Bundestagsrede 26. März 2015

Page 1

Manfred Grund Mitglied des Deutschen Bundestages

Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode / 97. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015

Rede des Abgeordneten Manfred Grund zum Tagesordnungspunkt 20 a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 21. März 2014 und vom 27. Juni 2014 zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits, Drucksache 18/3693 (neu) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) auf Drucksache 18/4352 b) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 27. Juni 2014 zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Georgien andererseits, Drucksache 18/3694 Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) auf Drucksache 18/4353 c) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 27. Juni 2014 zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits, Drucksache 18/3695 Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) auf Drucksache 18/4354 Original-Protokoll 18/97, S. 9163

Berlin, 31. März 2015

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Manfred Grund, MdB Platz der Republik 1 11011 Berlin Telefon: +49 30 227-78014 Fax: +49 30 227-76374 manfred.grund@bundestag.de

Das Wort erhält nun der Kollege Manfred Grund für die CDU/CSU. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]) Manfred Grund (CDU/CSU): Herr Präsident! Exzellenzen! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine, der Republik Moldau und Georgien sind gut für die Menschen in diesen Ländern und sind gut für das Zusammenleben und das Zusammenwachsen im gemeinsamen Haus Europa. (Beifall bei der CDU/CSU)


Seite 2

Das Bild vom „gemeinsamen Haus Europa“ geht auf eine Rede Michail Gorbatschows aus dem Jahre 1987 zurück, in der er wörtlich sagte: Europa ist … ein gemeinsames Haus, wo Geografie und Geschichte, die Geschicke von Dutzenden von Ländern eng miteinander verwoben haben. Er sagte weiter: Doch nur zusammen, gemeinschaftlich und indem sie die vernünftigen Regeln der Koexistenz befolgen, können die Europäer ihr Haus bewahren … es besser und sicherer machen ... Meine Damen und Herren, genau das wollen und das sollen die Assoziierungsabkommen bewirken: unser gemeinsames Haus Europa bewohnbarer, besser und sicherer machen. Ganz wichtig: Diese Abkommen sind nicht gegen Russland gerichtet. Russland ist Europa. Wir sind Nachbarn im gemeinsamen Haus Europa. Wir sind überzeugt, dass Russland der wichtigste Nachbar der Europäischen Union bleibt und Sicherheit in Europa nur mit Russland, aber auch nur unter Mitwirken Russlands zu erreichen ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Was aber ist passiert, dass aus dem von Gorbatschow vorgeschlagenen Ausbau des gemeinsamen Hauses Europa unter Wladimir Putin der Casus Belli, ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine, wird, nur weil die Ukraine ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnen will? Bis 2012 hat Wladimir Putin mehrfach versichert, dass er sich selbst einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine nicht widersetzen würde. In 2004 hat er es als damaliger russischer Präsident wörtlich so ausgedrückt: Wenn die Ukraine der Europäischen Union beitreten will, können wir das nur begrüßen. Und weiter: Russland könne davon nur profitieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Seite 3

Mit seiner Wiederwahl in 2012 hat Wladimir Putin seine Position aber radikal verändert; nicht wir haben uns verändert, sondern Putin hat seine Position verändert. Im August 2013 erklärte Putin, „Schutzmaßnahmen“ durchführen zu wollen, sollte die Ukraine das Assoziierungsabkommen unterzeichnen. Die Moskauer Zeitung Wedomosti schrieb kürzlich in einem Kommentar, dass sich Putin für die Meinung Europas nicht mehr interessiert. Wörtlich hieß es: Vielmehr ist nun die Entscheidung gefallen, sich vom Westen zu verabschieden. Mit anderen Worten, Herr Kollege Gehrcke: Putin kündigt die Wohnung Russlands im gemeinsamen Haus Europa. Wir bedauern die Selbstisolation Russlands unter Präsident Putin, werden aber gemeinsam mit der Ukraine, Georgien und der Republik Moldau an diesem gemeinsamen Haus Europa weiterbauen.

Meine Damen und Herren, warum sind die Assoziierungsabkommen für diese Transformationsländer so wichtig? Diese Abkommen sind vor allem eines: Sie sind Reformprogramme für die Modernisierung dieser Länder. Ihr Inhalt geht über Freihandel und wirtschaftliche Integration hinaus. Sie sind Instrumente, um die Länder Osteuropas an europäische und weltweite Standards von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und gutem Regierungshandeln heranzuführen. Damit soll den Menschen in der Ukraine, in Moldau und Georgien vor allem eines geboten werden: wirtschaftliche und demokratische Perspektiven. Denn in der Ukraine, in Moldau und Georgien haben die Menschen Jahrzehnte des Verfalls, der Stagnation, der Korruption und der Perspektivlosigkeit erlebt. Diese Menschen wollen eine Chance. Sie wollen eine


Seite 4

Perspektive. Sie wollen Frieden und Wohlstand anstatt Willkür und Oligarchenherrschaft. Sie wollen die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren. Sie wollen Rechtssicherheit, den Schutz der Schwachen und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Genau dabei sollen die Assoziierungsabkommen helfen. Dafür haben junge Menschen auf dem Maidan in Kiew gekämpft. Dafür hat sich eine Mehrheit der Moldauer bei den Parlamentswahlen am 30. November letzten Jahres entschieden. Und genau daran werden wir das Handeln der Regierungen dieser Länder messen. Eines will ich ausdrücklich festhalten: Oligarchen gehören für uns weder in die Politik noch in die Wirtschaft. (Volker Kauder (CDU/CSU): Sehr richtig!) Meine Damen und Herren, Wladimir Putin hat die Europäische Union einmal mit einem erloschenen Stern verglichen, dessen Licht durch das All strahlt, jedoch nicht mehr wärmt. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Europäische Union ist von überzeugender Strahlkraft und hoher Attraktivität. Die europäische Sonne wärmt heute in ihrer Peripherie noch viel stärker als im Zentrum. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wer ein Beispiel dafür sucht, findet es in der vorbildhaften demokratischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, welche unser Nachbarland Polen in den letzten 20 Jahren durchlaufen hat. Kollege Gehrcke, Putin fürchtet sich nicht vor NATO und Europäischer Union. Er fürchtet sich vor dem Modell Polen, ausgedehnt auf die Ukraine vor seiner Haustür. Er fürchtet, dass Demokratie und Wohlstand - all das, was er seinem eigenen Land vorenthält - in der Ukraine Platz greifen würde. Die Menschen in der Ukraine, in Moldau und Georgien wollen an diese Wohlstandsentwicklung Anschluss finden, damit für sie das gemeinsame Haus Europa sicherer, wohnbarer, besser wird. Meine Damen und Herren, wir können ihnen dabei heute besonders helfen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.