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BELIEBT & WÜTEND

SPEKTAKULÄRE STEFANIE. Aus dem Shooting mit Sven Serkis für das Buch

KOPF-

THEATER

Sie erscheint auf einer Bühne vor dem geistigen Auge, während man ihr neues und erstes Buch liest. Es berührt, ist humorvoll, poetisch und macht auch GANZ SCHÖN WÜTEND. Gut so, den Titel wählte Stefanie Reinsperger nicht ohne Grund.

Text: Viktória Kery-Erdélyi Fotos: Sven Serkis, Molden Verlag W arum Schauspielerin? „Weil ich muss. Mich ausdrücken, mich mitteilen, zum Weiterdenken anregen“, sagt sie. Warum das Buch? „Das lag an Manuel Rubeys Arschtritt“, lacht sie. „Es gab das Interesse und die Anfrage, aber ich hab‘s immer weggeschoben. Ich glaub‘, ich hatte Angst vor dem eigenen Mut, vor der eigenen Wut“, grübelt sie. Aber der Schauspielkollege und guter Freund fand, die Steffi hätte echt was zu sagen.

Das hat(te) sie. Abgesehen von den fotografischen Intermezzi – das fulminante Shooting machte Sven Serkis – füllte Stefanie Reinsperger mit ihren Gedanken und Betrachtungen 176 Seiten unter dem Titel „Ganz schön wütend“: mit Zeilen, nach denen man sie gerne umarmen möchte, mit Zeilen, die laut auflachen lassen, solche, die traurig machen und solche, die aus den untersten Gefilden des Bauchs eine Wut herauflocken, die sich gewaschen hat.

Das ist Teil der Übung. „Das hier ist ein Buch über Wut. Eine Hommage an Wut. An die Kraft und Brillanz der weiblichen Wut“, schreibt Stefanie Reinsperger. Zum Wütendsein hat sie genug. Immerhin war ein Antrieb zum Schreiben der Schmerz. Erst kürzlich räumt sie einmal mehr einen Preis ab, diesmal die Kurier-Romy „Beliebteste Schauspielerin in der Kategorie Serie“. Und trotzdem gibt es Begegnungen,

wie jene im Sommer 2020 mit einem Badegast, der ihr eigentlich zu ihrer Arbeit gratuliert, aber leider weiterredet. „Des Kleid, wos Sie do onghobt hob‘n in Soizburg bei dem ,Jedernann‘, do homs wirklich unmöglich ausgschaut. Des hot Eana goa net passt (Stefanie Reinsperger spielte die Buhlschaft, Anm.)“, zitiert sie ihn im Buch und es kommt noch schlimmer: „Dass Sie si do nit gschämt hob‘n. Des wor wirklich net schön zum Anschaun.“

Genug. Davon. „Es reicht mit Diskriminierung und Übergriffen auf mich und meinen Körper, der angeblich nicht schön genug ist!“, schreibt sie und erntet seither herzlichen, tosenden Applaus auf allen möglichen Kanälen.

NIEDERÖSTERREICHERIN: Dein erstes Buch – wie hast du das Schreiben erlebt?

Stefanie Reinsperger: Ich liebe Sprache, deswegen mache ich meinen Beruf auch sehr, sehr gerne. Als Schauspielerin stehe ich immer im Verhältnis zum Stück, zum Ensemble, zur Regisseurin oder zum Regisseur, zum Theater, zum Filmteam, zur Kamera, aber beim Schreiben bist nur du mit deinen Gedanken; ich mochte diese tolle Autonomie. Der Molden Verlag schenkte mir viel Freiheit und Vertrauen, das bedeutete aber auch viel Verantwortung. Das war sehr aufregend und sehr anstrengend (lacht).

Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass du sehr ehrlich und offen aus deinem Leben erzählst und in deine Seele blicken lässt. Wie viel hat dir das abverlangt?

So spiele ich auch: Ich mag das Schonungslose. Ich hatte die Hoffnung, dass die Menschen auch so darauf reagieren, wie wenn ich spiele. Aber es hat mich viel mehr Überwindung gekostet. Richtig gemerkt habe ich das, als ich das erste Mal meiner Freundin daraus vorgelesen hab‘. Ich musste dabei weinen, aber nicht, weil das so schlimm war, was mir passiert ist, sondern weil ich so wahnsinnig aufgeregt war. Weil mir bewusst wurde, wie viel Verantwortung das ist, meine Erfahrungen publik zu machen. Mir war dabei auch wichtig, Humor reinzustreuen und die Sache gleichzeitig ernstzunehmen.

STEFANIE REINSPERGER

… wurde 1988 in Baden bei Wien geboren; ihre Familie lebt in Biedermannsdorf. Die Liebe zum Schauspiel wurde bei ihr im Kindergartenalter entfacht, sie studierte später am Wiener Max-Reinhardt-Seminar. Auf der Bühne stand sie am Düsseldorfer Schauspielhaus, am Wiener Burg- und am Volkstheater, seit 2017 ist sie Teil des Berliner Ensembles; ein großer Erfolg aus der langen Liste: ihr Soloabend „Selbstbezichtigung“ von Peter Handke. Die vielfach ausgezeichnete Künstlerin steht regelmäßig vor der Kamera: Sie ist u. a. Hauptkommissarin Rosa Herzog im „Tatort Dortmund“, spielte in David Schalkos „Braunschlag“, Maria Theresia in Robert Dornhelms Mehrteiler und in drei „Landkrimis Salzburg“.

Wie sind die Reaktionen aufs Buch?

Sehr, sehr persönlich. Ich bekomme fast täglich wahnsinnig tolle Nachrichten von Menschen, die ich gar nicht kenne, und die extrem viel mit mir teilen. Und auch von Menschen, die ich kenne und die jetzt Sachen mit mir teilen, die ich nicht wusste.

Wenn ich aus dem Buch lese, freue ich mich, wenn die Leute auch den Humor mitnehmen; viele sagen zu mir: „Das musst du auf der Bühne machen!“ Darauf habe ich wirklich Lust! Jetzt lasse ich mal das Buch sprechen, aber ich hab‘ noch ein paar Rechnungen offen mit dem Text, da wird noch was passieren (lacht).

Du widmest das Buch deiner Schwester Jasmin. Wieso?

Ich habe vieles lange als mein Problem gesehen, aber es ist ein gesellschaftliches Problem.

Stefanie Reinsperger, Schauspielerin und Autorin

Weil die Jasmin, obwohl sie sechseinhalb Jahre jünger ist als ich, so toll und so weise und so cool ist. Ich bin oft traurig, dass wir leider viel zu wenig Zeit zusammen verbringen können. Wenn ich ganz, ganz unten war, fing sie mich oft auf. Ich hab‘ mich dann immer gefragt: Woher nimmt sie diese Kraft, diese strukturierte Klarheit?!

Du bist erfolgreich und beliebt und gleichzeitig erfahren wir im Buch, wie viel du verletzt wurdest. Half dir das Schreiben, die Wunden ein bisschen zu heilen?

Ich weiß nicht, ob diese Sachen wirklich alle heilen können. Aber es ist befreiend, darüber zu schreiben, all das einmal loszuwerden. Ich habe das lange genug als mein Problem gesehen, aber das ist es nicht, es ist ein gesellschaftliches Problem. Jetzt sage ich: So schaut es aus und jetzt lasst uns mal alle zusammen daran arbeiten, dass es anders wird.

Wichtig war für mich persönlich auch, was davor stattgefunden hat. Man kann jetzt Instagram verfluchen, aber es hat auch manchmal Gutes. Ich habe mir andere Vorbilder gesucht, meinen Blick geöffnet und Menschen und Persönlichkeiten kennengelernt, auf die ich ohne Instagram nicht aufmerksam geworden wäre; von ihnen kam viel Cooles: Buchtipps oder auch Klamottenläden, in denen du dich wohlfühlst.

Dieses Buch ist wirklich von der Seele geschrieben, es musste raus aus mir – und jetzt habe ich das Gefühl, dass man fast darauf gewartet hat.

Was meinst du, was bräuchte es für eine bessere Welt?

Ich würde mir so oft wünschen, auch wenn ich weiß, dass das naiv ist, dass nicht immer das Wirtschaftswachstum an erster Stelle steht, sondern das menschliche Miteinander. Und: Es gibt keinen anderen Ausweg mehr, wir müssen an unsere Erde denken, sonst werden sie unsere Kinder nicht mehr haben.

Du trittst heuer wieder bei Angelika Hagers „Schwimmendem Salon“ in Bad Vöslauf auf (28. Juli), worauf dürfen wir uns noch freuen?

Ich drehe gerade wieder einen neuen Tatort, es gibt da noch etwas ganz Tolles, worüber ich noch nicht reden darf – und: Ich darf im Oktober am Berliner Ensemble den „Theatermacher“ (von Thomas Bernhard, Anm.) spielen. Das ist ziemlich cool und ich hab‘ großen Respekt davor: Ich glaub‘, es ist das erste Mal, dass das eine Frau spielt, das ist längst überfällig! Was ich im Herbst noch wahnsinnig gern machen möchte, ist eine Lesereise.

Wie hast du deine Buchpräsentation erlebt?

Ich war selten so aufgeregt, wie davor, meine eigenen Texte zu lesen. Mir zitterten die Hände (lacht). Die Präsentation fand in Berlin an einem Sonntag um elf Uhr statt, das ist nicht gerade eine Berliner Zeit, aber der Raum war komplett voll und ich war wahnsinnig gerührt, das fast jeder, der da war, sich das Buch gekauft hat – und umarmt werden wollte. Das war besonders schön, gerade nach einer Zeit, in der wir das alle so entbehrt haben. Auch deswegen will ich auf Lesereise, jetzt dürfen wir uns wieder umarmen. Da will ich gedrückt werden und zurückdrücken (lacht)!

HERZ- UND HIRNÖFFNEND. Stefanie Reinsperger: „Ganz schön wütend“, Molden Verlag, €25

BU Die Tradition des Volkstanzes darf beim blau-gelben Jubiläum nicht fehlen.

Jubilarin in

BLAU-GELB

Großkonzerte und Sternmärsche der Blasmusik sind fixer Bestandteil der Bezirksfeste.

Niederösterreich löste sich vor 100 Jahren von Wien. Am 25. und 26. Juni feiern die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher bei 22 bunt programmierten Bezirksfesten die blau-gelbe Eigenständigkeit und Gemeinsamkeit.

100 Jahre Niederösterreich sind Anlass zu feiern – und so stehen im ganzen Bundesland viele Veranstaltungen, Aktivitäten, Vorträge oder Symposien ganz im Zeichen der Feierlichkeiten. Einer der Höhepunkte ist gewiss das gesamte letzte Juniwochenende: Am 25. und 26. Juni werden an 22 Standorten die Bezirksfeste abgehalten – 22 individuelle Feste, die in ihrer Gesamtheit ein landesweites Fest der Gemeinsamkeit ergeben. In den 20 blau-gelben Bezirkshauptstädten, in der Statutarstadt

© Matematika Media Waidhofen an der Ybbs und in Klosterneuburg werden bis zu 15.000 Personen ein orchestriertes Jubiläum ermöglichen. Ehrenamtliche, Vereine, Organisationen und Gruppierungen stellen die Stärken und Besonderheiten Niederösterreichs zur Schau – von der Lesung über die Präsentationen von Einsatzorganisationen bis hin zu Verkostungen, Kinderprogramm, historischen Führungen, großen Konzerten sowie Sternmärschen und Sternradfahrten mit zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem gesamten Bezirk.

Junge Bands und Ensembles wie die jungen Musikerinnen der Band Holawind feiern mit.

© Elodie Gethen Zum Fest der blau-gelben Eigenständigkeit werden Künstlerinnen und Künstler, Chöre, Bands, Musikschulen und Museen, Volkstanzgruppen und viele mehr ihren Teil zu einem gelungenen Geburtstagsfest beitragen. Die Vielfalt der Regionalkultur steht dabei im Mittelpunkt und drückt sich an jedem Standort in der jeweils regionalen Färbung aus. Da die Bezirke und Städte nicht arm an prominenten Töchtern und Söhnen sind, sind unter vielen anderen Erfolgssängerin Monika Ballwein, Skiikone Michaela Dorfmeister, Depeche Mode-Drummer Christian Eigener, Kinderliedermacher Bernhard Fibich, die Comedy Hirten, Schauspieler Manuel Rubey, Theaterexperte Christoph Wagner-Trenkwitz und Skistar Kathrin Zettel ins Programm eingebunden.

Mit seinem vielschichtigen Programm wollen die Bezirksfeste eine selbstbewusste Bestandsaufnahme ermöglichen, einen stolzen Blick in die Vergangenheit gewähren und zur mutigen Schau in die Zukunft anregen.

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