Einst & Jetzt: Görlitz

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EINST uNd JETZT gรถrlITZ

CULT URCON medien



Frank Mangelsdorf (Hg.)

EINST uND JETZT GörlITZ

Texte: Josephine Brückner Fotos: Heinz Köhler Harriet Stürmer (S. 21, S. 33, S. 39, S. 77) Historische Aufnahmen: Ratsarchiv Görlitz Dank an Hans-Peter Szczeszak für die Unterstützung bei der Recherche


ISBN 978-3-941092-72-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. CULTURCON medien Bernd Oeljeschläger Choriner Straße 1, 10119 Berlin Telefon 030 / 34398440, Telefax 030 / 34398442 Ottostraße 5, 27793 Wildeshausen Telefon 04431 / 9559878, Telefax 04431 / 9559879 www.culturcon.de Redaktion: MOZ-Redaktion GmbH Andreas Oppermann (Projektleitung), Harriet Stürmer, Mathias Hausding (Redaktion) Gestaltung: Kathrin Strahl, Berlin Druck: Silber Druck OHG, Niestetal Berlin / Wildeshausen 2011 Alle Rechte vorbehalten.

Mit freundlicher Unterstützung von


Einführung

Kulturhauptstadt 2010 ist Görlitz nicht geworden. Diesen Titel musste man als Doppelstadt mit der auf der anderen Seite der Neiße gelegenen polnischen Stadt Zgorzelec der Ruhrmetropole Essen überlassen. Macht aber nichts, könnte man meinen. Görlitz ist Kulturstadt, und das schon, seitdem es sie gibt. Also im Kern seit dem 12. Jahrhundert. Kaum ein Ort hierzulande vereint so viele Bauwerke aus allen Stilepochen seit der Gotik. Dem Prag Deutschlands liegt ein ganz besonderer Reiz inne. Und der mit der Kulturstadtbewerbung erhoffte Geldsegen kommt längst woanders her. Ein anonym bleibender Mäzen spendet der östlichsten Stadt Deutschlands seit 1995 Jahr für Jahr eine erquickliche Summe. War es anfangs genau eine Million Mark, sind es inzwischen penibel umgerechnete 511 500 Euro. Die Spende hat sich als sogenannte Altstadtmillion wohl mittlerweile im Haushalt der Stadt einen festen Platz erobert. Görlitz ist ein dankbarer Abnehmer. Wie man auf den folgenden Seiten sehen kann, ist die historische Altstadt, die den Zweiten Weltkrieg unzerstört überstand und zu DDR-Zeiten dem traurigen Zerfall preisgegeben war, ein Musterbeispiel für eine glanzvolle Sanierung. Großartige

Gründerzeit- und Jugendstilviertel künden von einer Zeit, als Görlitz im Kaiserreich Stadt der Beamten und Pensionäre war. Sie machen auch heute noch die hohe Lebensqualität aus. Mittelalterliche Kirchenpracht versprechen zudem die vielen Gotteshäuser, allen voran die hoch über die Neiße aufragende Peterskirche. Nicht nur die Touristen lieben das Mittelalter-Flair. Auch als Filmkulisse dient die fast 1000 Jahre alte Stadt in Sachsen. Was andernorts aufwändig als Filmkulisse nachgebaut werden muss, gibt es hier im Original. Viele Szenen für „Der Vorleser“, mit Kate Winslet in der Hauptrolle, wurden auf Görlitzer Pflaster gedreht. Auch Teile von Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ sowie Philippp Stölzl Klassikromanze „Goethe!“ entstanden hier. Dass die historische Altstadt immer noch mehr brillante Vorzeigefassade als wirklich belebtes Wohngebiet ist, gehört zu den Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft.

Frank Mangelsdorf Chefredakteur der Märkischen Oderzeitung

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vorworT

Als „Wiege“ der brandenburgisch-preußischen Industrie und als Stadt, in der seit mehr als 180 Jahren forstliche Lehre und Forschung stattfinden, ist Eberswalde heute ein leistungsfähiger und innovativer Standort für Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Zu bedeutenden und zum Teil weltbekannten Aushängeschildern der Stadt zählen die Kirow-Ardelt-AG mit der Herstellung von Spezialkränen, die Hochschule für nachhaltige Entwicklung oder das 2007 im Passivhausstandard errichtete Landratsamt, das zudem eine der größten Sammlungen des in Eberswalde geborenen Künstlers Paul Wunderlich beherbergt. Bekannt ist Eberswalde auch für seinen Goldschatz, der sich als Nachbildung im Museum in der AdlerApotheke befindet sowie für den Zoo mit seinen rund 1 400 Tieren aus fünf Kontinenten. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Eberswalde vermutlich im Jahr 1254 seine erste offizielle Erwähnung fand, die auf den Zusammenschluss von Ebersberg und Jacobsdorf an einer Furt der Fine bzw. Finow zurückgeht. Der 1605 fertiggestellte Finowkanal gilt heute als älteste künstliche Wasserstraße Deutschlands. Er war seit dem 17. Jahrhundert ein zentraler Dreh- und Angelpunkt für zahlreiche industrielle Ansiedlungen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangte Eberswalde sowohl als Wirtschaftsstandort als auch als Badeund Luftkurort sowie als Waldstadt (wegen der

1830 gegründeten Forstakademie) zunehmende Berühmtheit. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich Eberswalde sprunghaft zu einem bedeutenden Industrie-, Verkehrs- und Agrarzentrum. Die 1970 zusammengeschlossene Doppelgemeinde Eberswalde-Finow erreichte 1989 mit etwa 55 000 Menschen die höchste Einwohnerzahl ihrer Geschichte. 1993 erfolgte zudem die Eingemeindung der Dörfer Sommerfelde und Tornow sowie 2006 von Spechthausen in die heutige Kreisstadt Eberswalde. Seit 1990 avanciert die Stadt (dank eines leistungsfähigen Mittelstandes) zum vielseitigsten der 15 regionalen Wachstumskerne des Landes Brandenburg – und sorgt so letztlich auch für wirtschaftliche Stabilität in der Region. Entdecken Sie mit „Einst und Jetzt“ eine facettenreiche Stadt, die beeindruckende Veränderungen erfahren hat und sich überaus erfolgreich im anspruchsvollen Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne bewegt. Ramona Schönfelder Leiterin Museum in der Adler-Apotheke Eberswalde


inhALT

6 _ um 1900 Alter Bahnhof

48 _ um 1900 Obermarkt

8 _ um 1900 Altstadtbrücke

50_ um 1951 Palasttheater Jakobstraße

10 _ um 1900 Annenschule

52_ um 1980 Peterstraße 8

12 _ um 1980 Augustastraße

54_ um 1900 Postplatz

14 _ 1899 Badestelle Reichenberger Brücke

56_ um 1900 Altes Rathaus/Untermarkt

16 _ vor 1980 Berliner Straße 58/59

58_ um 1900 Neues Rathaus

18 _ um 1900 Brauerei

60_ um 1950 Innenhof des Rathauses

20_ um 1960 Café Central

62_ um 1950 Rathaustreppe mit Justitia

22_ um 1981 Elisabethstraße

64_ um 1980 Rauschwalde

24_ um 1900 Gerberhäuser an der Neisse

66_ um 1985 Scharfrichterhaus/Finstertor

26_ um 1950 Hainwald

68_ um 1950 Schönhof

28_ 1903 Hildegard-Burjan-Platz

70_ um 1965 Schule am Weinberg

30_ um 1900 Hugo-Keller-Straße

72_ um 1900 Stadtbibliothek

32_ 1953 Johanna-Dreyer-Straße

74_ um 1900 Stadttheater

34_ um 1900 Karpfengrund

76_ um 1900 Strassburgpassage

36_ 1981 Kaufhaus auf dem Demianiplatz

78_ um 1900 Untermarkt

38_ um 1900 Königshufen

80_ um 1900 Viadukt mit Lokomotive

40_ um 1900 Kreuzkirche

82_ 1910 Villa Ephraim

42_ um 1900 Marienplatz mit Dickem Turm

84_ um 1900 Wilhelmsplatz

44_ um 1900 Melanchthonschule

86_ 1912 Wilhelmstheater

46 _ um 1900 Nikolaigraben mit Nikolaiturm


um 1905

ALTEr bAhnhof


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Im Jahre 1847 wurde die erste Eisenbahnverbindung von Dresden nach Görlitz fertiggestellt. Zahlreiche Personen- und Güterzüge haben seitdem den Görlitzer Durchgangsbahnhof durchfahren. So viele Menschen wie im Jahre 1905 zur Görlitzer Gewerbeausstellung anreisten, hat man seitdem jedoch nicht mehr durch den Görlitzer Bahnhof strömen sehen. Im Laufe seiner Geschichte hat sich der Bahnhof öfter verändert: Der Bau wurde erweitert, neu konstruiert, abgerissen und schließlich Anfang des 20. Jahrhunderts in seiner jetzigen Form errichtet. Zu ihm gehören seither eine zentrale Halle, die

1984 unter Denkmalschutz gestellt wurde, verglaste Bahnsteige, von denen gegenwärtig nur noch einige geöffnet sind sowie eine wesentlich größere Gleisanlage und diverse Funktionsgebäude. Seit ein paar Jahren gibt es sogar einen Veranstaltungsraum im Bahnhof, in dem Lesungen, Partys und Ausstellungen stattfinden. So wird der Bahnhof zeitweise doch wieder zu einem kleinen Zentrum der Stadt, aus dem Leute strömen. Schließlich kommen auch heute noch Züge aus Dresden, aus der näheren Umgebung sowie aus Polen in Görlitz an.


um 1900

ALTsTAdTbr端ckE miT bLick zur pETErskirchE


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An heißen Sommermonaten sowie an strengen Wintertagen überquerten wohl hunderte Pferdefuhrwerke, Händler aus aller Welt und Bürger der Stadt die Neißebrücke. Als Teil der Handelsstraße via regia war sie eine der wichtigsten Verbindungen zwischen Ost- und Westeuropa. Der genaue Zeitpunkt der Erbauung der ersten Brücke unterhalb der Peterskirche ist nicht bekannt – dass sie aus Holz war dagegen schon. Obwohl die Holzbrücken sehr anfällig waren, wurde über Jahrhunderte hinweg dieses Baumaterial verwendet. Durch Abnutzung beschädigte oder aufgrund von Hochwasser zerstörte Brücken wurden erneuert oder neu aufgebaut. Erst im Jahre 1907, nachdem erneut ein Hochwasser eine hölzerne Brücke zerstört hatte, wurde die auf der historischen Ansicht abgebildete Steinbrücke mit Stahlbögen als Verbindung beider Neißeufer fertig gestellt. Diese Konstruktion widerstand allen Naturgewalten und ließ tausende Menschen und Tiere über Jahre hinweg passieren. Doch die gezielte Sprengung der deutschen Wehr-

macht aller Görlitzer Neißebrücken im Mai 1945 zerstörte auch sie. Ein unbeschwertes Überqueren des Flusses war nun nicht mehr möglich – ans andere Ufer konnte man nur über Behelfsbrücken gelangen, aber auch die gab es bald nicht mehr. Mit dem Potsdamer Abkommen wurde Görlitz zur geteilten Stadt. Die Oststadt, Zgorzelec, gehört heute zu Polen. Zu DDR-Zeiten und auch in der Nachwendezeit gab es an dieser Stelle keine Brücke. Erst seit 2004 kann man den Grenzfluss unterhalb der Peterskirche wieder überqueren, denn in diesem Jahr wurde die wiedererrichtete Altstadtbrücke eingeweiht. Eine Brücke, die einst zwei Stadtteile verband und Bestandteil einer bedeutenden Handelsstraße war, verbindet heute zwei europäische Staaten miteinander. „Fuhrwerke und Händler“ aus aller Welt nutzen heutzutage zwar andere Wege, um nach Ost- und Westeuropa zu gelangen, aber die Bürger von Görlitz/Zgorzelec sowie Touristen passieren die Fußgängerbrücke in der Görlitzer Altstadt gern und viel, um auf die jeweils andere Seite zu kommen.


um 1900

AnnEnschuLE


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Wenn es zur großen Pause klingelt, verlassen zahlreiche Schüler der fünften bis 12. Klasse das historische Schulgebäude, das im Jahre 1903 als Mädchenmittelschule eröffnet wurde. Heute ist es keine reine Mädchenschule mehr – und die Schülerinnen und Schüler werden hier längst auf das Abitur vorbereitet. Zu der Schule, in der sowohl deutsche als auch polnische Jugendliche zusammen lernen, gehört ein weiteres Gebäude. Denn 2004 wurden die auf dem Foto abgebildete Annenschule und das nahe gelegene Gymnasium Augustum zusam-

mengelegt. Das Augustum-Annen-Gymnasium ist somit eines von derzeit zwei existierenden Gymnasien in Görlitz. Im Hintergrund der Annenschule schließt sich die im Jahre 1512 vollendete und geweihte Annenkapelle an. Der Sakralbau, den der Großkaufmann Hans Frenzel errichten ließ, wird gegenwärtig als Turnhalle im Erdgeschoss und als Aula im Obergeschoss genutzt. Als in der Annenkapelle noch keine Zwischendecke eingezogen war, wurde sie unter anderem als Gefängniskirche und Gotteshaus für verschiedene Konfessionen genutzt.


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