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Löw – sein letztes Turnier

ANGST VORM ALBTRAUM

Zum Ende seiner Karriere als Bundestrainer steht Joachim Löw vor einer denkbar schwierigen Aufgabe. Bei der EM muss er sich deshalb selbst noch mal neu erfinden.

Es ist seine letzte Mission als Bundestrainer. Nach der Europameisterschaft tritt Joachim Löw tatsächlich und freiwillig ab. Gut 15 Jahre und knapp 200 Länderspiele – so viele wie noch kein DFB-Trainer vor ihm – wird der 61-Jährige dann als wichtigster Coach im deutschen Fußball auf dem Buckel haben. Und eines steht schon jetzt fest: Die Aufgabe bei seinem Abgang könnte größer kaum sein.

Bereits in der Gruppenphase trifft das DFB-Team nämlich auf zwei Topfavoriten des Turniers: Weltmeister Frankreich und Titelverteidiger Portugal.

Wehmut verspürt Löw laut eigener Aussage nicht. „Ausschließlich Vorfreude“, sagte er. „Wir haben ihm viel zu verdanken und wollen Jogi den bestmöglichen Abgang ermöglichen“, schwört Ilkay Gündogan stellvertretend für viele, die Löw groß gemacht hat oder die mit ihm groß wurden. Bei den ersten fünf Turnieren seit seiner Amtsübernahme als vorheriger Assistent von Jürgen Klinsmann 2006 führte er die Mannschaft mindestens bis ins Halbfinale. 2008 bis ins Finale, 2014 bis zum Titel. 2018 folgte dann das desaströse Vorrundenaus bei der WM in Russland. Danach leitete Löw den (überfälligen) Umbruch ein und sortierte mit Jérôme Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller gleich drei verdiente Weltmeister überraschend aus. Zwar qualifizierte sich Deutschland souverän als Gruppensieger für die EM, kassierte im vergangenen Winter aber eine historische 0:6-Klatsche in der Nations League in Spanien. Doch damit nicht genug. Im März folgte ein peinliches 1:2 in der WM-Quali gegen den Fußballzwerg Nordmazedonien.

Vor seiner letzten Endrunde machte Jogi deshalb den Salto rückwärts, brach seinen Umbruch ab – und holte Müller und Hummels für das Turnier zurück. Beide sind wichtiger Bestandteil seiner Achse, die der Bundestrainer stets bei Turnieren bildete. Vor Torhüter Manuel Neuer und Hummels zählen Toni Kroos (Real Madrid), Joshua Kimmich (FC Bayern) und eben Müller dazu. Beim ersten EM-Test gegen Dänemark (1:1) spielten beide Rückkehrer durch.

Im knapp zweiwöchigen Trainingslager in Seefeld (Tirol) arbeitete Löw mit seinem Team neben den sportlichen Baustellen wie Standardsituationen auch am Zusammenhalt, der der Mannschaft vor drei Jahren in Russland abging, die Truppe aber beim WM-Sieg von Rio ausgezeichnet hatte. Der Bundestrainer: „Wichtig wird sein, dass wir eine Gewinnermentalität aufbauen. Jeder muss bereit sein, auch wenn er anfangs mal draußen sitzt. Das müssen wir leben, jeden Tag erfüllen, auch im Training. Das beste Beispiel waren 2014 Miro Klose, Mario Götze oder André Schürrle, die dem Team entscheidende Impulse geben konnten und immer darauf gebrannt haben, dass sie reinkommen, wie auch Christoph Kramer.“

Vor seiner letzten Mission zeigte sich Löw von Beginn der Vorbereitung an fokussiert und motiviert. Selten hatte man ihn in den Jahren zuvor so engagiert und laut auf dem Trainingsplatz erlebt. Immer wieder unterbrach er die Einheiten. Korrigierte, schimpfte, forderte. „Ich weiß, was es braucht, um bei einem Turnier erfolgreich zu sein“, sagte er. Foto: IMAGO/ Laci Perenyi

Um auch in der Hammergruppe mit Frankreich und Portugal zu bestehen, muss sich Löw noch mal selbst ein Stück weit neu erfinden, vor allem taktisch. Denn anders als in der Vergangenheit zählt das DFB-Team in diesem Jahr sicher nicht zu den Topfavoriten. DFB-Direktor Oliver Bierhoff lobte seinen wichtigsten Angestellten im Trainingslager: „Jogi stellt sich immer wieder neu auf die Mannschaft ein und merkt, dass sie eine andere ist als von 2010 bis 2018. Zumal wir bei der EM gleich gegen den Welt- und den Europameister spielen.“

Auch in Anbetracht der Gruppengegner ist es nicht unwahrscheinlich, dass Löws Ära eher in einem Alptraum statt in einem Märchen endet, bevor ihn sein ehemaliger Assistent Hansi Flick beerbt. So oder so wird von ihm aber nicht nur der vierte Stern hängenbleiben, den er dem Land beschert hat. Denn Löw war auch in den nicht so erfolgreichen Zeiten immer einfach ein guter Typ.

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Jahre lang leitet Joachim Löw die Geschicke des DFB-Teams als Bundestrainer.

Hansi Flick steht schon in den Startlöchern

Nach der EM schließt sich das Kapitel Joachim Löw beim DFB. Als sein Nachfolger steht Hansi Flick bereits in den Startlöchern. Für Flick ist es eine Rückkehr. 2006 machte ihn Löw nach dem WM-Sommermärchen und der eigenen Beförderung zum Bundestrainer zu seinem Assistenten. Flick stand bereits schon einmal als verantwortlicher Coach bei einem wichtigen Länderspiel an der Seitenlinie. Als Löw im EM-Viertelfinale 2008 von der Uefa gesperrt war, gewann die Nationalmannschaft mit ihm als Aushilfscoach in Basel 3:2 gegen Portugal.

Die ersten Länderspiele als richtiger Chef stehen für Flick nun in der WM-Qualfikation im September gegen Liechtenstein, Armenien und Island an. Flick begleitete Löw bis zum WM-Triumph 2014 in Brasilien, an dem er als taktischer Ideengeber maßgeblich beteiligt war, als Assistent. Dann stieg er beim DFB zum Sportdirektor auf. 2017 verließ der ehemalige Bayern-Profi überraschend den Verband. Ein halbes Jahr später wurde er Geschäftsführer bei der TSG Hoffenheim.

Beim FC Bayern stieg Flick 2019 als Co-Trainer von Niko Kovac wieder ein und wurde nach dem Aus des Kroaten zunächst Interimschef. Flick schrieb eine ungeahnte Erfolgsgeschichte mit sieben Titeln in 18 Monaten – darunter der Champions-League-Triumph 2020 in Lissabon.

Hansi Flick (r.) löst seinen ehemaligen Chef Joachim Löw nach der EM ab. Foto: IMAGO/MIS

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