Gartenseite August

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31.08.12 16:10:04

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RUND UM OBERHAVEL

Sonnabend

1. September 2012

MENSCHEN UND IHRE GÄRTEN: CHRISTINE WITTEMANS AUS STÖFFIN

Freude am Gärtnern OBERHAVEL/OSTPRIGNITZRUPPIN (pw) Bei „Menschen und ihre Gärten“ ermöglichen uns leidenschaftliche Gartenliebhaber und Pflanzenfreunde Einblicke nicht nur in ihr Gartenreich, sondern auch in ihr Leben. Von April bis Oktober werden Privatgärten und ihre Besitzer vorgestellt. Wenn Sie sich, liebe Leserin und lieber Leser, ebenfalls an unserer Serie beteiligen wollen, melden Sie sich bei uns oder machen Sie Vorschläge, wenn Sie außergewöhnliche, bezaubernde, naturnahe oder auch einfach liebevoll gestaltete Anlagen in den Altkreisen Oranienburg, Gransee oder Neuruppin kennen. ■

Schmackhaft: Die Blütenblätter der „Rose de Resht“ werden geerntet und verarbeitet.

Dekorativ: Der Schnittknoblauch schmeckt etwas milder als die übliche Knoblauchzwiebel.

Lilienblüte mit zitronigem Abgang Gärtnerin und Köchin experimentiert mit Wildkräutern, Blüten und nichtalltäglichen Gemüsesorten Von Petra Wolf

NEURUPPIN/STÖFFIN Einen Garten der anderen Art stellen wir heute in unserer Serie „Menschen und ihre Gärten“ vor. Christine Wittemans aus Stöffin züchtet Kräuter und alte Gemüsesorten.

Kontakt: Oranienburger Generalanzeiger Lehnitzstraße 13 16 515 Oranienburg Jürgen Liebezeit ✆ (0 33 01) 59 63 51 Petra Wolf ✆ (03 30 56) 7 44 89

Bevor die Gäste von Christine Wittemans Messer und Gabel in die Hand nehmen, zücken sie erstmal ihren Fotoapparat. Die Salatkreation aus Löwenzahn, Gundermann und Giersch – garniert mit Phlox- und Dahlienblüten, ist fast zu schön, um gegessen zu werden. Seit einiger Zeit hat die Chefin des „Landhauses Wittemans“ einen neuen Lebensmittelpunkt gefunden. In ihrer Manufaktur stellt sie handgemachte Delikatessen aus ihrem Garten her. Dabei experimentiert sie mit einer Lust und Leidenschaft, die ansteckend ist. Auf dem 6 500 Quadratmeter großen Gartengrundstück findet sich fast alles, was die 57-Jährige zur Herstellung ihrer Marmeladen, Limonaden, Pestos, Liköre oder Grillsaucen benötigt. Ihre Kreativität kennt keine Grenzen. Viele Anregungen findet sie in Kochbüchern, die ihre Bücherregale füllen. Doch die meisten Inspirationen holt sie sich aus ihrem Garten. Dort wachsen Kräuter und Duftpflanzen mit wohlklingenden Namen wie AnisYsop, Ananas-Salbei oder Co-

Lecker: Paprikaschoten.

Aus den Rezeptbüchern Zwei ihrer Rezepte stellt Christine Wittemans unseren Lesern zur Verfügung: Thymiantorte Für diese leckere Torte mischt Christine Wittemans ein Pfund Quark mit 500 Milliliter Thymiansirup, 500 Gramm geschlagener Sahne und Gelatine. Diese Masse wird auf einem Tortenboden verteilt, kann aber auch als Dessert gegessen werden.

Formschön: Die Flaschentomaten brauchen Zeit bis zur Reife. la-Kraut. „Das ist ein Kampferkraut“, erklärt Christine Wittemans. „Die jungen Blattspitzen eignen sich zum Würzen von Quarkspeisen oder Salaten.“ Das japanische Pfefferblatt duftet nach einer Mischung aus Melisse und Zitronen-Eukalyptus. Das Zitronen-Johanniskraut eignet sich bestens zur Herstellung eines wohl schmeckenden Entspannungstees. Es ist zwar schon verblüht, doch auch mit seinen roten Fruchtständen sieht es sehr dekorativ aus. Daher wird es in Gärtnereien oft zum Binden von Blumensträußen verwendet. Natürlich fehlt auch die Stevia – das Süßkraut aus Südamerika – nicht im Wittemans-Garten. Der „grüne“ Süßstoff hat eine

Christine Wittemans freut sich schon auf die Ernte, denn auch die Königin der Blumen steht nicht nur zur Zierde im Garten. „Wie aus vielen Kräutern mache ich auch aus den Rosenblättern Limonade, oder gebe sie zu Fruchtmischungen. Besonders lecker ist Erdbeere mit Eierlikör und Rose. Ich muss aber erstmal neuen Eierlikör machen, dann wird weiter produziert.“ Um die herrliche Taglilienblüte, die die Gärtnerin abpflückt, um sie zu verspeisen, kann es einem fast leid tun. „Na ja, schmeckt ein bisschen fad“, gibt sie zu, „aber im Abgang zitronig, ein bisschen wie Sahnepudding“. Unter dem schützenden Dach des Folienhauses wach-

Aus der kleinen Welt der Früchte und Kräuter zurück ins Leben

Blattsalat, Franzosenkraut, Spitzen der Vogelmiere, Giersch, Löwenzahn und Spitzwegerich werden mit Blüten von Kapuzinerkresse, Phlox, Dahlien, Rosen und Schnittknoblauch garniert. Dazu wird ein Dressing eigener Wahl gereicht. (pw)

NEURUPPIN/STÖFFIN (pw) „Wann das mit meiner Leidenschaft fürs Einkochen angefangen hat, kann ich gar nicht sagen“, meint Christine Wittemans. Doch dann erinnert sie sich daran, dass sie schon zu DDR-Zeiten Senfbirnen eingemacht hat und entsprechende Rezepte aus der Frauenzeitschrift „Für Dich“ sammelte. Erste Erfahrungen mit essbaren Blüten machte sie vor Jahren mit einer Dahlie, die ihr auf einem Salat serviert wurde. „Damals habe ich mich gefragt, ob das nett gemeint war oder ein persönlicher Anschlag sein sollte.“ Dann kaufte sie sich die ersten Kochbücher, denen unzählige folgten. Inzwischen führt sie eigene Rezeptbücher, in denen sie ihre Kreationen notiert. Viele Jahre stand Christine Wittemans in der Küche ih■

Nächste Folge NEU-VEHLEFANZ (pw) Das nächste Gartenporträt in unserer Serie „Menschen und ihre Gärten“ erscheint am Sonnabend, 29. September. Wir stellen Burkhard Wagner von der Waldschule Briesetal und seinen 3 500 Quadratmeter großen Naturgarten in Neu-Vehlefanz (Oberkrämer) vor. ■

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wesentlich größere Süßkraft Fast alles kann gegessen werals Zucker. „Ein bis zwei den. Das ist das Kriterium, Blätter reichen für eine Kan- nachdem sie ihre Pflanzen ne Tee“, weiß Christine Wit- für den Garten auswählt. Ob temans. Wenn sie das azteki- es auch mundet, ist im sche Süßwahrsten Sinkraut zu ihne des Wortes Zucchini mit Roter ren TeemiGeschmacksschungen sache. So ist Beete kombiniert gibt, der Fischgeergibt eine schmeckt der schmack der pinkfarbene Grillsauce AusternpflanTee nach Apfel und Meloze schon ne. Das Beste recht gewöhan der Süßdolde sind die grü- nungsbedürftig, die knackinen Samen. Sie schmecken gen, dicken Blätter des Pilznach Lakritze und geben je- krautes schmecken dagegen dem Eis oder Joghurt eine tatsächlich wie Champifrische, knackige Note. gnons. Christine Wittemans geht Zwischen den Kräutern findurch den Garten, zupft hier den sich immer wieder ausein Blättchen ab, dort eine gedehnte Rosenbeete. Die Blüte, schnuppert daran oder Damszener-Rose „Rose de steckt sie sich in den Mund. Resht“ steht in zweiter Blüte.

Fotos (6): Wolf

Therapie für die Seele

Bunter Salatteller

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Ungewöhnlich: Diese Zitronen sind Gurken.

sen Tomaten, Paprika, Gurken und Melonen zwischen Jamaika-Thymian, StrauchBasilikum und Ingwer. Auch hier ist alles etwas ungewöhnlich und exotisch. Einige Gurken sehen aus wie Zitronen, die Tomaten haben die Form von Flaschen und die Melonen heißen „Cantaloupe“, sind zuckersüß und gehören zur Gattung der Gurken. Den Jamaika-Thymian wird Christine Wittemans zu Pesto verarbeiten und aus den Gurken, auch aus den „normalen“, macht sie nicht nur Gurkensalat. Das wäre ihr viel zu profan. „Das wird ein leckerer Gurkenschnaps“, verrät die experimentierfreudige Köchin. „Ich bin ein typischer Zwilling. Ich koche 30 Gläser von einer Sorte. Dann wird es mir schon zu langweilig, und ich denke mir was Neues aus.“ Gerade versucht sie, Zucchini mit Roter Beete zu kombinieren, um daraus eine pinkfarbene Grillsauce zu zaubern. Auch weniger exotische Pflanzen kommen in Christine Wittemans Küche zum Einsatz. Spitzwegerich, Franzosenkraut oder Vogelmiere, deren Geschmack sie mit frischen Maiskolben vergleicht, ergeben mit einem leckeren Dressing einen schmackhaften Salat. Selbst der neunjährige Enkel weiß bereits, dass auch Gänseblümchen dazu gehören. „Deine Gänseblümchen blühen. Sind sie schon reif?“, hat er seine Oma neulich gefragt.

Experimentierfreudig: Fast alles im Garten von Christine Wittemans kann gegessen werden. Der Experimentierfreudigkeit der leidenschaftlichen Köchin sind keine Grenzen gesetzt.

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res gleichnamigen Landgasthofes. Das macht sie heute immer noch, doch konzentriert sie sich vor allem auf die Konservierung von Früchten, Gemüse und Kräutern. „Wir haben zehn schwere Jahre hinter uns“, erzählt sie. „Unser Sohn erkrankte schwer, meine Mutter starb, auch meinen Bruder mussten wir beerdigen.“ Die 57-Jährige begann Marmeladen zu kochen. „Ich habe gerührt und gerührt. Manchmal wusste ich gar nicht, was ich da koche.“ Diese Arbeit lenkte sie ab, gab ihr die Möglichkeit, abzutauchen in die kleine Welt der Früchte und Einweckgläser. Als sie selbst an Krebs erkrankte, machte sie es ebenso. Wenn sie trotz Chemotherapie und Bestrahlungen im Garten arbeitete, konnte sie sich einbilden, die

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Schmerzen kämen von der Arbeit und nicht von den Behandlungen. „Ich habe versucht, ein normales Leben zu führen.“ So ganz gelang es ihr zunächst nicht. „Von Menschen habe ich mich ferngehalten und bin vor dem Alltag in den Garten geflüchtet.“ Während dieser Zeit hat sie ihr Wissen über Kräuter erweitert. „Das war wie eine Seelentherapie.“ So manches hat sie an sich ausprobiert. „Ich habe ganz viel Spitzwegerich gegessen. Durch die Chemo hatte ich eine entzündete Speiseröhre. Die antiseptische Wirkung des Wegerichs hat geholfen.“ Aus der Baum-Aloe in ihrem Garten mischte sie sich eine Mixtur, denn sie hatte gelesen, dass die dickfleischige Pflanze ein Heilmittel gegen Krebs sei. Immer wieder betont Christine Wittemans,

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dass das keine allgemein gültigen Rezepte seien. Aber warum sollte sie nicht alles versuchen, wenn das Leben am seidenen Faden hängt? Gerade ist sie von der Krebsnachsorge zurückgekommen. „Alle Befunde sind gut“, freut sie sich und auch, als ihr Mann kommt und sagt: „Du siehst doch aus wie das blühende Leben!“ Gemeinsam mit ihm und ihren Kinder hat sie sich vorgenommen, die Kräfte einzuteilen und mehr auf ihren Körper zu hören. Das Lokal hat nur noch werktags ab 17 Uhr geöffnet, ihre selbst gefertigten Produkte verkauft sie im Hofladen. Dazu gehört auch ein Likör aus dem chinesischen Heilkraut Jiaogulan – dem „Kraut der Unsterblichkeit“. Sie hat dem Likör den Namen „Tropfen der Unsterblichkeit“ gegeben.


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