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SIE GIBT DEN TAKT VOR

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ADVENT IN THE CITY

ADVENT IN THE CITY

PASSION. Bereits als sie 12 Jahre alt war, hat Claire Levacher der Beruf als Dirigentin fasziniert und sie begann, vertiefenden Unterricht zu nehmen.

MADAME GIBT den Takt vor

Claire Levacher ist Professorin für Orchesterausbildung in Graz und weltweit gefragte Dirigentin. Ihre Rolle als Frau hat sie nie infrage gestellt: „Ich habe mir einfach meinen Traum erfüllt!“

Text Uschi Pöttler-Fellner Fotos Elisabeth Lechner

Wie wird man eigentlich Dirigentin, noch dazu eine weltbekannte? Die Französin Claire Levacher hat darauf eine klare Antwort: Man plant es, man wird es und man ist es. Ein Interview über Rollen-Klischees, die es in Frankreich gar nicht gibt.

look!: Madame Levacher, um Dirigentin zu werden, sind einige Karriereschritte nötig. Sie sind ausgebildete Pianistin und unterrichten auch an der Universität in Graz. Wie sind Sie überhaupt zur Musik gekommen? Claire Levacher: Schon sehr früh (lacht). Ich begann mit dem Klavierspielen, als ich fünf Jahre alt war. In Frankreich gibt es ein System, das aus einer Kombination von Schule und Konservatorium besteht, und meine Eltern haben zu Recht angenommen, das könnte pädagogisch zu mir passen. Diese Mischung aus intensiver Musikerziehung und normaler Schule hat mich geprägt.

In Österreich ist es ja nicht üblich, dass Musik viel Raum in der Erziehung einnimmt. Ich war in mein Klavier von Anfang an verliebt und die Musik wurde ganz schnell meine große Leidenschaft. Auch zu meiner Klavier-Professorin hatte ich eine besondere Bindung. Als Teenager habe ich dann begonnen, mich mehr auf die Theorie zu konzentrieren, und etwa im Alter von 12 Jahren hat sich dann mein Traum entwickelt, Dirigentin eines Orchesters zu werden. Ich weiß nicht, was der genaue Ausschlag dafür war, aber ich erinnere mich daran, dass ich gesagt und gedacht habe: „Das wird mein Beruf.“ Ich habe dann mit dem Direktor des Konservatoriums einen Termin gemacht und ihn gefragt, wie ich dieses Ziel erreichen kann. Er war sofort sehr präzise und hat gesagt, ich sollte noch ein anderes Instrument lernen und natürlich noch viel mehr Theorie. Im Alter von 14 habe ich dann begonnen, Cello und Flöte zu spielen und Harmonieunterricht zu nehmen … … und dann ging es Schritt für Schritt der Laufbahn als Dirigentin entgegen? Ja, tatsächlich. Mit 15 habe ich das Konservatorium absolviert, weswegen wir nach Paris umgezogen sind, damit ich ans „Conservatoire Supérieur“ konnte. Nach meinem Abitur habe ich mich dann entschieden, ein Jahr nur Musik zu machen, und als ich 18 wurde, wusste ich: Das ist es! Ich werde Dirigentin!

Heute sind Sie weltbekannt und treten als Gastdirigentin mit führenden Ensembles auf, im Dezember dirigieren Sie erstmals „Christmas in Vienna“ im

Wiener Konzerthaus, das jährliche große Weihnachtskonzert. Wie bereiten Sie sich auf Ihre Debüts vor? Die gute Vorbereitung ist das Wichtigste und umfasst 80 Prozent unseres Berufes. Die Partitur muss lange studiert werden. Erst dann geht es um unsere Interpretation mit dem Orchester, und das ist im Vergleich eine extrem kurze Zeit. Hier in Wien werden wir jetzt zum Beispiel nur vier Tage proben. Es sind ja alles wunderbare Profimusikerinnen und -musiker und die brauchen nicht viel Zeit.

Das ist dann die Kunst des Dirigenten, diese verschiedenen Bereiche zu einem großen Ganzen zusammenzufügen. Und das ist dann auch das, was Ihnen Freude macht?

Oh ja, sehr viel Freude, aber auch sehr viel Stress (lacht).

Die Dirigentin gibt den Takt vor, macht also das Gesamterlebnis des Konzertes aus?

Genau, und das Schwierige dabei ist, einen Impuls zu geben und gleichzeitig vorauszuhören. Diese Interaktion von „Ich gebe etwas“ und „Ich bekomme etwas zurück“ ist sehr schnell, man muss sich das wie bei einer Welle vorstellen.

Es wirkt sportlich, wenn ein Dirigent oder eine Dirigentin vor dem Orchester steht und mit großen Bewegungen dirigiert. Ist Dirigieren anstrengend?

Dirigieren ist die Kommunikation zwischen unserer Idee und einem Klang. Dafür haben wir einen Weg, und das ist unser Körper beziehungsweise das sind unsere Arme und Hände. Dabei ist allerdings die Konzentration anstrengender als jeglicher Sport. Diese konzentrierte Energie und zu wissen, wir müssen mit unserer Interpretation überzeugen, ist das Anstrengendste.

Wie würden Sie denn Ihren Stil beschreiben?

Ideal wäre es, wenn ich transparent wäre, also nur eine Vermittlerin zwischen dem Komponisten der Partitur, dem Klang und dem Publikum. Wir Dirigenten nehmen uns eigentlich sehr zurück. Es geht um eine gewisse Intimität und um die Lust für die Partitur.

Interessiert Sie auch zeitgenössische Musik?

Ja, es ist sehr interessant für mich, sich mit unterschiedlichen Musikepochen auseinanderzusetzen. Ich versuche, immer offen zu bleiben, und was ich wirklich mag an zeitgenössischer Musik, ist, dass die Komponisten greifbar sind

WELTBEKANNT. Die Französin dirigiert unter anderem regelmäßig das Nationalorchester des Libanon und verschiedene Orchester in Südamerika.

und man sie quasi anrufen kann, das kann man bei Mozart oder Debussy nicht. Gemeinsam Stücke erarbeiten und schauen, was alles möglich ist, das geht nur mit den Lebenden. Das Faszinierendste dabei ist, einen Sinn zu finden und zu verstehen, warum der Komponist es genau so geschrieben hat, wie er es geschrieben hat – was der Subtext zwischen den Noten ist.

Woran liegt es Ihrer Meinung, dass es im Vergleich noch immer viel weniger Dirigentinnen als Dirigenten gibt?

Das ist eine sehr gute Frage, ich weiß darauf aber keine Antwort. Ich selbst war immer so konzertiert auf meinen

CHRISTMAS IN VIENNA

16. & 17. Dezember 2022 Beginn: 19.30 Uhr Wiener Konzerthaus Karten unter 01/24 20 02 und konzerthaus.at christmasinvienna.com

Dirigieren ist wie eine Welle und ist Kommunikation.

Weg, dass mir dieses Problem gar nicht bewusst war. Aber anders gesehen, war genau das vielleicht meine Chance und mein Glück. Ich glaube, dass auch meine Eltern nicht wussten, dass es im Grunde ein „männlicher“ Beruf ist, und auch meine Professoren haben nie etwas dazu gesagt. In Frankreich haben wir einen anderen Zugang zu berufstätigen Frauen als etwa in Österreich: Wir trennen nicht in „du darfst das und du darfst das nicht“. Französische Frauen machen das, was sie möchten (lacht).

Macht es Sie stolz, heuer „Christmas in Vienna“ dirigieren zu dürfen, ein Weihnachtskonzert, das in 80 Länder übertragen wird?

Es ist mir eine Ehre, mit dem Orchester und solchen Solistinnen und Solisten zusammenzuarbeiten. Und es macht Freude, als Französin in Wien zu sein – ich mag diese Diversität.

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