Marke mit Unterhaltungemotionalisieren

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Marke mit Unterhaltung emotionalisieren Brand(ed) Entertainment In den USA dominiert Branded Entertainment die Einkaufsverhandlungen bei grossen TV-Sendeketten. Auch in Europa wird es vermehrt Thema. Was ist Branded Entertainment? Wo liegen die Abgrenzungen zu Sponsoring und Product Placement? Und was tut sich in der Schweiz? Karin Jost

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as ist Brand(ed) Entertain- er und Klasse kommunizieren will. Perment? Hier gibt es, wie so net: «Das Problem bei Branded Enteroft, nicht die eine Wahr- tainment besteht darin, dass eine besteheit, sondern eine Band- hende Plattform im Zentrum steht, der breite von Möglichkeiten: Die meisten Brand selbst aber immer ein Anhängsel unterscheiden Branded Entertainment bleibt, das in der Kommunikation zu und Brand Entertainment. So um- verschwinden droht.» Man spricht also schreibt es Michel J. Pernet, geschäfts- eher vom Film, vom Filmhelden, nicht führender Partner von Blofeld Entertain- aber von der Uhr. Brand Entertainment hingegen setzt ment: «Bei Branded Entertainment sucht eine Marke bereits bestehende Plattfor- schon bei der Strategie an. Hier werden massgeschneiderte men und Projekte, die unterhalten und die BRAND ENTERTAIN- Plattformen und Projekte entwickelt, die Markenwerte strateMENT SETZT SCHON die Markenwerte im gisch genau kommunizieren.» Ein typisches BEI STRATEGIE AN. definierten Umfeld unterhaltend darstellen. Beispiel ist das einer Uhrenmarke, die Partnerin bei einem Ki- Ziel ist es, durch eine originelle Idee menofilm ist und mittels des Handgelenks dienrelevante Inhalte zu entwickeln, die des Hauptdarstellers Glamour, Abenteu- dann auch über die Medien kommuni34 | 7-2008 mTJ


ziert werden. So schreiben Unternehmen eigene Soaps oder treten an Prominente heran, um sich deren Glamour zunutze zu machen und von ihrem Zugang zu bestimmten Zielgruppen zu profitieren. Ähnlich sieht es Katja Klee, Geschäftsführerin von B6 Brand Emotion: «Brand Entertainment ist näher bei der Marke und hat mehr Potenzial als Branded Entertainment, das eine bereits existierende Plattform benutzt.» Für Manuel P. Nappo, Geschäftsführer von Creative Assets, kommt ein weiterer Aspekt dazu: «Bei Brand Entertainment gestalten Marken aktiv Content. Zentral dabei sind eine durchdachte Strategie und Glaubwürdigkeit im Auftritt. Und was dabei auch nie schadet, ist eine Prise Humor!»

AM ANFANG WAR DAS PRODUCT PLACEMENT Entstanden ist Brand(ed) Entertainment aus dem Product Placement heraus, das in den 1920er-Jahren in Hollywood seine Anfänge nahm. Wenn James Bond heute eine Omega trägt, ist dies noch immer Product Placement. Und wenn in der Sendung «Bauer, ledig, sucht» ein sympathischer Fust-Vertreter mit einer Waschmaschine vor der Türe des frisch verliebten Paares steht, ist auch dies Product Placement. Wenn hingegen das ganze Unterhaltungsformat unter den Namen der Marke gestellt wird, ist es Brand(ed) Entertainment. Die «Beck & Bondi»-Spots in Form von kleinen Dokusoaps für Swisscom Mobile könnte man schon eher als Branded Content oder Brand Entertainment bezeichnen. Die Storys wurden weitergezogen als Podcasts und Internetfilme, tauchten auf verschiedenen Plattformen und Medien auf. Mary Woodbridge, die 85jährige Britin, die den Mount Everest besteigen wollte, war eine Viralkampagne für Mammut, die weltweites Aufsehen in Print, Radio, Foren, Newsportalen und Blogs erregte; auch dies eine Form von Brand Entertainment. Aber auch die vielbeachtete Fanmeisterschaft M’08 im Vorfeld der Euro gehört in diesen Bereich. Andrew Lord, Director von Fuse, der Branded Entertainment Unit von OMD International, formuliert es so: «There are three choices when it comes to branded entertainment und branded content: You can go round content by sponsoring it, be part of it which is really about product placement, or you can be the content itself.»

BOOM IN DEN USA

Im Jahr 2006 gaben 66 Prozent der Marketingverantwortlichen in den USA an, in Branded Entertainment zu investieren und dieses als integralen Part im Marketing-Mix zu verstehen. Für 80 Prozent ist TV das Hauptmedium für Branded Entertainment, aber auch andere Formen wie Sport-Events, Magazine, Video-Games erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Hauptproblem ist nach wie vor die Messbarkeit der Resultate. Nielsen führte 2006 eine Studie zur Wirkung von Product Placement und TV-Spots durch. Die Kombination Placement/TV-Spots erreichte die höchsten Recognition-Werte für die Marke. Die höchsten Werte für positive Einstellung zur Marke wurden jedoch durch Placement allein erreicht. Dasselbe gilt für die Kaufabsicht. Laut PQ Media rechnet man in den nächsten fünf Jahren mit jährlichen Zuwachsraten von 13 Prozent; bis zum Jahr 2012 soll der Markt 40 Milliarden US$ schwer sein. Wobei solche Prognosen natürlich mit Vorsicht zu geniessen sind. In der Schweiz ist die Kommunikationsdisziplin Brand Entertainment noch weitgehend unbekannt. Laut einer Trend-Erhebung bei Marketingverantwortlichen in der Schweiz von B6 Brand Emotion im Jahr 2007 haben 23 Prozent der Befragten keine Ahnung, was Brand Entertainment ist, 27 Prozent assoziieren es mit Branded Events wie Orange Cinema, für 14 Prozent ist es Action am POS – von allem ein wenig, aber nichts Konkretes. Brand Entertainment ist eine Belowthe-Line-Massnahme, welche die klassische Werbung nicht überflüssig macht. Doch die Veränderungen im Medienverhalten, insbesondere durch die Digitalisierung, machen es je länger, je schwieriger, die Konsumenten mit klassischer Werbung zu erreichen. Dazu kommt: Die Mediennutzung ist nicht mehr zeitgebunden und findet selektiv statt, Content wird dadurch immer wichtiger. Heute steht die Werbung in direkter Konkurrenz zu Programminhalten. Hinzu kommt, dass mit der Verbreitung der Festplattenrecorder TV-Spots automatisch ausgeblendet werden. Immer mehr TV-Zuschauer und Internet-User weichen der Werbung bewusst aus: Aus OTS (opportunity to see) droht OTM (opportunity to miss) zu werden.

HEISS DISKUTIERTES THEMA – WELCHE REGELUNGEN BRAUCHT ES? In Europa ist Branded Entertainment bereits ein heiss diskutiertes Thema. In

Deutschland wird momentan die Debatte über Schleichwerbung vor den Gerichten geführt, ausgelöst durch «Germany’s Next Topmodel» auf Pro Sieben. Dieses wird moderiert von Heidi Klum, Sponsor ist neben 20 weiteren Partnern VW, wo Heidi Klum samt Ehemann Seal bereits unter Vertrag steht. Wo das Programm aufhört und die Werbung anfängt, kann der Zuschauer kaum unterscheiden, das Ganze wirkt wie eine Dauerwerbesendung. Nun sagt aber das Gesetz, dass diese dann als solche gekennzeichnet werden müsste. Dies tut auch das RTVG respektive RTVV in der Schweiz: Dem Konsumenten muss bekannt gemacht werden, wer die Sendung finanziert. Für Sponsoring muss dies vor oder nach der Sendung geschehen, bei Product Placement vor der Sendung, was das Schweizer Fernsehen via Billboards deklariert. Für Adrian Brugger, Leiter Sponsoring des Schweizer Fernsehens, sind Sonderwerbeformen wie Sponsoring und Product Placement ein komplementäres Tool mit – allerdings finanziell limitiertem – Potenzial. Der Schweizer Gesetzgeer erlaubt, dass so genannte Requisiten im Programm platziert werden. Aber: «Die gesetzlich vorgeschriebene Deklaration ist dabei zwingend», so Brugger. Brand Entertainment im Sinn von voll finanzierten Formaten kennt man beim Schweizer Fernsehen nicht: Hier spielt vor allem der politische Aspekt eine wichtige Rolle. Die redaktionelle Unabhängigkeit und Service public vertragen sich kaum mit komplett fremd finanzierten Inhalten. Dies bleibt den Privatsendern vorbehalten.

DER CLUB – BRANDED ENTERTAINMENT CIRCLE Ende 2007 wurde der Branded Entertainment Circle in der Schweiz gegründet. Laut Regula Fecker, Mitbegründerin und Partnerin bei Rod Kommunikation, soll mit dem Club eine Plattform für Branded Entertainment geschaffen werden. «Die Medien sind je länger, je mehr unter Druck, klassische Werbung wird weggezappt, deshalb braucht es neue Ansätze.» Medienhäuser schliessen Allianzen mit Marken: Für beide Seiten sei dies eine Win-Win-Situation, für die Medien spannender Content und für die Marken auffallende Plätze. Im Mittelpunkt steht der Gedankenaustausch zu sämtlichen Fragen um die Thematik der Kooperationen der Unterhaltungs- und Kommunikationsindustrie. Mitglieder kommen aus der Kommunikationsbran- > 35 | 7-2008 mTJ


> che (Media- und Werbeagenturen), der

Unterhaltungs- und der Medienbranche. Dabei handelt es sich um eine geschlossene Gesellschaft von «handverlesenen Experten»: Die Mitglieder bestimmen, wer in den Circle aufgenommen wird. Einmal pro Jahr gibt es eine öffentliche Veranstaltung, die übrigen sind den Mitgliedern vorbehalten. Auf http://wonderland.creative-assets.com präsentiert sich die erste deutschsprachige Plattform zum Thema Branded Entertainment. Diese berichtet aktuell und unabhängig über die internationalen und nationalen Entwicklungen der neuen Werbeform. Wonderland ist dabei, eine ausführliche

und detaillierte Wissensdatenbank sowie ein Kompetenzzentrum für Entertainment Marketing aufzubauen. Zu finden sind unter anderen nationale und internationale Product Placement Cases, Testimonial-Aktivitäten sowie Entertainment Events. Eine Suche nach Medien, Cases oder Brands rundet die Datenbank ab. Konzipiert und realisiert wurde Wonderland von Creative Assets. Die Plattform des Branded Entertainment Circle www.branded-entertainment-circle.ch bietet ebenfalls eine Fülle von Informationen, Cases, Links und Literaturhinweisen rund um das Thema Branded Entertainment. <

In Kürze Brand(ed) Entertainment ist aus dem Product Placement heraus entstanden, das in den 1920er-Jahren in Hollywood seine Anfänge nahm. Wenn James Bond eine Omega trägt, ist dies Product Placement. Und wenn in der Sendung «Bauer, ledig, sucht» ein Fust-Vertreter mit einer Waschmaschine vor der Türe des Paares steht, ist auch dies Product Placement. Wenn hingegen das ganze Unterhaltungsformat unter den Namen der Marke gestellt wird, ist es Brand(ed) Entertainment. Das MTJ befasst sich auch in kommenden Ausgaben mit dem Thema.

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Beispiele aus der Schweiz CINZANO Auftraggeber: Gruppo Campari Zielgruppe: 20-40-jährig, kontaktfreudig, unabhängig, individuell, innovativ, qualitätsbewusst Ziele: Brand-Wahrnehmung/-Bindung, Kommunikationsmotto «Italian & individual» Idee: Citylover-Quartett mit den besten Liebhabern der Stadt Umsetzung: Ausschreibung der Citylover in 8 Städten/Promi-Jury/Kandidatenkür/Verteilen des Quartetts an Ladynights Ergebnis: hohe regionale und nationale Medienaufmerksamkeit in Massenmedien. BECEL SWISS WALK Auftraggeber: Unilever Zielgruppe: 35-65-jährig, gesundheitsbewusst, achtet auf gesunde Ernährung, bewegungsaffin Ziele: BrandWahrnehmung/-Bindung, Kommunikationsmotto «Mach den ersten Schritt» Mood: glaubwürdig, seriös. Idee: Becel Swiss Walk – die erste NordicWalking-Durchquerung der Schweiz mit Becel-Testimonial Maria Walliser Umsetzung: Testimonial Maria Walliser/ Nordic-Walking-Durchquerung in 8 Etappen Ergebnis: quantitativ ein Medienwert von 1,4 Millionen Franken. Qualitativ: in über 75 Prozent der Berichte wurde Becel als Marke erwähnt, in über 80 Prozent Gesundheit und Ernährung thematisiert. Die Projekte 1 und 3 laufen noch – das Ergebnis ist daher noch nicht definitiv, der Trend jedoch erkennbar.

CREATIVE ASSETS, ZÜRICH

Creative Assets entwickelt für Unternehmen, Marken und Organisationen ganzheitliche, zielgruppenspezifische Branded-Entertainment-Konzepte. Dazu gehören unter anderem Platzierung von Marken und Produkten in Film, TV, Theater, Internet, Events und anderen Unterhaltungsmedien (so genannte Product Integration) sowie deren Begleitung und Unterstützung durch Celebrities und Opinion Leaders. 38 | 7-2008 mTJ

www.creative-assets.ch Blog von Manuel P. Nappo, Geschäftsführer: http://wonderland.creative-assets.com

FIONA HEFTI UND «FILIPPA K»

MASERATI UND «TANDOORI LOVE»

Mit «Tandoori Love» wurde im Berner Oberland eine romantische Komödie gedreht. Der Film ist eine farbenfrohe Hommage an die indische Küche und eine Liebesgeschichte in einem. Für eine Filmszene, bei der sich der Jet-Set im traditionellen Gasthof «Zum Hirschen» einfindet, musste mit Hilfe entsprechender Requisiten ein realistisches Set geschaffen werden. Hier eröffnete sich eine gute Möglichkeit, mit Maserati-Fahrzeugen zu arbeiten. Der silberfarbene Maserati wurde im Sinne eines Set-Placements im Film integriert.

Filippa K, Modelabel aus Schweden, hat mit Fiona Hefti seine erste schweizerische Brand Ambassadrice gefunden. Der erste öffentliche Auftritt von Hefti als Testimonial der Modemarke erfolgte anlässlich der Eröffnung des zweiten Filippa K Concept Stores an der Schweizergasse in Zürich am 6. März 2008. Die Partnerschaft zwischen Filippa K und Fiona Hefti wurde von der Schweizer Branded-Entertainment-Agentur Creative Assets konzipiert und umgesetzt. Fiona Hefti repräsentiert Filippa K an öffentlichen Anlässen seit Frühling 2008. Die Marke und ihre Repräsentantin haben die Partnerschaft auf die Dauer von einem Jahr vereinbart.

SAINT GERMAIN UND SAINT GERMAIN TV

CYNAR UND «MARCELLO MARCELLO»

Italien, 1956. Der arme Fischersohn Marcello verliebt sich in die wunderschöne Tochter des Bürgermeisters. Für ein Date mit dem Mädchen seiner Träume muss Marcello ihrem Vater ein Geschenk machen, das ihn sofort überzeugt. Schon bald sieht sich Marcello deswegen in Tauschgeschäfte mit dem ganzen Dorf verwickelt. Seine Mission wächst zu einer Art Versöhnungsprozess unter den Dorfbewohnern an. In diesem romantischen Film, der an der malerischen Amalfi-Küste spielt, konnten Vintage-Plakate der italienischen Marke Cynar am Set platziert werden. Durch Abstimmung des Markendesigns mit dem Filmdesign fügt sich das Plakat nahtlos in die Szenerie ein.

Saint Germain, die junge exklusive Location im Herzen von Zürich, bekam zur Eröffnung mit Saint Germain TV einen hauseigenen TV-Sender. Der im März 2007 eröffnete Club zeigte in Webvideos seine internationalen Gäste und brachte in exklusiven Podcasts die Stars dem Publikum näher. Die Clips konnten im iTunesMusicstore abonniert werden. Die professionell aufgenommenen und geschnittenen Videos mit Paris Hilton, Busta Rhymes, Bob Sinclair und Snoop Dogg in den Hauptrollen gibt es auch heute noch auf YouTube zu sehen. Saint Germain TV konnte so selbst zusätzliches Medienecho generieren und von der Aura der Stars auch im Nachhinein profitieren.


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