Einst & Jetzt: Bernau

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EINST uNd JETZT bErNau

CULT URCON medien



Frank Mangelsdorf (Hg.)

EINST uND JETZT bErNau

Texte: Horst Werner, Dieter Krause, Olav Schrรถder, Oliver Kรถhler Fotos: Sergej Scheibe, Ulli Winkler, Sรถren Tetzlaff Historische Aufnahmen: Privatsammlungen Horst Werner, Dieter Krause Dank an Bernd Eccarius-Otto, Museumsleiter Stadt Bernau, und Irmgard Krystek


ISBN 978-3-941092-81-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. CULTURCON medien Bernd Oeljeschläger Choriner Straße 1, 10119 Berlin Telefon 030 / 34398440, Telefax 030 / 34398442 Ottostraße 5, 27793 Wildeshausen Telefon 04431 / 9559878, Telefax 04431 / 9559879 www.culturcon.de Redaktion: MOZ-Redaktion GmbH Projekt-Betreuung: Gitta Dietrich Gestaltung: Katja Gusovius und Kathrin Strahl, Berlin Druck: Silber Druck OHG, Niestetal Berlin / Wildeshausen 2012 Alle Rechte vorbehalten.


Einführung

Vielleicht hat es den Sieg der Bernauer Bürger über die Hussiten nie gegeben. Jedes Jahr aber gibt es in der Stadt das Hussitenfest, eine Zeitreise in jene Epoche, als Bernau wohlhabend und weithin bekannt war und sich den Truppen des tschechischen Reformators Jan Hus mit Erfolg widersetzt haben soll. Der Reichtum von einst fand auch in den repräsentativen Häusern rund um St. Marien und dem Rathaus seinen Ausdruck. Doch die Bedeutung der Stadt ging im Laufe der Zeit verloren und die Bausubstanz litt. Vom Zweiten Weltkrieg nicht in Mitleidenschaft gezogen, waren viele der meist zweigeschossigen Fachwerkhäuser der Stadt in den ersten Nachkriegsjahrzehnten dem allmählichen Verfall preisgegeben. Ingenieure und Architekten der Bauakademie der DDR erhielten die Aufgabe, Bernau nach sozialistischen Prämissen umzugestalten. Eine Modellstadt sollte entstehen, in der sich alter Häuserbestand und moderne Plattenbauten zu einem einheitlichen Ganzen zusammenfügten. Sie sollte als Muster für die Erneuerung mittelalterlicher Klein- und Mittelstädte dienen. Dafür rissen die Planer einen Teil der maroden Gebäude ab und entwickelten Wohnhäuser

aus dem seriellen Plattensystem, die sie in den alten Häuserfluchten errichteten. Wie der Modellversuch geglückt ist, mag der Betrachter beurteilen. Noch heute prägt der Gegensatz zwischen alt und neu das Stadtbild. Von der Substanz des mittelalterlichen Bernau blieben vor allem nur die den Stadtkern umgebende Feldsteinmauer sowie die Stadtkirche St. Marien erhalten, deren mächtiges Dach auch das neue alte Bernau gestalterisch überragt. Im vorliegenden Buch „Einst und Jetzt“ ist beim Spaziergang durch die Straßen des Ortes zu sehen, wo historische Bauten die Wirren der Zeit überdauerten und wo die Moderne Einzug hielt. Es wird an ehemalige Eigentümer erinnert, an die Bäcker, Zigarrenhändler und Kolonialwarenbesitzer von Bernau. Und es werden Anekdoten erzählt, die sich an beinahe vergessenen Orten zutrugen. Für alteingesessene Bernauer ist das Buch eine Reise in die Vergangenheit ihrer Stadt, für Zugezogene eine Quelle, um etwas über die Geschichte und die Geschichten ihrer neuen Heimat zu erfahren. Frank Mangelsdorf Chefredakteur der Märkischen Oderzeitung

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Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser, ich möchte Sie herzlich zu einem Spaziergang durch die Stadtgeschichte unsere Ortes einladen. Dieses Buch ist dazu wunderbar geeignet. Zu der Idee, Fotos von einst und jetzt gegenüberzustellen und mit kurzweiligen Texten zu versehen, kann ich nur gratulieren. Bei dem einen werden dadurch Erinnerungen an die Jugendzeit wach, der andere staunt, wie es am Ort früher aussah. Bernau hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert, sein Gesicht jedoch hat es immer behalten. So manches alte Haus fiel der Abrissbirne zum Opfer, doch unsere Stadtmauer mit ihren To-

ren, Türmen und Wallanlagen hat die Jahrhunderte überlebt und präsentiert sich heute in neuer alter Schönheit. Die Stadtkernsanierung trägt gut sichtbare Früchte. Wir bewahren und verändern. Sanierte Bürgerhäuser sind bei Wohnungssuchenden heiß begehrt. Ebenso die Innenstadt-Plattenbauten. All das macht Bernau aus. Unsere Stadt wird älter, aber von Jahr zu Jahr attraktiver. Überzeugen Sie sich selbst! Ihr Hubert Handke Bürgermeister von Bernau


grusswort

Liebe Leserin, lieber Leser, ich lade Sie zu einem Spaziergang durch Vergangenheit und Gegenwart der Stadt Beeskow ein. Vieles ist seit Anfang der 1990er Jahre geschehen. Wahrscheinlich hat die Stadt bis zu diesem Zeitpunkt eine solch umfassende bauliche Entwicklung in ihrer gesamten Stadtgeschichte noch nicht erfahren. Dass dies so gekommen ist, ist sicherlich in erster Linie ein Verdienst derer, die in Stadtverwaltung und Stadtverordnetenversammlung in den Anfangsjahren nach der demokratischen Veränderung Verantwortung trugen. Viele private Eigentümer und Bauherren haben sich ebenso dem historischen Ambiente verpflichtet gefühlt. So war es zwangsläufig, dass Beeskow zu den Gründungsmitgliedern der Arbeitsgemeinschaft „Städte mit historischen Stadtkernen“ gehörte und sich bis heute gemeinsam mit 30 weiteren Mitgliedsstädten aktiv in die Arbeitsgemeinschaft einbringt. In den vorbereitenden Untersuchungen zur Stadtsanierung aus dem Jahre 1991 sind klare Aussagen enthalten, welchen Herausforderungen sich die Stadt stellen muss. Neben der Gebäudesanierung

war ein Schwerpunkt die Stadtbildaufwertung. Klug und mit Gespür für die neuzeitlichen Entwicklungen wurde der Sanierungsprozess vorangetrieben und dabei besonderer Wert auf eine nachhaltige Stadtentwicklung gelegt. Manchmal bedurfte es dazu viel Überzeugungsarbeit. Getragen war der Prozess im Kern von der Liebe vieler Beeskowerinnen und Beeskower zu ihrer Stadt. Ganz gleich, welcher Blickwinkel Ihr besonderes Interesse findet: Historie, Kunst und Kultur, Natur, Wohnen und Einkaufen, Arbeit oder Freizeit – Beeskow hat viel zu erzählen und jede Menge zu bieten. Bleibende Stadterinnerungen vermitteln geführte Stadtrundgänge, die zu den schmucken Häusern und den verborgenen Winkeln der historischen Altstadt führen. Nach einem Bummel durch die Innenstadt laden Restaurants und Cafés zum Verweilen ein. Erleben Sie Beeskow und schließen auch Sie Beeskow in Ihr Herz. Ihr Frank Steffen Bürgermeister der Stadt Beeskow


inhALt

8 _ 1964 Bahnhof

48 _ 1970 Hohe Steinstraße

10 _ 1908 Postamt

50_ 1970 Breite Straße

12 _ 1910 Herz-Jesu-Kirche

52_ 1935 Kirchplatz

14 _ 1910 Waschspüle

54_ 1960 Grünstraße

16 _ um 1960 Steintor / Hussitenstraße

56_ 1955 Stadtpark

18 _ 1954 Steintor / Berliner Straße

58_ 1955 Freilichtbühne

20_ 1968 An der Stadtmauer

60_ 1938 Schwanenteich

22_ 1955 Apothekergarten / Goethepark

62_ 1958 Henkerhaus

24_ 1958 Alte Goethestraße / Viktoriastraße

64_ 1960 An der Stadtmauer / Mühlenstraße

26_ 1965 Alte Goethestraße / Berliner Straße

66_ 1965 Am Henkerhaus

28_ 1956 Amtsgericht

68_ 1915 Wallanlagen

30_ 1918 Berliner Straße

70_ 1958 Krankenhaus

32_ 1960 Bürgermeisterstraße / Neue Straße

72_ 1962 Ilse-Klinik

34_ 1958 Bürgermeisterstraße

74_ 1962 Gaskessel

36_ 1960 Rathaus

76_ 1960 Chausseestr. / Weissenseer Straße

38_ 1880 Marktplatz

78_ 1915 Weinbergstraße

40_ 1968 Brauerstraße / Marktplatz

80_ 1965 Georgenhof

42_ 1958 Kronenstraße / Louis-Braille-Straße

82_ 1970 Wilhelm-Pieck-Straße / Mühlenstraße

44_ 1962 Kronenwirt / Louis-Braille-Straße

84_ 1910 Sankt Georgen Kapelle

46_ 1960 Parkstraße


1964

bAhnhof


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Im Jahre 1842 hat Bernau einen Anschluss an die Zugstrecke Berlin-Eberswalde bekommen. Vom 15. August 1843 an wurde die Bahnlinie bis nach Stettin (Szczecin) weitergeführt. Ab 1924 fuhren auch elektrisch betriebene S-Bahn-Züge von Berlin bis Bernau. Es war die erste elektrisch betriebene Stadtbahn der Welt im Dauerbetrieb. Die Baureihe der Züge trug den Namen Bernau. Vor allem für die arbeitende Bevölkerung war die Strecke Richtung Berlin attraktiv. Bernau wurde bald zu einem beliebten „Wohn- und Schlafplatz“. Die Züge fuhren pünktlich und bei jedem Wetter. An den Gebäuden hat sich seit der Hochlegung der Gleise nicht mehr viel verändert. Im unteren Geschoss des Bahnhofsgebäudes war auf der linken Seite neben der Bahn-

hofshalle eine Gaststätte untergebracht. Darüber befanden sich Mietwohnungen. Auf dem Vorplatz hielten die Busse. Davor lag ein kleiner Park, der schön angelegt war und mit vielen Bänken zum Verweilen einlud. An der rechten Seite hatten die Taxen ihren Platz, sie waren mit einem karierten Band versehen und warteten dort auf ihre Kunden. Der Platz war insgesamt ordentlich und sauber und machte auf die Bernauer und die Besucher der Hussitenstadt einen guten Eindruck. Zu verdanken dürfte dies auch dem Parkwächter der Stadt gewesen sein, der mit seinem Hund durch die Grünanlagen patrouillierte und vor dem die jungen Burschen zu jeder Zeit Respekt hatten.


1908

postAmt


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Seit 1713 gab es in Bernau ein „Königliches Postamt“, das sich im Wohnhaus des jeweiligen Posthalters befand. Ab 1871 wurde es zum „Kaiserlichen Postamt“. Doch die Stadt entwickelte sich weiter. Die Bahn wurde gebaut und die ersten Fernsprechanlagen eingerichtet. Der Bernauer Chronist August Wernicke schrieb, dass die Eisenbahn für Bernau der Hebel allen Verkehrs wurde. „Seit der Eröffnung der Eisenbahn am 1. August 1842 vermittelt diese für Bernau den Postverkehr.“ Briefe, Zeitschriften, „Werthsendungen“ und „Packete“ wurden „bei den eintreffenden Zügen auf dem Bahnhof in Empfang genommen resp. abgeliefert“. So wurde es notwendig, ein eigenes Gebäude zu errichten. Im Jahre 1906 wurde das „Kaiserliche Postamt“ in der Nähe des Bahnhofs gebaut. Dort konnte der große Andrang abgearbeitet werden. Lange Schlangen gab es aufgrund der vielen Schalter nicht, reichlich Betrieb herrschte trotzdem.

Weil das Gelände ziemlich sumpfig war, wurde das Gebäude auf einer Betonwanne errichtet, die auf Pfähle gestellt war. Auffällig ist an dem schönen Jugendstilbau das große kaiserliche Adlerwappen schräg über dem Eingangsportal sowie das riesige Dach mit den kleinen Gauben. In der oberen Etage befanden sich zahlreiche Büros. 1929 wurde hier das modernste Telefonsystem Deutschlands von Siemens errichtet. Es war bis in die DDR-Zeit hinein in Betrieb. Dies ist bemerkenswert, da sich Bernau mit der Einführung des Telefons schwer tat. Das Rathaus erhielt erst sehr spät eine Telefonanlage. Schon seit einigen Jahren wird das Gebäude nicht mehr als Postamt genutzt. Nachdem es längere Zeit leer stand, wird dort gegenwärtig Eis aus eigener Herstellung in einem kleinen Café verkauft. Auch heute noch, ohne Antenne, Dachgauben oder kaiserlichem Adler, ist das Gebäude ein besonderes Aushängeschild für Bernau.


1910

hErz-jEsu-kirchE


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Die Herz-Jesu-Kirche ist die katholische Pfarrkirche von Bernau. Sie wurde 1907/08 nach den Plänen des Charlottenburger Architekten Paul Ueberholz im neogotischen Stil als einschiffige Hallenkirche aus Backstein errichtet. Der Turm der Kirche ragt 66 Meter in die Höhe. Mit ihrem alten Kreuz überragt sie auch die spätgotische Kirche St. Marien. Der Bernauer Stadtpfarrer Carl Ulitzka drängte auf den Bau des Gotteshauses. Der Grundstein wurde nach Angaben des Bernauer Stadtchronisten Ernst Koch am 26. Mai 1907 durch den Berliner Fürstbischöflichen Delegat Prälat Carl Kleineidam gelegt. Andere Veröffentlichungen nennen den 23. Mai als Tag der Grundsteinlegung. Am 13. September 1908 zelebrierte der Breslauer Fürstbischof Kardinal Kopp die Weihe. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden für Gottesdienste die beengten Räumlichkeiten in

der Tuchmacherstraße genutzt. Dort befand sich die katholische Schule, die nach dem Bau aufgelöst wurde. Seit 1977 steht die Herz-Jesu-Kirche unter Denkmalschutz. Auf der rechten Seite der Kirche befand sich das alte Postamt. Sehr dominant steht hier ein großes Haus vor der Kirche. Dort befand sich einst die Traditionsgaststätte „Glaskasten“. Heute existiert diese Kneipe nicht mehr. Auch in der Bahnhofstraße wurden Häuser abgerissen. An ihrer Stelle entstanden zahlreiche Neubauten. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, auf dem Vorplatz des Bahnhofs, war ein hübscher Park angelegt. Gäste, die nach Bernau kamen, konnten sich hier sofort willkommen fühlen. Heute prägen dort Bauzäune das Bild. Die Erneuerung des Bahnhofsvorplatzes hat 2010 begonnen.


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