Prognosen, Chancen, Gefahren

Page 1

RISIKEN MANAGEN «Internet der Dinge»

Bezüglich IoT zeichnet sich schon jetzt ein grösserer Kontrast zwischen den eigentlichen Geräten und den daraus entspringenden Daten ab. Diese zwei Bereiche überschneiden sich. Heutige Geschäftsmodelle bewegen sich genau in dieser Peripherie. Wir von der HWZ kümmern uns deshalb weniger um Normen und Gesetze, aber um den wirtschaftlichen Impact und die Ethik von Social Media beispielsweise.

Prognosen, Chancen, Gefahren Text und Interview von Michael Merz

Wo und wie könnten erste Standards respektive Qualitätsmassstäbe bezüglich dem «Internet der Dinge» (Engl. Internet of Things; IoT) angesetzt werden? Manuel P. Nappo, Leiter des Centers for Digital Business an der Hochschule für Wirtschaft, HWZ, über die aktuelle und künftige Relevanz der Informations- und Sensorentechnik.

O

b das «Internet der Dinge» (IoT) die Unternehmenswelt revolutionieren wird, darin sind sich die meisten Experten einig: Die Informations- und Sensorentechnik entwickelt sich sehr exponentiell. Mensch und Maschine fusionieren über Geräte und Apps, die systematisch verlinkt werden und jegliche Lebensbereiche analysieren. Manuel P. Nappo, Leiter des Centers for Digital Business und des MAS Digital Business, generell Social Media- Experte, meint: «IoT berücksichtigt in erster Linie die Bedeutung und Anwendung von selbstständig agierenden Devices. Hierbei wird der Mensch

Manuel P. Nappo ist Leiter des Centers for Digital Business und Studiengangsleiter des MAS Digital Business an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. Für seinen Beitrag zur digitalen Aus- und Weiterbildung wurde Nappo 2013 von der IAB Switzerland mit dem Titel «Digital Pioneer of the Year» ausgezeichnet.

24

selbst per definitionem noch nicht eingeschlossen.» Allerdings nutzen schon heute viele Schweizer und Schweizerinnen modernste Informationstechnik wie zum Beispiel GPS auf vielen Ebenen. Die Forscher von IDC Schweiz rechnen damit, dass sich dadurch in weniger als drei Jahren das weltweite Datenvolumen verzehnfachen wird – von derzeit 4,4 (2012) auf 44 Zettabyte (2017). Ob vernetzte Städte, Fabriken, Wohnungen, Transporter: Kleinste Computer bestimmen den «Pulse of Time», aber in welchen Unternehmensbereichen sollten IoT-Systeme wirklich kursieren und effizient genutzt werden? Vielleicht in Bereichen wie der Arbeitszeiterfassung? Vielleicht in einer allgemeinen Informations­ koordinierung? Möglicherweise überholten so manche Apps den Menschen demnächst? Überhaupt, sollten

jegliche Daten gleich auf jeden Rechner übertragen und synchronisiert werden? Manuel P. Nappo relativiert quintessenzielle Fragen über IoT. Herr Nappo, was könnte die Schweizer Unternehmenswelt in Sachen digitale Kommunikation und IoT in fünf oder in zehn Jahren bewegen? Ich erlaube mir diese Frage mit einem wegweisenden Ereignis in der westlichen Zivilisation zu beantworten: Waren doch nur etwa acht Prozent der Weltbevölke-

Bezüglich IoT zeichnet sich schon jetzt ein grösserer Kontrast zwischen den eigentlichen Geräten und den daraus entspringenden Daten ab. rung bei 9/11, am 11. September, online, tummeln sich heute schon täglich gleich viel Menschen auf Social-Media-Plattformen wie Facebook. Soweit sich diese Tendenz auf andere digitale Angebote übersetzen lässt, gehe ich von kürzeren Wegen respektive Geschäftsmodellen zwischen Produkten und Menschen aus.

Fehlt es in der Schweiz vielleicht an einer Kompetenzgruppe für die IoT-Entwicklung? Wie Sie eingangs zu diesem Interview erwähnten, gibt es nun in Deutschland die eco-Kompetenzgruppe, die sich kritisch mit Herausforderungen der smarten Umwelt beschäftigt. Nach den Angaben von eco geht es auch in Deutschland um veränderte Geschäftsprozesse und Organisationsstrukturen, um die Etablierung industrieübergreifender Standards (um Sicherheits- und Privacy-Aspekte), M2M-Anwendungen, Open-Source-Quellen und Interoperabilität. Allerdings, zurzeit fehlt es in der Schweiz an einem definierten Kreis von Experten, wenn auch immer mehr Politiker «Privacy» im Kontext von Big-Data-Handel unterstreichen. Ich würde sagen, es fehlt in der Schweiz noch an der Erarbeitung von Positions­ papieren über Fragestellungen zu intelligenten Arbeits- und Lebensräumen und deren Vernetzung. Wie, würden Sie sagen, gehen Schweizer Hochschulen mit modernen Kommunikationsmitteln und Sicherheitstechnologien um? Unser MAS Digital Business inte­ griert Schwerpunkte zur digitalen Kommunikation in Geschäfts­ bereichen. Unser neuster Studiengang «Disruptive Technologies» thematisiert IoT definitiv. Sonst,

MQ Management und Qualität 07–08/2015


RISIKEN MANAGEN

würde ich sagen, ist IoT weit­ gehend noch ein technisches Thema. Höchstens Spezialisten interessieren sich zum Beispiel für sensorische Analysen eines Wasserkraftwerks. In der Hochschule für Wirtschaft findet allerdings die Diskussion statt, wo die digitalen Zusammenhänge in der Geschäftswelt liegen. Möglicherweise setzen sich die Kollegen von der ETH oder von Fachhochschulen wie der ZHAW oder die NTB, Interstaatliche Hochschule für Technik, vertiefender mit Standards und Normen auseinander. Welche Missbrauchsrisiken sehen Sie als Digital-BusinessExperte in der Schnittstelle von Unternehmenskommunikation und Social Media? Ich möchte darauf hinweisen, dass in vielen Geschäfts­ bereichen ein sogenanntes Silodenken dominiert. Verkauf heisst bei vielen Unternehmen nicht unbedingt Marketing oder Kommunikation etc. Allerdings ist das «Netz» viel komplizierter. Einzelne Bereiche gehen da ineinander; so machen wir von der HWZ keine Trennung mehr zwischen Kommunikation und Social Media. Wenn wir von Social Media

sprechen, sprechen wir von Milliarden Usern, die immer modernere Geräte nutzen.

konsum vor der Markteinführung forciert, in Zukunft eine Schlüsselposition einnehmen.

Mit den produzierten, veröffentlichten Daten gilt es jedenfalls verantwortungsbewusst umzu­gehen.

Welche potenziellen Risiken und Kontrollmechanismen sehen Sie bezüglich digitaler Payment Systeme? Stellen Sie sich vor, dass Ihnen bei Bestellungsprozessen zusätzliche Angebote unterbreitet werden. Solche Angebote könnten zusätzliche Speicher- oder sogar Strompakete sein. Sie bestellen diese Art Abo-artigen Einheiten auf unbestimmte Zeit; diese Kapazitäten sind jedoch mit Zahlungen im Micro-Bereich verknüpft. Im ersten Augenblick scheinen Ihnen die Kosten für Speicherpakete nicht so hoch, aber möglicherweise gibt es schon wieder ein neues Angebot ein paar Bruch­teile später.

Es fehlt noch an unternehmerischen Pfaden und Regeln, was die Datentransformation zwischen ersten Tech Players wie Google & Co. und Anwendern anbetrifft.

In welchen Geschäftsbereichen könnten sich IoT-Modelle etablieren? Wie erwähnt, fehlt es noch an unternehmerischen Pfaden und Regeln, was die Datentransformation zwischen ersten Tech Players wie Google & Co. und Anwendern anbetrifft. Wenn jedoch Produzenten wie zum Beispiel V-Zug, Miele, Swisscom, Geberit anfangen, in weitere gute Services im Zusammenhang mit Sensortechnik zu diversifizieren, verspreche ich mir Aufwind in der jetzigen global beherrschten IT-Szene. Wir von der HWZ glauben, dass Schweizer Firmen wie V-Zug oder Schindler, aber auch IT-Security Anbieter in den Smart-Home-Bereich vorrücken. Ebenso könnte das NEST-Projekt von der Empa in Dübendorf, die mit seinen vernetzten Demons­ trationsversuchen reale Bedingungen für den Strom- und Wasser-

Manuel P. Nappo, Leiter des Centers for Digital Business und Studiengangsleiter des MAS Digital Business an der HWZ, Hochschule für Wirtschaft Zürich. MQ Management und Qualität 07–08/2015

in den meisten Schweizer Unternehmen und in deren IT-Architekturen? Wenn smarte Dinge miteinander kommunizieren, sich identifizieren und organisieren, so sollte dies möglichst verantwortungsbewusst, effizient und unabhängig erfolgen. Dementsprechend könnten Frameworks und Entwicklertools zum Bauen von M2M-Anwendungen im Sinne von Open Source quelloffen entwickelt werden. Letztlich existieren in der Schweiz auch viele KMU. Es wäre für den Standort Schweiz evident, dass sich Plattformen und kleinere Unternehmen autonom, unabhängig von Google & Co. entwickeln. ■

Dementsprechend glaube ich, dass sich auch neue Konsumentenplattformen zu bereits eta­ blierten Seiten wie Comparis entwickeln werden.

In vielen Geschäfts­ bereichen dominiert ein sogenanntes Silodenken.

Digitales, kontaktloses Payment wird ein immer relevanteres Thema. Diverse Schweizer Konzerne versuchen sich bereits in diesem Gebiet. – Ein Zukunftsszenario: Vielleicht können wir demnächst ohne Notengeld und papierne Dokumente reisen. Sollte jemand vielleicht eine invalide Kreditkarte nutzen, mit dieser von A nach B reisen wollen, erhält er möglicherweise die Busse eines RoadPrice-Ticketing-Anbieters gleich auf seinen E-Banking Account geschickt. Rinnt die Zeit bezüglich der sich entwickelnden Digitalität nicht

Michael Merz, ist Redaktor bei Management & Qualität und weiteren Special Interest Fachmedien der galledia verlag ag. 25


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.