Rede zu 3 Assoziierungsabkommen

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Manfred Grund Mitglied des Deutschen Bundestages

Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode / 80. Sitzung Berlin, Freitag, den 16. Januar 2015

Rede des Abgeordneten Manfred Grund in der gemeinsamen Debatte zur Ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 21. März 2014 und vom 27. Juni 2014 zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits Drucksache 18/3693 (neu) und der Ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 27. Juni 2014 zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Georgien andererseits Drucksache 18/3694 und der Ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 27. Juni 2014 zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits Drucksache 18/3695 Original-Protokoll 18/80, S. 7671 ff

Berlin, 22. Januar 2015 Manfred Grund, MdB Platz der Republik 1 11011 Berlin Telefon: +49 30 227-78014 Fax: +49 30 227-76374 manfred.grund@bundestag.de

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Der nächste Redner ist Manfred Grund, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU)


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Manfred Grund (CDU/CSU): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuhörer, insbesondere auf der Tribüne! Wir beraten heute drei Gesetzentwürfe zu Assoziierungsabkommen der Europäischen Union: mit der Ukraine, mit Georgien und mit der Republik Moldau. Es sind umfassende Assoziierungsabkommen, und die Abkommen mit Moldawien und Georgien beinhalten auch ein Freihandelsabkommen. Wir erhoffen uns von diesen Abkommen, dass dadurch die Wertevorstellungen der Europäischen Union, also unsere Wertevorstellungen, in Bezug auf Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und eine offene und freie Gesellschaft in diesen Ländern gefördert werden. Zum Ersten begründen diese Abkommen eine politische und gesellschaftliche Verknüpfung mit der Europäischen Union. Die wichtigsten Aspekte sind die notwendigen inneren Reformen, auf die sich diese Länder mit unserer Unterstützung verpflichten: Reform der Verwaltung, funktionierende Institutionen, Bekämpfung der Korruption, Unterbindung oligarchischer Strukturen und Einflussnahmen, Stärkung der Rechtsstaatlichkeit. Diese Abkommen sind daher in erster Linie ambitionierte Reformprojekte, die innerhalb dieser Länder umzusetzen sind. Zum Zweiten begründen diese Abkommen eine gemeinsame Freihandelszone, und zwar eine umfassende und tiefgreifende. Dabei geht es um weit mehr als um den Abbau von Handelsbarrieren. Es geht um die schrittweise Integration dieser Länder in den europäischen Binnenmarkt einschließlich der Übernahme europäischer Rechtsstandards. Dabei wird nicht nur der freie Warenverkehr eröffnet, sondern es werden vor allem auch die Investitionsbedingungen in den Ländern selbst entscheidend verbessert, um den Menschen dort eine bessere wirtschaftliche Perspektive und eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen. Die Assoziierungsabkommen und die Freihandelsabkommen sind Modernisierungsabkommen. Wir können und wollen mithelfen, die Ukraine, Georgien und die Republik Moldau zu modernisieren: politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich. Damit sind diese Abkommen die einzig richtige Antwort auf die systemischen Probleme in diesen sogenannten Transformationsländern. Seit dem Ende der Sowjetunion befanden sich diese Länder Osteuropas in einer Art Zwischeneuropa. Sie gehörten nicht


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mehr zum direkten Herrschaftsbereich Moskaus, waren aber auch nicht Teil des europäischen Einigungsprojektes. Was dieses Zwischeneuropa kennzeichnete, waren ein Zustand äußerer und innerer Instabilität, der Mangel an Perspektive und Entwicklung sowie – als Folge der Instabilitäten – innere und äußere Konflikte. Damit haben diese Länder mehr als zwei Jahrzehnte Stagnation, Verfall, Oligarchenwirtschaft und Erpressung erlebt. Deutlich wird dies auch an der unterschiedlichen Entwicklung der Lebensverhältnisse. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor 25 Jahren waren die Lebensverhältnisse in der Ukraine, in Georgien und in Moldau ähnlich denen im Baltikum oder in Polen. Während aber die Länder des Baltikums und Polen der Europäischen Union beigetreten sind und einen beispiellosen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Aufschwung erlebten – Polen ist eine Erfolgsgeschichte, ein Erfolgsmodell –, hat die Entwicklung in der Ukraine und in Moldau stagniert. Schlimmer noch: Diese Länder haben Jahre und Teile ihrer Zukunft verloren. Junge, gut ausgebildete Menschen, die sich mit Stagnation und Korruption nicht abfinden wollten, sind in großer Zahl weggegangen.

Es ist auch in unserem Interesse, dass diese Länder eine Entwicklungsperspektive, eine Modernisierungsperspektive erhalten. Das wird aber nur gelingen, wenn wir ihnen den Zugang zum europäischen Integrationsprozess eröffnen und das Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer, der Georgier und der Moldauer anerkennen und diese Länder nicht hegemonistischen Bestrebungen opfern. Damit bin ich bei Russland und dem unerklärten Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt. Was hat Russland von einer modernisierten, reformierten und mit der EU assoziierten Ukraine zu befürchten, dass Putin die Ukraine fortgesetzt


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destabilisiert? Die Antwort liegt zum einen im hegemonistischen Denken Putins begründet, in seinem Bestreben, Russland zu alter Bedeutung und Größe zu erheben. In diesem Denken kommt die Ukraine als eigener souveräner Staat mit selbst entscheidender Bevölkerung überhaupt nicht vor. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die größte Provokation, die größte Herausforderung für Putin wäre es wohl, wenn sich das europäische Erfolgsmodell wie in Polen auch in Moldau, Georgien und in der Ukraine und damit direkt vor seiner Haustür durchsetzte. Es ist, Kollege Gehrcke, nicht die Angst vor der Europäischen Union und auch nicht die Angst vor der NATO, die Putin umhertreibt – es ist die Angst vor einer modernisierten, vor einer offenen Gesellschaft; denn Putins Weg für Russland ist ein ganz anderer: ein Weg, der in das vergangene Jahrhundert zurückführt, der Nachbarländer nur als Einflusszonen wahrnimmt und der vor Krieg und Gewalt nicht zurückschreckt.

Weil wir zu den Konfrontationen des letzten Jahrhunderts nicht zurückkehren wollen, weil wir aus Überzeugung für offene, moderne, freiheitliche, soziale Gesellschaften eintreten, sind diese Abkommen für die Menschen in der Ukraine, in Georgien und Moldau gute Abkommen, und es sind gute Abkommen für uns als bekennende Demokraten, als helfende Nachbarn und als überzeugte Vertreter einer offenen Gesellschaft.


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Kollege Gehrcke, Sie haben darauf Bezug genommen, was Jazenjuk hier gesagt hat. Er hat gesagt, die Sowjetunion sei in seiner Heimat einmarschiert. In diesem Jahr vor 70 Jahren endete Gott sei Dank der Zweite Weltkrieg. Vorbereitet wurde er mit einem Pakt, den Stalin und Hitler zusammen vor 75 Jahren unterzeichnet haben (Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]) und in dem es um die Aufteilung Polens ging. Jazenjuk ist geboren in Czernowitz. Czernowitz war zu diesem Zeitpunkt Teil von Polen; insoweit hat Jazenjuk mit seiner Äußerung recht, dass die Sowjetunion bei ihm zu Hause einmarschiert sei. Das waren weiß Gott keine guten Zeiten, nicht für die Ukraine, nicht für Polen. Wir sind froh und dankbar, dass wir einen Teil dessen, was durch den Zweiten Weltkrieg mit uns verbunden ist, wiedergutmachen können. Wir werden die Ukraine, Georgien und Moldau nicht Russland sozusagen vor die Haustür werfen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Norbert Spinrath [SPD] und Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Michaela Noll [CDU/CSU]: Das war Klartext!)

Fotos (tlw.): Parlamentsfernsehen Deutscher Bundestag


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