Master
Architecture and Structure Energy Material
Head of Master Course
Peter Althaus
Design Studios
Didier Balissat
Céline Bessire
Luca Deon
Steffen Hägele
Joni Kaçani
Tina Küng
Annika Seifert
Matthias Winter Assistants
Qendrim Gashi
Shehrie Islamaj
Andrew Mackintosh
João Moreira
Modules
Alberto Alessi
Nitin Bathla
Marcel Bächtiger
Heike Biechteler
Oliver Dufner
Torsten Lange
Davide Spina
Caroline Ting
further Professors, Lecturers and Guests
Jürg Conzett
Oliver Lütjens
Ludovica Molo
Johannes Käferstein
Thomas Kohlhammer
Felix Wettstein
Die Tourismusindustrie ist einer der grössten Arbeitgeber in Luzern und trägt als solcher massgeblich zur Produktion von physischen Räumen als konsumierbaren Gütern bei. Gebäude wie das KKL wurden spezifisch als Spektakel in einer Erlebnisökonomie entworfen und gebaut. Der Fokus Architektur & Struktur verschiebt das Blickfeld weg von ihren spektakulären und vielfotografierten Vorderbühnen. Um das unsichtbare Wechselspiel von sozialen und räumlichen Aspekten in diesen Architekturen offenzulegen, werden in ethnographischen Feldrecherchen die (räumlichen) Arbeitsbedingungen die ihre Spektakel (re-)produzieren analysiert und ihr Akteursnetzwerk kartiert. Der Fokus auf diese Sehenswürdigkeiten als Räume der Arbeit soll sie demystifizieren und sozial-räumlich neubewerten. Die Studierenden werden die neu-aufgedeckten (sozialen) Realitäten der analysierten Gebäude materialisieren und verräumlichen indem sie deren Rückseiten umbauen und dabei die moderne Unterteilung in dienende und bediente Räume, oder front- und backstages de-konstruieren.
In unmittelbarer Nähe zum touristischen Zentrum von Luzern liegt Emmen als post-industrielle Nachbarin, stellvertretend für die suburbane Wirklichkeit der gesamten Schweiz. Swiss Suburbia mit seiner hektischen Abfolge heterogener Programme karikiert latent das eigentliche Ziel von Zonenplänen: die Schaffung homogener, einheitlicher Bedingungen innerhalb einer Zone. Doch aufgrund der Fragmentierung ist das abrupte Aufeinandertreffen widersprüchlicher Nachbarn die Regel.
Auf der Suche nach einer neuen Sichtweise schauen wir im Fokus Architektur & Material zwischen singuläre Interessen und über isolierte Objekte hinaus, welche als bizarre Konsequenz von Zonierung, Eigentum und Real Estate Wirklichkeit geworden sind.
Ausgehend vom Wohnen entwerfen wir alternative Wohnszenarien und Formen des Zusammenlebens, die sich das programmatische Aufeinandertreffen an der Rändern von Zonen zu eigen machen. Die direkte Konfrontation und Korrelation mit anderen Massstäben und Morphologien verunreinigt das generische suburbane Wohnkonzept und verknüpft es so mit seiner spezifischen Umgebung.
Im Spiel mit dem Begriff der Metamorphose, μεταμόρφωσις, wie er aus Mythologie und Kunst, Zoologie oder Geologie bekannt ist, untersucht das Studio Architektur & Energie die Architektur in der Abfolge verschiedener Lebensphasen und Funktionen und fragt, wie wir typologische Transformationen von Beginn an mitentwerfen können.
In der Tessiner Grenzgemeinde Chiasso ist der Pendlerverkehr eine planerische Herausforderung, die derzeit noch grossen Bedarf an Parkplätzen mit sich bringt. Als Alternative zur absehbar obsoleten Tiefgarage will das Studio Strukturen entwickeln, die zunächst als oberirdische Parkhäuser dienen und gleichzeitig ihre typologische Transformation in eine zweite Nutzungsphase entwerfen: Wohnen und öffentliches Programm. Innerhalb des Narrativs der Metamorphose und im Experiment eines simultanen Entwurfsprozesses werden die Projekte versuchen, die Lebensspanne eines Gebäudes neu zu definieren.
Zusätzlich zu diesen drei Projektmodulen, von denen die Studierenden eines auswählen, werden fünf umfangreiche Module im Regelsemester entlang des Berufsbildes angeboten. Sie bedingen notwendige Vertiefungen in die eigentliche Materie und fragen verschiedene Kompetenzen zwischen fachlichen, methodischen und sozialen Fähigkeiten ab. Ein interdisziplinäres Lehrteam führt durch die unterschiedlichen Module.
The tourism industry is a major employer in Lucerne and as such it contributes to the production of physical spaces as consumable goods. Buildings like the KKL are specifically constructed to be spectacles performing in an experience economy. The Focus Architecture & Structure studio aims at shifting the perspective away from their spectacular frontstage. To reveal the invisible interplay of social and spatial aspects in these architectures the studio will perform an ethnographic analysis of the labour conditions that (re- )produce their spectacle and map their actor networks. Focusing on these sights as spaces of labour allows the studio to demystify and reevaluate them. Students will materialize and redesign the unveiled social realities by constructively transforming the backstages of the analyzed buildings, de-constructing the modern separation of serving and served spaces i.e. front- and backstages.
In direct vicinity to the touristic Lucerne lies Emmen the post-industrial neighbour that epitomises the suburban condition of all Switzerland. Swiss suburbia with its frantic succession of heterogenous programmes constantly caricatures the main aim of zoning: to generate homogenous, equal conditions within a zone. But due to fragmentation, the rule is the unexpected clash of completely different neighbours. In search of another perspective, Focus Architecture & Material takes a look beyond singular interests and the isolated object as the bizarre consequence of zoning, property and real estate. Addressing housing, the semester proposes alternative scenarios of habitation and forms of co-existence that embrace the programmatic collisions at the edges of zones. Here, the direct confrontation with and correlation to other scales and morphologies contaminates the generic suburban housing scheme and links it to the specific urban landscape.
Playing with the term of μεταμόρφωσις, metamorphosis, as known from mythology and art, zoology or geology, the studio Architecture & Energy explores architecture as a sequence of different life phases and functions and asks how we can anticipate typological transformations from the outset of a design.
In the Ticino border community of Chiasso, commuter traffic is a planning challenge, that currently still brings with it the need for parking spaces. As an alternative to the foreseeably obsolete underground parking, the studio seeks to develop a structure that can initially serve as an above-ground car parking, while simultaneously designing its typological transformation into a second phase of use: housing and public programming. Within the narrative of metamorphosis and experimenting with a simultaneous design process projects will attempt the redefinition of a building‘s lifespan.
In addition to these three project modules, of which students select one, five extensive modules are offered during the regular semester that trace the picture of the architectural profession. They require more intense work on specific topics and call for the application of knowledge, methodological and social skills. An interdisciplinary team of lecturers guides the students through the various modules.
«Tourism, human circulation considered as consumption, a by-product of the circulation of commodities, is fundamentally nothing more than the leisure of going to see what has become banal. The economic organization of visits to different places is already in itself the guarantee of their equivalence. The same modernization that removed time from the voyage also removed from it the reality of space.»
Veranstaltungen Events
Donnerstag
Atelier F400
Thursdays
Atelier F400
Ethnographische Exkursionen
Ethnographic Field Trips
Literatur-Workshops
Literature Workshops
Sprache Language
Deutsch / Englisch
German / English
Bewertung Assessment
Benotete Projektarbeiten
12 ECTS
Marked project work
12 ECTS
Architecture & Structure Spaces of Labour
Tourismus in Luzern
Jeder elfte in der Stadt Luzern erwirtschaftete Franken ist direkt mit dem Tourismus verbunden. Damit liegt die Tourismusintensität Luzerns viermal über dem schweizerischen Durchschnitt und im internationalen Vergleich mit 145 alpinen Tourismusdestinationen auf dem dritten Platz. Jeder achte Arbeitsplatz ist unmittelbar mit der Tourismusbranche verknüpft.1 Zählt man jene Arbeitsplätze hinzu, die für die «zur Leistungserstellung verwendeten Vorleistungen» benötigt werden oder Beschäftigte in «regionale[n] Unternehmen[, die] als Zulieferer in regionale touristische Wertschöpfungsketten eingebunden sind» wie «Reinigungsunternehmen [oder eine] Sicherheitsfirma für ein Museum» dann fällt diese Zahl weitaus höher aus.2
All diese Arbeitenden produzieren Güter, die touristisch verwertbar sind, also von Reisenden konsumiert werden können. Um was für Güter handelt es sich? Der Soziologe Andreas Reckwitz attestiert der postindustriellen Gesellschaft eine immer grössere Abwendung weg von funktionalen Gütern mit Verwendungszweck, hin zu Gütern, die «kulturelle Qualitäten und einen kulturellen Wert haben und zugleich einen Anspruch auf Einzigartigkeit (Authentizität, Originalität etc.) erheben. […] Diese Güter können den Charakter von Dingen und Objekten haben, mehr und mehr handelt es sich aber um Ereignisse».3 Doch was hat das mit Architektur zu tun?
One in eleven Swiss francs earned in the city of Lucerne is directly linked to tourism. This places the tourism intensity of Lucerne four times higher than the Swiss average and in third place when compared with 145 tourist destinations in the Alps. Every eighth job is directly connected to the tourism industry.1 Considering all the jobs that ‘produce the basis for the services’ provided to tourists and with the employees in ‘regional companies that are involved as suppliers in regional tourism value chains’, such as ‘cleaning companies or a security service for a museum’, renders this figure much higher.2
All these workers produce goods that can be touristically exploited, that is, that can be consumed by travellers. What kind of goods are we talking about? The sociologist Andreas Reckwitz claims that the post-industrial society is increasingly turning away from functional goods with a purpose of use towards commodities that ‘possess primarily cultural qualities and value. At the same time they also make a claim to being unique (authentic, original, etc.). [...] Goods of this sort can have the character of things and objects, but they tend more and more to be events’.3 But how does this relate to architecture?
Luzern, Jean Nouvel, 19932000. https://www.businessdestinations.com/relax/hotels/perfect-harmony/
Kuturalisierung der Güter The
Culturalization of Goods
Die touristische Wertschöpfung beschränkt sich heute nicht nur auf Zweige, die auf die Abfertigung von Touristen spezialisiert sind wie Gastronomie oder Hotellerie. Auch «traditionsreiche Dienstleistungen […] verlassen immer mehr die alte Logik der Massenproduktion funktionaler Güter zugunsten der postindustriellen Logik der kulturellen Singularitätsgüter; sie gewinnen zunehmend ihr Profil beispielsweise über […] Designobjekte, solitäre Architektur [mit Authentizitätsanspruch], gastronomische Originalität, […]»4 Reckwitz identifiziert die creative economy, zu der er auch die Architektur zählt, als eine der treibenden Kräfte, die diese Veränderung der (Produktions-)Art von Gütern und deren Konsum vorantreibt, insbesondere auch im Tourismus.5
Die Tourismusindustrie bringt Bauten hervor, die nicht mehr nach rein technischfunktionellen Kriterien erstellt werden, sondern durch architektonische Konzepte auch als einzigartige Bauwerke mit besonderem kulturellem Wert beschreibbar sind. In diesem Prozess, den Reckwitz Kulturalisierung der Güter6 nennt, erfüllen Gebäude wie das KKL eine weitere Funktion, nämlich «den Reisenden für eine gewisse Zeit mit Ereignissen zu versorgen, die als affektiv befriedigend erlebt werden. Ereignisse sind […] keine funktionalen, sondern kulturelle Güter: Sie werden von den Konsumenten nicht gesucht, um sie zu benutzen, sondern um sie (im Moment) zu genießen. Ereignisse sind kulturelle Affektgüter par excellence». 7 Die Architektur geht in diesem Kontext wie die grosse Teile der creative economy in eine experience economy über.8 Diese produziert nach der Architektin Anna Klingmann keine Gebäude mehr, welche funktionellen physischen needs zugewandt sind, sondern vor allem Architektur als Destinationen des desire 9
Today, the value creation in tourism is not limited to branches that specialize in directly catering to tourists, such as restaurants or hotels. Even ‘traditional services [...] have been shedding the old logic of mass-produced functional goods in favor of the post-industrial logic of singular cultural goods. More and more their profiles consist of such things as organic products with claim to authenticity [...] design objects, unique architecture, gastronomic originality’.4 Reckwitz identifies the creative economy – of which, according to him, the field of architecture also forms a part – as one of the driving forces behind this change in the type (of production) of goods as well as their consumption. This is especially true in the case of tourism.5
Buildings are also amongst the products of the tourism industry. But today they are no longer developed according to purely technical-functional criteria. Through utilizing architectural concepts they can furthermore be described as unique structures with a special cultural value. In this process, which Reckwitz calls the culturalization of goods6, buildings like the Lucerne Culture and Conference Centre (KKL) fulfil yet another purpose, namely in ‘providing travellers with short-term, emotionally satisfying events[…]. [E]vents are not functional but, rather, cultural goods. They are not sought out by consumers to be used but, instead, to be enjoyed in the moment. Events are cultural affect goods par excellence.’ 7 In this context, architecture, like large parts of the creative economy, is turning into an experience economy 8 According to the architect Anna Klingmann, this economy no longer produces buildings that only comply with functional and physical needs but, instead, it brings about architecture as destinations of desire 9
«And since society in the sense of “good society” comprehended those parts of the population which disposed not only of wealth but of leisure time, that is, of time to be devoted to “culture” […]. In this process, cultural values were treated like any other values, they were what values always have been, exchange values; and in passing from hand to hand they were worn down like old coins.»
Kulturökonomisierung Cultural Economization
Die experience economy produziert jedoch nur eine geringe Anzahl neuer singulärer Architekturen. Nicht nur bieten historische Städte kaum Platz für Neubauten, man riskiert ausserdem, dass sich in unserem Fall Luzern als Destination einer Städtereise als «unauthentisch [erweist], wenn dem Ort die erhoffte Eigentümlichkeit fehlt und er sich als Ansammlung von Lokalen und Straßenzügen herausstellt, wie es sie überall gibt.»10. Gebäude, «die in der Vergangenheit hergestellt wurden, kommen ab einem gewissen Alter natürlicherweise nur in begrenzter Zahl vor» und eignen sich somit hervorragend, um als einzigartig und authentisch wahrgenommen zu werden.11 Viele dieser Gebäude «stammen aus der Sphäre der Kultur selbst – allerdings der vorökonomischen, der nichtmarktförmigen. […] Ihre Ökonomisierung und Verwandlung in merkantible Güter bedeutet gewiss eine Kommerzialisierung. […] Indem sie nämlich aus ihrem lokalen und historischen Entstehungskontext herausgelöst und in eine translokale und transhistorische Zirkulation [dem Tourismus] eingespeist werden, wird dem Rezipienten ihre qualitative Andersheit gegenüber anderen kulturellen Objekten und Praktiken erst sichtbar. […] Aus der Sicht einer globalen Hyperkultur-Ökonomie ist damit buchstäblich die ganze Welt, die Geschichte und Gegenwart sämtlicher Lebensformen aller Zeiten und Räume zu einer kulturellen Ressource geworden –einer Ressource für die Generierung von Singularitätsgütern.»12
Dieser Prozess der Kulturökonomisierung wird erst durch Arbeitsformen, die als immaterielle Arbeit bezeichnet werden, möglich. Sie beschreibt weniger die Arbeit an materiellen Gütern selbst als an ihrer Kommunikation durch Zeichen und Affekte, einem sogenannten doing culture 13 Vor diesem Hintergrund gewinnen (denkmalpflegerische) Instandhaltungs- und Instandsetzungsmassnahmen historischer Bauten wie der Jesuitenkirche aber auch Umnutzungen vormals funktionaler Gebäude wie des Neubads an Bedeutung. Architekt:innen planen die physische Arbeit, welche an diesen Gebäuden als kulturelle Ressource geleistet werden muss, um «mit Hilfe einer entsprechenden narrativ-ästhetischen Einbettung»14 durch Werbe- oder Eventagenturen singularisiert zu werden. Dabei entstehen Singularisierungsgüter15 wie Konzerte mit Alpenpanorama auf der Pilatus Bergstation.
The experience economy, however, produces only a small number of new singular architectures. Historic cities not only offer little space for new buildings –additionally there is always the risk that, as in our case, Lucerne as a destination for city trips might seem ‘an inauthentic travel destination if it lacks an anticipated degree of uniqueness and seems to have the same types of stores and streets as everywhere else.’10 Furthermore the existing building stock can be of service, as buildings that ‘were produced in the past only remain available in a limited number’ and are thus ideally suited to be perceived as unique and authentic 11 Many of these buildings ‘stem from the sphere of culture itself, though from its pre-economic and non-market-based form culture. […] These were once exclusively embedded in particular local and historical practices and were then removed from this context to become globally circulating cultural goods [for tourism] that now compete with other goods […] in multiple contexts. […] In today’s hyperculture, potentially everything – from high to low culture, from today or the past, or from any place whatsoever – can acquire the value of culture. In hyperculture, any good can be freed from its original context and circulate from place to place around the globe; any good can be regarded as singular on account of its difference from other goods and be reappropriated in different contexts.’12
This process, that Reckwitz calls cultural economization, transforms material things, in our case buildings, into cultural resources (for the generation of singular goods) by commodifying them through work known as immaterial labour It refers to the communication of material things by means of signs and emotions rather than physically processing material things themselves, a production process Reckwitz refers to as doing culture 13 Against this backdrop, new light is shed on the maintenance and renovation of historical buildings (in accordance with a sound historical preservation), such as the Jesuitenkirche, as well as conversions of formerly functional structures, such as the Neubad. Architects take part in designing the physical labour that has to be performed on these buildings as cultural resources in order for them to be singularized ‘with the help of a narrative–aesthetic twist’ by advertising or event agencies.14 This process produces singular goods15, such as concerts with an Alpine panorama at the top station of the Mount Pilatus funicular.
Abeit an/in/mit
Architektur
Work on/in/with Architecture
Solche Singularisierungsprozesse verwandeln die Räume der Tourismusarchitektur – auch wenn sie vordergründig als Infrastruktur oder Museum entworfen wurden, oder vormals dem Gebet oder Sport gedient haben – in spätmoderne Produktionsstätten, oder wie der Ethnologe Gerd Spittler sie bezeichnet: Arbeitswelten 16 Die Tatsache, dass die Tourismusbranche der «grösste und expansivste Zweig der globalen creative economy»17 ist, verleiht den Räumen, in denen die beschriebene Produktion stattfindet, neue Bedeutung.
Es gilt jedoch den Trugschluss zu vermeiden, dass die Produktion nur hochqualifizierte Tätigkeiten der creative economy beinhaltet. Diese «bildet zwar das expansive Zentrum der spätmodernen Wirtschaft und Gesellschaft, aber daneben existieren weiterhin alte und auch neue Branchen, die einer industriellen Logik folgen und standardisierte Güter und Dienste produzieren: zum einen das trotz der Entindustrialisierung weiterbestehende, klassisch industrielle Segment der Förderung und Fertigung von Investitionsgütern (Maschinen etc.) und Rohstoffen; zum anderen die alten und vor allem neuen routinisierten und funktionalen Dienstleistungen (zum Beispiel Reinigung, Transport, Sicherheit). Das Verhältnis zwischen der Kulturökonomie und der Industrieproduktion beziehungsweise den funktionalen Dienstleistungen ist eines der Komplementarität zwischen einer Ökonomie des Besonderen und einer Ökonomie des Standardisierten. Die Ökonomie des Standardisierten bildet gewissermaßen die notwendige Infrastruktur im Hintergrund, damit der Kulturkapitalismus mit seinen Singularitätsgütern im öffentlichkeitswirksamen Vordergrund florieren kann.»18
«Auch Arbeitsplätze sind Gegenstand der Gestaltung. Wir meinen damit nicht, daß am Arbeitsplatz die Stühle besser gestaltet oder die Tapeten etwas freundlicher sein könnten und Topfpflanzen aufgestellt werden müssten. […] Auch Arbeitsplätze sind gestaltet, nicht nur im traditionell-designerischen Sinne, sondern in der Art, wie sie Teilarbeit aus der Gesamtarbeit ausscheiden, ihr Kompetenzen zuteilen oder wegnehmen und Zusammenarbeit erzeugen oder verhindern.»
Such singularization processes transform the spaces in the architecture of tourism into late-modern production facilities – even though they were primarily designed as infrastructures or museums, or formerly housed prayers or sport-competitions – or as the ethnologist Gerd Spittler calls them:‘Arbeitswelten’ 16, which would literally translate into ‘worlds of labour’. The fact that the tourism industry is ‘one of the largest and most expansive branches of the creative economy’ injects new meaning to the spaces in which this kind of production takes place.17
It would be wrong, however, to assume that this production only includes the highly qualified activities of the creative economy. Although the creative economy ‘may represent the expansive center of the late-modern economy and late-modern society, […] it coexists with old and also new branches that follow an industrial logic [that] produce standardized goods and services. On the one hand, and despite industrialization, there still exists a traditional industrial sector devoted to the production of capital goods (machines, etc.) and raw materials. On the other hand, there also exists an old, but newly routinized set of services, which includes such things as cleaning, transportation, and public safety). […]. The relationship between the culture economy and industrial production or functional services is a complementary relationship between an economy of the particular and an economy of the standardized. To an extent, the economy of the standardized provides the necessary background infrastructure so that cultural capitalism, with its singular goods, can flourish in the foreground.’ 18
Rückseiten Backstages
Diese Komplementarität ist auch räumlich. Hinter den vielfotografierten Kulissen der architektonischen Ikonen von Luzern existieren Räume, in denen die hintergründige Arbeit (etwa die Logistik oder das Kuratieren von Ausstellungen) stattfindet und die der Soziologe Erving Goffmann als Back-Regions19 bezeichnet. Er definiert sie als jene Räume, in die man sich zurückzieht, um sich auf die (soziale) Performance in den Front-Regions vorzubereiten, analog zur Hinterbühne in einem Theater. Der Theatervergleich erweist sich als besonders fruchtbar, wenn Reckwitz dem Erbringen der Arbeitsleistung in der Spätmoderne immer mehr performative Züge im Sinne von Darbietungen vor einem Publikum zuschreibt und weniger als Performance im Sinne von Leistung.20
Diese Back-Regions von Gebäuden wie dem Verkehrshaus oder dem Bourbaki Panorama bilden den architektonischen Schauplatz dieses Studios. Ein Blick auf ihre Rückseiten lässt uns die räumlichen Arbeitsbedingungen, welche die architektonischen Spektakel produzieren, bzw. deren Produktion ermöglichen erkennen. Ausgehend von der Annahme, dass Arbeitsbedingungen immer auch gesellschaftliche Strukturen (re-)produzieren erschliesst eine Auseinandersetzung mit den Back-Regions also auch die Rolle, die diese Meilensteine der Architekturgeschichte in der lokalen Bevölkerung einnehmen, jenseits ihrer kulturhistorischen Bedeutung oder Performanz in der experience economy.
This complementarity is also spatial. Behind the much-photographed scenery of Lucerne’s architectural icons, there are also spaces for the hidden labour that builds the basis for the previously described singularization processes (such as logistics or curating exhibitions). The sociologist Erving Goffmann would refer to such spaces as back regions 19 Analogous to the backstage in a theatre, he defines them as the intimate or concealed spaces where people (or actors) prepare for (social) performances in the front regions. This comparison to the theatre proves particularly fruitful when Reckwitz ascribes more and more performative traits to work performance in late modernism in the sense of performances before an audience and less as performance in the sense of productive output.20
The back regions of buildings such as the Museum of Transport or the Bourbaki Panorama form the architectural setting of this design studio. Looking at their backstages reveals the spatial labour conditions that on the one hand are produced by these architectural spectacles and that on the other hand produce them. Based on the assumption that working conditions always (re)produce social structures, an investigation into the back regions also reveals the role that these milestones of architectural history play in the local population, beyond their cultural-historical significance or performance in the experience economy
How does this building work? How is this building made to work?
Ethnografische Feldstudien in den Archtitekturattraktionen Luzerns bilden die Basis für zeichnerische Darstellungen der sichtbaren und unsichtbaren Arbeitsprozesse, die kartographisch mit den Bestandesplänen überlagert werden. Dies eröffnet eine Perspektive für die kollektiven (Co-)Existenzen der sozial-räumlichen Beziehungen von Produzent:in–Konsument:in, Museumsbesucher:in–Reinigungskraft, Konzertbesucher:in–Eventmanager:in, … die allesamt Teil der architektonischen Realität Erfahrung sind.
Denn «[w]enn Arbeit als Interaktion statt als einseitige Aktion konzipiert wird, dann sind die Objekte, auf die sich die Arbeit richtet, mehr als passive Gegenstände, die nach Belieben bearbeitet werden können [sondern treten] [b]eim Spiel, beim Kampf, beim Dienst oder der Pflege quasi als Akteure gegenüber: Sie besitzen Eigenständigkeit, Eigenwillen oder Eigensinn.»21 Ähnlich wie Spittler im vorangestellten Zitat und in seinen weiteren Ausführungen, dass «über die Arbeitskooperation hinaus hier immer auch ein Netz von sozialen Beziehungen [besteht, die] Teil einer Lebens- nicht nur einer Arbeitswelt [sind]»22 die Dichotomie der Beziehung der Arbeitenden zu deren Arbeitsräumen in Frage stellt, hinterfragt auch die Soziologin Albena Yaneva den Gegensatz von Architektur und der Gesellschaft, die sie hervorbringt.23 Wie sie fragen auch wir: «how does this building work? How [is] this building made to work?»24, und bilden so die Grundlage für den Entwurf der Back-Regions der betrachteten Gebäude, also den Umbau ihrer Arbeitswelten durch konstruktive Eingriffe in ihre Rückseiten.
| „Hinter dem Titanium und den Kunstwerken versteckt sich sich das Arbeitsprekariat“
Parole für den 285 Tage Streik der Reinigungskräfte 2021, Guggenheim Museum, Bilbao, Frank O. Gehry, 1997
‘Hidden behind the titanium and the art works lies the precariousness of labour‘
Parole for the 285 days cleaning workers strike 2021, Guggenheim Museum, Bilbao, Frank O. Gehry, 1997
Ethnographic field studies of the architectural attractions of Lucerne form the basis for developing graphic representations of the visible and invisible labour processes and interactions within them. These drawings will then be mapped on plans of the analyzed buildings. The aim is to put the collective (co-)existences of the socio-spatial relations of producer–consumer, museum visitor–cleaner, concertgoer–event manager, ... in perspective, the relations that all form the architectural experience.
The visualization and the underlying understanding of these relations questions the dichotomy of labour and the space where it is performed, or in our case also the (architectural) space on which it is performed. As Spittler conceives labour as interaction rather than unilateral action, he also attributes the objects (in our case the spaces) on which and with which it is performed not only the role of passive resources that can be processed but the role of actors, in play, contest, service or care.21 These spaces as Arbeitswelten are not only the vessel of cooperative working relationships and therefore not simply working environments. Beyond that they also mediate social relations that are not directly related to the production process and become living environments that simultaneously serve production and consumption purposes or house labour and leisure activities.22 In the same vein, the sociologist Albena Yaneva also questions viewing architecture and the society that produces it as well as the society that is produced by it as opposites.23 Like her, we ask: ‘How [is] this building made to work?24 In this way we will build the basis for the design of the back regions of the buildings under consideration, that is, the reconstruction of their working environments (Arbeitswelten) through constructive interventions in their ‘backstage’ spaces.
«I argue for a nonrepresentational way of tackling buildings. Here, we open buildings to the experience, to the course of events that make and consume architecture.»
Durch die Darstellungen der Arbeit an/in/mit der Architektur lassen sich die Luzerner Architekturikonen prozesshaft als nicht-menschliche Akteure in einem gleichermassen sozio-ökonomischen sowie sozio-technologischen Netzwerk verstehen. Sie enden räumlich nicht an der Fassade, sind nicht mit deren Eröffnung vollendet und produzieren soziale Beziehungen jenseits der offensichtlichen Nutzer:innen. Dieser Blick ermöglicht uns, die untersuchten Bauten unabhängig vom Baujahr als zeitgenössische Phänomene zu betrachten, die zeitgenössischer räumlich-konstruktiver Eingriffe bedürfen, um fernab von denkmalpflegerischem Konservatismus oder akademisch-bildhafter Rhetorik auf die Fragen unserer Zeit zu reagieren. Der Umbau ihrer Rückseiten entmystifiziert dabei die Meisterwerke der Architektur, bewertet sie durch physische Eingriffe neu und konstruiert so neue soziale, ökonomische, technische und somit räumliche Realitäten. Dieses Hinterfragen der Hierarchien und Beziehungen von Front- und Back-Region eröffnet dabei alternative Handlungsfelder für Architekt:innen in unserer spätmodernen Gesellschaft der Singularitäten.
Through the graphic presentations of labour on/in/with architecture, Lucerne’s architectural icons can be understood, at a processual level, as non-human actors in an equally socio-economic and socio-technological network. Spatially they do not end with their façade, they are not completed when inaugurated and produce social relationships beyond their obvious users. This vantage point enables us to consider these buildings, regardless of their year of construction, as contemporary phenomena that require contemporary spatial-constructive interventions in order to respond to the issues of our time, far removed from conservatism or (visual) academic rhetoric. These masterpieces of architecture are thus demystified by the reconstruction of their backstages. These physical interventions reevaluate them and construct new social, economic, technical and spatial realities. This spatial and social de-construction of the hierarchies and relationships of front and back regions opens up alternative fields of action for architects in our society of singularities.
«Buildings can only be understood through meticulous studies of their specific ways of working, the worlds they generate and the worlds that set them to work […]. [This] is the method that captures the continuous flow of events that a building always is.»
Omnia mutantur, nihil interit.
Alles verändert sich nur, nichts stirbt. Everything changes, nothing dies.
Publius Ovidius Naso (Ovid), 43-17v. Chr., Metamorphosen
Veranstaltungen Events
Donnerstag
Fokus–Veranstaltungen: Foyer Mäder Saal / Zoom
Tischkritiken: Atelier F400
Thursdays
Focus – Events: Foyer Mäder Saal / Zoom
Table crit: Atelier F400
Sprache Language
Deutsch / Englisch
German / English
Bewertung Assessment
Benotete Projektarbeiten
12 ECTS
Marked project work
12 ECTS
Architecture & Energy Metamorphosis Design for Transformation
Modulverantwortung Module Leader Prof. Annika Seifert, Prof. Luca Deon Dozierende Lecturers Prof. Annika Seifert, Prof. Luca Deon Experten Experts Jürg Conzett Assistent Assistant Qendrim Gashi
Einführung
Metamorphose altgriechisch μεταμόρφωσις metamórphosis, „Umgestaltung“ von μετά metá, „um-“ (als Präfix), und μόρφωσις mórphōsis „Gestaltung“.
In seiner einflussreichen Dichtung Metamorphosen reiht der römische Dichter Ovid hunderte Erzählungen mythischer Verwandlungen aneinander und erzählt durch sie die Geschichte der Welt als eine Geschichte fortwährender Transformation. Können wir auch die scheinbar auf Permanenz ausgerichtete Disziplin der Architektur als Schauplatz unterschiedlicher Lebensphasen und Nutzungen begreifen, ja diese typologische Transformationen bereits von Anfang an entwerferisch antizipieren?
In der Tessiner Grenzgemeinde Chiasso ist der Pendlerverkehr durch die italienischen Frontalieri eine planerische Herausforderung. Doch die für das Ortszentrum geforderten unterirdischen Parkhäuser stellen einen Typus dar, der für die momentane Situation zwar noch unabdingbar scheint, aber durch die voraussehbare Veränderung unserer Mobilität schon bald obsolet sein wird. Als Alternative wollen wir eine Ausgangsstruktur entwickeln, die heute als oberirdisches Parkhaus dienen kann, gleichzeitig aber bereits dessen typologische Transformation in eine zweite Nutzungsphase mitentwerfen, in der Wohnen und öffentliches Programm vorgesehen sind. Damit erproben wir einen simultanen Entwurfsprozess zwischen Flexibiltät und Spezifizität, der den städtischen Kontext, die Trag- und Raumstruktur, und nicht zuletzt Konstruktion und Bauprozess simultan für verschiedene Situationen vorausdenkt, um die Lebensdauer des Gebäudes neu zu definieren.
Introduction
Metamorphosis from Ancient Greek μεταμόρφωσις, „transformation“, from μετα metá, „after“ and μορφή morphḗ, „form“.
In his magnum opus Metamorphoses, the Roman poet Ovid strings together hundreds of narratives of mythical transformations and through them tells the story of the world as a sequence of perpetual transformation. Can we also understand the seemingly permanent discipline of architecture as a sequence of different life phases and functions? Can we even anticipate these typological transformations from the outset?
In the Ticino border community of Chiasso, commuter traffic through the Italian Frontalieri is a challenge for planners. However, the new underground car parkings currently demanded for the town centre represent a building type, that still seems indispensable for the current situation, but will soon be obsolete due to the foreseeable changes in our mobility. As an alternative, we want to develop a structure that can initially serve as an above-ground car parking; at the same time, we will already design its typological transformation into a second phase of use: housing and public programming. In this way, we’ll experiment with a simultaneous design process – between flexibility and specificity, considering the changing urban situation, the load-bearing and spatial structure, and last but not least, the construction and building process – in order to redefine the building‘s lifespan.
Transformation und Graue Energie Transformation and Embodied Energy
Metamorphose
In der Zoologie beschreibt der Begriff der Metamorphose «die Umwandlung der Larvenform zum Adultstadium, dem geschlechtsreifen, erwachsenen Tier (Gestaltwandel). Der Begriff bezieht sich speziell auf Tiere, deren Jugendstadien in Gestalt und Lebensweise vom Adultzustand abweichen.»1 – Raupe zu Schmetterling, Kaulquappe zu Frosch etc. In der Geologie ist Metamorphose «die Umwandlung der mineralogischen Zusammensetzung eines Gesteins durch Steigerung von Temperatur und/oder Druck. Dabei entsteht aus dem Ausgangsgestein […] ein metamorphes Gestein.»2 In beiden Fällen findet eine erhebliche «Umgestaltung» statt, die im Wesentlichen durch Zuführung von Energie aber auf Basis einer vorhandenen physischen Masse stattfindet.
In der europäischen Kulturgeschichte wird gebaute Architektur oft als Gegenpol zur Vergänglichkeit und fortwährenden Selbsterneuerung der Natur dargestellt. Bei genauer Betrachtung sind jedoch auch scheinbar permanente Bauzeugnisse fortwährender Wandlung unterworfen. Vor allem Funktion und Nutzung wechseln über die Lebensdauer von Gebäuden und bedingen Anpassungen und Überformungen. Das aktuelle Thema der Umnutzung ist damit keine Erfindung unserer Zeit. Was uns heute angesichts von Ressourcenknappheit aber auch von Energieund Emissionsproblemen als neuer Imperativ erscheint, ist hinlänglich aus der Geschichte bekannt: Die typologische Überformung bestehender Gebäudestrukturen zur Umnutzung unter veränderten Bedürfnissen oder mit gänzlich neuem Programm. Nichtsdestotrotz können wir in Mitteleuropa seit geraumer Zeit beobachten, wie strukturell intakte Gebäude bereits wenige Jahrzehnte nach ihrer Fertigstellung abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden – lang bevor sich die in den Bau investierte Graue Energie amortisiert hat. Die Schweizer Architektengruppe Countdown 2030 schreibt dazu: «Heute fallen beim Bau eines neuen Gebäudes durchschnittlich so viel Energieverbrauch und Treibhausgas-Emissionen an, wie während 50 Jahren im Betrieb. Lösungsansätze für dieses Problem liegen im Erhalt, im Umbau und in der Umnutzung bestehender Gebäude. Abrisse und Ersatzneubauten sollten […] nicht länger als erste und beste Option gelten.»3
Provide for change of use: The Aquatics Centre is designed with an inherent flexibility to accommodate 17,500 spectators for the London 2012 Games in ‘Olympic’ mode while also providing the optimum spectator capacity of 2000 for use in ‘Legacy’ mode after the Games.
Doch auch wenn sich das Bewusstsein um die energetische Relevanz des gebauten Bestandes zunehmend durchsetzt, bleibt die Frage: Warum wird der Abriss dem Erhalt und der Umnutzung von Gebäuden so oft vorgezogen? Und: Was macht eine Architektur aus, der eine lange Lebenspanne zu Teil wird?
Flexibilität
Das Credo der Moderne, form follows function, fordert den Zuschnitt der Architektur auf eine bestimmte Funktion und deren spezifische Anforderungen. Doch selbst bei gleichbleibender Nutzung bedeuten gesellschaftliche, wirtschaftliche, technische Veränderungen immer auch eine Änderung der funktionellen Abläufe und Ansprüche. Je eindeutiger ein Bauwerk auf eine spezifische Funktion zugeschnitten ist, desto aufwändiger eine Adaption. Je flexibler es - strukturell, räumlich, ja sogar im Ausdruck - konzipiert ist, also je transformierbarer es gedacht ist, desto wahrscheinlicher ist eine lange Lebensspanne.
Systemtrennung
Unterschiedliche Bauteile haben eine unterschiedliche Lebensdauer. Die Primärstruktur eines Hauses ist in der Regel langlebiger als seine Fassadenteile. Besonders schnell überholt sind Innenausbau und Gebäudetechnik. Wenn Elemente mit unterschiedlicher Lebenserwartung im Bau systematisch getrennt werden, können schneller alternde Teile repariert und ersetzt werden, ohne das gesamte Gebäude zu tangieren.
Gültigkeit
Städtische Setzung, Volumetrie und Ausdruck von Gebäuden prägen unweigerlich den öffentlichen Raum. Ihr Beitrag zu einem qualitätvollen Ort ist entscheidend für die Akzeptanz eines Gebäudes. Dem praktischen Anspruch and Flexibilität und Transformierbarkeit steht daher gleichzeitig ein Bedürfnis nach Identität und Permanenz gegenüber, die über das Individuelle, Zwischenzeitliche der Nutzung und der Nutzenden hinausreichen und der Architektur ihre Daseinsberechtigung und Relevanz im Kontext geben.
Metamorphosis
In zoology, the term metamorphosis describes „the transformation of the larval form to the adult stage, the sexually mature adult animal (shape change). The term refers specifically to animals whose juvenile stages differ in shape and lifestyle from the adult state.“1 – Caterpillar to butterfly, tadpole to frog, etc. In geology, metamorphism is „the transformation of the mineralogical composition of a rock by increasing temperature and/or pressure. In the process, a metamorphic rock is formed from existing rock [...].“2 In both cases, a significant „Re-Formation“ takes place, essentially through the addition of energy but on the basis of an existing physical mass.
In European cultural history, built architecture is often understood as the antithesis of nature‘s transience and perpetual self-renewal. On closer inspection, however, even seemingly permanent built fabric is subject to continual change. More than anything, it is function and use, which change over the life span of buildings and require adaptations and transformations. The discourse around adaptive reuse of buildings is therefore not an invention of our time. What today, in view of the scarcity of resources, of energy crisis and greenhouse gas emissions, appears to be a new imperative is well known from history: The typological transformation of existing architecture for re-use under changed needs or with a completely new programme.
Nevertheless, for some time in Central Europe we have been observing how structurally intact buildings are being demolished and replaced by new buildings just a few decades after their completion - long before the invested embodied energy has paid for itself. The Swiss architects‘ group Countdown 2030 writes: „Today, the construction of a new building produces on average as much energy consumption and greenhouse gas emissions as it does during 50 years of operation. Possible solutions to this problem lie in the preservation, conversion and re-use of existing buildings. Demolition and replacement of new buildings should [...] no longer be considered the first and best option“.3 But even if awareness of existing buildings as an important (energy) resource is on the rise, the question remains: Why is demolition so often preferred to the preservation and conversion of buildings? And: What defines architecture that has a long life span?
1 S ource : https:// de.wikipedia.org/ wiki/Metamorphose_(Zoologie)
2 S ource : https:// de.wikipedia.org/ wiki/Metamorphose_(Geologie)
3 S ee : www.abrissatlas.ch
Lasting spatial and structural qualities in Urban Context
Piazza Navonas in Rome, Italy is dervied originally from the Stadium of Domitian, built in the 1st century AD. Since the foundations and partly the outer walls of the stadium continued to be used for the medieval houses, however, the shape of the arena has been preserved to this day.
Images: G. B. Nolli, ‚Extract of ‚La Pianta grande di Roma‘ (1748), bottom right. Current photo of the Piazza Navona, top left. Present aerial view with a reconstructed Stadium of Domitian, turismoroma.it, i. right.
Flexibility
The modernist credo, form follows function, demands that architecture be tailored to a specific function and its specific requirements. But even if the use remains the same, social, economic and technical changes always mean a change in functional processes and demands. The more clearly a building is tailored to a specific function, the more difficult it is to adapt. The more flexible it is designed to be - structurally, spatially, even in expression - i.e. the more transformable it is intended to be, the more likely it is to have a long life span.
System separation
Different components have different lifespans. The primary structure of a house is usually more durable than its façade components. Interior fittings and building technology become obsolete particularly quickly. If elements with different life expectancies are systematically separated in the building, ageing parts can be repaired and replaced more quickly without affecting the entire building.
Validity
The urban setting, volumetry and architectural expression of buildings inevitably shape public space. Their contribution to a sense of place is decisive for the acceptance of a building. The practical demand for flexibility and transformability is therefore simultaneously matched by a need for identity and permanence that go beyond the individual, transient nature of the use and the users and give architecture its raison d‘être and relevance in its context.
Chiasso
Chiasso – Transit und Station
Die Entwicklung von Chiasso ist stark von seiner besonderen Lage als südlichster Ort der Schweiz geprägt und in ihrer strategischen Bedeutung für den Transitverkehr auf Schiene und Strasse. Bereits im 16 Jh. war Chiasso als Durchgangsort bekannt. Regionale Bedeutung erhielt die Stadt Chiasso allerdings mit dem Aufkommen des Eisenbahnverkehrs und der Erschliessung der Bahnlinie Chiasso-Lugano (1874) sowie nach Como (1876). Der Bahnhof (1874) und der Grenzhandel mit späterem Zollfreilager (1925) führten bald zum wirtschaftlichen und demografischen Aufschwung Chiassos die ab den 1980er Jahren abflachte. Mit der neuen Gotthard-Bahnachse verlor auch der Bahnhof in Chiasso Anfang des 21. Jahrhunderts an Bedeutung.4 Konträr zum rückläufigen Stellenwert der internationalen Bahnverbindung für die Region nahm in den letzten 25 Jahren der Grenzgängerverkehr deutlich zu. Inzwischen pendeln knapp 75‘000 Personen aus Italien täglich zur Arbeit ins Tessin. Transit, Migration und der binationale Arbeitsmarkt sind im Tessin ein politisches und wirtschaftliches Dauerthema.
Concept plan for the Urban development
5 w i T h T he expre SS way T haT run S alon G i T in T he norT h an D T hrou G h T he bor D er - cro SS in G poin T
6 i T i S T herefore no T aT all S urpriS in G T haT a fe D eral a S ylum cen T re i S S i T uaT e D T here . T he S ol D ini D i ST ric T , a former wor K er S ’ hou S in G e STaT e in T he proximi T y of T he cen T ral railway STaT ion , canno T D i SG ui S e T he fra G menTary ST ruc T ure
7 o n T he curren T
S paT ial ST raT e G y S ee ‘ e S brauch T D a S e n G a G emen T aller
– r aumplanun G im T e SS in ’, werk , bauen + wo H nen (5/2018):
Interview: Michele Arnaboldi, Ivo Durisch and Riccardo De Gottardi as well as Ludovica Molo in discussion with Tibor Joanelly and Daniel Kurz.
Zwischen Fluss und Trassee
Die Stadt Chiasso wird städtebaulich wesentlich vom Eisenbahnnetz und der nach Italien führenden Durchgangsstrasse der Corso S. Gottardo nach Como geprägt. Sind die Peripherie von Chiasso durch die Flüsse Breggia5 und Faloppia natürlich begrenzt, ist es die von Westen nach Osten verlaufende Bahnstrecke die den innerstädtischen Raum zweiteilt. Die Segregation zeigt sich auch in der Nutzung, während im Norden der Bahnstrecke das städtische Gefüge eine gelebte Dichte mit Wohnvierteln, Geschäften und kulturellen Institutionen bietet, ist der Grossraum südlich der Geleise ein Nicht-Ort, ein Ort vorbehalten für die internationale Logistik, Freizeitanlagen und Verwaltungsbauten der Stadt.6
Die Stadt Chiasso hat ausgehend auf einer territorialen Raumstrategie7 seit 2017 den kommunalen Aktionsplan PAC für eine städtische Vision in Planung gegeben. Insbesondere die Steigerung der Wohnqualität, die innerstädtische Vernetzung und die Aufwertung / Bereitstellung von Freiräumen sind Ziele des PAC, die auch den südwestlichen Gemeindeteil einbeziehen.
Warte-Raum
Unser Standort befindet sich im Osten vom Quartier Soldini. An der Strasse Via C. Cattaneo liegt ein heutiger Parkplatz. Das Gelände schliesst auch ein Remisebau, ein heutiges Judo Studio, mit ein. Wir nehmen die Fläche zum Anlass, auch zukünftig ein Angebot für das Abstellen von Motorfahrzeugen, zumindest für die nächsten 20 Jahre anzubieten. Die eigene Mobilität bleibt im Tessin auch vorerst beliebt. Der Standort ermöglicht einerseits die innerstädtische Nachfrage nach geeigneten Parkierungsmöglichkeiten zu bedienen. Anderseits bietet das Parkhaus als regionaler HUB eine Chance Grenzgängern und Pendlern aus Italien wie auch Schweizern eine Umsteigemöglichkeit als Park & Ride auf das ÖV-Netz in Nähe des Bahnhofs zu ermöglichen.
Chiasso – Transit and Station
The development of Chiasso is strongly influenced by its particular location as the southernmost town in Switzerland and in its strategic importance for transit traffic by rail and road. Chiasso was already known as a transit town in the 16th century. However, the town of Chiasso gained regional importance with the advent of railway traffic and when the Chiasso–Lugano railway line was opened in 1874 and to Como in 1876. The railway station (1874) and border trade with the later duty-free warehouse (1925) soon led to Chiasso‘s economic and demographic upswing, which levelled off from the 1980s onwards. With the new Gotthard railway axis, the railway station in Chiasso also lost importance at the beginning of the 21st century.4 In contrast to the declining importance of the international railway connection for the region, cross-border traffic has increased significantly in the last 25 years. Today, almost 75,000 people commute daily from Italy to work in Ticino. Transit, migration and the binational labour market are an ongoing political and economic issue in Ticino.
Between River and Railway Line
In terms of urban development, the city of Chiasso is essentially shaped by the railway network and the Corso S. Gottardo through road to Como, which leads to Italy. While the periphery of Chiasso is naturally bounded by the Breggia5 and Faloppia rivers, the railway line running from west to east divides the inner-city space in two. The segregation is also evident in the use to which it is put. While to the north of the railway line the urban fabric offers a living density with residential areas, shops and cultural institutions, the large area to the south of the tracks is a non-place, a place reserved for international logistics, leisure facilities and administrative buildings of the city.6
Since 2017, the city of Chiasso has been planning the municipal action plan PAC7 for an urban vision, based on a territorial spatial strategy. In particular, the objectives of the PAC are to improve residential quality and inner-city networking and upgrade / provide open spaces, which will also be the case for the south-western part of the municipality.
Waiting Space
Our location is in the east of the Soldini district. Via C. Cattaneo is a street with a car park at present. The site also includes a non-residential outbuilding and, currently, also a judo studio. We are using this area as an opportunity to offer parking for motor vehicles in the future, at least for the next 20 years. Personal mobility will remain popular in Ticino for the time being. On the one hand, the location makes it possible to meet the inner-city demand for suitable parking facilities. On the other, as a regional HUB, the car park offers those crossing the border and commuters from Italy as well as Swiss citizens the opportunity to transfer to the public transport network as a park-and-ride system near the station.
Aufgabenstellung
Noch heute wird die Vielzahl aller Parkings unterirdisch gebaut. Das spart auf den ersten Blick Platz - Im besten Fall, um Freiraum zu schaffen. Doch wie sieht es mit der CO2 Bilanz aus? Nicht nur wird teures Volumen, auch wird wertvolle Energie verbaut. Und für was werden die unterirdischen Flächen gebraucht, sollten wir dereinst uns von einer individuellen Beförderung verabschieden?
Wenn aus der Logik ein anderer Umgang gefordert ist, feiert das oberirdische Parkhaus gerade ein Revival? Was wenn Strukturen angeboten werden, die mit den Bedürfnissen der Zeit mitgehen und über die Zeit transformierbar sind? Bietet nicht eine offene und weite Stützenstruktur, im Typus von Park- und Lagerhäusern angelegt, die Flexibilität für künftige Nutzungsveränderungen? Erste aktuellen Beispiele zeigen das Parkhäuser mehr sein können als die Summe ihrer Abstellflächen. Ein Gebäude als ein Regal, das sich mit Nutzungen wie Wohnen füllen lässt, diese Idee ergründen wir in der Aufgabe für Chiasso.
Even today, the majority of all parking facilities are built underground. At first glance, this saves space – at best, it creates free space. But what about the carbon balance? Underground parking is not only very costly in volume, but also uses a large amount of valuable energy. And what will the underground space be used for if we should say goodbye to individual transport in the future?
If logic demands a different approach, is the above-ground car park currently experiencing a revival? What if we offer structures that keep pace with changing demands over time and can be transformed accordingly? Doesn‘t an open and wide support structure, designed in the type of parking and storage buildings, offer the flexibility for future changes in use?
Initial examples currently show that multi-storey car parks can be more than the sum of their parking spaces. A building as a shelf of sorts that can be filled with uses such as dwelling, this is the approach we are exploring in the task for Chiasso.
Nutzungsphase 1:
Raumprogramm
Oberirdisches Parking – Anzahl Parkplätze: 450 - 600PP für PKW. Gebäudehöhe bis 30m. – Mobilitätskonzept mit ergänzenden Angeboten (Car-Sharing, Velos, etc.).
Vorgaben an Fahrwege- und Parkierungsgeometrie nach neuer VSS Norm VSS 40 291 Parkieren. Brandabschnitte sowie Flucht- und Rettungswege nach gültigen VKF-Brandschutzvorschriften. Anforderungen an Technische Anlagen (Schranken, RWA, Sprinkleranlage, , etc.) sind nur konzeptionell zu berücksichtigen.
Nutzungsphase 2:
Wohnen
Transformation des projektierten Parkhauses für Wohnzwecke.
Wohnungsspiegel (Small, Medium, Large) und Wohnform (Familien- und Alterswohnen, Wohnen und Arbeiten, Wohncluster, Rohbau zum Selbstausbau, etc.) projektspezifisch.
Zusatznutzung
– Grossmassstäbliche Zusatzfunktion (Markt, Sport, Versammlung, Kultur, etc.) für halböffentliche bis öffentliche Nutzung, projektspezifisch.
Spatial programme
Stage of use 1:
Above-ground parking
– Parking spaces for cars: 450 – 600. Height of the building up to 30m. – Mobility concept with supplementary offers (car sharing, bicycles, etc.).
Requirements for driving lanes and ramps and parking geometry according to the new VSS standard VSS 40 291 for parking [VSS Norm VSS 40 291]. Fire compartmentalization for fire protection as well as escape and emergency routes according to valid VKF fire protection regulations [VKF-Brandschutzvorschriften]. Requirements for technical systems (barriers, SHEVS, sprinkler systems, etc.) are only to be taken into account conceptually.
Stage of use 2:
Dwelling
Transformation of the projected parking house for residential purposes.
Residential units (small, medium, large) and housing type (family and retirement living, residential and working, housing cluster, shell for self-development, etc.), project-specific.
Complementary function
– Large-scale additional function (market, sports, assembly, culture, etc.) for semi-public to public use, project-specific.
Simultanes Entwerfen
Entscheidend für eine erfolgreiche Metamorphose ist, dass beide Nutzungsphasen und ihre Funktionen simultan entworfen werden. Im Umgang mit der Metamorphose entscheiden sich die Studierenden frühzeitig im Semester für eine Strategie, die ihnen durch sorgfältige Analyse funktionaler und architektonischer Qualitäten und unter folgender Aspekte geboten erscheint:
– Strategie Erhalt, Transformation, Umbau, Aufstockung, Teilrückbau, Ergänzung
Programm, Typologie und Statik Adaptierbarkeit, Wirtschaftlichkeit, Rückführbarkeit (Design for Disassembly), Erweiterbarkeit
Wahl der Konstruktion (Tragkonstruktion + Gebäudehülle)
Holz <> Stahl/Alu <> Beton/Stein; Hybride Werke sind zulässig.
Systemtrennung und Fügung Tragstruktur, Raumstruktur, Infrastruktur, Tektonik
Die synoptische Übersicht15 mittels Aufriss einfacher Konzepte der obigen Aspekte, hilft uns frühzeitig die Weichen für die Ausarbeitung des Projekts in beiden Nutzungsphasen zu stellen und in kurzer Zeit Fragen der Strategie, Typologie, Struktur, Energie und Konstruktion in ihrer Angemessenheit und Nachvollziehbarkeit abzuwägen und auszuarbeiten.
Simultaneous design
Crucial for a successful metamorphosis is that both phases of use and their functions are designed simultaneously. In dealing with the metamorphosis, the students decide early in the semester on a strategy that seems appropriate to them by carefully analysing the functional and architectural qualities and under the following aspects:
– Strategy
Preservation, transformation, conversion, adding storeys, partial deconstruction, additions
– Programme, typology and statics
Adaptability, economic efficiency, dismantling options (design for disassembly), expandability
– Choice of construction (supporting structure + building envelope)
Wood <> steel/aluminium <> concrete/stone; hybrid constructions are allo wed.
– System separation and joining Load-bearing structure, spatial structure, infrastructure, tectonics
The synoptic outline , by means of breaking down the above aspects into simple concepts, helps us, at an early stage, to set the course for the elaboration of the project in both phases of use and to weigh and work out solutions to the problems of strategy, typology, structure, energy and construction that are appropriate and comprehensible – and do this in a relatively short time.
Semesterstruktur Semester Structure
Die Arbeit im Semesterentwurf ist begleitet durch regelmässige Tischkritiken. Vorübung, Workshops zur gemeinsamen Wissensaneignung und Zwischenkritik sind wichtige Etappen im Semester; ergänzt durch die Inputs von externen Experten schaffen sie ein Fachverständnis und vertiefte Auseinandersetzung im Entwurf. Wir üben so, die eigene Entwurfshaltung zu formulieren und durch kritische Reflexion laufend zu präzisieren. Regelmässige Präsentationen in Wort, Bild und Modell zeichnen den eigenen Entwurfsprozess ab, fördern die Selbstreflexion und mit ihr die Entwurfssicherheit.
The work in the semester project is accompanied by regular desk critiques. Preliminary exercises, workshops for the mutual acquisition of knowledge and interim critiques are important steps in the semester course. Supplemented by the input from external experts, they foster a professional understanding and in-depth critical analysis of the design. In this way, we practise developing our own design approach and continually refine it through critical reflection. Regular presentations in words, images and models record each student’s design process, promote self-reflection and, with it, confidence in designing.
Veranstaltungen Events
Donnerstag
Atelier F400
Thursdays
Atelier F400
Sprache Language
Deutsch / Englisch
German / English
Bewertung Assessment
Benotete Projektarbeiten
12 ECTS
Marked project work
12 ECTS
AFTER ALIFE AHEAD
Case Studies for the 21st Century
«I‘m talking about drawing a line in the sand, Dude, across this line YOU DO NOT...»1
Das Baurecht verspricht Vorhersehbarkeit und Eigentumsschutz; in Wirklichkeit entstehen durch die Parzellierung an den Rändern aber unablässig Restflächen. Wenn das Erstellen von Gebäuden und ihrer Umgebung an einzelne Akteur*innen mit isolierten Interessen delegiert wird, verkümmert das Unbebaute zur Pufferzone. Swiss Suburbia mit seiner hektischen Abfolge heterogener Programme karikiert so latent das eigentliche Ziel der Zoneneinteilung: die Schaffung homogener, gleicher Bedingungen innerhalb einer Zone. Denn aufgrund der Fragmentierung ist das abrupte Aufeinandertreffen widersprüchlicher Nachbarn die Regel: Zonierung hat alles in Ordnung gebracht, aber ein Stakkato von Irgendwas erzeugt.
Im Semester suchen wir neue Perspektiven: Wir verlagern den Fokus auf die Peripherie des Grundstücks, wo verschiedene Massstäbe, Programme, Eigenschaften und Interessen aufeinanderprallen. Wir blicken zwischen singuläre Interessen und isolierte Objekte, welche als Konsequenz von Zonierung, Eigentum und Bauboom Wirklichkeit geworden sind.
Das Entwurfsstudio kehrt die Grundsätze des Architekturprojektes um: Vom singulären Werk zum situierten Netzwerk, vom monolithischen Objekt zum porösen Dazwischen, von der Abgrenzung zur Assoziation, von der Flächenziffer zum Boden, von Real Estate zu unterschiedlichen Seinszuständen, von gebauter Dichte zu wechselnden Intensitäten, vom Bewegen von Material zur Anreicherung von Bedeutung, von Tabula rasa zum möglichen Anfang von etwas, das bereits da war.
In Anlehnung an Pierre Huyghe und seine gleichnamige Installation plädiert AFTER ALIFE AHEAD für alternative Wohnformen im scheinbar alternativlosen Schweizer Kontext. Wir hinterfragen gängige Vorstellungen von Wohnen, um es in all seinen Facetten und hin zu einer erweiterten Zeitlichkeit, neu zu denken.
Die Entwürfe werden als unvollendet choreographiert und im Laufe des Semesters in mehreren Iterationen umgewandelt. Mittels Modellbildern und spekulativen Detailzeichnungen werden Projekte entwickelt, die ein breites Spektrum architektonischer Alternativen generieren. Das Semester findet in Emmen statt, eine Agglomeration, die symptomatisch für die ganze Schweiz steht. Luzerns Vorposten ist in seinen Widersprüchen hyper-schweizerisch und verkörpert den totalen helvetischen Durchschnitt.
In theory, building law establishes predictability and protection of ownership. In reality, parcellation relentlessly produces leftover areas on the fringes. As the realization of buildings and their surroundings is delegated to individual stakeholders with isolated interests, the unbuilt areas are degraded into buffer zones. Swiss suburbia with its frantic succession of heterogenous programmes constantly caricatures the main aim of zoning: to generate homogenous, equal conditions within a zone. But due to fragmentation, the rule is the sudden clash of contradicting neighbours: Zoning has put an order into everything, but it created a staccato of anything.
This semester we are in search of another perspective. Shifting the focus to the very periphery of the plot where different scales, programmes, properties and interests collide, forces us to take a stance from multiple grounds. We look beyond singular interests and the isolated object as the bizarre consequence of zoning, property and real estate.
The design studio inverts the paradigm of the architectural project from the singular work to the situated network, from the monolithic object to the porous in-between, from distinction to association, from surface to ground, from real estate to different states of being, from built density to occurring intensities, from moving matter to accumulating meaning, from tabula rasa to the possible beginning of something that was already there.
Borrowing from Pierre Huyghe and his eponymous installation, AFTER ALIFE AHEAD makes a case for alternative forms of living in the Swiss context that appears to be without alternative. We look behind the preconceived notion of housing to rethink it in all its facets and towards an extended temporality.
Projects will be choreographed as unfinished, hence transformed in several iterations over the course of the semester. Projects will be developed by means of model images and speculative detail drawings generating a spectrum of architectural alternatives. The location is Emmen, an agglomeration that is emblematic of all of Switzerland. Hyper-Swiss in its contradictions, this outpost of Luzern represents the total Helvetian average.
I. Collage Suburbia: Siteseeing Emmen
Emmen als Betrachtungsperimeter steht stellvertretend für die suburbane Wirklichkeit der gesamten Schweiz. Flussabwärts und abgekoppelt von den idyllischen Qualitäten des Vierwaldstättersees trägt Emmen das Stigma des Hinterhofs der repräsentativen und touristisch attraktiven Stadt Luzern. In einer Volksabstimmung lehnte es die Gemeinde 2012 ab, sich der Stadt Luzern anzuschließen und blieb damit zwar unabhängig, aber auch peripher. Bestehend aus den beiden Ortsteilen Emmen und Emmenbrücke, liegt ersterer im Reusstal, letzterer grösstenteils auf einem den Alpen zugewandten Plateau. Die Lage am Zusammenfluss der beiden Flüsse Emme und Reuss und der entsprechende Name vermögen jedoch nicht darüber hinwegzutäuschen, dass ein Bezug des Bebauungsteppichs zur Geologie oder zum Territorium kaum noch erkennbar ist. Das heutige Erscheinungsbild ist von menschengemachten Kräften geprägt; das ausufernde Autobahnkreuz, das Wachstum und der Niedergang der Schwerindustrie und das Sperrgebiet des Militärflughafens mit seinen Einrichtungen. Parallel dazu verklumpen heterogene Erweiterungen und ausufernde Gebäudecluster zu einem baulichen Flickenteppich. Dieser ist an jedem Ort spezifisch und dennoch beispielhaft in seiner komprimierten Abfolge unterschiedlicher Gebäude und Restflächen. Im Zonenplan zeigt sich die zügellose Kompression von Programmen und eines rücksichtslosen Fläschenverbrauchs: Der grösste Teil der Gemeindefläche wurde im vergangenen Jahrhundert überbaut. Wie eine endlose Collage legt Emmen in dichter Folge alle möglichen urbanen Phänomene und Identitäten des autozentrierten Jahrhunderts frei. Nur der Plan für Gefahrenzonen wie Überschwemmungen und dergleichen, lenkt das Wachstum und hegt es ein. Emmen repräsentiert die Hyper-Schweiz.
Derzeit durchläuft die Agglomeration eine Überarbeitung der Bauvorschriften und Zonierungen und es stellt sich die Frage, ob Emmen in der Lage ist, seine Stadtentwicklung neu auszurichten, oder ob am Ende die nächste Schicht premium mediocracyTM hinzugefügt wird.
Im Gegensatz zu Verschönerung und analogen Strategien nähern wir uns Emmen mittels „Siteseeing“: Wie können die verschiedenen Schichten eines Ortes und seiner Nachbarschaft auf produktive Weise aktiviert werden? Was lässt sich aus Baugesetzen, wirtschaftlichen Gegebenheiten, bestehenden Prozessen und Abläufen vor Ort ableiten? Was schlummert unter dem komprimierten Zeitrahmen der Totalen Gegenwart?
Addressing the suburban conditions of all of Switzerland, the location for the semester is in Emmen in direct vicinity to Lucerne. Downstream and disconnected from the pastoral qualities of Lake Lucerne, Emmen has been stigmatized as the back yard of the imposing city that is attractive to tourists; Emmen is striving for recognition in its post-industrial phase.
The municipality refused to join the city of Lucerne in a referendum in 2012. It therefore remained independent, but also peripheral. Consisting of the two districts of Emmen and Emmenbrücke, the former is located in the Reuss Valley, the latter mostly on an undulating plateau facing the Alps. Its location at the confluence of the rivers Emme and Reuss and the corresponding name cannot hide the fact that a geological or territorial relation to its urban fabric is hardly recognizable. On the contrary, its current appearance is shaped by man-made forces like the impact of a highway junction, the growth and decline of heavy industries or the prohibited area of the military airport and facilities.
In parallel, a sprawling accumulation of heterogenous expansions and building clusters lead to a patchwork that is specific in each location, yet exemplary
in its compressed succession of different buildings and left-over spaces. The zoning plan becomes the magnifier of a compression of programmes and a reckless squandering of ground: Most of the municipality’s area has been built over in the past century. Collage-like in essence, Emmen presents all sorts of urban phenomena and identities of a car-oriented epoch in close succession. It is only tamed by plans for danger zones – floodings and the like. Emmen represents hyper-Switzerland.
Currently undergoing a revision of its building regulations and zoning, the question is wether Emmen is able to redirect its urban development or if it ends up adding another layer of premium mediocracyTM
As opposed to embellishment and analogue strategies, we approach Emmen by means of Siteseeing: How can the various strata of a site and its neighbourhood be activated in a productive way? What can be adopted from building laws, economic realities, existing processes and procedures on site? What lies dormant beneath the compressed time frame of the total presence?
Robert Venturis bahnbrechendes “behutsames Manifest” für eine “Beziehungsreiche Architektur” aus dem Jahr 1966 legte die Sackgasse der heroischen modernen Architektur offen und reintegrierte Kriterien wie Komplexität, Inkonsistenz, Mehrdeutigkeit oder das Paradoxe im Bereich der Architektur, indem es für Reichtum an Bedeutung im Gegensatz zu Vereinfachung und Bildhaftigkeit plädierte. Eine solche Architektur “muss die schwierige Einheit der Inklusion verkörpern und nicht die einfache Einheit der Exklusion”.
Heute erkennen wir resigniert, dass Vereinfachung und Bildhaftigkeit die gebaute Umwelt der Schweizer Vorstädte dominieren. Die Immobilienbranche stellte sich als resistent heraus gegenüber Venturis Ruf. Nur an den äussersten Rändern der ausgewiesenen Bauzonen zerfällt die anspruchslose Einheit. Hier erscheinen Komplexität und Widerspruch als roher Zustand zwischen den unzusammenhängend kollidierenden Einheiten.
Im Unterschied zum Inneren der programmatisch homogenen Zonen existieren Dichte und Intensität entlang der Grenzen a priori. Hier birgt das zufällige Gegenüber heterogener Programme und Morphologien Potenziale für alternative Formen von Mehrdeutigkeit und Reichtum. Ohne die Spannungen des aktuellen Rohzustands zu nivellieren, versuchen wir diese mit Hilfe der Architektur ausschöpfen: Komplexität und Widerspruch in der Zonierung.
Robert Venturi’s seminal ‘gentle manifesto’ of ‘Nonstraightforward Architecture’ from 1966 laid bare the dead ends of heroic modern architecture and re-established criteria like complexity, inconsistency, ambiguity or the paradoxical in the sphere of architecture, advocating for a richness of meaning as opposed to simplification and picturesqueness. Such an architecture ‘must embody the difficult unity of inclusion rather than the easy unity of exclusion’.
Today we must recognize that simplification and picturesqueness dominate the built environment of Swiss Suburbia. Real estate turned out to be renitent to Venturi’s call. Undemanding unity crumbles only at the very fringes – with complexity and contradiction appearing as a raw state in the collision of unrelated entities.
Along the borders density and intensity exist a priori – as opposed to the interiority of programmatically homogenous zones. Therefore, the coincidental vis-à-vis of heterogenous programmes and morphologies bears potential for alternative forms of ambiguity and richness. Without levelling out the inherent tensions of the current raw state we exploit it by means of architecture: Complexity and Contradiction in Zoning.
II. Komplexität und Widerspruch im Zonenplan
Complexity and Contradiction in Zoning
Explanatory sketches for the measurement and calculation methods according to the Swiss Planning and Building Act (PBG) and General Building Ordinance (ABV), fig. 7.11 (“Spacing to boundaries, buildings, forests and streams”)
Plan of Cappella dei Re Magi, Francesco Borromini, detail (ca. 1660)
III. Jenseits der Zonierung: von der begrenzten Fläche zur gefalteten Linie
Beyond Zoning: from a fixed limit to folds and foldings
Das Baurecht hat das Schweizer Land in verschiedene programmatische Zonen unterteilt, die jeweils durch explizite Grenzen gefasst sind. Diese Unterteilungen führen zu isolierten Funktionen und Resträumen am Rand jeder Zone. An der Konvergenz dieser Grenzen, die durch physische Kontakte entstehen, verbindet und trennt jeder Punkt gleichzeitig. Das ist das Paradoxon der Grenze: Verbindung und Trennung sind hier ein und dasselbe.
Ein Perspektivenwechsel lenkt unseren Fokus von der Bestimmung einer klaren Funktionskante hin zur peristaltischen Linie, die zwischen mindestens zwei unterschiedlichen Funktionen, Interessen, Eigentümer*innen und Massstäben vermittelt. Die Zugehörigkeit der Grenze zu keinem der beiden Gebiete führt zu einer neuen Sichtweise. Wir schlagen eine Abkehr von der konventionellen Zoneneinteilung vor, bei der Zusammenstösse unproduktiv sind, hin zur Nutzung des latenten Potenzials von Grenzlinien.
Diese Linien überschreiten die Bedeutung blosser Grenzen; sie sind Übergänge, die sich zwischen verschiedenen programmatischen Zonen verweben. Die Mehrdeutigkeit der Grenze entwickelt sich zu ihrer Stärke - ein Raum für Aushandlung und Konfliktlösung. Durch den Übergang von Flächen zu gefalteten Linien, von Segregation zu Assoziation fördern wir eine dynamische Architektur, die Inklusivität und Austausch und damit die direkte Demokratie verkörpert.
«The outside is not a fixed limit but a moving matter animated by peristaltic movements, folds and foldings that together make up an inside: they are not something other than the outside, but precisely the inside of the outside.» 2
Common building law has traditionally cut up Swiss land into distinct programmatic zones (Zonenplan), each bounded by distinct borders. These divisions tend to isolate functions and generate residual spaces on the periphery of each zone. At the convergence of these borders, created through physical contacts, each point simultaneously connects and separates. This is the paradox of the border: Connection and division are here one and the same.
A shift in perspective redirects our focus away from determining a clear, functional edge towards the peristaltic line, which mediates between at least two different functions, interests, owners, and scales. The border‘s affiliation with neither territory prompts a novel viewpoint. We propose a departure from conventional zoning, where clashes are unproductive, towards embracing the latent potential of borderlines.
These parcellation lines transcend mere limits; they signify transitions that weave between diverse programmatic zones. The border‘s ambiguity evolves into its strength – a space for latent negotiation and conflict resolution. Shifting from limited surfaces to foldings of lines, from segregation to association, we foster a dynamic architecture that embodies inclusivity and exchange, hence democracy.
IV. Von Trennung zu Koexistenz
From division to co-existence
Der Akt der Grenzziehung ist doppelter Natur. Obwohl Architektur in erster Linie trennt – das Zeichnen einer Linie kommt stets einer Abgrenzung gleich, die Raum ein- oder ausschliesst – propagieren wir eine Architektur die versucht, Grenzen räumlich zu unterwandern und als Schnittstelle Räume verbindet und erweitert. Das Auflösen und Verwischen von Grenzen ist nicht gleichbedeutend mit der Absenz von Material und Substanz; es ist also kein rein subtraktiver Prozess. Vielmehr kann das Dazwischen als Überlagerung verschiedener Ordnungen und Systeme verstanden werden: Als Raum, in dem sich zwei Welten begegnen und durchdringen, verdichten sich hier die Ereignisse.
Im Sinne der Transparenz, der gleichzeitigen Wahrnehmung unterschiedlicher Raumordnungen, eröffnet der hybride Raum unterschiedliche Lesarten und eine Vielzahl von Beziehungen. Ambivalenz wird zum Potential.
«Transparency implies more than an optical characteristic, it implies a broader spatial order. Transparency means a simultaneous perception of different spatial locations. Space not only recedes but fluctuates in a continuous activity. The position of the transparent figures has equivocal meaning as one sees each figure now as the closer now as the further one.» 3
The act of delineation has a dual nature. Although architecture primarily separates – drawing lines is always like drawing a border that includes or excludes space – we are advocating an architecture that strives to undermine borders spatially and as an interface, to connect and extend spaces. Dissolving and blurring boundaries is not the same as the absence of material and substance; it is not a purely subtractive process. Rather, the in-between can be understood as a superimposition of different orders and systems: space in which two worlds meet and interpenetrate concetrates events.
Through the prism of transparency, where distinct spatial configurations are simultaneously apprehensible, this hybrid expanse unveils diverse interpretations and an array of connections. Here, ambiguity metamorphoses into latent potential.
V. Vom Objekt zum verorteten Netzwerk
In der Architektur bahnt sich ein Wandel an, der die Projektentwicklung von Grund auf neu zu denken versucht. Das singuläre Objekt hinter sich lassend, plädiert AFTER ALIFE AHEAD für einen Übergang zu komplexen Netzwerken, die aus vielfältigen und durchlässigen Elementen bestehen. Diese Transformation betont die Koaktivität und stellt die Vorstellung von Architektur als unabhängige Disziplin in Frage. In dieser Evolution werden Projekte zu einem Netz verwoben und reichen über die Grenzen von in sich geschlossenen Einheiten hinaus.
Anstelle des Entwerfens vereinzelter Objekte tritt das immersive, situative Orchestrieren. Dynamische Situationen ähneln Konstellationen von Koordinaten, die offen sind für Veränderungen in Massstab und Zeit, anstatt sich an lineare Zwänge und Konzepte zu halten. Dieser Ansatz ermöglicht eine Vielfalt verschiedener Szenarien, bereit, sich zu entfalten.
Es handelt sich um eine paradigmatische Umkehrung: Projekte entstehen nicht mehr von innen heraus, sondern entwickeln sich aus dem äusseren Kontext. An der Grenze zu beginnen, am Übergang zwischen den Parzellen, setzt alternative Gestaltungsparameter in Gang. Entwürfe entstehen aus ihrer Beziehung zur Nachbarschaft und schwingen mit ihrer Umgebung mit.
Grenzen, die bislang als Trennlinien verstanden wurden, übernehmen neu eine vermittelnde Rolle. Sie werden zu Schwellen und eröffnen einen Bereich, in dem sich Räume zwischen Objekten verschränken. Die Synthese von Innen und Aussen, Architektur und Landschaft kultiviert inklusive Bereiche des Zusammenlebens, die über konventionelle Grenzen hinausweisen.
Indem sie diesen Wandel annimmt, überwindet Architektur ihre solitäre Identität und geht auf in Netzwerken und Beziehungen. Diese Evolution weg von Objekten und hin zu verwobenen Netzwerken zelebriert die Essenz von Koaktivität und Verflechtung.
Within the realm of architecture, a fundamental shift is beckoning – one that reimagines project development from the very core. Departing from singular objects, this semester advocates a transition towards intricate networks composed of diverse and permeable elements. Such a transformation emphasizes coactivity, challenging the notion of architecture as a stand-alone entity. In an evolution of this kind, projects are woven into a mesh, moving beyond the confines of self-contained entities.
Central to this transition is the shift from singular object design to immersive situational orchestration. Such dynamic situations resemble constellations of coordinates and are open to changes in scale and time, rather than conforming to linear constraints and concepts. This approach embraces the richness of diverse scenarios poised to unfold.
A paradigmatic inversion is at play. Projects no longer gestate from within but unfold from the outer context. A departure from a central focus to the border – the threshold between parcels of land – sparks alternative design parameters. Designs emerge in relationship to the neighbourhood, resonating with their surroundings.
Borders, often thought of as dividers, assume a mediating role. They become thresholds, ushering in a realm where spaces interlace between objects. The synthesis of interior and exterior, architecture and landscape, cultivates inclusive domains of co-existence beyond conventional boundaries.
Embracing this shift, architecture transcends its solitary identity, embracing networks and relationships. This evolution from objects to interwoven networks celebrates the essence of coactivity and interconnectedness.
From object to situated network
«Es war einmal ein Lattenzaun, mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.
Als dritter Ort, als Spiel von Interaktionen und Durchblicken ist die Grenze sozusagen ein Leerraum, ein erzählerisches Symbol des Austausches und der Begegnung.
Ein Architekt, der dieses sah, stand eines Abends plötzlich daund nahm den Zwischenraum heraus und baute draus ein großes Haus.
Eine Verwandlung der Leere in etwas Volles und des Zwischenraums in einen bebauten Ort. Die Konsequenz versteht sich von selbst. Der Senat “kassiert” das Bauwerk und das GESETZ wird wiederhergestellt - und der Architekt flüchtet:
Ein Anblick grässlich und gemein. Drum zog ihn der Senat auch ein. Der Architekt jedoch entfloh nach Afri- od- Ameriko.» 4
VI. Die Auflösung von Figur und Grund
The dissolution of figure and ground
Bereits 1969 hat Peter Handke in seinem Buch ‚Die Innenwelt der Aussenwelt der Innenwelt‘ erkannt, dass unser Inneres direkt und untrennbar mit unserem Aussen verwoben ist. Die alte Dichotomie zwischen res extensa (das materielle Aussen) und res cogitans (das geistige Innere) sind keine unabhängigen Bereiche. Gleiches muss auch für die Räume gelten, die wir beleben und durchschreiten.
Die Gier unserer Gesellschaft nach immer mehr kontrolliertem und standardisiertem Komfort, führt jedoch weiterhin zu einem Zementieren dieser Gegenpole und zu komplizierten Schichtenaufbauten: Die Gebäudehülle trennt das Innen vom Aussen, die Dampfbremse gewährleistet die Luftdichtigkeit der Fassade und stellt die Hochleistungsfähigkeit der Dämmung sicher; gleichzeitig verhindert die Anwendung von Pestiziden Schimmelwachstum an der Fassade.
Es scheint als versuchten wir mit allen Mitteln, das Aussen von unseren schützenden Refugien fern zu halten. Die Mentalität der Moderne und ihre Techniken der Kontrolle haben jedoch ihr Limit erreicht. Denn spätestens jetzt holt uns das unheimliche Aussen wieder ein: Durch die gestiegene Kohlendioxidkonzentration in der Luft wurde der ganze Planet zum Innenraum. Es gibt keine frische Luft mehr, denn mittlerweile ist die Kohlendioxidkonzentration in der Luft auf 424ppm gestiegen. Das ist 15% höher als noch vor 25 Jahren mit 369ppm und
entspricht der Differenz zwischen dem was wir damals als “Frischluft” und Innenraumluft” bezeichneten.
In dem Moment also, in dem die binäre Opposition zwischen Innen und Aussen ihre Kraft zugunsten komplexer Beziehungen verloren hat, öffnet sich eine räumliche und theoretische Lücke im architektonischen Denken, welche sich als produktiv erweisen könnte in Zeiten der Krise. Anstelle der bauphysikalischen Schichtung im Nanobereich, welche sich in einer kontaminationsfreien Trennung zwischen Innen und Aussen erschöpft, tritt Raum selbst. Die Manipulation der Schnittstelle zwischen Figur und Grund lässt zwischen den schwarzen und weissen Flächen einen dritten, liminalen Raum entstehen, der sich aus einer Vielzahl von Schwellen-, Zwischenräumen und Passagen zusammensetzt, die wiederum im Wechselspiel zwischen Innen und Aussen, öffentlich und privat die gebauten Grenzen zu verwischen beginnen. Hier hält die Stadt Einzug in das Haus und der häusliche Raum dehnt sich aus in den städtischen. In diesem Dazwischen-Sein werden Gemeinschaft und Koexistenz neu verhandelt.
As early as 1969, Peter Handke recognized in his book Die Innenwelt der Aussenwelt der Innenwelt (The Inner World of the Outer World of the Inner World) ) that our inner selves are directly and inseparably interwoven with the physical world around us. The old dichotomy between the res extensa (the material outside) and the res cogitans (the mental inside) does not describe independent spheres. The same thing now must apply to the spaces we inhabit and walk through.
Our society’s desire for increasingly controlled and standardised comfort, however, is leading to the cementation of these opposite poles and to complicated, layered structures – the building shell separates the inside from the outside; the airtight façade serves as a vapour retarder and ensures that the insulation is effective, while the pesticide applied to the plaster prevents mould growth on the façade It seems we use every means possible to keep the external world out of our protective refuges.
The mentality of the modern age and its techniques of control have, however, reached their limit. By now at the very latest, the the adverse world outside has brought us back in: the increased concentration of carbon dioxide in the air has turned the entire planet into an interior. There is no longer any fresh air, since the concentration of carbon dioxide has in the meantime risen to 416 ppm. That is 15% higher than just 25 years ago (361 ppm) and corresponds to the difference between what we used to call ‘fresh air’ and ‘indoor air’.
At the moment in which the binary opposition between inside and outside has lost is force to more complex relationships, a spatial and theoretical gap in architectonic thinking opens up that could prove productive in times of crisis. Space itself is taking the place of stratification on the nanoscale of building physics, which is limited to a contamination-free separation of inside and outside. The manipulation of the intersection of figure and ground leads to the emergence of a third, liminal space between the black and the white areas of Nolli’s map, which is composed of a large number of thresholds, in-between spaces and possible arcades, which in turn begin to blur the built boundaries in an interplay between inside and outside, public and private, this zone and the other. Here the surroundings permeates the houses and the domestic expands into the urban landscape. This state of spatial ambivalence and in-between-ness renegotiate community and co-existence.
VII. Ambivalenz Konstruieren: Details und Schwellen
Constructing ambivalence: details and thresholds
Der Raum zwischen Zonen ist per Definition ein Raum im Übergang und trägt damit Bewegung als Eigenschaft inne. Als Schwelle zwischen hier und dort, dem Hin- und Herbewegen zwischen den Zuständen, und zwischen physischer Wirklichkeit und Imagination, liegt ein Möglichkeitsraum. Die Schwelle ist der Schlüssel zum Übergang und zur Verbindung widersprüchlicher Gebietsansprüche, und, als Ort mit eigener Berechtigung, erzeugt sie die Bedingungen für das Zusammentreffen und den Dialog zwischen unterschiedlichen Bereichen verschiedener Ordnungen. Sie beeinflusst die Bewegung zwischen zwei Räumen, und mit der Art und Weise wie sich Übergänge verschliessen oder öffnen, bestimmt die Schwelle wie wir von einem Ort zum anderen gelangen. Gerade in diesem Moment des Übergangs vervielfacht sich die Hebelwirkung und das Potenzial des architektonischen Details als konstruktive Realität. Als räumliche Schnittstelle zwischen zwei Sphären verdichtet und offenbart das Detail die Beziehung von einem Raum zum anderen. Es ermöglicht uns, den Raum physisch und visuell zu erweitern; es schafft Grosszügigkeit und Zugehörigkeit und konstruiert Komplexität und Widerspruch. Anstatt den endgültigen Kompromiss einer Vision einzugehen, aktivieren wir das Detail als subversiv spekulatives Werkzeug, das einem visionären Projekt hilft, sich durchzusetzen und über seine räumlichen Grenzen hinauszugehen.
Mit dem Durchschreiten dieses Übergangsraumes verändert sich der wahrgenommene Raum latent, und mit ihm die schreitende Person. Als Behälter und Beschützerin im ungeschützten, weil undefinierten Zustand des Übergangs, kommt der Schwelle Verantwortung zu: Sie ist derjenige Moment oder der Ritus, durch den ein Individuum entweder in die Gemeinschaft integriert oder aus ihr ausgeschlossen wird. So hat die Schwelle transformatives Potential und trägt die Möglichkeiten persönlicher und sozialer Wandlung in sich.
The space between zones is by definition a space in transition and thus movement is one of its intrinsic qualities. As a threshold between here and there, between states or between physical reality and imagination, it is a space of possibility. The threshold is the key to transition and connection of divergent territorial claims and, as a place in its own right, creates the conditions for the meeting and dialogue between areas of different orders. The threshold influences movement between two spaces, and determines how we get from one place to another in accordance with the way the transitions open or close.
It is precisely in this moment of transition that the leverage and potential of the architectural detail, as a constructive reality, is magnified. As a spatial interface between two spheres, the detail reveals the relationship from one space to another. It allows us to expand space physically and visually; it creates generosity and affiliation while constructing complexity and contradiction. Rather than the final compromise of a vision, we activate details as a subversively speculative tool that helps a visionary project to take off and to transcend beyond its spatial limits.
As people walk through this space of transition, the way they perceive space changes latently – as the person walking throuhg it does too. As a container and safeguard in the unprotected (because undefined) state of transition, the threshold shoulders responsibility. Such factors or rites either integrate or exclude individuals from a community. Hence, the threshold has transformative potential and holds the possibility for personal and societal change.
VIII. Lebensformen Forms of living
Die aktuelle Wohnraumproduktion erschöpft sich in einer Multiplikation marktfähiger Lösungen, die gleichzeitig als normal – basierend auf einem vorhersehbaren, idealisierten Lebensstil der Kernfamilie – und individuell – basierend auf Abbildungen und Katalogen – gekennzeichnet sind. Sogar Wohnungen in Grossüberbauungen sind Manifestationen des 1950er-Jahre-Ideals des isolierten, freistehenden Einfamilienhauses.
AFTER ALIFE AHEAD zielt darauf ab, alternative Wohnszenarien und Formen des Zusammenlebens voranzutreiben, die sich die programmatischen Kollisionen an den Rändern von Zonen zu eigen machen. Wie prägen benachbarte Erscheinungen wie Verkehrsinfrastrukturen, Gewerbe- und Werkstattgebäude, Einkaufszentren oder Landschaftselemente und Wälder spezifische, aber beispielhafte Wohnformen und -räume?
Zwei Vektoren müssen ausgehandelt werden: Diese sind einerseits die Reichweite des Interventionsumfangs entlang der Grenze, wo Wohnen und andere Programme aufeinandertreffen; andererseits die transversale Beziehung der beiden benachbarten Programme: Wie wird die Tiefe durchdrungen – oder auch nicht?
Indem das Wohnen mit seiner wahren Umgebung in Beziehung gesetzt wird – also den paradoxen nachbarschaftlichen Beziehungen zu Zonen und Umgebungen, die nicht dem Wohnen dienen – können spezifische Lebensformen entstehen. Die direkte Konfrontation und Korrelation mit anderen Massstäben und Morphologien verunreinigt das generische suburbane Wohnkonzept und verknüpft es so mit der spezifischen Umgebung.
The current production of housing exhausts itself in a multiplication of marketable solutions that are at the same time labelled as normal – based on the predictable, idealized lifestyle of the nucleus family – and customized, based on illustrations and catalogues. Even apartments are manifestations of the 1950s’ ideal of the isolated, free-standing single-family house.
Addressing housing, the semester aims at propelling alternative scenarios of habitation and forms of coexistence that embrace the programmatic collisions at the edges of zones. How do neighbouring structures such as transport infrastructures, commercial and workshop buildings, shopping centres or landscape elements and forests inform specific, yet exemplary forms of habitation?
Two vectors are to be negotiated: The reach of the perimeter of intervention along the border where housing and another programme meet. And the transversal relation betweenthe two adjacent programmes and how depth is penetrated – or not.
By relating housing back to its true surroundings – the paradoxical neighbourly relations to non-domestic zones and environments – specific forms of living emerge. Here, the direct confrontation with and correlation to other scales and morphologies contaminates the generic suburban housing scheme and links it to the specific urban landscape.
Über einem felsigen Abgrund schwebt ein grosszügiges Wohnzimmer; spärlich, aber sorgfältig eingerichtet. Den Raum zwischen Boden und Decke überspannen riesige Schiebefenster. Die auskragende Dachkonstruktion öffnet das Haus zum weitläufigen und unverstellten Aussenraum. Das ikonische Haus von Pierre Koenig hat keine Nachbarn, es berührt nicht einmal den Boden – ein schwarzer Leerraum breitet sich unter der auskragenden Bodenplatte aus. Der einzige Bewohner dieses Hauses, ein Young Urban Professional, steht unsicher am Rand des Gebäudes und blickt auf die Stadtlandschaft hinaus, nachdem er erfolgreich den amerikanischen Traum verfolgt hat. Weit unten erstreckt sich ein fast unwirklicher Teppich aus Lichtern und Verkehr bis ins Unendliche.
Angetrieben durch Lifestyle-Magazine und fesselnde Bilder fügten sich die Case Study Houses und die von ihnen propagierte Lebensweise nahtlos in die Popkultur ein. Noch heute, rund 60 Jahre später, verkörpert dieser architektonische Archetyp den häuslichen Traum einer globalen Kundschaft. Doch hinter ihrem glänzenden Erscheinungsbild steht diese Wohnform auf wackeligem Boden und hinterlässt einen noch grösseren ökologischen Fußabdruck.
Über ihre hedonistischen Konnotationen hinaus jedoch verfügen diese Häuser über räumliche, auf spezifischen Produktionsmethoden basierende Eigenschaften, die eine genauere Untersuchung im Kontext der heutigen Vorstädte rechtfertigen. Die Untersuchung der ausgeklügelten Abfolge von Innen- und Aussenräumen sowie der Einbeziehung und Vermittlung von Räumen über die Grenzen des Grundstücks hinaus stattet uns mit spezifischen, aber dennoch beispielhaften räumlichen Taktiken aus. Sie ermächtigen uns, in fragmentierten Stadträumen zu operieren, sowie bestehende Wohnbauten zu erweitern und in ihren Kontext zu reintegrieren – und so für alternative Wohnformen zu plädieren.
A lavish living room hovers above a rocky precipice, sparsely but carefully furnished. Huge sliding windows are sandwiched between the floor and the ceiling. The roof structure extends the house to a vast and unobstructed exterior. Pierre Koenig’s iconic house doesn’t have a neighbour, it doesn’t even touch the ground – a black void spreads underneath the cantilevering floor plate. The only resident of this house, a young urban professional, precariously stands at the edge of the structure, gazing out on an urban landscape after successfully chasing the American dream. Far below, an almost unreal carpet of lights and traffic stretches out into the distance indefinitely.
Propelled by lifestyle magazines and captivating imagery, the Case Study Houses and their promoted way of life seamlessly integrated into pop culture. Still today, some 60 years later, this architectural archetype encapsulates the domestic dream for a global clientele. But beneath their glossy appearance, this type of housing stands on shaky ground and leaves an even larger ecological footprint.
Yet, transcending their hedonistic connotations, these houses possess spatial qualities based on specific methods of production that warrant closer investigation within the context of today’s suburbia. Investigating on the elaborate sequencing of indoor and outdoor spaces, along with the incorporation and mediation of spaces beyond the limits of the parcel, equips us with specific, yet exemplary spatial tactics. They empower us to operate within fragmented suburban situations and to extend and reintegrate existing housing in its context – making a case for alternative forms of living.
IX. Fallstudien oder: wie ein Modell entsteht
Case Studies or: how to make a case
Sprache Language
Deutsch / Englisch
German / English
Bewertung Assessment
Benotete Projektarbeiten
21 ECTS
Marked project work
21 ECTS
Master: Thesis Project Feed the City –
Wo Mandelbärli Eier legen
Information Events
Symposium in Muttenz:
Tue 19 September 2023
Workshop in Bern:
Thur 21 September 2023
Fri 22 September 2023
Midterm-Review in Horw:
Fri 03 November 2023
Pin-Up in Horw: Wed 13 December 2023
Final submission: Fri 12 January 2023
Final-Review in Horw: Fri 19 January 2024
Final Submission
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Masterkurs HS23 > Master Thesis >
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Anhand eines innerstädtischen Industrie- und Gewerbegebiets im Berner Stadtteil Mattenhof-Weissenbühl wollen wir uns in der Master-Thesis mit der Frage nach einer zukunftsfähigen Nahrungsmittelversorgung und ihrer Wechselwirkung mit Bauwerken, Stadt und Landschaft auseinandersetzen. Neben diesem übergeordneten inhaltlichen Fokus interessiert uns aber auch der immerzu schwelende Konflikt zwischen unserem steigenden Bedarf an Produktion von Wohnraum und dem damit einhergehenden Verdrängungsprozess von innerstädtischen Gewerbe- und Industriebetrieben.
Zum einen sorgt die voranschreitende Deindustrialisierung unserer Städte für das Verschwinden innerstädtischer Gewerbe- und Industriegebiete, sie steht aber auch im Bereich der Nahrungsmittelproduktion, -verarbeitung und -logistik im Kontrast zu den Bestrebungen, wieder vermehrt auf saisonale und vor allem regionale Produkte und deren lokale Verarbeitung zu setzen.
Neben dem grundsätzlichen Engagement, ihre Gewerbeund Industriebetriebe vor der Verdrängung zu schützen, ist die Stadt Bern auch im Bereich der Nahrungsmittelbranche bemüht den Hebel umzulegen. Sie ist, neben anderen Initiativen, mit dem Amt für Umweltschutz als Partner an dem Forschungsprojekt «Städte als Triebkräfte für nachhaltige Ernährungssysteme» der Berner Fachhochschule und dem Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern beteiligt.
Kernfragen dieses Projekts sind: «Welche Lebensmittel werden in welchen Mengen in der Stadt Bern konsumiert?
Wieviel Food Waste fällt dabei an? Wie gross ist der ernährungsbedingte Umweltfussabdruck des städtischen Ernährungssystem?»
Das Industrie- und Gewerbeareal zwischen Bremgartenfriedhof im Nordosten und dem Holligerareal im Südwesten drängt sich für eine Auseinandersetzung mit diesen Themen geradezu auf. Zum einen kommt die Stadt Bern hier den Interessen der Wirtschaftsverbände mit einer Aufzonung entgegen und zum anderen sind hier seit langem grössere und kleinere Betriebe aus der Nahrungsmittelproduktion ansässig, welche für die Versorgung der Stadt und darüber hinaus von Bedeutung sind.
In the master thesis, we will address the question of a sustainable food supply and its interaction with buildings, the city and landscape, based on the example of an innercity industrial and commercial area in the Mattenhof-Weissenbühl district of Bern. In addition to this overarching thematic focus, we are also interested in the perpetual conflict between our increasing demand for living space and producing it – and the accompanying displacement process of inner-city commercial businesses and industry.
While the ongoing deindustrialization of our cities is leading to the disappearance of inner-city commercial and industrial areas, this process counteracts efforts in the food sector – food production, processing and the logistics involved – toward relying more on seasonal and, above all, regional products and processing them locally.
On top of its basic commitment to protect its commercial businesses and industries from displacement, the City of Bern is also trying to overhaul the food sector. It engages, among other initiatives, with the Swiss Federal Office for the Environment as a partner in the research project ‘Cities as Drivers for Sustainable Food Systems’ of the Bern University of Applied Sciences and the Centre for Development and Environment (CDE) of the University of Bern. The key questions of this project are: ‘What food is consumed in what quantities in the city of Bern? How
much food waste is generated? How large is the food-related environmental footprint of the urban food system?’ The industrial and commercial district between the Bremgarten cemetery in the north-east and the Holliger district in the south-west are obvious places for discussing these issues. On the one hand, the city of Bern is accommodating the interests of the business associations by means of rezoning. On the other hand, larger and smaller food production companies have existed at this location for a long time and are important for the supply of the city and beyond.
Ausgangslage Initial situation
Der Perimeter der Masterthesis ist einer der wenigen zentral gelegenen Gewerbestandorte, die auf Berner Stadtgebiet verblieben sind. Es entwickelte sich durch die Lage entlang der Eisenbahngleise, vor allem durch den Bau einer in das Gebiet führenden Gleisanlage in den 1910er Jahren. Diese wurde bis Mitte der 1930er Jahre sukzessive ausgebaut und löste einen Entwicklungsschub aus. Damit war die starke logistische Prägung des Gebiets zwischen Weyermann- und Güterstrasse gesetzt, die grundsätzlich bis heute anhält. Mit der Entwicklung des Gebietes, aber auch auf Grund der wachsenden Bedürfnissen der ortsansässigen Betriebe, wurden die Fussabdrücke der Gebäude immer grösser. Anfangs noch wesentlich kleiner (sie bildeten teilweise sogar Hofstrukturen mit Wohnnutzungen), kamen ab den 1970er Jahren grössere Hallenstrukturen hinzu. Dabei blieb jedoch stets die Ausrichtung parallel zum zentralen Erschliessungsgleis bestehen, obwohl dieses mit der Erstarkung der LKW-Logistik immer weniger genutzt wurde. Trotz der inzwischen vollständigen Stilllegung prägen die Gleise daher bis heute die städtebauliche Struktur des Gebiets. Der Freiraum des Planungsgebietes ist von einem hohen Versiegelungsgrad und einer geringen Biodiversität geprägt. Abgesehen vom stadtklimatisch und ökologisch sehr wertvollen Bremgartenfriedhof im Norden, sind aber auch die umgebenden Grünstrukturen von ökologisch geringer Qualität.
Das Areal besitzt heute, durch die industrielle Nutzung bedingt, einen gewissen Inselcharakter. Die umgebenden städtebaulichen Strukturen sind inzwischen in nur noch geringem Masse gewerblich genutzt und neuere Wohnquartiere, wie etwa das Holliger Areal mit mehr als 300 neuen Wohnungen, rücken näher. Dies führt auf der einen Seite zu Nutzungskonflikten, insbesondere bezogen auf Lärmemissionen und den LKW-Verkehr und auf der anderen Seite zu einem heute kaum noch existierenden innerstädtischen Nutzungsmix.
Während sich das Gebiet im Stadtentwicklungskonzept aus dem Jahr 2016 noch im Windschatten der umliegenden Wohnbauentwicklungen bewegt hat, rückt es nun immer mehr in den Fokus der Stadt, welche die Klagerufe der Wirtschaftsverbände ernst nimmt. Basierend auf zwei Machbarkeitsstudien aus den Jahren 2011 und 2021 wird derzeit, im Rahmen der «Arealentwicklung GüterstrasseWeyermannstrasse», in Teilbereichen eine Aufzonung von der Bauklasse 3 auf die Bauklasse 6 verhandelt. Dies würde eine Verdichtung in die Vertikale ermöglichen und dem Gewerbe Luft für neue Entwicklungen und Erweiterungen verschaffen.
Neben den betrieblichen Verknüpfungen mit dem Inselspital, spielt auch die Nahrungsmittelproduktion und -logistik in und um das Areal seit längerem eine Rolle. Momentan sind hier drei grössere Betriebe ansässig: Die Blaser Café AG röstet an der Güterstrasse Café und betreibt eine Café-Bar, in der sie auch einen kleineren Teil ihrer Produktion direkt vor Ort verkauft. Mit EICO ist eine der grössten Eierhandelsfirmen der Schweiz an diesem Standort vertreten. Hier werden Roheier kontrolliert, gelagert und ausgeliefert aber auch eine Koch- und Färbeanlage für Picknick- und Ostereier betrieben. Und auch das Berner Mandelbärli wird hier produziert. Die Bäckerei Beck Glatz Confiseur rühmt sich auf ihrer Website zudem damit, die erste Bäckerei der Schweiz zu sein, die sowohl CO2frei ausliefert, als auch produziert. Aber auch kleinere Betriebe wie der Pastaproduzent Ingredienza oder das Restaurant le vivant profitieren von der guten Lage und dem Charme dieser Industrie- und Gewerbeinsel.
The location for the master’s thesis is one of the few centrally located commercial sites remaining within Bern’s urban area. It developed due to the situation along the railway tracks, particularly after the construction of a railway leading to the area in the 1910s. The railway was extended successively until the mid-1930s and triggered a surge in development. This established the strong logistical character of the area between Weyermannstrasse and Güterstrasse, which basically continues to this day. With the development of the area, but also due to the growing needs of the local businesses, the footprints of the buildings have grown considerably. Initially much smaller (some of them even formed courtyard structures with residential uses), larger hall structures were added from the 1970s onwards. However, orientation parallel to the central access railway continued, although it was used less and less as logistics increasingly depended on road transportation. Despite the fact that the railway has now been completely decommissioned, it still characterizes the urban structure of the area today. The open space of the planning area is typically largely sealed now and there is only low biodiversity. Apart from the Bremgarten cemetery in the north, which is very valuable in terms of urban climate and ecology, the surrounding green structures are also of poor ecological quality.
The area currently has a kind of island character because of its industrial use. The surrounding urban structures are today used only to a limited extent for commercial purposes, and newer residential quarters, such as the Holliger site with more than 300 new flats, are moving closer. While this leads to conflicts of use, especially with regard to noise emissions and lorry traffic, it also results in an inner-city mix of uses that is rare today.
While the area escaped the surrounding residential developments in the 2016 urban development scheme, it has in the meantime increasingly come to the attention of the city, which is taking the complaints of the business associations seriously. Based on two feasibility studies from 2011 and 2021, a rezoning from category 3 to category 6 is currently being negotiated in some areas as part of the ‘Güterstrasse–Weyermannstrasse Site Development’. This would allow for a vertical increase in density and give businesses room for new development and expansion.
In addition to the operational links with Inselspital (the Bern University hospital), food production and logistics involved therein have played a role in and around the area for some time. Three large companies are currently located there: Blaser Café AG roasts coffee on Güterstrasse and runs a café-bar, where it also sells a small part of its production directly on site. EICO, one of the largest egg trading companies in Switzerland, is represented at this location. Raw eggs are checked, stored and delivered at this site, where the company also operates a cooking and dyeing facility for picnic and Easter eggs. And the Bernese Mandelbärli is also produced at this location. The bakery with the name Beck Glatz Confiseur boasts on its website that it is the first bakery in Switzerland that both delivers and produces carbon-free. But smaller businesses, such as the pasta producer Ingredienza or the le vivant restaurant also benefit from the location being convenient and the charm of this industrial and commercial island.
Aufgabe Assignment
Während der Beobachtungsperimeter das gesamte Areal zwischen Bahn-, Güter- und Weyermannstrasse umfasst, ist der Projektperimeter der Masterthesis auf die Parzellen 2191, 2055, 2056 und 2482 im südöstlichen Spitz des Gebiets beschränkt. Diese drei Parzellen sind insofern von hoher Bedeutung für das gesamte Industrie- und Gewerbegebiet, als dass hier in Zukunft der gesamte Lieferverkehr von der Weyermannstrasse her auf die innere Achse, der ehemaligen zentralen Gleisanlage, geführt werden soll. So können die im Süden angrenzenden Bebauungen vom bisherigen Lieferverkehr und Lärm der Güterstrasse befreit werden. Im Gegenzug dazu darf ab einem gewissen Abstand zu den Strassen in Zukunft 6-geschossig gebaut werden. Dieses zukünftige Verdichtungspotenzial, welches momentan zwischen der Stadt und den Grundeigentümern verhandelt wird, nehmen wir zum Anlass an diesem Ort einen gemischten Gebäude-Komplex mit Infrastrukturen für ein nachhaltiges Ernährungssystem zu entwickeln, der zu mindestens 80% gewerblich genutzt werden soll. Verschiedene Akteure eines regionalen Ernährungssystems – von der Verarbeitung über Zwischenhandel und Logistik bis hin zu Verkauf und Gastronomie oder sogar Weiterverwertung – bilden einen Funktionscluster. Von geteilten Einrichtungen und Infrastrukturen sollen alle Teilnehmer des Clusters profitieren können. Auch Anknüpfungen an die grossen Nachbarn wie beispielsweise das Inselspital dürfen mitgedacht werden. Die für eine regionale Versorgung erforderliche kleinmaschige Logistik wirft Fragen nach Transportmitteln, erforderlichen Flächen und zu Fahrtenzahlen auf, die natürlich Einfluss auf das Raumprogramm haben. Ergänzende Wohnnutzungen sind zulässig, solange sie programmatisch an die gewerblichen Nutzungen gekoppelt sind.
Die individuelle Ausarbeitung des genauen Programms ist Bestandteil der Aufgabe und erfolgt zeitgleich mit einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Ort im Rahmen eines zweitägigen Startworkshops in Bern. Darüber hinaus vermittelt das Symposium am 19. September am Campus Muttenz Grundlagenwissen zu Fragen des Ernährungssystems und Best-Practice-Beispielen.
Die Thesisarbeiten als Abschluss des Studiums erforschen die räumliche Infrastruktur für eine regional strukturierte Versorgung und ihre Auswirkungen auf den städtischen Raum. Sie stellen Strategien auf, wie, in einem konkreten städtischen Kontext, der Beitrag der Architektur zu einem zukunftsfähigen Ernährungssystem aussehen kann.
While the observation perimeters encompass the entire area between Bahnstrasse, Güterstrasse and Weyermannstrasse, the project area of the master’s thesis is limited to the parcels 2191, 2055, 2056 and 2482 in the south-eastern tip. These three parcels are of great importance for the entire industrial and commercial area insofar as all delivery traffic there is to be directed, in the future, from Weyermannstrasse to the inner axis, the former central railway track. This can reduce the existing delivery traffic on Güterstrasse and hence also the noise for the neighbouring buildings to the south. In return, 6-storey buildings may be built in the future at a certain distance from the roads. In the years ahead, this densification potential, which is currently being negotiated between the city and the landowners, is being utilized as an opportunity to develop a mixed building complex with infrastructures for a sustainable food system, at least 80% of which will be used commercially. Different actors of a regional food system build a functional cluster – spanning processing to intermediate trade and logistics to sales and gastronomy or even further processing. All participants in the cluster should be able to benefit from shared facilities and infrastructure. Links to the large neighbouring enterprises such as the Inselspital can also be considered. The tightly meshed logistics required for regional supply raises questions about means of transport, the space required and the number of journeys, which naturally have an influence on the spatial programme. Complementary residential uses are permissible as long as they are programmatically linked to the commercial uses.
Individual preparation of the exact programme is part of the assignment and takes place at the same time as an in-depth examination of the location during a two-day start workshop in Bern. In addition, the symposium on 19 September at the Muttenz campus will provide basic knowledge on questions of the food system and best practice examples.
In this semester we will explore the spatial infrastructure for regionally structured supply and its effects on urban space and draft strategies on how, in a concrete urban context, the contribution of architecture to a sustainable food system could look like.
Dozierende Lecturers Oliver Dufner, Caroline Ting
Assistentin Assistant Shehrie Islamaj
Opening Event
Tuesday, 26 September 2023, 1–2PM.
C 401
Additional events
Text review
Tue 10 October
Wed 22 November
Wed 6 December
Wed 20 December
Layout
Thu 4 January (Zoom)
Final Submission
Electronically as a pdf:
Thu 11 January 2024, 12.00
Ilias
Physically: at the Final Critique Thesis
Mit dem Thesisbuch verfassen die Studierenden zum Schluss Ihres Studiums an der HSLU T&A eine schriftliche Arbeit die ihr theoretisches Interesse wie auch ihre Haltung als entwerfende Architekten und Architektinnen belegt. Dies geschieht mittels einer fundiert entwickelten These welche auf der Basis einer Befragung und Anwendung vorhandener Theorien und Recherche fusst. Durch die Verbindung von theoretischem Fundament und eigener entwerferischer Praxis entstehen Überlagerungen und Erkenntnisse, die eine Reflexion über das eigene Handeln ermöglichen.
Die Grundlage für die Aufgabe bilden die in den Vertiefungsarbeiten des Masterkurses erlernten Methoden und das dabei erworbene historische und theoretische Wissen. Die Argumentation erfolgt auf nachvollziehbare Art und Weise und soll den im Projekt entwickelten Gedankengang mit bereits vorhandenem Wissen unterlegen.
to
Das Thesisbuch unterscheidet sich vom Prozessbuch indem es eine These mit dem eigenen Entwurf verwebt. Neben der Erläuterung des architektonischen Projektes tragen Aussagen zu den Themen Material, Struktur und Energie zu einer vertieften Beschäftigung mit diesen Themen bei. Das Thesisbuch stellt in Ergänzung zur Projektabgabe ein eigenständiges Gefäss dar und synthetisiert das nutzbar gemachte theoretische Wissen mit der im Studium erworbenen entwerferischen Kompetenz.
With their thesis book, the students are writing the conclusion of their studies at the HSLU T&A: a writtten work that demonstrates their theoretical interests as well as their stance as designing architects. This is done by means of a well substantiated and developed thesis on the basis of a questionnaire and the application of existing theories and research. Combining the theoretical foundation and the student’s own design practice results in intersections and insights that enable the students to reflect on their own actions.
The assignment is based on the methods learned in-depth studies of the master’s course and the historical and theoretical knowledge acquired from them. The argumentation proceeds in an intelligible way and should use existing knowledge to substantiate the line of thought laid out in the project.
The thesis book differs from the process book in that it interweaves a thesis with an original design. In addition to explaining the architectural project, statements on the themes, materials, structure, and energy contribute to a deeper engagement with these themes. The thesis book represents an autonomous repository and synthesises the theoretical knowledge that has been made useful with the design competence acquired during studies.
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Modules
The City, the Community and the Individual
Conceptions of Living Together in the Course of Time
Die Frage nach den Formen und Bedingungen des städtischen Wohnens ist eine der zentralen Themen in der Architektur und prägt daher unsere gebaute Umwelt seit Jahrhunderten in starkem Mass. Ganz unbesehen davon, ob wir mit dem Wohnen soziale, kulturelle oder ökonomische Parameter verknüpfen, die daraus entstehende Architektur ist immer auch Ausdruck einer gesellschaftlichen Vorstellung, die Auskunft gibt über die Art und Weise des Zusammenlebens. Insbesondere die Frage, wie sich das Individuum dabei als Teil eines Kollektivs versteht oder sich von seiner Umgebung separiert, kennzeichnet die Wohnbauentwürfe auf allen Massstabsebenen, vom Städtebau bis zur Ausformulierung der einzelnen Wohnungen.
Uns interessiert dieses Phänomen aufgrund der in der Schweiz anstehenden aktuellen Herausforderungen, die sich durch den Bevölkerungswachstum und die Debatte um Formen des zukünftigen Zusammenlebens stellen. Welches sind die Anforderungen an eine soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit der transformierten oder neu erstellten Bauten oder Quartiere? Wie werden diese Bedürfnisse zwischen den Akteuren verhandelt und in Architektur übersetzt? Aufgrund der unmittelbar zu lösenden Aufgaben neigt man dazu, die hier beschriebene Thematik als erstmalig auftretende Fragestellung zu betrachten und dabei zu vergessen, dass die Architekturgeschichte wiederholt mit ähnlichen Problemen konfrontiert war und in deren Lösung eine hohe Resilienz beweisen hat. Der Blick in die Geschichte des Wohnens und des immer wieder neu verhandelten Verhältnisses von Individualität und Kollektivität zeigt eine erstaunliche Bandbreite verschiedener Ideale und Lösungsansätze, die wir über die Lektüre von Texten und über die Analyse der Bauten und Entwürfe näher untersuchen wollen.
The issue of the forms and conditions of urban living is one of the central themes in architecture and has therefore strongly shaped our built environment for centuries. Regardless of whether we associate with housing social, cultural or economic parameters, the resulting architecture is always also an expression of a social concept that provides information about the way people live together. In particular, the question of how individuals see themselves as part of a collective or isolate themselves from their environment characterizes residential designs at all scales, from urban planning to the design of the individual flats.
We are interested in this phenomenon because of the current challenges in Switzerland posed by population growth and the debate about forms of future coexistence. What are the requirements for social, ecological and economic sustainability of the transformed or newly constructed buildings or neighbourhoods? How do the actors negotiate these needs among themselves and how are these needs translated into architecture? Due to the immediate tasks to be solved, one tends to regard the topic described here as a question arising for the first time, forgetting that the history of architecture has repeatedly been confronted with similar problems and has demonstrated a high degree of resilience in solving them. A look at the history of housing and the constantly renegotiated relationship between individuality and collectivity reveals an astonishing range of different ideals and approaches to solutions. These we wish to examine more closely by reading texts and analysing buildings and designs.
Konzeptionen des Zusammenlebens im Wandel der Zeit
Conceptions of living together in the course of time
Jede historische Epoche mit ihrer jeweiligen architektonischen Produktion kann auf ihre Eigenheiten hinsichtlich baulicher und sozialer Dichte sowie hinsichtlich der zugrunde liegenden Bedingungen und Ziele befragt werden. Veränderungen gingen dabei meist einher mit der technologischen bzw. wirtschaftlichen Entwicklung und dem daraus folgenden Wachstum der Bevölkerung. Exemplarisch für diese Entwicklung können in der jüngeren Architekturgeschichte Europas drei Paradigmenwechsel benannt werden, anhand derer sich Mechanismen des oben beschriebenen Verhältnisses skizzieren lassen.
Each historical period with its respective architectural production can be examined for its characteristic features with regard to structural and social density as well as with regard to the underlying circumstances and goals. Changes usually went hand in hand with technological or economic development and the resulting growth of the population. As examples of such development, three paradigm shifts can be named in Europe‘s recent architectural history that can be used to outline mechanisms of the relationship described above.
Paradigmen I
Paradigms I
Prekäre Dichte
Eine erste Zäsur stellte sich mit dem Beginn der Industrialisierung Ende des 18. Jahrhunderts ein. Bedingt durch die Landflucht der Menschen, die das Leben in den Städten mit einer besseren ökonomischen und sozialen Zukunft verbanden, wuchsen viele mittelalterlichen Städte in relativ kurzer Zeit zu Grossstädten heran. Die damit einhergehende Bautätigkeit des 19. Jahrhunderts, welche weitestgehend ökonomischen Parametern folgte, zeichnete sich zum einen durch ein hohes Mass an baulicher Dichte aus – zu nennen sind die von Friedrich Engels beschriebenen Arbeitersiedelungen in Mittelengland genauso wie die Berliner Wohnblöcke mit Ihren seriell geschalteten Lichthöfen. In der Schweiz zeugen die Blockrandstrukturen mit ihren meist gewerblich genutzten Hofeinbauten von dieser Entwicklung. Diesen Bauformen war nicht nur eine enorme Konzentration von Baumasse eigen, sondern sie zeichneten sich zum anderen auch durch eine aus heutiger Sicht kaum vorstellbare Belegungsdichte und oftmals prekäre hygienische Bedingungen aus. Das Bild der «Mietskaserne», das auf das Verschwinden des wohnenden Individuums in einer gleichförmigen Masse hinweist, stammt aus dieser Zeit.
Eine Vermengung privater und kollektiver Bedürfnisse war angesichts der enormen Belegungsdichte kaum zu vermeiden und prägte die soziale Interaktion der BewohnerInnen. Wohnungen mit mehreren Familien, welche sich eine Küche teilten, bildeten genauso wie Kostgänger, die nur über das Anrecht zur Nutzung eines freien Bettes verfügten, das prekäre soziale Gefüge dieser Bebauungsformen. Es ist nicht weiter überraschend, dass individuelle Bedürfnisse genauso wie die Chance zum Rückzug ins Private nur in marginalisierter Form berücksichtigt wurden. Gleichzeitig ging mit der schieren Zahl der in der Grossstadt wohnhaften Menschen auch eine zunehmenden Anonymisierung des Einzelnen einher. Dieses Phänomen wurde vor allem zu Beginn der Moderne in der Malerei und Literatur breit rezipiert und bildete neben der immanenten Kritik an den sozialen Bedingungen des Zusammenlebens auch Teil der Faszination des Lebens in der Stadt.
Precarious density
A first caesura occurred with the beginning of industrialization at the end of the 18th century. Due to the exodus of people from the countryside, who associated life in the cities with a better economic and social future, many medieval towns grew into large cities in a relatively short time. The accompanying building activity of the 19th century, which largely followed economic parameters, was cha-
racterized on the one hand by a high degree of building density – the workers‘ settlements in central England described by Friedrich Engels are worthy of mention, as are the Berlin apartment blocks with their serially connected courtyards. In Switzerland, the perimeter block structures with their mostly commercially used courtyard buildings bear witness to this development. Structures of this kind were not only characterized by an enormous concentration of building mass, but also by an occupancy density that is almost inconceivable from today‘s perspective and often precarious hygienic conditions. The notion of ‘tenement barracks’ dates from this period, referring to individuals who lived there disappearing within a uniform mass.
In view of the enormous occupancy density, a mixture of private and collective needs could hardly be avoided and shaped the social interaction among the residents. Flats with several families sharing a kitchen, as well as boarders who only had the right to use a free bed, formed the precarious social fabric of these forms of development. It is not surprising that individual needs and the opportunity to retreat into the private sphere were only taken into account in a marginalized way. At the same time, the sheer number of people living in the big city was accompanied by the individual growing increasingly anonymous. This phenomenon was taken up on a broad scale in painting and literature, especially at the beginning of modernism, and, in addition to the immanent criticism of the social conditions of living together, was a component in what makes life in the city fascinating.
Paradigmen II Paradigms II
Zentripetale Stadtformen
Ein zweiter historischer Fokus zur Beleuchtung des Phänomens von baulicher Dichte und des Zusammenspiels von Individualität und Gemeinschaft bietet sich in den Beispielen der Stadterweiterungen, die während des 20. Jahrhunderts im Geist der architektonischen Moderne entstanden. Bereits in den 1920er Jahren wurden an den Stadträndern der historischen Blockrandstädte Wohnbebauungen gebaut, welche die Erkenntnisse aus der bautechnologischen und wohnhygienischen Entwicklung genauso berücksichtigten wie sie Vorstellungen des modernen Zusammenlebens in eine neue bauliche Realität gossen, meist in Form von Zeilenbauten. Wenngleich die traditionelle Familie nach wie vor die Leitlinie für die Erstellung der Wohnbautypologien bildete, entstanden auch Wohnbauten, die sich den Bedürfnissen von Einzelpersonen richteten und vorerst in moderater Weise auch kollektive Nutzungen in die baulichen Kompositionen integrierten. Die Zerstörungen des 2. Weltkrieges in weiten Teilen von Europa führten bis in die späten 1960er Jahre zu einem weiteren Schub. Stadtneugründungen oder Satellitenstädte implementierten quasi idealtypische, aus den damaligen Vorstellungen des Lebens ausserhalb der historischen Stadt entwickelte Bauten. Die Anlagen waren in aller Regel geprägt durch eine Vielfalt unterschiedlicher Typologien und trotz des grossen Massstabs gekennzeichnet durch eine sorgfältige Balance zwischen Gebautem und kultivierter Natur. Die kollektiven Nutzungen fokussierten auf Bildung und Einkauf, der Austausch unter dem Bewohner orientierte sich an den aus der historischen Stadt bekannten Mustern. In diesen idealtypischen, immer von Planungsxpert*innen entwickelten Grosssiedlungen der Spätmoderne waren Themen wie Aneignung und Spontaneität, aber auch die Integration der Bewohner*innen in die Prozesse von Planung und Betrieb selten vorgesehen. Der Rückzug ins Private wurde zwar nicht in der gleichen Radikalität wie beim Einfamilienhaus zelebriert, doch wurde die soziale Dichte über verschiedene architektonische Massnahmen und über die Einbettung der Bauten in weite Grünräume eher abzumildern versucht, als dass man darin eine Chance zum gemeinsamen Wohnen gesehen hätte.
Centripetal urban forms
A second historical focus for illuminating the phenomenon of building density and the interplay of individuality and community is offered by the examples of urban extensions that were built during the 20th century in the spirit of architectural modernism. As early as the 1920s, residential developments were built on the outskirts where the historic urban perimeter blocks ended. The former integrated the findings of developments in building technology and housing hygiene as much as they moulded ideas of modern coexistence into a new structural reality, mostly in the shape of terraced buildings. Although the traditional family still set the guideline for the creation of housing typologies, residential buildings were also created that were oriented towards the needs of individuals and, for the time being, also integrated collective uses in the structural compositions in a moderate way. The destruction in large parts of Europe as a consequence of the Second World War led to a further expansion until the late 1960s. New cities were founded, or satellite towns implemented seemingly ideal-typical buildings based on contemporaneous ideas about life outside the historic city. As a rule, a variety of different typologies characterized the housing complexes, which maintained a careful balance between built area and cultivated nature despite the large scale. The collective uses focused on education and shopping, and the exchange among the residents was oriented towards the patterns familiar from the historic city. In these ideal-typical large housing estates of late modernism, which were always developed by planning experts, topics such as appropriation and spontaneity, but also the integration of residents in the processes of planning and operation, were rarely envisaged. While the retreat into the private sphere was not celebrated with the same radicalism as in the single-family house, rather than seeing it as an opportunity to live together various architectural measures were introduced in the attempt to ease the strain of social density, which also found relief by embedding the buildings in expansive green spaces.
Paradigmen III Paradigms III
Wiederentdeckung städtischer Dichte
Der dritte und jüngste Paradigmenwechsel ist auf die Jahrtausendwende zu datieren. Was in den 1960er und 1970er Jahren noch zukunftsweisend war – die modernen Siedlungen im grünen Umland der historischen Stadt –, galt je länger je mehr als langweilige und eintönige Existenz in einer als eigenschaftslos empfundenen Agglomeration. Manch utopisch gestaltete Grossüberbauung entpuppte sich zudem schon nach wenigen Jahren als Brennpunkt gesellschaftlicher Probleme – Monofunktionalität und räumliche Isolation liessen das soziale Gleichgewicht schnell aus dem Lot kommen. Vor diesem Hintergrund kam es – sowohl in der Architekturheorie als auch in der breiten Bevölkerung – zu einer Renaissance der traditionellen europäischen Stadt. Mit dem Wohnen in der Stadt verband man zahlreiche Vorteile: Abwechslung und Reichhaltigkeit des Erlebens, zwischenmenschlicher Austausch und intellektuelle Anregung, oder auch – ganz praktisch – die schnelle Erreichbarkeit aller erdenklichen Angebote. Gegen die Monotonie der Agglomerationssiedlungen stand die Vielfalt städtischen Lebens. «Urban» wurde zum Modewort des frühen 21. Jahrhunderts, «städtische Dichte» zur Qualitätsbehauptung neuer Überbauungen in meist semi-urbanen Kontexten.
Damit einher ging eine bislang unbekannte Idealisierung kollektiven Zusammenlebens: insbesondere die städtischen Wohnbaugenossenschaften nutzten die Tendenz zur innerstädtischen Verdichtung sowie die ökologisch motivierten Anstrengungen zur Reduktion des Flächenverbrauchs dazu, neuer Formen gemeinschaftlichen Wohnens zu erproben. Die Renaissance der europäischen Stadt erweist sich vor diesem Hintergrund als durchaus paradoxes Phänomen: Die viel gepriesene Anonymität in der Grossstadt, die der Entfaltung des Individuums Raum gibt, droht sich bereits wieder im kurarierten Miteinander «urbaner» Wohnbauprojekte aufzulösen. Wenn kritische Stimmen unterdessen von einer «Verdörflichung der Stadt» warnen, dann hängt dies also ein weiteres Mal mit der Austarierung des Verhältnisses von kollektiv und privat zusammen. Wieviel Gemeinschaft ist wünschbar – und wieviel Anonymität? Wieviel Angebote zum sozialen Austausch sollen Stadt und Architektur machen – und wieviel Möglichkeit zum Rückzug bieten? Vor dem Hintergrund der weiter anwachsenden Bevölkerung, der verbreiteten Wohnungsnot und den gleichzeitig dringlich geforderten Antworten auf die Klimakrise stellen sich diese Fragen mit neuer Vehemenz.
Über die Lektüre historischer und aktueller Texte, über Vorträge und Werkstattgespräche sowie über die Besichtigung, Analyse und Diskussion ausgewählter Beispiele der letzten fünfzehn Jahre versuchen wir eine kritische und differenzierte Annäherung an die Problemstellung. Die Vertiefungsarbeit zu einem selbstgewählten Aspekt des Themas dient der Erarbeitung und Formulierung einer eigenen Position.
Rediscovery of urban density
The third and most recent paradigm shift can be dated to the turn of the millennium. What was still trendsetting in the 1960s and 1970s – the modern housing estates in the green surroundings of the historic city – was increasingly regarded as a boring and monotonous existence in an agglomeration that was perceived as featureless. Many a utopian large-scale development turned out to be a focal point of social problems after only a few years; mono-functionality and spatial isolation soon threw the social balance out of kilter. Against this backdrop, the traditional European city experienced a renaissance – both in architectural theory and among the general population. Living in the city was associated with numerous advantages: Variety and richness of experience, interpersonal exchange and intellectual stimulation, or also, at the practical level, the easy accessibility of a myriad of conceivable offers. The monotony of agglomeration housing developments was countered by the diversity of urban life. ‘Urban’ became the buzzword of the early 21st century, and ‘urban density’ the quality claim of new superstructures in mostly semi-urban contexts.
Veranstaltungen Events
Dienstags ab 09.00, ganztags
Tuesdays from 09.00, all day
Startveranstaltung:
Di 19.09.2023, 10:30 – 12:00 Uhr/ 14:00–17:00 Stadtspaziergang
Luzern
Zwischenkritik mit Gästen:
Di. 14.11.2023/ Di. 21.11.2023
Ende Kontaktstudium: Di 19.12.2023
Schlussabgabe: Di 09.01.2024
Schlusskritik mit Gästen:
Di 16.01.2024 / Mi 17.01.2024
Opening event
Tuesday, 19 Sep 2023, 10:30–12:00/ 14:00–17:00 City walk in Lucerne
Midterm critique:
Tue 14./ Tue. 21 Nov 2023
End of contact study:
Tuesday, 19 Dec 2023
Submission deadline:
Tuesday, 9 Jan 2024
Final critique with guests:
Tue 16 / Wed 17 Jan 2024
This was accompanied by a hitherto unknown idealization of collectively living together; urban housing cooperatives in particular took advantage of the trend towards inner-city densification and the ecologically motivated efforts to reduce land consumption to try out new forms of communal living. Against this backdrop, the renaissance of the European city is proving to be a highly paradoxical phenomenon: the much-lauded anonymity in the big city, which provides space for the development of the individual, is already threatening to dissolve again in the curated coexistence of ‘urban’ housing projects. If critical voices are now warning against a ‚village-ification‘ of the city, then this is again connected to the balance between collective and private. How much community is desirable –and how much anonymity? How many offers for social exchange should the city and architecture provide - and how many opportunities for retreat? These questions are being asked with new urgency against the background of a growing population, the widespread shortage of housing and the pressing need for answers to the climate crisis.
By reading historical and current texts and through lectures and workshop discussions – as well as the viewing, analysis and discussion of selected examples from the last fifteen years – we will explore a critical and differentiated approach to the problem. The in-depth work on a self-selected aspect of the topic serves to elaborate and formulate one‘s own position.
Sprachen Languages
Deutsch / Englisch
German / English
Bewertung Assessment
Vertiefungsarbeit, A4 hochkant,
3 Exemplare gebunden mit .docx, .indd und .pdf Ablage auf ILIAS
6 ETCS
In-depth project, A4 portrait, 3 bound copies, .docx, .indd and .pdf submitted to ILIAS
6 ECTS
Form Form
Das Modul dient der Vermittlung wissenschaftlicher Arbeitsmethoden und des konzentrierten Denkens und Schreibens. Es bietet die Möglichkeit, das eigene Handeln als entwerfende Architekt:innen schriftlich zu reflektieren. Ziel ist es, eine eigenständige themenrelevante Vertiefungsarbeit zu verfassen.
This module serves to impart scientific working methods and concentrated thinking and writing. It offers the opportunity to reflect in writing on one’s own actions as a designing architect. The goal is to write an in-depth work of one’s own that is relevant to the theme.
Towards the Inclusive City Agency, Ethics and
Spatial Practice
6 Fridays from 9.15-17.00 F-Niche
Fr, 29.9.23, Who is invisible? Aylin Yildirim Tschoepe, architect, anthropologist, urbanist, HGK Basel
Fr, 6.10.23
Who isn’t being heard? Heidi Svenningsen Kajita, Architectural researcher at the University of Copenhagen
Fr, 27.10.23
How to record the invisible? Annika Kühn, Social Scientist at HSLU & CityScienceLab HafenCity Universität Hamburg
Fr, 10.11.23
How to write a manifesto? Lucerne Talks Symposium - Teaching Urbanism
Fr, 24.11.23
How to unlearn representation? Bernadette Krejs, Architect & Researcher at TU Wien
Fr, 1.12.23, Independent study
Fr, 15.12.23
Round Table Discussion, Rachel Mader, Art Historian at HSLU - D&K
Today, the question of who is included in the processes of city-making and who isn’t: who is visible to professional practitioners such as planners, architects and urban designers, whose voice is heard and whose interests guide decision-making is becoming increasingly important.
Complex issues including, among others, climate transition, intersectional access to public space or displacement following regeneration and gentrification demand that we ask again: Whose city? If the mission of liveable, just, open and inclusive cities isn’t to become yet another empty promise, spatial practitioners must question their established ways of working, develop new tools and methods of analysis, and embed them into their day-to-day design practice.
This involves not only understanding the limits and potentials of agency, but also gaining practical knowledge concerning the ethics and accountability of own practices as well as developing new skills in recording, representing and intervening in space, including such practices as site-writing, critical cartography or storytelling.
In a series of full-day seminars, this module will present the positions of practitioners who are at the forefront of these issues and train practical abilities in workshops and exercises.
Assessment
Regular attendence is required 3 ECTS | Language: English
IS MORE
Ideas and Dreams for a Future Better World
Events
Monday, 1:00 – 4:30 p.m. starting September 26 F-Niche and Online.
Profile
Lectures, Guests, Excursions
Collages, Videos, Statements
Language
English
Assessment
3 ECTS
1923, Paris. Society has a passionate desire for something that it can obtain or that it cannot obtain. Everything is there; everything will depend on the effort made and on the attention paid to alarming symptoms. Architecture or revolution. Revolution can be avoided.
In Vers une architecture, Le Corbusier argues for a forward looking built environment.
1968, Paris. Be realistic, demand the impossible – All power to the imagination – Boredom is counter-revolutionary – It is forbidden to forbid – Happiness is a new idea – The beach lies beneath the paving stones – Walls once had ears. Now they have a voice.
Students‘ movement imagined and proposed many programs for a better society.
2023, ... What are our future dreams? How will our future societies look like? Imagining tomorrow is not something new. From Plato’s Republic, through More’s Utopia, Morris’s News from Nowhere, Taut‘s Alpine Architecture, Archigram‘s Walking Cities and Constant‘s New Babylon to AI, all visions of the worlds to come start by suggesting a new way of thinking for a differently constructed environment. Incidentally, each and every architectural project is a utopia, proposing a possible future.
The current semester will investigate different ways of defining a future society through architectural goals and programmes, analyzing their analogies and contrasts, their usefulness and contradictions, striving to propose new ones. Conceiving architecture as part of a more general cultural discourse, students are encouraged to think across and beyond boundaries, trends and events, positioning themselves as conscious designers of a common society for tomorrow. Architectural theories and visions are not pure abstractions, they move between absolute positions and relative relations.
Architecture, Building Materials, and the Environment
Modulverantwortung Module Leader Davide Spina Co-Dozierende Co-Lecturers Nitin Bathla Assistent Assistant João MoreiraBuildings are products of architectural and engineering techniques that provide form and aesthetics to an assemblage of building materials. Historically, these materials were drawn from proximate landscapes and commons, such as local stone and sand quarries, mineral and metal deposits, and clay that was turned into bricks. However, with modernity, the extractive landscapes for building materials have stretched wider across the planet. A cursory glance at architectural environments around us is sufficient to reveal the global provenance of spaces we consider hyper-local. Materials like timber, stone, plastic (petroleum), and fabric (cotton and petroleum) come from distant operational landscapes worldwide and are transported at high environmental costs. Consequently, architecture in its current form is an inherently energy- and material-intensive practice, and it plays a decisive role in the formation and progression of the multiple intersectional crises that we understand today as the ‘Anthropocene’ – the age that sees ‘homo urbanus’ as a catalyst of climate change.
In reaction to this phenomenon, we are witnessing a rise in ideas of degrowth and designing for decay rather than against it, along with a focus on the environment in general. Squatting groups, radical planners, and architects are increasingly attending to marginal sites and decaying buildings, assigning new and unintended uses to them. This inevitably raises the question: What actions can we, as architects, take to address this issue and reroute architecture towards a non-conflictual relationship with the environment through degrowth and relocalisation? Can we fully grasp the political economy and political ecology of construction materials and adjust our practice accordingly? This course examines architecture’s embeddedness within global processes of material extraction and territorial transformation while also exploring how architecture and engineering contribute to shaping, perpetuating, or challenging these processes.
International Students
Introductory Lectures
Events
Wed, 04.10.23, from 09.00 - 12.00
F-Niche
Architectural principles of statics (40min)
09.00 - 09.40
Architectural principles of building physics (30min)
09.45 - 10.15
Model making and model photography + Model photography & image composition (60min)
10.30 - 11.30
Plan representation and layout (30min)
11.30 - 12.00
Language
English
Workshop Lectures
For our international students who are new in the masters program - and for anyone else interested - we offer this opportunitiy to get to know some of the architectural and graphical basics that will be required in the masters course.
The team of assistants will introduce you to some of the standards that are needed later on in the course. Each of the assistants will then be your contact concerning the presented topic during the whole semester.
This semester the five inputs will be hold in two morning lectures and will consist of the following parts:
- Introductory lecture as a theoretical basis for common understanding
- Hands-on examples of former semester works, visits of concerned facilities and introductions of responsible people
- Discussion of the presented theory and the sighted examples and facilities
- Literature recommendations
We highly recommend these courses to all our incoming students not only in order to get familiar with our requirements, but also as an opportunity to get to know other students and our facilities.
Study Trip London Transforming
Events
Sunday, 15 October 2023 –Saturday, 21 October 2023
Profile
Study Trip
Assessment
3 ECTS
Costs approx. CHF 800 announced at semester start
Modulverantwortung Module Leader Peter Althaus Dozierende Lecturers Annika Seifert, Luca Deon Assistierende Assistents Andrew Mackintosh, Qendrim Gashi
London is among Europe’s oldest and largest cities, many of its buildings dating back over a thousand years. Nevertheless, it is a place of constant spatial transformation, urged on by ever changing conditions and needs, restrictions and possibilities. On our study trip we will search for architecture and urban spaces, which have (fore)seen typological transformation; we are interested in adaptable new construction and planning that speculate into an unknown future and the spatial changes it might bring; but also in adaptive reuse projects that draw from a dormant past. Between those two fall the different temporalities of squatting, interim uses and pop-ups, prompted by changing uses and spatial programming, that define the city’s dynamic. We will visit projects by 6a Architects, Assemble, Caruso St. John, Herzog & de Meuron, Zaha Hadid and many others. While examining theses spaces from an architect’s viewpoint, we are also interested in the consequences of transformation on an urban and societal scale – the economic effects, gentrification processes, displacement of demographics and other impacts brought about by spatial change.
The study trip is open to all students enrolled in the master programme.