Berlinale 2011

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KULTUR

Montag

21. Februar 2011

DIE 61. INTERNATIONALEN FILMFESTSPIELE IN BERLIN

Der Favorit räumt ab „Nader und Simin“ aus dem Iran überzeugte die Berlinale-Jury gleich dreifach Von Sandra Kurtz ■

Zum Schluss:

Lauter Fragen Nun ist sie aus, die 61. Auflage des Berliner Festivals. Der letzte PhotoCall ist verhallt, die Türen zur letzten Pressekonferenz wieder offen. Die Überreste des roten Teppichs werden eingerollt, während die Gewinner ihre brummenden Preise mit nach Hause nehmen. Festivalchef Dieter Kosslick wird schon an den nächsten Programmen für die unterschiedlichen Sektionen arbeiten. Und was bleibt mir? Außer meiner Plastekarte, ein paar bunten Presseheften, Augenringen und etlichen Erinnerungen? Zum Beispiel jene an die schönste Überraschung der vergangenen zehn Tage: mein Ausflug zum Kinderfilmfestival. Statt zwischen stummen und am Ende vielleicht mit spitzen Fingern ein wenig klatschenden Kritikern landete ich zwischen hüpfenden, lachenden und schubsenden Kindern. Was für eine Wonne! Echtes Leben statt intellektuellem Gehabe. Toll! Ich war sofort wach. Der dänische Film „Den kaempestore björn“ war es, den ich mir ausgesucht hatte. Englische Untertitel hatte er, was für die Siebenjährigen nicht sehr hilfreich war. Also wurde der Text von einem netten jungen Mann mit Brille auf Deutsch über die Lautsprecher live eingelesen. Zuletzt hatte ich so etwas, glaub ich, bei alten Pippi-LangstrumpfVerfilmungen gehört. Drei Sprachen kreuzten sich also im Raum. Die Kinder waren am Anfang etwas verwirrt, konzentrierten sich aber sogleich auf die Geschwister Jonathan und Sophie. Seine kleine Schwester, so Jonathan, sei wie ein Weihnachtsgeschenk, das man nicht haben möchte, aber auch nicht umtauschen kann. Wie es eben so ist. Die beiden treffen auf einen riesigen Bären im großen Wald. Der hatte ein so großes Maul, da hätte locker eine Kindergartengruppe reingepasst. Das kleine Mädchen neben mir wollte dann auch mindestens fünf Mal raus, aber Mini-Elche, Zauber-Blätter und eben Friedtjof, der Bär, hielten sie auf dem Sitz. Ich weinte dem Riesen zum Schluss sogar noch Tränen nach, obwohl er nur animiert war. Friedtjof lebt weiter, aber Festival-Fragen bleiben: Die jungen Leute, die an den Eingängen die Pressemenschen nach ihren Ausweisen fragten – fragten die auch Prominente nach ihren Ausweisen, wenn die auf den roten Teppich wollten, aber nicht erkannt wurden? Warum wurde der eine Kühlschrank mit dem Mineralwasser umsonst nie wieder aufgefüllt? Wem gehörten die Leitern, die am Hintereingang des Hyatt an das Absperrgitter gekettet waren? Warum lag ich bei manchen Kritiken so daneben? Und warum musste Kevin Spacey in einem Interview über die Bänker sagen, dass die gar nicht so viel Geld hätten, weil sie ja auch ihre Hypotheken und die Schule für ihre Kinder zahlen müssten? Ach, Kevin! Sandra Kurtz ■

Der große Favorit der 61., oft auch als iranisch bezeichneten Berlinale konnte am Samstagabend sogar drei Bären gewinnen: Silberne Bären für das weibliche und männliche Schauspielerteam sowie den goldenen Hauptpreis. Regisseur Farhadi, der bereits 2009 einen Silbernen Bären mit nach Hause nahm, gelang es, mit der Schilderung eines privaten Konfliktes einen tiefen Einblick in die politischen Verhältnisse des Iran zu geben. Publikum und Jury überzeugte er gleichermaßen. Die Filmemacher sollen eine Meinung haben, Position beziehen, sagte Festivalsleiter Dieter Kosslick bereits vor

Die Schauspielerinnen Sarina Farhadi, Sareh Bayat und Regisseurr Asghar Farhadi mit ihren Mitbringseln aus Berlin. Mit den Bären für sie verengt die Jury den Blick in diesem Jahr auf die politische Lage im Iran. Foto: dpa der Eröffnung der Berlinale. Dem ist auch die Jury gefolgt, nicht nur bei den dreifachen Lorbeeren für „Nader

und Simin“. Ob die Anfänger der RAF in Deutschland, das Problem der aus dem Mittelalter stammenden Blutrache

in Nordalbanien, das Leben unter der argentinischen Militärdiktatur oder Entwicklungshilfe in Kamerun – die

Berlinale nahm die sich in Menschen spiegelnden Konflikte der Welt in ihrem Programm auf.

Zu guter Letzt: Unsere Meinungen zu all den Bären Barbara Jasper: „Viel Spielraum für ihre Entscheidung hatte die Jury in diesem Jahr wohl nicht. Angesichts der Situation im Iran und des frei gehaltenen Jury-Stuhls für Jafar Panahi stand der iranische Wettbewerbsbeitrag sozusagen von vornherein unter besonderer Beobachtung. Es ist schön, dass es einen so guten iranischen Film im Programm gab, der die Auszeichnung sicherlich verdient hat. Es bleibt aber schade, dass die Wahlfreiheit der

Jury und damit die Spannung im Vorfeld der Preisverleihung gegen Null ging. Eigentümlich mutet die Gruppen-Auszeichnung der männlichen und weiblichen Darsteller im Gewinner-Film an. Fehlte hier der Mut, einzelne hervorzuheben? Oder galt es hier, mehrere Preise für diesen einen Film zu verteilen? So war es nicht möglich, Schauspieler aus anderen Filmen auszuzeichnen. Es erscheint fragwürdig, einen Kamera- und Produktions-

Design-Preis für den Film ,El Premio‘ von Paula Markovitch zu vergeben. Verdient hätte nämlich die sehr junge Hauptdarstellerin einen Preis. Merkwürdig auch der Silberne Bär für die beste Regie: ,Schlafkrankheit‘ von Ulrich Köhler ist kein schlechter Film, lässt aber seine Zuschauer am Ende allein. Eine tolle Regiearbeit sieht anders aus. Bei dem RAF-Stück ,Wer wenn nicht wir‘ von Andres Veiel darf man fragen, welche neuen „Per-

spektiven der Filmkunst“ es eröffnet. Denn genau dafür wurde es ausgezeichnet.“ Antje Jusepeitis: „,Nader und Simin‘ hat den Goldenen Bären verdient. Es ist ein großartiger, eindringlicher Kinofilm. Die Schauspieler sind allesamt überzeugend, ganz anders als Diane Kruger, die einfach langweilig spielt. Der Film eröffnet dem Zuschauer die politischen Verhältnisse im Iran auf sehr feinsinnige, hintergründige Art.“

Sandra Kurtz: „Die Jury hat den Fokus auf die Politik gesetzt, nicht auf die Kunst. Das ist folgerichtig, denn auch das Kino nimmt die politischen Erruptionen im arabischen Raum auf. Für mich hätte dennoch ,Forgiveness of blood‘ den Hauptpreis bekommen müssen. Gleichzeitig bin ich froh, dass der spröde, unzugängliche Film „Das Turiner Pferd“ nicht den Goldenen Bären bekommen hat.Da bin ich nämlich rausgegangen!“

„Ich bin beides, türkisch und deutsch“ Die Dokumentation „Rotkohl und Blaukraut“ begleitet zwei deutsch-türkische Familien in ihrem Alltag BERLIN (ja) Solch eine Einladung bekommt man nicht alle Tage: einzutreten ins Wohnzimmer einer wildfremden Familie und teilzuhaben an ihrem Alltag. „Rotkohl und Blaukraut“ hat sogar zwei solche Einladungen im Rahmen der Perspektive Deutsches Kino parat. Denn es sind zwei Familien, die ihre Türen für die Dokumentarfilmerin Anna Hepp weit öffneten. Die Einladung abzulehnen, wäre dumm. Denn hier zeigen zwei deutsch-türkische Familien, wie es sich gemischt-kulturell und -religiös so lebt. Und siehe da, es sind die kleinen Dinge, die diese ■

Familien beschäftigen wie Millionen andere auch. Da geht es um die Lautstärke

des Radios oder um das richtige Fernsehprogramm. Die unterschiedliche Her-

Hakan und Jens zeigen, wie Männer in der Türkei gemeinsam spazieren gehen – in Deutschland so nicht üblich. Foto: Hepp

kunft spielt kaum eine Rolle. Familienvater Jens sagt: „Da denke ich gar nicht mehr drüber nach, dass ich mit einer Türkin verheiratet bin. Das ist eben die Özen.“ Mitten im Film gibt es dann doch noch einen kleinen Reibungspunkt. Das macht ihn auch authentisch. Der türkischstämmige Familienvater ärgert sich, dass seine Frau nicht mit zur HennaNacht der Cousine kommen möchte. Alle anderen werden da sein, sie wird fehlen. Die Familie wird nach ihr fragen. Sie möchte nicht hingehen, weil sie sich bei solchen Anlässen beobachtet fühlt von der Großfamilie. „Vielleicht

liegt es auch nur daran, dass ich einen Kopf größer bin als alle und immer über alle hinausrage“, lacht die blonde, große Frau. Die kleine Tochter der Familie fühlt sich in der Schule nicht etwa benachteiligt, sondern privilegiert. „Ich bin beides, türkisch und deutsch“, erzählt Emma. Im Religionsunterricht sei sie die einzige, die genau wisse, was die Muslime so machen. „Meine Eltern haben mir gesagt, dass ich später, wenn ich groß bin, entscheiden kann, was ich sein möchte. Ich möchte Christ werden. Aber die haben kein Zuckerfest...“, sinniert Emma.

Die welke Schönheit „Late Bloomers“ mit Isabella Rossellini und William Hurt gab der Berlinale noch einmal Glanz – und Witz Von Sandra Kurtz

BERLIN Ach, das war schön! Nachdem nun alle Wettbewerbsfilme bis zum Freitag gezeigt worden waren, wurde der Friedrichstadtpalast am Freitagabend herausgeputzt für die Weltpremiere von „Late Bloomers.“ In dem liebevoll komischen Film übers Älterwerden spielt Jury-Vorsitzende Isabella Rossellini die Hauptrolle und wurde dann auch von Festivaldirektor Dieter Kosslick an ihren Platz begleitet. Kaum dass sie neben der französischen Regisseurin Julie Gavras Platz genommen hatte, begonnen unterhaltsame anderthalb Stunden, in denen sich Mary (Rossellini) auf charmante und sehr schöne Weise ihrer 60 nähert. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Adam (William ■

BERLIN (dpa) Die Jury der 61. Internationalen Filmfestspiele Berlin unter Vorsitz von Isabella Rossellini hat am Samstagabend folgende Preisträger bekanntgegeben: 1 Goldener Bär: „Jodaeiye Nader az Simin“ (Nader und Simin, Eine Trennung) von Asghar Farhadi (Iran) 1 Silberner Bär, Großer Preis der Jury: „The Turin Horse“ (Das Turiner Pferd) von Béla Tarr (Ungarn) 1 Silberner Bär für die beste Regie: Ulrich Köhler (Deutschland) für „Schlafkrankheit“, mit Pierre Bokma, Jean-Christophe Folly, Jenny Schily 1 Silberner Bär für die beste Darstellerin: Gesamtes weibliches Team von „Jodaeiye Nader az Simin“ (Nader und Simin, Eine Trennung) von Asghar Farhadi (Iran) 1 Silberner Bär für den besten Darsteller: Gesamtes männliches Team von „Jodaeiye Nader az Simin“ (Nader und Simin, Eine Trennung) von Asghar Farhadi (Iran) 1 Silberner Bär für eine herausragende künstlerische Leistung: Wojciech Staron (Kamera) und Bárbara Enríquez (Produktionsdesign) für „El Premio“ (Der Preis) von Paula Markovitch (Argentinien/Mexiko) 1 Silberner Bär für das beste Drehbuch: Joshua Marston und Andamion Murataj (USA/Albanien) für „The Forgiveness Of Blood“ (Blutrache) 1 Alfred-Bauer-Preis: „Wer wenn nicht wir“ von Andres Veiel (Deutschland), mit August Diehl, Lena Lauzemis und Alexander Fehling 1 Bester Erstlingsfilm: „On the Ice“ (Auf dem Eis), von Andrew Okpeaha MacLean (USA) 1 Goldener Bär für den besten Kurzfilm: „Paranmanjang“ (Nachtangeln) von Parking Chance (Park Chanwook und Park Chan-kyong) (Korea) 1 Silberner Bär für den besten Kurzfilm: „Pu-Seo-Jin Bam“ (Gebrochene Nacht) von Yang Hyo-joo (Korea) 1 Leser- und Publikumspreise: Panorama Publikumspreis, Kategorie Spielfilm: „También la lluvia“ (Even The Rain), von Icíar Bollaín; Panorama Publikumspreis, Kategorie Dokumentarfilm: „Im Himmel, Unter der Erde. Der Jüdische Friedhof Weißensee“ (In Heaven Underground – The Weissensee Jewish Cemetery), von Britta Wauer 1 Teddy Awards: Bester Spielfilm: „Ausente“ (Absent), von Marco Berger; Bester Dokumentarfilm: „The Ballad of Genesis and Lady Jaye“ (The Ballad of Genesis and Lady Jaye), von Marie Losier; Bester Kurzfilm: „Generations“ (Generations), von Barbara Hammer, Gina Carducci; Teddy Jury Award „Tomboy“ (Tomboy), von Céline Sciamma ■

BERLIN Böse Zungen könnten behaupten, der Film von Asghar Farhadi sei auch ungesehen schon der halbe Sieger gewesen. Unverdient bekommt der iranische Beitrag „Nader und Simin“ den Goldenen Bären der diesjährigen Berlinale dennoch nicht.

KLAPPE, DIE 9.

Preise der Berlinale im Überblick

Hurt) erkennen sie im Spiegel, am Arbeitsplatz und am Auszug des letzten der drei Kinder, dass nun etwas Neues beginnt. Mary begegnet dem erst einmal mit einem MRT, weil sie eine Gedächtnislücke hatte und denkt, von Alzheimer befallen zu sein. Sie kauft Einstiegshilfen für die heimische Wanne, ein elektrisch senkbares Ehebett und sucht dringend ein Ehrenamt. William hingegen versucht sich an einem neuen, letzten Architekturprojekt, lässt eine junge Truppe von Nachwuchstalenten dafür zusammenstellen, statt sich dem vorgegebenen Projekt eines Seniorenheims zu stellen, kauft sich einen Sweater, trinkt Red Bull und schläft im Büro. Zu seiner Frau sagt er, du machst mich alt. Sein weißhaariger Boss sagt ihm wiederum, alt wer-

den sei nichts für Weicheier. Er selbst brauche eine Stunde, um seine Prothesen und Hilfsmittel abends abzuschnallen. Die beiden selbstironisch und uneitel vor der Kamera agierenden Profis Hurt und Rossellini stellen mit Würde, Witz und Esprit den Spagat zwischen Annehmen und Abwehr des neuen Lebensabschnittes dar. Sie registrieren, vorerst jeder für sich und eine geraume Zeit auch sehr weit voneinander entfernt, dass sie alsbald die nächsten in der Reihe sind, für die ein Platz auf dem Friedhof gesucht werden muss. Aber bis es soweit ist, können die beiden erstens versuchen, wieder zueinander zu finden und zweitens die neuen Seiten ihres Sexlebens genießen, weil auch der eingerostete Partner ganz neue Bewe-

Der Stuhl blieb leer BERLIN (dapd) Der JuryStuhl des zu sechs Jahren Gefängnis verurteilten iranischen Regisseurs Jafar Panahi ist auch bei der Preisverleihung leer. „Es ist schade, dass er nicht hier ist, das ist traurig genug“, sagte Festival-Leiter Dieter Kosslick vor den rund 1 600 Gästen im Berlinale-Palast. Der letzte Satz des von Jury-Präsidentin Isabella Rossellini am Eröffnungstag der Berlinale vorgelesenen Briefs von Panahi habe gelautet, jetzt sage er (Panahi) nichts mehr, erklärte Kosslick. Tatsächlich habe er selbst nichts mehr von Panahi gehört. ■

Jury-Vorsitzende Isabella Rossellini zeigt sich in „Late Bloomers“ von ihrer schönen, alten Seite. Foto: dpa gungsmuster offenbart. Mit der sehr gelungenen Komödie, die sich nie lustig macht über die Alten, verabschiedet sich Isabella Rossellini von der Berlinale. „Danke für den herzlichen Applaus“, sagte sie noch und

verschwand von der Bühne des Palastes, in eine der schwarzen Limousinen, die an den vergangenen Tagen einen Hauch von Glamour in die Hauptstadt gebracht hatten. Mal sehen, wer im kommenden Jahr so aussteigt.


KULTUR

Sonnabend

19. Februar 2011

DIE 61. INTERNATIONALEN FILMFESTSPIELE IN BERLIN

Der Fluch des Blutes „The forgiveness of blood“ aus Albanien hat den goldenen Bären verdient Von Sandra Kurtz

BERLIN Endlich! Endlich ein Film, wie ihn das Festival verdient. Keine konstruierten, nur halb ausgespielten Gefühlsschwankungen in Designer-Hemden, keine Zuschaurstellung von Problemchen, die gar keine sind, sondern ein Film, der den Zuschauer einsaugt und erschüttert vor dem Abspann zurücklässt. ■

KLAPPE, DIE 8. Stars:

Kennerblick „Folgende Szene gerade im Kasten: Lobby eines Luxushotels. Ich gehe während des Cocktail-Empfanges auf eine Frau im Abendkleid zu und spreche mit ihr. Sie lächelt mich an. Schnitt. (Hätte ich fast vergessen: Dabei lief noch der völlig unbedeutende Hauptdarsteller hinter uns lang)“. Diese SMS erhielt ich am 1. März 2010. Dirk ist an diesem Tag Statist in einem Actionfilm mit Liam Neeson und Diane Kruger, der in Berlin gedreht wird. Der Arbeitstitel lautet damals „Unkown white male“. Das muss ich sehen. Ich bin viel aufgeregter als Dirk. Er hat zwei lange Tage bis in die späte Nacht hinein im Hotel Adlon verbracht – aber nicht in der Eisenhowersuite oder einem anderen Appartement sondern an Biertischgarnituren, gemeinsam mit einer Menge Statisten in Abendgarderobe, aber der eigenen. Und jetzt ist er bald richtig im Kino zu sehen. Ich hab ihn entdeckt. Weil ich während der Vorstellung des Thrillers „Unknown“ am Freitag auf der Berlinale weniger Augen für Liam Neeson als vielmehr für Dirk hatte. Tatsächlich, während des Cocktailempfangs hält die Kamera zwar auf den Hauptdarsteller. Aber sie erfasst links am Rand Dirks Profil. Sandra hat ihn nicht gesehen, aber ihr fehlt in diesem Fall der Kennerblick. Nach der Sekunden-Szene versuche ich, mich wieder voll auf die Filmgeschichte zu konzentrieren. Weil aber das Hotel Adlon immer wieder auftaucht, verliere ich permanent die Stars aus den Augen und suche nach meinem Freund. „Zum Glück war er schon weg, als das Hotel in die Luft flog“, denke ich, während ich im Kinosessel verkrampfe. Unglaublich, wie sehr das Hirn ausschaltet, dass alles nur Spiel und Kulisse ist. Wieder in der Realität angekommen, höre ich mir in der anschließenden Pressekonferenz ein bisschen Floskeln von Diane Kruger an, vermisse Bruno Ganz, der nicht einmal erwähnt wird, und Liam Neeson, der angeblich aus Kanada viele Grüße an die Pressevertreter aus aller Welt ausrichten lässt. Die Medienkollegen bedanken sich, bevor sie Fragen an Schauspieler und Regisseur stellen, beinahe devot beim nur in Minimalbesetzung anwesenden Team für diesen Film. Warum? Keine Ahnung – „Unknown“ sozusagen. Was ich aber weiß ist, dass ich diesmal Sebastian Koch gesehen habe, den echten, nicht den, mit dem ich ihn sonst immer verwechsele. ■

Antje Jusepeitis

SPLITTER Vergoldet: Mit dem Goldenen Ehrenbären ehrten die Internationalen Filmfestspiele Berlin am gestrigen Freitag Armin Müller-Stahl für sein Lebenswerk. Der 80-jährige Schauspieler erhielt die Auszeichnung im Berlinale-Palast.

„The forgiveness of blood“ nimmt mit der ersten Einstellung gefangen. Das Pferd Klinsman zuckelt mit Vater und Sohn auf dem Wagen über einen steinigen Feldweg, irgendwo in Nordalbanien. Nik, der 17-jährige, älteste Sohn der sechsköpfigen Familie, ist ein dünner Schlaks, der viel Zeit vor dem Spiegel und im Internet verbringt, lachend hinten auf dem Mofa seines Kumpels hockt und mit sympathischer Neugier seine Freiheit auskostet. Er lebt, er liebt. Es ist Sommer, kurz bevor das Meer seine Wärme entfaltet. Der schmale Weg vom Anfang ist es, der das Leben der Familie zerstört, die sich eingerichtet hat in der modernen Welt zwischen den alten Bergen. Früher gehörte das Land links und rechts vom Weg Niks Familie. Nun ist es in den Händen einer anderen. Der schwelende Konflikt, der subtil aggressiv jeden Tag bei der Verkaufstour des Vaters mit Klinsman ausgetragen wird, endet in der Katastrophe. Ein Mann der Landbesitzer-Familie stirbt. Niks Vater und sein Onkel werden des Mordes verdächtigt. Mitten hinein ins 21. Jahrhundert, in die Welt der wiederaufladbaren Handys, der Computerspiele, der Moped-Ersatzteile bricht das

Kurz nachdem sein Vater des Mordes verdächtigt wird, muss Nik von seiner Familie geschützt im Auto zum Elternhaus fliehen – und darf es nicht mehr verlassen. Foto: Berlinale Gesetz der Blutfehde aus dem 15. Jahrhundert. Alle erwachsenen, männlichen Mitglieder unterliegen den Regeln des sogenannten Kanun, auch Nik, als 17-Jähriger. Der Vater versteckt sich in den Bergen, Nik darf ab sofort das Haus nicht mehr verlassen, sonst droht ihm blutige Rache der Verwandten des Getöteten. Auch sein jüngerer Bruder Dren darf von heute auf morgen nicht mehr in die Schule gehen. Rudina, die nach dem Kanun unverletzliche 15-Jährige, übernimmt den Job des Vaters – Brot ausfahren mit Klinsman, dem Pferd. Der Schlaks mit den melancholischen Augen, der die Schule beenden und ein Internetcafé eröffnen wollte, steht plötzlich nur noch vor Wänden. Der Rat der alten Männer auf der Couch seines Elternhauses ist jetzt die Au-

torität, der er sich beugen muss. Eine Rechtsordnung, die auf Ehre aufbaut, für Nik und Rudina völlig fremd. Wie eine Bedrohung des eigenen Lebens erinnert sich Nik an einen Schulkameraden, der sechs Jahre lang die Konsequenz einer Blutfehde ertragen musste. Einen Monat lang sind der Regisseur Joshua Marston und sein Drehbuch-Koautor Andamion Murataj durch Albanien gereist. Sie haben mit Familien gesprochen, die von der Fehde betroffen waren. Sie haben mit jungen Männern gesprochen, die auf Jahre hinaus nicht mehr das Haus verlassen durften, deren Eltern beim Beackern des eigenen Gartens erschossen worden sind. Da steht nun Nik mit dem Handy seines Freundes auf dem Dach des Hauses, und sind sich die Videobotschaf-

ten seiner Freunde und seines umschwärmten Mädchens Bardha an. Er zerbricht, weil er nicht dabei sein kann, weil er gefangen ist in einer Zeit, die überhaupt nicht seine ist. Tristan Halilaj spielt nicht Nik, er ist es. Seine Verzweiflung, das

Zerkratzen der Wand von innen mit einem Küchenmesser, das ist so eindringlich, dass es schwer auszuhalten ist. Seine Schwester Rudina (Sindi Lacej) übernimmt den Job des Vaters und geht mit Mut und Verstand an ihre Aufgabe, die sie so übernimmt, wie es eben nur starke Frauen können. Auch Sindi Lacej stand vor „The forgiveness of blood“ noch nie vor der Kamera und ist grandios in ihrer in sich gekehrten Art, einen Konflikt darzustellen, den sie annimmt. Das kann Nik nicht. Er beschuldigt den Vater, der heimlich nachts aus den Bergen zurückkommt. Er soll ins Gefängnis gehen, damit endlich ein Mediator eingesetzt werden kann und den Konflikt lösen kann. Doch schließlich ist es Nik selbst, der handeln muss. Er tut es, und beim Zuschauen bricht einem das Herz. Die Berlinale versteht sich in diesem Jahr als ein politisches Festival. Die Jury sollte nicht nur auf Iran schauen, sondern auch auf diesen großen Film eines kleinen Landes, der so viel zeigt, so reich ist, so nachdenklich macht.

Joshua Marston (links) fotografierte seine Schauspieltalente Tristan und Sindi gleich mal selbst auf der Berlinale. Foto: dpa

Protest auf der Leinwand „Stuttgart 21“ von Lisa Sperling und Florian Kläger läuft in der Sektion Perspektive Von Barbara Jasper

BERLIN Es ist schon erstaunlich, dass keiner der „üblichen Verdächtigen“ auf die Idee gekommen ist, einen Film über den Protest gegen das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ zu machen. Möglicherweise waren Lisa Sperling und Florian Kläger einfach schneller als alle anderen. Mit ihrer packenden Dokumentation sind sie nun in der Berlinale gelandet. „Stuttgart 21 - Denk mal!“ wurde als Sondervorführung in die Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ geschoben. Gerade noch rechtzeitig wurde der Film fertig. Er ist nicht, wie man vermuten könnte, die Ab■

Eben noch in Stuttgart, jetzt auf der Leinwand: Der Protest gegen das Großprojekt der Bahn wurde als Dokumentation auf der Berlinale präsentiert. Foto: dpa schlussarbeit der beiden Studenten, sondern quasi das Gegenteil. Als sie ihr Studium im vergangenen Herbst

begannen, steckten sie mitten in der Arbeit an ihrem Erstlingswerk. Das kann sich sehen las-

sen, und zwar als echte „Herzensangelegenheit“, wie die Filmemacher es selbst nennen. Ihr Plädoyer für die Protestbewegung ist dabei mit der Zeit gewachsen wie die Demonstrationen gegen das Bahnhofsprojekt. Zunächst waren Sperling und Kläger mit der Kamera dabei, ohne an einen Film zu denken. Das änderte sich spätestens nach dem 30. September. Die Bilder des brutalen Polizeieinsatzes gingen bundesweit durch alle Medien. Die Dokumentation zeigt auch diese Bilder. Aber sie hat noch viel mehr in petto, und das zeichnet sie aus. Denn Sperling und Kläger hatten die Kamera eben schon dabei, als es noch we-

nige waren, die ihren Unmut gegen den Umbau des Hauptbahnhofs öffentlich machten. Seine Dynamik bekommt der Film durch das Objekt seiner Beobachtung: die Bürgerbewegung wächst, immer mehr Menschen demonstrieren, ziehe über die Straßen und äußern ihren Unmut. Auch einzelne, zumeist ältere Demonstranten kommen zu Wort, und erklären, warum sie ihre Zeit mit Plakaten und Trillerpfeifen im Stuttgarter Schlosspark verbringen. Ein spannendes Zeitdokument haben die beiden Filmstudenten geschaffen, das sicherlich im Vorfeld der Landtagswahlen in Baden-Württemberg noch öfter gezeigt werden wird.

Tolle Action gleich um die Ecke Thriller „Unknown“ lief außer Konkurrenz im Berlinale Wettbewerb Von Antje Jusepeitis

Packende Action wie die Verfolgungsjagd zweier Autos in der Friedrichstraße, überraschende Wendungen, wunderbare Aufnahmen von Berlins Mitte, ein bisschen Hollywood-Romantik, ein genialer Bruno Ganz als selbstironischer Ex-Stasi-Offizier sowie das explodierende Luxushotel Adlon: Das ist der Thriller „Unknown“ kurz gesagt. Die lächerliche, aber äußerst packend erzählte Story: Dr. Martin Harris (Liam Neeson) reist gemeinsam mit seiner Frau Elizabeth (January Jones) zu einem Biotechnologie-Kongress nach Berlin. Auf dem Weg zurück zum Flug-

hafen, wo er eine Aktentasche samt Pass vergessen hat, verunglückt er schwer mit einem Taxi. Vier Tage später erwacht der Wissenschaftler Dr. Harris aus dem Koma. Inzwischen hat ein anderer Mann (Aidan Quinn) exakt seine Identität angenommen. Elizabeth behauptet, den Liam-Neeson-Martin nicht zu kennen. Dieser sucht seine Identität und trifft – natürlich – Taxifahrerin (Diane Kruger), die ihn nach dem Unfall rettete, wieder. Sie, der behandelnde Arzt (Karl Markovics), eine Krankenschwester und ein Ex-Stasi-Agent (Bruno Ganz) sind Harris‘ Verbündete. Der spanische Regisseur Jaume Collet-Serra inszenierte

diese außer Konkurrenz laufende, also bärenchancenlose Variation der „Bourne“-Filme. Ein bisschen erinnert „Unknown“ auch an den „Da Vinci Code“. Als Drehbuchvorlage für die diente der Roman „Unknown Identity“ von Didier van Cauwelaert. Die eindeutig beste Rolle im Film spielt Bruno Ganz als „Herr Jürgen“, wenn er erklärt, er habe „mit Stolz“ der Stasi gedient und sich anschließend als trockener Alkoholiker an einem Cognac verschluckt. Sebastian Koch als Wissenschaftler, auf den ein Attentat vorgesehen ist, ist kaum erwähnenswert. Wohl aber die Action gleich um die Ecke in der Berliner Friedrichstraße. Pro-

Karl Markovics, Diane Kruger und Sebastian Koch beim Posen für die Fotografen, nachdem sie zuvor auf der Leinwand für reichlich Amüsement sorgten. Foto: dpa duziert wurde der Thriller in Berlin, Leipzig und in den Filmstudios Babelsberg. Jaume Collet-Serra hat einen mitreißenden, soliden Thriller gedreht, leichte Kost

für einen amüsanten Kinoabend. Ab 3. März läuft der Film unter dem Titel „Unknown Identity“ in den deutschen Kinos an.

Tanz um den Goldenen Bären BERLIN Das Beste zum Schluss: Vielleicht wird ja der zuletzt gezeigte albanische Film den goldenen Bären der Berlinale bekommen. 23 Filme wurden im Wettbewerb gezeigt, sechs davon allerdings außer Konkurrenz. Wer den Bären bekommt, wird die Jury am Samstagabend verkünden. Neben der Spekulation über die Entscheidung der Jury gibt es auch persönliche Favoriten. Barbara Jasper: Die beiden schönsten Filme, die ich im Wettbewerb gesehen habe, liefen außer Konkurrenz: die herrlich erzählte Integrationskomödie „Almanya – Willkommen in Deutschland“ und die wunderbare Wim-Wenders-Dokumentation „Pina“ über das Tanztheater Pina Bausch in beeindruckender 3-D-Technik. Eine tolle Regiearbeit und einen Film, der noch lange nachwirkt, hat Jonathan Sagall mit „Lipstikka“ abgeliefert. Die besten Filme „meiner“ Berlinale waren allesamt Dokumentationen. Am meisten beeindrucken konnten mich „Khodorkovsky“ über den ewigen Häftling Michail Chodorkovski, das faszinierende Porträt des Paul Gratzik in „Vaterlandsverräter“ und die mitreißende Hommage an Harry Belafonte in „Sing Your Song“. Antje Jusepeitis: Mit „We were here“, einer Reportage über die Schwulenszene und Aids-Welle Anfang der 1980er Jahre in San Francisco, begann meine allererste Berlinale-Erfahrung. Er wirkt bis heute nach, obgleich mich die Interviews mit fünf Überlebenden an diesem Abend nicht so sehr berührt hatten. Der Film lief in der Berlinale-Kategorie Panorama und bewirbt sich damit um den Publikumspreis. Dann folgten drei Wettbewerbsfilme: „Yelling to the sky“ – ein Coming-of-Age-Drama war ganz gut, aber nichts Herausragendes. „V Subbotu“ über den Reaktor-Unfall 1986 in Tschernobyl fesselte am Anfang, wurde dann langatmig, setzt aber einen interessanten Schlusspunkt. Mein Favorit – nicht schwer, bei nur fünf gesehenen Filmen: „Nader and Simin“, das Ehe-Drama aus dem Iran. Außer Konkurrenz lief „Unknown“ mit Bruno Ganz, der ganz bärenstark spielt. Sandra Kurtz: Am Donnerstag machte sich bei mir schon Ernüchterung breit. Einen Anwärter auf den Goldenen Bären hatte ich bis dato nicht gesehen. Ich hatte mich schon damit angefreundet, dem unverdaulichen schwarz-weißen Brocken „Das Turiner Pferd“ vielleicht einen Silbernen Bären zusprechen zu müssen. Doch dann kam der Freitag. Mit ihm war der als Reinwaschung für Investementbanker angelegte Streifen „Margin Call“ vergessen, auch der holprige „Coriolanus“ mit dem maskenhaften Ralph Fiennes. „The forgiveness of blood“ wurde auf den Schlag mein Favorit. Weit weg von dem Wohlstandsgeplänkel in „Kommt Regen, kommt Sonnenschein“ verdeutlicht er mit tollen, jungen Schauspielern, wie Katastrophen das Leben verändern, wie Kinder Verantwortung für das Handeln ihrer Familien übernehmen müssen. Wie sich zwei Teenager den überholten Rechtsvorschriften entgegenstellen, um ihre persönliche Freiheit zu erhalten, ist beeindruckend gespielt und ein echtes Thema in unserer satten westlichen Welt. Damit aber auch diese für ihre schöne Kunst und traurigen Momente gepriesen werden kann, sollte die Elfe Miranda July für „The future“ einen kleinen silbernen Bären bekommen. ■


KULTUR

Freitag

18. Februar 2011

DIE 61. INTERNATIONALEN FILMFESTSPIELE IN BERLIN Brandaktuell: „Man at Sea“

Nur mäßig spannend „Wer wenn nicht wir“: Der Wettbewerbsfilm von Andres Veiel erzählt etwas langatmig Von Barbara Jasper

BERLIN „Ich habe letzte Nacht etwas gecheckt“, sagt Gudrun Ensslin. Worte allein reichen nicht, erklärt sie, jetzt müssten Taten folgen. Ja, richtig gelesen, sie hat „gecheckt“ gesagt. ■

KLAPPE, DIE 7. Neologisch:

Alles gecheckt Toll, dass bei der Berlinale so viele schlaue Menschen beieinander sind. Schade, dass sie mir immer so viel Angst einjagen und ich sie deshalb meide. Ich meine nicht die Stars. Ob die schlau sind, weiß ich nicht. Wenn man sie sieht, vorzugsweise bei den Pressekonferenzen zu ihren jeweiligen Filmen, reden sie immer das gleiche. Nämlich das, was in den Presseheften steht. Nein, ich meine die vielen Filmkritiker, die sich zehn Tage und Nächte lang Filme anschauen und tolle Dinge darüber schreiben. Wenn ich manchmal in anderen Zeitungen blättere, staune ich über die mir fremden oder jedenfalls gebrauchsfremden Wörter, die in den Filmkritiken auftauchen. Heute habe ich eins dieser Wörter schon aufgeschnappt, bevor es gedruckt wurde. Ich saß in dem Film „Wer wenn nicht wir“, in dem Gudrun Ensslin gerade „echt was gecheckt“ hat. Ich nuschelte spontan so etwas wie „hä“? Ich hatte noch nicht zu Ende genuschelt, da sagte die Frau neben mir, diese Neologismen seien echt ärgerlich. Ein zweites „Hä?“ konnte ich gerade noch in ein zustimmendes „Hm“ umwandeln. Dieses hübsche Wort werde ich mir jedenfalls merken. ■

Barbara Jasper

SPLITTER Handicap: Grünen-Politiker Malte Spitz (26) kann als Stotterer nachvollziehen, wie der britische König in dem Oscar-Favoriten „The King's Speech“ mit dem Handicap zu kämpfen hat. Ihm gefallen der Film und die Leistung von Hauptdarsteller Colin Firth. „Ich habe ihm schon abgenommen, dass er sich mit der Thematik sehr intensiv auseinandergesetzt hat“, sagte Spitz nach der Berlinale-Premiere der dpa. Als Grünen-Vorstandsmitglied bereitet er sich auf Reden intensiv vor. Ihm hilft es, ausgeschlafen und mit dem Ort vertraut zu sein, sagt er. Der Umgang mit Stotterern sei noch nicht alltäglich, gerade in der Medienwelt. Wie viele kennt er die Momente, in denen der Gesprächspartner dem Stotterer vorgreift. Und: „Was ich überhaupt nicht mag, ist, wenn man mich unter Druck setzt.“ Spitz ermuntert andere Stotterer, sich mehr in die Gesellschaft einzubringen. Es gebe viele, die sich einschlössen. Familie: Filmemacher Konrad Mühe stellt bei der Berlinale „Fragen an meinen Vater“, den Schauspieler Ulrich Mühe (1953-2007, „Das Leben der Anderen“). Er versucht, so heißt es im Festivalprogramm, sich dem Vater über dessen Arbeit zu nähern. „Es gibt nicht für alle Fragen Antworten. Es gibt für alle Antworten Rollen.“ Der elfminütige Streifen läuft im Kurzfilmwettbewerb.

Wohl nicht in Wirklichkeit. In Andres Veiels Wettbewerbsbeitrag „Wer wenn nicht wir“ aber schon. Lena Lauzemis spielt darin Gudrun Ensslin. Es gibt ein paar unstimmige Kleinigkeiten wie diese in dem ansonsten recht authentisch wirkenden Spielfilm. Es geht um die Anfänge der „Rote Armee Fraktion“ (RAF) in der noch recht jungen Bundesrepublik. Vielleicht sind es kleine Fehler im Drehbuch. Möglicherweise soll aber damit auch irgendein aktueller Bezug deutlich werden. Immerhin wird auch heute wieder gern und in großen Mengen demonstriert, wie es in den 1960er Jahren die Studenten taten. Die Beweggründe, auf die Straße zu gehen, dürften aber damals wohl anders gelagert gewesen sein. Worum es damals genau ging, kann auch der Film nicht plausibel erklären. Er versucht es. Es werden Original-Filmaufnahmen vom Schah-Besuch in Berlin oder vom Atombombentest der Amerikaner eingestreut. Die-

„Wer wenn nicht wir“ ist ein Film über die Anfänge der RAF. August Diehl spielt Bernward Vesper, den Freund von Gudrun Ensslin (Lena Lauzemis). Foto: Berlinale se Archivbilder sind mit freundlichen, heiteren Musikstücken unterlegt. Das verstört und kann vielleicht eine Ahnung davon vermitteln, was viele junge Menschen damals empfunden haben. „Wer wenn nicht wir“ hört da auf, wo andere Filme über die RAF anfangen: im heißen Herbst 1977, der auf den Tod der Inhaftierten im Gefängnis

von Stuttgart-Stammheim folgte. Veiel möchte erzählen, wie es zur Radikalisierung kommen konnte. Er konzentriert sich auf die schwäbische Pfarrerstochter Gudrun Ensslin und ihren Freund Bernward Vesper (August Diehl). Vesper ist der Sohn des Nazi-Heimatdichters Will Vesper, und dieses Erbe lastet schwer auf ihm.

Dennoch geben Vesper und Ensslin in ihrem kleinen Verlag sogar Werke des Vaters heraus. Ob das pure Geldnot ist, die sie treibt, bleibt offen. Dabei muss sich Bernward Vesper als glühender Verfechter des Kommunismus doch in einem unglaublichen Zwiespalt befunden haben. Andres Veiel ist ein hervorragender Dokumentarfilmer.

Sehen kann man das auch in diesem Spielfilm. Er erzählt seine Geschichte sehr genau. Leider wird „Wer wenn nicht wir“ dadurch auch etwas langatmig. Die hohen Erwartungen, die in den Film gesetzt wurden, kann er nicht erfüllen. Es bleibt eine abendfüllende, gut umgesetzte, aber mäßig spannende Erzählung.

Kino im Kopf Der Wettbewerbsfilm „Lipstikka“ von Jonathan Sagall überrascht am Schluss Es gibt diese BERLIN (ja) Filme, die plätschern anderthalb Stunden beinahe harmlos dahin. Dann kommt die letzte Szene, und plötzlich erscheint alles, was davor war, in einem neuen Licht. „Lipstikka“ von Jonathan Sagall ist so ein Film. Der Abspann läuft, und im Kopf beginnt der Film von vorn, allerdings unter einem anderen Vorzeichen. Denn nun gibt es eine neue Rahmenbedingung. Der spannendste Teil findet also draußen vor dem Kino statt, wenn man grübelt, bis sich rückblickend alles zusammenfügt. Lara (Clara Khoury) lebt mit Mann Michael (Daniel Catagirone) und Sohn James ■

(Taliesen Knight) in einem großen Haus im schicken Londoner Vorort. Alles scheint perfekt zu sein. Dass Eheleute getrennte Schlafzimmer haben, soll ja vorkommen. Dass Lara gern mal einen Schluck Wodka direkt aus der Flasche trinkt, macht dann schon stutzig. Es gibt natürlich eine Vorgeschichte, und die steht plötzlich vor der Tür. Sie heißt Inam (Nataly Attiya) und ist mit Lara zusammen in Ramallah aufgewachsen. Die beiden waren beste Freundinnen und hatten vielleicht sogar eine Liebesbeziehung. Die Erinnerungen tauchen nur bruchstückhaft auf. Immer wieder gibt es Rück-

blenden. Die reichen mal weit zurück bis in die Jugendzeit der beiden, mal in die Zeit ihrer Ankunft in London. Inam bleibt nicht vor Laras Tür stehen. Sie drängt sich ins Haus und auch in das Leben der früheren Freundin, so scheint es. „Lipstikka“ ist wie ein Puzzle, dessen Teile weit verstreut sind. Im Laufe des Films finden sich immer mehr Puzzlestücke, bis sie alle beieinander liegen. Ein Bild ergeben sie so aber noch lange nicht. Und dann braucht es nur einen Wimpernschlag, dass alle Teile ihren Platz finden und ein Bild ergeben.

Eines der Puzzleteile im Film ist die Beziehung zwischen Inam und Lara, die einmal Freundinnen waren. Foto: Berlin

Von Sandra Kurtz ■

Langsam und in großer Stille trennen sich zwei Menschen, deren Namen der Zuschauer bis zum Ende des Films nicht erfährt. Foto: Berlinale schließen, Waschen, Ordnen, die in dieses Haus, die zu ihrer Beziehung gehören, lassen ihn scheinbar nicht stocken. Er nimmt die Nachricht vom Ende der Beziehung auf, reagiert, ohne zu agieren. Im Laufe des Films erfährt der Zuschauer nicht einmal, wie die beiden heißen. So wenig sagen sie einander. Sie fordert ihn einmal heraus, zu reden, beschuldigt ihn, schlägt dumpf auf ihn ein. Er bleibt, wie er ist, windet sich nicht, schreit nicht, geht

BERLIN (tja) Ed ist einer der fünf Interviewten über die schwule Gemeinde in San Francisco Ende der 1970er Jahre. Alle fünf haben den Aids-Schock, der Anfang der 1980er folgte, überlebt. In der Reportage von David Weissman erzählen sie von Partys, Sex, Sorglosigkeit und wie plötzlich Aids ihr Leben veränderte. Sie müssen ihre Tränen immer wieder unterdrücken, wenn sie sich an den Verlust ihrer verstorbenen Partner erinnern. Ihre Aussagen unterstreicht Weissman mit historischen Fotos und Zeitungsausschnitten. Er rückt damit das Ausmaß des Aids-Schocks ins Bewusstsein und zeigt, wie die Betroffenen Ausgrenzung erfuhren und sich zu organisieren begannen. Obwohl die vier Männer und eine Krankenschwester von sehr tragischen Erlebnissen berichten, berühren ihre Worte weniger als die Zeitdokumente: beispielsweise die komplette Zeitungsausgabe gefüllt mit Todesannoncen von Männern jeden Alters oder die kunstvollen Fotos eines bis auf die Knochen abgemagerten aidskranken Tänzers. „We were here: Voices from the AIDSYears in San Francisco“, verleiht den Toten eine Stimme. Der Film, der im Panorama der Berlinale läuft, vollzieht die Entwicklung der „Gay Community“ nach. Sie wurde Vorbild für die schwul-lesbische Emanzipation. Bis 1979 wurden homosexuelle Handlungen in fast allen US-amerikanischen Staaten bestraft. ■

„Kommt Regen, kommt Sonnenschein“ aus Korea ist ein weiterer Beziehungsfilm im Wettbewerb

im Haus zu übertönen. Die beiden Menschen bewegen sich langsam, gehen von Raum zu Raum, von Etage zu Etage, ohne sich zu berühren. Er kocht einen Kaffee für beide. Ein kurzer Dialog entsteht. „Du wirst immer okay sein, mit dem, was Du tust. Dir wirst immer klar kommen“, sagt sie ihm. Sie verlangt Reaktionen auf ihren Weggang, auf das Packen ihrer Dinge. Aber er redet nicht. Die gewohnten Handgriffe beim Kochen, Fenster-

Stimme der Toten „We were here“

Ein Abschied in Zeitlupe BERLIN Es sind vier, vielleicht fünf Stunden, in denen es regnet. Es gibt kein Geräusch neben dem des Regens, während sie ihre Sachen packt, um ihn zu verlassen. Am Abend will sie ihn verlassen. Der Regen verhindert das gemeinsame Essen in ihrem Lieblingsrestaurant. Die beiden müssen zu Hause bleiben, bereiten zum letzten Mal gemeinsam ein Pasta-Gericht zu, schweigend, reibungslos einstudiert. Sie will nicht bei ihm bleiben, sondern mit einem anderen Mann leben. So sagte sie es ihm bereits, als sie für eine Dienstreise nach Tokio muss und er sie mit dem Auto zum Flughafen fährt. Nun ist sie zurück aus Tokio. Sie steht in ihrem weißen, kubischen Townhouse und sieht sich um. Das junge Paar, seit fünf Jahren zusammen, lebt in einer wohl durchdachten Welt, die Dinge ausgesucht, mit architektonischem Blick. Sie publiziert, er ist Designer. Es gibt Videos, Schallplatten, Fernseher. Aber kein Gerät wird genutzt, um die Stille

BERLIN (ja) Das Thema ist alt, aber dennoch zurzeit brandaktuell. Aus Tunesien kommen derzeit die Flüchtlinge in kleinen Booten übers Meer. Sie landen auf der italienischen Insel Lampedusa, hausen unter ziemlich schlechten Bedingungen und bringen halb Europa in Aufruhr. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat schnell betont, dass Deutschland die Flüchtlinge nicht aufnehmen werde. Außenminister Guido Westerwelle erklärte, man wolle den Menschen vor Ort helfen. Man will sie nicht haben, nirgendwo. Das Thema aufzugreifen und einen Film daraus zu stricken, ist also an der Zeit. Constantinos Giannaris hat es mit „Man at Sea“ getan. Sein Spielfilm läuft im Panorama der Berlinale. Leider kann er nicht fesseln oder bewegen. Zu viele Beziehungsgeschichten fließen hier durcheinander. So gerät das eigentliche Thema, dass nämlich ein Frachtschiff 30 junge Menschen vom offenen Meer rettet und gegen den Widerstand der Reederei an Bord nimmt, langsam aus dem Blickfeld. An Bord ist auch die Frau des Kapitäns. Beide haben sich vier Jahre lang nicht gesehen, seit der gemeinsame Sohn bei einem Unfall auf dem Schiff ertrunken ist. Da schwelen noch viele Dinge zwischen den beiden. Zudem knüpft die Frau eine enge Beziehung zu einem der Flüchtlinge. Sie sieht ihn als Ersatz für den verlorenen Sohn. Unter den Flüchtlingen gibt es ebenfalls Streit, es geht um eine der beiden jungen Frauen in der Gruppe der Geretteten. Außerdem schwebt über allem noch ein unausgesprochener Konflikt zwischen dem Kapitän und seinem Vater. Und dann geht auch noch die Reederei pleite. Das alles und noch viel mehr packt Giannaris in seine Geschichte. So viel möchte man gar nicht wissen. Etwas mehr über das Flüchtlingsthema wäre interessanter gewesen.

nicht weg. Er bleibt äußerlich regungslos und sagt „Okay.“ All das, was sie beschließt, sei nicht mehr rückgängig zu machen. Das sagte er ihr bereits auf dem Weg zum Flughafen. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, sagte er auch noch. Der Film von Lee Yoon-ki mit Lim Soo-jung und Hyun Bin ist grau, still und langsam. Öde ist er nicht. Lee hat jeden Satz, jede Auslassung, jede Bewegung genau inszeniert. Die Tiefe der Gefühle allerdings bleibt

beim Zusehen fast immer verschlossen. Dass ausgerechnet der Mann die Rolle des Schweigers erhält, ist leider zu sehr Klischee. Sein Gesicht wird selten gezeigt, ist verhangen vom dichten Haar. Und so gehen die letzten gemeinsamen Minuten vorüber, ohne dass sich einer von ihnen dagegen stemmt. Niemand will hier die Zeit anhalten, wie im englischen Film „The future“. Auch in jenem Wettbewerbsbeitrag muss der Mann erkennen, dass die Zeit weiterläuft, ob ohne sie oder mit ihr. „Kommt Regen, kommt Sonnenschein“ aber lässt die Zeit verstreichen. Niemand will sie abschaffen, ihr etwas entgegen schreien. Dass Hyn Bin ausgerechnet beim Zwiebelschneiden die einzigen Tränen kommen, ist sehr plump. Er wäscht sich die Augen, die Hände, das Wasser fließt hinab. Wie auch seine Beziehung, ist es nicht zu halten. „Alles wird gut“, sagt sie zum gleichen Zeitpunkt zur kleinen Katze, die während des Regens Unterschlupf bei ihnen suchte. Sie meint sich, nicht sie beide.


KULTUR

Donnerstag

17. Februar 2011

DIE 61.INTERNATIONALEN FILMFESTSPIELE IN BERLIN

Eine feine Tragikomödie „Mein bester Feind“ von Wolfgang Murnberger wagt sich komisch an die Nazi-Zeit Von Barbara Jasper

BERLIN Ein Jude schafft es, in die SS-Uniform seines ehemaligen Freundes zu schlüpfen und dessen Rolle zu spielen. Dieser findet sich nicht nur im KZ-Häftlingsanzug des Juden, sondern plötzlich auch in dessen Position wieder. ■

KLAPPE, DIE 6. Publikum:

Getuschelt Die 9-Uhr-Filme können nicht gewinnen. Das zumindest wird hinter mir gewispert. Ich sitze mal wieder im samtenen Kinosessel des Berlinale-Palastes und warte auf den immer gleichen Vorspann des Festivals, in dem sich eine verführerische goldene Kugel zu verheißungsvollen Klängen so lange zurechtdreht, bis ein goldener Bär daraus wird. Es ist die 12-Uhr-Vorstellung, wohl gemerkt. Denn 9 Uhr, so die Damen hinter mir, sei ja unmenschlich früh. Weil es keiner der großen, schwarz gekleideten Kritiker schaffen würde, um diese Zeit in den Sessel zu plumpsen, seien die frühen Filme eben chancenlos beim Wettlauf um die Bären. Aha. Denn, so wird weiter hin und her geplänkelt, die Parties abends seien ja so anstrengend. Man müsse den Filmstars und Sternchen hinterher rennen, nach Interviews betteln und diese Dinge. Niemand könne da am nächsten Tag so früh raus. Vor allem nicht, wenn einem die Redaktionen wieder nur die billigen Hotels gebucht hätten, weit weg vom Potsdamer Platz, für 80 Euro die Nacht. Billig? Mein zweites Aha beim Belauschen meiner Kollegen entweicht mir. Ich komme täglich mit dem Rad, das ist billig. Und kalt, jeden Morgen. Aber da ich ja danach viel sitzen muss und scheinbar die Einzige bin, die auf ihrem Sitz immer ein wenig herumhampelt, damit nichts einschläft, bin ich ganz froh über das Gestrampel. Überhaupt ist es sehr wichtig, wohin man sich setzt. Bei „Coriolanus“ saß ich eindeutig zu nah. Ralph Fiennes guckte mit seinen römischen Narben immer so böse direkt in mein Gesicht – und wirkte dabei leider so feist. Lieb habe ich ihn dadurch nicht gewonnen. Vielleicht wäre die Kritik mit ein bisschen mehr Abstand vom ausdruckslosen Gesicht des Mimen besser gewesen. Bei dem französischen Film über die spanischen Frauen in der sechsten Etage, die allesamt mit englischem Untertitel plapperten und plapperten, saß ich hinter einem Hünen und konnte manchen Witz leider nicht entziffern. Zudem saß neben mir jemand, der immerzu seinen Hals vorstreckte, an mir vorbei nach rechts starrte und dann plötzlich, mitten in die Stille, ein erbostes „Zsschisschzzzt!“ von sich ließ. Wohin genau, blieb mir unklar. Es war schließlich dunkel. Sandra Kurtz ■

SPLITTER Denglisch: Auch der als Universalgenie gefeierten Miranda July passiert mal ein Schnitzer. Als die Amerikanerin nach der Premiere von „The Future“ auf die Bühne stieg, verlor sie einen Schuh. Und den Festivalchef nannte sie zuerst „Deider“, dann richtigerweise Dieter Kosslick. Nicht schlimm – Kosslick selbst ist für sein Schwaben-Englisch berüchtigt.

Es entspinnt sich eine Art Verwechslungskomödie, angesiedelt in der Nazi-Zeit. Noch dazu spielt Moritz Bleibtreu den Juden. Im vergangenen Jahr war er als Joseph Goebbels in „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ von Oskar Roehler auf der Berlinale zu sehen. Der Film fiel bei der Kritik zu Recht durch. Zu überzeichnet waren die Figuren. Jetzt also gibt es eine NaziKomödie mit Moritz Bleibtreu als Jude. Geht das? Ja, es geht. „Mein bester Feind“ ist weit entfernt von jeder Überzeichnung. Dem österreichischen Regisseur Wolfgang Murnberger, der so schön sarkastische Filme wie „Silentium“ geschaffen hat, ist tatsächlich eine recht feine Tragikomödie gelungen. Murnberger zeichnet seine Figuren nicht schwarz-weiß. Er versucht, ihnen gerecht zu werden, und dabei sowohl das Bild vom „bösen Nazi“ als auch das vom „guten Nazi“ zu vermeiden. Diese Gratwanderung gelingt ihm tat-

Viktor Kaufmann (Moritz Bleibtreu, links) ist eigentlich der Jude und Rudi Smekal (Georg Friedrich, Mitte) der SS-Mann. In einer brenzligen Situation wurden Kleider und Positionen der Männer jedoch vertauscht – mit Konsequenzen. Foto: Filmladen/Petro Domenigg sächlich. Die Geschichte beginnt mit einem Flugzeugabsturz in Polen. An Bord der Maschine waren eine Handvoll SS-Leute und ein Jude in Häftlingskleidung. Das Flugzeug brennt, es gibt nur zwei Überlebende: einen SS-Mann und den Juden. Sie schlep-

pen sich in eine Hütte, als sich vermeintlich polnische Partisanen nähern. Schnell entsteht der Plan, die Häftlingskleidung zu teilen und die SS-Uniform zu verstecken. Da sieht der Jude, dass es deutsche Soldaten sind, die

auf die Hütte zukommen. Spontan entscheidet er sich um und schlüpft in die sichere Uniform. Der SS-Mann wird dagegen in KZ-Kleidung vorgefunden. Wie es dahin kommen konnte, erzählt dann erst die Rückblende. Der Jude Viktor

Kaufmann (Moritz Bleibtreu) und der SS-Mann Rudi Smekal (Georg Friedrich) kennen sich sehr gut. Sie sind zusammen aufgewachsen. Rudi ist der Sohn der Hausangestellten der Familie Kaufmann, die in Wien eine große Galerie besitzt. Rudi lebte bei den Kaufmanns und gehörte praktisch zur Familie. Die Freundschaft der beiden jungen Männer zerbricht, als Rudi die SS-Uniform anlegt. Die Kaufmanns packen derweil ihre Kunstwerke, um sie in die Schweiz in Sicherheit zu bringen. Dann der Verrat: Rudi berichtet seinen Leuten von einem Michelangelo-Original, das die Kaufmanns in ihrem Haus versteckt haben. Hier beginnt der zweite Strang der Komödie. Die Nazis sind hinter dem Michelangelo her, um ihn dem Duce zu präsentieren, der sich für einen Staatsbesuch angekündigt hat. Viktors Vater Jakob Kaufmann (Udo Samel) aber hat zwei Kopien der wertvollen Zeichnung anfertigen lassen. Und obwohl Kaufmann im KZ ums Leben kommt, kann er die Nazis an der Nase herumführen. Denn was ist Original und was Fälschung? Zum Glück für die Jury läuft „Mein bester Feind“ außer Konkurrenz im Wettbewerb. So bleibt die schwierige Frage nach möglichen Bären ungestellt.

Ein gefährlicher Film „Khodorkovsky“: Die Dokumentation über den einstigen Oligarchen läuft im Panorama BERLIN (ja) Denkt man an Michail Chodorkowski, hat man sofort dieses Bild vor Augen: ein sanft lächelnder Mann mit randloser Brille, angegrautem kurzen Haar, der wahlweise hinter Gittern oder in einem Glaskasten steht. Es sind diese Bilder, die sich seit Jahren wiederholen. Denn seit der frühere Yukos-Eigner, der damals reichste Mann Russlands 2003 verhaftet wurde, steht er in eben dieser Position immer wieder vor Gericht. Die Vorwürfe reichen von Steuerhinterziehung bis Diebstahl. ■

Chodorkowski und sein Mitangeklagter Platon Lebedew wurden gerade erneut zu langen Haftstrafen verurteilt. Im In- und Ausland werden politische Hintergründe für die Urteile vermutet. Doch wer sich zu weit vorwagt, lebt gefährlich. Das musste auch der Filmemacher Cyril Tuschi erleben. Zweimal wurden ihm die Computer mit seinem jüngsten Werk gestohlen, einer Dokumentation über den einstigen Oligarchen. „Khodorkovsky“ konnte aber auf der Berlinale gezeigt

Filmemacher Cyril Tuschi vor der Premiere. Foto: dpa werden – und fand zu Recht großen Beifall. Von allen ihm möglichen Seiten nähert sich

Tuschi Chodorkowski. Er befragt frühere Yukos-Berater und Mitarbeiter, die sich allesamt im Ausland aufhalten. Auch politisch Aktive oder Familienmitglieder kommen zu Wort. Doch lange bleibt der prominente Häftling ein Phantom. Und dann, am Schluss dieser großartigen Doku, steht er da: hinter Glas, im Gerichtssaal, mit einem Mikrofon am Kragen. Tuschi hat tatsächlich ein Interview mit Chodorkowski bekommen. Sanft lächelnd erklärt er, er sei bewusst in

die Haft gegangen. Genug Warnungen vor der Verhaftung hat es wohl gegeben. Zahlreiche andere Oligarchen sowie Yukos-Leute sind rechtzeitig ins Ausland gegangen. War es am Ende doch ein Schachzug Chodorkowskis? Wollte er sich durch die Haft quasi vom Makel des Oligarchen-Images befreien, um dann auf die politische Bühne zu treten und Medwedew und Putin vom Thron zu stoßen? Nach Tuschis bewegendem Film ist man bereit, alles für möglich zu halten.

Die doppelte Liebe im Dreieck Der türkische Beitrag „Our grand despair“ läuft im Wettbewerb und reizt sein Thema nicht aus Von Sandra Kurtz

BERLIN Im größten Unglück sind die Menschen zu den merkwürdigsten Schritten bereit, um zu spüren, dass sie weiterleben. Nihal (Günes Sayin) steckt mitten in diesem Unglück. Ihre Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sie ist mit einem Schlag alle ihre Wurzeln los. Halt findet sie bei Ender (Ilker Aksum) und Cetin (Fatih Al). Die beiden alt gewordenen Schulfreunde haben ein Appartement gemeinsam in Ankara und sind alte Freunde von Fikret (Baki Davrak), Nihals Bruder. Während Fikret nach der Trauer wieder zurück nach Berlin kehrt, bleibt die junge Nihal in Ankara, versucht ihren Schulabschluss zu machen. Ender und Cetin indes nehmen das junge Mädchen auf, wie zwei Brüder, „zwei daddies“, wie Cetin es formuliert. Weitaus älter sind sie – der eine kahler und dicker, der andere resignierter und nachdenklicher als zu der Zeit, als sie gemeinsam die Schule beendeten. Nur einmal, als Cetin beruflich nach Istanbul ging, waren die Männer voneinander getrennt. ■

Nihal (Günes Sayin, links) sucht bei den beiden Männern Cetin (Fatih Al, rechts) und Ender nach einem Schicksalsschlag zunächst nur Trost. Foto: Berlinale Der Film von Seyfi Teoman, der sich in den Kampf um den goldenen Bären einreiht, ist viel mehr als das Erzählen einer schnöden erotischen Dreiecksbeziehung. Er bringt den Traum vom Leben und den plötzlichen Tod auf die Leinwand. Wie leben Menschen mit Katastrophen weiter, wenn doch der Alltag wieder an die Tür klopft? Wie lässt sich die Trauer eines anderen Menschen ertragen?

Ender und Cetin stellen sich diesen Fragen, unaufgeregt, verantwortungsbewusst, ohne viele Worte. Sie sind über die Zeit ein Paar geworden, das alles miteinander teilt – außer das Bett. Sie kochen zusammen, vor allem wenn sie in emotionaler Not sind. Sie fahren gemeinsam in den Urlaub, sehen gemeinsam fern, reden von sich selbst als „wir“ statt als „ich und du“. Die Zeit ist über sie hinweggegangen, ohne dass

sie ihre eigenen Ereignisse dagegen setzen konnten. In dieser Beziehung sucht Nihal einen Raum, in dem sie verzweifeln, trauern und wieder erblühen kann. Ender und Cetin sind an ihrer Seite, bieten ihr Raum für den Verlust. Und Nihal nähert sich den beiden langsam, wieder als junge Frau, die gespürt, geliebt werden will. Ender und Cetin gestehen sich erst im Urlaub zu zweit, als Nihal gerade ihren Bruder besucht,

dass sie beide Nihal lieben. Und nun? Die beiden Männer wählen den vernünftigen Weg. Sie lassen ihre doppelte Liebe nicht gelten, schwafeln gegenüber Nihal, die mehr will, von Geschwister-Gefühlen. Sie verletzen sich selbst, um nicht Nihal zu verletzen, zu verwirren, vielleicht zu zerstören. Nihal reist schließlich ab, zu ihrem Bruder. Und Ender und Cetin tragen stattdessen einen Tischkicker in den nun leeren Raum ihres Appartements. Der Film lässt allen dreien leider nicht so viel Raum, wie sie gebraucht hätten. Warum darf der sensible Büchernarr Ender nicht mehr von sich geben? Warum verbleibt Cetin zu sehr im Klischee des kuscheligen Kochs, der keine bizarren Begierden kennt? „Wir haben uns in der High School immer gewünscht, uns in das gleiche Mädchen zu verlieben. Nun ist es so“, sagt Ender einmal zu seinem Freund. Was das im Herzen und im Kopf auslösen kann, das Ausloten des möglichen Dreiecks, das bleibt leider aus. Das macht den Film zwar sehenswert, aber eben nicht herausragend.

„Über uns das All“ ist schön verstörend BERLIN (ja) Richtig schön verstörend ist dieses Spielfilmdebüt von Jan Schomburg. „Über uns das All“ erzählt zunächst ganz harmlos von der Lehrerin Martha (toll: Sandra Hüller) und ihrem Mann Paul (Felix Knopp). Das Leben ist harmonisch und geordnet. Als Paul ein Stellenangebot aus Marseille bekommt, plant das Paar ein Leben in Südfrankreich. Die Umzugskisten sind gepackt. Paul ist schon mit dem Auto vorgefahren, Martha soll eine Woche später nachkommen. Als die Polizei vor der Tür steht und Martha über den Selbstmord ihres Mannes informiert, glaubt sie an eine Verwechslung. Als sie die Fotos des toten Paul sieht, glaubt sie nicht an einen Selbstmord. Als sie beginnt nachzudenken, steht sie irgendwann vor der Frage, wer ihr Mann überhaupt war. An der Uni, an der er seit Jahren vorgab zu studieren, kennt ihn niemand. Familie hatte er nicht mehr. Freunde aus früheren Zeiten gibt es nicht. In einem Zustand zwischen Fassungslosigkeit, Trauer und Einsamkeit trifft Martha einen Mann (Georg Friedrich), mit dem sie Erstaunliches anstellt: Sie behandelt den unbekannten Alexander, als sei er Paul. Spielt Martha ihm etwas vor? Oder lebt sie in einer Fantasiewelt? Immer wenn die Situation zu kippen droht, ist es, als lege sie einen Schalter um und sei wieder in der Wirklichkeit angekommen. „Über uns das All“ läuft im Panorama Special. ■

Sinnlos in Buenos Aires Es könnte der BERLIN (ja) Anfang einer Geschichte sein: Ein Mann und eine Frau liegen im Bett. Es ist Morgen, beide werden wach. Er holt ihr einen Kaffee und für sich die Zeitung. Wortlos geht das alles, weil es wohl schon lange so funktioniert. Dann sagt sie, sie sollten sich für eine Weile nicht sehen. Er stutzt, fragt nach, aber sie hat keine weitere Erklärung. Der Argentinier Rodrigo Moreno nimmt dies zwar als Anfang, aber eine Geschichte erzählt er nicht. Sein Wettbewerbsbeitrag „Rätselhafte Welt“ bleibt damit völlig uninteressant. Der Mann (überzeugend emotionslos: Esteban Bigliardi) packt eine Tasche, zieht ins Hotel und macht weiter nichts. Die Frau tritt nicht mehr in Erscheinung. Die nicht erzählte Geschichte ist hier auch schon beinahe zu Ende. Allerdings folgen noch 90 Minuten „Rätselhafte Welt“ mit unendlich langen Kamera-Einstellungen in handlungsfreien Szenen. Immerhin, Moreno findet so etwas wie ein Ende. Man darf es guten Gewissens verraten. Dem Film Spannung zu nehmen, ist unmöglich. Am Schluss packt der Mann seine Tasche, verlässt das Hotel und geht wieder nach Hause. Die Frau stutzt, bietet ihm einen Drink an und setzt sich zu ihm aufs Bett. ■

Sie finden wieder zueinander, ohne sich je wirklich gesucht zu haben. Foto: Berlinale


KULTUR

Mittwoch

16. Februar 2011

DIE 61. INTERNATIONALEN FILMFESTSPIELE IN BERLIN

Viel Beifall für ein Drama Großartiger Wettbewerbsbeitrag des Iraners Asghar Farhadi: „Nader and Simin, A Separation“ Von Antje Jusepeitis

Filmstars

BERLIN Mit „Nader and Simin, A Separation“ (Nader und Simin, Eine Trennung) hat der iranische Regisseur Asghar Farhadi einen bären-starken Beitrag für den diesjährigen Berlinale-Wettbewerb gedreht.

Umwerfend Nach zwei Stunden eingezwängt im Kinosessel dränge ich auf den Potsdamer Platz. Hier ist die Sonne die einzige, die strahlt – keine Spur von glitzernden Filmstars. Als ich am Freitagabend erstmals am BerlinalePalast war, sah ich Kevin Spacey, huschte Ulrike Krienert an mir vorbei. Der Schauspieler, den ich immer mit Sebastian Koch verwechsle, unterhielt sich vor dem Pressekonferenzsaal im Hyatt Hotel und Senta Berger stand in ein Gespräch vertieft am Zugang zu den Hotel-Toiletten. Dorthin muss ich zwingend mal. Als ich zurück bin, beiße ich in mein belegtes Brötchen, stehe an einem der Gitter, die die Straßen begrenzen. Um nicht von einem Bus gerammt zu werden, rücke ich meinen Hintern ein Stück vor. Es scheppert. Das Absperrgitter ist an diesem Tag das Umwerfendste, was ich erlebe.

„In der Welt eines Filmemachers fließen Traum und Realität ineinander… Ich wünsche mir, dass meine Regiegefährten in jedem Winkel der Welt in dieser Zeit so großartige Filme schaffen, dass ich, wenn ich das Gefängnis verlasse, begeistert sein werde in jener Welt weiterzuleben, die sie in ihren Werken erträumt haben.“ Das schreibt der iranische Regisseur Jafar Panahi in einem offenen Brief. Panahi sollte in der Berlinale-Jury sitzen, wurde aber im Iran zu sechs Jahren Gefängnis und 20 Jahren Arbeitsverbot verurteilt. Sein Landsmann, Asghar Farhadi, ist in Berlin und hat genauso einen großartigen Berlinale-Beitrag mitgebracht. Das Drama „Nader and Simin, A Separation“ wirft Fragen um Wahrheit, Lüge, Schuld, Unschuld und Vertrauen auf. Beantworten darf der Zuschauer sie sich selbst. Farhadi erhebt keinen Zeigefinger. Er möchte Menschen zum Nachdenken bringen, sagte er in der Pressekonferenz am Dienstagvormittag. Das gelingt ihm ganz schlicht in seinem Drama um

Simin (Leila Hatami) und Nader (Peyman Moadi) stehen vor dem Scheidungsrichter. So beginnt das Drama. die Ehe eines wohlhabenden Paares in Teheran. Simin (Leila Hatami) ist Lehrerin. Sie möchte den Iran verlassen. Ihr Mann, Nader (Peyman Moadi), arbeitet bei einer Bank. Er willigt zunächst in die gemeinsame Ausreise mit der elfjährigen Tochter ein, zieht seine Zusage jedoch zurück. Nader möchte seinen an Alzheimer erkrankten, pflegebedürftigen Vater nicht zurücklassen. Das Familiengericht lehnt Simins Antrag auf Scheidung ab. Sie zieht zu ihren Eltern in derselben Stadt. Alles geschieht unter Farhadis Regie ganz unaufgeregt, ohne Schläge, Geschrei oder Dro-

hungen. Nader engagiert eine Pflegerin, Razieh (Sareh Bayat), für seinen Vater (Ali-Asghar Shahbazi), um arbeiten gehen zu können. Darin unterscheidet sich der moderne Iran im Film kaum von Gegebenheiten in Europa. Raziehs Anruf bei einer Auskunftsstelle für religiös korrektes Verhalten, um zu erfahren, ob es eine Sünde sei, wenn sie einen senilen, alten Mann wasche und ihm die Hosen wechsele, weil er sich eingenässt hat, lassen Europäer schmunzeln. Im Iran sind sie Realität. Asghar Farhadi flicht diese Szene ein, drängt nie mit dem Verweis auf Konflikte mit fanati-

Gar nicht traumhaft BERLIN (ja) Die dreidimensionale Reise in die reich bemalte Steinzeithöhle hätte aufregend werden können. Werner Herzog hat sicher richtig entschieden, eine kleine 3-D-Kamera mitzunehmen in die südfranzösische Chauvet-Höhle. Bot sich ihm doch die Gelegenheit, an einem für die Öffentlichkeit verschlossenen Ort zu drehen. Das Filmen der gut erhaltenen, 30 000 Jahre alten Malereien erwies sich aber offenbar als äußerst schwierig. So durften nur wenige Menschen für kurze Zeit in die enge Höhle hinein. Das Filmteam hatte also lediglich vier Mitglieder, die nur wenig Technik mitnehmen konnten und schnell arbeiten mussten. Zudem durften sie die schmalen Stege in der Höhle nicht verlassen. Die Malereien in der dunklen Umgebung gut aufzunehmen war somit gar nicht möglich. Das Ergebnis auf der großen Leinwand ist entsprechend mager. Es wird weder durch das wiederholte Erklären der Umstände noch den wiederkehrenden Hinweis auf die zwar vorhandenen, aber leider nicht zu sehenden Zeichnungen besser. Ärgerlich sind Herzogs Spekulationen über die Träume der malenden Steinzeitmenschen. Damit möchte er wohl den schönen Filmtitel „Cave of Forgotten Dreams“ (Höhle der vergessenen Träume) rechtfertigen. Die 3-D-Technik ist schlicht überflüssig. Die Tiefe der Höhle ist wegen der mangelhaften Ausleuchtung gar nicht zu erkennen. Ein scharfer zweidimensionaler Blick auf die Malereien wäre interessanter gewesen. „Cave of Forgotten Dreams“ läuft im Berlinale-Wettbewerb außer Konkurrenz.

schen Islamisten oder Koran in den Vordergrund. Stets geht es um die ganz persönliche Tragik der Figuren. Razieh lebt in sehr einfachen Verhältnissen. Sie ist schwanger, streng gläubig, nett. Dringend brauchen sie, ihre etwa fünfjährige Tochter und ihr arbeitsloser Mann das Geld von Nader. Dieser findet seinen Vater eines Tages an einer Hand gefesselt und ohne Sauerstoffzufuhr neben dem Bett. Razieh ist nicht da, kehrt aber etwas später zurück. Als Razieh nicht erklärt, weshalb sie ging, verliert Nader die Nerven und Razieh das Kind in ihrem Leib.

Foto: Berlinale

Nader steht plötzlich des Mordes angeklagt vor Gericht. Tragisch und zugleich spannend wie ein Krimi zeichnet der Film jetzt nach, wie Nader das Vertrauen seiner Tochter verliert und die Frage von Recht oder Unrecht ganz von der Perspektive des Betroffenen abhängt. Farhadi hatte 2009 mit dem Gesellschaftsdrama „Alles über Elly“ einen Silbernen Bären für die beste Regie gewonnen. Sein neuer, von einer privaten Bank finanzierter Film ist Gold wert. Er läuft in etwa einem Monat in den iranischen Kinos an und hoffentlich auch bald in Deutschland.

Bis die Katze kommt „The future“ ist ein kleines Juwel von Miranda July Von Sandra Kurtz

Fangen wir doch BERLIN mal mit der Musik an, bei diesem schönen, wirklich schönen Film. Jon Brion hat die wundersamen Klänge geschrieben, die Sophie (Miranda July) und Jason (Hamish Linklater) in ihrem klitzekleinen Appartement begleiten. Ganz minimalistisch, tröpfelnd umschwirren die Töne die 91 Minuten im Leben des Paares. Musik ist auch das Zeichen, falls die beiden mal eine Amnesie ereilen sollte und sie sich nicht wieder erkennen. Sie sind erst seit vier Jahren ein Paar, am schwierigen Anfang von allem. Sophie und Jason sind leise miteinander, langsam, ■

Sophie (Miranda July) muss sich für eine neue Zukunft weit aus dem Fenster lehnen und laut schreien. Foto: The Future

manchmal dunkel und zurückgesetzt. Unsicher meistens, vor allem Sophie, die ihren eigenen Schritten als Tanzlehrerin nicht traut. Sie begrüßen sich morgens mit „Hello person“, agieren fast autistisch in ihrem Raum. Jason kann zudem die Zeit anhalten, muss es auch einmal. Als beide wieder aus der Zeitstarre erwachen, ist ihre Katze tot. Sophie und Jason, beide 35, wollten sie aus dem Tierheim zu sich holen, für sechs Monate. Doch das Tier, das sich mit seinen Pfötchen immer wieder in den Film schleicht, soll plötzlich für fünf Jahre bei ihnen bleiben, sagt die Tierärztin. In fünf Jahren sind die beiden 40.

Das ist fast wie 50. Nur noch einen Monat haben sie Zeit, bis sie das Tier abholen können. Einen Monat Freiheit, dann wird es starr und still, verantwortungsvoll und fremdbestimmt, so fürchten sie. Sophie und Jason handeln noch einmal so, wie sie es eben können. Es ist eine Wonne, ihnen dabei zuzuschauen, wie sie sich entdecken und die Menschen, die sie sich für diese kurze Periode aussuchen. Miranda July lässt als Hauptdarstellerin und Regisseurin dabei alle Facetten vom Lauf des Lebens aufblitzen – gekonnt und ohne Pathos, unaufdringlich leicht, zum Schmunzeln und Erschrecken. Großartig.

Dichter und Denunziant „Vaterlandsverräter“ von Annekatrin Hendel: ein faszinierendes Porträt des Schriftstellers Paul Gratzik Von Barbara Jasper

BERLIN Ein alter Mann sitzt im Ruderboot an den Riemen: Vorn der große Oberkörper, hinten ein See mit Schilf am Ufer. Der Mann spricht langsam, zitiert seine Mutter mit dem Spruch: „Der größte Feind im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.“ Das habe in ihm genagt. Fast kontemplativ wirkt die Szene. Doch dann platzt es aus dem alten Mann heraus. Nichts nage da mehr, rein gar nichts. Im Gegenteil, er habe einen Fehler gemacht, dass er bei der Stasi aufgehört habe. Seine Schimpftiraden wollen nicht enden. Paul Gratzik ist der Mann, der da aus der Haut fährt. Ihm gegenüber sitzt Annekatrin Hendel. Sie hat einen ganz erstaunlichen Film über den Schriftsteller, Stasi-Zuträger, Lebemann und Einsiedler gemacht. Die beiden kennen sich, sie duzen sich.

BERLIN (sk) „Mutter, ich bin dumm“. Das hat Friedrich Nietzsche 1889, auf dem Divan liegend, seiner Mutter zugerufen. Danach verlor er für immer den Verstand. Zuvor hatte er sich in Turin weinend einem Pferd um den Hals geworfen, das von seinem Kutscher verprügelt worden war. 146 Minuten nun will der ungarische Regisseur Béla Tarr in seinem Film „A Torinói Ló“ der Frage nachgehen, wie es mit dem Pferd, dem Bauern und dessen Tochter nach dem Zwischenfall weitergeht. Und ganz kampfeswillige Zuschauer des Wettbewerbfilmes folgen ihm bei dieser Suche in SchwarzWeiß auch bis zum dritten Tag und damit bis zur Hälfte des Streifens. Bis dahin bläst einem der Sturm samt brauner Blätter um die Ohren, eine Bratsche spielt die immer währende eintönig-dunkle Melodie. Der Vater (János Derzsi) wird in dem sehr kargen Haus – bestehend aus zwei Bettstellen, einem Herd, einem Schemel am Fenster, einem Tisch und zwei Holztellern – von seiner Tochter (Milhály Kormos) an- und ausgezogen, legt sich schlafen, macht Holz, hustet. Die Tochter holt graues Wasser aus dem grauen Brunnen, stellt zwei kochend heiße Kartoffeln auf den Tisch, die vom Vater schmatzend und grunzend mit den Händen in Bart und Mund verschmiert werden. Trostlos und sprachlos erledigen die beiden das, was getan werden muss, um zu überleben. Nur das Pferd weigert sich, schon am zweiten Tag. Man will nicht wissen, wie Tag vier und fünf aussehen, dem Gleichnis vom Elend des Pferdes und dem seiner Besitzer nicht folgen. Man will nur ans Tageslicht, keine Metapher mehr deuten. Der Film ist sehr schön fotografiert, das immerhin. Aber aus einem Turiner Pferd wird auch innerhalb von zweieinhalb Stunden nun mal kein Goldener Bär. ■

KLAPPE, DIE 5.

Lass sie hoppeln, die Schindmähre

Paul Gratzik war jahrelang inoffizieller Mitarbeiter der Stasi. Trotzdem lässt die 30 Jahre jüngere Frau nicht locker und holt den alten Mann aus der Ecke, in die er sich gern verkriechen möchte. Das Thema Stasi sei zu umfassend, das müssten andere in den Kontext stellen, er werde gar nicht darüber sprechen. Jovial klingt es, als Gratzik seinem Gegenüber die Kompetenz abspricht, das Thema angemessen bearbeiten zu können. Und doch spielt ge-

rade Gratziks Arbeit für die Staatssicherheit in dieser spannenden Dokumentation eine große Rolle. Irgendwie hat Annekatrin Hendel den Dichter doch zum Sprechen gebracht. 20 Jahre lang hat Gratzik für die Stasi Berichte über Kollegen, Freunde und Bekannte verfasst. Einige davon hält er 30, 40 oder 50 Jahre später in der Hand und liest daraus laut. Entsetzt ist er

Foto: Johann Feindt zunächst über das schlechte Deutsch seiner Texte. Auch Renate Biskup ist entsetzt. Die Opernsängerin hatte damals einmal eine Beziehung mit Gratzik. Angewidert liest sie in den Stasi-Berichten und kann nicht fassen, dass ihr damaliger Partner das geschrieben hat. Ganz selbstverständlich erzählt dagegen Günter Wenzel von Gratziks inoffizieller Mitarbeit. Wenzel war Gratziks

Führungsoffizier bei der Stasi. Er benutzt noch nicht einmal die Vergangenheitsform, wenn er in schönstem Ministeriumsdeutsch über die Zersetzungsgefahr spricht. „Vaterlandsverräter“ heißt Annekatrin Hendels Dokumentation. Als solcher wurde Gratzik abgestempelt, nachdem er den IM-Dienst nach mehr als 20 Jahren quittiert hatte. 1981 war das, und in der Folge besuchte er all jene Menschen, die er zuvor bespitzelt hatte. Denn den Verrat am Vaterland, den hatte seiner Meinung nach nicht er, den hatten die Stasileute begangen. Der Film ist das faszinierende Porträt einer Persönlichkeit, die weit mehr zu bieten hat als eine Zerrissenheit ob der früheren StasiMitarbeit. Im September soll „Vaterlandsverräter“ in die Kinos kommen. Annekatrin Hendel verspricht dazu eine DVD mit viel mehr Material. Das klingt verheißend.

SPLITTER Peinlich: Wie mag es wohl sein, wenn der Vater zum „peinlichsten Berliner“ gekürt wurde und auch noch mit 80 versucht, als Playboy zu reüssieren? Rolf Eden hat sieben Kinder mit sieben Frauen. Vier Söhne und seine Tochter standen neben seiner aktuellen Freundin Brigitte bei der Premiere von Peter Dörflers Doku „The Big Eden“ auf der Gästeliste in der Sektion Panorama. Für den Filmemacher („Achterbahn“) war es der letzte Teil einer Trilogie über „egomane Männergestalten“. Es geht nicht nur um Edens Frauengeschichten. Der Film ist auch ein Sittenbild des alten West-Berlin und zeigt wenig bekannte Seiten des PlayboyDarstellers mit den weißen Anzügen. So hat Eden, Shimon genannt, Familie in Israel. Und wie der Sohn jüdischer Flüchtlinge im Nachkriegsdeutschland zum Discokönig wurde, das hätte auch auf ein jüdisches Filmfestival gepasst. Schweigsam: Der amerikanische Avantgarde-Filmer James Benning stellt bei der Berlinale ein neues Experiment vor. In „Twenty Cigarettes“ beobachtet er zwanzig Menschen, bekannte und unbekannte, wie sie eine Zigarette rauchen. Gesprochen wird kein Wort. Der Blick in die Gesichter löst beim Zuschauer eigene Reaktionen, Fantasien und Geschichten aus. Der 97-Minuten-Streifen läuft am Donnerstag in der innovativen Reihe Forum.


KULTUR

Dienstag

15. Februar 2011

DIE 61. INTERNATIONALEN FILMFESTSPIELE IN BERLIN

Die Welt des „Coriolanus“ Der britische Wettbewerbsbeitrag ist so schwer zu fassen wie sein Name zu merken Von Sandra Kurtz

BERLIN 27 Wunden hat sich Caius Martius in über einem Dutzend Kämpfe für Rom zugezogen. Stolz ist der Feldherr Caius Martius, Spott und Ekel aber hat er nur für die Römer übrig. Er liebt sie nicht. Das nehmen die ihm übel. ■

KLAPPE, DIE 4. Tolle Technik 3 D:

Berlinale-Nase Meine Gesichtsform hat sich bleibend verändert. Nein, ich habe keine eckigen Augen vom vielen FilmeGucken bekommen. Meine Nasenwurzel ist angeschwollen. Über Nacht, dachte ich, würde sich das Problem erledigt haben. Aber auch heute noch, einen Tag nach der NasenTortur, sehe ich ein seltsames Gesicht im Spiegel. Zudem schmerzt die Brille auf der Nase. Ohne Sehhilfe kann ich aber kaum etwas erkennen. Der Ursprung des Leidens: die 3-D-Brillen, die ich den ganzen Sonntag über tragen musste. Da haben sich die Berlinale-Leute etwas Feines ausgedacht. Wenn sie schon drei Filme in toller neuer 3-D-Technik im Wettbewerb zeigen, dann alle hintereinander. Ja, lustig war das. Den ganzen Tag saß ich inmitten von Menschen mit überdimensionalen, dunklen Plastikbrillen. Um neun Uhr ging es los, um sechs Uhr abends war der dritte Film zu Ende. Da hatte ich mich beinahe schon an die Ungetüme in den Gesichtern gewöhnt. Allerdings haben die Dinger einen entscheidenden Haken, jedenfalls für Sehhilfenträger. Die große drückt auf die kleine Brille. Diese gibt den Druck weiter und quetscht die Nase ein. Meine Familie meint, ich sähe schlecht aus und müsse mich mal ausschlafen. Ich nicke und hoffe, dass die Nasenverformung sich wegschlafen lässt. ■

Barbara Jasper

SPLITTER Abgelaufen: Zweite Klappe für den berühmten roten Teppich: Bauarbeiter mussten gestern den 200 Quadratmeter großen Läufer vor dem BerlinalePalast noch vor der Halbzeit auswechseln, weil er von den Lackschuhen und Stilettos der Stars und Sternchen bereits abgetreten war. Dabei wird das gute Stück täglich zwei bis drei Mal gereinigt. Die Berlinale ist auf die Prozedur allerdings eingestellt. Je nach Wetter gibt es bei dem Festival immer einen oder sogar mehrere Teppichwechsel. Insgesamt liegen in den Festspielhäusern 1 500 Quadratmeter rote Läufer. Unbeachtet: Die Drehbuchautoren fühlen sich von der Berlinale zu wenig berücksichtigt. Das Festival habe es trotz mehrfacher Aufforderungen und Zusicherungen immer noch nicht geschafft, in seinen Publikationen die Autoren gleichberechtigt mit den Regisseuren zu nennen. Dem Publikum würden damit profilierte Namen vorenthalten. So stamme etwa das Drehbuch zu „Mein Bester Feind“ von Paul Hengge. Der Film „Coriolanus“ sei von dem mehrfach preisgekrönten John Logan verfasst, der für seine Drehbücher „The Aviator“ und „Gladiator“ zahlreiche Nominierungen erhielt.

Caius Martius ist besessen vom Kampf. So wie seine Mutter Volumina besessen ist von der politischen Stärke ihres Sohnes. Besessen ist auch Ralph Fiennes von dem Shakespeare-Stoff, den er für sein Regiewerk im originalen Sprachduktus belässt. Vor zehn Jahren, so der Brite, hat er die Tragödie erstmals auf der Bühne in London verkörpert „und seitdem war ich von der Idee besessen, das Stück in einem Film in die Moderne zu übertragen. Das hat sich mir aufgedrängt. Ich finde das Stück ungemein heutig, modern“, sagte er auf der dazugehörigen Pressekonferenz am Potsdamer Platz Ungemein modern ist auch die Umsetzung der Geschichte des römischen Helden. Caius Martius Coriolanus besiegt die Feinde Roms, die Volsker. Als Held kehrt er zurück. Doch bei der Wahl zum Konsul versagt ihm das Volk die nötige Zustimmung. Coriolanus wird verbannt und verbündet sich gegen Rom mit seinem ärgsten Feind, dem Führer der Volsker Tullus Aufidius. „Er wird für

Rom das sein, was der Fischadler für den Fisch ist“, prophezeit Aufidius vor dem Angriff. Der Volsker rückt immer mehr in den Schatten seines ehemaligen Feindes. Einstige Verbündete bitten Coriolanus darum, Rom zu verschonen. „Er hat nicht mehr Erbarmen als Milch in einem männlichen Tiger ist“, sagt Konsul Menenius. Coriolanus‘ Mutter Volumina (Vanessa Redgrave) ist es schließlich, die ihn bekniet, Rom zu verschonen und einen Friedensvertrag zu unterzeichnen. Ihre Tränen und die endgültige Forderung, ihr Ehrfurcht zu zeigen, stimmen Coriolanus um, der wohl weiß, dass er damit seinem Tod zustimmt. So viel zur schweren Kost, die da in zwei Stunden serviert wird. Ralph Fiennes hat sich für sein Rom das reale Belgrad ausgesucht. Auch das Hotel „Jugoslavia“ spielt eine Rolle, das 1999 von einer Nato-Bombe zerstört worden war. Die Soldaten Roms sehen aus, wie Soldaten heutzutage im Kampfeinsatz aussehen. Die GuerillaTruppen um Tullus Aufidius (Gerard Butler) präsentieren sich, wie die Kämpfer in vielen nach Unabhängigkeit strebenden Provinzen heutzutage wohl bekannt medial daherkommen. „Überall sehe ich im Alltag, in den Zeitungen, im Fernsehen, Bilder von Kriegen und Unruhe. Sie gleichen denen in diesem Stück erschreckend. Zudem beginnt das Stück mit einer

Da sitzt er nun, Feldherr Caius Martius Coriolanus. Egal welchen Stuhl er wählte, immer hielten ihn die Menschen für einen Verräter. Foto: Coriolanus Films Ltd. Wirtschaftskrise. Ich finde, da drängen sich die Bezüge zu unserem Leben heute doch geradezu auf“, sagt Ralph Fiennes dazu. Und dennoch ist die erste Stunde des Films zäh, manches Mal albern bemüht. Die Sprache steht der Annäherung an die Figuren anfangs im Weg. Das Tribunal, welches zur Verbannung Coriolanus aus Rom führen wird, ist als Talkshow inszeniert. Fiennes selbst hält so wenig Mimik parat, dass er auch bei dramatischen Wendungen an den auch von ihm verkörperten Lord Voldemort in Harry Potter erinnert.

Beim Sehen des Films ist zu spüren, wie viel der Stoff dem Regisseur und Hauptdarsteller bedeutet, wie viele Facetten und Analogien auch Drehbuchautor John Logan zeigen will. Aber es gelingt beiden nicht, trotz aller Mühen. Die von Shakespeare verarbeiteten Motive wie Stolz, Treue, Liebe, Verrat oder Mut sind so allumfassend, dass Fiennes bei der Transformation in die Moderne an der Größe des Stoffes scheitert. Der Held erreicht den Zuschauer nicht, bleibt gesichtslos, unmenschlich, monströs. Sein Konflikt mit den Römern, den Politikern,

der Macht wird nicht nachvollziehbar und kann nicht nachempfunden werden. Wenn auch Fiennes es nicht schafft, die Tiefe seines Charakters darzustellen – Vanessa Redgrave ist sagenhaft in ihrem Spiel. Sie ist eine erbarmungslose Mutter, die man verabscheuen kann, der man entsetzt zuschaut, wenn sie den eigenen Sohn um dessen Tod bittet, für die Ehre des Landes. Vielleicht lohnt es sich mehr, das Original einmal zur Hand zu nehmen – auch wenn viele in „Coriolanus“ einen klaren Anwärter für einen Bären sehen.

„Les femmes du 6eme Etage“ aus Frankreich plätschert im Wettbewerb außer Konkurrenz vor sich hin BERLIN Er guckt ein bisschen wie ein Wiesel, JeanLouis (Fabrice Luchini) aus Paris. Seine Mutter ist vor einem halben Jahr gestorben, sein französisches Hausmädchen bekriegt sich seitdem mit der Frau des Hauses, Suzanne. Die Haushilfe muss gehen. Suzanne probiert 1960 eine neue Angestellte aus, Maria. Die guckt JeanLouis, gut situierter Firmeninhaber, ganz erstaunt an, als sie ihm sein Dreieinhalb-Minuten-Ei perfekt zubereitet serviert. Die junge Maria darf bleiben und wohnt von da an gemeinsam mit ande-ren Spanierinnen im sechsten ■

Stock des Hauses. Dort oben leben sie alle: Carmen, Dolores, Concepcion, Teresa und Pilar. Alle sind sie Hausmädchen, alle haben sie ihre Geschichten in Spanien. Während des Bürgerkriegs gelynchte Eltern, ein wartender und dennoch treuloser Ehemann, ein zur Adoption frei gegebener kleiner Junge. Bei all dem schaut JeanLouis, der Herr des bürgerlichen Hauses, eben wie ein Wiesel zu und traut sich Stufe für Stufe höher. Das ist ganz niedlich, wie ihn die stolzen Spanierinnen aus seinem steifen, tristen, Dreieinhalb-Minuten-Leben reißen. Ein wenig Flamenco, ein wenig Franco-Kritik, ein wenig

BERLIN (ja) Wenn es einen guten Grund gibt, einen 3-D-Film zu drehen, dann wohl diesen: dass es anders nicht möglich gewesen wäre. So erklärt es Wim Wenders, der mit einer umwerfenden Dokumentation über das Lebenswerk von Pina Bausch zur Berlinale gekommen ist. „Pina“ läuft außer Konkurrenz im Wettbewerb. Die Idee des gemeinsamen Filmprojekts sei lange nicht realisiert worden, weil er nicht gewusst habe, wie das zu machen sei, so Wenders. Erst der dreidimensionale Konzertfilm „U2 3D“ habe die Initialzündung gegeben. Nur mit der dritten Dimension des Raumes werde es ihm möglich, Pina Bauschs Tanztheater in angemessener Form auf die Leinwand zu bringen. Die Stücke für den Film suchten beide gemeinsam aus. Dann, im Sommer 2009, starb Pina Bausch. In der geplanten Form war das Projekt damit am Ende. Entstanden ist nun ein Film für Pina Bausch, Gründerin des Wuppertaler Tanztheaters und Begründerin einer ganz neuen Kunstform. Das Motto des Films spricht Pina Bausch selbst am Ende aus dem Off: „Tanzt, tanzt! Sonst sind wir verloren.“ So tanzen sie, die Mitglieder des Tanztheaters Pina Bausch: auf der Wuppertaler Bühne, vor dem Theater, auf der Straße, in der Schwebebahn, im Bergwerk, vor alten Industriehallen und im Park. Sie tanzen und tanzen, kehren ihr Innerstes nach außen und zeigen damit eindrucksvoll, was Pina Bauschs Arbeit ausgemacht hat. ■

Das Dreieinhalb-Minuten-Leben Von Sandra Kurtz

Getanzte Gefühle im Raum

Die Frauen vom sechsten Stock – unter ihnen auch Maria (rechts), der sich Jean-Louis annähert. Foto: Jean Marie Leroy Oben-Unten Gesellschaftsgeplänkel und schon ist JeanLouis ein wenig tumb lä-

chelnd verliebt in Maria. Zurück bleibt unten Suzanne, die ihren Gatten auch noch

hinauswirft, weil sie denkt, der habe eine heiße Affäre mit der pompösen Bettina. Hat er aber nicht. Er sitzt oben in seinem Kämmerlein zwischen den Spanierinnen und genießt, einmal auch Maria hautnah. Die geht zurück nach Spanien, zu ihrem Sohn. Und natürlich gibt es ein Happy End. Da steht Jean-Louis wieder da wie ein Wiesel in der spanischen Sonne und lächelt seine Maria an. Etwas fehlt an diesem netten französischen Film, entweder mehr Tiefe oder mehr Witz. So plätschert alles hübsch vor sich hin, solange wie es eben dauert vom sechsten Stock in die Belle Etage.

Wim Wenders lässt die Tänzer überall in Wuppertal auftreten.

„V subbotu“ bewegt nicht Russisch-deutsch-ukrainische Produktion über Tschernobyl-Katastrophe enttäuscht Von Antje Jusepeitis

BERLIN „Ich habe mir von dem Film mehr erwartet“, sagt Oleksiy Obolenskyy aus Kiew. Der ukrainische Sprach- und Literaturwissenschaftler für Deutsch und Englisch ist nicht der Einzige, der am Montag enttäuscht vom Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „V subbotu“ (Am Sonnabend) ist. Dabei ist das Thema der russisch-deutschukrainischen Produktion hochaktuell angesichts verlängerter Laufzeiten für alte Atomkraftwerke: Die Tschernobyl-Katastrophe in der Nacht vom 25. auf den 26. April 1986. Als wenige Tage vor dem 1.Mai-Feiertag im damaligen Arbeiter- und Bauernstaat UdSSR während eines Tests ein Reaktorblock des Kernkraftwerkes explodiert, wird eine tödliche Menge Radioaktivität freigesetzt. Die politische Führung in Moskau mit Reformer Michail Gorbatschow an der Spitze ver■

In „V subbotu“ kommen Vera (Svetlana Smirnova-Marcinkevich) und Valerij (Anton Shagin) trotz sehr viel Gerenne nicht fort aus Tschernobyl. Foto: Bavaria Pictures sucht, die schwerste nukleare Havarie der Geschichte zu vertuschen. Die Parteiführung in der Ukraine wiegelt ab. Letztlich auch, um eigene Fehler nicht eingestehen zu müssen und eine Massenpanik zu verhindern. Valerij Kabyshs Parteigenossen sehen das ebenso. Valerij selbst, Hauptfigur in „V Subbotu“, wird von Panik ergriffen, als er an diesem sehr frühen

Sonnabendmorgen von der Katastrophe. Er rennt durch die zu Ende gehende Nacht. Er weiß, die Luft ist erfüllt von atomarer Strahlung. Der Geigerzähler tickt. Ebenso wie die Uhr bis zur Abfahrt des Zuges, mit dem Valerij (Anton Shagin) fort will. Vera, seine Geliebte, soll mit. Bis dahin ist die Drehbuchund Regiearbeit von Alexander Mindadze sehenswert.

Obgleich die permanenten Kamera-Nah-aufnahmen anstrengen. Der Zug verlässt Tschernobyl ohne das Paar. Vera will Valerij nicht glauben: „Sie haben in den Nachrichten doch gar nichts erwähnt.“ Valerij, ganz Parteifunktionär, erzählt nur ihr von den ungeheuren Ausmaßen der Explosion. Das Unglück selbst zeigt Regisseur Alexander Mindadze nicht als Filmaction. Vielmehr taucht die Kraftwerksruine glimmend und qualmend im Hintergrund auf. Im Vordergrund gehen an diesem sonnigen Sonnabend Menschen spazieren oder einkaufen, spielen Kinder unbesorgt im Freien. Hochzeiten werden gefeiert. Auf einer davon spielt die Band, in der Vera singt und Valerij vor seiner Parteikarriere Schlagzeuger gewesen ist. Valerij springt für den betrunkenen Drummer ein, spielt auch, damit er und Vera Geld haben, um zu flie-

hen. Hektische Kameraführung und extreme Nahaufnahmen dokumentieren die Hochzeit – ganz sicher Ausdruck Valerijs Zerrissenheit. Aber statt zu bewegen, nervt diese Dramaturgie. Valerij rennt beinahe den ganzen Film hindurch. Der Zuschauer hetzt mit ihm, erkennt recht teilnahmslos, dass es ein Fliehen ohne Vorankommen ist, dass die Menschen in Tschernobyl sich der Katastrophe überlassen müssen und auch allein gelassen sind. Erst 36 Stunden später holen Busse die Menschen aus der unmittelbaren Gefahrenzone. „Es gibt keinen Notausgang für uns, Valerij“, resümiert ein Bandmitglied, als sie am Sonntagmorgen auf einem Lastenkahn direkt am leck geschlagenen Reaktorblock vorbeifahren. Der Film startet am 21. April in den Kinos. An einem Samstagabend ins Kino zu gehen, lohnt sich für diese Geschichte nicht.

In 3-D-Technik wirken die Tanzfiguren nachhaltiger. Fotos (3): Donata Wenders

Pina Bausch selbst konnte die Fertigstellung des Films nicht mehr erleben.


KULTUR

Montag

14. Februar 2011

DIE 61. INTERNATIONALEN FILMFESTSPIELE IN BERLIN Leise Töne in „Yelling to the sky“ Ein stummer BERLIN (tja) Schrei erreicht den Himmel über einem New-Yorker Vorstadtviertel regelmäßig. Ausgestoßen wird er von der 17-Jährigen Sweetness O‘Hara (Zoë Kravitz). Ihre schwarze Mutter Lorene ist depressiv. Ihr weißer Vater Gordon – irischer Abstammung – trinkt, statt mit Taxi fahren Geld zu verdienen. Die Familienstimmung ist bedrückend. Sweetness wird in der Schule gemobbt. Ihr ältere Schwester Ola haut sie wahrlich aus manch brenzliger Situation heraus. Bis Ola eines Tages hochschwanger verschwindet. Auch ihre Mutter geht. Sweetness muss allein zurechtkommen. Zoë Kravitz, Tochter des Sängers Lenny Kravitz, spielt den Charakterwandel von der neugierig-schüchternen Sweetness zur Drogen vertickenden, coolen Cliquenführerin überzeugend. Sie will raus aus dem Elend, dafür braucht sie Geld. Ihr bester Freund Roland, ein Drogendealer, der mit seinem Geld Familien im Viertel unterstützt, soll ihr dabei helfen. Als er erschossen wird, stürzt sich Sweetness in Alkohol und Drogen. Viele Klischees und dennoch: „Yelling to the sky“, der Berlinale Wettbewerbsbeitrag von Regisseurin Victoria Mahoney, kommt ohne viel Geschrei aus. Es sind die ungesagten Worte, die Gesten der Mimen, die berühren. Ein klassisches Happy-End lediglich angedeutet, bleibt aber bittersüß. ■

KLAPPE, DIE 3. Filmmusik:

Wie im Zirkus Freitagabend am Potsdamer Platz: Es ist wie im Zirkus: Die Scheinwerfer strahlen zum Teil heller als die Filmweltstars. Durch die Absperrgitter mit Überdachung galoppieren Zuschauer, die von den Kartendompteuren als gezähmt ins Zirkustreiben geschickt werden. Ähnlich geschmückten Zirkuspferden hüpfen berühmte oder weniger berühmte Schauspieler oft im Gespann mit ihrem Lebenspartner aus ihren Wagen, um zum Wettbewerbsbeitrag „Margin Call“ in der Arena – auf dem Roten Teppich vor dem Berlinale Palast am Potsdamer Platz – zu landen. Sie spielen ihre Rolle perfekt. Ich stehe in der zweiten Reihe, beobachte Hauptdarsteller und Statisten. Letztere drängen sich am ArenaRund, wollen einen Blick und vor allem ein Autogramm von Kevin Spacey oder anderen ganz berühmt aussehenden Typen. Ohne Bildunterzeile erkenne ich die meisten nicht. Von der Frau, die sehr ausführlich vor der Kamera posiert, ja sich beinahe anbiedert, mag sich niemand ein Bildchen signieren lassen, auch nicht von Berlins regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit. Ein bisschen Gewieher aller Rote-Teppich-Beschreiter, dann habe ich genug von dem Zirkus. Der bekommt am Sonntag eine Live-Band: Rupert‘s kitchen orchestra begeistert Kollegin Barbara ebenso wie die Ordnungsdompteure. Rupert‘s kitchen orchestra hat sich vorgearbeitet und darf in der Arena bleiben. Am Sonnabend hab ich die drei Männer und eine Frau noch auf einer Verkehrsinsel vor dem S-Bahnhof Potsdamer Platz entdeckt. Eine ganz persönliche Filmmusik für die Mitwirkenden im täglich laufenden Dokumentarfilm: Berlin ist eine Weltstadt – und ein riesiger Zirkus mit allerlei bunt gekleideten Darstellern. ■

Als junger Hirtenjunge (Fahri Yardim) schmachtet Großvater Hüseyin Yilmaz die schönste Frau in seinem anatolischen Dorf – seine spätere Frau Fatma – an und entführt sie auf seinem Esel letztlich bis nach Deutschland. Foto: Christian Hartmann, RoxyFilm

Willkommen in Deutschland Konkurrenzlos komisch: „Almanya“ von den Samdereli-Schwestern Von Barbara Jasper

BERLIN In „Almanya – Willkommen in Deutschland“ erzählen die Schwestern Yasemin und Nesrin Samdereli von der Familie Yilmaz. Vater Hüseyin war 1964 als der eineMillion-und-erste Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Später holte er seine Familie nach. ■

An der Wand hinter der Lehrerin hängt eine große Landkarte. Darauf stecken viele bunte Papierfähnchen mit Namensschildern. Für jedes Kind aus der Klasse steckt ein Fähnchen an dem Ort, aus dem es stammt. Nun ist der kleine Cenk an der Reihe.

Zwar wurden er wie auch seine Eltern in Deutschland geboren, doch das zählt für die Lehrerin nicht. Cenks Großvater kommt nämlich aus Anatolien. Das Fähnchen steckt sie also – oh, die Karte reicht bloß bis Istanbul – einen halben Meter weiter rechts auf die weiße Wand. Mit zuweilen bissigem, zumeist aber unglaublich herzlichem Humor bearbeitet „Almanya“ das derzeit so breit diskutierte Integrationsthema. Und siehe da, mit einem Lachen geht es schon viel besser. So ein kleines, verirrtes Fähnchen sagt doch ganz anschaulich, was es mit dem viel zitierten Migrationshin-

tergrund so auf sich haben kann. „Almanya – Willkommen in Deutschland“ erzählt die Geschichte von Hüseyin Yilmaz, der in den 1960er Jahren als türkischer Gastarbeiter in die Bundesrepublik kam. Cenk ist Hüseyins jüngster Enkel. Zur Familie gehören außerdem Hüseyins Frau Fatma, vier gemeinsame Kinder sowie deren Partner und Kinder. Beim Familientreffen herrscht ein lustiges Durcheinander aus Türkisch und Deutsch. Doch alles verstummt, als Großvater Hüseyin (Vedat Erincin) stolz verkündet, in der alten Heimat Anatolien ein Haus für

die gesamte Familie gekauft zu haben. Den nächsten Urlaub würden alle gemeinsam dort verbringen. Familienurlaub in einem ostanatolischen Dorf? Das Entsetzen der Anwesenden ist groß. Den Begriff Heimat bringt niemand von ihnen damit in Verbindung. Doch der Großvater schafft es, alle an Bord zu bekommen. So beginnt auf der Leinwand eine äußerst amüsante Bilder-Reise. Denn unterwegs erzählt Cenks ältere Cousine Canan (Aylin Tezel) dem kleinen Jungen die Geschichte ihrer Großeltern. Da schmachtet der noch junge Großvater (Fahri Yardim) als Hirtenjun-

ge der schönsten Frau im Dorf – Großmutter natürlich – hinterher, als sie das Wasser vom Brunnen holt. Aus Versehen berührt er sie am Arm, und schon ist sie entehrt. Also muss Großvater sie auf seinem Esel entführen. Leider läuft „Almanya“ im Berlinale-Wettbewerb außer Konkurrenz. Preise wird er also nicht bekommen. Dafür kommt er ab 10. März ins Kino und findet hoffentlich ein großes Publikum. Die Schwestern Yasemin und Nesrin Samdereli konnten für ihren Film aus ihrer eigenen Famlienerfahrung schöpfen. Vielleicht ist „Almanya“ deshalb so ehrlich komisch.

Scherenschnitt in 3 D „Les Contes de la Nuit“: Michel Ocelot zaubert im Wettbewerb Von Barbara Jasper

BERLIN Der Sonntag im Berlinale-Wettbewerb stand ganz im Zeichen der Brille. Alle drei Filme gab es in 3-D-Technik zu sehen. Das Publikum sah an diesem Tag also etwas anders aus als sonst, geschmückt mit den großen 3-D-Brillen. Und es sah auch etwas anderes als sonst im Wettbewerb, nämlich eine Animation. Nur dieser Trickfilm von Michel Ocelot geht ins Rennen um den Goldenen Bären. Wim Wenders‘ und Werner Herzogs 3-D-Beiträge laufen ■

außer Konkurrenz. Ob nun gerade Ocelots fantastische Geschichten die dritte Dimension brauchen, ist fraglich. Sicherlich können seine Geschichten der Nacht (Originaltitel: „Les Contes de la Nuit“) auch ganz herkömmlich verzaubern. Sechs Geschichten sind es, die Ocelot erzählt: von schönen Prinzessinnen, bösen Zauberern, goldenen Städten, tapferen Helden und guten Feen. Es sind Märchen, Sagen und Fabeln, die so ganz anders als Disneys Blockbuster viel Raum für Fantasie

lassen. Das Faszinierende: Vor buntem Hintergrund tanzen, kämpfen, reiten, leiden und lieben schwarze Scherenschnitt-Figuren. Den Rahmen bildet ein verlassenes Kino, in dem sich abends ein Mädchen, ein Junge und ein alter Techniker treffen. Gemeinsam erfinden sie ihre Geschichten, gestalten Kostüme und verschwinden hinter den Vorhang. Es wird dunkel, der Vorhang hebt sich, die Vorstellung beginnt. Sechs Mal geht der Vorhang auf und wieder zu. Am Ende hat Michel Ocelot dem

Publikum geliefert, was er versprach: anderthalb schöne Stunden und dann etwas An-

genehmes, das im Inneren schwingt. Das muss Zauberei seien.

„Sing Your Song“

Die Scherenschnittfiguren von Michel Ocelot verzaubern. Foto: Nord-ouest Films – Studio O – StudioCanal

Schlapp im Wettbewerb: „Schlafkrankheit“ von Ulrich Köhler Von Barbara Jasper

BERLIN Dieser Film hätte zunächst einmal einen anderen Titel verdient. „Schlafkrankheit“ ist ja für sich genommen schon eine kleine Gemeinheit. Dass er dazu noch früh am morgen auf der Berlinale gezeigt wurde, macht die Sache nicht besser. Dabei kann sich der Wettbewerbsbeitrag von Ulrich Köhler durchaus sehen lassen. Jedenfalls im ersten Teil, in dem er die Zuschauer sozusagen vom Kinosessel abholt und sie mitnimmt nach Afrika, nach Kamerun, zur Familie des Entwicklungshelfers Dr. Ebbo Velten (Pierre Bokma). Wir steigen also zu Ebbo und seiner Frau Vera (Jenny Schily) ins Auto und nehmen auf dem Rücksitz Platz, neben der jugendlichen Tochter Helen (Maria Elise Miller). Sie lebt seit zwei Jahren in einem hessischen Internat und besucht ■

Rupert‘s kitchen orchestra.

SPLITTER Pop-Ikone Madonna ist doch zur Präsentation ihres neuen Films nach Berlin gekommen. Am Samstagabend stellte sie in einem Kino am Potsdamer Platz Filmverleihern aus aller Welt Sequenzen aus ihrem neuen Spielfilm „W.E.“ vor. In dem Historiendrama geht es um die Liebesaffäre des britischen Königs Edward VIII. mit einer Bürgerlichen. Zuvor war tagelang spekuliert worden, ob die 52-Jährige zur Berlinale kommt. Der Öffentlichkeit zeigte sie sich nicht.

Ulrich Köhler verliert seinen Weg in Afrika. ihre Eltern in Afrika. Die Situation ist nicht einfach: Die Tochter hat mit Afrika nichts am Hut und absolviert dort einen lästigen Pflichtbesuch. Vera freut sich auf die bevorstehende Rückkehr nach Deutschland, wo

Foto: Patrick Orth, Komplizen Film

sie einen Buchladen eröffnen wird. Ebbo plant zwar nach vielen Jahren die Abreise aus Kamerun, kann sich aber doch nicht lösen und hat Angst vor dem unbekannten neuen Leben in Hessen. In

BERLIN (ja) 100 wundervolle Minuten schenkt uns Susanne Rostock mit ihrer Dokumentation „Sing Your Song“, einer Biografie von Harry Belafonte. Der Film läuft in der Abteilung Berlinale Special und wird hoffentlich demnächst auch in unseren Kinos zu sehen sein. Denn das Portrait des bald 84-jährigen afroamerikanischen Sängers, Schauspielers, Bürgerrechtlers und Menschenrechtsaktivisten ist einfach mitreißend. Da sitzt kein alter Mann im Lehnstuhl und erzählt von den Heldentaten seiner Jugendzeit. Nein, Harry Belafonte reist auch heute noch herum, besucht die Ärmsten und setzt sich für deren Rechte ein. „Er hat unser Anliegen zu seinem Anliegen gemacht“, sagt Dr. Martin Luther Kings Frau im Film. „Sing Your Song“ ist streng chronologisch und lässt Harry Belafonte seine Geschichte von Anfang an erzählen. Es gibt weder verwirrende Zeitblenden noch inhaltliche Sprünge, dafür eine Fülle spannenden Filmmaterials aus den 1950er und 1960er Jahren, selbstverständlich immer wieder Songs aus den jeweiligen Jahren sowie Kommentare der unzähligen prominenten Wegbegleiter. Das alles hat Susanne Rostock perfekt komponiert. Getragen wird der Film aber letztlich von Harry Belafonte selbst, der von seinem Charisma und seinem Optimismus in all den Jahren nichts eingebüßt hat. ■

Schlaflos in Afrika

Antje Jusepeitis

Zoë Kravitz überzeugt.

Afrika leitet Ebbo als Arzt ein Projekt gegen die Schlafkrankheit. Jahr für Jahr wird es verlängert. Internationale Gelder fließen. Ob das alles überhaupt noch sinnvoll ist, weiß Ebbo selbst nicht. Die Seuche

ist längst besiegt, Erkrankte gibt es kaum noch. Aber Ebbo kann sich nicht von seinem Dasein als Entwicklungshelfer lösen. „Schlafkrankheit“ ist kein Film über Afrika. Es ist ein Film über Menschen aus Europa, die auf dem fernen Kontinent etwas suchen und sich selbst dabei verlieren. Leider bleiben im zweiten Teil des Films auch die Zuschauer auf der Strecke und stehen am Schluss so verloren da wie der junge Arzt Alex Nzila (Jean-Christophe Folly). Er ist aus Frankreich angereist, um das Schlafkrankheit-Projekt zu begutachten. Und dann landet er im afrikanischen Wald – barfuß, ohne Brille, im dreckigen Hemd. Die Botschaft, die der Film sendet, ist deutlich: Entwicklungshilfe ist ein schwieriges Feld. Den richtigen Weg gibt es nicht. Aber das wusste man schon vorher.


KULTUR

Sonnabend

12. Februar 2011

DIE 61. INTERNATIONALEN FILMFESTSPIELE BERLIN

Die Geister der Wall Street Skrupellose Finanzjongleure: „Margin Call“ mit Kevin Spacey und Jeremy Irons im Wettbewerb Von Sandra Kurtz ■

Premiere:

Huch, ein Star Ich gebe zu, ich bin aufgeregt, als ich morgens zum roten Teppich vor dem Berlinale Palast hetze. Der erste Film meiner ersten Berlinale, bei der ich zu den Pressevorführungen darf, soll es werden. Immerhin laufe ich neben dem roten Teppich, meinen Kollegen aus Spanien, England, Holland und Dänemark hinterher. War es wirklich der Berlinale Palast oder doch das Cinemaxx nebenan, wohin ich muss? Welcher Saal da? Wo ist denn mein Programmheft, wo der ausgeklügelte Filmplan, den wir drei Reporterinnen von unserer Zeitung uns ausgedacht haben? Und wofür stehe ich hier an 233. Position an? Tatsächlich für Kevin Spacey oder doch für einen japanischen Zeichentrickfilm? Drei Meter weiter schüttelt plötzlich Wim Wenders sein Haar kurz vor dem Interview. Huch, ein Star, in echt. Ich trabe wie ein Lemming in den Kinosaal, setze mich. Hoffentlich taucht der Name Spacey oder Irons gleich auf der Leinwand auf. Er tut es, und ich entschwinde erst einmal zur Wall Street. Wieder aufgetaucht, suche ich das Akkreditierungsbüro, mir fehlt noch ein Vermerk auf meiner Plastekarte. Ich bin sonst selten am Potsdamer Platz, muss suchen. Ich gehe durch irgendeine Tür, weil an einer anderen steht, dass man mir hier keine Fragen beantwortet. Da sitzen lauter Journalisten, tippen oder besprechen I-Pods und Pads und arbeiten schon. Ich suche noch immer meinen Schalter, finde nur einen Fahrstuhl, in dem Anke Engelke steht und in die sechste Etage will. Ich will nur in die erste, finde aber tatsächlich die sechs Meter breite Treppe erst im zweiten Anlauf. Oben schreien Fotografen „Kevin, Kevin, look, please!“ Ehrlich, der Spacey-Kevin? Vor der blauen FotoWand steht die Crew von meinem Wall Street-Thriller, die Fotografen schreien sich die Seele aus dem Leib. Ich sehe nur deren Rücken, fünf Meter vor mir, hinter einem Absperrband, gut geschützt vor neugierigen Blicken ohne Zulassung. Auf einem kleinen Monitor kann ich sie entdecken, die Männer aus Hollywood. So also funktioniert ein Photo-Call. Die Pressekonferenz allerdings ist schon voll. Was sollte ich Jeremy Irons auch sagen: „Hi, I‘m Sandra Short from Orangecastle!“? Sandra Kurtz ■

Da sind sie und scherzen, Jeremy Irons (links) und Kevin Spacey. Foto: dpa

BERLIN (dpa) Es war der größte Erfolg des brasilianischen Kinos: „Tropa de Elite“ über den Drogenkrieg in den Slums von Rio de Janeiro sahen rund elf Millionen Menschen. Regisseur José Padilha, der damit 2008 den Goldenen Bären gewann, ist gestern mit einer Fortsetzung in der Panorama-Reihe zur Berlinale zurückgekehrt. Und wie im ersten Film erzählt „Tropa de Elite II“ die Geschichte der Gewalt aus der Sicht des Offiziers eines Einsatzkommandos der Polizei mit viel Blut, Schüssen und einer starken Dosis Politik. Während sich aber im ersten Film der Kampf gegen die Rauschgiftmafia vor allem in den Armenvierteln rund um den Zuckerhut abspielt, rückt die Fortsetzung den Blick auf die Politiker. „Der Feind sitzt woanders“, lautet dann auch der Untertitel des Films – nämlich in den Büros von Abgeordneten, Beamten und dem Gouverneur von Rio. Immer wieder reflektiert „Capitao Nascimento“ (Walter Moura) aus dem Off über das System der Gewalt, an dem er nun nicht mehr an vorderster Front mit seiner Elitetruppe beteiligt ist, sondern als Beamter im Sicherheitsministerium. Und er merkt schnell: Es sind die korrupten Politiker, die den Ausnahmezustand in den Slums aufrechterhalten und sich so eine Machtbasis für illegale Geschäfte und den Wahlkampf sichern. Nascimento ist da nur Teil eines großen Schachspiels und bleibt am Ende eine tragische Gestalt. Rasante Kamerafahrten, minutenlange Schusswechsel, viel Blut und hämmernder Rap als Begleitmusik – „Tropa de Elite II“ knüpft an neuere amerikanische Gangsterfilme an, verliert dabei aber die Hintergründe nicht aus dem Blick. „Brasilien hat Gewalt und Korruption noch lange nicht im Griff“, sagte Padilha auf der Berlinale. Das habe auch die Besetzung der „Favelas“ durch die Polizei von Rio Ende 2010 gezeigt. „Ich habe eine sehr schlechte Fantasie und deswegen ist alles, was in meinen Filmen vorkommt, so oder ähnlich passiert.“ ■

BERLIN Ein wenig wird der Zuschauer wie ein Golden Retriever behandelt, wenn er sich für „Margin Call“ von JC Chandor in den Kinosessel sinken lässt.

KLAPPE, DIE 2.

Drogenkrieg in den Slums von Rio

„Erklären Sie mir das wie einem Kind oder einem Golden Retriever. Ich sitze nicht in diesem Stuhl, weil ich so viel Hirn habe.“ Das sagt John Tuld (Jeremy Irons). Er ist der Boss, der nachts um 4 Uhr mit seinem Helikopter einfliegt, um hoch über der Wall Street zu landen und die weltweite Finanzkrise 2008 mit dem totalen Ausverkauf seiner Bank anzustoßen. Die Kisten der Mitarbeiter, die neben den auch nachts flackernden Rechnern stehen, sehen aus wie die der Mitarbeiter der Bank Lehmann Brothers. Sam Rogers (Kevin Spacey) trägt Hosenträger wie einst Gordon Gekko in „Wall Street“. Es wirkt wohl bekannt und klischeehaft, was sich das junge Produzenten-Team da erdacht hat. Die Protagonisten kauen Nikotin-Kaugummis, während ihre Kollegen gefeuert werden. Tut mir leid, Jared. Tut mir leid, Sarah. Wird schon. Die ersten aus dem Risiko-Management müssen gehen. Warum, erfährt der Zuschauer nicht. Dafür werfen sich die Makler Zahlen zu – wie viel Boni sie erreicht haben, wie viel ihres 2,5 Millionen Euro Gewinns sie für das Haus der Familie und für Nutten ausgegeben haben. Sam Rogers weint

Sie haben überlebt, sie sind die besten, gibt Sam Rogers den Nicht-Gekündigten mit auf dem Weg. während der „hässlichen“ Kündigungsorgie“ über seinen Hund, der einen LeberTumor hat. Nur einer, Jared Cohen, steckt seinem Mitarbeiter noch einen Stick zu, bevor er sein Handy abgeben und nach Jahren in der Firma seine Kisten packen muss. „Seien Sie vorsichtig“ gibt er dem 28-Jährigen Peter Sullivan mit auf dem Weg. Der ist eigentlich Ingenieur und beginnt mit Hilfe der Formeln auf dem Stick, zu rechnen. Er begreift und telefoniert einmal. Die Maschinerie des Finanzmanagements setzt

sich daraufhin in Gang, der Helikopter fliegt ein. Eine Entscheidung wird angesichts des fatalen Fehlers, der jeglichen Handel an der Börse wertlos macht, gefällt. Alles verkaufen, sofort. Von diesem Augenblick an zerbröckelt die klareschwarz-Zeichnung der Figuren. Jeder darf mal ein paar Sätze sagen, die geistreich sind und moralische Überlegungen unter den glatt gebügelten Hemden aufblitzen lassen. Aber keiner kann sich wirklich zeigen, charakterliche Tiefe beweisen. Sie bleiben Hüllen für Dialoge, in

denen allzu oft „fucking“ als Ausdruck höchster Verzweiflung zu hören ist. Kevin Spacey schenkt seiner Figur des bis dato gnadenlosen Leitwolfs durch sein Spiel den glaubwürdigsten Wandel. Die höchste menschliche Regung zu der er dennoch fähig ist, ist am Ende das Schaufeln des Grabes für seinen Hund. „Hätte ich Löcher gebuddelt, würde man wenigstens etwas von meiner Arbeit sehen“, sagte er zuvor John Tuld, seinem Helikopter-Boss. Dem will er kündigen, nachdem er den Börsencrash durch den tota-

Foto: Berlinale len Ausverkauf eingeleitet hat. Aber er braucht das Geld, das ihm John Tuld für weitere zwei Jahre anbietet. „Wir werden viel Geld verdienen, Sam, wenn das hier überstanden ist.“ Der Zuschauer, dem ein komplexer finanzwirtschaftlicher Vorgang im Hundeknochen-Format schmackhaft gemacht werden soll, bleibt ratlos zurück. Zorn, Ekel und nicht Empathie schlagen der Leinwand entgegen. Sprachlosigkeit bleibt, denkt man an die Leute, die uns die reale Finanzkrise eingebrockt haben.

Bedrückendes Rollenspiel „Tomboy“ aus Frankreich von Céline Sciamma eröffnet die Sektion Panorama Von Barbara Jasper

BERLIN Es ist ein ganz kleiner Moment, den Laure zögert, als sie nach ihrem Namen gefragt wird. „Michael“, sagt sie dann. Denn die zehnjährige Laure (Zoé Héran) sieht nicht nur aus wie ein Junge, sie möchte dieser Junge auch unbedingt sein. Als sie mit ihrer Familie in eine neue Wohnung gezogen ist, trifft sie auf die neuen Kinder aus der Nachbarschaft. Für die neuen Freunde ist sie also Michael, der Fußball spielt und sich auch mal rauft. ■

Wie sich Jungs bewegen, schaut sich Laure alias Michael ganz genau ab. Tatsächlich verschwindet das Mädchenhafte immer mehr aus ihrer Erscheinung. Es gibt reichlich Stolperfallen bei diesem Rollenspiel, angefangen bei der kleinen Schwester, die der Sache auf die Schliche kommt und den Eltern nichts verraten darf, bis zum gemeinsamen Baden mit den Freunden im Waldsee. Noch dazu verliebt sich Lisa (Jeanne Disson) in Michael. Das könnte alles ziemlich verzwickt und komisch wir-

ken. Doch Céline Sciamma hat mit „Tomboy“ einen eher stillen und trotz seiner Leichtigkeit ziemlich traurigen Film geschaffen. Denn dass Laures Rollenspiel irgendwann auffliegen wird, ist von Anfang an sicher. Und was dann? Eine Lösung gibt es nicht, und so verabschiedet sich „Tomboy“ mit einem unglaublich bedrückenden Lächeln. Es gibt am Ende die gleiche Szene wie am Anfang: Laure wird nach ihrem Namen gefragt. Sie zögert, lächelt schwach und antwortet: „Laure“.

SPLITTER Laure, die Michael sein möchte.

Foto: Berlinale

Meeresrauschen in Moll „El Premio“ von Paula Markovitch bleibt wohl chancenlos im Berlinale-Wettbewerb Von Barbara Jasper

Geradezu angeBERLIN nehm ist es, nach diesem Film aus dem Kino ins Freie hinauszutreten. Selbst auf dem zubetonierten, an sich hässlichen Potsdamer Platz entwickelt sich umgehend ein Gefühl von grenzenloser Freiheit. Dabei hätte „El Premio“ von Paula Markovitch ein Kinderfilm sein können, erzählt er doch aus der Kindheit in den 1970er Jahren der aus Argentinien stammenden Regisseurin. Doch diese anderthalb Stunden im Kino ziehen sich unglaublich in die Länge, während sich immer stärker ein geradezu klaustrophobisches Gefühl beim Zuschauer breit macht. Die siebenjährige Cecilia (Paula Galinelli Hertzog) haust mit ihrer Mutter in einer halb zerfallenen Hütte am Meer. Drinnen gibt es nichts weiter als einen Koffer, aus dem die beiden leben, und ein paar alte, brüchige Möbelstücke. Draußen die ■

Cecilia begreift die Welt ihrer Mutter nicht, lebt in einer Kindheit voller Fragen. endlose Weite des breiten Sandstrands, dahinter das Meer: Weder das Auge des Zuschauers noch Cecilia, die hier ihren Lebensraum hat, finden einen Halt. Zum ewi-

gen Rauschen von Wind und Wasser gesellen sich immer mal wieder düstere Klaviertöne. Das Gefühl dieser Kindheit beschreibt der Film durchaus

Foto: Berlinale

eindrücklich. Hintergründe lässt er völlig im Dunkeln, eben genauso, wie es der Siebenjährigen wohl unmöglich ist zu begreifen, warum sie mit ihrer Mutter in dieser

Hütte ausharren muss. Was ist mit dem Vater geschehen? Wird er bald kommen, oder lebt er gar nicht mehr? Antworten gibt die Mutter ihrer Tochter nicht. Was sie aber sehr wohl und auch ohne Worte vermittelt, ist die Gefahr, in der sie sich befinden. Nur in der Schule findet Cecilia vermeintlich Halt. Doch dann schreibt sie in einem Aufsatz schlecht über das Militär, was zur völligen Verwirrung des Kindes führt. Die Mutter ist zunächst in heller Aufruhr. Als Cecilia dann aber für eine Lobeshymne auf die Armee einen Preis gewinnt, ist sie wieder außer sich. Dieses unbestimmte, unangenehme, niemals leichte Kindheitsgefühl beschreibt „El Premio“, indem er sich vollkommen auf seine hervorragende kleine Hauptdarstellerin konzentriert, sehr gut. Ob aber die die Beschreibung einer kindlichen Gefühlslage den Ansprüchen der Wettbewerbsjury genügt, darf bezweifelt werden.

Panahi: An einer Solidaritätsveranstaltung nahmen gestern die Präsidenten der Filmakademie, Iris Berben und Bruno Ganz, die Filmemacher Wim Wenders und Volker Schlöndorff sowie die internationale Festival-Jury unter Vorsitz von Isabella Rossellini teil. Die Veranstaltung fand am Jahrestag der Iranischen Revolution statt. Gezeigt wurde Panahis preisgekrönter Film „Offside“, mit dem er 2006 den Silbernen Bären in Berlin gewonnen hatte. Sein Regie-Kollege Rafi Pitts, der inzwischen in Paris lebt, sagte zum Auftakt: „Die Solidarität, die es in der Filmindustrie gibt, ist sehr wichtig. Lassen Sie uns hoffen, das Jafar Panahi hier sein wird, bevor dieses Festival vorbei ist.“ Panahi sollte eigentlich Mitglied der Jury werden, durfte aber nicht ausreisen. Kurz nach seiner Einladung war er in Teheran zu sechs Jahren Gefängnis und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt worden. Er ist nur gegen Kaution frei. Schnitzel: Ethan und Joel Coen wollten lieber Schnitzel essen gehen, als sich noch mal ihren Western „True Grit“ anzugucken. Dass ein Filmteam während der Vorstellung im Berlinale-Palast den Saal verlässt, kommt vor. Aber bei der Eröffnung?


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