Fünfkampf im Frankfurter Audimax

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Tag, Donnerstag, 15. Februar 2018

MOZ

Frankfurter Stadtbote

MOZ-Wahlforum mit den 5 OB-Kandidaten

Markus Derling CDU

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OBERFünfkampf BÜRGERMEISTER „Haushaltsprobleme lösen wir nicht allein“

René Wilke findet Kürzungsdiskussionen schwierig

WAHL

el Ullrich

Jens-Marc SPD

MOZ

Wilko Möller AfD

Frankfurt. Am 4. März wählen die Frankfurter einen neuen Oberbürgermeister. Fünf Kandidaten bewerben sich für das Amt. Ein Novum – landesweit und wohl auch bundesweit: Mit dem amtierenden Oberbürgermeister Martin Wilke (parteilos) sowie den Beigeordneten Markus Derling (CDU) und Jens-Marcel Ullrich (SPD) ist die gesamte Rathausspitze am Start. Hinzu kommen René

Wilke (Linke/Grüne) und Wilko Möller (AfD). Beim MOZ-Wahlforum am Dienstagabend im Audimax der Viadrina trafen die fünf Kandidaten aufeinander. Einer von ihnen wird am 4. März oder erst in der Stichwahl am 18. März zum 30. Oberbürgermeister in der Stadtgeschichte seit 1808 gewählt werden. Mehr vom Fünfkampf finden Sie auch im Internet auf moz.de und Facebook.

Ja oder Nein?

Sieben Fragen an die Kandidaten

René Wilke: Er setzt auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Land und einen Bürgerhaushalt für Frankfurt. Der Landtagsabgeordnete René Wilke stellte die Lobbyarbeit, die er in den vergangenen drei Jahren für Frankfurt geleistet habe, in den Vordergrund. Unter anderem habe er Mittel für die Straßenbahnen, die Sportschule und das Studentenwerk herausgeschlagen. Zudem warb Wilke für eine gute Zusammenarbeit mit dem Land, weil die Herausforderungen der Zukunft nur gemeinsam zu stemmen seien. „Die Haushaltsprobleme lösen wir nicht allein“, sagt er, mahnte aber auch die seit 2010 fehlenden Jahresabschlüsse an: „Wir müssen endlich unsere Hausaufgaben machen.“ Er setze sich ebenfalls für eine Senkung des Gewerbesteuersatzes ein, sagte er in Richtung seines Kontrahenten Markus Derling. Allerdings erinnerte er auch daran, dass Frankfurt Geld von anderen Kommunen bekomme und diese daher genau darauf schauten, was sich die Stadt leiste. Auf die Frage aus dem Publikum, ob er nicht in Potsdam besser aufgehoben sei als in Frank-

furt, antwortete er, dass ihm in seiner Heimatstadt in den vergangenen Jahren zu wenig passiert sei. Stattdessen trete nun die gesamte Rathausspitze gegeneinander an. „Ich stehe für einen anderen Ansatz“, sagt er, nämlich Menschen zusammenzubringen, für Ideen zu werben und zu begeistern. Nach Jahren des Sparens habe er Schwierigkeiten, weitere Kürzungsdiskussionen zu führen. Man könne über Effizienz in der Verwaltung reden und darüber, ob die Kompetenz der Mitarbeiter nicht ernster genommen werden könne, indem bestimmte Aufgaben intern bearbeitet werden, statt sie extern zu vergeben. Auch eine Teilentschuldung würde eine Entlastung bringen. Der gemeinsame Kandidat von Linken und Grünen sprach sich für einen Bürgerhaushalt aus. Dafür gebe es zwei Modelle: Einen Etat, über den die Bürger entscheiden oder eine Liste von Vorhaben, auf der sie die Prioritäten setzen. In jedem Fall würde ein Bürgerhaushalt Frankfurt „gut zu Gesicht stehen“. (soj)

M Die Antwort auf die Frage, ob Frankfurt eine Oderphilharmonie braucht, fiel eindeutig aus: Alle fünf Kandidaten zeigten einer solchen Idee die rote Karte.

steigen sollten. Martin Wilke, René Wilke und Markus Derling sprachen sich dafür aus, Jens-Marcel Ullrich und Wilko Möller dagegen.

M Sollten auf dem Areal der Bischofstraße ein neues Hotel, Wohnungen und Gewerbeeinheiten gebaut werden? Vier der fünf Bewerber meinten: Ja. Nur René Wilke stimmte dagegen.

M Überraschung bei Frage fünf: Martin Wilke, René Wilke und Markus Derling können sich eine Eingemeindung von Brieskow-Finkenheerd vorstellen – Ullrich und Möller nicht.

M Der Vorschlag, die Straßenbahnen aufzugeben und in Frankfurt komplett auf Busse umzustellen, fiel bei allen durch.

M Dass in acht Jahren die Hälfte der Uni-Studenten in Frankfurt und Slubice wohnen, erschien nur René Wilke nicht realistisch.

M Weniger klar war das Meinungsbild bei der Frage, ob die Stadtwerke in den nächsten acht Jahren aus der Kohle aus-

M Klares Votum bei der letzten Frage: Frankfurt braucht wieder ein Handball-Bundesligateam, finden alle Kandidaten.

Blaue oder rote Karte: Auf sieben Entscheidungsfragen sollten die fünf Kandidaten spontan reagieren.

Vieles regele sich bereits über den Markt, beispielsweise sei die Zahl der ambulanten Plätze ge-

Jens-Marcel Ullrich: Vorrang haben gute Lernbedingungen an Schulen. Bei der Pflegebedarfsplanung setzt er auf Angebot und Nachfrage.

stiegen, weil es mehr Sozialstationen gebe. Bei der Kultur- und Sportförderung müssten die knappen finanziellen Ressourcen bedarfsgerecht eingesetzt werden. Mittel, wie beispielsweise die zwei Millionen Euro, die aufgrund der neuen Finanzierung des Staatsorchesters 2019 frei werden, sollten in den Sport und damit in die Jugendförderung investiert werden. Den Kulturbereich stärker zu fördern stehe für ihn derzeit nicht zur Debatte, so Ullrich. Das von Amtsinhaber Martin Wilke vorgeschlagene Jugendparlament unterstütze er unter der Voraussetzung, dass dieses auch mit Geld ausgestattet werde. Anderenfalls wäre es eine Scheindemokratie. Ähnlich ist seine Haltung zu einem Bürgerhaushalt. Voraussetzung sei auch hier die ehrliche Diskussion darüber, für welche Zwecke Geld eingesetzt werden solle. (soj)

Wilko Möller hatte inhaltlich wenig zu sagen Für Wilko Möller verlief der Abend eher enttäuschend. Der AfD-Politiker hatte inhaltlich wenig zu sagen, antwortete widersprüchlich auf Fragen, und wurde mehrfach zurecht gewiesen. Vor allem von Martin Wilke. Nein, noch müsse Frankfurt doch keine „Cottbuser Verhältnisse“ fürchten, erklärte er. Trotzdem plädiere er dafür, keine weiteren Asylbewerber aufzunehmen. „Die kritische Masse liegt bei 2000 Flüchtlingen“, so Möller. Aktuell seien es in Frankfurt gut 1300, informierte Ullrich. Möller wandte ein, dass der Ausländeranteil insgesamt ja höher sei und man als Politik nicht zu spät auf Konflikte reagieren dürfe. Frankfurt habe keine größeren Probleme mit Zuwanderern, hakte der OB ein. Und: „Ich sehe es als Bereicherung, dass wir eine so internationale Stadt sind“ – Applaus im Saal. Anschließend schwärmte Möller von Outlet-Centern in Bad Münstereifel. Er prüfe gerade, „ob das auch ein gangbarer Weg für Frankfurt ist“. Auch wenn er selbst nicht gern shoppen gehe, fehle es den Bürgern an Einkaufs-

möglichkeiten. Outlet-Konzepte seien von Betreibern bereits untersucht und verworfen worden, berichtete Markus Derling. Möller entgegnete dem Beigeordneten, er verstehe nicht, „dass sie in der Slubicer Straße noch einmal 9000 Quadratmeter an neuer Gewerbefläche schaffen wollen. Modernisieren sie doch erst einmal die vorhandenen.“ Vor allem mit Attacken gegen den OB versuchte Wilko Möller später auf sich aufmerksam zu machen („Ich bin auch noch da, ganz weit rechts“). Doch der Angegriffene wusste sich zu wehren. Es sei endlich ein Kassensturz nötig, erklärte Möller etwa den AfD-Wahlslogan „Mut zur Wahrheit“. Und: „Es gibt ein Grundübel in der Verwaltung. Das muss behoben werden“. Spätestens da hielt Martin Wilke nicht mehr an sich: „Zu erzählen, wir sagen nicht die Wahrheit, ist größter Unfug“. Alle Informationen, auch zum Haushalt, stünden online bereit. In jedem Ausschuss könne man Fragen stellen. Mit Pauschalurteilen aber „bringen Sie die Stadt nicht einen Deut voran“. (thg)

Amtsinhaber Martin Wilke gibt sich kämpferisch

Martin Wilke: Legte Wert auf sein gutes Verhältnis zur Studentenschaft und teilte gegen René Wilke aus. Er will es noch einmal wissen. Das machte der amtierende OB Martin Wilke mit einem kämpferischen Auftritt deutlich. Vor allem gegen die Mitbewerber René Wilke und Wilko Möller teilte der Parteilose aus. „Wir wurden jahrelang unterfinanziert. Da kann man uns nicht hinstellen, als könnten wir nicht mit Geld umgehen“, reagierte er gereizt auf Unterstellungen seines Namensvetters. An den Schulden trage die Stadt jedenfalls nicht die Hauptschuld. Zudem erinnerte er den Chef der größten Fraktion im Stadtparlament daran, dass die Linke seit 2010 zwei Kämmerer gestellt habe. „Zweimal sind sie gescheitert. Das gehört zur ganzen Wahrheit mit dazu.“ Außerdem brauche es „in dieser Stadt mehr Spieler als Schiedsrichter“. Im Laufe des Abends sprach sich Wilke erneut für ein Jugendparlament aus. Er machte deutlich, dass er wenig davon hält, Kultur- und Sportangebote gegeneinander auszuspielen. Und einmal mehr an René Wilke gewandt forderte er „eine klare Strategie des Landes für Ansied-

lungen. Wir brauchen eine Reindustrialisierung des Ostens“. Aus der Reserve brachte ihn die Frage, warum die Stadt auch nach einem Gerichtsurteil weiter auf 7000 Euro zu Unrecht vom Asta erhobener Gebühren beharre und nicht schon viel früher im Sinne der Studenten auf Geld verzichtet hat. Er habe angewiesen, zu prüfen, ob man die Altforderungen nicht aufheben könne. Denn „ich kann nicht einfach mal mit dem nassen Daumen im Wind dafür oder dagegen entscheiden.“ Eine Antwort, mit der sich René Wilke nicht zufrieden gab. Angesichts des seit Jahren andauernden Rechtsstreites sprach er von einem „fatalen Signal an die Studierendenschaft“. Das wiederum brachte den Amtsinhaber für einen Moment aus der Fassung. Es passe „kein Blatt“ zwischen ihm und der Universität, erklärte er an die Adresse von René Wilke und warf diesem „fehlende Verwaltungserfahrung“ vor. „Glauben sie, die Verwaltungsspitze ist dazu da, die Bürger zu ärgern?“ Trotzdem habe eine Verwaltung auch Rechte einzuhalten. (thg)

„Der Fördermittelwust gehört abgeschafft“

Markus Derling bleibt betont gelassen und wünscht sich unkompliziertere finanzielle Hilfen vom Land

Jens-Marcel Ullrich fordert eine ehrliche Diskussion um Prioritäten im Haushalt und haben die Übersicht“, sagte er. Zudem soll die Bedarfsplanung vorangetrieben werden.

„Ich bin auch noch da, „Mehr Spieler als Schiedsrichter nötig“ ganz weit rechts“

Wilko Möller: Stritt sich mit Martin Wilke und fordert einen Flüchtlingsstopp für Frankfurt.

„Erst die Kinder, dann der Denkmalschutz“ Jens-Marcel Ullrich will beim Thema Schulen in denkmalgeschützten Gebäuden neue Prioritäten setzen. „Erst kommen die Kinder, dann die Gegebenheiten des Denkmalschutzes“, betonte der Beigeordnete und verwies auf den hohen Sanierungsrückstau von rund 20 Millionen Euro in diesem Bereich, der unter anderem daher rühre, dass der Aufwand in den geschützten Gebäuden doppelt so hoch sei. Doch Denkmalschutz dürfe nicht zu Lasten guter Lernbedingungen gehen, so Ullrich. Auf die Frage nach einer Bedarfsplanung für Pflegeplätze, räumte er ein, dass es bislang keine gebe, unter anderem weil die Stelle der Sozialplanerin im Amt vakant sei. Er fügte jedoch hinzu, dass dies kein Umstand sei, der die Frankfurter Senioren nachdenklich stimmen sollte. „Wir stellen den Bedarf fest, bilden die bestehenden Plätze ab

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René Wilke Linke und Grüne

Martin Wilke parteilos

im Frankfurter Audimax

Donnerstag, 15. Februar 2018

Das Audimax war am Dienstagabend sehr gut besucht. Viele der Gäste hatten Fragen an die Kandidaten mitgebracht. Fotos: Michael Benk (13)/Winfried Mausolf

Markus Derling weiß, was sich gehört. Mit einem Handkuss würde er die Bürgermeisterin aus Gorzów begrüßen, meinte der Beigeordnete, als die Weltgewandtheit der Kandidaten gefragt war. Das entspreche den polnischen Gepflogenheiten. Auch sonst gab sich der CDUKandidat höflich und ließ sich auch durch unbequeme Fragen nicht aus der Ruhe bringen. Ob es klug gewesen sei, auf das Thema Flüchtlinge zu setzen, wollte das ModeratorenDuo wissen – sein Slogan, kriminelle Asylbewerber konsequent abzuschieben, hatte ihm viel Kritik eingebracht. Seine Mitbewerber werfen ihm vor, Stimmungen auszunutzen. „Das Thema ist eines von vielen, das die Menschen bewegt“, betonte Derling. Er habe sich dazu differenziert aber klar geäußert. Außerdem sei es wichtig für die Wähler zu wissen, dass ein OB auch Sor-

gen aufgreife, „die nicht direkt in seine Zuständigkeit fallen“. Der Beigeordnete für Bauen

und Kultur verteidigte entgegen aller Kritik und trotz hoher Kosten ebenso die Politik, Schulen in

Markus Derling: Verteidigte Schulen in historischen Gebäuden und sprach sich für einen niedrigeren Gewerbesteuersatz aus.

denkmalgeschützten Gebäuden unterzubringen. Er sehe darin keinen Widerspruch. Schließlich werde historische Bausubstanz „sinnvoll genutzt“. Überhaupt habe die Verwaltung in den vergangenen Jahren auch vieles richtig gemacht, unterstrich Derling. So profitiere keine andere Stadt in Brandenburg mehr von Städtebaufördermitteln als Frankfurt. Und auch die Kultureinrichtungen stünden heute auf einem weitaus stabileren Fundament. Trotzdem gehe da noch mehr, findet Derling. Er spreche sich deshalb unter anderem für eine Senkung der Gewerbesteuern sowie eine Entbürokratisierung finanzieller Hilfen aus. Das Land habe „unglaublich viel Geld“ zur Verfügung, bemerkte er. „Doch dann scheitern Investitionen daran, dass uns die Eigenmittel fehlen. Der ganze Fördermittelwust gehört für mich abgeschafft.“ (thg)


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