Typography | Basics

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TYP OGR AFIE 1



INHALT 4

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B Proportionen und Abstände

Mikrotypografie

Kompositionen mit Schrift

ntwicklung der lateinischen E Schrift über historische Formen

nwendung der historischen A Formen in zeitgemäßem Design

Klassifikation von Satzschriften

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B Proportionen und Abstände bungen mit der Lapidarform Ü der römischen Capitalis

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Proportionen und Abstände bungen mit der Lapidarform Ü der römischen Capitalis

Nachdem wir die einige Informationen über die geschichtlichen Hintergründe der Typografie und die wichtigsten Grundlagen gelernt haben, ist es so weit: Die allererste Aufgabe steht an. Es geht um Proportionen und Abstände einer Schrift, die wir anhand der Römischen Lapidar erkennen lernen und verinnerlichen sollen. Die Lapidar-Schrift ist die Skelettform der römischen Capitalis; auch Capitalis Monumentalis genannt. Aber über diese erfahren wir später mehr.

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Ein Ziel dieser Übung ist es, die unterschiedlichen Grundformen der Römischen Versalschrift zu erlernen. Wichtig ist aber auch, dass die relative Breite der Buchstaben, die in Schaftbreiten angegeben wird, in ihrem Verhältnis zueinander eingeschätzt werden kann. Dies ist vor allem im Fließtext sehr hilfreich.


Erste Versuche, die Proportionen der Grundformen der Römischen Lapidar darzustellen. Am Anfang war es gar nicht leicht, gleichzeitig gerade, senkrechte Striche zu ziehen und gleichzeitig auf die Proportionen und den Zeichenabstand zu achten. Den motorisch handwerklichen Fähigkeiten, wie Kreise und gerade Linien ohne Hilfsmittel zu ziehen, wird hierbei auf den Zahn gefühlt. Die Versalienhöhe und der Zeilenabstand betragen jeweils 2 cm.

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Proportionen und Abstände bungen mit der Lapidarform Ü der römischen Capitalis

Um ein Gefühl für einen optischen Zeichenabstand zu entwickeln, war es in der zweiten Übung wichtig, die Linearformen der Römischen Lapidarform im Textzusammenhang zu schreiben. Für den digitalen Satz ist diese Fähigkeit außerordentlich wichtig, da sie bei der Beurteilung von Schriften und Schriftstrukturen eine große Rolle spielt.

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Wichtig war dabei natürlich immer die korrekte Wiedergabe der typischen Proportionen, was auf dem rechten Bild besser gelungen ist. Vorgaben: Versalienhöhe: 2 cm, Zeilenabstand: 1 cm Optisch ausgeglichene Zeichen- und Wortabstände


Diese Übung zeigt, dass die Lesbarkeit bei engem Zeichen- und Zeilenabstand stark beeinträchtigt ist. Wenn es jedoch nicht auf die Lesbarkeit ankommt, kann Schrift auch als rhythmisch-dekoratives Gestaltungselement eingesetzt werden. Vorgaben: Versalienhöhe: 2 cm Minimaler Zeichen- und Zeilenabstand

Als Abschlussaufgabe war es unser Auftrag, ein in der vorherigen Übung angefertigtes Schriftmuster mehrmals zu kopieren und anhand einiger Buchstaben auszuprobieren, wie man durch farbige Markierung der Abstands- und Binnenräume eine interessante Struktur erzeugen kann. Ob der Einsatz der Farben und Farbspektren nach bestimmten Regeln erfolgte, war uns überlassen.

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Mikrotypografie efinition D Ortho-Typografie // Die h채ufigsten Fehler

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Mikrotypografie Definition

Der Begriff „Mikrotypografie“ meint die Gestaltung zwischen Buchstaben, Zeichen, Wörtern und Zeilen.

In diesem Kapitel werden die häufigsten mikrotypografischen Fehler sowie einige ergänzende Regeln aufgezählt.

Sie ist ein Segment der angewandten Typografie, die auch als „Detailtypografie“ bezeichnet wird. Sowohl die Typometrie von Buchstaben, Ziffern und Sonderzeichen, als auch deren ins Detail gehende Anwendung im Schriftsatz wird zur Mikrotypografie gezählt.

Der Sinn ist dabei nicht, alle MikrotypografieRegeln bis ins Detail auswendig zu lernen, sondern einen groben Überblick über die wichtigsten Fehler und Regeln zu erhalten. Und natürlich aus den Fehlern ‒ deren man sich selbst gar nicht bewusst ist ‒ zu lernen.

Die Detailtypografie ist nicht nur wichtig für Kalligrafen, Setzer und Grafiker; in allen Bereichen der digitalen und analogen Dokumentation spielt sie eine sehr wichtige Rolle, da sie großen Einfluss auf die Nutzbarkeit und Lesbarkeit des Dokuments hat.

Wir beginnen auf der rechten Seite mit einer der wichtigsten Grundlagen ‒ der Anatomie der Buchstaben.

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Der Text mit den häufigsten mikrotypografischen Fehlern folgt auf der nächsten Seite. Anhand von ihm werden einige wichtige Regeln der Detailtypografie beispielhaft erklärt.


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Mikrotypografie rtho-Typografie // O Die häufigsten Fehler

Jemand musste ′n Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er ΄n Böses getan hätte, wurde er eines SCHLIEßLICH Morgens verhaftet. »Wie ein Hund!« sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren fleißigen Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper - durchtrainiert vom Sport - dehnte. »Es ist ein eigentümlicher Apparat«, sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem‒gewissermaßen‒bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat. Sie hätten von 1998-2000 noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob ein schweres, geknotetes Tau vom Boden, drohte i h n e n d a m i t u n d h i e l t s i e d a d u r c h v o n d e m S p r u n ge ab. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr zurückgegangen. Aber sie überwanden sich, umdrängten den Käfig und wollten sich gar nicht fortrühren. Jemand musste Josef K. z. B. verleumdet haben, denn ohne... dass er etwas Böses getan hätte. . .wurde er eines Morgens verhaftet. ″Wie ein Hund!″ sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. Als Gregor Samsa eines Morgens aus ‚unruhigen’‚ Träumen "erwachte", fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen z.B. wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten

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Zur Veranschaulichung und besseren Übersichtlichkeit der mikrotypografischen Fehler in diesem Text wurde er in 14 Pt gesetzt. Der Zeilenabstand ist hier viel zu groß; das spielt bei dieser Aufgabe aber keine Rolle.

Fehler

richtiges Beispiel

Regel

falsche Apostrophe

Jemand musste ’n Josef K.

Der Apostroph (Auslassungszeichen) darf nicht mit dem einfachen deutschen Anfüh-

ß im Versalsatz

wurde ein SCHLIESSLICH Morgens verhaftet.

rungszeichen oder dem Fuß- bzw. Minuten-Zeichen verwechselt werden. Das scharfe ß ist ein Kleinbuchstabe. Er darf weder bei Versalsatz noch bei Kapitälchensatz verwendet werden ‒ das wäre, wie wenn man TYPOGRAfiE schreiben würde. So wie die Kapitälchen und Großbuchstaben aus dem Computer kommen, sind sie zu eng gesetzt. Sie ergeben störende Flecken im Satzbild. Deshalb müssen sie etwas

ß im Kapitälchensatz, falsche Kapitälchen Schrift schräggestellt statt echter Kursiver

Divise als Gedankenstriche

Gedankenstriche ohne Abstand Divis als Bis-Strich

zu einem ungeheuren fleissigen Ungeziefer verwandelt. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten ihren Körper ‒ vom Sport durchtrainiert ‒ dehnte in Kassel-Eppstein. einem ‒ gewissermaßen ‒ bewundernden Blick Sie hätten von 1998 ‒2000 bei ‒ 8° für 120, ‒ noch ins Boot springen können.

zu weite Zeile

gesperrt werden.

Die Kursive ist eine Schriftform mit einer eigenen Entstehungsgeschichte. Eine elektronisch „verschiefte“, d.h. elektronisch schräggestellte Schrift ist keine Kursive, sondern ein Mißverständnis.

Der Gedankenstrich als Denkpause oder zur Abgrenzung von Einschüben darf auf gar keinen Fall mit dem Divis (Trennungsstrich) verwechselt werden. Das Divis ist ein kurzer Trennungs- und Bindestrich zwischen zwei Kuppel-Wörtern.

Der Gedankenstrich steht zwischen zwei Wortzwischenräumen, außer in Verbindung mit Interpunktionszeichen. Als Streckenstrich wird der Gedankenstrich ohne Wortabstände gesetzt; er dient auch als Minuszeichen und Auslassungszeichen für Zahlen.

Im Blocksatz z.B. sind mehrere Trennungen hintereinander viel weniger störend als lörchrige Zeilen. Für sinnvolle Trennungen kann man im Blocksatz kaum sorgen ‒ das Ergebnis wäre löchriger, lesehemmender Satz.

zu enge Zeile

Auch zu enge Zeilen sind schlecht lesbar, da die Buchstaben dann zusammenfließen und der Text vielmehr als Struktur und nicht als einzelne Wortbilder wahrgenommen

Abkürzung mit zu großem Abstand / Auslassungspunkte zu eng und zu weit

Jemand musste Josef K. z. B verleumdet haben, denn ohne…

wird. Abkürzungen dürfen weder am Zeilenende getrennt werden, noch dürfen innerhalb Wortzwischenräume verwendet werden. Lediglich kleinere, feste Abstände ‒ die auf keinen Fall wegfallen dürfen. Wenn die Punkte für ausgelassene Wörter stehen, werden sie zwischen Wortabstände gesetzt. Wenn sie für ausgelassene Wortteile stehen, sind sie direkt angehängt. Meist

falsche Anführungszeichen

„Wie ein Hund!“

müssen sie etwas gesperrt werden. Ein folgender Schlusspunkt wird mit einem Wortzwischenraum abgetrennt und kann, bzw. sollte dann wegfallen.

Zeile durch Sperrung auf Spaltenbreite gebracht Abkürzung ohne Abstand

Die deutschen Anführungszeichen dürfen weder durch das Zollzeichen ersetzt werden, noch dürfen sie in der falschen Anordnung gesetzt werden. Korrekt sehen sie so aus: „ “ Sperren ist eine Auszeichnungsart. Durch das Aufteilen des Restraums einer Zeile auf die Blocksatz-Zeilenbreite wird die Zeile gesperrt und damit zufällig ausgezeichnet.

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Kompositionen mit Schriften Analoge Postkarten Digitale Postkarten

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Kompositionen mit Schriften Postkarten gestalten // analog

Nun dürfen wir unsere ersten erlernten typografischen Fähigkeiten gleich umsetzen: Unsere Aufgabe ist es, drei Postkarten im Format DIN lang (210x105mm) zu gestalten, die bestimmte Kriterien erfüllen müssen. Diese Kriterien beziehen sich auf Schriftschnitt, Schriftgröße und die Schrift selbst. Natürlich geht es bei dieser Aufgabe auch um den Ausbau kompositorischer Fähigkeiten. Um uns nicht ganz ins kalte Wasser zu schmeißen, nennt uns Frau Wagner einige Gegensatzpaare, durch die Spannung in der Komposition erzeugt werden kann. Dazu bekommen wir einige A4 Blätter, auf denen die zu verwendenden Schriftschnitte, Schriftgrößen, Leerzeilen und Schriften abgebildet sind. Diese analoge Vorübung ist Vorläufer für die nächste Aufgabe, in der es um die digitale Umsetzung geht.

Auf der ersten Postkarte waren lediglich die Schriftschnitte variabel. Es durften keine unterschiedlichen Schriftgrößen verwendet werden o.ä. Zudem war nur eine ausschließlich horizontale oder vertikale Anordnung erlaubt.

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Die zweite Postkarte war von den Vorgaben her ähnlich; verschiedene Schriftschnitte waren erlaubt, jedoch keine verschieden großen Schriften. Jetzt durften die einzelnen Schriftfragmente jedoch horizontal und vertikal angeordnet werden.

Die dritte und damit letzte analoge Postkarte war frei von allen Vorgaben. Weder Schriftschnitt noch Schriftgröße oder Anordnung spielten eine Rolle. Jetzt konnten wir beweisen, wie kreativ wir mit unseren kompositorischen Fähigkeiten umgehen können.

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Kompositionen mit Schriften Postkarten gestalten // digital

Carina Mähler Heimlich,Schnell und Laut

Auf die analoge Vorübung folgt die digitale Fortsetzung. Die Aufgabe ist nun, eine rhythmische Komposition mit Lyrik-Texten zu erzeugen. Pro Karte soll ein Gedicht oder eine Strophe eines Songs ausgewählt und verwendet werden. Dabei ist freigestellt, ob drei mal dieselbe Passage verwendet wird oder nicht. Voraussetzung für alle Karten ist das Format DIN lang (210x105mm), sowie schwarze Schrift auf weißem Grund oder umgekehrt. Weil es weder zu Anordnung, Richtung, Zeilenabstand oder Laufweite Vorgaben gibt, muss eigenständig entschieden werden, wie der Inhalt des Gedichts am besten zur Geltung kommt. Wichtig wird jetzt natürlich die Mikrotypografie.

Es ist Juli und die Sonne scheint. Ich sitze im Auto auf dem Weg zu Opa.

‗ Breite der Ränder ringsherum planen ‗ Kleine Formate = kleine Schriftgrößen? ‗ Nicht vergessen: Name des Autoren und Titel ‗ Symmetrie und Asymmetrie nicht mischen ‗ Sinnvolles Verhältnis von Zeilenabständen und Weißräumen ‗ Schriftmischungen müssen Kontrast zeigen ‗ Textwiederholungen vermeiden ‗ Rahmen aus Linien erzeugen eine starke Abgrenzung; sie gehen keine Verbindung mit anderen Elementen in der Komposition ein

Weiß ich, danke.

Ich fahre um die 200km/h und meine Playlist ist auf Zufallswiedergabe gestellt.

Anschließend gibt uns Frau Wagner noch einige gestalterische Tipps:

Die zusätzlichen Bedingungen für die erste Postkarte waren ein einheitlicher Schriftschnitt sowie eine einheitliche Schriftgröße für den gesamten Text. Die Ausrichtung war hier aber wiederum variabel.

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Es war Januar, kalt und grau.

Ein neuer Track fängt

Ein perfektes Wetter zum Sterben.

Ich erkenne Bon Iver „Wolves (Act I & II)“ — mein „Oma-ist-gestorbenSong“. Und mir fällt auf, ich fahre zu Opa, nicht zu Euch. Nur zu Opa. Du wirst nicht da sein. Das hatte ich erfolgreich verdrängt. Dass du nicht mehr da bist, habe ich das letzte halbe Jahr wirklich gekonnt ignoriert.

Als ich das letzte mal bei euch war, war zu deiner Beerdigung.

Die zweite Postkarte erforderte eine einheitliche Größe für den gesamten Text. Der Schriftschnitt war hier wieder variabel.

Wie auch die letzte analoge Postkarte ist auch die dritte digitale Postkarte frei von allen Vorgaben. Lediglich die allgemeinen Voraussetzungen mussten beachtet werden.

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ntwicklung der lateinischen E Schrift Ăźber historische Formen apitalis Monumentalis C Capitalis Rustica Capitalis Quadrata RĂśmische Unziale Karolingische Minuskel Textura Quadrata Humanistische Minuskel Humanistische Kursive

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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen ie Capitalis Monumentalis und D unser Alphabet

Um die Entwicklung der lateinischen Schrift über ihre historischen Formen nachvollziehen zu können, gebe ich Ihnen an dieser Stelle einige geschichtliche Hintergrundinformationen auf den Weg. Entstehung der Schriftformen Das im 3. Jahrhundert vor Christus entstandene Kürzel für die Zeichnung eines Stierkopfs führt über verschiedene Formen bis zum 15. Jahrhundert schließlich zu einem abstrakten Zeichen für einen bestimmten Laut. Nämlich zum A, das wir heute kennen.

Entwicklung der abendländischen Schrift Angefangen vom ersten Alphabet, das um 1200 vor Christus in Phönizien entstand, ist das wohl wichtigste Ereignis in der Schriftgeschichte die Übernahme des etruskischen Alphabets durch die Römer. In diesem Alphabet kristallisieren sich die Grundformen der späteren Capitalis schon sehr stark heraus.

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Das lateinische Alphabet Eines der schönsten Beispiele für die Capitalis Monumentalis ist die Inschrift vom Sockel der Trajansäule in Rom. Das älteste lateinische Alphabet umfasste 21 Buchstaben, die im Laufe der Zeit von den Römern und späteren Epochen bis auf unsere heutigen 26 Buchstaben erweitert wurden.

Die Trajansäule 112/113 nach Christus wurden die Buchstaben dieser Inschrift direkt auf die mit dem Pinsel vorgezeichneten Formen in Stein gemeißelt. Und zwar in den Sockel der Trajansäule auf einem Format von – sage und schreibe – 2,74 Metern Breite und 1,15 Metern Höhe.

Doch die Römer formten das Großbuchstabenalphabet derart vollkommen, dass alle Buchstaben bis heute noch so verwendet werden und kaum Verbesserungen stattgefunden haben.

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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen ie Capitalis Monumentalis // D Der Aufbau

Die Capitalis Monumentalis Die Entstehung der römischen Kapitalschrift ist also auf das erste Jahrhundert vor Christus datiert. Sie ist die dritte der römischen Schriften und fand sowohl Verwendung für Inschriften in Stein, als auch in der Pinselschrift. Sie verkörpert mit ihren exakt berechneten Proportionen nicht nur die Macht des Imperiums des alten Rom, sondern macht sich dadurch auch zur erhabensten aller Schriften.

Konstruktions- und Grundmuster Alle Buchstaben der Römischen Capitalis basieren auf der Form eines Quadrates und dessen Teilungen. Es entstehen dadurch Buchstaben–Individuen mit sehr unterschiedlicher Breite und damit stark rhythmisierte Wortbilder. Obwohl die ersten Antiqua–Schriften die typischen Verhältnisse noch beibehielt, folgte ein immer stärkeres Angleichen der Buchstaben untereinander in Proportion und Form. Im 19. Jahrhundert fand schließlich die schematische Gleichschaltung statt.

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Der Aufbau Wie wir schon im ersten Kapitel „Proportionen und Abstände“ gelernt haben, steht die relative Breite der Buchstaben in einem gewissen Verhältnis zueinander. Dabei entspricht die Breite eines Buchstabens – mit Serifen – einer Schaftbreite. Daraus ergibt sich wiederum das „Gewicht des Buchstabens“, das das Verhältnis zwischen der Breite des Schaftes und der Höhe des Buchstabens definiert. Auf der Trajansäule betrug dieses Verhältnis knapp 10:1.

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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Capitalis Monumentalis

Die erste Übung soll den Umgang mit der Feder, der Federhaltung und dem Druck erleichtern. Es werden erst einmal viele senkrechte Striche nebeneinander gezeichnet. Der Druck auf die Feder soll von oben nach unten abnehmen; bis zur Mitte. Danach soll er wieder zunehmen. Am Anfang fällt es mir sehr schwer, unter Beachtung der Federhaltung die Proportionen und Abstände der Capitalis Monumentalis zu schreiben.

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Üben, üben, üben. Langsam nimmt das ganze eine ansehnliche Gestalt an. Die Buchstaben sind hier schon deutlich gerader, die Strichstärken nehmen ihre typischen Breiten an und auch die Laufweite ist deutlich besser. Das perfekte Ergebnis wird auf der nächsten Seite präsentiert.


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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Capitalis Rustica

Auch die Capitalis Rustica hat ihren Ursprung, wie die Capitalis Monumentalis, in der römischen Epoche. Sie ist beinahe identisch mit ihrem Vorgänger, der griechischen Unziale. Durch ihre vielseitige Verwendbarkeit als Denkmalschrift und schnell schreibbare Kursivschrift war sie für den Gebrauch der frühen christlichen Kirche wie gemacht. Sie war sozusagen die Schnittstelle zwischen Capitalis Monumentalis und der Humanistischen Kursiven.

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Vom ersten bis zum fünften Jahrhundert war sie die Buchschrift, was sich aber mit der Etablierung des Christentums als Staatsreligion schlagartig änderte. Bis zum 12. Jahrhundert wurde sie nur noch in Überschriften eingesetzt. Durch ihren einfachen Duktus, der sich von allen anderen Schriften deutlich abhebt, erweist sich die Capitalis Rustica als die Schrift mit der „größeren Schreibgeschwindigkeit“ im Vergleich mit der Capitalis Quadrata. Auch mit Schreibmaterialien wie Rohrfedern oder Pinseln lässt sie sich gut schreiben.


Dies ist ein seltenes Beispiel eines Vergil-Manuskriptes, was aus der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts stammt. Anhand dieses Beispiels lassen sich die typischen Eigenschaften der Capitalis Rustica gut erkennen: – die Buchstaben weisen stark unterschiedliche Strichstärken auf; die Gewichtung von breiten und schmalen Strichen variiert sehr stark – es gibt keine Serifen, nur Querstriche – die eng laufenden Majuskeln haben stark betonte Endungen und erzeugen dadurch ein dunkles, ebenmäßiges Textbild

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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Capitalis Rustica

Die ersten Versuche, der großen Schreibgeschwindigkeit der Capitalis Rustica gerecht zu werden, misslingen zum Großteil. Die stark betonten Endungen sind hier wohl doch etwas zu gut gemeint. Abgesehen davon stimmt weder Laufweite noch Wortabstand.

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Nun heißt es wieder üben, üben und nochmal üben. Die stark betonten Endungen sind hier nicht mehr ganz so stark, dafür kippt die gesamte Schrift optisch nach links. In der Endversion auf der rechten Seite habe ich versucht, alle diese aufgezählten Missstände zu beheben und das Textbild zu perfektionieren.


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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Capitalis Quadrata

Die Capitalis Quadrata ist die römische Handschrift für das späte vierte Jahrhundert. Innerhalb der Entwicklung der römischen Schriften nimmt sie eine Sonderstellung ein, da sie weder Vorläufer noch Nachfolger besitzt. Über Dauer, Verwendung oder stilistische Entwicklung sind sehr wenige Informationen erhalten geblieben; lediglich zwei Beispiele. Nachdem das Manuskript „Georgica“ Ende des vierten Jahrhunderts in der Quadrata geschrieben wurde, weiß man nicht, ob die Schrift auch im fünften Jahrhundert Verwendung fand.

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Warum sie die kurzlebigste aller römischen Schriften war, könnte an der zeitaufwändigen Konstruktion der Buchstaben gelegen haben. Durch vielfach wechselnden Federwinkel musste der Schreiber eine Portion Geduld mitbringen, um mit dieser Schrift fertig zu werden. Orientiert hat man sich eher an die in Stein gemeißelten Buchstaben als an denen der Vorgänger. Das lässt sich auch an der Tafel von San Sebastiano auf der rechten Seite deutlich erkennen; Winkel der Strichführung und Proportionen stimmen nicht mit denen geschriebener Buchstaben überein.


Diese Tafel von San Sebastiano entstand zwischen 366 und 384 und schm端ckt die gleichnamige Kirche in Rom. Bei genauerem Hinsehen erkennt man phantasievolle Ligaturen einiger Buchstaben, zum Beispiel von N-T, H-R, V-A oder T-E. Auch die Art und Weise, in der Buchstaben in andere integriert sind, ist beeindruckend.

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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Capitalis Quadrata

Die wichtigen Merkmale der Capitalis Quadrata wie Erhabenheit oder die Anmut durch offene Buchstabenformen kommt hier noch nicht so richtig zum Ausdruck. Wenn auch die Buchstabenabstände noch nicht ganz klar sind, ist das Grundprinzip zur Erzeugung breiterer Abstriche und horizontaler Haarstriche durch eine horizontale Federhaltung eingehalten.

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Die typische Kombination breiter Striche und geschwungene, zarte Haarstriche kommt hier schon besser zum Ausdruck. Die Serifen sind gerade und klar. Das Endprodukt auf der rechten Seite verkörpert beinahe alle typischen Merkmale der Quadrata in einer sehr guten Ausführung.


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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Römische Unziale

Der Ursprung der Entstehung der Römischen Unziale geht auf das zweite und dritte Jahrhundert in Nordafrika zurück. Sie gilt als die spätrömische Buchschrift, hat sich aber lang vorher schon in England etabliert. Genauer gesagt im Jahr 313, als das Christentum die Staatsreligion wurde, etablierte sie sich als entscheidende Buchschrift. Sie wird die offizielle Schrift der christlichen Kirche.

Da von der „Littera Uncialis“ um die 400 Beispiele erhalten geblieben sind, konnte man die erkenntliche Übereinstimmung mit der griechischen Unziale kaum übersehen. Ihr Name geht auf den heiligen Hieronymus zurück – den Verfasser der lateinischen Bibelübersetzung. „Unica“ bedeutet so viel wie „Zoll“ oder „zollhoher Buchstabe“. In der Unzialschrift liegen die Anfänge für unsere heutigen Kleinbuchstaben.

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Dieses Vespasian-Psalter, das aus dem frühen achten Jahrhundert, aus Canterbury stammt, verdeutlicht die Herkunft unserer Minuskeln nochmals: Die Buchstaben weisen verschiedene Oberlängen auf und keine Serifen wie bei den Majuskeln.

Im Gegensatz zur komplizierteren Version der Römischen Unziale, bereitet die römische Unzialschrift der Feder keine Schwierigkeiten. Sie muss zwar öfter gedreht werden und die Schrift ist geprägt von einem häufig wechselnden Ansatzwinkel.

Merkmale wie der Kontrast zwischen den breiten Diagonalen und den Haarstrich feinen Vertikalen, die ausgeprägten Rundungen und die im Vergleich zur humanistischen Kursiven kurzen Ober- und Unterlängen werden hier besonders deutlich gemacht.

Dennoch verläuft die Schrift bilinear; das heißt zwischen zwei horizontalen Linien.

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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Römische Unziale

Diese Übung zeigt die Versuche, die kalligrafische Unziale, die kompliziertere Version der Unziale, nachzumachen.

Der Kontrast zwischen breiten Diagonalen und schmalen Vertikalen kommt noch nicht so heraus wie erhofft, aber die Grundlage ist geschaffen.

In dieser Phase habe ich noch versucht, eine für mich passende x-Höhe mit Ober- und Unterlängen zu finden. Das ist gar nicht so leicht wie gedacht.

Auch das letzte Blatt der Römischen Unziale ist noch nicht perfekt – aber zumindest auf einem Weg dorthin.

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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Karolingische Minuskel

Entwickelt wurde die karolingische Minuskel von Alkuin von York im achten Jahrhundert. Sie sollte als reformierte Version der Halbunziale dienen. Grundlegender Unterschied der beiden Schriften war der Federschnitt: für die karolingische Minuskel eignete sich eine gerade geschnittene Feder, die eine gleiche Strichstärke erzeugt. Nach dem Untergang des römischen Reiches, baute sich Karl der Große das Frankenreich auf, in dem das reformierte Alphabet schnell zur Schrift des ganzen Reiches wurde.

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Nach und nach wurde sie sogar die dominierende Schrift Europas; bis sie nach England kam dauerte es allerdings ein bisschen länger. Im zehnten Jahrhundert fand sie auch Einsatz in lateinischen Texten. Das nächste Jahrhundert bedeutete die Komprimierung der Minuskel: es wurde die Grundlage für die gotische Schrift und die Rotunda geschaffen. Das typisch eckige, gleichförmige Aussehen der Fraktur-Schriften klang stark an.


Die Grandval-Bibel zeigt die beispielhaften Buchstaben der karolingischen Minuskel im Detail. Dabei bilden sich verschiedene Merkmale heraus: – das „N“ gleicht einer Majuske – klare, eindeutige Buchstabenformen – kleinere Punzen – größere Ober- und Unterlänge – leichte Rechtsneigung (bei Ober- und Unterlängen) – Mittellänge orientiert sich an der Ober- und Grundlinie – offene Rundformen

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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Karolingische Minuskel

Leicht zu schreiben wäre die karolingische Minuskel, habe ich gelesen. Dieses Beispiel beweist das glatte Gegenteil. Nachdem ich mich an den falschen Vorgaben orientiert hatte, sind die Endungen etwas sehr stark betont worden. Die Wortabstände sind zwar schon recht klar, aber der Aspekt der Lesbarkeit wird noch stark vernachlässigt.

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Da diese Schrift die Funktion hatte, einen problemlosen schriftlichen Austausch zu bewerkstelligen, muss sie demnach gut leserlich und zugleich schnell schreibbar sein. Wenn man diese Kriterien beide gleichzeitig umzusetzen versucht, kommt so etwas heraus wie im zweiten Bild. In der dritten Übung wirken Buchstaben schon schlichter, die Wortabstände klarer und Ligaturen sind so gut wie keine mehr vorhanden.


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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Textura Quadrata

Alles beginnt im 13. Jahrhundert, als sich die frühe, gotische Schrift zur Textura Quadrata entwickelt. „Black Letter“ wird sie auch genannt; das bedeutet so viel wie „eckig“, „keine kursiven Elemente“. Das charakteristische Erscheinungsbild der Black Letter ist geprägt durch die Gleichmäßigkeit eines Gewebes, was „Textura“ bedeutet. Mit der Textura vollzieht sich ein revolutionärer Wandel in der Kalligrafie: Der Schwerpunkt der Schrift lag nun nicht mehr auf der Lesbarkeit, sondern die Wirkung der Letter als gewebeähnliche Fläche stand im Vordergrund.

Bis ins 16. Jahrhundert verwendet man die Frakturschrift für anspruchsvolle, ligaturische Manuskripte. Ihr Niedergang jedoch war vorherzusehen, als kleinere Bücher gefordert wurden. Die Schriftgröße war einfach zu groß. Im 20. Jahrhundert begegnet die Textura uns in Form von geschnittenen Buchstabe; auch in der Glasmalerei, auf Urkunden oder als Titel von Zeitungen begegnet uns die Fraktur immer noch oft.

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Das Pontifikal von Metz ist eine Seite aus einem französischen Manuskript aus dem frühen 14. Jahrhundert. Die Textur wirkt besonders edel, da genauestens auf Abstände und die Höhen der Mittellängen geachtet wurde. Dadurch entsteht eine gleichmäßige, gewebeartige Fläche aus Schrift. Im Zusammenhang mit der Textura ist übrigens auch unser heutiger „i-Punkt“ entstanden. Der charakteristische, gleichförmige Verlauf der Texturbuchstaben forderte nämlich ein Unterscheidungskriterium zwischen l und i. Man entschied sich für einen Strich über dem Stamm, der sich im 14. Jahrhundert zum Punkt entwickelte.

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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Textura Quadrata

Die charakteristischen Merkmale der Textura Quadrata werden gleich in der ersten Übung weitgehend erfüllt. Die eckige Schriftführung, die uns sofort an das Mittelalter erinnert, die gleiche Strichstärke und die quadratförmigen Füße der Mittellängen sind gar nicht mal so schlecht getroffen. Jedoch wirkt das gesamte Schriftbild so noch viel zu locker und „durchscheinend“. Wichtig ist die dichte Strichführung, die folgende Regel befolgen sollte: Punzen und Buchstabenabstände eine Strichstärke breit. Wortabstand zwei Strichstärken. Das ist auf der rechten Seite sehr gut gelungen. Zusammengefasst sollten die Letter der Textura folgende Eigenschaften aufweisen: – formell, senkrechte Buchstaben – gleiche Strichstärke – keine Rundungen – Durchbrechen des gesamten Charakters durch Haarstriche – gespaltene Oberlängen – quadratische Köpfe und Füße

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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Humanistische Minuskel

Die „Littera Antiqua“ hatte mit der Capitalis Monumentalis zusammen den größten Einfluss auf die Gegenwart. Auf die beiden Schriften wird die Prägung des Grundgerüstes für Groß- und Kleinbuchstaben zurück geleitet. Ihr Ursprung liegt in der Wiederentdeckung der karolingischen Minuskel; die humanistische Minuskel ist ein direkter Abkömmling von ihr. Die allererste ihrer Art wurde 1370 von Francesco Petrarca erschaffen.

Die helleren, an die Renaissance erinnernden Buchstaben nahmen nach und nach den Platz der gotischen Schriften ein, die ein dunkleres Gesamtbild auszeichnet. Obwohl die humanistische Minuskel wie keine andere Schrift den geistigen Idealen der Zeit entsprach, war die Akzeptanz am Anfang noch sehr zäh. Keiner wusste, dass diese Schrift einmal einen tiefen, prägenden Einfluss auf die Schrift der Gegenwart haben würde. Nach 1470 schaffte sie schließlich den Durchbruch.

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Das Beispiel „Stundenbuch“ wurde ungefähr um 1500 in Bologna geschrieben. Zu dieser Zeit orientierte sich die Typografie an den handgeschriebenen Schriften. Die Verzierungen und leuchtende Farben verdecken beinahe die Erhabenheit der Schrift. Durch eine horizontal gehaltene Feder entstanden flache Serifen am Kopf der Oberlänge. Die Versalien, die oft am Satzanfang stehen, gehen auf die römischen Buchstaben zurück. Zudem besitzen sie den gleichen Duktus wie die Minuskeln und waren so hoch wie die Oberlängen der Minuskeln. Dies galt es auch strikt einzuhalten.

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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Humanistische Minuskel

Da ich mir für die humanistische Minuskel die Beispielformen aus dem Buch „Eine Anleitung zur Kalligrafie“ zum Vorbild genommen habe, ist es schwierig zu beurteilen, in wie weit die Buchstabenformen mit den uns vorgegebenen Beispielblättern übereinstimmen. Die erste Übung ist aufgrund ihres geringen Zeilenabstands kaum lesbar. Die typischen runden, offenen Proportionen sowie die großen Unter- und Oberlängen sind berücksichtigt worden.

In der zweiten Übung wird ein größerer Zeilenabstand angelegt, was deutlich zur Lesbarkeit beiträgt. Dafür ist die humanistische Minuskel auch ursprünglich ausgelegt; für kleine Schriftgrößen. Die klaren, nicht verbundenen und gleichzeitig offenen Buchstaben sind gut getroffen. Ober- und Unterlängen sind nicht übertrieben lang und der Zeilenabstand ist – wie schon erwähnt – gleichmäßig und klar.

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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Humanistische Kursive

Die Humanistische Kursive wird wohl immer eine Inspirationsquelle für den modernen Kalligrafen bleiben. Genannt wird sie „Cancellaresca Corsiva“, „Littera di Brevi“ oder einfach humanistische Kursive. Sie ist ein direkter Abkömmling der humanistischen Minuskel, wurde aber 1420 von Niccolo Niccoli in Italien mit dem Ziel erfunden, die bisherige Schreibgeschwindigkeit zu erhöhen.

Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Kursive zu einer eigenständigen Schrift und brachte unter anderem auch die englische Schreibschrift (Copperplate) hervor. Niccoli wagte eine grundlegende Veränderung des As. Er machte aus dem bisherigen zweistöckigen A ein einstöckiges. Es entsprach mit seiner Höhe der Mittellänge und ähnelte einem a mit einer Unterlänge.

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Der Katalog für Drucklettern, der 1990 von Christopher Haanes (norwegischer Kalligraf) verfasst wurde, ist eines von vielen Beispielen für die humanistische Kursive. Haanes erzeugt Harmonie zwischen Großbuchstaben und Minuskeln, indem er die Höhe der Majuskeln anpasst und nur etwas die Mittellänge überragen lässt.

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ntwicklung der lateinischen Schrift E über historische Formen Humanistische Kursive

Das entscheidende Kriterium der humanistischen Kursiven wurde hier nicht eingehalten. Die Mandelform ist hier wohl eher eine Birnenform.

Die Mandelform kristallisiert sich bei der zweiten Übung schon deutlicher heraus; sie ist aber noch nicht mandelförmig genug.

Die Neigung nach rechts ist zudem nicht gleichmäßig; es scheint so, als ob alle Buchstaben unterschiedliche Neigungswinkel hätten.

Ich habe mich hier für die Abschlüsse der Oberlängen nach rechts und für die Unterlängen nach links entschieden. Dies kann auch variiert werden.

Die Oberlängen sind im Verhältnis zu kurz.

Die Neigung nach rechts wird hier auch schon deutlich gleichmäßiger.

Letzten Endes erfüllt diese Übung keine von den aufgelisteten Merkmalen, die für eine humanistische Kursive wichtig ist.

Auch die Ober- und Unterlängen gewinnen an nötiger Länge. Zu guter Letzt könnte man die Buchstaben noch auf der Mitte zwischen Grund- und Oberlinie verbinden. Die aufgeführten Fehler bzw. VerbesserungsVorschlage gelten auch für die letzte der Übungen mit der humanistischen Kursiven.

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Anwendungen der historischen Formen in zeitgemäĂ&#x;em Design I nteressante Experimente Stufen der Bearbeitung // Ergebnisse

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nwendung der historischen Formen A in zeitgemäĂ&#x;em Design Interessante Experimente

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In diesem Kapitel geht es um die Anwendung der historischen Schriften in zeitgemäßem Design. Nachdem wir nun Spezialisten waren, was die römische Schrift anging, konnten wir diese abstrahieren und individuelle, expressive Entwürfe für verschiedenste Anwendungen erarbeiten. Auf großformatigem Papier mit verschiedenster Haptik klecksten und spritzen, kratzten und zeichneten wir drauf los. Die hier abgebildeten Experimente könnten durchaus in verschiedenen Anwendungen benutzt werden; sie waren jedoch nur Ausschuss unter den vielen, die ich hergestellt habe. Trotzdem hier ein kleiner Überblick.

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nwendung der historischen Formen A in zeitgemäßem Design Interessante Experimente

„ouro“ könnte beispielsweise eine Marke für Olivenöl und andere biologisch, regional hergestellte Produkte werden. Die Humanistische Kursive verleiht dem Schriftzug eine gewisse Leichtigkeit und Eleganz. Der Schriftzug „ROT“ dagegen, der in der Römischen Unziale verfasst ist, wirkt schwerer und erinnert an eine Restaurantaufschrift.

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nwendung der historischen Formen A in zeitgemäßem Design Interessante Experimente

„rubens“ bringe ich sofort mit dem Wort „Rubin“ in Verbindung. Vielleicht die Vorstufe für ein Logo für einen Juwelier. Das grün von „Natur“ heißt für mich sofort „gesund“. In der Anwendung könnte das ein Bioladen werden.

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nwendung der historischen Formen A in zeitgemäßem Design Interessante Experimente

„Amorem“, ein Schriftzug in der Capitalis Quadrata. Er ist ein nebenbei entstandenes Produkt zu einem später angewendeten Schriftzug. („MARV“) Verwendung könnte er als Sekt-/Champagner oder Pralinenmarke finden. „Blue“ auf der rechten Seite ist wiederum ein Schriftzug zweiter Wahl, der nicht umgesetzt wurde. Mehr dazu später unter dem „Blue“-Logo.

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nwendung der historischen Formen A in zeitgemäßem Design Interessante Experimente

Im Anklang an die Capitalis Quadrata entwickelte ich den Schriftzug „CREDAS“. Für mich könnte er zum Logo einer neuen Glaubensgemeinschaft gemacht werden. Weiter zu „RITA“. Rita verkörpert für mich ein kleines, aber sehr feines Restaurant; vielleicht sogar mit ausländischen Spezialitäten. Die dünne, zarte abgewandelte Form der Quadrata steht für einen sehr kleinen Familienbetrieb. Der aus der Humanistischen Kursiven heraus entwickelte Schriftzug „caelebs“ hat eine anmutende Rhythmik.

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nwendung der historischen Formen A in zeitgemäßem Design tufen der Bearbeitung // S Ergebnisse

Den Schriftzug „MARV“ entwickelte ich aus der Capitalis Quadrata. Die rote Tusche und die sehr erhabene Form dieses Schriftzugs erinnerte mich sofort an die Sekt- und Champagnermarke MOËT. Genau das war auch das Ziel meines Logos. Es sollte schlicht, einfach aber trotzdem edel und erhaben wirken.

Zwischen der linken, ersten Version und der unten liegen einige Schritte der Bearbeitung und Optimierung in Photoshop. Einige überschüssige Farbkleckse habe ich entfernt, der rechte Strich des Vs war viel zu dünn. Mit viel Mühe versuchte ich ihn der übrigen Struktur der Buchstaben anzupassen und nachzubauen.

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Und das Ergebnis kann sich echt sehen lassen, finde ich. Die Champagnerflasche wirkt durch den Schriftzug sehr edel, genau wie die abgewandelte Pralinenschachtel von Lindt.

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nwendung der historischen Formen A in zeitgemäßem Design tufen der Bearbeitung // S Ergebnisse

Aus der Römischen Unziale entwickelte ich einen Schriftzug „BLUE“. Auf zwei unterschiedliche Weisen. Die erste Version war in der Strichstärke etwas markanter, die zweite Version etwas dünner und spritziger. Die türkise Farbe in Verbindung mit den Klecksen brachte mich auf die Idee als Anwendung auf einem Erfrischungsgetränk. Ich entschied mich für Version 2 in der Anwendung Diesen Schriftzug musste ich gar nicht bis kaum nachbearbeiten in Photoshop. Aufgrund der dünneren Strichstärken war ich mir im Klaren darüber, dass ich das Logo nicht unbedingt verkleinert anwenden sollte. Alle Strichstärken zu verbreitern wäre sehr schwierig und aufwendig gewesen. Außerdem sind sie mir aufs erste Mal analog gleich gelungen. Ich entschloss mich also dazu, diesen Schriftzug so zu übernehmen.

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Und hier ist das Ergebnis: Die Fassbrause „BLUE“. Ideal für den Sommer, als kleine Erfrischung zwischendurch. Limitierte Edition. In verschiedenen Geschmacksrichtungen erhältlich. So fühlt sich Sommer an!

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Und weil mir die Römische Unziale so zugesagt hat, entwickelte ich noch einen zweiten Schriftzug. „Rom“ sollte durch die Wahl der Schrift schwer, dunkel und düster wirken. Das bestätigte die mit Wasser verflüssigte Acrylfarbe, die ich dafür verwendet habe. Dadurch kam mir die Idee, ein Filmplakat bzw. ein DVD-Cover für einen Gladiatoren-Film zu entwerfen.

Nun folgte die digitale Bearbeitung und Optimierung in Photoshop. Der Fuß des Rs war viel zu dünn; die rechte Hälfte des Os ebenfalls. Ich traf noch einige andere, kleine Verbesserungen. Die Endversion ist hier unten abgebildet.

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Das Ergebnis ist ein Filmplakat f端r einen Gladiatoren-Film. Auch wenn es ein wenig kitschig wirkt, finde ich die Anwendung insgesamt gelungen.

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Die karolingische Minuskel ist die Grundlage für mein nächstes Logo mit dem Namen „virgo“. „virgo“ bedeutet „Jungfrau“ und kommt aus dem Lateinischen. Dementsprechend sollte auch der Schriftzug und die Anwendung „jungfräulich“, rein und leicht wirken. „Jungfräulich“ assoziierte ich sofort mit Wasser oder einem sehr leichten, blumigen Parfum.

Also machte ich mich sofort daran, die Wirkung und die Farbe, sowie einige kleine Veränderungen an der Buchstabenform in Photoshop vorzunehmen. Ich verschob das i ein klein wenig nach rechts, damit es mittiger zwischen dem v und r saß. Die Punze vom g musste ein wenig verkleinert werden ‒ und das war´s auch schon. Nun färbte ich das ganze noch in einen blau-türkisen Farbton, um die Wirkung nochmal zu verstärken.

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Die erste von zwei Anwendungen auf der urspr체nglichen Selters-Wasserflasche. Das Wasser von Selters ist f체r mich der Inbegriff von Eleganz, Frische, Reinheit und Jungfr채ulichkeit zugleich.

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Links die gleiche Anwendung auf einem anderen Bild. Auch das Ergebnis von der Anwendung auf ein Parfüm von Giorgio Armani kann sich sehen lassen. In einem steht es der Wasserflasche allerdings nach: Die blumige, jungfräuliche, leichte Art des Parfums kommt nicht so gut rüber. Vielleicht wäre deshalb die Wahl einer anderen Parfümflasche besser gewesen.

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nwendung der historischen Formen A in zeitgemäßem Design tufen der Bearbeitung // S Ergebnisse

„vegano“ basiert wieder auf der Römischen Unziale. Es bedeutet „vegan“ und kommt aus dem Portugiesischen. Die Idee stand von vornherein fest: Das Logo soll später das eines veganen Restaurants werden. Die Verwendung grüner Tusche verstärkte den Eindruck von „gesund, vegan, Bio“ noch.

Ich hatte die Wahl zwischen zwei sehr ähnlichen Schriftzügen. Letzten Endes entschied ich mich aber doch für den unteren, da mir die Ligatur zwischen dem e und dem G im Bild links missfallen hat. Natürlich hätte ich dieses Problem kurz in Photoshop beheben können, aber ich empfand das untere Logo auch als das mit der besseren Rhythmik und Strichstärke. In Photoshop passte ich nur noch die Farbigkeit ein wenig an.

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Zur Atmosphäre passend wählte ich ein in Grün- und Weißtönen gehaltenes Restaurant, das den Eindruck von Natur, Leichtigkeit und Gesundheit vermitteln soll. Das Logo sollte jeweils an der hinteren Wand angebracht werden. Variabel in grün oder weiß. (auf dem nächsten Bild)

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Links die gleiche Anwendung auf einem anderen Bild. Passend zu dem veganen Restaurant gestaltete ich noch eine Speisekarte. Sie soll den Eindruck von gesundem, veganen, frisch zubereitetem Essen noch verst채rken.

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Klassifikation von Satzschriften ynamische Antiqua D Statische Antiqua Dynamische Grotesk Statische Grotesk Konstruktive Grotesk Egyptienne Schreibschrift Gebrochene Schrift Dekorative Schrift

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Klassifikation von Satzschriften Anwendung am Beispiel von Bühnenprojektionen ` im Verhältnis 3:2

Die letzte Aufgabe im ersten Semester ist mit inhaltlichen, gestalterischen sowie kommunikativen Lernzielen verbunden. Unsere Aufgabe ist es, Bühnenprojektionen für einen imaginären Typo-Kongress zu entwickeln. Diese Projektionen werden als Überleitungsmotiv von einem Redner zum nächsten im Hintergrund gezeigt. Bei jedem Rednerbeitrag geht es um eine Schriftklasse, die mit dieser Projektion eine Atmosphäre ohne jegliche Texterklärungen schaffen soll. Ziel ist es, die Zuschauer auf eine typografische Reise mitzunehmen, auf der sie in die verschiedenen Welten der Typografie eintauchen. Die Komposition soll außerdem so spannend sein, dass sämtliche Zuschauer das Motiv sofort als Plakat kaufen wollen würden.

Folgende Vorgaben sind gegeben: ‒ keine erklärenden Texte in der Illustration ‒ Format im Verhältnis 3:2 ‒ spannungsreiche Komposition aus ganzen Zeichen oder Detailformen einer einzelnen Schriftklasse ‒ verschiedenartige Schriftarten pro Schriftklasse zeigen, um die Spannung der Vielfalt auszuschöpfen ‒ Name der Schriftart als Bildunterschrift ‒ Einsatz von deutlichen Kontrasten (Gegensatzpaare) und Weißraum, um Spannung in der Komposition zu erzeugen ‒ optional: Geschichten erzählen ‒ gestalterische Grundidee in der Dokumentation ‒ Weniger ist oft mehr! ‒ abstrakt denken, reduziert arbeiten

Anschließend gibt uns Frau Wagner noch einige Tipps, wie man die Illustrationen zum Thema „Schriftklassifikation“ angehen könnte. Inhaltlich:

Formal:

Besser nicht:

‒ Muster / Rapport ‒ Abstrakte Formen und Kompositionen ‒ Abstrakte Vorgänge/ Geschichten ‒ Wortspiele ‒ Figuren, Tiere, Charakter, Gesichter ‒ Landschaften ‒ Filmszenen

‒ Kontraste ‒ Weißraum ‒ Grauwerte ‒ Vergrößerung ‒ starker Anschnitt ‒ positiv/negativ ‒ Punzenformen

‒ spannungslose Verteilung ‒ Spiegelung ‒ viele gleich große Elemente

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Klassifikation von Satzschriften Dynamische Antiqua

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Dynamische Antiqua

Charakteristische Merkmale ‒ Wechselzug der Breitfeder erzeugt schräg stehende Achsen ‒ Gering ausgeprägte Unterschiede der Strichstärken ‒ Schräge Anstriche ‒ Waagerechter Querstrich des e ‒ Doppelstöckiges g ‒ offenes a ‒ Fähnchen/Tropfen beim r

Die dynamische Antiqua, die es in unzähligen Varianten gibt, gilt als Leseschrift. Da das Schriftbild aufgrund der sehr ähnlichen Strichstärken ruhig ist, kann man die Wortbilder leicht erfassen. Eine deutliche Zeilenbildung ist damit auch gegeben, da sich die Einzelbuchstaben dynamisch auf den Nachbarn im Wort beziehen. Beispiele Bembo, Aldus, Garamond, Hollander, Minion, Perpetua, Platin, Quadraat, Stone Serif, Trinité und Vendome

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Klassifikation von Satzschriften Dynamische Antiqua

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Klassifikation von Satzschriften Statische Antiqua

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Statische Antiqua

Charakteristische Merkmale ‒ extremer Strichstärkenkontrast ‒ Betonung der Senkrechten, auch bei den runden Buchstaben ‒ Angleichung der Versalbreiten ‒ sehr feine Serifen; rechtwinklig oder ganz leicht gerundet angesetzt ‒ in sich geschlossene Formen ‒ a, r und Ähnliche haben „Tropfen“

Die statische Antiqua, die um 1800 entstanden ist, wird in Deutschland als Schrift der Aufklärung verstanden. Aufgrund der Formen kann man auf das Schreibwerkzeug einer Spitzfeder zurückschießen. Die Zeilenführung und die Lesbarkeit wird durch die Betonung der Senkrechten beeinträchtigt; trotzdem sind die Wortbilder eindeutig und in sich stimmig. Eine reizvolle, aber sensible Schriftgruppe. Beispiele Bodoni, Augustea, Basilia, Centennial, Corvinus, Didot, Fairfield, Kepler, Marconi, Modern, Walbaum und Zapf Book

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Klassifikation von Satzschriften Statische Antiqua

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Klassifikation von Satzschriften Dynamische Grotesk

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Dynamische Grotesk

Charakteristische Merkmale ‒ Achsen der Rundungen schräg versetzt; wie bei der dynamischen Antiqua ‒ Betonung der Waagrechten ‒ deutlich unterschiedlich geformte Buchstaben (zweistöckiges g, offenes a)

Da die Buchstaben Kontakt zu ihren Nachbarn im Wortbild aufnehmen, ergibt sich eine eindeutige Zeilenführung und leicht erkennbare Wortbilder. Dies sind wiederum die Voraussetzungen für gute Lesbarkeit. Die Schrift ist also für vielerlei Aufgaben einsetzbar. Beispiele Gill, Formata, Frutiger, Goudy Sans, Legacy Sans, Lucida Sans, Maxima, Meta, Myriad, Scala Sans, Stone Sans, Syntax, TheSans und Today

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Klassifikation von Satzschriften Dynamische Grotesk

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Klassifikation von Satzschriften Statische Grotesk

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Statische Grotesk

Charakteristische Merkmale ‒ Formen der Buchstaben in sich geschlossen ‒ betonte Senkrechte ‒ senkrechte und waagrechte Achsen ‒ offenes a ‒ g ohne untere Schleife

Um keine „Gartenzaun-Wirkung“ zu erzeugen, ist es wichtig, die statische Grotesk nicht zu eng zu setzen und genügend Durchschuss zu geben. Insgesamt entsteht ein ruhiges, nüchternes Gesamtbild. Vorsicht jedoch bei Verwendung längerer Lesetexte. Bekannt wurde sie in den 60er Jahren durch den Einfluss der „Schweizer Typografie“. Im formalen Ansatz ähnelt sie der statischen Antiqua, wenn man deren Haarstriche verstärken würde. Beispiele Helvetica, Akzidenz Grotesk, Arial, Corporate S, Folio, Grotesque, Imago, Unica, Univers und Venus

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Klassifikation von Satzschriften Statische Grotesk

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Klassifikation von Satzschriften Konstruktive/Geometrische Grotesk

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Geometrische Grotesk

Charakteristische Merkmale ‒ kreisrunde Buchstaben stoßen einander ab ‒ konstruierte Schrift ‒ Konstruktionsprinzip Rechteck bei einigen Groteskschriften

In der geometrischen Grotesk gleichen sich viele Buchstaben. Um diese Schrift typografisch richtig zu verwenden, muss man mit höchster Sorgfalt auf Buchstabenabstand und den Durchschuss achten. Der Buchstabenabstand muss richtig ausgeglichen sein, der Durchschuss muss ausreichend sein. Die Idee der Konstruktion der Schrift kommt aus den 20er Jahren. Es war die Zeit des Funktionalismus, in der eine Reihe solcher Grotesk-Schriften entstanden. Unter anderem auch die Futura, die bis heute im Einsatz ist. Obwohl die Schriften vielleicht eine ästhetische Wirkung hervorrufen, machen sie einem das Lesen nicht gerade leicht; gerade wenn es um längere Lesetexte geht. Beispiele Helvetica, Akzidenz Grotesk, Arial, Corporate S, Folio, Grotesque, Imago, Unica, Univers und Venus

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Klassifikation von Satzschriften Konstruktive/Geometrische Grotesk

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Klassifikation von Satzschriften Egyptienne

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Statische Egyptienne

Charakteristische Merkmale ‒ Tendenz der Buchstaben in die Senkrechte ‒ in sich geschlossene Formen ‒ rechtwinklich angesetzte Serifen ‒ offenes a ‒ g ohne untere Schleife Die Egyptienne Schriften sind im Prinzip eine Helvetica oder Univers, die mit kräftigen Füßen bestückt wurden. Ihre Entstehung fand zeitgleich mit der Entstehung der Grotesk-Schriften statt; im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Innerhalb eines Jahrhunderts entwickelten sie sich von dekorativen zu strengen Gebrauchsschriften. Durch die Füße werden die einzelnen Buchstaben in einer gewissen Weise miteinander verbunden. Für den Mengensatz sind die statischen Egyptienne Schriften nicht geeignet; besser sind ihre jüngeren dynamischen Schwestern. Trotzdem sind sie aber besser lesbar als ihre serifenlosen statischen Grotesk-Verwandten. Beispiele Glypha, Boton, Calvert, Corporate E, Dominante, Egizio, Egyptian, Egyptienne F, GST-Gordon, Osiris, Serifa

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Klassifikation von Satzschriften Egyptienne

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Klassifikation von Satzschriften Schreibschrift

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Schreibschrift

Charakteristische Merkmale ‒ geeignet für einzelne Wörter oder Zeilen ‒ nicht für mehrzeilige Texte, ganze Seiten geeignet

Der Begriff „Schreibschriften“ hat es in sich. Nach der DIN-Klassifikation von 1964 wurde anders innerhalb der Schreibschriften unterschieden als heute. Da es heute kaum mehr möglich ist, Satzschriften getreu nachzuschreiben, ist der Bezug zur geschriebenen Schrift nur eine Form-Erinnerung. Wo früher noch Grenzen durch den Bleisatz waren, ermöglichen die für den Computersatz gestalteten Schriften scheinbar alles. Beispiele Arioso, Zapf Chancery, Künstler Script, Edwardian Script, Balmoral, Dorchester Script, Banco, Zapfino, Künstler Script, Monoline Script, Reporter, Linotype Sketch, Mistral, Lino Script und Charme.

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Klassifikation von Satzschriften Schreibschrift

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Klassifikation von Satzschriften Gebrochene Schrift

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Gotisch

Charakteristische Merkmale ‒ Zusammensetzung der Kleinbuchstaben: breitgefächerte, gebrochene Striche; zusammengesetzt ‒ An- und Abstriche rauten- oder würfelförmig. ‒ Großbuchstaben auf unterschiedliche Weise dekorativ geformt

Die Schrift der französischen Gotik ist in Deutschland seit dem 15. Jahrhundert als Gebrauchsschrift etabliert. Die älteste der gebrochenen Schriften geht auf das 14. Jahrhundert zurück. Es war die Gutenbergschrift. In der Zeit des dritten Reichs wurde diese Schrift von Hitler für das Corporate Design der Nazis missbraucht. Die negative Konnotation ist ihr bis heute angehaftet. Beispiele Manuskript Gotisch, Agincourt, Caslon-Gotisch, Cloister Black, Engraves Old Englisch, Goudy Text, Notre Dame, Weiß-Gotisch und Wilhelm-Klingspor-Gotisch

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Klassifikation von Satzschriften Gebrochene Schrift

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Klassifikation von Satzschriften Dekorative Schrift

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Dekorative Schrift

Charakteristische Merkmale ‒ Lesbarkeit steht nicht im Vordergrund, sondern Ästhetik ‒ Selbstdarstellung ‒ Schmuck ‒ nur für Einzelzeilen geeignet ‒ Schriftwahl abhängig von jeweiligem Wortbild Die Schreibschriften sind Schriften, die nicht zum Lesen da sind, sondern sich selbst darstellen wollen. Sie sind deshalb mehr Mittel zum Zweck, als lesbaren Vermittlungen von Mitteilungen zu dienen. Dafür erzeugen bestimmte dekorative Schriften vielleicht ein Gefühl in uns oder verkörpern schon an die hundert Jahre den Geist ihrer Zeit. Manche spielen mit den tradierten Schriftformen, andere verändern sie provokativ. Die Qualität unterscheidet sich stark; sie reicht von flapsig am Bildschirmrand zusammengebastelten Schriften bis zu durchdachten und durchfeilten Formen. Beispiele Manuskript Gotisch, Agincourt, Caslon-Gotisch, Cloister Black, Engraves Old Englisch, Goudy Text, Notre Dame, Weiß-Gotisch und Wilhelm-Klingspor-Gotisch

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Klassifikation von Satzschriften Dekorative Schrift

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Maria Kriegmaier Hochschule RheinMain Wintersemester 2013/14 Typografie_1 Prof. Wagner

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