Vom kritischen und kreativen Umgang mit Regelwerken der Architektur Institut Architektur | Master-Studiengang HS 2018, FS 2019
Inhalt
Vom kritischen und kreativen Umgang mit Regelwerken der Architektur Prof. Susanne Vécsey
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La règle du jeu Dr. Sebastian Stich
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Semesterdokumentation Entlang der Grenzen der trinationalen Region Prof. Susanne Vécsey Schwerpunkt Landschaft HS18
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Ein Quartier für Huningue I, Silvio Borter Ein Quartier für Huningue II, Benedict Choquard Ein Quartier für Weil-Friedlingen I, Michel Aebischer Ein Quartier für Weil-Friedlingen II, Rahel Guggisberg
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Dichtebilder Prof. Matthias Ackermann Schwerpunkt Siedlung HS18
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Stelengruppe, Noah Ulrich Schwamm, Jordan Marchand Stufenterrasse, Pascal Kuster
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Villencluster Prof. Matthias Ackermann Schwerpunkt Siedlung FS19
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Villencluster am Jakobsberg, Céline Dietziker Villencluster Auf der Batterie, Benedict Choquard Villencluster an der Marignanostrasse, Gaëlle Degezelle Villencluster Oberer Batterieweg, Sil Vintioen
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Verdichtetes Wohnen im Dorfkern von Allschwil Prof. Susanne Vécsey Schwerpunkt Haus FS19
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Masterplan Gehöft I, Philippe Bärtschi Masterplan Gehöft II, Pascal Kuster Masterplan Dorfplatz I, Patrik Hilber Masterplan Dorfplatz II, Fabian Ruppaner Masterplan Gassen, Jordan Marchand
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Studienreisen 50 Impressum 52
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Vom kritischen und kreativen Umgang mit Regelwerken der Architektur Prof. Susanne Vécsey
Jahresthema Zum ersten Mal wurden im Studienjahr 2018 / 19 im Masterstudiengang des Instituts Architektur der FHNW zwei parallel geführte Entwurfskurse mit den Schwerpunktthemen aus den Bereichen «Haus, Siedlung und Landschaft» angeboten. Die Kurse verfolgten je eigene Fragestellungen, standen jedoch über das Jahresthema in enger, inhaltlicher Beziehung. Dieses übergeordnete Thema ist im folgenden Abschnitt erläutert.
vorschriften, Normen und Zertifizierungen. Architektinnen und Architekten beklagen nicht nur den Verlust an Handlungsspielraum und die Einbusse der Entwurfsfreiheit, es wächst auch der Zweifel am Resultat, das über die Regelwerke stark beeinflusst wird und für das wir als Planende letztlich mit in der Verantwortung stehen.
Ob die zunehmende Regulierung Qualitätssicherung bezweckt oder lediglich einem wachsenden Bedürfnis nach Risikominimierung bei Regelwerke bestimmen unsere berufliche gleichzeitiger Gewinnmaximierung entspringt, Praxis in hohem Masse. Wir sehen uns kon- sei vorerst dahingestellt. Tatsache ist, dass frontiert mit der steten Zunahme an Regula- unsere gebaute Umwelt Abbild unserer Retiven wie Baugesetzen, Verordnungen, Zonen- gelwerke ist und wir uns ein Urteil über Sinn und Unsinn dieser Regeln erlauben sollten. Es stellt sich auch die Frage, ob Regelwerke überhaupt als statisches System betrachtet werden sollen oder ob sie nicht vielmehr ein Instrumentarium sind, das nach Auslegung verlangt. Unser Engagement und unsere Kreativität sind gefragt, wenn es darum geht, Regelwerke kritisch zu betrachten, sie zu hinterfragen und zeitgemäss zu verändern. Aktive Mitgestaltung wäre zumindest ein Weg, die in Bedrängnis geratene Autonomie wiederzuerlangen. Das Masterstudium möchte die Studierenden mit den Konditionen der Berufsausübung vertraut machen und ihnen gleichzeitig den geschützten Raum bieten, in dem sie lernen können, eine eigene Position zu beziehen und diese gestaltend umzusetzen. Mit dem diesjährigen Thema im Masterstudiengang möchten wir zudem fördern, dass sich angehende Architektinnen und Architekten ihrer gesellschaftspolitischen Rolle bewusst werden.
Links: Blow-up des Zonenplans Basel-Stadt, 2018 2
La règle du jeu Dr. Sebastian Stich
Weil er sich an die Spielregel, la règle du jeu, halten möchte, treibt André, der Fliegerheld aus Jean Renoirs paradigmatischen Film von 1939, seine Liebschaft Christine unfreiwillig in die Arme eines anderen. Sein Verdienst als Pilot erscheint André als zu geringfügig, um die bisherigen Lebensstandards der eingeheirateten Marquise de la Chesnaye, weiterfinanzieren zu können. Christine, die sich nicht um gesellschaftliche Normen foutiert, gibt sich dem gemeinsamen Freund und gescheiterten Künstler Octave hin. Dass auch dieser bald «nach den Regeln» spielen möchte und versucht, doch noch Christine und André zusammenzubringen, muss André mit dem Leben büssen. Ihr Versuch, sich an Normen und Regeln zu orientieren, wird sowohl André wie Octave zum Verhängnis: Ein eifersüchtiger Liebhaber erschiesst André aufgrund einer dramatischen Verwechslung, Octave verliert mit ihm seinen besten Freund. Christine und die übrigen Akteure des Films, vom Dienstboten bis hin zum Grafen, die mit ihren amourösen Verstrickungen abseits vermeintlicher gesellschaftlicher Normen das Drama um die beiden Hauptfiguren heraufbeschwören, kommen hingegen schad- und straflos davon – mehr noch, am Schluss herrscht eine seltsam erleichterte Stimmung über das Ausklammern der beiden Fremdkörper André und Octave vor. Der Filmtitel La règle du jeu ist also mehrfach lesbar. Einerseits bestraft die verbindliche gesellschaftliche Spielregel die schwächsten Mitspieler. Andererseits ist die Regel in stetem Wandel begriffen: die Verbindlichkeiten, auf die André und Octave zurückzugreifen versuchen, sind schon längst von der Realität eingeholt. Jene die, wie Christine, ihre eigenen, zeitgenössischen Spielregeln schreiben, sind bevorteilt.
dierenden der Frage nach ob sie, mit der zu- Unten: Michel Aebischer, nehmenden Forderung nach dichten Stadt- und Masterplan Weil-Friedlingen Dorfstrukturen, zu den schwächeren Akteuren der Planungsentwicklungen gehören, die ihre räumlichen Idealvorstellungen gewichtigerem Baugesetz unterzuordnen haben. Oder, ob allenfalls Regelbrüche und eigene Regelwerke unter den sich wandelnden Vorzeichen städtischer Entwicklungen zu überzeugenderen architektonischen Resultaten führen. Im Fokus der Untersuchungen standen in einem ersten Entwurfssemester, dessen Schwerpunkt auf Planungsfragen lag, trinationale Stadtrandlagen. Die Grenzgebiete bei Weil-Friedlingen und Huningue wären heute, ergäben sich grenzübergreifende Kooperationen, potente Entwicklungsgebiete der Basler Metropolitanregion. Beide Zonen zeichnen sich gegenwärtig durch länderspezifische Eigenheiten und die Besonderheit ihrer Randlagen aus. In einem ersten Arbeitsschritt analysierten die Studierenden diese Spezifika anhand selektiver Spaziergänge. In einem zweiten Arbeitsschritt erarbeiteten sie auf dieser Grundlage einen Masterplan für je eines der Areale. Michel Aebischer etwa entwickelt seinen Masterplan für Weil-Friedlingen anhand historisch relevanter Wegbeziehungen zwischen dem Dorfzentrum Huningues und der Ottilienkirche auf dem Tüllinger Hügel. Während er die Hauptwegführung anhand der Eigen-
Im vergangenen Jahr hat sich der Masterkurs dieser Spannweite der Renoir’schen règle du jeu zu nähern versucht – zumindest auf der Ebene von Bau- und Gesetzesnormen. In insgesamt vier Entwurfsstudios gingen die Stu3
schaften bestehender Bebauungsstrukturen rhythmisiert, implementiert er als Kontrast dazu auch eine zwar ortsfremde, aber stadträumlich leistungsfähige Blockrandbebauung. Für das Entwicklungsgebiet in Huningue verfolgt Gaëlle Degezelle einen induktiven Ansatz. In gestaffelter Chronologie führt sie wenige, programmatisch dichte Neubauten ein, nutzt industrielle Bestände zu öffentlichen Anlagen oder aktualisierten Zweckbauten um und entwickelt aus bestehenden Strassen und Grünbeständen ein hochwertigeres Wege system.
Links: Marine Cornaz, Stufenterrasse beim Aeschenplatz Links: Noah Ulrich, Stelengruppe am Bruderholz Links: Jordan Marchand, Schwamm auf dem Lysbüchel Rechts: Gaëlle Degezelle, hortus conclusus auf dem Bruderholz 4
auf dem vom Cargoverkehr geprägten Lysbüchelareal, sowohl in der Lage, über eine differenzierte Höhenstaffelung auf seine Südexposition zu reagieren, sowie intime Aussenbereiche im Schwamminnern auszubilEin zweites Entwurfssemester war Wohn- den. bautypologien gewidmet, die sich spezifisch Noah Ulrichs Stelengruppe kommt am Rande für innerstädtische Nachverdichtungen eig- des Bruderholzes zum Gundeli zu liegen. Hier nen könnten, nach heutigen gesetzlichen Be- setzt er die Sockelbauten, mit denen er jestimmungen jedoch nicht realisierbar wären. weils zwei Stelen gruppiert, topografisch Als Grundannahme waren den Studierenden wirksam als Zugangsterrassen ein. Die Verdrei auf einfachen Regeln basierende Be- knüpfung der Fusspunkte seiner Hochhäuser bauungsmodelle vorgegeben: «Schwämme» mit den Höhenlinien erzeugt ein räumlich mit flächiger, 30 Meter hoher Bebauung und spannungsvolles Ensemble grossstädtischen Einschnitten zu Belichtungszwecken, «Stelen- Charakters. gruppen» aus 60 Meter hohen Wohntürmen, die 50% der Bodenfläche ihrer Parzellen be- In einem dritten Wohnbausemester galt es legen sowie «Stufenterrassen», die in Schrit- für die Studierenden, bauliche Strategien zu ten von 20 und 40 Meter mit neuen öffentli- entwickeln, die das Villenquartier Bruderholz chen Terrassen den überbauten Grund auf der heutigen Tendenz nach zwar verdichten, Erdgeschossebene kompensieren. Die Po- dessen ursprünglichen Charakter einer durchtentiale dieser Bebauungstypen wurden grünten Gartenstadt aber auch zu erhalten durch die Studierenden zuvorderst auf neut- bzw. weiterzuentwickeln in der Lage sind. ralen, geometrisch idealisierten Parzellen ge- Auf den ortstypischen Lebensentwurf des prüft und um eigene Regeln ergänzt. Danach gehobenen Wohnens in der villa suburbana erhielten sie konkrete Bauplätze zugeteilt und bereiteten sich die Studierenden mit je vier waren angehalten, die Typologien ortsbezo- eigenen Bildentwürfen von Innen- und Aussenräumen einer imaginären Villa am Hang gen einzusetzen und weiter zu adaptieren. Die Stufenterrasse von Marine Cornaz belegt vor, die mehr oder weniger in Beziehung zu ein kegelförmiges Landstück zwischen St. Al- selbst gewählten historischen Beispielen ban-Anlage und Malzgasse hinter dem Pax- stand. Mit der Vorgabe, diese Raumideen in Hauptsitz am Aeschenplatz. Die tieferliegen- einem zweiten Schritt in acht grosszügigen den öffentlichen Terrassen stellt sie in Wohneinheiten auf einer selbstgewählten Relation zum angrenzenden Hinterhof der Parzelle auf dem Bruderholz unterzubringen, Pax, der Parkanlage im Geviertinnern sowie wurden die bisherigen Überlegungen autoder schmalen Malzgasse. Die 60 Meter mes- matisch erhöhten Dichteanforderungen aussenden Hochpunkte sind hingegen geschickt gesetzt. an St. Alban- Anlage und weiträumigeren Der Projektvorschlag von Sil Vintioen erhält eine ehemalige Herrschaftsvilla – alternativ zu Strasseneinmündungen platziert. Jordan Marchand nimmt die Vorstellung einer heute üblichen Ersatzneubauten – als geschwammartigen Bebauung als Ausgangsla- meinsames Gast- und Veranstaltungshaus ge, ein Holzbaumodul zu entwickeln, das sich der acht neuen Wohneinheiten, die auf dem cluster- oder eben schwammartig zu einer grosszügigen Umschwung kompakt Platz finSuperstruktur fügen lässt. Diese Struktur ist, den. Céline Dietziker ersetzt Teile der fingerareingeschmiegt in ein dreieckiges Grundstück tigen Reihenhäuser auf dem Jakobsberg, die
Sundgauer Gehöften, jeweils drei Hauseinheiten um gemeinsame Vorplätze. Pascal Kuster entwickelte in diesem Verbund ein ausdrucksstarkes Holzbauprojekt für drei Parteien, wovon der geringe Flächenbedarf eines Singlevaters dem Gehöft einen erdgeschossigen Verbindungsweg zur Gartenanlage einbringt. Der zweite Entwurf teilt die Parzellenflächen in parallel verlaufende, gestaffelte Gassen auf, deren Knickpunkt öffentliche Funktionen beherbergt. Jordan Marchand überträgt die topografische Situation der An-
Allschwil, nahe des Dorfkerns Links: Masterplan Gehöfte Mitte: Masterplan Dorfplatz Rechts: Masterplan Gassen
IN ALLEN GASSEN WOHNT DAS GLÜCK
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zwar im Rahmen von Hermann Baurs Gesamtplan erbaut wurden, aber nicht die dort übliche Ausführungsqualität besitzen. Dietziker übernimmt die charakteristische Staffelung, prononciert deren Einheitlichkeit aber mit durchgehender Materialisierung in Klinker. Grundlage dieser Vereinheitlichung sind komplexe, die Reihenelemente übergreifende Geschosswohnungen. Gaëlle Degezelle scheidet in rückwärtigen Gärten einiger Bestandsbauten als neues Element einen hortus conclusus aus – ein geteilter Rückzugsort
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Legende Perimeter Parzellen Pflichtbaulinie Stützmauern Baufelder Befestigte Flächen Aussenraum Mergelplätze für Spiele oder Kurzparkplätze
der Hausgemeinschaft. Dieses beruhigte Zentrum ist in der Folge Bezugsort unterschiedlicher Entwicklungen, die Degezelle in, auf, an und neben dem Bestand vorschlägt. Trotz Diversität, Grösse und Nähe der baulichen Eingriffe gelingt es so, die Charakteristik des Ortes angemessen weiterzuentwickeln. Ein viertes Entwurfssemester, angesiedelt am Rande des historischen Dorfkerns von Allschwil, war den Potentialen des sich ungebrochener Beliebtheit erfreuenden Einfamilienhauses zur Ausbildung stadträumlicher Qualitäten gewidmet. Viererteams entwickelten dazu zuerst gemeinsame Masterpläne, aus denen anschliessend jeweils vier Baufelder für Ein-, Zwei- oder Dreifamilienhäuser ausgeschieden wurden. Die Qualitäten der drei Masterpläne wurde in der Folge anhand exemplarischer, benachbarter Einzelprojekte – angereichert durch Einfamilienhaus-typische Bauherrenwünsche – geprüft und revidiert. Die Studentinnen und Studenten versuchten sich vorwiegend in Interpretationen historischer Dorfbaumuster, die, neu auf einer geneigten, ehemaligen Obstwiese situiert, zeitgenössische Bauformen annahmen. Der erste Vorschlag gruppiert, mit dem Vorbild von
lage auf ein Zweifamilienhaus mit raumplanähnlichen Eigenschaften. Der dritte Masterplan weitet eine Gasse zum linsenförmigen Dorfplatz, an dem schmale Reihenhäuser ihre Adresse finden. Fabian Ruppaner belegt eine der Reihenhauseinheiten mit einer dramatischen Längsschnittfigur, die einer Bildhauerin mit ihren Skulpturen ein Leben in unterschiedlichsten Lichtsituationen verspricht.
Situationsplan Mst. 1:500
Schwarzplan Mst. 1:2000
Gasse
Fachhochschule Nordwestschweiz Institut Architektur, Master-Studiengang Frühlingssemester 2019
Fokusprojekt «Haus» Übung 2: Allschwil
Jocelyn Bürke, Svenja Gubler, Jordan Marchand, Laura Ricklin Prof. Susanne Vécsey, Anja Müller, Sebastian Stich
GSEducationalVersion
Inwiefern das Befolgen geltenden Baugesetzes bessere oder schlechtere Projektvorschläge gezeitigt und ähnlich dramatische Folgen für die Studierenden oder Dozierenden gehabt hätte, wie sie Renoir für seine tragischen Helden vorsah, war glücklicherweise nicht Gegenstand der vier zu den règles du jeu geführten Semestern. Sicher bezeugt werden kann hingegen, dass das Aufstellen eigener Spielregeln nicht nur in spannenden oder bestenfalls paradigmatischen Projekten resultierte, sondern die Studierenden zweifelsfrei zu einer bereichernden Auseinandersetzung mit eigenen und zeitgenössischen Motiven führte.
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Entlang der Grenzen der trinationalen Region Prof. Susanne Vécsey, Schwerpunkt Landschaft HS18
Im Fokus des Herbstsemesters 2018 lag der trinationale Metropolitanraum Basel. Die einzigartige Lage der Stadt Basel am Berührungspunkt dreier Länder verdeutlicht, dass Grenzen nicht linear, sondern räumlich in Er-
deuten versucht und uns in der treffenden grafischen Darstellung der Phänomene geübt. Dass der Analyse bereits entwerferische Aspekte innewohnen, war zu kultivieren und sollte helfen, mit bildnerischen Mitteln eine
Oben: Industrielle objets trouvés entlang der Spazierroute Kleinhüningen–Friedlingen von Rahel Guggisberg, Smriti Shrestha, Emanuel Spielmann Unten: Nutzungsanalyse der gleichen Gruppe (gelb: Wohnen, orange: gemischte Nutzung, blau: Industrie / Gewerbe, grün öffentliche Nutzung, hellgrün: landwirtschaftliche Nutzung)
scheinung treten. Länderspezifische Regelwerke führen zu Brüchen an den Landesgrenzen, differenzieren den Raum jedoch auch in die Tiefe. Diese Phänomene wollten wir systematisch untersuchen und dabei Qualitätskriterien für eine spezifische Strukturierung des besiedelten Landschaftsraumes im Grenzgebiet finden. Unter experimenteller Entwicklung und Anwendung geeigneter Regelwerke wurde ein städtebaulicher Entwurf für ein Quartier jenseits der Grenze Basels ausgearbeitet. Spaziergänge und die Lektüre von Texten haben die Entwurfsarbeit im Zeichensaal an Modell, Plan und Bild methodisch und theoretisch bereichert. Bei den Fragestellungen hat uns insbesondere das nach wie vor aktuelle Gedankengut Lucius Burckhardts zu Landschaftsästhetik und Planungspolitik begleitet. Im ersten Teil des Semesters lag die Erkundung der Landschaft im Dreiländereck im Fokus. Auf Spaziergängen galt es, unser Sensorium zu schärfen und zu verstehen, wie Wahrnehmung überhaupt funktioniert, warum wir etwas sehen, aber auch warum wir etwas ausblenden. Während dem Prozess des Sehens, Erkennens, Begreifens, Interpretierens und Visualisierens haben wir Landschaft als Abbild eines facettenreichen Kulturraumes zu
Zukunftsvision der Region zu entwerfen. Missstände wurden dabei genauso thematisiert wie bestehende respektive neu zu schaffende Qualitäten der grenzüberschreitenden Raum- und Stadtentwicklung.
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Unten: Bildhypothese von Rahel Guggisberg, Smriti Shrestha und Emanuel Spielmann
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Im zweiten Teil des Semesters haben die Studierenden ein Quartier entlang der Schweizer Grenze in Frankreich und Deutschland entworfen. Sie taten dies vor dem Hintergrund der fortschreitenden Urbanisierung und Umstrukturierung im Norden Basels im Bereich der Klybeckinsel und des Rheinhafens. Der Rhein bildet das grossmassstäbliche Landschaftselement, das uns in seiner ambivalenten Rolle als trennendes, aber auch verbindendes Element im Entwurf beschäftigt hat. Folgende Fragestellung war für das Semester von zentraler Bedeutung: Welches unverwechsel-
bare Stadtbild könnte im Zuge einer grenzüberschreitenden Urbanisierung entstehen, und vor allem wie könnte es entstehen? Unter Einsatz von selbst gebildeten Regulativen versuchten wir, den Einfluss verschiedener Parameter zu untersuchen und diese dann im orchestrierten Zusammenspiel einzusetzen, um Orte zu schaffen, wie wir sie uns wünschen. Verschiedene Fokusveranstaltungen haben das Semester gleich zu Beginn bereichert: Die überaus sorgfältige und von persönlichem Engagement geprägte Arbeit der Land-
schaftsarchitektin Rita Illien hat alle beeindruckt. Das an der Urne leider gescheiterte Projekt für Glarus Nord, das sie gemeinsam mit Peter Märkli erarbeitet hat, war für die Semesteraufgabe natürlich von besonderem Interesse. Thomas Burlon von ‹Brandlhuber + Emde, Burlon›, Berlin berichtete vom kreativen Umgang mit der Baugesetzgebung, den sie im Architekturbüro pflegen, und führte dies anhand verschiedener Projekte vor. Philippe Cabane von ‹Cabane Partner – Urbane Strategien und Entwicklung› hielt einen fulminanten Vortrag über die Möglichkeiten und Grenzen zur Sicherung der gestalterischen Qualität im Städtebau – ein weites Feld, das er seit Jahren beschreitet, weshalb er aus dem Vollen schöpfen konnte. Die phänomenologische Untersuchung des trinationalen Raumes zu Beginn des Semesters führte zu manch interessanter Erkenntnis, wenn auch die ungewohnten Darstellungsarten nicht so ohne Weiteres zu produzieren waren, die dann aber bei mancher Arbeit zu umso schöneren Plänen und poetischen Bildern führte. Während die Studierenden für die Quartiersentwürfe in Weil am Rhein tendenziell robuste städtebauliche Muster entwickelten und mit hoher Dichte operierten, um dem unmittelbar benachbarten grossmassstäblichen Hafen becken die Stirn zu bieten, waren die Entwürfe für den Perimeter in Huningue stark geprägt von dem Entscheid, welche Flächen weiterhin nicht bebaut werden sollten. Die Varianz der Ansätze auf dem französischen Perimeter war wesentlich grösser als jene im deutschen Perimeter, sowohl die Dichte als auch die Wahl der Bebauungstypologien betreffend. Unser Wunsch, die Entwürfe mit modernen Veduten zur Darstellung zu bringen, ging leider nur in wenigen Arbeiten in Erfüllung.
Dankbar waren wir für die Beurteilung der Projekte durch die kompetenten Gastkritiker Marco Zünd, Victoria Easton und Philippe Cabane. Letzterer bemerkte zu Recht, dass die Bebauung und der Freiraum sehr gründlich bearbeitet wurden, dass jedoch Verkehr und Nutzung als raumbildende Strukturen zu wenig Beachtung fanden. Insgesamt wurde das beachtliche Niveau der Arbeiten gewürdigt. Der Umstand, dass es eine sehr anspruchsvolle Semesteraufgabe war, führte nicht zuletzt zu grossem und ergiebigem Arbeitseinsatz seitens der Studierenden.
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Ein Quartier für Huningue I Silvio Borter
Oben: Vedute Unten: Strassenperspektive Rechts: Quartierplan und Fassaden abwicklung M. 1:8’000
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Der Entwurf von Silvio Borter zeichnet sich durch konzentrierte Dichte im neuen Blockrandquartier aus, die durch grosszügige Erholungsräume ergänzt wird. Die bestehende Brache wird in einen grossen Stadtpark verwandelt, der das Potential hat, Bewohner aus
Basel sowie St. Louis anzuziehen. Dem Entwurf geht eine sorgfältige Untersuchung des Ortes voraus, dank der eine klare Verkehrsführung und Verbindung zwischen Basel, dem Novartis-Gelände, Huningue und St.Louis entsteht.
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Ein Quartier für Huningue II Benedict Choquard
Oben: Vedute Unten: Quartier aus der Strassenperspektive Rechts: Situation M. 1:8’000
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Der Entwurf von Benedict Choquard geht auf die bestehenden Strukturen und versteckten Qualitäten des Ortes ein und will diesem mit einem neuen Zentrum eine spezifische Identität verleihen. Im Mittelpunkt des Entwurfs steht eine existierende Halle, die zum Hauptgebäude eines neuen Forschungsstandortes
wird. Um diesen Bau herum soll sich mit der Zeit ein grosser Campus entwickeln und das ganze Quartier an seiner interessanten Lage zwischen Frankreich, Deutschland und der Schweiz lebendig und öffentlich werden lassen.
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Ein Quartier für Weil-Friedlingen I Michel Aebischer
Oben: zentraler Marktplatz Unten: Vedute Rechts: Masterplan M. 1:8’000 und Strassenquerschnitte
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Aus einer akribischen städtebaulichen Analyse von Weil am Rhein und seiner Umgebung ist der Entwurf eines neuen Quartiers in Friedlingen als Teil eines grenzüberschreitenden Stadtkörpers entstanden. Der Ansatz zeigt eine dichte Blockrandbebauung, die mit Läden und anderen öffentlichen Nutzungen in den Erdgeschossen ein lebendiges, durchmischtes und eigenständiges Viertel bildet. Die bestehende Bebauung wird zugunsten
des neuen Quartiers komplett ersetzt. Die Uferzone direkt am Rhein, nördlich und südlich der Dreiländerbrücke, erhält eine Parkanlage mit direktem Zugang zum Wasser. Der Masterplan sieht eine freie Wahl der Baumaterialien sowie Farben vor und ermöglicht unterschiedliche Fenstergrössen und Gauben. So soll innerhalb der rigiden Bebauungslinien ein lebendiges Quartier entstehen.
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Ein Quartier für Weil-Friedlingen II Rahel Guggisberg
Oben: Vedute Unten: Strassenperspektive Rechts: Situationsplan M. 1:8’000, Strassenquerschnitte M. 1:800
Der Entwurf von Rahel Guggisberg erhält einen grossen Teil der existierenden Bebauung. Mit subtilen, punktuellen Eingriffen schafft sie neue Begegnungszonen und mehr öffentliche Räume. Durch den Abbruch des Parkhauses neben dem Rheincenter wird es
möglich, mit einem grossen trinationalen Park um das Einkaufszentrum einen Bezug des Quartiers zum Rheinufer herzustellen, der das Dreiländereck für alle Anwohner und Passanten deutlich aufwertet.
Stadtbilder des Quartiers
Fachhochschule Nordwestschweiz Institut Architektur, Master-Studiengang Herbstsemester 2018 Focusprojekt «Landschaft» Übung 5: Kriterien für ein Quartier Rahel Guggisberg Prof. Susanne Vécsey, Andreas Nütten, Anja Müller, Sebastian Stich, Norma Tollmann Blatt 6
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Dichtebilder Prof. Matthias Ackermann, Schwerpunkt Siedlung HS18
«Bis 2040 könnte die Basler Bevölkerung auf 250 000 Personen anwachsen. Die Regierung will deshalb mehr Platz für Wohnungen schaffen, doch der Mieterverband wehrt sich dagegen.» Das schreibt die Tageswoche am 19. Juli 2018 und sie beschreibt damit eine wesentliche Fragestellung der Stadtentwicklung der nächsten Jahre. Wenn die Wohnbevölkerung um einen Viertel zunimmt, der Flächenbedarf pro Person stabil bleibt und darüber hinaus auch die Zahl der Arbeitsplätze wächst, sind grundsätzliche Strategien gefragt. Das einfache, situative Verdichten im Rahmen der geltenden Zonenordnung stösst nicht nur an quantitative Grenzen. Auch die Qualität der Stadträume, die mit steigender Dichte eigentlich mehr leisten müssten, kann sich nicht genügend entwickeln. Die Untersuchungen des Herbstsemesters 2018 waren deshalb alternativen Ansätzen der Verdichtung gewidmet. Wenn wir die starren Regeln der Zonenordnungen, der Baugesetze und -verordnungen ausser Kraft setzen und einfache Regeln etablieren, die in erster Linie dem Raum, dem kollektiven wie dem privaten, gewidmet sind, welche Modell lassen sich dann entwickeln für eine Stadt, die dicht, schön und daher gut bewohnbar ist? Als Ausgangspunkt waren drei einfache Regeln vorgegeben, die von den Studierenden zu abstrakten Modellen entwickelt wurden. Ein idealisiertes, hyperdichtes städtisches Geviert von 60 x 120 m Grösse, eben und von orthogonaler Ordnung war nach drei grundlegenden Konzepten zu entwerfen: in Form von «Stufenterrassen», als «Schwamm» oder durch «Stelengruppen». Die «Stufenterrassen» meinten abgetreppte Volumen mit Stufen auf 20 und 40 Metern sowie einer maximalen Höhe von 60 Metern. Die bebaute Fläche reduziert sich mit jeder Stufe um 50%. Unter «Schwamm» verstanden wir ein volles Volumen mit 30 Metern Höhe, das mit mehrgeschossigen Auskerbungen, Durchbrüchen und Höfen bewohnbar gemacht wurde. Die «Stelengruppen» schliesslich bildeten Kons-
tellationen aus freistehenden Türmen mit einer Höhe von 60 Metern. 50% der Fläche mussten dabei öffentlich zugänglich bleiben. In einem zweiten Schritt galt es diese abstrakten Modelle auf ein konkretes städtisches Geviert anzuwenden. Das Regelwerk musste dabei nötigenfalls ergänzt oder angepasst werden. Im Rahmen des Projekts sollte unter anderem untersucht werden, ob ein einheitlicher architektonischer Ausdruck erstrebenswert ist – und wenn ja, wie – oder ob KONZEPT SCHNITTE eine architektonische Vielfalt erzeugt werden Oben: Lukas Steger, Konzeptschnitte soll. Bei der Erarbeitung der Grundrisse, «Schwamm» Schnitte und Fassaden war auf eine hohe Nutzungsqualität zu achten und auf langlebige, werthaltige Konstruktionen. Es war interessant zu beobachten, dass die Setzung ganz elementarer Regeln zunächst natürlich Spielräume schuf. Es wurde notwendig, sich von vielen scheinbar auf ewig festgeschriebenen Gewissheiten zu lösen, um neue Ansätze für den Wohnungsbau in Grossstrukturen ausloten zu können. Übertiefe Grundrisse konnten eine Spur legen, überhohe Räume oder auch konstruktive Ideen der Vorfabrikation ganzer Raumeinheiten. Dass das Entwerfen anspruchsvoller wird, wenn Konventionen über Bord geworfen werden, hat sich dabei ebenfalls deutlich gezeigt. Mit der Anwendung des abstrakten Modells auf die Wirklichkeit städtischer Parzellen wurde der Kontext wichtig: die Topografie als Störung und als Quelle der Inspiration zugleich, oder auch die Nachbarn, die kaum auf die neuen kräftigen Gebäudekomplexe gewartet haben. Regeln kommt in Städten nicht nur eine normative Rolle zu, indem sie festlegen, was erlaubt und was verboten ist, Regeln führen auch zu Siedlungsbildern, indem sie Gebäude und Aussenräume formen. In diesem Sinne dienen sie der Kommunikation, sie bilden also letztlich eine gesellschaftliche Idee ab. Wer verdichten will, tut gut daran, sich zeitig mit diesen Bildern zu beschäftigen.
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Stelengruppe Noah Ulrich
POLYPTYCHON Po·ly·p·ty·chon
POLYPTYCHON Po·ly·p·ty·chon
Noah Ulrichs Stelengruppe kommt am Rande des Bruderholzes zum Gundeli hin zu liegen. Hier setzt er Sockelbauten, mit denen er jeweils zwei Stelen gruppiert, topografisch wirksam als Zugangsterrassen ein. Die Verknüpfung der Fusspunkte seiner Hochhäuser mit den Höhenlinien erzeugt ein räumlich spannungsvolles Ensemble grossstädtischen Charakters.
Oben: Situationsplan Mitte: Axonometrie Wohnküche und Projekt (Vorstudie) Unten: Längschnitt Rechts: Grundriss OG und Ansicht
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Schema Konzept Fassade
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Kochen
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Wohnen
Aussenraum
Detail Grundriss 1:50
Master Semester IX | Modul Siedlung | Dozent Prof. Matthias Ackermann | Assistenz Patrizia Wunderli, Sebastian Stich | Student Noah Andrea Ulrich | Schlusskritik | 9. Januar 2019
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20
10
20 5
0
10
10
16‘800 m2 16‘800 m2 16‘800 m2 50‘400 m2
Bezugsfläche:
11‘200 m2
20
0
50
10
20
50
Dichte Bruderholz:
1:500
Topografie 0
5
10
20
Bebauung
Infrastruktur
1:500
50 20
50
100
1:500 1:1'000
0
10
20
50
100 0 1:1'000
0 0
50 100
20 200
0
10
20
50 100 100
1:500 7‘200 m
2
(11‘200 m2)
4.5
50
1:200 0
Block A: Block B: Block C: Total:
Dichte:
1:200
Schnitt 1:5‘000 200
200
50
23‘600 m2 22‘455 m2 9‘400 m2 50‘040 m2
Bezugsfläche:
8‘300 m2
Dichte: Axonometrie Regelwerk
500 500
Block A: Block B: Block C: Total:
100 6‘900 m2 (8‘300 m2)
1:1'000
6.6 Parzelle
Grundriss/Schnitt Regelwerk
1:5'000
100
500
0
1:5'000
1:1'000
0
50 100 100
Schnitt 1:5‘000 200
200
500 500
1:5'000
Bebauung
Fass
0
50
1
2
5
1:33
0
50
1
2
5 1:50
0 50 1
2
5
10 1:100
Grundriss Sockelgeschoss 00 Twin A
Grundriss Sockelgeschoss 01 Twin A 0 1
5
0 1
5
10
Grundriss Sockelgeschoss 02 Twin A
20
10
20
1:200
5 3 1:3 0
5
10
20
50
1:500
2
1
0
10
20
50
100
50 0
0
1:1'000
1:5
5
0
2
50 100
200
500
1
1:5'000
50 0
00
1:1
10
5
2 0 05
1
00
20
1:2
10 5 0
1
50
00
1:5
20 10
0
10
5
0
'00
1:1
0
50 20
0
50
10 0
0
'00
1:5
0
20 0
50
10
0
ZWINGLI HAUS
21 Ansicht Nordfassade 1:200
Schwamm Jordan Marchand
Oben: Situationsplan Unten: Wohnraum Westansicht Rechts: Wohnungsgrundriss M. 1:150 und Grundriss Obergeschoss M. 1:900
22
Jordan Marchand geht von der Vorstellung einer schwammartigen Bebauung aus und entwickelt ein Holzbaumodul, das sich cluster- oder eben schwammartig zu einer Superstruktur fügen lässt. Diese Struktur ist, eingeschmiegt in ein dreieckiges Grundstück auf dem vom Cargoverkehr geprägten Lysbüchel areal, in der Lage, über eine differenzierte Höhenstaffelung auf seine Südexposition zu reagieren und zugleich intime Aussenbereiche im Schwamminnern auszubilden. Analog zu der bewegten äusseren Gestalt verknüpft Marchand das Innenleben seiner Module zu unterschiedlichsten Wohnungstypen, die nie von strukureller Monotonie, sondern im Gegenteil von räumlicher Vielfalt zeugen.
23
Stufenterrasse Pascal Kuster
Oben: Situationsplan Mitte: Ansicht Unten: Schnitt Rechts: Grundriss 2. und 1. Stufe M. 1:1000
24
Pascal Kusters Stufenterrasse liegt auf dem Areal der Prodega, das rundum vom Autound Bahnverkehr geprägt ist. Kuster unterteilt sein Raumprogramm deshalb in drei unterschiedliche Höfe. In der untersten Stufe verbindet sich der existierende Grosshandelsbetrieb mit einem Veranstaltungsraum und einer Markthalle. Hieraus resultiert eine besondere, introvertierte Raumatmosphäre. In den oberen Stufen reagieren differenzierte Wohnungstypologien auf den zunehmenden Weitblick zur Stadt hin.
25
Villencluster Prof. Matthias Ackermann, Schwerpunkt Siedlung FS19
Wer an Verdichtung denkt, denkt in erster Linie an innerstädtische Mehrfamilienhäuser mit vielen gleichartigen Geschosswohnungen. Diese Bauform trägt in sich schon eine hohe Dichte, und sie wird sicher einen bedeutenden Beitrag zur weiteren Verdichtung unserer Siedlungen leisten. Diese nehmen aber viele verschiedene Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Ansprüchen an das Wohnen auf. Es wäre fatal, wenn in den Städten keine Angebote für hohe Ansprüche mehr zu finden wären oder wenn die flächenintensive Bebauungsform der Villa sich ungebremst verbreiten würde. Der Untersuchungsgegenstand des Frühjahrssemesters 2019 war deshalb die Villa als Wohnform, die aber nicht in Einzelgebäuden umgesetzt, sondern zu grösseren Einheiten zusammengefasst wird. Der Ort der Untersuchung war das Basler Bruderholz-Quartier.
und zwei Innenbilder sollten die Wesensmerkmale des Gebäudes offenlegen und zugleich Spielraum für die weiteren Untersuchungen öffnen. Im zweiten Schritt bestimmten die Studierenden einen Bauplatz, der sich ihres Erachtens für die Errichtung eines Wohnhauses mit mindestens acht villenartigen Einheiten eignen würde. Bei der Wahl waren städtebauliche und landschaftliche Themen bestimmend, die bestehende Zonenordnung konnte ausser Acht gelassen werden. Das Projekt für das Wohnhaus sollte prototypische Züge aufweisen, zugleich aber auch differenziert sein und verschiedene Wohnungsgrössen aufnehmen können. Besondere Beachtung war der Qualität der Innenräume zu schenken und dem privaten Aussenraum, der einem eigenen Garten gleichwertig sein sollte.
Das Bruderholz-Quartier wurde ab 1900 geplant und als Gartenstadt in den Hügeln angelegt. Die Bebauung ist nach wie vor gekennzeichnet von Einfamilienhäusern und Villen, die jedoch seit einigen Jahren zusehends unter Druck geraten. Die geltende Zonenordnung, die zum Schutz dieser kleinteiligen Bebauung entwickelt worden war (Zone 2a) sieht eine «offene Überbauung mit zweigeschossigen Wohnhäusern» vor. Der fortschreitenden Verdichtung kann diese Zonenordnung wenig entgegenhalten, sie fördert den Ersatz vieler Villen durch kleine und für den Ort dennoch zu grosse Mehrfamilienhäuser. Die architektonische Qualität dieser Gebäude lässt meist zu wünschen übrig. Es besteht die Gefahr, dass die Qualitäten dieses Villenquartiers verloren gehen und einer gestaltlosen Überformung zum Opfer fallen.
Die Resultate zeigen eine grosse Bandbreite Oben: Sil Vintioen, Detailstudie des an architektonischen Themen, aber auch – und Boudoirs der Villa Müller in Prag von das war eigentlich fast bedeutender – eine Adolf Loos Vielzahl von Strategien auf. Neben dem gängigen Bau auf der freien Wiese und dem Ersatzbau, zeigte eine Arbeit beispielsweise auf, wie in eine genossenschaftlich orientierte Stadtstruktur grössere Gebäude mit villenartigen Wohnungen eingebettet werden könnten. Der Schwerpunkt einer anderen Arbeit lag beim Aussenraum. Der Vorschlag basiert auf der Idee, ins Zentrum einer Gruppe von acht bestehenden Häusern einen gemeinsamen «hortus conclusus» zu legen und dann, von ihm ausgehend, die privaten Gärten zu entwickeln und die Häuser daran anzupassen, um so eine grosse Vielfalt von gehobenen Wohnformen entstehen zu lassen.
Der erste Schritt der Entwurfsübung diente der Annäherung an den Bautypus der Villa, ein Begriff mit einer langen Geschichte und einer doppelten Konnotation: das Wohnen auf dem Lande auf der einen, die Stadtgebundenheit auf der anderen Seite. Die Studierenden entwarfen vier Visualisierungen einer imaginären Villa am Hang. Zwei Aussen-
Die Projekte sind sehr unterschiedlich, und sie zeigen auf, dass bei solchen Verdichtungsbemühungen natürlich Regeln gelten müssen. Weil die Spannbreite der Lösungsansätze aber sehr gross ist, müssen die vorab gesetzten Regeln, um sie zu ermöglichen, mehr erlauben, als es die heutige Zonenordnung tut. 27
Villencluster am Jakobsberg Céline Dietziker
Céline Dietziker ersetzt Teile der fingerartigen Reihenhäuser auf dem Jakobsberg, die zwar im Rahmen von Hermann Baurs Gesamtplan erbaut wurden, aber nicht die dort übliche Ausführungsqualität besitzen. Dietziker übernimmt die charakteristische Staffelung, prononciert deren Einheitlichkeit aber mit durchgehender Materialisierung in Klinker. Grundlage dieser Vereinheitlichung sind komplexe, die Reihenelemente übergreifende Geschosswohnungen.
se as str ck se Bir
glein we er rg be bs ko Ja
sse tra t-S gs il An Em
Villen auf dem Jakobs
Schwerpunkt Siedlung, Fokusprojekt 2 Dozent: Professor Matthias Ackerman Wissenschaftliche Assistenz: Dr. Sebas Studentin: Céline Dietziker Schlusskritik vom 05.06.19
Zur Gempenfluh
glein uhwe Gempenfl
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Seltisbergerweglein
Zur Gempe nfluh
Ho chwa lds tra sse
Seltisber gerstrass e
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Ge mp en flu hw eg lein
lein Bürenfluhweg
Schwarzplan Bestan 1:3000
e trass gers sber Selti
Seltisbergerw eglein
Oben: Situationsplan Unten: Visualisierungen Rechts: Grundriss und Schnitt Regelwohnung M. 1:100
e trass gers sber Selti
cker Im Spitza
lein Seltisbergerweg
se stras Giornico
Situation 1:500
GSPublisherEngine 0.0.100.100
28
Autoeinstellhalle 1:500
Arbeitszimmer 12 m2
Arbeitszimmer 12 m2
Schlafzimmer 18 m2
Schlafzimmer 18 m2
Atrium 16 m2
K체che 15 m2
Eingangshalle 35 m2
Atrium 16 m2
K체che 15 m2
Eingangshalle 35 m2
Badzimmer 7 m2
Badzimmer 7 m2
Wohn- und Esszimmer 44 m2 Garderobe 7 m2
Wohn- und Esszimmer 44 m2 Garderobe 7 m2
G채stetoilette 4 m2
G채stetoilette 4 m2
Bibliothek 15 m2
Sonnenterrasse 13 m2 Bibliothek 15 m2
Sonnenterrasse 13 m2
Wohnungsgrundriss 1:50
Wohnungsgrundriss 1:50
Wohnungsschnitt 1:50
29 Wohnungsschnitt 1:50
Villencluster Auf der Batterie Benedict Choquard
Oben: Strassenperspektive Unten: gemeinsamer Hof Rechts: Grundriss Erdgeschoss und Strassenfassade M. 1:650
30
Der Garten ist prägender Bestandteil der klassischen villa suburbana. Benedict Choquard entwickelt ein überzeugendes Bild, wie die Gärten zeitgenössischer Villen auf dem Bruderholz aussehen könnten. Jeder seiner acht Bauten verfügt über einen privaten Gartenteil, der in einen grossen zentralen Ge-
meinschaftsbereich mit Schwimmteich übergeht. Die Villen sind L-förmig angelegt; ein grosszügiger zweistöckiger Wohntrakt liegt quer zu eingeschossigen Nebentrakten. Die Nebentrakte sind zu einer übergreifenden, U-förmigen Anlage addiert, die den Garten gegenüber der Strasse intimisiert.
W E S T FA S SA DE | 1 : 2 0 0
NOR DFA S SA DE | 1 : 2 0 0
O S T FA S SA DE | 1 : 2 0 0
S Ü DFA S SA DE | 1 : 2 0 0
G A N Z E O S T FA S SA DE | 1 : 5 0 0
31
Villencluster an der Marignanostrasse Gaëlle Degezelle
Oben: Situationsplan Unten: Zugang und hortus honclusus Rechts: Gartenplan M. 1:800, Skulpturengarten und Wohnungsatrium
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Gaëlle Degezelle scheidet in rückwärtigen Gärten einiger Bestandsbauten als neues Element einen hortus conclusus aus – ein geteilter Rückzugsort der Hausgemeinschaft. Dieses beruhigte Zentrum ist in der Folge Bezugsort unterschiedlicher Entwicklungen, die Degezelle in, auf, an und neben dem Bestand vorschlägt. Trotz Diversität, Grösse und Nähe der baulichen Eingriffe gelingt es so, die Charakteristik des Ortes angemessen weiterzuentwickeln.
4
3
2 5 1
6
7
8
1
Hortus Conclusus
Hängebuche
Fagus Sylvatica ‘Pendula’
2
Gärtnergarten
Lavendel
Lavandula Angustifolia
Rosmarin
Rosmarinus Officinalis
3
Brunnengarten
Eibenhecke
Taxus Baccata
4
Skulpturgarten
Säulenwacholder
Juniperus Communis ‘Hibernica’
5
Rosengarten
Rote Rosen
Rosa Turbinata
6
Labyrinth
Buchsbäume
Buxus Sempervirens
7
Spiegelgarten
Eibenbäume
Taxus Baccata
8
Allee
Hainbuche
Carpiorus Betulus
9
Birkengarten
Grau-Birke
Betula Populifolia
9
Hortus Conclusus 1/800
33
35
0
Villencluster Oberer Batterieweg Sil Vintioen
Oben: Situationsplan M. 1:2’000 Unten: Perspektive Garten Rechts: Grundrisse Erdgeschoss und Obergeschoss M. 1:400
Alternativ zu den heute üblichen Ersatzneubauten erhält Sil Vintioen bei seinem Projektvorschlag eine ehemalige Herrschaftsvilla als gemeinsames Gast- und Veranstaltungshaus der acht neuen Wohneinheiten, die er auf dem grosszügigen Umschwung kompakt platziert. Seinen Maisonette-Reihenhäusern legt er eine eigenwillige Interpretation der Sternhaus-Siedlungen der 1940er-Jahre zugrunde. Anstatt die Y-Grundrisse zugunsten maximaler Besonnung frei zu platzieren, besetzt er Füllstellen zwischen Y-Hauptraumfiguren mit Nebenräumen und Loggien.
Gartenplan (1/200)
34
Bild: Reihenhaus Aussenraum Bild: Reihenhaus Aussenraum
Grundriss: Reihenh채user,Grundriss: Erdgeschoss Reihenh채user, Erdgeschoss
Grundriss: Reihenh채user,Grundriss: Obergeschoss Reihenh채user, Obergeschoss
35
Verdichtetes Wohnen im Dorfkern von Allschwil Prof. Susanne Vécsey, Schwerpunkt Haus FS19
Die bauliche Verdichtung nach innen wurde 2013 mit der Revision des Raumplanungsgesetzes vom Volk beschlossen. Die Maxime des haushälterischen Umgangs mit dem Boden wird seither kaum mehr infrage gestellt. In seiner Umsetzung ist der Beschluss aber ein heisses Eisen, wie die Zersiedelungsinitiative deutlich gemacht hat. Wenn von Verdichtung die Rede ist, steht die hochverdichtete Stadt meist im Vordergrund der Debatte und wird kontrovers diskutiert. Doch eigentlich stellt sich die Frage nach Verdichtung auf dem Lande in ebenso dringlichem Masse. Denn dort ist die ‹undichte› Bebauung seit jeher verankert. In ihrer flächendeckenden Form stösst sie zunehmend auf Kritik. Wir wollten im Frühjahrssemester 2019 der Frage nachgehen, warum uns die um sich greifenden Einfamilienhaussiedlungen nicht recht gefallen wollen. Ist es nur ein Problem der mediokren Architektur oder auch eines der Unabgestimmtheit von Interessen und Entscheiden? Liegt es am fehlenden Konsens darüber, was ein Dorf ist oder sein könnte? Uns trieb die Frage um, wo die Gesetzgebung ansetzen könnte, um den Planungsprozess früh genug zu beeinflussen. Denn ein Bedürfnis scheint das private Wohnen auf dem Land weiterhin zu sein. Bloss wie wird man diesem Bedürfnis gerecht, ohne dabei die soziale und räumliche Qualität der Dörfer und der Landschaft zu verlieren? In einem ersten Schritt galt es, im Sinne der Verdichtung nach innen auf mehreren, teilweise bebauten Grundstücken nahe des Dorfkerns von Allschwil eine gute Setzung neuer Häuser zu finden und dafür ein Regelwerk aufzustellen, das die Gemeinde Architekten und Bauherrschaften als Planungsgrundlage anbieten könnte, um unkoordiniertes Bauen zu verhindern. Dabei interessierte uns die Haltung der Häuser zum öffentlichen Grund mindestens so sehr wie diejenige zum privaten Garten. Mit malerischen Mitteln, orientiert an den Bildern von Edward Hopper, sollte dem angestrebten Dorfbild Ausdruck verliehen werden.
In einem zweiten Schritt wurden die erarbei- Unten: Gemälde teten Strategien und Regelwerke geprüft, in- von Ilir Akar dem sie in Einzelentwürfen umgesetzt wurden. Jede Studentin und jeder Student entwarf ein privates Wohnhaus für eine fiktive
Bauherrschaft. Dabei interessierte vor allem die Entwicklung einer Idee von der typologischen Anlage über die Materialisierung bis zur konstruktiven Durcharbeitung. Die bildliche Darstellung diente als Prüfstein für die 37
Unten: Gemälde von Philippe Bärtschi
beabsichtigte Atmosphäre des Wohnens auf dem Dorf, was in unserem Fall gleichbedeutend ist mit Wohnen in der Agglomeration Basels. Durch die Platzierung mehrerer Hausentwürfe in unmittelbarer Nachbarschaft zu-
schaften und den Architektinnen und Architekten viel gestalterische Freiheit zuzugestehen und die Regelwerke auf ein Minimum zu beschränken, war beeindruckend. Entsprechend stolz hat der Bürgermeister aus der nur 38 Paragrafen enthaltenden Bauordnung vorgelesen, als wir auf der Dachterrasse seines Privathauses standen, um von oben das Resultat seiner 30-jährigen Ägide mit Luigi Snozzi zu betrachten: die mit alternativen Planungsinstrumenten vorbildlich umgesetzte Verdichtung der Ortschaft. Der Vortrag von Roman Hanimann, Partner bei ‹Van de Wetering Atelier für Städtebau›, führte vor Augen, dass wir uns über die teilweise befremdlichen Auswüchse städtebaulicher Entwicklung nicht zu wundern brauchen, werden diese doch von technokratischen, den Raum und soziale Gefüge missachtenden Baureglementen auf Gemeindeebene. Hanimann schärfte das Bewusstsein dafür, dass wir die gewünschten Qualitäten in die Gesetzgebung einschreiben müssen, wenn sie uns ein Anliegen sind.
Die Ausführungen der Kunsthistorikerin Dorothee Huber zur Bebauung des Bruderholzquartiers waren äusserst lehrreich und kamen für die Studierenden genau im richtigen Moment. Die auf dem Staatsarchiv im Original einsehbaren Bebauungspläne verdeutlichten, wie dezidiert einerseits die Strassenlegung, die Setzung der Gebäude im Bezug zur Strasse sowie die Platzierung öffentlicher einander wurde das Spannungsverhältnis zwi- Nutzung innerhalb des Wohnviertels geplant schen öffentlichen und privaten Interessen of- wurden und wie rudimentär andererseits die fenbar. Vorgaben für die Architektur blieben. Empfehlungen für eine angemessene ArchitekturEinen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf sprache wurden damals anhand beispielhafdie Semesterarbeiten hatte ein Ausflug nach ter Illustrationen des zukünftigen Quartiers Monte Carasso, wo uns der Luganeser Archi- gegeben. tekt Stefano Moor, unter Anwesenheit von Luigi Snozzi, eine Einführungsvorlesung zur So haben denn die Studierenden beim Ausstädtebaulichen Disposition des Ortes hielt arbeiten ihrer Bebauungspläne Mittel gesucht, und der ehemalige Bürgermeisters Flavio um auf dem Bauplatz in Allschwil eine räumGuidotti anschliessend durchs Dorf führte. liche und soziale Ordnung zu schaffen, die Die liberale Haltung Guidottis, den Bauherr- nicht nur dem privaten Interesse dient, son38
dern vor allem der Öffentlichkeit zugute kommt. Sie bildeten Gestaltungsbeiräte oder loteten den Effekt unterschiedlicher Parzellengrössen aus, operierten mit Pflichtbaulinien oder Umfassungsmauern zur klaren Trennung des privaten vom öffentlichen Raum, entwickelten Anreizsysteme für Schräg- oder Flachdachvarianten und reicherten das Wohnen punktuell mit Nutzungen für die Gemeinschaft an. Lisa Euler, Projektleiterin Stadtentwicklung und Raumplanung Allschwil, brachte als Gastkritikerin bei der Zwischenkritik interessante Aspekte aus der Praxis ins Spiel.
alwahl und die dahinter stehenden Produktionsprozesse, und plädierten – jeder auf seine Weise – für eine Verankerung der Architektur am Ort.
Schwierig wurde es dann beim Zusammentreffen der individuellen Entwürfe. Es zeigte sich immer wieder, dass bei gegebenen Regelwerken ein Effort seitens der entwerfenden Studierenden gefragt ist, über den eigenen Parzellenrand hinauszuschauen, um das gemeinschaftliche Anliegen umzusetzen. Diese Erkenntnis stellte natürlich auch die Reduziertheit der Regelwerke infrage. Die Schwierigkeit, entwerferisches Können, architektonisches Feingefühl und eine Vorstellung von Angemessenheit in Paragrafen festzuhalten, wurde offensichtlich. So war denn eine Erkenntnis, dass ein Begleiten des Planungs- prozesses durch die Gemeinden ratsam wäre. Es würde Spielräume zulassen und doch eine gewisse Kontrollmöglichkeit bieten, wenn es um die Veränderung unserer Städte und Dörfer im Zuge der Verdichtung geht. Zum Abschluss des Semesters hatten wir mit Dr. Albert Kirchengast und Gordian Blumenthal von Capaul & Blumenthal zwei kompetente Gastkritiker bei uns, die sich beide intensiv mit dem ländlichen Bauen auseinandersetzten und grosses Interesse an der Aufgabe zeigten, die im Spannungsfeld von Ortsbildschutz und Nachverdichtung einer Agglomerationsgemeinde von Basel angesiedelt war. Sie animierten uns, über die Vorzüge des nicht-urbanen Lebens nachzudenken, hielten den Finger in die Wunde, wenn es um nachhaltiges Bauen ging, mit Blick auf die Materi39
Masterplan Gehöft I Philippe Bärtschi
Oben: Situationsplan Unten: Strassenansicht Rechts: Schnitt und Grundriss Erdgeschoss M. 1:200
40
Der Entwurf von Philippe Bärtschi basiert auf dem Masterplan des Gruppenprojektes «Gehöft». Durch seine Positionierung zwischen öffentlicher Durchgangsstrasse innerhalb des Quartiers und intimerer Gemeinschaftshofseite hat der Entwurf mit unterschiedlichen Anforderungen an Transparenz umzugehen. Der Masterplan sieht Mauern vor, die den öffentlichen Weg flankieren und ihn dadurch klar definieren. Auf der Strassenseite ist der Wohnbereich im Erdgeschoss zurückversetzt. Das Obergeschoss mit Atelier und Schlafzimmer ist auf Strassenseite introvertierter. Es liegt hinter einer Terrassen / LaubengangSchicht und ist von oben belichtet. Die Fassade zum gemeinschaftlichen Hof ist durchlässiger gestaltet.
41
Masterplan Gehöft II Pascal Kuster
Oben: Situationsplan Unten: Gartenseite Rechts: Schnitt und Grundriss Erdgeschoss M. 1:200
42
Der Masterplan «Gehöft» schlägt eine Siedlungsform vor, bei der die an Höfen gelegenen Gebäude auch von diesen aus erschlossen werden, um dort einen aktiv genutzten, intimen Ort der Gemeinschaft zu schaffen. Die Höfe erhalten eine je eigene, identitätsstiftende Ausgestaltung. Der Entwurf von Pascal Kuster beschäftigt sich bis ins Detail mit der Holzskelettbauweise, die sowohl den Innenraum wie auch die Fassade prägt. Es gibt zwei grosse Familienwohnungen und ein kleineres Apartment über dem mittigen Durchgang zwischen Hof und Platzseite des Gebäudes im Erdgeschoss.
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Masterplan Dorfplatz I Patrik Hilber
Oben: Situationsplan Unten: Schnittperspektive Rechts: Grundrisse
44
Im Fokusprojekt 1 entstand in Gruppenarbeit der Masterplan «Dorfplatz» für diesen öffentlichen, städtischen Platz in Ostwestrichtung, mit langen, unterschiedlich breiten Parzellen im Norden und Süden. Die Parzellenbreiten variieren zwischen 4, 6 und 10 Metern. Eine Herausforderung war, im Masterplan Regeln für die Architektur festzulegen, die trotz des individuellen Ausdrucks der einzelnen Häuser einen Zusammenhalt der Siedlung gewährleisten. Der Entwurf von Patrik Hilber kreiert eine fiktive Bauherrschaft mit einer Schneiderin und ihren beiden Töchtern. Im Erdgeschoss, zum Platz ausgerichtet, öffnet sich das private Wohnhaus über ein Schneiderei-Atelier mit einem grosszügigen Schaufenster zum öffentlichen Raum. Durch Versätze mit wenigen Treppenstufen wird in den durchgesteckten, nordsüdorientierten Hof und Platz verbindenden Geschossen eine Zonierung vom Öffentlichen ins Private erreicht.
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Masterplan Dorfplatz II Fabian Ruppaner
Oben: Situationsplan Unten: Axonometrie Rechts: Grundrisse und Schnitt
46
Der Entwurf von Fabian Ruppaner geht der Frage nach, wie eine vier Meter schmale Parzelle bebaut werden kann. Das Projekt greift das Thema der Höhenversätze zwischen dem öffentlichen Platz im Süden und dem privaten Garten auf der nördlichen Hinterhofseite auf und setzt es durch unterschiedliche, im ganzen Gebäude verteilte Raumstufen verspielt um. Eine Kaskadentreppe verbindet alle Geschosse vom Eingang bis zum obersten Schlafgeschoss und schafft damit Blickbezüge im ganzen Haus. Es werden Raumverteilungen, Raumproportionen und Nutzungen hinterfragt, wodurch neue, ungewohnte, auf ein Künstlerpaar zugeschnittene Räume entstehen. Verschiedene Ausrichtungen und Raumproportionen erhalten eine je eigene Belichtung und unterschiedliche Auskleidung, was jedem Raum seine charakteristische Stimmung verleiht.
Axonometrie Raumabfolge Garten − Gartenhaus − Patio
Axonometrie Raumabfolge Atelier − Patio
Patio
Essen
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Masterplan Gassen Jordan Marchand
Oben: Situationsplan Unten: Strassenperspektive Rechts: Schnitt und Grundriss Erdgeschoss
48
Dieser Masterplan entwickelt die engen Gassen der Allschwiler Dorfkernstruktur weiter. Das neue Wohnquartier schafft mit einer schmalen Hauptgasse und dem Vis-à-vis aneinandergereihter, dreigeschossiger Wohnhäuser eine kleine städtische Einheit. Abgetreppte Vorplätze lassen eine Übergangszone zwischen den Wohnräumen im Erdgeschoss und der öffentlichen Gasse entstehen. Jordan Marchand nimmt das Thema der Höhenentwicklung des Geländes in seinem Gebäude auf. Um einen zentralen Kern sind offene, nur durch wenige Treppenstufen voneinander abgegrenzte Räume angeordnet. Der räumlichen Leichtigkeit entspricht die Konstruktion als Holzrahmenbau.
49
Studienreisen
Rom I – Alle Wege führen nach Rom Schwerpunkt Landschaft HS 18 Prof. Susanne Vécsey, Anja Müller Auf ausgedehnten Spaziergängen entlang verschiedener antiker Ausfallstrassen, die bis heute die Metropolitanregion Roms strukturieren, haben wir uns aus der Peripherie dem Zentrum genähert. Rom begegnete uns zu grossen Teilen als Stadt des 20. Jahrhunderts, die von politischen Visionen geprägt, von städtebaulichen Planungen durchzogen, aber auch von ungeplantem Wachstum bestimmt ist. Der heterogene Stadtkörper Roms und die Vielzahl städtebaulich und architektonisch herausragender Wohnviertel des letzten Jahrhunderts interessierten uns für einmal mehr als einzelne historische Monumente.
sowohl von Konstanten wie der Topografie geprägt ist als auch von harten Brüchen und fundamentalen Uminterpretationen. Die städtebaulichen Anstrengungen sind in der Regel Ausdruck von Machtansprüchen unterschiedlichster Provenienz. Die Studienwoche führte uns zu Gebäuden und Stadträumen, die von diesen Ablagerungen erzählen, die Ideale beschwören oder Ausdruck von Kompromissen sind, zu Architekturen von epochaler Bedeutung genauso wie zu kleinen Bauten, die über Jahrhunderte nichts von ihrer Kraft eingebüsst haben. Wir haben uns Zeit genommen, genau hinschaut, gezeichnet und versucht, im Gespräch zu verstehen.
Georgien Schwerpunkt Siedlung, FS 19 Prof. Matthias Ackermann, Rom II – Die Geschichte und Dr. Sebastian Stich, Patrizia Wunderli das Geschichte Georgien liegt im Schnittpunkt der KontinenSchwerpunkt Siedlung HS 18 te Europa und Asien. Seine Geschichte ist geProf. Matthias Ackermann, prägt von übermächtigen Nachbarn: Russen, Dr. Sebastian Stich, Patrizia Wunderli Arabern, Byzantinern, Osmanen und Persern. Seit ihrer legendären Gründung am 21. April Konstant politisch bedrängt und kulturell be753 v. Chr. ist die Stadt Rom Ort und Gegen- einflusst, konnte sich Georgien doch über die stand städtebaulicher Recherche. Die Stadt, Jahrhunderte hinweg seine eigene Sprache, wie wir sie heute kennen, ist das Resultat Schrift und Kultur bewahren. Unsere Rundreieines langen Transformationsprozesses, der se startete in Tiflis, der Landeshauptstadt,
Unten: Die Reisegruppe «Siedlung» in dem von stalinistischer Architektur geprägten Kurort Zkaltubo, Georgien. Foto: Marco Blecher 50
einer Stadt in der kaum ein Haus mehr als 200 Jahre alt ist. Ikonen der Sowjetmoderne treffen hier auf traditionelle Holzhäuser, exzentrische zeitgenössische Bauten stehen neben wucherndem informellem Wohnungsbau. Wir widmeten uns der hybriden Morphologie der Stadt und ihren herausragenden Einzelbauten, wie zum Beispiel dem 1975 erstellten Verkehrsministerium an der Kura. Im Anschluss reisten wir in Richtung des schwarzen Meeres. Über Mzcheta erreichten wir Zkaltubo, einen ehemaligen Kurort, der in stalinistischen Zeiten in neoklassischer Opulenz ausgebaut wurde. Seine Blütezeit als Ferienort hat Zkaltubo längst hinter sich, die Hotels und Badeanlagen sind zum grössten Teil verlassen oder werden von Flüchtlingen aus Abchasien bewohnt. Die Minenstadt Tschiatura – sie war unser nächstes Reiseziel – liegt in einer tiefen Felsschlucht und entstand dort nur, weil sich hier einst das grösste Manganvorkommen der Welt befand. Als öffentliches Verkehrsnetz wurden zahlreiche, waghalsige Seilbahnen über die dunkle Schlucht gespannt. Anschliessend bereisten wir den grossen Kaukasus und besichtigten sowjetische Monumente und Sakralbauten aus dem 10. Jahrhundert. Zurück in Tiflis beschäftigten wir uns mit dem Wohnungsbau. Die Stadtbevölkerung zieht aktuell vermehrt
an den Rand von Tiflis, da das Zentrum von Luftverschmutzung belastet ist. Als Folge entstehen neue, skurrile Siedlungen am Rande der Stadt in bisher unbewohnten Gebieten, wie zum Beispiel «Hualing City», ein Grossprojekt chinesischer Entwickler.
Porto Schwerpunkt Haus, FS 19 Prof. Susanne Vécsey, Anja Müller Es war eine Reise zur portugiesischen Architektur und deren Wertschätzung dem Ort, den lokalen Materialien und der Geschichte gegenüber; eine Reise zu einer ursprünglichen Architektur, die verbunden ist mit der Landschaft, der Erde, dem Stein und dem Wasser. Neben den traditionellen Bauten aus der älteren Geschichte besichtigten wir Wohnhäuser von Fernando Távora, Álvaro Siza Vieira und Eduardo Souto de Moura. Ihr Umgang mit der Tradition ist aussergewöhnlich kreativ und eigenständig. Ihre Architektur ist mit dem Ort verankert und zugleich international. Sie wirkt zeitlich eingefügt und doch zeitlos.
Unten: Speicherbauten in Soajo / Espigueiros de Soajo, Portugal 51
Impressum
© 2019 FHNW Institut Architektur Master-Studiengang Aufgabenstellung, Entwurfsbetreuung Entlang der Grenzen der trinationalen Region (Landschaft HS18) Prof. Susanne Vécsey Andreas Nütten Anja Müller Dr. Sebastian Stich Norma Tollmann
Texte Prof. Matthias Ackermann Prof. Susanne Vécsey Dr. Sebastian Stich Texte Studierendenarbeiten Anja Müller Dr. Sebastian Stich Patrizia Wunderli
Dichtebilder (Siedlung HS18) Prof. Matthias Ackermann Tom Boyle Dr. Sebastian Stich Patrizia Wunderli
Redaktion Dr. Sebastian Stich
Villencluster (Siedlung FS19) Prof. Matthias Ackermann Tom Boyle Dr. Sebastian Stich Patrizia Wunderli
Layout Anja Müller, Dr. Sebastian Stich, Sybil Weishaupt, Patrizia Wunderli
Verdichtetes Wohnen im Dorfkern von Allschwil (Haus FS19) Prof. Susanne Vécsey Andreas Nütten Tom Boyle Anja Müller Dr. Sebastian Stich
52
Lektorat Nana Badenberg
Studierende HS18, FS19 Michel Aebischer Ilir Akar Jessy Alvarez Anouk André Philippe Bärtschi Lorena Becker Marco Blecher Silvio Borter Sophie Branchereau Jocelyn Bürke Benedict Choquard Marine Cornaz Gaëlle Degezelle Philippine de Varine-Bohan Céline Dietziker Utku Mehmet Dursun Svenja Gubler Rahel Guggisberg Roma Virginia Guldimann Xenia Heid Marana Herms Patrik Hilber Konstantin Khoss Raphaël Kiener Anna-Maria Köster Pascal Kuster Jordan Leonardis Jordan Marchand Javier Marquez Aneta Matuszewska Tobias Paro Clotilde Quélin Laura Ricklin Ian Alec Ritter Fabian Ruppanner Sabrina Salvisberg Smriti Shrestha Emanuel Spielmann Lucas Steger Jana Trachsel Sil Vintioen Noah Ulrich Mario Wunderlin
Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW Hochschule fĂźr Architektur, Bau und Geomatik FHNW Campus Muttenz Hofackerstrasse 30 4132 Muttenz T +41 61 228 55 66 architektur.habg@fhnw.ch www.fhnw.ch
9 783905
747331
Die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW setzt sich aus folgenden Hochschulen zusammen: – Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW – Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW – Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW – Hochschule für Life Sciences FHNW – Musikhochschulen FHNW – Pädagogische Hochschule FHNW – Hochschule für Soziale Arbeit FHNW – Hochschule für Technik FHNW – Hochschule für Wirtschaft FHNW
Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik Institut Architektur Campus Muttenz Hofackerstrasse 30 CH-4132 Muttenz www.fhnw.ch