chef. Dahinter verbirgt sich ein riesiger, hermetisch abgeschlossener Raum – ausgestattet mit besonderen Lampen, Ventilatoren sowie HeizungundBewässerung.Sokönnen die verschiedenen Linien einer speziellen Kulturart, Raps zum Beispiel,getestetwerden,wiesieunter wechselnden Umweltbedingungen

schen. Der Informatiker war früher unter anderem für Siemens tätig. Eigentlich, erzählt Busse, hatte sieerstanDrohnengedacht,umdie Geschäftsidee umzusetzen. Aber Daten und Bilder von frei zugänglichen Satelliten „sind besser zu analysieren“. Früher sei oft nur geschätztworden,wieundwoCO2 gebundenwordensei,mithin„wieviele Zertifikate verkauft werden können“. Eine für sie unbefriedigende Art und Weise.

Hoffnung auf EU-Verordnung „WirsindeineArtunabhängigeInstanz“,berichtetBusse.Eswerdeein skalierbares Produkt angeboten, Software as a Service (SaaS). Was bedeutet, dass der Kunde die Nadar-SoftwarenichtaufseinemRechner installiert, sondern die angebotenen Dienstleistungen und Anwendungen online und gegen Gebühr nutzt, meist monatlich oder jährlich. Vorteil: Das Unternehmen, das die Software nutzt, spart erhebliche Kosten. Nadar wiederum hat die Möglichkeit, die Software stetig weiterzuentwickeln und zu optimieren. Noch sind die Umsätze nicht hoch. „Es reicht, um die Miete und

gedeihen. Sogar ein extremer Marokko-Sommer ist in dieser „Kammer“ schon simuliert worden, wo die Pflanzen in speziellen Containern wachsen. Geprüft wird unter den jeweiligen Klimabedingungen das Wachstum oberirdischer Pflanzenorgane und andererseits die Wurzelausbreitung in der Erde. Alles wird mit täglichen Aufnahmen durch Kameras dokumentiert. „Dannistklar,welchePflanzenlinie in welchem Umfeld am besten zurechtkommt,amertragreichstengedeiht.“ Ebenfalls eine bedeutende Voraussetzung, um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Lebensmitteln zu garantieren. Hiergeheesschließlichundendlich darum, Kulturpflanzen fit zu machenfürdieZukunftmitallihrenklimatischen Veränderungen. Nicht zuletzt ein nicht zu unterschätzender Schritt hin zu einer immer ressourceneffizienterenundnachhaltigeren Landwirtschaft. Grenzenlose Liebe Seine Begeisterungsfähigkeit für die Natur und ihre faszinierenden Zusammenhänge„trägtmichdurch mein ganzes Leben“, gesteht der Wissenschaftler ein. Zumal seine Liebe zur Flora keine Grenzen kennt. Selbst im privaten Bereich geheesnichtohnedasBunteinFeld und Wald. „Gerade auch im Urlaub mit meinen erwachsenen Kindern bin ich immer auf den Spuren der Natur“, berichtet von Wirén. Das BotanischeundVogelkundlichehabe es allen dreien angetan. Kein Wunder, immerhin schreibt sein Sohn gerade seine Doktorarbeit in Biochemie an einem Institut in Wien,seineTochterstudiertBiowissenschaften an der Universität Heidelberg.

Beste Enscheidung Werihmzuhört,wirdnahezuunmittelbar von seiner natürlichen Lebensfreudemitgerissen.Obereinen regelrechten Naturfimmel habe? Nach kurzem Überlegen nickt er und bestätigt: „Ja, das stimmt.“ Wobei er gleich hinzufügt: „Ich möchte auch bald eine Streuobstwiese kaufen und sie zu einem artenreichen Biotop machen“, sagt der inzwischen in Ballenstedt beheimatete Pflanzenfreak. „In Ballenstedt, der Perle des Unterharzes.“ Ein Fleckchen Erde, das er zu lieben gelernt hat.Obwohlerinden1990er-Jahren nach einem Vortrag am IPK meinte: „In dieser Region möchte ich nicht tot überm Zaun hängen.“ Jetzt schmunzelterdarüberundführtdiese Empfindung von damals ad absurdum mit dem Urteil: „Hierher zu gehen war die beste Entscheidung meines Lebens. Ich habe sie keine Sekunde lang bereut.“ Wer ihn kennenlernen darf, zweifelt nicht im Geringsten auch nur einen Moment an dieser Aussage. Da störe auch die 65-StundenArbeitswoche nicht.„Ichhabe doch einriesigesGlück,BerufundHobby so miteinander verwoben ausleben zu können.“

die laufenden Firmenkosten zu bezahlen und zu leben“, lacht Kang. Doch die Aussichten sind gut. Denn eine mit großer Wahrscheinlichkeit kommende Verordnung der Europäischen Union über entwaldungsfreie Lieferketten dürfte die Umsätze von Nadar beflügeln. So können Hochrisiko-Farmen in der LieferkettemithilfederSachsenausfindig gemachtwerden–werdendiekünftigen Vorschriften eingehalten, entgehen Firmen Strafen. Sofern sie nachweisen, dass sie mit dem Import von Rohstoffen wie Kaffee und Soja, Kautschuk und Holz die Wälder schützen. Denn aus entwaldeten Gebieten darf dann nichts mehr bezogen werden. „Das ist eine große Chance für uns, einen neuen Markt zu erschließen“, sagt Busse. Schließlich stelle diese Verordnung „den weltweiten Rohstoffmarkt auf den Kopf“, meint Eberle. Busse sieht ihren Betrieb auf einem guten Weg, Wachstum ist programmiert. Wobei die Finanzierung aus den generierten Erlösen erfolgen soll, ein Investor wird nicht gesucht. „Man kann nur Nachhaltigkeit predigen, wenn man selbst nachhaltig arbeitet“, formuliert es Eberle.

Gemeinsamfüreinenachhaltige ZukunftSachsens

Forschungsprojekts»GENESIS«zur Gestaltungdessächsischen Strukturwandels. DasProjektzieltdaraufab, vielversprechendeInnovations-und EntwicklungspfadeaufBasis kombinierterDatenquellenundneuer wissenschaftlicherModellezuermitteln. DieseErkenntnissewerden EntscheidungsträgernausWirtschaft, PolitikundVerwaltungalsInstrument dienen,umdieGestaltungsprozesse indenRegionenwesentlichzu unterstützen.

AnmeldungläuftüberdenQR–Code

https://s.fhg.de/genesis FürweitereInformationenzumForschungsprojektscannenSieeinfachdenQR-Code

4 5 NATUR | 19
Ges taltungneuerEntwicklungspfadeimSt ruk t ur w a n de l in Sachsen

Die Pfade der ­Vielfalt

Wer den Botanischen Garten nicht mit einer Führung, sondern selbst erkunden möchte, kann dank der Themenpfade eine Menge Interessantes erfahren und lernen. Entlang der Pfade der Vielfalt können Besucherinnen und Besucher mehr über die oftmals versteckten Zusammenhänge zwischen Pflanze, Tier und Mensch, sowie der unbelebten Natur (Wasser, Klima, Boden) erfahren. Per Smartphone über die auf den Stationsschildern aufgebrachten QR-Codes werden dazu Geschichten und Wissenswertes erzählt. Vier Pfade gibt es: den Wasserpfad, den Beziehungspfad, den Liebespfad und den Kuriositätenpfad.

Besonderheiten

Das Victoriahaus beherbergt gleich zwei Besonderheiten: Zum einen hat die Riesenseerose hier in den Sommermonaten ihr Zuhause. Zum anderen war es Eduard Friedrich Poeppig, Naturforscher und zu seiner Zeit Direktor des Leipziger Botanischen Gartens, der die „Victoria amazonica“ erstmals nach strengen wissenschaftlichen Regeln beschrieben hat und so die wissenschaftliche „Vaterschaft“ für eine der bekanntesten Pflanzen der Welt trägt. Das Gewächshaus in Form einer flachen, achtseitigen Pyramide wurde 1876 zur Kultivierung der tropischen Riesenseerose errichtet und besteht bis heute in seiner ursprünglichen Form. Diese Art von Gewächshaus gibt es heute nur noch dreimal auf der Welt.

Kommende Veranstaltungen

■ 30. August: ­Tropen-Party „Mit Pflanzen tanzen“

■ 7. September: BOTANIKA – Familienfest und Tag der offenen Tür ­

■ 21. bis 22.9.2024 ­Herbst-Pflanzenmarkt

■ 29. September: Benefiz Kunstauktion

■ Jeden Sonntag 14 Uhr finden ­öffentliche Führungen statt. Es ­können aber jederzeit online auch individuelle gebucht werden.

1: Der Botanische Garten Leipzig ist der perfekte Ort für eine Auszeit, Mittagspause, das erste Date oder intensive Pflanzenkunde.

2: Das „Grüne Fenster“ der Universität Leipzig ist ganzjährig ein absolutes Highlight.

3: Zu Entdecken gibt es charismatische Bewohner wie die Riesenseerose.

4: Groß und Klein finden Pflanzenvielfalt vor der Haustür.

5: Im neugestalteten Herzen der Gewächshäuser finden Events aller Art statt.

Fotos:

Geschichte

Der Botanische Garten ist der älteste seiner Art in Deutschland und gilt sogar gemeinsam mit Pisa, Padua und Florenz als einer der ältesten Gärten in Europa. Angefangen hat alles mit dem Apothekergarten des Dominikanerklosters „St. Pauli“. Dieser wurde 1542 in die Obhut der Universität Leipzig gegeben. Während der folgenden mehr als 450-jährigen Geschichte wurde der Garten viermal im Stadtgebiet Leipzigs verlegt. Der letzte Umzug geschah 1876/77. Damals musste der Botanische Garten

dem Bau des Reichsgerichtes, dem heutigen Bundesverwaltungsgericht, weichen. An seinem heutigen Standort in der Linnéstraße wurden damals zusammenhängende Gewächshäuser gebaut, die in ihren Grundzügen noch heute erhalten sind. Der Apotheker- sowie der Duft- und Tastgarten befinden sich nicht mit auf dem heutigen Garten-Areal. Dafür reichte der Platz nicht. Sie befinden sich ganz in der Nähe am Ausgang des Friedensparks.

Oase inmitten der Stadt

Im Botanischen Garten der Universität Leipzig werden die unterschiedlichen Facetten der pflanzlichen Vielfalt gezeigt, erforscht und für Studierende genauso, wie für die Öffentlichkeit erlebbar gemacht.

Halb neun am Morgen. Noch ist es ruhig im Botanischen Garten. Die einzigen Geräusche, die die Ruhe durchdringen, sind das Summen der Bienen oder das Zwitschern der Vögel. Ein Ort, um einfach mal durchzuatmen. Bänke verteilen sich entlang der Wege. Eine Einladung zum Platznehmen undAbschalten.„Esisteinfacheine Oase inmitten der Stadt“, bestätigt wie aufs Stichwort Dorett Bothmann, verantwortlich für das Marketing im Botanischen Garten. „Die Wirkung der Natur ist hier immens, wenn man sie nur lässt.“

VordreiJahrenkamsieinsTeam des Botanischen Gartens und baute zusammen mit Rolf Engelmann den Transfer des Botanischen Gartens, also den Austausch mit der Öffentlichkeit, aus. Und sie ist immer wieder überrascht von der Schönheit und Vielfalt des Gartens. Gärtnerische Herausforderung DiezentralenTeiledesGartenssind aufgeteilt nach Pflanzenfamilien. Da stehen Sumpfpflanzen auf einmal neben Pflanzen, welche an trockene Standorte angepasst sind, weil sie zu ein und derselben Familie gehören. Eine gärtnerische Herausforderung, findet Dorett Bothmann. Die die Gärtnerinnen und Gärtner mit Bravour meistern. „Dafür bilden wir auch jährlich selbst aus“, ergänzt Matthias Schwieger, der Technische Leiter des Botanischen Gartens. Ziel der verwandtschaftlichen Anordnung ist es, die vergangenen 200MillionenJahreinderEntwicklung der Landpflanzen nachvollziehbar zu machen. Daneben kann

Patenschaften

Im Botanischen Garten können Pflanzenpatenschaften abgeschlossen werden: Für Bäume, Sträucher, Stauden, Blumen, Zwiebeln … – für Pflanzen im Freien oder in den Gewächshäusern. Mit diesen Geldern kann die vielfältige Arbeit des Gartens unterstützt werden. Möglich ist auch die Patenschaft für eine Bank, damit noch mehr Besucher einen Platz zum Ausruhen finden.

man im Freiland auch viel über Lebensräume lernen und durch die asiatischeSteppe,dieWälderNordamerikas,diesubarktischenHeiden Feuerlands und dem Hochgebirge der Alpen spazieren, während man in den fünf Gewächshäusern durch tropische Wälder und subtropische Wüsten wandelt.

Mitmachen und Lernen

Im Projekt „Kindergarten-Gartenkinder“ in Kooperation mit der Kita Unikat legen schon die Kleinsten Hand an. „Zu jeder Jahreszeit wird hier unter fachkundiger Anleitung von den Kindergartenkindern alles gemacht,wasimGartenanfällt:gießen,schneiden,sortieren,säen,Unkraut jäten oder harken“, erklärt Dorett Bothmann. Und während die Kleinsten draußen fleißig sind, sind es die Schulkinder in den Gewächshäusern. Grundschulkinder drängen gerade ins Schmetterlingshaus. „Hier können sie die bunten tropischen‚Flattertiere‘ausnächsterNähe im Freiflug oder bei der Nahrungsaufnahme und mit etwas Glück auch bei der Eiablage oder demSchlüpfenausderPuppebeobachten.“ Derweil drücken andere Schüler die Schulbank in der Botanikschule, die mitten in den Gewächshäusern liegt. Mit Unterstützung des Landesamts für Schule und Bildung unterrichten hier zwei Lehrerinnen zu botanischen und ökologischen Themen: ein Angebot für alle Leipziger Schulen.

Das grüne Fenster der Universität

„Bei uns findet in öffentlichen Vorträgen, Workshops und Führungen ein intensiver Austausch mit den

BürgerinnenundBürgernstatt“,berichtet der Leiter der TransferabteilungRolfEngelmann.AlleinimJahr 2023habenrund150000Menschen den Botanischen Garten besucht. „WirlassenForschung,Bildungund Erholung aufeinandertreffen und führen Bürgerwissenschaftsprojektedurch.“Dabeiwerdenzusammen mit Bürgerinnen und Bürgern Forschungsfragen bearbeitet, beispielsweise zur Artenvielfalt in der Stadt.Eingeradeerstabgeschlossenes Projekt hatte zum Ziel, den Einfluss des Stadtklimas auf die saisonalen Entwicklungsphasen von krautigen Pflanzenarten zu ergründen. Es gibt außerdem im Freiland einen Bereich zur urbanen Artenvielfalt – gestaltet mit Bereichen zum Anschauen und Nachmachen. Hier stehen Balkone mit insektenfreundlichen Pflanzen. „Die Entwicklung geht hin zum naturnahen Gärtnern mit einheimischen Pflanzen, da Wildbienen und andere InsektendiesePflanzenbevorzugen“, sagt Dorett Bothmann. Daneben gibt es ein artenreiches ModellGründach, dort kann man sich unterschiedliche Möglichkeiten von Dachbegrünung anschauen –von sehr trocken bis zu einem Sumpfpflanzendach. „Alles ist möglich, man muss es nur wissen.“ Veranstaltungen sind besondere Besuchermagnete Die Freilandabteilungen des BotanischenGartenssindganzjähriggeöffnet, nur die Gewächshäuser, der Apotheker- sowie der Duft- und Tastgarten bleiben von November bis Februar geschlossen. Die traditionelle OrchideenschauEndeFebruarhatauchdieses

JahrdieSaisonimBotanischenGarten eingeläutet. „Dieses Jahr kamenüber14000Besucherinnenund Besucher.Fürunsdieerfolgreichste Orchideenschau aller Zeiten“, freut sich Dorett Borthmann. Und die traditionellen Pflanzenmärkte einmal im Frühjahr und einmal im Herbst an einem ganzen Wochenende seien sowieso der Renner. „Bis zu 50 Raritätengärtnereien aus ganz Deutschland präsentieren hier alles von A wie Anemone bis Z wie Zaubernuss“, unterstreicht Matthias Schwieger nicht ohne Stolz. Überhaupt seien die Besuchszahlen in den vergangenen zehn Jahren stetig gewachsen. „Garten und GärtnernwarjaschonimmereinThema, aber wir haben gemerkt, dass Themen wie Artenvielfalt, Naturbewusstsein und Ökologische Zusammenhänge immer stärker ins Bewusstsein gerückt sind.“ GroßenDankrichtetDorettBothmannindiesemZusammenhangan den Förderkreis des Botanischen Gartens,dersichseitüber30Jahren engagiert. „Ohne ihn wäre hier viel wenigermöglich.“Erkümmeresich beispielsweise um Führungen oder die Ausgestaltung von vielen Veranstaltungen. Und er hat über die Jahre den Garten mitfinanziert. „Zusätzlich möchten wir neue finanzielleQuellenerschließen–beispielsweise im Bereich Sponsoring suchen wir Partnerinnen und Partner, die mit uns gemeinsam neue Projekte verwirklichen wollen. Die Liste an Ideen im Team ist schier endlos“, berichtet Dorett Bothmann begeistert.

Mehr Infos unter www.lw.uni-leipzig.de/ botanischer-garten

Das Veranstaltungsgewächshaus „Mediterranhaus“ Durch die Umgestaltung des Kalthauses zum multifunktionalen Eventhaus, hat der Garten jetzt auch einen attraktiven Platz für Veranstaltungen mit bis zu 70 Personen. Seminare, Vor­träge, Meetings oder Mitgliederversammlungen können im ­mediterranen Flair veranstaltet werden. Hier treffen nun Südafrika, Teneriffa und Australien aufeinander und bieten die ­perfekte Umgebung, um in ­ruhiger luftiger Atmosphäre neue Ideen zu entwickeln.

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20 | NATUR
Botanischer Garten Leipzig 5 3
Mehr zum Thema im ­Digitalmagazin
Von Nannette Hoffmann

Geschichte und Kulturgut bewahren

Mitteldeutschland ist reich an Kulturdenkmalen: Schlösser, Burgen, Klöster, Dome, Parks. Nach der Wende gingen diese aus staatlicher Verwaltung in verschiedene Institutionen über. Wie diese im Einzelnen arbeiten, wie sie sich finanzieren, was sie bislang erreicht haben und mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen haben, berichten deren Direktoren beziehungsweise Geschäftsführer.

Thüringen

Die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) möchte die 31 ihr ­anvertrauten Kulturdenkmale für die nächsten Generationen erhalten und Kulturgeschichte in der Gegenwart greifbar machen. Zu den Aufgaben gehören die Umsetzung von Sanierungsprojekten, die Gartendenkmalpflege, die alltägliche Arbeit in den Schlössern, Burgen und Klöstern vom Bauunterhalt über Vermietung bis zum Bildungsauftrag.

Die STSG kann dabei auf eine große interne Expertise bauen. „Gut aufgestellt mit einer eigenen Bauabteilung, Liegenschaftsverwaltung und Öffentlichkeitsarbeit und mit Kolleginnen und Kollegen vor Ort in den Schloss- und Parkverwaltungen vereinen wir Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen“, be-

richtet Dr. Doris Fischer, seit 2017 ­Direktorin der Stiftung. Insgesamt sind das 130 Mitarbeitende. Neben eigenen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung erhält die STSG Zuschüsse vom Land Thüringen und durch staatliche Förderprogramme. Erreicht habe die Stiftung bislang sehr viel. Zu den Meilenstei-

nen gehören große Sanierungserfolge, die bei manchen Denkmalen auch neue ­Nutzungen ermöglichten. Herausforderung und zugleich Privileg sei für die Direktorin der ­Umgang mit einem überdurchschnittlichen Maß an authentischer ­Denkmalsubstanz. Aktuell werden neue Besucherangebote entwickelt.

Sachsen

Die Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen gGmbH (SBG) ­bewahrt, bewirtschaftet und präsentiert 19 Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen. Dr. Christian Striefler ist seit 2006 deren Geschäftsführer. Während der Freistaat Eigentümer der Denkmale bleibt und für deren Sanierung verantwortlich zeichnet, übernimmt die SBG die Bewirtschaftung, also die Ausgestaltung der Räumlichkeiten und der Ausstellungen, die Entwicklung von Veran­staltungen und Bildungs- und ­Vermittlungsangeboten. Dafür arbeiten aktuell 360 Menschen aus ­unterschiedlichsten Berufsgruppen in der SBG. Um den Kernaufgaben gerecht zu werden, steht der SBG jedes Jahr ein Budget von rund 24 Millionen Euro zur Verfügung. „Fast die Hälfte dieser Ausgaben decken wir über eigene Einnahmen ab, den anderen Teil übernimmt der Freistaat“, berichtet Christian Striefler. In den vergangenen 30 Jahren habe der Freistaat durch den Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien und Baumanagement mehr als 750 Millionen Euro in die Schlösser des Landes investiert. Als größte Herausforderung sieht Christian Striefler den Klimawandel. Dieser Entwicklung zu begegnen und die Gärten und Parks zu erhalten, gilt als oberstes Ziel. In Vorbereitung steht die 5. sächsische Landesausstellung, die sich ab 2029 auf der Albrechtsburg Meissen mit der Identität, Geschichte und Zukunft Sachsens beschäftigen soll.

Sachsen-Anhalt

Wenn Dr. Christian Philipsen über seine Arbeit als Generaldirektor der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt spricht, kommt er ins Schwärmen. „Bei uns kann man an 20 Standorten 1200 Jahre Geschichte erleben.“ Zur Stiftung zählen Burgen, Schlösser, Kunstmuseen und sakrale Denkmale wie Klöster oder Dome.

Zu den Aufgaben gehören die bau­liche und konservatorische ­Betreuung sowie die wissenschaft­liche Erschließung der Bau- und ­Kulturdenkmale, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Um diesen gerecht zu werden, bringen die mehr als 250 Mitarbeitenden eine hohe Expertise mit. „Wir als Kulturstiftung sind Eigentümerin der Denkmale. Um alle unsere Aufgaben finanziell zu stemmen,

erhalten wir einen Landeszuschuss. Darüber hinaus beteiligen sich auch die Kommunen und Landkreise, in denen die jeweiligen Denkmale ­liegen, an der Finanzierung“, so der Geeraldirektor.

Die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt hat schon viel erreicht. „Alle Denkmale konnten wir baulich sichern, histo­-

rische Bausubstanz erhalten oder wiederherstellen sowie Standorte weiterentwickeln.“ Eine Heraus­forderung sei der Umgang mit schadstoffbelasteten Kulturgütern in den Museen. Und als Großprojekt wird derzeit ein Zentraldepot in Halle für circa 350 000 Sammlungsobjekte ­geplant.

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3Steuern,Abgabenundsonstige staatlichveranlassteBelastungen sindvonderPreisstabilität ausgenommen.Diesemachen derzeitbeieinemStromverbrauchvon1.800kWhca. 29%desGesamtpreisesaus.

KULTURARBEIT | 21
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Fotos: Sylvio Dittrich, Petra Hornig; arcus Glahn, André Kranert; Klaus-Dietmar Gabbert, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt Von Nannette Hoffmann Mehr zum Thema im ­Digitalmagazin

Erstklassig feiern und speisen

Ein Kongress steht an, für die Konferenz haben sich doch mehr Personen angemeldet, mit den Mitarbeitern wird ein Event geplant und mit Blick auf den Kalender wird klar, Weihnachten kommt schneller als gehofft. Wer für all diese Veranstaltungen noch eine passende Location sucht, die mehr bietet als nur die Räumlichkeit, muss ganz schön suchen. Daher bieten wir hier eine kleine Übersicht über Locations in der Umgebung, die aus einem Firmenevent ein wunderbares Erlebnis machen.

Flamingo Location

Seit Februar dieses Jahres ist die Messestadt um eine Partylocation reicher. „Flamingo“, so der wohlklingende Name, bringt in der Zschortauer Straße 96 in Leipzig Glanz und Glamour in jede Party. Warme Töne, Gold und Braun, ­verteilen sich in dem Veranstaltungsraum. Moderne Lampen und ­Accessoires bringen zusätzlich ein wenig Luxus in jede Feierlichkeit. „In unseren exklusiven Partyraum können Veranstaltungen wie Hochzeiten, Seminare, Tagungen, Jubelfeiern oder Mitarbeitervents mit bis zu 160 Personen stattfinden“, sagt ­Leonard Shtjefni. Dafür stehen den Gästen ein Beamer, eine Leinwand für Konferenzen, aber auch eine ­Musikanlage mit Beleuchtung sowie ein großer Tresen mit Getränke­anlage zur Verfügung. Gern werden die Kundinnen und Kunden auch vom Flamingo-Team bei der

In der neuen Party­location „Flamingo“ lässt es sich stilvoll ­feiern. Foto: Leo Gastro GmbH

Planung unterstützt: „Wir bieten dafür verschiedene Pakete an.“ So können nur Getränke oder nur ­Speisen oder auch beides ausgewählt werden. Geschirr, Gläser und Reinigung seien selbstverständlich ­inklusive. Bei den Speisen dürfen sich die Gäste auf kulinarische ­mediterrane Vielfalt freuen.

Mehr Infos auf Instagram: @flamingoleipzig oder Facebook:Flamingo Partylocation

Hoch über den Dächern der süd­lichen Leipziger City bietet die LVZKuppel ein einmaliges Ambiente für Tagungen, Firmenevents, Lesungen und viele weitere spannende Veranstaltungen. Dank natürlichen Tageslichts und individuell dimmbarer Beleuchtung sind unterschiedlichste Begegnungen sowohl tagsüber als auch abends ideal durchführbar.

Von der Unternehmenspräsentation bis hin zum Bankett: Die 300 Quadratmeter große LVZ-Kuppel ist individuell bestuhlbar und für maximal 300 Personen ausgelegt. Zur technischen Ausstattung gehören eine hochmoderne Tonanlage inklusive Mikrofone sowie eine LED-Videowand und Gast-WLAN. Für kulinarische Höhenflüge sorgt das hauseigene Catering-Team. Sowohl außergewöhnliche Snacks als auch ganze ­Menüabfolgen gehören zum Repertoire. Highlight und Alleinstellungs-

Bellevue Hotel Dresden

Das Bilderberg Bellevue Hotel ist der perfekte ­Ausgangspunkt für einen ­gelungenen Aufenthalt in Dresden. Foto: Fotografie & Design | Crispin-I. Mokry

In den Abendstunden entfaltet die Terrasse der LVZ Kuppel ein ganz besonderes Flair. Foto: Dirk Knofe

merkmal der LVZ-Kuppel ist die großzügige Dachterrasse. Hier bietet sich den Gästen zu jeder Tageszeit ein einmaliger Blick über die Messestadt Leipzig. Gerade in den Sommer­monaten verwandelt sich die KuppelTerrasse in eine chillige Open-AirLounge – für den perfekten Ausklang eines außergewöhnlichen Tages.

Mehr Infos unter www.lvz-kuppel.de

Das Bilderberg Bellevue Hotel ­Dresden, am malerischen Elbufer gelegen, bietet mit 340 Zimmern und Suiten, 20 Veranstaltungs­räumen und exklusiven Event­locations ­unzählige Möglichkeiten für ein unvergessliches Aufenthaltserlebnis. Ob klassisch oder außergewöhnlich, ob groß oder exklusiv, ob Indoor oder Outdoor: Kongresse, Workshops, Meetings, Abendveranstal-

tungen, Firmenfeiern oder Mitarbeiterevents mit bis zu 850 Personen –jedes Ereignis wird hier individuell und optimal umgesetzt.

Ein besonderes Highlight: der 20 000 Quadratmeter große Garten mit dem einmaligen Blick auf die Dresdner Altstadtsilhouette. Die Bar und der 640 Quadratmeter umfassende Wellnessbereich mit Pool, Personal Trainer, Running ­Concierge und Osteopath sorgen für einen gelungenen Start in den Tag oder gebührenden Ausklang des ­Tages. Darüber hinaus ist das Hotel Greenzertifiziert mit dem Urteil „Sehr gut“, wurde 2024 als bestes CertifiedGreen-Hotel Sachsens ausgezeichnet und ist in der Energieeffizienzklasse A eingestuft.

Kulturbahnhof Leisnig

Mehr Infos unter www.bilderbergbellevue-dresden.de

Der Bahnhof Leisnig, ein facettenreicher Veranstaltungsort mit reicher Geschichte, bietet die perfekte Kulisse für Feierlichkeiten jeder Art. In dem denkmalgeschützten Gebäude und seinem liebevoll gestalteten Außenbereich finden die ­Gäste eine einladende Plattform für unvergessliche Momente. Mit seinen unterschiedlichen Ebenen, einer charmanten Zeltüberdachung und einem malerischen Amphithea-

Der Bahnhof Leisnig ist ein Ort für Begegnung und Innovation. Hier trifft historischer Charme auf ­moderne Vielseitigkeit. Foto: Amac Garbe

ter bietet der Bahnhof-Garten eine einzigartige Atmosphäre. Die großen Bäume schaffen eine geschützte und einladende Umgebung, ideal für Open-Air-Veran­staltungen. Der Garten bietet sowohl abgeschiedene Winkel als auch großzügige Flächen für Gruppenaktivitäten. Bis in den September hinein finden hier außerdem jede Woche hochwertige internationale Konzerte statt. Die historischen Mauern des Bahnhofs schaffen eine Kulisse voller Charme und Kreativität. Die Räumlichkeiten können flexibel an die ­Bedürfnisse angepasst werden: von kleineren Besprechungsräumen bis hin zu großen Hallen für Konferenzen. Das hauseigene Catering-Team sorgt für kulinarische Höhepunkte. Mehr Infos unter www.bahnhof-leisnig.de

Rotkäppchen Erlebniswelt

Mitten im Saale-Unstrut-Weinanbaugebiet und nur eine Sektlänge von Leipzig entfernt findet sich eine einzigartige Umgebung für geschäftliche Anlässe. Die Rotkäppchen Erlebniswelt verbindet eine moderne Meeting-Infrastruktur mit einer historischen Gebäudelandschaft und bietet so einen Kontrast zum gewöhnlichen Arbeitsplatz. Die Rotkäppchen Erlebniswelt ist eine außergewöhnliche Location für

Die Rotkäppchen Erlebniswelt ist genau der richtige Ort für das nächste Event. Foto: Nicky Hellfritzsch

Events von 10 bis 1500 Personen. Die Eventplaner schaffen eine professionelle Arbeitsumgebung und geben die Möglichkeit, das Programm mit Genuss und Kultur zu bereichern, zum Beispiel durch Sektverkostungen und Führungen durch die interaktive Ausstellung der Rotkäppchen Erlebniswelt. So wird das TeamEvent ein inspirierender und zugleich unvergesslicher Moment für alle ­Teilnehmenden. Ganz gleich ob Tagung, Teambuilding oder Workshop – die Erlebniswelt-Experten haben für alle Anforderungen eine Lösung. Die ­Tagungsräume Lichthof, Domkeller oder Verkostungsraum Sabrage sind vielseitig und bieten den notwen­digen Raum für neue Ideen und den kreativen Austausch.

Mehr Infos unter www.rotkaeppchen.de/erlebniswelt

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Über 100 Projekte und 1000 Veranstaltungen

Interview mit Stefan Schmidtke und Andrea Pier, Geschäftsführer der Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 gGmbH, über ihre Arbeit und die Feierlichkeiten im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres

Seit 2020 steht es fest: Chemnitz wird neben Nova Gorica in Slowenien 2025 den Titel Kulturhauptstadt Europas tragen. Ziel der Kulturhauptstädte ist es, die kulturelle Vielfalt in Europa und die Gemeinsamkeiten europäischer Kulturen zu fördern. Stefan Schmidtke,GeschäftsführerderKulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 gGmbH, und Andrea Pier, deren kaufmännische Geschäftsführerin, organisieren das Kulturhauptstadtjahr. Im Interview geben beide einenEinblickinihreArbeit,aufbesondereProgrammeundworaufsich Besucherinnen und Besucher 2025 freuen dürfen.

Im Dezember 2021 haben Sie und die Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 gGmbH ihre Arbeit aufgenommen. Welche Aufgaben und Ziele ­prägen seither Ihre Arbeit?

Stefan Schmidtke: Ha, fantastische Frage: Zuerst einmal ging es um Tische,StühleundganzvielOrganisation, und als Programmgeschäftsführer hatte ich mich intensiv mit dem Bewerbungsbuch zu beschäftigen. Denn darin ist das Programm

skizziert, für das Chemnitz den Titel Kulturhauptstadt Europas 2025 bekommen hat. Das soll von vielen lokalen Akteurinnen und Akteuren umgesetzt werden. Also galt es, die beteiligten Menschen kennenzulernenundmitihnengemeinsamzuerarbeiten,wiewirwelcheProjektefür Chemnitz 2025 an den Start bringen können. Es haben sich viele neue Kooperationsnetzwerke gegründet, mitdenBeteiligtenvorOrtundauch international.Wirhabenverschiedene Workshops angeboten, um Kompetenzen aufzubauen: von der Fördermittelakquise über das Projektmanagement bis zur Kommunikation. Das alles gehört zum Programmteil „Europäische Werkstatt für Kultur und Demokratie“, einer Entwicklung von Kapazitäten in der Kulturszene. Außerdem haben wir 2023 vier große Ausschreibungen gestartetunddarübercirca60weitereProjektefürdasProgrammausgewählt.

Andrea Pier: ParallelzurProgrammentwicklunghabenwirzumBeispiel eineStrukturfürdieKommunikation von Chemnitz 2025 aufgebaut. Man

darf nicht vergessen, dass zwischen Titelgewinn und Euphorie und dem Start des Kulturhauptstadtjahres vier Jahre intensiver Vorbereitungsarbeit liegen. Wir haben gemerkt, wiewichtigesist,dieMenschenhier vor Ort mitzunehmen, in diesem eher stillen Prozess, zwischendurch mit Skepsis und auch Unzufriedenheit umzugehen und jetzt die Vorfreude auf den Start am 18. Januar 2025 so richtig anzufachen.

Auf welche Formen der Darbietungen ­dürfen sich die Besucherinnen und Besucher freuen?

Stefan Schmidtke: Wir gehen davon aus,dass2025über100Projekteund 1000 Veranstaltungen im Kulturhauptstadtprogramm zu erleben seinwerden.Dasindalldiezusätzlichen Initiativen, die es in Chemnitz undderRegionganzsicherauchgeben wird, noch gar nicht mitgezählt. Vom Garagenfest bis zur Opern-Uraufführung wird es so ziemlich alles geben. Ein Schwerpunkt ist Partizipation. Die Menschen sind eingeladen, mitzumachen oder selbst etwas zu machen und das Programm aktiv zu gestalten.

Was liegen bei Ihrer Arbeit die Herausforderungen?

Andrea Pier: Eine große Herausforderung ist, für ein temporäres Projekt wie eine Kulturhauptstadt Europas von null auf 100 einen Betrieb aufzubauen, der sofort funktionieren muss. Dabei müssen wir alles erst gemeinsam lernen und wissen schon jetzt, dass wir dieses Projekt direkt nach Jahresende 2025 wieder abwickeln werden. Wir stehen in engem Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen anderer europäischen Kulturhauptstädte–unddochistesinjederStadt anders. Aktuell arbeiten circa 50 Menschen für die Chemnitz 2025 gGmbH. Es ist ein großartiges, diverses, kompetentes und hoch motiviertes Team, mit dem es großen Spaß macht zu arbeiten.

Eine der ersten sichtbaren Veranstaltungen ist der Kunst- und Skulpturenweg „Purple Path“, der 2022 eröffnet wurde. Was genau ist das?

Stefan Schmidtke: Der Kunst- und Skulpturenweg „Purple Path“ ist eine einzigartige Ausstellung zeitgenössischer Kunst im öffentlichen

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VonderNaturwissenschaft zumMarmeladekochen AngefangenhatallesnochamheimischenHerd.„Ichhabeimmerschon leidenschaftlichgernMarmeladegekocht“,erzähltMatthiasRosenberg. SeineselbstgemachtenLeckerbissen kamenalsPräsentsogutan,dass Freundeirgendwannmeinten,ersolle mehrdarausmachen.„Ichhabenach größerenObstbaumbeständengesucht,vondenenichdieunterökologischenGesichtspunktenerzeugte Früchtebeziehenkann“,erzähltder 52-Jährige.SeinZielwares,eine größereProduktionzubeginnen. 2016waresdannsoweit.DieFirma RosenbergDelikatessenwurdemitBeginnderQuittenerntegegründet.2017 ließsichMatthiasRosenbergeinLastenradalsVerkaufstandbauenund brachtedreiJahrelangaufdemLeipzigerWochenmarktseineProduktean

Raum rund um Chemnitz. Zur Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 gehören 38 Kommunen im Umland. Mit den Arbeiten lokaler, nationaler und internationaler Künstlerinnen und Künstler entsteht so eine symbolische VerbindungzwischendenKommunenund der Stadt Chemnitz. Die Beziehung zwischenStadtundLandistgeprägt von Bergbautradition, Industrialisierung und wiederholter gesellschaftlicher Transformation. Diese Wechselbeziehungen spiegeln sich auch in den Kunstwerken wider. 2022 haben wir begonnen, die ersten Arbeiten zu installieren, aktuell stehen elf. Im April 2025 soll der Kunst-undSkulpturenweginseiner Gesamtheiteingeweihtwerdenund sichzueinemweiterentouristischen Anziehungspunkt entwickeln.

Welche Veranstaltungen werden das Kulturhauptstadtjahr prägen?

StefanSchmidtke: DasMottofürdas Kulturhauptstadtjahr heißt „C the Unseen“. Das kann man als Einladung lesen, Neues und bisher Unbekannteszuentdecken.Esistaber auch eine Aufforderung an die

Menschen hier, sich zu zeigen und selbstbewusst zu präsentieren, was sie und diese Region zu bieten haben. In vielen Projekten geht es darum, Biografien, Lebensleistungen, dasinnovativeMacher-undMacherinnentumzuzeigen,sowiedieBrüche und Transformationen sichtbar zu machen. Es gibt dazu zwei große AusstellungenimIndustriemuseum und im Staatlichen Museum für Archäologie.

Was wird vom Kulturhauptstadtjahr nach 2025 bleiben? Stefan Schmidtke: Eine lebendige, weltoffene Region, die Gäste mit vielen spannenden Angeboten überrascht und zum Wiederkehren einlädt. Mit dem Titel Kulturhauptstadt Europas wurde der Scheinwerfer auf eine Stadt gerichtet, die vorher nicht auf der touristischen Landkarte verortet war. Schon jetzt spürenwir,dassdasInteressesteigt. Das soll auch nach 2025 so bleiben. Dafür legen wir jetzt den Grundstein, schaffen Strukturen und Angebote beispielsweise mit neuen Orten, Veranstaltungen und internationalen Netzwerken.

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Von Nannette Hoffmann
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1: Stefan Schmidtke, ­Geschäftsführer der Kulturhauptstadt Europas ­Chemnitz 2025 gGmbH, und Andrea Pier, deren kaufmän­nische Geschäfts­führerin.
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2: „Twister Again“ von Alice Aycock in Seiffen ist ein Teil des Kunst- und Skulpturenweges „Purple Path“. Fotos: Ernesto Uhlmann

Lebendige BusinessAngel-Kultur für Mitteldeutschland

Private Risikokapitalgeber haben sich zu dem Verein „BAM! Business Angels

Mitteldeutschland“ zusammengeschlossen, um die Vernetzung der Akteure in der Region voranzutreiben und neue „Unternehmensengel“ zu gewinnen.

Von Nannette Hoffmann Isabel ­Antholz

Die gebürtige ­Hamburgerin Isabel ­Antholz ist von Haus aus Rechtsanwältin. Ihre Leidenschaft für Innovationen entdeckte sie früh, vor allem für interdisziplinäres Arbeiten. Zehn Jahre sammelte sie zudem Erfahrung bei Deloitte, wo sie die Fördermittelberatung leitete. Hier konnte sie große Unternehmen unterstützen, für ihre Forschungs-, Entwicklungs- sowie Investitonstätigkeiten das richtige Förderbudget zu nutzen. Dann wechselte sie in die Industrie, arbeitete in der Biotechnologiebranche und wurde schließlich selbst Gründerin und Geschäftsführerin eines Unternehmens in Leipzig. „In den Stationen meines bisherigen Berufslebens habe ich Unternehmen aus den unterschiedlichsten Perspektiven betrachtet und möchte meine Erkenntnisse, Erfahrungen und mein Netzwerk nutzen und innovative Gründer und Unternehmen dabei unterstützen, das Bestmögliche aus ihren Ideen zu machen.“ So ist sie (nebenberuflich) Business Angel geworden.

Gruppenfoto im Rahmen der Gründungsveranstaltung des Vereins „BAM! –Business Angels Mitteldeutschland“ mit Isabel Antholz (erste Reihe, Zweite von links).

Foto: Stefan Hoyer

Business Angel

Laut Isabel Antholz gibt es zwei Arten von Business Angels: die professionellen BAs, die dies hauptberuflich machen und die, die sich nebenbei engagieren. „Die professionellen BAs sind oft ehemalige Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihre eigene Firma gewinnbringend verkauft und damit Geld zur Verfügung haben. Dieses investieren sie in höheren Summen in verschiedene junge Start-ups – bisweilen können sie mehr als 10 Investments gleichzeitig haben. Damit können sie wiederum ihr Risiko diversifizieren. Im Durchschnitt halten sie drei Jahre lang Anteile am Unternehmen. Die BAs, die nebenbei investieren, haben einen Hauptjob, aber gleichzeitig eine Affinität für junge Start-ups oder eine besondere Branche, die sie unterstützen möchten, damit diese wiederum eine Chance am Markt haben. Nebenberufliche Angels investieren meist nur in 3 bis 5 Unternehmen gleichzeitig, um diese ausreichend unterstützen zu können.“

Mitteldeutschlandist um ein Netzwerk reicher. Mehr noch: Hier wurde ein Novum geschaffen, das es in dieser Form in Mitteldeutschland so noch nicht gibt. Knapp 30 Business Angels aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben Ende März in Leipzig den Verein „BAM! Business Angels Mitteldeutschland“ gegründet.

Lücke wird geschlossen

„EswareinlangerProzessbiszudiesem Schritt“, beschreibt Isabel Antholz, Vorstandvorsitzende des neuen Berufsverbandes. In den großen Städten Deutschlands gebe es viele Business Angels. „Einige davon kennen sich auch untereinander. Aber es gab bislang keine Institutionaliserung gemeinsamer Treffen oder eines gezielten Austausches,dersichbewsstindasÖkosystem einbetten kann wie es in anderen Regionen bereits gelebt wird“, weiß Isabel Antholz. Damit entstehe auch keine persönliche Atmosphäre oder der Impuls, Erfahrungen offen zuteilen.DieseLückewerdenunmit dem neu erstandenen, ersten privaten Business-Angels-Netzwerk für Mitteldeutschland geschlossen. Die Idee eines „Trusted Space“ Die Idee dafür entstand vor zwei Jahren im Rahmen des Wettbewerbs IQ Innovationspreis Mitteldeutschland. „Mit diesem Preis fördert die Europäische Metropolregion Mitteldeutschland neuartige, marktfähige Produkte, Verfahren und Dienstleistungen zur Steigerung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in Mitteldeutschland. Und die Preisträger werden durch regionale Business Angels unterstützt.“

Durch den Wettbewerb ist eine umfangreicheListeanBusinessAngels entstanden und diese sollte die Grundlage für den weiteren Schritt werden. „Nämlich daraus eine Gruppe zu bilden, die gemeinsam das Ziel hat, ein vertrautes Umfeld, wir nennen das ‚Trusted Space‘, zu schaffen,unddamitdieVoraussetzung für das Lernen voneinander undderProfessionalisierung“, so Isabel Antholz.

Viele Business Angels seien eher als Einzelkämpfer unterwegs.Esfehlteoftder fachliche Austausch. Der Verein biete nun eine geeignete Plattform, um Fragen zu beantworten, neue Impulse zu geben, voneinander zu lernen und sich über positive wie negative Erfahrungen auszutauschen. Das funktioniere lokal besser als überregional.

Wir hoffen so, noch mehr junge

Unternehmen heranzuzüchten und so die ­mitteldeutsche Region zu einem der besten Gründungsstandorte zu machen.

Weitere Vorteile des Netzwerkes Neben dem Austausch unter den verschiedenen Business Angels gibt es aber noch ein weiteres Ziel: „Es gibt viele Menschen, die sich vorstellen können, in junge innovative Start-ups zu investieren, sich diesen Schritt aber nicht zutrauen, weil ihnen Kompetenzen fehlen. Ihnen können wir Hilfestellungen geben, sie aufklären, vom ‚Angeltum‘ überzeugen, neue We-

Isabel Antholz

Vorstandvorsitzende des Vereins BAM! – Business ­Angels Mitteldeutschland

ge, zum Beispiel als Co-Investor, aufzeigen und die Möglichkeit, es mit der Unterstützung erfahrener Angels auszuprobieren“, sagt Isabel Antholz. DaswiederumbringeVorteilefür dieRegion.„GibtesgenügendBusiness Angels, ist auch mehrprivatesKapital vorhanden, um Unternehmertum und Innovationskraft zufördern.Wirhoffen so, noch mehr junge Unternehmen heranzuzüchten und so die mitteldeutsche Region zu einem der besten Gründungsstandorte zu machen.“ Vor allem Letzteres sei ein großer Wunsch – aber nicht unrealistisch. „Wir als Business Angels helfen nicht nur bei der Finanzierung. Wir unterstützen junge Unternehmerinnen und Unternehmer sowie solche, die auf dem Weg dahin sind, auch mit Knowhow“, betont Isabel Antholz. Denn Business Angels wissen, was es braucht und kostet, um ein Unternehmen aufzubauen, Kunden zu akquirieren und ein Produkt weiterzuentwickeln. Deshalb möchte das Netzwerk am liebsten direkt mit Forschenden zusammenkommen,direktindieUniversitäten rein. Um schon ganz am Anfangzuunterstützen.FürIsabelAntholz sei jetzt der richtige Zeitpunkt

für das Netzwerk und zum gemeinsamen Handeln. Starkes Netzwerk aufbauen Knapp 30 Business Angels waren bei der Gründungsveranstaltung dabei. Die Zahl der Mitglieder soll aber weiter wachsen. „Wir haben den Anspruch, auch andere Stakeholder mit ins Boot zu holen, wie Rechtsanwälte, Banken, Branchencluster, Notare oder Steuerberater. Sie sollen das Netzwerk erweitern unddamitauchdasÖkosystem,das es braucht, um Start-ups in der Region zu etablieren.“ Das Netzwerk steht mit seiner Arbeit erst am Anfang. Zukünftig soll es regelmäßige Veranstaltungengeben,andenenauchGründer, Unternehmer, Wissenschaftler sowie Kapitalgeber teilnehmen können. Den Auftakt machte am 30. Mai ein Mitgliedertreffen in Leipzig. Unter dem Titel „Gründer(Teams): Wie viel Ego braucht es?“ konnten sich Vereinsmitglieder sowie weitere interessierte Business Angels austauschen und das Eis brechen. „Das erste Treffen wurde ein voller Erfolg“, resümiert Isabel Antholz. Weitere regionale Veranstaltungen sind in Planung. Im Terminkalender festhalten sollte man sich schon mal den 5. Dezember. Dann plant das Netzwerk zusammen mit futureSax,derInnovationsplattform des Freistaates Sachsen, ein gemeinsames Treffen. Wer daran teilnehmen möchte, kann sich per E-Mail an vorstand@ba-mitteldeutschland.deanmelden.

Mehr Informa­tionen zum Verein BAM! – Business Angels Mitteldeutschland und seine Aktionen unter https://ba-mitteldeutschland.de

Unterschied

Business Angel und Venture Capital

Beides sind Finanzierungsformen für Gründerinnen und Gründer sowie für junge Unternehmen. Und beide haben zum Ziel, Start-ups in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Aber es gibt auch entscheidende Unterschiede, wie Isabel Antholz erklärt: „Business Angels steigen früh in die Unternehmen ein, entweder noch während der Gründungsphase oder wenn gerade gegründet wurde. Dabei geben wir meist ein kleineres Budget (häufig aus unserem Privatvermögen) – durchschnittlich zwischen 50 000 und 500 000 Euro. Tragen dabei aber ein höheres Risiko, da wir am Beginn der Investition ja noch nicht wissen, ob die Produktentwicklung gelingt. Und als Business Angel stellen wir auch Know-how, Mentoring und Geschäftskontakte den jungen Unternehmen zur Verfügung. Venture Capitals dagegen steigen später in die Unternehmen ein und investieren viel größere Geldsummen – selten unter 500 000 Euro. Mit dem Geld verknüpfen sie allerdings ein bedeutsames Ziel: eine hohe Kapitalrendite. Voraussetzung ist für ein solches Investment meist, dass das Unternehmen bereits über ein solides Produkt und eine nachgewiesene Erfolgsbilanz verfügt. Daher investieren Venture Capitals nur in Unternehmen, die ein erwartbares exponentielles Wachstum vorweisen können.“ Für welche Finanzierungsform sich Gründerinnen und Gründer am Ende entscheiden, hängt also stark mit den eigenen Zielen und Bedürfnissen zusammen.

24 | GRÜNDERSZENE

Wer glaubt, dass nur dort Friweika drin ist, wo Friweika drauf steht, irrt gewaltig. Der beispielsweise unter dem K-ClassicLogo von Kaufland angebotene Kloßteig wird von Friweika produziert. Hinter dem Namen verbirgt sich„FrischeWeidensdorferKartoffelprodukte“.DieFirma,seit54Jahren aktiv, hat ihren Sitz in besagtem Ortsteil von Remse nahe Glauchau. „Wir verkaufen unsere Produkte an 2000 Kunden, darunter eben viele Großabnehmer“, erklärt Marko Wunderlich. Und der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des sächsischen Unternehmens berichtet denn auch gleich von vier Verbrauchergruppen, die beliefert werden. Zunächst alle namhaften Lebensmittel-Handelsriesen wie Edeka, Rewe, Kaufland, Aldi, Globus, Netto und und und.„Dortistvielesvonunsmitdem Namen Friweika zu finden, aber eben auch unter den Eigenmarken der jeweiligen Einzelhandelsketten“, betont der 51-Jährige. Darüber hinaus sind Firmen der Lebensmittelindustrie Nutzer der KartoffelnausWeidensdorf–Betriebe,die sie zu Salaten und vieles anderem verarbeiten. „Dazu zählen etwa die FeinkostherstellerDr.DoerrinDresden und Kühlmann in Ostwestfalen.“ Schließlich wird an Händler wie Metro oder Trans Gourmet verkauft, die ihrerseits Großverbraucherbedienen.UndalsViertesdann gibt es noch den eigenen Gastronomielieferservice für Hotels, Gaststätten,Betriebskantinen,Krankenhauscatering und Imbiss-Anbieter. „So kommen wir einschließlich der Friweika-Eigenmarken-Angebote aufeinHandelssortimentvoninsgesamt 1400 Produkte“, sagt der gebürtigeSachsenichtohnegewissen Stolz.„Sozusagenistbeiunskartoffelmäßig alles zu haben, was das Küchen- oder eben auch Großküchenherz begehrt.“ Abnehmer finden sich inzwischen in der ganzen Bundesrepublik, aber auch in Europa.„Wirliefernunteranderemnach Großbritannien, Irland, Österreich, Kroatien, Tschechien, Polen, Skandinavien...“ 130 000 Tonnen jährlich Wunderlich ist einer von dreien in der Geschäftsführung der eingetragenen Genossenschaft Friweika. Der Vorstandschef ist Andreas Pippig (44), der dritte im Bunde Erik Richter (42). Sie managen sozusagen nahezu unvorstellbar umfangreicheAbläufe.130000TonnenErdäpfel werden jährlich auf dem Werksgelände nördlich der Autobahn A 4 angeliefert und verlassen dasUnternehmen,nachdemsieAbfüllanlagen oder Verarbeitungslinien passiert haben. 70000 Tonnen landen als frische Kartoffeln in Netzen oder Folientüten von 2,5 bis 25 Kilogramm. Und der Rest wird geschält, geschnitten, gewürfelt, vermischt mit speziellen Zutaten wie etwa Zwiebeln und Schinken für Bratkartoffeln. In der Weiterverarbeitung zaubern die Weidensdorfer 70 verschiedene Leckereien. Ob Kloßteig, fertige grüne oder gekochte Klöße, oder eben Bratkartoffeln, Kartoffelgratin – also Auflauf, oder Minikartoffeln „Kartoffelknirpse“, Kartoffeln mit Rosmarinpesto, Grillkartoffeln in verschiedenen Gewürzmarinaden einschließ-

Kartoffelliebe Frieweika

Sächsisches Unternehmen aus Weidensdorf setzt auf Regionalität und Nachhaltigkeit in der Verarbeitung und ist damit deutschlandweit erfolgreich.

lich der Grillschalen, Kartoffelecken, Snack-, Ofen- oder BakedKartoffeln.

Kontinuierliche Modernisierung

DieQualitätmussstimmen.„Dasist oberstes Gebot“, bekräftigt Wunderlich. Der Diplom-Wirtschaftsjurist, der an der Hochschule Anhalt (FH) in Bernburg 2001 seinen Abschluss machte, spricht von vielen Tests und Kontrollen, die jährlich immer wieder zu absolvieren sind. Dazu gehört der IFS International Featured-Standards. Die Hygiene spiele dabei eine zentrale Rolle, der Zustand der Anlagen, das Qualitätsmanagement innerhalb der betrieblichen Abläufe. So laufe momentan eine größere Investition – sie ist Teil einer kontinuierlichen Modernisierung, für die seit der Wende insgesamt ein dreistelliger Millionen-Euro-Betrag aufgewandt wurde. „Wir stellen unsere Garkartoffelproduktion komplettneuauf.Bislanganmehreren Standorten auf dem Betriebsgeländeverteilt,wirdsiejetztzentralisiert. „Das spart Zwischentranspor-

teundgarantiertsoeinehöhereFertigungsgüte.“

Diesen Anspruch, das Beste aus den Rohstoffen herauszuholen, versteht Wunderlich als eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. So bezieht Friweika die Knollen zu 60 Prozent von seinen 25 Vertragskartoffelanbauer aus Sachsen, Sachsen-AnhaltundThüringen,die auf 1400 Hektar wachsen. „Die übrigen 40 Prozent kaufen wir hinzu“.

Nichts von der Kartoffel wird weggeworfen.

Marko Wunderlich Stellvertretender ­Vorstandsvorsitzender

Erhabees„niebereut,gleichnachdem Studium am Standort Weidensdorf zu starten. Hier fand und finde ich gute Möglichkeiten, mich beruflich zu entwickeln.“ Sagt einer, der einst Fernmeldemonteur bei der Deutschen Post in Karl-Marx-Stadt, später Telekom in Chemnitz lernte. Und das, obwohl ihn sein Vater Lothar (77) so manches Mal als Kind mitzuFriweikanahm,daderSenior hin und wieder am Wochenende Lüftungssysteme kontrollieren musste. Er war seit Gründung der Genossenschaft in ihr beschäftigt –„sein Leben lang als Abteilungsleiter“,erinnertsichderJunior.„Inden

Ferien habe ich dann manchmal dort gearbeitet.“ Allerdings fand er eben erst nach seiner Bernburger Zeit zurück. Und hat es bis in die Vorstandsetage geschafft. Dort sind sich alle einig: Die regionale Verwurzelung ist wichtig. Das sehen die insgesamt 430 Mitarbeiter genauso. 370 arbeiten in Weidensdorf, die anderen bei den drei Töchtern – der KVH Kartoffelverarbeitungs GmbH im südbrandenburgischen Hirschfeld, beim Kartoffel-Tiefkühl-Spezialisten Scharnis Foodservice Lößnitz im Erzgebirge und in der FKS Frischkartoffelschälanlage in Naundorf bei Mittweida. Nicht zuletzt bei der Verpackung wie Folien und Kartonagen„kommtesunsaufRegionalität an“, berichtet Wunderlich und verweist auf die dadurch kürzeren Transportwege.„Faltschachtelnbeziehen wir von der Firma Mugler aus Wüstenbrand, einem Ortsteil vomsächsischenHohenstein-Ernstthal.SpezielleNetzehingegenkaufen wir in Spanien ein. Die sind hier bei uns nicht zu kriegen“, fügt er hinzu.

Eigene Gaserzeugung Umweltbewusstgehtesfolgerichtig ebenso in der Produktion von Friweika zu. „Nichts von der Kartoffel wird weggeworfen“, berichtet der verheiratete Vater eines Sohnes.

„Die Schalen, etwa 30000 Tonnen im Jahr, landen in unseren Biogasanlagen.ImDurchschnittbenötigen wir zwei Kilogramm Kartoffeln, um ein Kilogramm Fertigprodukt herzustellen.“ Das Gas nutze das Unternehmen komplett selbst für dieErzeugungvonDampf.„Mitihm werden die Kartoffeln 20 bis 30 Sekunden in Druckbehältern, beaufschlagt’. Und wenn das Gefäß dann geöffnet wird, expandiert die heiße Luft und ‚reißt‘ so die Schale auf. Dann rubbelt eine Art Bürsten alles ab“, veranschaulicht der Vize-Vorstandschef diesen Arbeitsgang. 100 Prozent der Kartoffeln werden verbraucht. „Insofern haben wir einen geschlossenen Stoffkreislauf.“ Klingt simpel, ist aber durchaus anspruchsvoll. Am Ende geht es den Friweikaern immer darum, das Beste aus der Kartoffel herausholen.Deshalblassenessichdiezwölf Abteilungsleiter auch nicht nehmen, einmal wöchentlich zusammenzukommen,umzubereden,wo es vielleicht klemmt, was besser zu machenist.Verkostungendereigenen Köstlichkeiten inklusive. „Mit unseren Kunden besprechen wir uns ebenfalls regelmäßig, erfragen ihre Wünsche.“ So ist es nahezu logisch,„dasswirseitJahrenschwarze Zahlen schreiben“, sagt Wunderlich. 2023 lag der Umsatz stabil

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bei etwa 120 Millionen Euro. Und dass dies so gekommen ist, „verdanken wir auch dem Status einer Genossenschaft“. Da stehe eben nicht immer nur die Gewinnmaximierung im Zentrum allen Strebens, „sondern die Zukunftssicherheit. Immerhin sind ja alle Mitglieder, die Landwirte also Miteigentümer der Firma. Das eigene Überleben als Unternehmen ist daher in gewisser Weise naturgegeben“, schätzt Wunderlich ein. Klar, nach derWendegabessomancheHöhen und Tiefen. „Vor allem mussten wir unsdenVerbrauchergewohnheiten anpassen. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Kartoffeln lag bei zirka 180 Kilo pro Jahr zu DDR-Zeiten, im Westen waren es 85 Kilogramm. Nunmehr liegen wir bei 55 Kilo im Bundesdurchschnitt.“ Kein Wunder, dass „im Osten nur die Hälfte aller Kartoffellagerhäuser erhalten blieb“. Zudem fehlte Friweika eine eigene Vertriebsstruktur. „Kundenbeziehungen in dem heute erforderlichen Maße gab es schlichtweg nicht“, macht der in Schönberg (Landkreis Zwickau) wohnende Vorstand deutlich.

Stolz auf Mitarbeiter

Dass Friweika es aller Widrigkeiten zum Trotz geschafft hat, unter den neuen Gegebenheiten „zu einem der führenden Unternehmen der deutschen Kartoffelwirtschaft zu werden, sich so positiv zu entwickeln, verdanken wir natürlich in erster Linie auch unseren Mitarbeitern“, ist Wunderlich überzeugt. Kein Wunder also, dass Teambildung einen großen Stellenwert im unternehmerischen Alltag einnimmt. „Wir zahlen jedem Beschäftigten jedes Jahr 100 Euro Teamgeld.“ Das könne jeder inAnspruch nehmen. Voraussetzung sei jedoch, „dassesgemeinsammitArbeitskollegen in der Freizeit verwendet wird. Etwa bei gemeinsamen Ausflügen, Museumsbesuchen, fröhlichem Zusammensein.“ Das werde bereits seit zwei Jahrzehnten so gehandhabt. „Und in diesem Jahr setzen wir noch eins drauf: Mit dem ‚1. FeierAbend‘ hier am Standort Weidensdorf.“ Nach dem Motto: „Raus aus den Kartoffeln – rein in die After-Work-Party“. Ein geselliges Miteinander, das Friweika gewiss weiter stärkt.

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Von Ulrich Langer
1:Prüfender Blick hilft, gute Qualität zu sichern. 2: Kraftvolle Technik im Einsatz. 3: Kartoffeln am ­laufenden Band. 4: Alles will gut­verpackt sein. 5: Innerbetrieblicher Transport á la ­Friweika. Fotos: Friweika

GütesiegelálaDDR:Diamant, das macht was her – oder: „Wer Mifa fährt,istDreschewert.“

Sprüche, die seinerzeit jedem in den Sinn kamen,dermitdemKaufeinesFahrradesliebäugelte.Denndiejenigender Diamant-Fabrik im damaligen KarlMarx-StadtstehenalsZeugnishoher Qualität.Währenddiepreiswerteren der Mitteldeutschen Fahrradwerke Sangerhausen (Mifa) im Volksmund als die „einfacheren Modelle“ mit dem genannten etwas abschätzigen Slogan bedacht wurden. Gewachsene Gemeinschaft

Wie dem auch sei: „Wir setzen uns nachwievordiehöchstenMaßstäbe, um international zu brillieren“, betont Mirco Schmidt. Der Geschäftsführer der Diamant Fahrradwerke GmbH in Hartmannsdorf bei Chemnitz ist – welch Wunder – natürlich selbst begeisterter Radfahrer. „Da kann ich hin und wieder so manche Neuentwicklung gleich selbst testen“, sagt der 47-Jährige mit einem Augenzwinkern und fügt rasch ein

dickes Lob hinzu: „Unsere Mitarbeiter sind spitze. Sie leisten Hervorragendes. Ein tolles Team, das tolle Produkte fertigt.“

500 Festangestellte zählt die Firma derzeit, davon rund 40 Prozent ausländische vor allem im Fertigungsbereich. „Meist aus Tschechien und Polen“, erklärt der gebürtige Erfurter. „Sie sind eine große Hilfe.“Verständigungsproblemegebe es kaum. „Viele sprechen gut Deutsch.“ Zusätzlich hat das Unternehmen eine App mit Firmenneuigkeiten eingerichtet, die in 27 Sprachen abrufbar ist. Diamant ist eine gewachsene Gemeinschaft, die die fast140-jährigeGeschichtederMarke bestens pflegt.

Ob mit CarbonRahmen, Elektromotor oder anderen ­Raffinessen – die Ideen ­gehen uns nicht aus. Langlebigkeit, ­Zuverlässigkeit, ­hochwertige ­Fertigungsgüte: All das ist der ­Schlüssel zum ­Erfolg.

Mirco Schmidt

Geschäftsführer der Diamant ­Fahrradwerke GmbH

Internationale Hilfe

„Naja, für Tradition können wir uns nichts kaufen“, weiß Schmidt. Allerdings hilft sie, bekannt zu bleiben unter den Zweiradliebhabern. „Das ist nicht zu unterschätzen“, betont Schmidt, der seit knapp drei Jahren an der Spitze des Unternehmens steht.„DiesesWisseninallerHerren Länder, dass wir hochwertige Fahrräder herstellen, hat für den Absatz enormeBedeutung.“SowerdenDiamant-Räder in Österreich und der Schweiz verkauft. „Sicher hat uns auch geholfen, dass wir 1992 vom Schweizer Branchenvertreter Villiger übernommen wurden.Dashatunsdenkontinentalen Markt geöffnet.“ Zudem wurde der neue Standort in Hartmannsdorf in Betrieb genommen. 2003 zogen sich die Eidgenossen allerdings zurück. „Das amerikanische Familienunternehmen Trek nutzte die Chance.“ Als deren 100-prozentige Tochter stellt Diamant nun nicht nur die Diamantenen her, sondern auch Trek-Bikes. „Knapp drei Viertel dieser Modelle für Europa kommen von uns“, freut sich der Ingenieur, der in Jena studierte und dort seine private Heimat gefunden hat. „Neben der beruflichen in Hartmannsdorf.“ Die komplette Produktion der DiamantRäder für die deutschsprachigen Länder wird in Sachsen montiert. Geburtsstunde der Diamant-Werke Inderältestendurchgängigfertigenden Fahrradfabrik Deutschlands.

Diamant-Fahrradfabrik

bleibt in der Erfolgsspur

Sächsisches Traditionsunternehmen aus Hartmannsdorf bei Chemnitz feiert im nächsten Jahr seinen 140. Geburtstag und setzt mit seinen 500 Mitarbeitern weiterhin auf hohe Qualität. Zahlreiche Auszeichnungen zeugen von hoher Sachkunde der Macher.

„Das ist schon ein erhebendes Gefühlt, dazuzugehören. Hierher zu wechseln, war die beste EntscheidungmeinesLebens“,sagtSchmidt, der zuvor bei einem Autozulieferer undbeimJenaerGlas-undKeramikhersteller Schott engagiert war. Allerdings schnupperte er schon als Kind Diamant-Luft. „Ich hatte ein solchesRad.UndmeineOmabekam als 17-Jährige auch eines von Diamant.“ Dabei geht die Geschichte der Firma bis ins Jahr 1885 zurück. Alles begann mit einer Pleite. Damals verlor Friedrich Nevoigt seine Arbeit in einer StrumpfmaschinenfabrikinChemnitz.„InderNotstellte er dann selbst Platinen für Strickmaschinen her – so erfolgreich, dass sein Bruder Wilhelm ins Unternehmen einstieg“, heißt es in den Annalen. Die erste Absatzflaute habe sie schließlich dazu motiviert, Schreibfedern aus Diamant-Stahl zu fertigen. Als Mitte der 1890er-Jahre das Veloziped zum Kassenschlager wurde,seiihnenklargeworden:DieserStahleignetsichauchbestensfür Fahrradrahmen. Das war die Geburtsstunde der Diamant-Werke. Und nicht nur das. Die FahrradSerienproduktion startete hier 1895. Drei Jahre später wurde die Doppelrollen-Kette mit zwei Gelenken entwickelt, „die inzwischen Standard bei allen Fahrrädern ist – weltweit“. Nicht zuletzt der Gesundheitslenker mit ergonomischen Funktionen, der 1934 in Chemnitz kreiert wurde, „ist einmalig“, so Schmidt. Zuvor, 1911/12, bekam das junge Unternehmen dann auch einen besonderen Namen und ein Gesicht: „Diamant“alsFirmenmarkeundeinstilisiertes „Köpfchen“. Es geht auf den erstenVerkaufsleiterMaxLangezurück.ErselbstwarzujenerZeitnoch keine Ikone – ikonisch ist das Logo jedoch heute. Der Schlüssel zum Erfolg Trotz allem durchfuhr das Unternehmen wie alle anderen Höhen und Tiefen im Laufe eines reichlichen Jahrhunderts. „Nach der Wende 1989 war die Nachfrage nach unseren Rädern eingebrochen. Jeder wollte Westprodukte haben“, erinnert sich Schmidt. Dennoch hat sich Diamant durchgesetzt. Ob mit Carbon-Rahmen, Elektromotor oder anderen Raffinessen – die Ideen gehen den Hartmannsdorfern nicht aus. Langlebigkeit, Zuverlässigkeit, hochwertige Fertigungsgüte – „all das ist der Schlüssel zum Erfolg“, bringt er es auf den Punkt. Dies hat natürlich seinen Preis. Zwischen 1000 und 5000 Euro kostet der Großteil des Sortiments der drei Marken Diamant,TrekundElectra.„Fürindividuell angepasste Hightech-Rennräder können schon mal 15000 Euro zu berappen sein.“

Die Absatzzahlen sprechen für sich. „Pro Tag montieren wir hier etwa 800 Räder.“ 2022 wurden erstmals seit den 1950er-Jahren 300000 Bikes montiert. Zur Ertragssituation mag die US-Mutter nichts sagen. Laut Bundesanzeiger lagen die Umsätze 2021 im mittleren dreistelligen Millionenbereich. Schwarze Zahlen seien geschrieben worden. Dazu kommen noch Auszeichnungen, „die uns stolz machen“, erzählt der Geschäftsführer. Etwa der „Chemnitzer Meilenstein“ vom Marketing-ClubderStadtfürbesonderes Engagement in der Region. Oder die 2023 und 2024 verliehene Ehrung als einer der 100 besten Arbeitgeber Deutschlands, vergeben von Great Place to Work, einem in Köln ansässigen internationalen Forschungs- und Beratungsinstitut, das in rund 60 Ländern Unternehmens- und Arbeitsplatzkultur von Firmen analysiert und zertifiziert. Übrigens wissen längst hochklassige Sportler die Güte der sächsischen Firma zu schätzen. Mit dem Straßenrennrad Nr. 167 holte sich „Täve“ Schur 1955 auf der Internationalen Friedensfahrt den ersten Sieg eines deutschen Fahrers. Auf diesem Modell wurde er 1958 sogar SiegerbeiderWMderRadamateure in Frankreich – ebenfalls als erster deutscher Fahrer überhaupt. Heute unterstützt Trek das professionelle Radsportteam Trek-Segafredo, das regelmäßig auf Trek-Rädern bei der Tour der France unterwegs ist. Hartmannsdorf lässt grüßen. Qualität setzt sich eben durch.

Von Ulrich Langer
26 | PORTRÄT
1 5 2 7 6 4 3 1: Die Diamant-Aufschrift ziert die Rahmen.| 2: Ausbilder Steve Janauscheck (links) und Alexander Feller begleiten die Azubis auf dem Weg zum Fahrradmechatro­niker.| 3: Durchblick gefragt.| 4: Blick in die Montagehalle. | 5: Moderne Rahmen am laufenden Band.| 6: Verpackung á la Diamant - nachhaltig und ohne ­Plastik – und im Logo ist das Köpfchen zu sehen.| 7: Im Lager kommt moderne Technik zum Einsatz. Fotos: Diamant
Auf dieser Fertigungslinie werden gerade Mandara E-Bikes montiert. Foto: Diamant Mehr zum Thema im ­Digitalmagazin

Andreas, Elke und Anett Leibert

(v.l.n.r.) haben mit insgesamt 50 Jahren Berufserfahrung die Kosmetik in ­Delitzsch mitent­wickelt und auf eine neue Ebene gehoben. Darauf sind ie zu Recht stolz.

Foto: Leibert Kosmetik

„Wer sich gesunde Haut wünscht, gehört in die Hände der Kosmetik“

Drei Generationen haben sich in der Familie Leibert der Kosmetik verschrieben: Oma Elke, Mama Anett und auch Sohn Andreas. Dank eines innovativen Konzeptes hat sich das Familienunternehmen auf dem Gebiet der Hautanalyse und Hautpflege erfolgreich spezialisiert.

Drei Generationen, 50 Jahre Berufserfahrung insgesamt, unbändige Freude am Beruf sowie ein einzigartiges Behandlungskonzept erwartetKundinnenundKunden,wennsie ihre Haut in die Hände von Leibert Kosmetik legen. Das Familienunternehmen aus Delitzsch hat sich erfolgreich auf dem Gebiet der Hautanalyse und Hautpflege spezialisiert. „Wir haben uns vor Jahren dafür entschieden, weil wir gemerkt haben, dass sich die Kundinnen und Kunden –jung wie alt – eine fundierte Fachberatung und Aufklärung mit Blick auf eine gesunde Haut und vorbeugende Maßnahmen zur Hautalterung wünschen. Und wir sind dafürgenaudierichtigen Ansprechpartner“, sagt Anett Leibert. Oma Elke macht den Anfang Der Weg zu diesem innovativen Behandlungskonzept begann in den 1960er-Jahren. Elke Leibert arbeitete als Kosmetikmeisterin in der Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH)in derDDR. „Ich war damals eine der ersten Kosmetikerinnen, die einenMeister absolviert hat und konnte so praktisch alle Kosmetikerinnen für den Kreis ausbilden“, sagt die heute 78-Jährige. Für sie damals ein Traumberuf. „Und es war ein stolzer Handwerksberuf mit fundierter Ausbildung.“ Darauf wurde zu DDR-Zeiten Wert gelegt, die Ausbildungsplätzewarenrargesät.„Zielwares,die Menschen, die zu uns kamen, zu verwöhnen, zu pflegen und zu verschönern“, erklärt Elke Leibert kurz und knapp das Konzept. Und wie es so ist in einer Familie, da ist

der Enkel Andreas schon früh mit beiOmaaufArbeitundschnuppert so in den Beruf rein. Vom Schwärmen überzeugt, fühlt sich Tochter Anett ebenso zu diesem Beruf hingezogen und absolviert 1983 bei ihrer Mutter die Ausbildung. Nach der Wende entstand bei ihr der Wunsch, sich selbstständig zu machen. „Ich hatte neue Ideen im Kopf und wollte mich entfalten“, berichtet Anett Leibert. Mama Anett bringt erste ­Neuerungen ein 1993 war es so weit. Als eine der ErstenhatsieinDelitzscheineneigenen Salon aufgemacht und ihre Mutter mit ins Boot geholt. Ihre Erfahrung wolltesiesichnichtentgehenlassen. „Damals war es Standard, neben der klassischen Kosmetikbehandlung, also Reinigung, Peeling, Maske, Make-up,auchFußpflegeundManiküreanzubieten.“UmihrenKundinnennochmehrzubieten,absolvierte sie zusätzlich eine Ausbildung für Nageldesign. „Nagelmodellage war damals sehr beliebt.“

Sowohl der Kunden- als auch der MitarbeiterstammwuchsundderSalon reichte nicht mehr. Ein Umzug in einen größeren Laden stand an. „Da ich neue Möglichkeiten hatte, habe ich mich mehr auf Wellness und Erholungkonzentriert“,sagtAnettLeibert. Und da zudem Anti-Aging ein immer größeres Thema wurde, hat sie sich in apparativen Anwendungenweitergebildetundkonntesomit neue kosmetische Behandlungen anbieten.

Und hier kommt zum ersten Mal SohnAndreasinsSpiel.„MeineOma sagtedamalszumir,‚DuhastMassagehände, du musst zu uns kommen‘.“ Also absolvierte er eine Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister und fing bei seinerMutterindereigenseingerichteten Wellness-Oase an zu arbeiten. „Aber ich konnte mir damals nicht vorstellen,dauerhaftzubleiben“,erinnert er sich. Also orientierte er sich um und ging in die Kfz-Branche. 15 Jahre arbeitete er in einer Werkstatt.

Sohn Andreas bringt eigene Erfahrung mit Ermerkte,dasssichmitseinerArbeit und dem damit verbundem Stress seine Haut veränderte und dass der Spruch „Die Haut ist das Spiegelbild der Seele“ die Wahrheit spricht. „Ich begann mich mehr und mehr mit der Haut, dem Hautbild, den Mineralölschädigungen und dem Einfluss von verschiedenen äußeren Faktoren auf dieHautzubeschäftigten“,erklärter. DurchseineeigenenErfahrungen unddadieMutteraufderSuchenach einer zusätzlichen Arbeitskraft war, mussteernichtlangeüberzeugtwerden und hat die Weiterbildung zum Kosmetiker begonnen. Gemeinsam erarbeiteten sie das neue Konzept, bezogen ihre neuen Räumlichkeiten am jetzigen Standort in der Delitz-

Dr. Ines Zekert, Präsidentin des Marketing Clubs Leipzig und Pressesprecherin der Krostitzer Brauerei. Foto: Raik Schache

scherTöpfergasseundgebenseither ihre Hautexpertise weiter. Das war vor sechs Jahren „Wir sind sehr speziell mit unserem Konzept, gerade hier in einer Kleinstadt. Aber wir konnten uns durchsetzen und überzeugen und können online sogar Leute von weiter weg betreuen“, freut sich Andreas Leibert. Wichtig ist für ihn der Aspekt, dass die Kunden freiwillig kommen, „weil sie uns vertrauen, und dieses Vertrauen möchten wir gern mit unser Arbeit erwidern“, betont er.

Beratung und bildbasierte ­Hautanalyse ErwiderninFormvonBeratung.„Wir müssen das Hautproblem ganzheitlich angehen“, erklärt er. „Bei unserer ‚First-Time-Beratung‘, für diejenigen, die das erste Mal zu uns kommen und den wahren Zustand ihrer Hautanalysierenlassenwollen,oder unsere gezielte Hautsprechstunde für Menschen mit Hautproblemen wird eine umfangreiche Anamnese vorgenommen, Ernährung, Erkrankungen, vorherige Pflege, Stress et cetera abgefragt und was sich die Kunden selbst für die Zukunft wünschen.“ Und dann kommt der Observ® 520 zum Einsatz. Diese lichtbasierte Hautanalyse verspricht einen tieferen Blick auf die Hautschichten. Die Kombination aus patentierter Fluoreszenz-Technologie,verschiedenen Licht- und Polarisierungsfiltern zeigt so klar und deutlich den wahren Hautzustandan.DafürwirdderKopf vor einem abgedunkelten runden Apparat gehalten. Vor große kreisrunde Lichter. Lichtblitze in verschiedenenFarbenfotografierendas Gesicht.NachwenigenSekundenist alles vorbei. Die Auswertung folgt prompt. Anhand dessen wird ein individuellesaufdieBedürfnissederHautabgestimmtes Pflegekonzept entwickelt. Und zwar in Form einer Systempflege, die die Kraft der Pflanzen mitinnovativenHigh-ClassWirkstoffen-Systemenfürbesonderseffektive Behandlungs-Ergebnisse kombiniert. Wichtig ist dabei die Mitarbeit der Kunden zu Hause. „Ohne, wird das nichts“, sagt Andreas Leibert. Zusammen konnten beide so schon zahlreichen Kundinnen und Kunden helfen. „Der größte Dank undderHinweis,dasswirindierichtigeRichtunggehen,war,alseinjunger Mann Anfang 30 zu mir sagte: ‚Danke, Sie haben mir Lebensqualität zurückgegeben.‘“ Für Leibert Kosmetik der Beweis: „Wer sich gesunde Haut wünscht, gehört in die Hände der Kosmetik.“

Aktuell arbeiten Anett und Andreas Leibert an einer WeiterentwicklungihresKonzepts,umauchabseits der Kabine die Haut und den Körper in Einklang zu bringen.

Mehr Infos unter www.kosmetikstudio-anett.de

Was ist heute wichtig im

Marketing?

Neue Folge des Wirtschaftspodcasts „Macher Ost“ mit Marketing-Club-Präsidentin Ines Zekert

Sie ist seit 25 Jahren in der Krostitzer Brauerei tätig und die erste Präsidentin des Marketing Clubs Leipzig. Ines Zekert gilt als eine Art Institution in der Region und taucht auch aufgrund der starken Markenpräsenz ihres Arbeitgebers bei zahlreichen Veranstaltungen, (Sport)Events und Kulturangeboten in und um Leipzig auf. In dieser Folge des LVZ-Wirtschaftspodcasts „Macher Ost“ sprach das Moderatoren-Duo Susanne Reinhardt und Marco Weicholdt mit der Branchenkennerin darüber, wie sich gutes Marketing in den vergangenen 20 Jahren verändert hat, und warum auch der Mittelstand nicht umhinkommt, sich mit Social Media und Co. auseinanderzusetzen.

Ein kurzer Auszug aus dem ­Gespräch mit Ines Zekert unter ­anderem über … ... eine Branche, viele Bedürfnisse: Meine Herausforderung als Präsidentin des Marketing Clubs ist, für eine ganze Branche zu sprechen und Themen rauszupicken, die für die Marketing-Community interessant sind. Wir hatten zum Beispiel eine Veranstaltung über InfluencerMarketing, was natürlich ein Thema für eine Marketing-Agentur im Special-Interestist,aberaucheines, das den Endverbraucher in der Rezeption der Botschaft anspricht. Mir ist es gar nicht wichtig, als Expertin aufzutreten für Marketing. Vielmehr geht es darum, aktuelle Themen im Auge zu behalten, zu koordinieren, Speaker oder Fachleute ranzuholen, die darüber reden können und sie so mit denen zu verbinden, die eben diese Themen brauchen als Weiterbildung.

... KI, Influencer-Marketing und Co. –nicht nur ein Hype. Wir haben heute mit so vielen verschiedenen Denkansätzen zu tun, da ist es wichtig, immer wieder Dinge zu hinterfragen. Das ist unbequem, das verletzt manchmalauchoderreißteinenaus Bequemlichkeit raus, die man sich vielleicht auch mühsam aufgebaut hat und glaubt, dass sie einem zusteht.Aberwirwerdennichtweiterkommen,wennwirdieneuenDinge nicht zulassen.

...auf Spezialisten setzen: SocialMedia müssen wir zunehmend mit den Augen von Spezialisten anschauen. JenachMediummüssenWerbebotschaften unterschiedlich gestaltet

sein. TikTok, Facebook, Xing, LinkedIn oder Instagram. Sie alle funktionieren nach unterschiedlichen Spielregeln. Welche Themen streut man wo? Das ist aufwendig geworden, richtig aufwendig. In Agenturen sitzen Spezialisten, die arbeiten mit KI, die haben Social-Media-Redakteure, die sich ganz selbstverständlich in dieser Welt bewegen. Ich kann wirklich nur appellieren, mit denen zusammenzuarbeiten und sich dort Input zu holen, sonst kanndasnachhintenlosgehen.GeradederMittelstandisthiereherunerfahren.

Es ist heute viel ­wichtiger geworden, dass ein Unternehmen soziale Verantwortung und Rückgrat zeigt. Ines Zekert Präsidentin Marketing Club Leipzig

...soziale Verantwortung: Esistheute viel wichtiger geworden, dass ein Unternehmen soziale Verantwortung zeigt und Rückgrat beweist. Die Erwartungshaltung der Konsumenten ist viel genauer und intoleranter – also im positiven Sinne. Man lässt Unternehmen nicht mehr so viel durchgehen. Also Werbelügen, wie die Verpackung ist halt größer oder sowas, das geht nicht mehr, dann muss man deutlich genauer nachdenken.

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Mehr
Thema im Podcast „Macher Ost“. Zu hören auf LVZ.de und dort, wo es Podcasts gibt.
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Von Nannette Hoffmann

Neues Leben am Strand

Der Haynaer Strandverein hat am Biedermeierstrand etwas deutschlandweit Einmaliges mit großer Strahlkraft geschaffen: das fast 5 Hektar große Seegrundstück zu einem touristischen Erholungsort sowie kulturellem Hotspot zu entwickeln.

WerheutedenBiedermeierstrand amHaynaerUfer des Schladitzer Sees besucht, kann sich nicht mehr vorstellen, wie es noch vor 20 Jahren aussah. Hier, wo heute Deutschlands größte überdachte Seebühnesteht,samtServicestation und Gastronomiebetrieb, zwei Strandabschnitte links und rechts zum Verweilen und Baden einladen, ein Museumsdorf entwickelt wird, eine Eismanufaktur mit selbst gemachten Varianten verwöhnt, sich ein Parkplatz befindet, war früher – nichts. „Nichts, außer Sanddorn und Gestrüpp“, erinnert sich Christoph Zwiener. Eine Vision wird geboren Nach dem Umzug nach Hayna (ein Ortsteil der nordsächsischen KreisstadtSchkeuditz)gingenerundseineFrauUta2004spazieren,entlang dieses Tagebaurestlochs des ehemaligen Braunkohletagebaus Breitenfeld. „Ans Wasser kam man damals nicht.“ Kein schöner Anblick und doch spiegeltesichindenGedankenvon Uta Zwiener etwas. Ein kleiner Funke: „Stell dir mal vor, wir würden hier in Kostümen des Biedermeier vor dieser Seekulisse wandeln …“ war der Satz mit dem Christoph Zwiener nie gerechnet hätte. Und doch schien diese VorstellungamEndeauchfürihnnicht abwegig. Mit einer Vision von einem Biedermeierstrand im Kopf sprach er die Menschen im Ort an und fragte, wasmitdiesemArealpassierensoll. Die Bewohnerinnen und Bewohner waren fasziniert, wie aus einer ehemaligen Bergbau- eine einladende Seenlandschaft werden soll. Ein vorläufiges Konzept, das Baden wie zu Biedermeier-Zeiten vorsah, ein Museumsdorf, eine Anlage zum Entspannen und eine bespielbare Bühne, für die musikalische ZwienerfamilieeinunabdingbaresMuss, wurde alsbald dem Landkreis, Vereinen und Institutionen präsentiert. DieeinhelligeMeinung:„Schönbekloppt, aber genial.“

Aus Vision wird Projekt Also schlossen sich 14 „Bekloppte“ zusammenundgründeten2007den HaynaerStrandverein.Danngaltes Werbungzumachen,umnochmehr Unterstützer für ein solches Projekt zugewinnen.ImOktober2007wurdedasGebietumDelitzschdannsogenannte Leader-Region. Damit stand der ländlichen Entwicklung „der höchste Fördersatz und das breiteste Förderspektrum“ zu. Christoph Zwiener gab anschließend eine Machbarkeitsstudie, die insgesamt 100 Seiten umfasst, in Auftrag. An der mit EU-Mitteln und vom Landratsamt Nordsachsen unterstützten Studie waren Landschaftsplaner, Bühnenbildner, Wirtschafts- und Marketingexperten beteiligt, die ein touristisches Konzept zur Realisierung des Biedermeierstrand-Projektes erstellten. UnddieAnalysebestätigtedieRealisierbarkeit plus positive Auswirkungen für die Region. „Manches vonderUrsprungsideehabenwirin den Folgejahren umgesetzt. Anderes, wie die Rosenbühne oder der Tennisplatz, wurden wieder verworfen. Und wieder ganz andere Ideen reiften mit der Zeit heran und wurden entwickelt“, berichtet Christoph Zwiener. Eine wahre Erfolgsgeschichte Dank zahlreicher finanzieller Unterstützer und Fördermittel, aber auch Eigenmitteln des Strandvereins schritt die Entwicklung des Areals in den folgenden Jahren stetigvoran.Möglichwurdediesauch, da der Verein das 44000 Quadratmeter große Grundstück erworben hat. 2015 wurde eine neue Bühne samt Überdachung gebaut. Von 2018 bis 2019 entstanden der Strandbereich, ein Parkplatz und eine barrierefreie Bushaltestelle. Zudem wurde die Freifläche zwischen Parkplatz und Strand mit Asphaltzufahrt, barrierefreiem Zugang zum Strand und Treppenanlage gestaltet. Die Anbindung an die Südumfahrung des Schladitzer Sees sowie die elektro- und abwassertechnischeErschließungvervollständigten die Arbeiten.

1: Am Biedermeierstrand ist nun die größte überdachte Seebühne Deutschlands entstanden. 1000 Menschen können dank der Erweiterung nun wettergeschützt die vielfältigen Veranstaltungen auf der Seebühne verfolgen.

2: Übergabe der neuen Servicestation (v.l.n.r.): Christian Mittag (Architektur- und Ingenieurbüro Mittag & Prax), Rayk Bergner (Oberbürgermeister der Stadt Schkeuditz), Christoph Zwiener (Vorsitzender des Haynaer Strandvereins) und Dr. Robert Böhnke (LMBV-Projektkoordinator).

3: Am Eingang des Historischen Bereichs (neben der Seebühen) werden die Besucherinnen und Besucher von dem Nachbau eines biedermeierlichen Badewagens begrüßt.

4: Rückblick: Mit dem Biedermeierstrandfest wird 2010 ein neuer Veranstaltungshöhepunkt eingeführt, der seitdem jährlich die Biedermeierfestspiele bereichert – inklusive historischer Modenschau. Damals fanden die Veranstaltungen noch auf der kleinen Seitenbühne, neben der heutigen Seebühne statt.

Fotos: LMBV/Christian Modla (2), Nannette Hoffmann, Haynaer Strandverein

Des Weiteren hat Uta Zwiener 2018sichihrenTraumeinereigenen Eismanufaktur erfüllt. Seither können Gäste hier im kleinen Café 24 selbst kreierte Eissorten vernaschen. „Ziel ist es, das Café zu erweiternmitmehrSitzmöglichkeiten drinnen und draußen sowie einem extra Veranstaltungsraum“, verrät Christoph Zwiener. 2023 und 2024 wurden zudem parallelzweigroßeBaumaßnahmen realisiert: Zum einen die Erweiterung der Bühne und Tribünen einschließlich Überdachung. „Damit konnten wir unsere Zuschauerkapazitäten verdreifachen, von 350 auf rund 1000 Plätze. Nun darf ich stolz verkünden, dass der Biedermeierstrand die größte überdachte Seebühne beherbergt“, sagt Christoph Zwiener. Denn all die anderen Seebühnen der Bundesrepublik, auch die Naturbühne in Ralswiek, wo die Störtebeker Festspiele stattfinden, seien zwar um einiges größer,aberebennichtüberdacht.Zum anderen konnte kürzlich die Überwachungs- und Servicestation mit Sanitäranlagen und Erste-HilfeRaum übergeben werden. Insgesamt flossen in den vergangenen zehn Jahren rund neun Millionen Euro in die touristische Entwicklung des Strandes. „Großer Dank geht an dieser Stelle an die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau Verwaltungsgesellschaft (LMBV), die Stadt Schkeuditz, den Kulturraum Leipziger Raum sowie an das sächsische Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus. Sie alle haben uns sehr unterstützt und mit uns diese Visionen umgesetzt.“

Erweiterung des Areals

Dass das Areal noch weiterwächst, beweisen die offenen Flächen nebender Bühne. „Derzeiterfolgen die Begrünung und Ausschmückung des Geländes rund um die Seebühne. Bis zur Saison 2025 soll zudem eine historisch anmutende Bemalung der Außenfassade der Seebühne realisiert werden“, erklärt Christoph Zwiener. Auch der Historische Bereich wächst. Neun der insgesamt geplanten 24 Badehütten stehen bereits auf dem Strandgelände links neben der Seebühne. Auf der rechten Seite sollen bis zum Sommer 15 weitere folgen. Diese dienen künftig als Umkleidekabinen oder zum Einschließen von Wertsachen. „Die großen Holzhäuser im Museumsdorfbekommenaußerdemeinenfrischen Anstrich und eine kleine Nebenbühnewirdfürkünftigekleinere Anlässe und die Feste des Vereins aufgebaut werden“, berichtet Vereinsmitglied Iris Zwiener. Außerdem sollen hier demnächst die ersten kulturellen Bildungsprojekte mit Schulen angeboten werden. „Hier kann man dann in die ZeitvonUr-Ur-OmaoderUr-Ur-Opa eintauchen und erfahren, wie sie früher gelebt haben, was gegessen

wurde, was sie in der Freizeit gemacht haben, wie sie sich kleideten und wie der Unterricht zur damaligen Zeit ablief“, erklärt sie. Also eine Schulstunde der besonderen Art. Schließlich wird dieser Bereich auch als Erinnerungsort dienen. „WirhabendasDorfLössen,einOrt, der dem Tagebau Breitenfeld zum Opfer fiel, im Maßstab 1:10 nachgebaut. Die kleinen Häuser sollen den beginnenden Verfall und das Verschwinden des Ortes auf künstlerische Weise darstellen“, gibt Christoph Zwiener Auskunft. Veranstaltungen werden zum Besuchermagneten An die erste Veranstaltung 2009 kannersichnochguterinnern.„Wir haben eine Bühne aufgebaut und das Leipziger Symphonieorchester eingeladen. Die Musiker gestaltetenvorderSeekulisseeinenOperettenabend und 2000 Leute schauten begeistertzu.FürunseinSchlüsselerlebnis, das uns antrieb weiterzumachen.“ Im Jahr darauf waren es zwei Veranstaltungen, die zum See einluden. 2011 schrieb Christoph Zwiener das Musiktheaterstück „Grimms Märchen“ – konzipiert für OpenAir-Aufführungen.Bis2015gastierte der Musik- und Theaterförderverein, dem Christoph Zwiener ebenso wie dem Haynaer Strandverein vorsteht, mit der Produktion imSommerregelmäßigaufderSeebühne.„EinechtesHighlight“,weiß er noch. 2015 wurden noch 16 VeranstaltungenfürdieBühnegeplant, heute sind es 40 aller Couleur – von Band-undChorkonzertenüberMusicalundTheaterbishinzuKabarett und Familienkonzerten.

Mehr Infos unter https://biedermeierstrand.de

Hintergrund

Der Freistaat Sachsen verfolgt im Umfeld der Bergbaufolgeseen eine nachhaltige Entwicklung für verschiedenartige Nutzungen. Für Maßnahmen zur Erhöhung des Folgenutzungsstandards –sogenannte Paragraph-4 Maßnahmen – stellt er zusätzliche Mittel aus dem Landeshaushalt zur Verfügung, um gute Voraussetzungen für Folgeinvestitionen zur touristischen Nutzung zu schaffen. Dies ist im Verwaltungsabkommen zur Braunkohlesanierung geregelt. Die LMBV fungiert als Projektträger dieser Maßnahmen und in Bezug auf die bergbaulichen Sanierungen als gesetzlich Sanierungsverpflichteter. Somit werden Synergien zwischen Wiedernutzbarmachung und Folgenutzung erreicht, mit dem Ziel eine attraktive Bergbaufolgelandschaft zu entwickeln.

Von Nannette Hoffmann
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Foto: David Rötzschke

Aus der Familienküche in die Welt

Max Seidel hat mit 20 das junge Start-up „Mixed Spirits“ aufgebaut. Seine selbstkreierten Liköre begeistern seither Gastronomen in Sachsen und werden deutschlandweit als Präsent gekauft – die Geschenksets sind besonders beliebt bei Unternehmen.

Den malerischen Ort Tannenbergsthal im Vogtland hat der junge Max Seidel auf die „Geschmackserlebnis-Karte“ gehoben. Und das mit nur 20 Jahren. „Innerhalb kurzerZeithabeichesgeschafft,meine LeidenschaftfüreinzigartigeLiköre in ein blühendes Geschäft zu verwandeln.MitmeinemIngwer-Zitrone-Likör ‚IZI‘ und dem BratapfelZimt-Likör‚Brazi‘begeistereichseit einem Jahr zahlreiche Restaurants, UnternehmenundTausendePrivatpersonen deutschlandweit“´, berichtet er stolz.

Familienrezept bildet den ­Ursprung

Alles begann in der elterlichen Küche. „Im Familienbesitz befindet sich ein altes Rezept für Ingwer-Zitrone-Likör. Aus diesem stellen wir jedes Jahr diesen wunderbar aro-

matischen Likör her, der sich im Freundes-undBekanntenkreisgroßer Beliebtheit erfreut“, erzählt der junge Mann. Und da dachte er sich: Was im Kleinen so super funktioniert, muss doch auch zu Höherem bestimmt sein.

Also fasste sich Max Seidel ein Herz,setztedenLiköranundbrachte ein paar Kostproben in die örtlichen Bars und Restaurants. Das war Anfang 2023. Der Inhaber des Restaurants „Zum Schlossturm“ in Auerbach, Steffen Fohlert, war der erste Kunde des bald darauf gegründeten Unternehmens „Mixed Spirits“. Seither verkauft er sehr erfolgreich den „IZI-Spritz“ an seine Gäste.

Da auch die Restaurants so positiv auf den Likör ansprachen, stand fürMaxSeidelfest:Jetztistderrichtige Zeitpunkt, mein Unternehmen aufzubauen. „Ich wollte schon im-

mer mein eigenes Ding machen. Und für mich war nun der Moment gekommen.“

Innerhalb von sechs Monaten Start-up aufgebaut

Dann ging für ihn alles recht schnell. „Ich habe mich mit den Regularien beschäftigt, mit Ämtern und Behörden gesprochen und konnte schon kurze Zeit später mein Gewerbe anmelden.“ Zeitgleich habe er bei futureSAX,derInnovationsplattform des Freistaates Sachsen, eine Förderung für sein Start-up beantragt. „Die waren ebenfalls begeistert und haben meinen Start kofinanziert.“

Dann wurde die elterliche Garageumgebaut,zweiTanksà100Liter, eine Filteranlage, Flaschen in verschiedenen Größen und hölzerne Boxenangeschafft.Dennfürden20Jährigen war von Anfang an klar, es muss nebenbei einen Online-Shop

geben, damit noch mehr Menschen mit seinen Likören begeistert werden können.

Denn bei einem sollte es nicht bleiben. „Schnell wurden Feiertage und freie Minuten genutzt, um zu tüfteln und neue Geschmackserlebnissezukreieren“,erzählter.Soentstand wieder nur kurze Zeit später der Bratapfel-Zimt Likör „Brazi“. Gedacht für die Weihnachtszeit, wenn es draußen kalt ist und man sichdrinnenschöngemütlicheinkuschelt. „Doch es hat sich gezeigt, dass er ein Dauerbrenner über das ganze Jahr ist. Die Leute sind verrückt danach.“

Von diesem wahren Boom, den „Mixed Spirits“ innerhalb der ersten sechs Monate erlebte, war Max Seidel selbst überrascht. „Am Anfanghabeichgedacht,ichkannfroh sein, wenn eine Handvoll Gaststätten Ja sagen. Dass ich mit meinem

Likör aber den Geschmack Tausender Menschen in ganz Deutschland treffe, das überstieg selbst meine kühnsten Träume.“

Echte Handarbeit und natürliche Zutaten

DasBesondereanMaxSeidelsLikören sind die Zutaten und die Entstehung in Handarbeit. „In meinen LikörkommenkeineFarbstoffeoder Konzentrate. Das verwendete frische Obst stammt nach Möglichkeit von regionalen Bauern und wird noch per Hand verarbeitet“, betont er. Wichtig für ihn zu erwähnen sei auch, dass er nicht selbst brennt. „Ich kaufe versteuerten Alkohol bei lokalen Großhändlern ein, setze ihn mitdenZutatenindenTanksan.Das Ganze steht dann eine Weile. Anschließend wird der Likör gefiltert und in Flaschen abgefüllt“, beschreibt er den Prozess. Damit reiht sich sein Likör in den höherpreisigen Segmentbereich ein. Das unterscheide ihn auch von der4-Euro-Varianteausdem Supermarkt. Und zeige gleichzeitig die Herausforderung: nämlich den Preis. „All das – Handarbeit, natürliche Zutaten und einzigartiger Geschmack–istmeinAnspruchanjede Flasche. Das hat eben seinen Preis“, sagt er. Seine Befürchtungen, damit schwer Abnehmer zu finden, haben sich nicht bewahrheitet. „Ganz im Gegenteil, viele Kundinnen und Kunden schrieben mir, dass sie genau das gesucht haben und wertschätzen.“

Deshalb gibt es den besonderen Geschmack in der Flasche auch als Geschenkset. „Neben Privatpersonen profitieren davon insbesondere Unternehmen, die so für Begeisterung bei Geschäftspartnern, Mitarbeitern und Veranstaltungen sorgen können“, sagt Max Seidel. „Mixed Spirits“ bietet aber nicht nur einzigartigen Geschmack. „Wir möchten den Likör auch auf beson-

dere Weise weitergeben und haben dieMöglichkeitgeschaffen,jedeFlasche oder Geschenkverpackung mit eigener Gravur zu personalisieren.“ Vor allem Unternehmen haben diesen Service gerade an Weihnachten angenommen. „Aufgrund der hohen Nachfrage können wir dies nun mit eigener Lasertechnik umsetzen.“ Weihnachten als Feuertaufe Weihnachten 2023 war für „Mixed Spirits“dannübrigensdieFeuertaufe. Teilweise 100 Pakete sollten über drei Wochen täglich rausgehen. „Dank der tatkräftigen Unterstützung meiner Familie und Freunde konnten wir alle Bestellungen fertig machen, waren dann aber auch ausverkauft.“ Dass er da jeden Tag angesetzt und auch nachts verpackt hat, sei für ihn kein Problem. „Es hat auch total Spaß gemacht. Und das Ergebnis war für uns alle beeindruckend.“

AlsdieHektikvorbeiwar,hatsich Max Seidel aber nicht hingesetzt undausgeruht.Nein,erhatgleichan einer neuen Sorte gearbeitet. „DiesesMalsollteesetwasSüßesfürden Sommer werden.“ Herausgekommen ist der Rhabarber-Vanille-Likör „Rhavi“. Ab Juni ist er im Shop erhältlich.

Plan für die Zukunft Wie es weitergeht? Max Seidel liebäugelt mit größeren Tanks, um die Kapazität auszubauen, und einer größeren Filteranlage. „Dafür muss aber erst mal die Garage ausgebaut werden.“ Auch die Abnehmer aus Gaststättensollenerweitertwerden. Er will nichts übers Knie brechen, Schritt für Schritt vorangehen. „Wenn man bedenkt, wie es hier nochvoreinemJahrausgesehenhat und sich entwickelt hat …“ Da fehlen ihm schon die Worte. „Manchmal kann ich es gar nicht glauben, dass ich es geschafft habe. Ich lebe meinen Traum.“

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Max Seidel hat seinen Traum, selbst Liköre zu kreieren, verwirklicht.
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Kaffee-Tipp

Kaffee kann auch ein Erfrischungsgetränk für heiße Sommertage sein. Melitta hat folgendes Rezept für einen Eiskaffee entwickelt. Das Unternehmen hat seinen Sitz im ostwestfälischen Minden. Sein Ursprung aber liegt in Sachsen. Die Dresdnerin Melitta Benz erfand den Kaffeefilter. Ostern 1929 zog das von ihr 1908 gegründete Unternehmen nach Minden um, da sich in Dresden keine geeigneten Produktionsräume fanden.

Zutaten:

3 EL Melitta Kaffee

600 ml Wasser

200 g Sahne (30 % Fett)

Eiswürfel

200 ml Milch (3,5 Prozent Fett)

Für die Salzkaramell-Sauce:

35 g Zucker

200 g Sahne (30 % Fett), zimmerwarm 1/2 TL Meersalz

Utensilien:

Handfilter, Küchenwaage, Pfanne, Herd, Messbecher, Schneebesen, hohes Gefäß, Handrührgerät (Schneebesen) , Tumbler Zubereitung: Den Kaffee nach Packungsanweisung im Handfilter mit ca. 600 ml Wasser zubereiten, anschließend kalt stellen und komplett abkühlen lassen.

Für die Karamellsauce den Zucker in einer Pfanne verteilen und auf mittlerer Hitze langsam ohne Rühren circa 6 Minuten schmelzen lassen.

Ist der Zucker vollständig geschmolzen, die Sahne unter Rühren dazu geben und weiterrühren, bis sich die Karamellklumpen wieder verflüssigt haben.

Die Masse nun bei schwacher bis mitt­lerer Hitze circa 10 Minuten leicht ­köcheln lassen, bis die Sauce eindickt, dabei gelegentlich umrühren. Anschließend das Meersalz unterrühren.

Tipp: Ist die Salzkaramell-Sauce abgekühlt und etwas zu fest geworden, einfach das ­Gefäß in einem Wasserbad im Topf oder der Mikrowelle kurz erwärmen und die Sauce nochmal aufrühren.

Die Sahne in ein hohes Gefäß geben, mit den Schneebesen eines Handmixers steif schlagen und zur Seite stellen. Vier Tumbler mit Eiswürfeln befüllen und den Kaffee gleichmäßig darauf aufteilen. Je 1 EL Salzkaramell-Sauce dazugeben und umrühren, bis sich die Sauce im Kaffee aufgelöst hat. Je 50 ml Milch dazugeben. Mit der aufgeschlagenen Sahne toppen und mit den Resten der Sauce nach Belieben dekorieren. mi

Eine kam durch

überlebt

Einer Legende nach hing die Moral der sächsischen Armee im Siebenjährigen Krieg im 18. Jahrhundertmaßgeblichdavonab, obesKaffeegabodernicht.Als die Soldaten nach der Kapitulation für Preußen kämpfen sollten,gabesProbleme.Friedrich der Zweite stellte die Krieger zur Rede. „Gans einfach, HerrGönich:OhneGaffeegömmer ni gämpfn.“ Woraufhin Friedrich der Zweite von den „elenden Kaffeesachsen“ sprach. Auch heute steht das Heißgetränk, gleich, ob als Filterkaffee, Espresso, Mokka, Cappuccino oder Latte Macchiato, in der Gunst der Verbraucher, nicht nur im Freistaat, weit oben. 167 Liter trankjederDeutscheimSchnittim Jahr2022–einSpitzenwert.Mineralwasser kommt nur auf 130 Liter. „Kaffee ist krisenfest“, meint denn auch Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes. Mit 479 700 Tonnen lagt der Absatz von Röstkaffee auf einem Rekordhoch.

Röstfein hat als einzige von sieben DDR-Kaffeeröstereien

Interne Optimierung

Außer-Haus-Markt boomt Der große Gewinner: die Gastronomie. Der Kaffeekonsum im AußerHaus-Markt kletterte um rund 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Beim Verbrauch zu Hause lag das Segment „ganze Bohne“ im Trend: Dessen Marktanteil stieg 2022umachtProzent,beträgtinzwischen44Prozentundistdamitnahezu gleichauf mit gemahlenem Röstkaffee. „Der Trend geht eindeutig wieder zum Kaffee“, bestätigt Ralf Dannehl, Vertriebschef der Magdeburger Röstfein Kaffee GmbH mit den speziell im Osten so bekannten MarkenwieRondoundMona.„Man trifft sich wieder häufig auf einen Kaffee, auch junge Leute.“ Folglich sind die Magdeburger Kaffeeröster „stabil unterwegs“, berichtetDannehl.Die200Beschäftigten verarbeiten am Firmensitz in der Nähe des Hafens jährlich rund 16 000 Tonnen Kaffee.EinDrittelgehtin die Eigenmarken, ein weiteres an Industriekunden und der Rest ist für Eigenmarken von Lebensmittelhändlern bestimmt. Dieser Dreiklang gleicht Schwankungen aus, soll beibehalten werden und sichert das auskömmliche Überleben zwischen Branchenriesen wie Jacobs und den vielen kleinen Röstereien. „Das ist unsere Nische.“

ersten Interessenten im Büro“, erinnert er sich. Durch diese Industriekooperation gelang es, am Markt zu bleiben – als einzige von sieben DDR-Röstereien. „Obwohl Unternehmensberater in den 1990er-JahrenzumVerkaufbeziehungsweisezurAbwicklung geraten hatten“, so Martin Bergner, Vorstandssprecher des Zentralkonsums. „Wir haben überlebt,weilwirdermodernste Betrieb waren. Und vielleicht auch der mutigste“, blickt Winkelmann zurück.

Vorteil: Wirbelschicht­verfahren

DerUmsatzlagimvorigenJahrbei 70 Millionen Euro. Das sind zwar rund 10 Millionen Euro mehr als 2021. Der Sprung ist aber im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass Rohkaffee – Röstfein bezieht ihn aus aller Welt – in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden ist. „Der Preis für Rohkaffee hat sich fast verdoppelt.“ Erhöhungen,dienurzumTeilweitergeben werden konnten. „Den Rest müssen wir durch betriebsinterne Maßnahmen optimieren“, sagt Dannehl. Als Gründe des heftigen Anstiegs nennt er schlechtere Ernten, etwa in Brasilien, dem größten Kaffeeerzeuger, aber auch zunehmenden weltweiten Verbrauch. Obendrauf kommen höhere Transport-

„schreibenwirschwarzeZahlen“, berichtet der Vertriebschef, ein gebürtiger Magdeburger, der vor drei Jahren in seine Heimatstadt zurückkam, zuvor lange Zeit im Management des VolkswagenKonzerns in Wolfsburg tätig war.

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Lange Tradition Die Firma blickt auf eine lange Tradition zurück. 1908 wurde das Unternehmen als Kathreiners Malzkaffeefabriken gegründet. Bis 1945 wurden die MalzkaffeesortenKneippMalzkaffee und Linde hergestellt. 1947 übernahm der Verband der Konsumgenossenschaften (heute: Zentralkonsum) das Werk, 1954 wurdeerstmalsBohnenkaffee geröstet, der unter dem Namen Röstfein auf den Markt kam. Nach der Wende stand das Unternehmen vordemAus.Dochderdamalige Geschäftsführer Manfred Winkelmann schrieb westdeutsche Großproduzenten an. „Der Brief war noch warm, da standen schon die

1: 1908 wurde der Grundstein für die Röstfein Kaffee GmbH in Magdeburg gelegt. Bis heute ­produziert das Unternehmen hier in der Hafenstraße.

2: Blick in die Produktpalette

3: Der Magdeburger Künstler „POke“ und Röstfein kreierten ­dieses Kunstwerk zur Geschichte des ­Kaffees. POke sprayte dieses Graffito in über 30 verschiedenen ­Farben und verbrauchte 800 Spraydosen.

Fotos: Ulrich Milde, Adobe Stock

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Damit spielt er auf das von Röstfein mithilfe von Magdeburger Wissenschaftlern entwickelte Wirbelschichtverfahren an. Dabei wird der Kaffee nicht in der Trommel geröstet, sondern fliegt durch 180 Grad heißen Wasserdampf.DadieBohnendie Trommelwände nicht mehr berühren, gibt es keine Verbrennungsverluste. Der Röstvorgang dauert nur noch drei statt zehn Minuten und liefert gleichmäßige Qualität. Ein beträchtlicher Effienzgewinn. Im Jahr 1997 kam es zum Comeback des Rondo Melange. Der Kaffee hat sein Hauptabsatzgebiet weiter in den neuen Ländern. „Wir sind stolz darauf, ostdeutsch zu sein“, betont der Vertriebsverantwortliche. Die Bohnen finden aber auch Kunden im Westen der Republik sowie im Ausland, darunter die Mongolei und Namibia. Gesunde Entwicklung Gute Aussichten also für die Firma. „Wir sind an der Seite von Röstfein und unterstützen bei Investitionen und einem moderaten, gesunden Wachstum“, betont Zentralkonsum-Vorstandssprecher Bergner. Ziel sei nicht die Steigerung des Shareholder Value, „sondern eine gemeinsame gesunde Geschäftsentwicklung,beiderMutter- und Tochterunternehmen auf Augenhöhe agieren“. Wissenschaftliche Studien belegen,dassdreibisfünfTassenKaffee am Tag gesundheitsfördernde Eigenschaften besitzen. Gefährlich sei das Getränk nur, wenn jemandem ein ganzer Sack aus dem fünftenStockaufdenKopffalle,spottete einst Kaffeekönig Albert Darboven. Der anglo-irische Erzähler und Theologe Jonathan Swift befand: „Die beste Methode, das Leben angenehm zu verbringen, ist, guten Kaffee zu trinken.“

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Die nächste Verordnung kommt bestimmt

Immer wieder neue Regelungen und viel Bürokratie machen Winzern und Winzerinnen das Leben schwer

WinzerAndréGussekdenktanden Herbst letzten Jahres noch mit einigem Unbehagen zurück. ImEU-ParlamentwurdeimNovember 2023 über einen Gesetzesentwurf abgestimmt, der auch den Weinbau stark betroffen hätte. Der Vorschlag, bekannt als Sustainable Use Regulation (SUR), zielte unter anderem auf ein vollständiges VerbotvonPflanzenschutzmittelninsogenannten sensiblen Schutzgebieten ab. „Da hatten wir wirklich ein bisschen Schiss. Denn das Gesetz hätte in letzter Konsequenz bedeutet, dass neben bewohnten Grundstücken in 100 bis 150 Metern Abstand keine Weinreben stehen dürfen. Wenn das gekommen wäre, dann gäbe es keine Weine mehr vom Freyburger Schweigenberg oder vom Naumburger Steinmeister“,sagtGussek.DassindSpitzenlagen in Saale-Unstrut, die weit ins Stadtgebiet von Naumburg bzw. Freyburg ragen, mit deutlich weniger Abstand als 100 Meter zum nächsten Gebäude. Wäre der EntwurfGesetzgeworden,hättedasfür WinzerGussekundaucheinigeseiner Kollegen möglicherweise das Aus bedeutet.

Doch Gussek konnte aufatmen. Der Gesetzesentwurf wurde mit 299 Gegenstimmen (207 Stimmen dafür und 121 Enthaltungen) abgelehnt. Während die österreichische Grünen-Abgeordnete und Berichterstatterin des Gesetzes, Sarah Wiener, nach der Abstimmung ihre Enttäuschungäußerte,begrüßteder Deutsche Weinbauverband die Entscheidung und argumentierte, dass die strengen Maßnahmen die Existenz vieler Weinbaubetriebe gefährdet hätten. Wieder einmal schien die BürokratieinFormeinesneuenGesetzes den Winzern das Leben schwer zu machen.DasistnichtsNeues.Denn fragtmanindenWeinbaubetrieben, was ihnen bei der Betriebsführung am meisten zu schaffen macht, bekommt man nahezu einstimmig zur Antwort:dieBürokratie.Ja,Wetterunbilden,wiedieSpätfröstezuletzt, sind nicht erfreulich. Aber dieses Risiko gehöre zum Berufsbild des Winzers irgendwie dazu. Rund ein Drittel seiner Arbeitszeit gehe für bürokratische Akte drauf, schätzt Gussek. Das komme hin, meint auch Nebenerwerbswinzer Jörg Lückel aus Freyburg. Er nennt ein Beispiel für bürokratischen Aufwand, das habe mit dem dualen System zu tun. „Wir haben Glas, Etiketten, Kartons, Plastikkappen. Jedes Jahr müssen wir die verbrauchte Menge jedes Elements beim Entsorger melden, dann noch beiderBundesbehörde.“Dasistnur ein Beispiel. Neben ihren eigentlichen Kernaufgaben – Weinberg, Keller, Vermarktung – haben sich Winzerinnen und Winzer um mehr zu kümmern … Winzer müssen ihre Rebflächen bei den zuständigen Behörden anmelden. In vielen Ländern ist eine Genehmigung erforderlich, um neue Weinberge anzupflanzen oder bestehende Rebflächen zu erweitern. Dann ist die genaue Vermessung und Erfassung der Weinbauflächen notwendig. Strengen Vorschriften unterliegt die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Winzer müssen Aufzeichnungen überdieverwendetenMittelundderen Einsatz führen und regelmäßig Berichte einreichen. Oft sind auch regelmäßige Analysen des Bodens und des Wassers vorgeschrieben. Jede produzierte Menge Wein muss erfasst und gemeldet werden. Dies umfasst auch die Ernteerträge unddieproduzierteMengeanMost oder Wein. Dann unterliegt Wein gesetzlichen Qualitätskontrollen,

Jedes Jahr müssen wir die ­verbrauchte Menge jedes Elements beim ­Entsorger melden, dann noch bei der Bundesbehörde.

Jörg Lückel

Wenn das ­gekommen wäre, dann gäbe es keine Weine mehr vom ­Freyburger Schweigenberg oder vom Naumburger Steinmeister.

André Gussek

Die Dünge­mittelver­ordnung ­erfordert einen riesigen Verwaltungsaufwand.

Klaus Böhme

die von der Traubenernte bis zur Flaschenabfüllung reichen. Aktuell haben die Weinbaubetriebe Post bekommen–siemüsseneineErnteschätzung abliefern. Streng geregelt ist die EtikettierungvonWeinflaschen.Angaben wieHerkunft,Rebsorte,Alkoholgehalt und Jahrgang müssen korrekt und transparent angegeben werden, die Mindestschriftgröße der Angaben auf demEtikettistvorgeschrieben.EsgibtdenFalleinesSaaleUnstrut-Winzers, gegen den das Verbraucherschutzministerium Anzeige erstattet hat, weil auf dem Etikett die Schriftgröße bei dem Satz „enthält Sulfite“ bei zwei Buchstaben (dem e) um 0,2 Millimeter (!) zu kleinwar.DasVerfahrenwurdeeingestellt.

Um Förderungen oder Subventionen zu erhalten, müssen Winzer umfangreicheAntragsverfahren durchlaufen. Dies kann FördermittelfürdenUmweltschutz,die Modernisierung der Ausrüstung oder die Umstellung auf biologischen Weinbau umfassen. Die Antragstellung zur Förderung ist aufwendig, papier- und kostenintensiv. Generell sind Fördermittel an bestimmte Bedingungengeknüpft,dieregelmäßig überprüft werden. Winzer müssen entsprechende Nachweise erbringen und Dokumentationen führen. Jörg Lückel hat sich eine Bewässerungsanlage fördern lassen.„Unglaublich,wasdaanDokumentation erbracht werden musste und welche Kommissionen da vor Ort waren“, erzählt er. „Mache ich nie wieder.“

Dasisteine(unvollständige)Auswahl von Anforderungen. Allerdings müsse man auch differenzieren, meint etwa Winzer Klaus Böhme aus Kirchscheidungen. „Rechnungen schreiben ist für mich keine Bürokratie. Und gewisse Dokumentationen sind schon sinnvoll, weil es Rückverfolgbarkeit gewährleistet. Denn der Verbraucher hat das Recht zu erfahren, woher der Weinkommt.“Bürokratieistfür Böhme „vermeidbarer Verwaltungsaufwand oder ergebnisloser Aufwand“. Er kann sofort auch Beispiele nennen. „Die Düngemittelverordnungerforderteinenriesigen Verwaltungsaufwand. Wir können das gar nicht leisten und müssen einenexternenExpertenbeauftragen. Der kostet natürlich Geld. Ein anderes Beispiel ist die RebrechtsRegelung.“

DetailswürdenhierdenRahmen sprengen,Faktist:Derhoheadministrative Aufwand ist oft hinderlichundkostspielig,geradefürmittlereundfürkleinereBetriebe.Hinzu kommen ständige Anpassungen an neue Gesetze und Regelungen.DieneuesteVerordnungistdie Deklarationspflicht für Weinetiketten. Laut geltenden EU-Bestimmungen müssen Wein, Schaumwein,Obstweinundaromatisierte Weine in Sachen Deklaration künftig am Etikett mit einer Nährwertkennzeichnung und einer Zutatenliste versehen werden. Alle in der EU verkauften Weine, die nach dem 8. Dezember 2023 hergestellt werden, sind gesetzlich verpflichtet, den Verbrauchern auf ihren Etiketten Informationen zu Allergien, Energiegehalt, Inhaltsstoffen und Nährwerten bereitzustellen. Jeder Erzeuger hatdieWahl,dieAngabendirektam Etikett aufzulisten oder sie mit einem QR-Code online zur Verfügung zu stellen. Die meisten Winzer haben sich auf die neue Verordnung eingestellt. Aber sie wissen genau: Die nächste Verordnung kommt bestimmt.

Umfrage

Die Trends des Weinmarktes

Die Marketing- und Kommunikationsagentur Hopscotch Sopexa führt alle zwei Jahre eine Studie über Trends in den wichtigsten Weinmärkten durch. Dabei stützt sie sich auf ein internationales Netzwerk. Die ­Agentur befragt Weinhändler auf der ganzen Welt und erhebt so ihre Einschätzungen zur Entwicklung des Wein­marktes. Nun ist der Wine Trade Monitor 2024 erschienen, der die aktuellen Trends des internationalen ­Weinmarktes aufzeigt. Zwischen September und November 2023 nahmen 957 Fachleute an der Umfrage teil. Importeure, Großhändler, Supermarkthändler, Weinhändler und Online-Händler gaben ihre Prognosen für die nächsten zwei Jahre ab. Der Wine Trade Monitor untersuchte neun Märkte: Deutschland, Belgien, ­­Groß­britannien, die Niederlande, die USA, Kanada, China, Japan und Südkorea. Das sind die acht wichtigsten ­Ergebnisse der Umfrage:

Europa bleibt top Im Durchschnitt führen die befragten Weinhändler Weine aus acht Ländern in ihren Portfolios. Weine aus Europa dominieren nach wie vor. Fast neun von zehn Befragten führen französische Weine (88%) auf, vor italienischen (77%) und spanischen (72%) Weinen. Deutschland schafft es nicht in die Top 3. Belgien ist sehr neugierig auf neue Herkunftsregionen. Mehr als jeder zweite belgische Gastwirt führt argentinische Weine auf, während chilenische und griechische Weine um mehr als 15 Prozentpunkte zulegen.

Herkunft entscheidet Für mehr als die Hälfte der befragten Fachleute schneidet Wein französischer Herkunft in Bezug auf das Image am besten ab. Er ist ein Synonym für „Wein für besondere Anlässe“ und wird für seine gleichbleibende Geschmacksqualität geschätzt. Spanien und Chile sind am stärksten in Bezug auf die Preisattraktivität. Italien sticht durch Innovation und seine Fähigkeit, jüngere Generationen zu erreichen, hervor. Besonders gut kommen amerikanische Weine in Südkorea an, einem sehr dynamischen Markt.

Stagnation erwartet Die Hälfte der Fachleute erwartet, dass der Weinmarkt in den nächsten Monaten stagnieren wird. Trotz dieses düsteren Umfelds sind die Marktteilnehmer umso optimistischer, je kleiner sie sind. Immerhin erwarten 28% der Marktteilnehmer, die weniger als 10 000 Flaschen kaufen, ein Umsatzwachstum. Auch Fakt: Der Online-Verkauf wird weltweit immer gebräuchlicher.

Drei Trends kurbeln Verkauf an Die Wahrnehmung der Natürlichkeit eines Weins ist der erste wichtige Trend. Die Verringerung des CO2 -Fußabdrucks ist die am weitesten verbreitete CSR-Messgröße. CSR steht für Corporate Social Responsibility und umschreibt den freiwilligen Beitrag der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung, der über die gesetzlichen Forderungen hinausgeht. Aber die Sensibilität variiert: In den USA wird mehr Wert auf Inklusion gelegt, in Belgien auf die Biodiversität, während sie in Asien wenig oder gar keine Auswirkungen hat. Der zweite festgestellte Trend ist eine ausgeprägtere Preissegmentierung. Während in Deutschland und Kanada das Einstiegssegment immer mehr an Bedeutung gewinnt, wird das Weinangebot in China und Südkorea immer hochwertiger. Der am dritthäufigsten genannte Trend ist das Aufkommen neuer Weinangebote, insbesondere von Weinen mit geringem Alkoholgehalt. Die sind in Deutschland und in den angelsächsischen Ländern aktuell stark auf dem Vormarsch.

Authentizität von Wein wichtig Für mehr als acht von zehn befragten Fachleuten ist die Authentizität von Wein ein Verkaufsargument. Was dies bedeutet, ist jedoch geografisch unterschiedlich. In Deutschland wird mehr auf den individuellen Ansatz der Weingüter geachtet, während Authentizität in Asien eher ein Synonym für Terroir oder in den USA für handwerkliche Herstellung ist. Authentizität ist vor allem für den Einzelhandel ein wichtiger Faktor.

Frankreich bleibt vorn Was die Verkaufsdynamik betrifft, so liegen vier französische Regionen bei Rotweinen an der Spitze: Languedoc, Bordeaux, Burgund und die Rhône. Bei den Weißweinen ist das Loire-Tal führend. Dahinter folgen Languedoc, Burgund und Marlborough in Neuseeland. Bei den Roséweinen ist das Rennen nach der Provence zwischen den Rosés aus dem Languedoc, Italien und Spanien offen. Bei den Schaumweinen sind Cava und Crémant am begehrtesten, noch vor der Champagne. Der Prosecco fällt von Platz 2 im Jahr 2021 auf Platz 4 zurück. Die in Deutschland populären Winzersekte spielen nur eine marginale Rolle - auch wegen der zu geringen Menge.

Foto: Boris Roessler

Foto: Uwe Köster

Drei Rebsorten führend

Die großen internationalen Rebsorten sind nach wie vor am beliebtesten, allerdings mit starken Schwankungen je nach Land: Chardonnay (in Belgien wird Wachstum erwartet, in den USA deutlich geringer), Cabernet Sauvignon (Zunahme in Asien, wenig in Deutschland), Pinot Noir (stark in Südkorea und in den Niederlanden). Die Beliebtheit von Chenin Blanc, Cabernet Franc und Grüner Veltliner nimmt insgesamt rapide zu. Diese Rebsorten erzeugen frische Weine mit geringerem Alkoholgehalt und passen besonders gut zu den heutigen Verbraucherpräferenzen.

Foto: Uwe Köster

Flasche entwickelt sich

Die Flasche ist nach wie vor das Format, das in den nächsten 24 Monaten wahrscheinlich den größten Umsatzzuwachs verzeichnen wird. Während die klassische 750ml-Flasche weltweit nach wie vor sehr beliebt ist (90%), erfreut sich die leichte Glasflasche vor allem in Kanada und Großbritannien großer Beliebtheit. Die Studie rechnet auch mit einer Zunahme des Anteils von Schraubverschlüssen (61%). Sie zeigt auch den deutlichen Rückgang des Dosenformats im Vergleich zu 2021, weltweit, aber mit minus 24 Prozent am stärksten in Großbritannien.

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Foto: Anna Stöcher Von Uwe Köster Foto: Adobe Stock/dudlajzov Foto: Adobe Stock/davit85 Foto: vgstockstudio/freepik.com

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