Auszeit 28 - Meine Seele fliegt wieder

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Zeitung Auszeit – Nummer 8/28 – Dezember 2006

Claudia

Meine Seele fliegt wieder! Auszeit, die Zeitung von Menschen in der Krise und von ihren Freunden.


Landeskrankenhaus Rankweil, Redaktion Auszeit, Station O4, Valdunastraße 16, 6830 Rankweil, Tel. 05522/403/1721

Liebe Leserinnen und Leser! Manch einem scheint die Freiheit auf einem „heißen Ofen“ unendlich, ein Glücksgefühl macht sich breit und seine Seele „fliegt“! Doch mir legt der Alltag Fesseln an, und ich falle unbemerkt in ein Loch, ich lasse mich von der Dunkelheit einlullen und meide das Licht. Dann, wenn ich wieder soll oder will‚ finde ich gar nicht oder schwer hinaus. Ich lasse Schwermut und Gereiztheit mein Leben bestimmen, ärgere mich über mich selbst und lasse die Wut an anderen oder an mir aus. Ich werde krank, weil das Schicksal es mit mir oder den Meinen „nicht gut meint“, oder weil ich konsequent den falschen Weg, z.B. den der Sucht gehe. Die anderen sollen sich ändern und nicht ich! Ich habe das Recht so zu sein wie ich bin. Leider leiden die Familie, Freunde und Mitarbeiter darunter, oder auch ich, aber was soll’s? Halt, stopp, denn meine Seele will fliegen und mein Geist will frohlocken und mein Körper mit jeder Faser singen. Also gehe ich einen neuen, weiseren Weg, nimm allen Mut zusammen suche Hilfe und wage Neues! Manchmal stolpere ich auch und falle, aber ich bleibe nicht liegen, denn ich will, dass meine Seele sich erhebt und fliegt! Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern der Auszeit alles Gute, möge auch Ihr Herz froh und leicht sein und Ihre Seele „fliegen“!

Rankweil, im November 2006

Zeitung Auszeit in eigener Sache Sie haben gerade die 28. Zeitung Auszeit in den Händen. Erstmals wurde diese Zeitung im März 1999 herausgegeben, seither erschien sie meist vierteljährlich. All die Jahre hindurch haben Mitarbeiter des Landeskrankenhauses Rankweil, Patienten motiviert, sodass viele Jugendliche, Frauen und Männer ihre Herzen geöffnet und Originaltexte, Zeichnungen und Werkstücke für Sie zur Verfügung gestellt haben. Auch Freundinnen und Leserinnen der Zeitung Auszeit haben mit Ihren Texten einen wertvollen Beitrag geleistet. Allen herzlichen Dank. Sie, liebe LeserInnen, haben aber auch mit Ihrem Interesse die Zeitung am Leben gehalten. Mit Ihrem Unterstützungsbeitrag helfen Sie die Kosten von Druck und Versand der Zeitung Auszeit abzudecken, auch vielen Dank dafür. Bitte schicken Sie Leserbriefe und Beiträge an: Maria Moritsch, Redaktion Auszeit, Station O4, LKH-Rankweil, Valdunastraße 16, 6830 Rankweil, Tel. 05522/403/1721 E-Mail: maria.moritsch@vol.at Im Internet finden Sie die Zeitung Auszeit unter: http://www.lkhr.at (Über uns – Auszeit) frühere Ausgaben auch unter http://www.auszeit.at.tf/

Maria Moritsch, Dipl. psych. Gesundheits- u. Krankenschwester Impressum: Mitwirkende: Patienten des LKH-Rankweil, der Stationen E3, E4, J1, O3, O4, U1, Wohnstation I, und ehemalige Patienten, Leser und Freunde der Zeitung Auszeit Beratung, Mithilfe, Motivation: Andrea Reinthaler, Sabine Frank, Claudia Loacker, Norbert Wassertheuer, Martina Soterius, Monika Witzemann, Susanne Wechselberger, Helmut Prettenhofer Redaktion: Maria Moritsch

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Claudia Abdruck und Vervielfältigung der Zeitung Auszeit zu privaten und schulischen Zwecken ist erlaubt. Alle Rechte bleiben bei den Herstellern der Texte und Bilder.

Auszeit, die Zeitung von Menschen in der Krise und von ihren Freunden.


Landeskrankenhaus Rankweil

In dieser Auszeit Nr. 8/28 finden Sie: Interview mit

Interview mit

Oberarzt Dr. Hubert Schneider

Mag. Gudrun Simader, Psychologin

Leserbriefe Gedichte

Geschichten über die Liebe und vom Abschiednehmen, vom Leben im Krankenhaus und vom sich selbst finden

Zeichnungen

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Über den Mut und die Traurigkeit über die Rose und die Angst von Ritter Artus vo dr Schneeflocka und, und …

Fotos

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Landeskrankenhaus Rankweil psychiatrischen Behandlung nötig ist, sich vom Zeitdruck nicht zu sehr mitreißen zu lassen.

Interview mit

Name: Alter: Stand: Kinder: Beruf: Lieblingslektüre: Lebensmotto:

Schneider Hubert 54 Jahre verheiratet drei Psychiater Geschichtliches beim Arbeiten pfeifen können.

Herr Oberarzt Dr. Schneider, wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, Psychiater zu werden? Schon während meiner Gymnasiumzeit hat mich Psychologie – nicht zuletzt durch einen sehr spannenden Unterricht – interessiert. Deshalb habe ich dann Medizin studiert, um Psychiatrie zu machen. Wo haben Sie Ihre Ausbildung gemacht, und seit wann und in welcher Funktion arbeiten Sie im Landeskrankenhaus Rankweil? Ich habe am 1.3.1977 mit meiner Ausbildung hier im LKHRankweil begonnen. Am Ende meiner Ausbildung habe ich in Zürich und Mannheim hospitiert. Seit 1983 bin ich in Oberarztfunktion und habe mich vor allem um die Rehabilitation gekümmert. Seit 1977 bin ich auch als Dozent an der Krankenpflegeschule im Haus tätig. Sie kennen die alte, geschlossene Psychiatrie und die neue, offene Psychiatrie. Was hat sich wirklich geändert und wo sehen Sie noch Verbesserungsmöglichkeiten? Der Umbruch von der aufbewahrenden zur offenen Psychiatrie war ein Meilenstein. Viele Ängste (im Hause, aber vor allem außerhalb des Krankenhauses) mussten überwunden werden. Die Patienten erhielten wieder ihre persönliche Individualität zurück. Die Bedürfnisse des Einzelnen rückten in den Mittelpunkt, die Aufgabe als Ordnungsmacht wurde im Gegenzug unwichtiger. Die therapeutischen Möglichkeiten sind stark ausgeweitet worden (besser verträgliche Medikamente, Psychotherapie, Tanz – und Musiktherapie .....). Der wichtigste Fortschritt war aber die deutliche Zunahme des Personals. Nur dadurch wurde die individuelle Betreuung möglich. Für die Zukunft wünsche ich mir eine bessere Krisenbewältigung wohnortnah. Damit käme es auch zu einer Entlastung im Krankenhaus und würde einen besseren Einsatz des stationären Therapieangebotes ermöglichen. Die Zeit für die Entwicklung neuer psychischer Gleichgewichte ist nicht beliebig verkürzbar, weshalb es gerade in der

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Gibt es Krankheitsbilder die „verschwunden“ sind, oder solche die es vor 20 Jahren noch nicht gegeben hat, wenn ja welche? Die Epilepsie mit ihren Folgeerscheinungen wie Dämmerzuständen oder Wesensänderung ist sehr zurückgegangen. Auch Menschen mit geistiger Behinderung brauchen nur noch selten unsere Hilfe. Stark zugenommen haben natürlich die Demenzkranken, weil die Lebenserwartung deutlich zugenommen hat. Ein großes Problem stellt inzwischen auch der Umgang mit Alkohol - und dies nicht nur bei den Jugendlichen - dar. Schwere Beeinträchtigungen mit Suchtmitteln in Zusammenhang mit Beziehungs- oder Lebensproblemen erfordern immer häufiger unsere Hilfestellung. Essstörungen, emotional instabile Persönlichkeitsstörungen sowie die Vielzahl an neurotischen Störungen sind auffallend stärker vertreten. Dafür sind einerseits die bessere Akzeptanz unseres Krankenhauses in der Öffentlichkeit verantwortlich, aber auch die gesellschaftlichen Veränderungen mit raschem Wertewechsel und Singularisierung (jeder kämpft nur noch für sich selbst, die Übernahme von Verantwortung in und für Gruppen ist nicht „in“) Können Sie den Menschen hier im Landeskrankenhaus Rankweil wirklich helfen? Wir können die allermeisten Menschen auf dem Weg zur Gesundung erfolgreich begleiten, wenn es uns gelingt, ihnen den Glauben an sich selber wieder zurückzugeben. Die therapeutische Beziehung, das Engagement für den Betroffenen muss im Mittelpunkt stehen. Nur wenn ich selber glaubwürdig bin, wird es mir gelingen, die nötigen Informationen und Hilfsangebote an den Mann/die Frau zu bringen. Sie betreuen auch die Gefangenen in der Justizanstalt Feldkirch, worunter leiden diese am Meisten? Viele Menschen leiden unter Suchtproblemen, andere an Depressionen oder auch Psychosen. Das größte Problem ist jedoch die Hilflosigkeit durch das Eingesperrtsein und die abrupten Beziehungsabbrüche. Auch die Ungewissheit ( werde ich bestraft, wie viel Strafe werde ich bekommen ) während der Untersuchungshaft ist für viele eine große Belastung. Die Sorge um die Angehörigen ( kommen diese allein zurecht, schämen sie sich wegen mir ) macht ihnen zu schaffen. Wie können Sie selbst sich nach all der vielen Arbeit erholen? Ich bin seit 20 Jahren im Hallenradsport ehrenamtlich tätig, die Trainingsarbeit mit Kindern sorgt für eine gute Abwechslung. Daneben ist für mich der Gemüsegarten zum Auftanken sehr wichtig. Das Erleben von natürlichen Abläufen führt uns immer wieder zu uns selber zurück, weil wir ja auch ein Teil dieser Natur sind. Träumen Sie manchmal davon, jemand anderer zu sein, z.B. ein Dichter oder ein Schauspieler? Ich würde heute, vor die Wahl gestellt, wieder Psychiater werden. Vielen Dank für das Gespräch Maria Moritsch

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Landeskrankenhaus Rankweil

Interview mit Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit besonders und was ist schwer? Mich fasziniert an meiner Arbeit vor allem die Vielfältigkeit meines Wirkungsgebietes, der direkte Kontakt mit den Menschen (Einzel- und Gruppenarbeit) und das sich daraus resultierende "Muss" an Eigenreflexion und die Arbeit in einem interdisziplinären Team. Schwer wird es für mich, wenn der Gesundungsprozess lange dauert und die Hoffnungslosigkeit überhand nimmt. Name: Alter: Stand: Kinder: Beruf: Lieblingslektüre: Lebensmotto:

Simader Gudrun 45 Jahre verheiratet einen Sohn Psychologin Kriminalromane "Weniger ist mehr"

Frau Mag. Simader in welcher Funktion und seit wann arbeiten Sie im Landeskrankenhaus Rankweil? Ich bin als Klinische- und Gesundheitspsychologin seit November 2003 hier im LKHR tätig. Welche Ausbildung haben Sie gemacht, und welches Aufgabengebiet beinhaltet Ihre Arbeit hier im Landeskrankenhaus Rankweil. Ich bin im Grundberuf Diplomierte Krankenschwester und habe nach einigen Dienstjahren meiner inneren Unzufriedenheit nachgegeben und ein Psychologiestudium begonnen und auch abgeschlossen. Anschließend absolvierte ich noch die postgraduelle Ausbildung zur Klinischen- und Gesundheitspsychologin. Im LKHR bin ich zuständig für explorativ, stützende Einzel- und auch Paar- und Angehörigengespräche, weiters für Gruppenangebote (Kommunikationsgruppe, Suchtgruppe, Entspannungsgruppe) und in Vertretungsfällen auch für testpsychologische Abklärungen.

Können Sie den Patienten genug Hilfe geben, bzw. was wünschen Sie sich für sich und Ihre Patienten? Es gelingt mir eher selten von mir zu glauben, ich habe jetzt genug Hilfestellungen angeboten. Das liegt vor allem daran, dass die Patienten nur eine recht kurze Zeit hier (E4, O4) verbringen. Ich sollte in aller Kürze das Wesentliche für eine Hilfestellung erfassen und im gemeinsamen Gespräch eine praktikable Visionsarbeit leisten. Deshalb würde ich mir für mich und die Patienten mehr Zeit wünschen. Sie sorgen für ein Kind und Ihren Partner, haben Sie noch genug Zeit für sich und wie können Sie sich ausreichend erholen? Ich betreibe sehr gerne Sport und nütze meinen Arbeitsweg dazu - ich komme mit dem Fahrrad zur Arbeit (tägl. ca. 1 ½ Stunden). Da kann ich gut abschalten. Außerdem arbeite ich nicht vollzeitig. Haben Sie auch noch Berufswünsche, Träume und Ziele? Ich träume noch davon, mich neben meiner jetzigen Tätigkeit im LKHR im gesundheitspsychologischen Bereich selbständig zu machen. Herzlichen Dank für das Gespräch Maria Moritsch

Um diese breite Angebotspalette fachlich qualifiziert anbieten zu können, nehme ich immer wieder an verschiedensten Ausbildungsangeboten teil. Unter dem Motto: "Man lernt nie aus!"

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Auszeit Nr. 8/28

Leserbriefe Liebe Frau Moritsch! Stets mit großem Interesse lese ich die „Auszeit“. Immer wieder treffe ich auf Texte, die ich nur allzu gut verstehe, und bei denen ich oft denke, wie warmherzig, wie sensibel ist der Verfasser, jedoch zu wenig hart für das so genannte wahre Leben. Und ich wünsche jedem Ihrer Patienten, es handelt sich um eine Lebensphase, durch die sie gut begleitet und geleitet werden, und wenn sie das Krankenhaus verlassen dürfen, hoffe ich auf genügend Stärke und Stabilität für diese Menschen. Gottlob gibt es auch für seelische Leiden Menschen und Medikamente, die einem helfen, das Leben erleichtern. Wie oft denke ich an die Situation, wenn jemand einen Gipsverband hat. Jeder andere sieht sofort, da ist etwas nicht in Ordnung und fragt, wie es gekommen ist und ob man Schmerzen hat. Und als Betroffener weiß man, in einigen Wochen ist alles wieder okay. Ist aber die Seele krank, … wer sieht es? Wer spürt es? Wer geht darauf ein? Oft überwiegt das Gefühl von Alleingelassen sein, Ohnmacht, so dass nicht viel Lebenswille bleibt. Und die Zeit, bis die Seele wieder fliegen kann, scheint ewig. Den lieben Patienten wünsche ich eine stärkende Zeit in Rankweil und dem lieben Personal einen guten Weg mit ihren Patienten. Zum Abschluss meines Leserbriefes noch mein Lieblingsgedicht von Rainer Maria Rilke. Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehen. Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn. Ich kreise um Gott, um den uralten Turm, und ich kreise jahrtausendelang; Und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang. Adieu Rosa Maria

Gruß aus Wien UND DIE ZEIT BIS DIE SEELE FLIEGEN KANN SCHEINT EWIG Barbara T.

- ist begrenzt - ihre wahre Identität preisgibt - ohne starten und landen, nur Illusion sein - ist trügerisch - ein Wort, das alle Grenzen auflöst Barbara T.

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Auszeit Nr. 8/28

Leserbriefe Liebe Mary, zum Burnout hab ich noch ein paar Zeilen von Laotse gefunden: Willst du ganz werden, dann sei ruhig halb. Willst du gerade werden, dann sei ruhig krumm. Willst du voll werden, dann sei ruhig leer. Willst du wiedergeboren werden, dann stirb ruhig. Willst du, dass dir alles gegeben wird, dann gib alles hin. Alles Liebe

Wilma

Erika H.

Grüß Gott! Vielen Dank für die Zusendung von „Auszeit“ – es ist sehr ermutigend, berührend und ehrlich. Andrea K.

Sehr geehrte Frau Moritsch! Schon in mehreren Ausgaben der Auszeit, durfte ich meine Texte lesen. Dafür möchte ich mich recht herzlich bedanken. Bedanken dafür, dass Sie mich oft zum Schreiben motivieren, bedanken dafür, dass Sie mir die Möglichkeit geben, mich mitzuteilen. Bedanken dafür, dass ich durch die Auszeit immer wieder erfahren darf, dass ich mit meinen Problemen nicht alleine bin. Die Auszeit wird nicht nur von mir sehr geschätzt, sondern auch von meinen Angehörigen. Vielen Dank nochmals und alles Gute Nicole

Barbara H.

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Auszeit Nr. 8/28

Leserbrief Liebe Maria, wieder halte ich die „Auszeit“ in den Händen und nehme mir eine Auszeit für die Lektüre. Vielfach begegne ich in den Texten mir selbst. Ich weiß, wie es ist, wenn man sich und sein Leben in Frage stellt und die Entfremdung zu groß wird. Immer wieder habe ich dunkle Zeiten durchlebt und kann Menschen in Krisen und ihr Bemühen im Leben wieder Fuß zu fassen, gut nachfühlen. Ich weiß auch, wie hilfreich der sprachliche und gestalterische Ausdruck für das Gesund werden ist. Deshalb möchte ich Dir ein paar meiner Texte überlassen, vielleicht kannst Du sie in der „Auszeit“ veröffentlichen. Herzlich grüßt Dich Inge

Behutsam

Mut

Vorwärts

Ein Anfang

Kommen und gehen zwischen mir und dem Abschied

In den Tag eine Kerbe schlagen

Nahe Am Wort

Sagbar Wort für Wort

Aufbruch – Stimmung

Glück und Einverständnis

Tage fallen Ins Gewicht

Ich trage den täglichen Tod nach Hause

Dünnhäutig entlang der Begrenzung es bleibt das Wort unter der Zunge

Hände sieben den Traum von Gestern furchtlos neuen Fragen begegnen

Es gibt Flügel Inge

Inge

Inge

Inge

Liebe Borderliner! Wie es so üblich war, habe ich mich früher immer selbst verletzt. Ich dachte, dass es keinen anderen Ausweg mehr gäbe, aber da habe ich mich getäuscht. Die Selbstverletzung spielt sich nur im Kopf ab. Wenn man nicht danach kämpft, dann kommt man nie aus dem Strudel raus. Ob Ihr mir glaubt, oder nicht, ich denke jeden Tag daran und der Drang ist groß. Aber ich könnte es nie mehr machen, weil es der größte Scheiß auf der ganzen Welt ist. Gestalten in der Zentralen Ergotherapie

Eure Mira

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Auszeit Nr. 8/28

Traurigkeit Meine Traurigkeit ist schwimmen im Meer ohne Ufer. Meine Traurigkeit ist lautlos zersplitterndes Glas. Unterm Kettenhemd spuckt die Seele Asche. Schweigen rinnt über den müden Körper. meine Traurigkeit ist klebrig und zäh wie altes Öl. Dastehen mit der Büchse der Pandora, den Kaffee in der Tasse tot rühren. Stumm sein und warten. Rita

Huberta

Wo bist Du? Ein Leben wie so viele hier, von außen nichts besondres dran. Doch ist was anders, auch wenn es so niemand sieht. Warum kann ich nicht einfach so wie andere Leute glücklich sein? Warum bin ich trotz so vieler Menschen immer nur allein? Ein Körper wie so viele hier, von außen nichts besondres dran, doch leidet er bei Tag und Nacht bis er nicht mehr kann. So viele Fragen. Es tut weh. Ich horch auf jeden kleinen Laut. Wie geht es weiter? Was passiert? So geht’s bis der Morgen graut. Wo ist mein Ich? Wo unser Wir? Wo ist mein Licht? Was soll ich hier? Wer fühlt mit mir, wer hört mir zu? Wer gibt dir Hoffnung und liebt mich? Wo bist du? Eine Nacht wie viele hier, von außen nichts besondres dran. Ich lieg wach, starr in die Luft, lass die Gedanken kreisen. Du sagst es gibt ein Morgen. Eine Zukunft auch für mich. Du willst, dass ich dir vertrau, damit die Mauer um mich endlich bricht. Gib mir die Hand, hol mich hier raus. Du kannst es, wenn ich dir vertraue. Nimm mich wahr. Hör mir zu. Gib mir die Kraft, einfach so. Ein Leben wie so viele hier, von Außen nichts besondres dran. Doch ist was anders auch wenn es so wirklich niemand sieht. Auch ich kann endlich so wie andere Leute glücklich sein. Um mich so viele Menschen, ich bin nicht mehr allein. Hier ist mein Licht! Hier unser wir! Hier ist mein Licht, ich stehe hier. Du fühlst mit mir, du hörst mir zu, nimmst meine Hände und hältst mich, einfach so. Christine

Tag für Tag Über 1 ½ Jahre, mehr als 18 Monate, ungefähr 80 Wochen, genau 563 Tage! So lange sitze ich jetzt schon hier, mittlerweile auf meiner fünften Station und ich sehe noch kein Ende. Kein Ende dieses Aufenthaltes, nur mein eigenes Ende, das sehe ich Tag für Tag! Immer wieder diese Gedanken, diese Ideen, diese Bilder, genaue Vorstellungen. Und doch kann ich es nicht machen, doch schaffe ich diesen letzten Schritt nicht. Es wäre doch so einfach! Wieso schaffe ich nicht einmal das richtig? Nicole 9

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Auszeit Nr. 8/28

Abschied Das wachsweiche Herz festhalten mit beiden Händen. Die Regale im Kopf voll stellen mit Erinnerungskitsch. Briefe schreiben und zerreißen. Den Schmerz in den Boden stampfen. Deine Spuren suchen in den vorbeihastenden Menschen. Das wachsweiche Herz festhalten mit beiden Händen. Rita Robert

Immer bei uns Menschen kommen und gehen im Leben, das sind Dinge, die wir akzeptieren müssen. Menschen, die wir in unserem Herzen halten sterben nie, sie sind immer bei uns auch wenn wir sie nicht sehen können… Aber eines muss man sich merken: Engel flüstern leise! Plaki

Kreuzung Eines Tages kam ich an eine Kreuzung. Ich stand in der Mitte und wusste nicht mehr ein noch aus. Lange stand ich regungslos dort. Ich dachte nach. Was hatte mich hergetrieben? Wie bin ich hier hingekommen? Wie konnte das überhaupt geschehen? Eigentlich kannte ich die Antwort, aber ich wollte sie nicht wahrhaben, denn es waren die Menschen, die ich liebe, die mich in diese Lage gebracht haben. Jahrelang war ich im Kreis gelaufen, derselbe Trott, Tag ein – Tag aus… Ich ließ diesen Kreis Routine werden. Meine Gefühle hatte ich schon lange abgestellt. Jedoch nur äußerlich. Innerlich zerfraßen sie mich. Doch zum Glück kannte ich gute Mittel, um dies zu verhindern. Leider bewirkten diese Mittel auch, dass ich innerlich starb. Irgendwann als mir vom vielen im Kreis laufen schon schwindelig war, entschloss ich mich den Kreis zu durchbrechen. Einige Leute stießen mich dabei an. Alleine hätte ich das nicht geschafft… Nun stehe ich an dieser Kreuzung und habe vier Wege zur Auswahl: • Den Weg zurück, wieder hinein in den Kreis, bis es vielleicht wieder so weit kommt, dann werde ich wieder hier stehen und nicht weiter wissen. • Den Weg direkt nach vorn, geradeaus – die Richtung annehmen, die mir nun vorgegeben wurde. • Den Weg nach links, neues wagen, mich nicht auf vorgegebenes verlassen. • Und den Weg nach rechts, der in einen tiefen Abgrund führt, den Weg, Cui der mich niemals wieder freigibt, den letzten Weg, den Weg der Ewigkeit. Nun stehe ich hier und frage mich, welchen dieser Wege ich wählen soll… und ich kann nicht mehr tun, als mit den Schultern zu zucken, denn ich weiß es nicht… Christine

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Auszeit Nr. 8/28

Augenblick

Die Liebe

Einen Augenblick brauchte es, um dich zu bemerken. Nur einen Liedschlag lang und ich hätte dich verpasst. Einen Moment dauerte es bis ich wusste, ich liebe dich.

Die Liebe die ist sonderbar, kaum ist sie weg, ist sie wieder da. Was sie ist, kann niemand sagen, sie ist wie ein Gefühl im Magen: Darum schreib ich dies Gedicht, ob es dir gefällt, weiß ich nicht. Zumindest hoffe ich das sehr, ich fühle mich innerlich so leer. Denn die Liebe dient als Fülle, ohne dich bin ich eine leere Hülle. Schenk mir Liebe und zwar deine und glaube mir ich weine, denn ich bringe es nicht über mich dir zu sagen: „Ich liebe dich!“

Einen Tag lang und schon wusste ich, wer du bist. Eine Ewigkeit, so kam es mir vor, dauerte es bis du sagtest: „Ich liebe dich mein Schatz!“

Huberta

Mona

Plaki

Momente Es gibt Momente, da sitze ich nur so da und denke nach. Oft denke ich dann über zu vieles nach und bekomme dann richtig Angst. Angst, dass mich keiner mag. Angst, ganz allein auf der Welt zu sein. Angst, enttäuscht zu werden. Angst, alles falsch zu machen. Dann wünsch ich mir jemanden, der immer für mich da ist, mir zuhört, mich tröstet und aufheitert. Ich habe diesen Menschen schon gefunden, denn dieser Mensch, der bist Du! Plaki

Kennst du mich? Wenn du glaubst, du kennst mich und mein Leben, dann hast du dich in mir getäuscht. Weißt du wie es ist, wenn man weint, ohne den Grund zu kennen? Weißt du wie es ist, rote Tränen zu weinen, ohne es selbst zu wollen? Weißt du wie es ist, wenn man die Stimme im Kopf, die einen dazu drängt, nicht mehr los wird? Weißt du, wie verzweifelt man ist, wenn der Kampf immer wieder erfolglos ist? Weißt du, wie es ist, den Hass auf andere gegen sich selbst zu richten? Weißt du wie es ist, wenn die Seele zerbricht, weil man nichts ändern kann? Wenn du all diese Gefühle kennst, dann kennst du mich. Aber wenn du dies nicht begreifst, dann sag nie wieder, du würdest mich kennen, denn du tust es nicht! Christine 11

Claudia Auszeit, die Zeitung von Menschen in der Krise und von ihren Freunden.


Auszeit Nr. 8/28

Höre Stumm ist er und kann nicht sprechen, schweigend steht er da, der stumme Mann. Aber hör genau, tief in sein Herz hinein und du wirst erkennen, was er alles sagen kann. Die meisten Menschen können es nicht hören, denn sie hören ohne Herz, drum hör du den Stummen an und teile seinen Schmerz. Christine

Manchmal Manchmal möchte ich eine Rose sein, eine Rose, die verwelkt. Manchmal möchte ich eine Welle sein, eine Welle, die sich überschlägt. Manchmal möchte ich eine Blume sein, eine Blume, die verblüht. Manchmal möchte ich ein Baum sein, ein Baum, der gefällt wird. Manchmal möchte ich ein Licht sein, ein Licht, das erlöscht. Manchmal möchte ich eine Muschel sein, eine Muschel, die sich nie wieder öffnet. Manchmal möchte ich eine Sekunde sein, eine Sekunde, die gerade jetzt vorbei ist. Manchmal möchte ich einschlafen und nie wieder aufwachen. Christine

Robert

Lächelnd Man kennt mich lächelnd. Zieh mich manchmal für kurze Zeit zurück, wenn ich es nicht mehr aushalte. Das Lächeln verschwindet. Schmerz und Angst stehen in meinen Augen. Muss nach Luft schnappen. Mir wird schwindelig. Ich beginne zu zittern… Wo ist die Klinge? Nervös suchend. Endlich. Spüre das kalte Eisen auf meiner Haut. Warmes Blut zieht seine Bahnen. Eilig abgewischt. Schnell ein Pflaster darüber. Die Jacke angezogen gehe ich zurück, lächelnd. Plaki

Tränen Oft höre ich andere jammern, sie würden nur weinen, könnten damit gar nicht mehr aufhören. Ich denke mir dann immer, seid doch froh, dass ihr weinen könnt. Ich kann es nicht, und deshalb vergieße ich rote Tränen. Rote Tränen, um endlich diese Spannungen los zu werden. Rote Tränen, um mich selbst zu spüren. Rote Tränen, um zu spüren, dass ich noch lebe. Nicole Auszeit, die Zeitung von Menschen in der Krise und von ihren Freunden.

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Auszeit Nr. 8/28

Liebe den Mann… Liebe den Mann, der dich hübsch nennt und nicht sexy. Der dich zurückruft, auch wenn du aufgelegt hast. Der wach bleibt, nur um dich schlafen zu sehen. Der deine Stirn küsst. Der dich der ganzen Welt zeigen will, auch wenn du nicht zurechtgemacht bist. Dem es nicht wichtig ist, ob du im Laufe der Jahre dicker oder dünner geworden bist. Den, der sagt: „Was möchtest du heute essen, ich koche!“ Den, der vor seinen Freunden deine Hand nimmt. Warte auf den, der dir ständig sagt, was du ihm bedeutest und was er für ein Glückspilz sei, dich zu haben. Und der dich seinen Freunden mit den Worten vorstellt: „Das ist sie!“ Liebe ihn, denn er liebt dich und wird es wahrscheinlich immer tun. Plaki

Ohne Dich Ich kann ohne Dich lachen, ich kann ohne Dich weinen, ich kann ohne dich leben, ich kann ohne dich sterben, aber ich kann niemals ohne dich glücklich sein. Plaki

Conny Sch.

Narben Meine Arme gleichen einem Schlachtfeld. Es gab einige Opfer und es wird noch viele weitere geben. Jede einzelne Narbe hat eine Geschichte, wie die vielen Opfer eines Krieges auch. Jede Narbe ist Überlebender eines nie enden wollenden Krieges gegen mich selbst. Eines Krieges, den niemand gewinnen kann. Eines Krieges, der Opfer fordert, der seine Krieger aber gleichzeitig am Leben hält. Jede Wunde ist ein Schritt tiefer in Richtung Sieg, doch auch in Richtung Verlust. Jede Wunde bedeutet neues Leiden und doch auch neuen Stolz und neuen Frieden. Niemals, so lange ich lebe, wird dieser Krieg beendet sein. Verlierer wird am Ende mein Leben, Gewinner mein Tod sein. Doch ob der Sieger sich gegen Ende mit diesem Gewinn zufrieden geben wird steht in den Sternen… Könnte jemand die Schrift meiner Narben lesen, würde jemand die Schrift meiner Wunden verstehen? Meine Arme sind Stücke meiner geschundenen Seele, die man wie einen zerbrochenen Spiegel nur mühsam wieder zusammensetzen kann. Und auch wenn man es schafft, bleiben Risse, die immer wieder an mein Schicksal erinnern lassen. Risse, genau wie die vielen Narben, die meine Arme zieren. Denn Wunden heilen, doch Narben verlassen mich nicht. Sie sind ein Teil meiner Selbst und meines Lebens; meines Schicksals. Christine

Alles tun Wenn ein Mensch wert wäre, um ihn zu weinen, würde dieser alles tun, um dies zu verhindern! Plaki 13

Auszeit, die Zeitung von Menschen in der Krise und von ihren Freunden.


Auszeit Nr. 8/28

Meine Familie Meine Familie ist da für mich, steht immer hinter mir, begleitet mich. Meine Freunde stehen mir zur Seite, lassen mich nicht im Stich, lassen mich nicht fallen. Es gibt so viele Menschen um mich, denen ich etwas bedeute. Dies alles ist zuviel um zu sterben, jedoch auch zu wenig, um zu leben! Nicole

Ver-rückt Ich habe die Fünfzig überschritten. Ich bin ein bisschen eigen. Ich war noch nie in der Valduna, war noch nie so ver-rückt, dass es für einen Aufenthalt dort gereicht hätte. Aber wenn ich mich in der Welt umschaue, sehe, wie ver-rückt die ganze Welt geworden ist, sehe, wie Werte verbogen, verschoben und ver-rückt werden, sehe, wie nur noch Schein und nicht mehr Sein zählt, wie nur noch Kapitalismus und Geld wichtig sind, dann frage ich mich doch allen Ernstes, wie ver-rückt muss man eigentlich sein, um in dieser ver-rückten Welt nicht verrückt zu werden? Rita

Claudia

Jetzt Im Jetzt leben. Heute leben. Das Gestern ist vorbei. In die Zukunft, die sicher schön wird, denken. Ich freue mich jeden Tag. Ich freue mich auf meinen Schatz. Ich freue mich an der Natur, an den Menschen, an Gott. Ich freue mich an den Tieren. Bin ein großer Tier- und Pflanzenfreund. Ich liebe meinen riesigen Schatz, ganz fest und freue mich auf ihn. Erika D. Belinda

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Auszeit Nr. 8/28

Heute wird alles anders sein! Es war ein ruhiger Morgen. Sarah wachte in ihrem Bett auf, wie jeden Tag. Der Regen prasselte sanft gegen ihr Fenster. Es war ein stiller, ruhiger Morgen, eine Nummer zu ruhig, etwas war anders… Sarah setzte sich auf. Ihre Eltern waren wie jeden Morgen nicht zu Hause, nur Sebastian, ihr kleiner Bruder, schlief seelenruhig in seinem Zimmer. Sarah würde ihn wecken, nachdem sie geduscht hatte. Das warme Wasser fühlte sich so sanft an auf ihrer Haut. Es tat richtig gut. Es war ungewöhnlich gut. Dann ging sie in Sebastians Zimmer und weckte ihn vorsichtig, wie jeden Morgen. Sie machte ihm Frühstück und schickte ihn zur Schule. Schließlich schrieb sie ihren Eltern noch eine kleine Botschaft. Danach ging sie selber los. Sie stieg in den Bus, wie jeden Morgen. Als sie die Klasse betrat, war sie freundlich. Sie lächelte, wie jeden Morgen. Sie sprach mit ihren „Freunden“, wie jeden Morgen. Alles war wie jeden Morgen und doch wusste sie, dass an diesem Morgen alles anders sein würde. Endlich wollte sie ihr Leben verändern. Endlich wollte sie 15 Jahre, voll von Schmerz vergessen… Heute Morgen hatte sie beschlossen die Geschichte ihrer Seele, die in ihren Armen geschrieben steht, endlich zu beenden. In dieser ersten Stunde würde sie etwas tun, was sie nicht jeden Morgen getan hatte. Ihr Lehrer betrat den Klassenraum. Zunächst lief alles wie jeden Morgen. Er begrüßte die Klasse. Doch Sarah wollte ihren Schmerz, ihren Hass nicht länger hinunterschlucken. Um alles zu beenden musste sie auch dieser Pein ein Ende setzen. Sie nahm all ihren übergebliebenen Mut und all ihre restliche Kraft zusammen, stellte sich vor ihren Lehrer und sagte: „Ich wollte ihnen noch etwas sagen, dass Sie ein riesengroßes Arschloch sind!“ Ihre Stimme war klar und fest, voller Kraft. Ihr Lehrer schaute sie ganz verwirrt an. Sarah drehte sich um und schritt zu Tür. „Dein Verhalten wird Konsequenzen haben!“, rief er ihr hinterher. „Und Ihres hat schon lange welche gehabt.“, dachte Sarah insgeheim. Der erste Schritt war getan. Sie hatte sich von der ständigen Qual, der sie durch diesen Mann ausgesetzt war, befreit. Stolzen Schrittes ging sie auf die Toilette. Sie schloss ab, krempelte ihre

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Ärmel hoch und holte ihr Messer, ihren treuesten Freund, aus der Tasche. Sie musste die Geschichte zu Ende schreiben. Sie schnitt in ihren Arm. Ein Rinnsal roten Blutes floss herunter. Neue Wunden entstanden und gesellten sich zu ihren Brüdern und Schwestern. Ein neues Kapitel, ein letztes, wurde geschrieben. Es war unsagbar schön, dieses Gefühl. Sarah wusste, dass es das letzte Mal war, dass sie dieses Gefühl spürte und doch weinte sie nicht. Nun ging sie voller Stolz zurück in die Klasse, im dritten Stock. Sie versteckte ihre Wunden nicht. Sie war zum ersten Mal im Leben stolz auf ihre Geschichte, stolz auf ihren endgültigen Entschluss! Alle im Raum starrten auf ihre Arme, auf die Geschichte ihrer Seele. „Du kannst gleich wieder gehen. Ich lege in meinem Unterricht keinen Wert auf deine Anwesenheit“, sagte ihr Lehrer.

„Ich bin auch gleich wieder weg.“, beschwichtigte Sarah ihn. Sie schritt zum Fenster, öffnete es, holte tief Luft… Das würde ihr Ende sein, das Ende ihrer Seelengeschichte. Niemand wagte etwas zu tun. „Ich will ein Ende!“, dachte Sarah. Sie sprang. Ihr Fall dauerte eine Ewigkeit. Sie fühlte sich frei, so wie ein Vogel, so wie sie sich noch nie gefühlt hatte. Es war ein einzigartiges Gefühl. „Was tue ich? Ich will doch eigentlich leben! Nur nicht so!“ Sarahs letzter Gedanke kurz vor dem Aufprall. Doch diese Gedanken kamen zu spät… Ihren Eltern blieb ein Zettel zurück: Mama, Papa, ich hab euch lieb. Wo immer ich bin, ich denke an euch. Vergesst mich und meine Geschichte. Ich weiß nicht, wann ich nach Hause kommen werde! Heute wird alles anders sein! Sarah Christine

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Auszeit Nr. 8/28

Free Solo Das was mir zum Leben fehlt, ist ein richt`ges tolles Herrenfeld. Schön und stark, das sein arg und von Welt, das ist was zählt. Mitten im Herrenfeld, das bin ich gewohnt und das gefällt. Sweet Emotion der top ten Reiter, Gottesbilder, doch leider suchen Peter und Paul ein einziges hungriges Maul. Wilde tit for tat – Strategie greift an und packt, optisch o. k.? Panzer geknackt? Zuvor muss der alte Müll raus aus dem Haus. Vom beglückenden Gefühl nach der Jagd auf Beute, schwärmen die Leute. Ein wenig Unsicherheit in meiner Baustelle, weit und breit gemischter Sommersalat Komm zur Sache, ich mache dir einen Himmelstaucher total. Klarer Fall, doch stimmen die inneren Werte?

Claudia

Zu meinem Duo kommt jeden Tag Neues dazu! Volle Deckung -Vorhang auf - Spot an, Feuervögel brennen lichterloh auf. Freestyle total, gesucht, gefunden, mein Fall! Andrea

Angst

Gern haben

Angst vorm Hund. Angst vor der Dunkelheit. Angst vor Neuem. Angst vor der Angst. Angst vor der Liebe. Angst ist, die Angst die einen verrückt macht.

Wie sollen andere mich gerne haben, wenn ich mich selbst nicht leiden kann? Ich hasse mich selbst, hasse mich für meine Figur, hasse mich für meine fehlende Disziplin, hasse mich für meine Faulheit, hasse mich für meine Fehler, hasse mich für meine Schwächen, hasse mich für meine Unfähigkeit, mit Menschen umzugehen… Ich hasse mich, weil ich so bin, wie ich bin.

Mira

Nicole

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Auszeit Nr. 8/28

Ausgetrickst Ich bin inzwischen ein Meister geworden im austricksen, verbergen und belügen. Angefangen hat es vor ungefähr vierzehn Jahren, als ich zum ersten Mal aufhörte zu essen. Ich ging noch in die Schule und weil ich so früh aufstehen musste, durfte ich alleine frühstücken. Na ja, frühstücken konnte man das eigentlich nicht nennen. Ich steckte nur das Messer in die Nutella und streifte es wieder ab. Dann bekleckerte ich den Teller ein bisschen und schnitt ein paar Scheiben Brot ab. Die legte ich dann so hin, dass es so aussah, als ob ich etwas gegessen hätte. Beim Mittagessen und Abendessen wurde es allerdings etwas schwieriger. Meistens aß ich sehr langsam und tat sehr wenig auf die Gabel, oder ich sagte ich hätte in der Schule schon gegessen. Hauptsache es funktionierte und das tat es. Da inzwischen die meisten Leute wissen, dass ich nicht esse, ist es sehr kompliziert geworden. Wenn niemand schaut, leere ich ganze Liter Saft weg und sage ich hätte es getrunken. Ich verschenke Essen und bekomme leere Teller und Schüssel zurück. Und niemand weiß, dass ich wieder einmal überhaupt nichts gegessen und getrunken habe. Luisa

Stimmen

Worauf ?

Befehle Schreie Respekt Angst Wut Hass Warum belasten gerade diese Stimmen mich so?

Wenn wir uns auf Wohlstand konzentrieren, dann wächst der Wohlstand. Wenn wir uns auf Gesundheit oder Frieden konzentrieren, dann wachsen diese! Worauf konzentrierst Du Dich den Tag über?

Mira

Manfred Claudia

November Schneeig der Berg, der Tag hängt in Fetzen. Wind klagt, klaut dir den Ton. Die Nacht ist im Wachsen, Schlaffestival, ist ja egal. Erwachender Tag, Sonne schaut vorsichtig auf. Milchig blau die Ferne, ab in Mittagsrichtung! Zum Glück, wenn das Brett drüberschrammt ist`s dem Berg ja egal. Versammeltes Volk, Kunst in Natur pur. Drängellagen, enjoy your body, schalt weg, zum Glück ist`s dem Berg ja egal. Doch auweih und ei, da naht eine Hängebacke. Das Wetter schlägt um und wumm ist`s rings wieder leer. Zuviel Glück im Urlaub, ja das wär, wie eine Stirn ohne Falten!

Cui

Andrea 17

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Auszeit Nr. 8/28

Nerina Einen echten Alpenburschen kannst du nicht verlocken nicht mit Rosengespann nicht mit goldenem Garn. Hoch am Berge zu Ormont, gelegen am See, da lebte Nerina, die zarte Fee. Bekleidet mit hauchdünnem Schneegewand, war sie in heißer Liebe zum Hirtenburschen Michele entbrannt, funkelnde Diamanten zum Haarband. Michele so wird erzählt, hatte schon ein Mädchen aus fruchtbarem Tale erwählt, rotbackig mit Namen Salome, blaue Augen wie der klare Alpensee. Eines Abends allerdings nach einem Sturm, da stieg Michele doch mit Nerina hinauf zum Felsenturm. Sie zauberte schnell ein Gespann, tausende Spatzen flogen als Pferde voran. Schimmernde Gipfel, tiefe Schluchten, im Mondlicht gleißende Wipfel blieben nach raschem Ritt, hinter ihnen zurück. Echtes Liebesband zärtliche Hand, hat Michele zurückgebracht. Keine Feenmacht hat je seine Sehnsucht so entfacht, wie Salome, seine weltliche Fee. Refrain: Einen echten Alpenburschen kannst du nicht verlocken, nicht mit Rosengespann nicht mit goldenem Garn. Refrain:

Andrea

Lachen und Weinen Lachen, wenn ich fröhlich bin. Strahlen, wenn ich glücklich bin. Gähnen, wenn ich müde bin. Fragen, wenn ich neugierig bin. Zittern, wenn ich aufgeregt bin.

Bertram

Und wenn ich traurig bin? Bin ich traurig, so sollte ich doch weinen, oder nicht? Ich kann es aber nicht! Ich kann nicht weinen, kann keine Tränen vergießen, keine salzigen Tränen, nur rote Tränen. Und warum das? Obwohl ich lebe, bin ich tot. Nicole

Warnung Warnung an alle die abnehmen wollen. Passt auf, dass ihr nicht in den Teufelskreis der Magersucht gerät! Ihr kommt da nicht mehr raus – jedenfalls nicht alleine. Am Anfang habt ihr noch die Kontrolle über das Essen, doch schon bald übernimmt das Essen und Trinken die Kontrolle über euch! Auch ich bin in die Magersucht hineingerutscht. Ich kann nicht einmal mehr etwas trinken ohne danach zu kotzen. Mir ist den ganzen Tag schlecht, mir ist immer kalt und wenn ich aufstehe, muss ich mich festhalten, damit ich nicht umfalle, so schwindlig ist mir. Falls ich es nicht schaffe, möchte ich für alle eine Warnung sein. Ich habe einmal gelesen, dass es für Magersüchtige nur eine 30%ige Chance auf vollkommene Heilung gibt. Bitte, fangt nicht an zu hungern. Es ist die Hölle. Luisa Auszeit, die Zeitung von Menschen in der Krise und von ihren Freunden.

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Auszeit Nr. 8/28

Vergeben?

Brief an mich

Was hast du mit mir gemacht? Vorher hat mein Herz gelacht, jetzt ist es nur noch ein Stein und das Lächeln nur noch Schein.

Klingen glänzen, Tränen fließen, Schmerzen, Trauer, Blutvergießen? Oder Trost und Glück und Leben, wird es die Erlösung geben?

Weg der Glanz in meinen Augen, fort das Lächeln im Gesicht, ja, ihr könnt es mir ruhig glauben, so etwas vergisst man nicht.

Ist es richtig oder nicht, nimmt es den Kummer vom Gesicht? Löscht es die Narben von der Seele, öffnet es die angstverschnürte Kehle?

Man schiebt es hin und schiebt es her, drängt es weg und sieht’s nicht mehr. Man will vergessen und will leben, doch es ist nicht zu vergeben.

Nein, der Kummer der wird bleiben, wird sich immer wieder zeigen, er durchdringt das ganze Leben, was wird die Erlösung geben?

Immer wieder muss man’s sehen, muss es spüren und durchstehen, was er damals hat gemacht... Hat er einmal nachgedacht?

Liebe, Mut und Zuversicht Wischen Tränen vom Gesicht. Geborgenheit, Sicherheit und Glück, geben dir das Leben zurück!

Christine

Du musst drauf hoffen, gib nicht auf! Christine

Tagesrückblick Donnerstag: Seit gestern innere Leere, keine Ahnung wovon, kein richtiges Gefühl. Ich weiß ich bin da, aber was da ist, ist nur eine Hülse, das eigentliche Ich, das innere Ich ist ganz weit weg. Es ist irgendwo wo ich noch nie war, einfach weg, aber nicht für immer. es kommt und geht mein inneres Ich. Freitag: Wenn ich nach draußen sehe und die düstere kalte Stimmung so sehe, werde ich ganz traurig. Ich weiß nicht, ob das schon Depressionen sind, aber ich hoffe nicht, weil sie so krank wirken. In mir drinnen ist nix, alles liegt still, außer mein Herz und meine Adern die pochen. Innere Leere, kein richtiges Gefühl in mir drinnen. Ich fühl mich wie eine Puppe, die grad noch alleine gehen kann, nur Angst habe ich, dass die Puppe auch fallen kann. Die ganze Zeit bin ich depri rumgehängt und hab nix gedacht. Die schwarze Leere ergreift mich wieder und wieder. Auf einmal habe ich wieder bessere Stimmung, zwar kann ich nicht richtig lächeln, aber immerhin versuch ich es irgendwie. Aber zwischendurch muss ich auch oft ohne Grund heulen. Ich krieg so nen richtigen Heulkrampf der nicht weg will. Am Meisten muss ich heulen, wenn ich mit denen daheim telefoniere oder so. Heute besuchte mich mein Dad. Wir redeten dann sehr viel und gingen viel spazieren. Ich spürte, dass es mir gut tat. Mona Claudia

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Auszeit Nr. 8/28

Achtzehn Monate Ich kam in die Jugendpsychiatrie mit dem Gedanken, dass ich in drei Wochen wieder weg sein werde, die Matura mit meiner Klasse gemeinsam machen werde, mit auf Maturareise gehen würde. Heute, genau achtzehn Monate nach meiner Aufnahme, sitze ich immer noch hier im Krankenhaus. Nicht mehr auf die Jugend-, denn dafür bin ich mittlerweile zu alt, sondern in der Erwachsenenpsychiatrie, auf meiner vierten Station insgesamt. Achtzehn Monate – eineinhalb Jahre – eine lange Zeit! Ich habe meinen neunzehnten Geburtstag hier „gefeiert“, und auch meinen zwanzigsten. Achtzehn Monate – und ich habe das Gefühl, ich komme einfach nicht weiter, bewege mich auf derselben Stelle, mache sogar immer wieder Schritte zurück. Ich habe eine riesen Wut, nicht auf andere, sondern auf mich. Achtzehn Monate und ich habe es immer noch nicht geschafft. Werde ich es überhaupt je schaffen, wirklich zu leben? Denn ich bin zwar nicht tot, und doch lebe ich auch nicht. Immer wieder frage ich mich, wieso genau ich? Wieso komme ich nicht vom Fleck? Aber was noch schlimmer ist, ist der Gedanke an meine Familie. Was hat meine Familie nicht alles durchgemacht? In diesen achtzehn Monaten war ich so mit mir selbst beschäftigt, dass ich nicht an meine Familie dachte. Nur selten kam mir in de Sinn, wie es wohl meiner Familie damit geht und was sie alles durchlebt hat. Wie konnte ich meiner Familie und meinen Freunden nur so etwas antun? Achtzehn Monate war ich nur mit mir beschäftigt, total egoistisch – und viel weiter bin ich dennoch nicht gekommen. Achtzehn Monate – und alles vergebens? Nicole

Tabletten Tabletten zum Sedieren. Tabletten zum Angst lösen. Tabletten zum die Traurigkeit auflösen. Tabletten zum Fröhlich sein. Kann ich auch einmal ohne Tabletten fröhlich und glücklich sein? Mira Stefan

Ich Ich bin seit zwanzig Jahren alkohol- und medikamentensüchtig. Ich mache derzeit einen Entzug im LKH Rankweil und kann dann für sieben Monate ins Carina. Ich will und muss es machen, sonst habe ich keine Zukunft mehr. Schließlich mache ich es schon zwanzig Jahre mit. Ich will leben und nicht sterben, habe aber Angst es nicht zu schaffen. Das brauche ich nicht ! mehr. Robert V.

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Auszeit Nr. 8/28

Flieg fort! Arme – es sind meine – meine? Warum sehe ich sie nicht als Teil von mir? Warum lehne ich sie ab, wie alles an meinem Körper. Möchte raus aus dieser Hülle, die meine Seele gefangen hält. „Flieg fort“, schreit es in mir. Doch ein Entkommen gibt es nicht. Ein fester Schutz scheint dieser Körper, den ich doch so sehr hasse, dem ich wünsche abzulegen, loszulassen – meine Seele losfliegen lassen in das Unendliche, wo sie keinen Schmerz mehr spüren wird. Meine Seele, die schon längst tausend Tode gestorben ist. Keiner hat es bemerkt. Eine tote Seele in einem lebendigen Körper?! Eine Hülle, die sich noch bewegt, die ihre Aufgaben und Funktionen erfüllt, den Schein nach außen bewahrt mit aller Kraft. Dass ich schon längst tot bin, habt ihr nicht gemerkt! Christine

Urteil Du siehst nicht mit meinen Augen. Du fühlst nicht, was ich fühle. Du kennst meine Gedanken nicht. Du siehst nicht, wann ich lache. Du merkst nicht, wann ich weine. Das alles weiß nur ich! Wie kannst du dir trotzdem ein Urteil über mich erlauben? Plaki Barbara H

Gefangen in mir Ich spüre nicht was ist, was sein wird. Gedanken kreisen immer wieder. Angst schleicht sich in meine Glieder. Spüre, wie sie meine Beine hoch kriecht, wie sie langsam aber sicher immer mehr von mir Besitz ergreift. Sie lässt sich nicht aufhalten, nicht von mir, nicht von dir, von keinem. Scheint zuerst ein friedliches Gefühl, doch ist es wie immer: Gefühle täuschen. Spüre mich nicht mehr, doch die Angst dafür umso mehr. Kann sie nicht abschütteln, so sehr ich es auch will. Verzweifelte Versuche, doch nichts hilft. Ich kann nicht fliehen, keine Flucht vor mir selbst. Gefangen in mir, meinem Körper, den ich so hasse. Christine

Lächle Höre nie auf zu lächeln, auch dann nicht, wenn du sehr traurig bist, denn du weißt nicht, wer sich vielleicht in dein Lächeln verliebt. Plaki 21

Marco Auszeit, die Zeitung von Menschen in der Krise und von ihren Freunden.


Auszeit Nr. 8/28

Gedanken Woher kommen unsere Gedanken? Wohin führen sie uns? Dieses unbeschreibliche Glück, welches ich durch sie erfahre und dieses unsagbare Leid und den Schmerz den ich zufüge, gehorche ich diesen Gedanken. Wo finde ich die Grenze - der Gedanken gut und böse - der Gedanken lustig und traurig - der Gedanken sinnvoll und … Die Gedanken sind meine Freunde, wenn sie in eine positive Richtung zeigen und Feinde, wenn sie quälen, auch wenn es oft nicht so scheint. Wir dürfen lernen unsere traurigen Gedanken zu verstehen, und begreifen, wie wertvoll und kostbar unser Leben ist. Elisabeth

Jacintha

Tagesrückblick Samstag: Weiß nicht was denken, weiß nicht was fühlen. Mit dem Gedanken, dass ich da bleiben muss, kann ich nicht umgehen, und will ich nicht. Die Ungewissheit packt mich, bleib ich hier oder nicht? Es ist schlimm, es nicht zu wissen. Mache mir Gedanken, wie werden die anderen reagieren wenn ich bleibe. F… ich will raus, ich will diese Ungewissheit nicht. Nur Kranke kommen in die Valduna! Ich bin doch nicht krank! Warum ich, warum komme ICH auf J1? Ich hab Angst, aber nur irgendwie. Was ist, wenn die mich dort als wirklich krank erklären? Das bin ich doch nicht! Sie können mich aber krank machen, indem sie mich einsperren. Gedankenversunken bin ich nun da, weiß nicht weiter, und obwohl ich nicht an Gott glaube, frage ich ihn: „Was nun, da hast du mich, was willst du jetzt? Viel Spaß beim Quälen!“ Immer noch Gedankenversunken und leer. Hoffe morgen geht’s mir besser. Mona

Der Weg Nun geht es auf in ein neues Glück. Glück nicht ganz, nur ein bisschen verrückt. Verrückt ist meine Welt seit langem, bin so oft in mir gefangen. Komm nicht raus aus meinem Leben, will es aber weiterleben. Nun gehe ich bald „auf Reha“, nach Kärnten sechs bis zwölf Wochen wird es gehen. Ob sich mein Leben darauf verändert? Ich hoffe wenigstens auf eine Erkenntnis, die verändert. Und mein Leben von neu zu beginnen, wie ich`s mir wünsche. Die Kraft werde ich finden, sie steckt noch in mir. Ich werde sie wachrufen, dann steht sie zu mir. Karin

Karin Auszeit, die Zeitung von Menschen in der Krise und von ihren Freunden.

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Auszeit Nr. 8/28

Kein Kind mehr

Karin

Dein Leben bisher gut gemacht, doch niemand hat danach gefragt, wie du dich fühlst in der Nacht, wenn es dir den Atem nimmt, du Angst hast einzuschlafen... Vertrauen zu schenken, seitdem schwer. Liebe zu geben und zu nehmen noch viel mehr. Berührungen manchmal wie ein Messerstich, verfehlt dich, aber deine Seele nicht... Damals ein Kind, so unschuldig und rein, niemals wird das wieder so sein. Der Körper beschmutzt, die Seele verletzt, die Unschuld geraubt, Vertrauen missbraucht. Ich wünsche mir so sehr, dass alles anders gekommen wär. Ein Leben so klar und rein, für mich wird das immer unerreichbar sein. Die Wunden zu tief, auch nach so langer Zeit, ich kann nicht vergessen, zum Sterben noch nicht bereit. Den Missbrauch versteckt, ganz tief in mir drin. Die Tränen verbraucht, der Mund verstummt. Ich gebe nicht auf, hab`s bisher nicht getan, zu viel hast du mir genommen, doch ich werde dir zeigen, dass ich kein Kind mehr bin, das ich nicht mehr so schwach bin wie damals. Christine

Steine Warum müsst ihr mir immer wieder Steine in den Weg legen? Jedes Mal, wenn ich das Gefühl habe, endlich auf meinen Beinen zu stehen – immer noch wacklig, aber wenigstens aufrecht – zieht ihr mir den Boden unter den Füßen weg. Wieso? Seht ihr mich so gerne fallen? Denn genau das passiert immer wieder. Ihr zieht mir den Boden weg, und ich falle! Mache ich einen Schritt nach vorne, so folgen zwei zurück. Könnt ihr denn nicht verstehen, dass ich unendliche Angst habe? Angst, vor den Schritten zurück! Angst, wieder von vorne beginnen zu müssen! Angst, niemals weiter zu kommen! Wieso versteht das denn keiner? Wieso will es keiner einsehen? Macht es euch Spaß, mich fallen zu sehen? Nicole

Gefühl Ein eigenartiges Gefühl, selber hier in der Klinik zu liegen. Wenn ich hier auf Besuch wäre und wieder hinausginge, das wäre okay. Aber jetzt? Na ja, ich muss damit leben. Aber mir wird geholfen, von allen Seiten, ob vom Personal oder von Freunden und der Verwandtschaft. Warum ich hier bin? Ich wollte mir mein Leben nehmen, mein „Einziges“. Blöd oder? Aber ich sehe, dass es auch anderen Menschen nicht gut geht, also bin ich nicht alleine und das ist gut so. Und ich weiß, wenn ich hinaus komme, dass für mich alles anders wird. Warum? Ich habe Erfahrungen gesammelt, Freundschaften geschlossen und MICH selber kennen gelernt. Ich habe mich wieder. TOLL ☺ Viel Glück auch Euch auf Euren Wegen. Manfred

Barbara H

Auszeit, die Zeitung von Menschen in der Krise und von ihren Freunden.

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Auszeit Nr. 8/28

auf und nieder – immer wieder achterbahnfahrt mal wieder auf und ab wieder mal leben in extremen zwischen verzweiflung und hoffnung mit todeswünschen und zukunftsträumen tage so düster und so bunt wie herbstlaub endlich gefordert keine langeweile mehr doch schon wieder versagensangst statt lebendigkeit überforderung statt herausforderung

Zeichnen in der Zentralen Ergotherapie

stoße an meine grenzen muss verdammt aufpassen sie nicht zu überschreiten mich selbst auffangen bevor ich zu tief falle mich bewusst spüren bevor ich mich verliere trete auf der stelle drehe mich im kreis finde keinen halt im chaos alles gerät durcheinander will die achterbahn anhalten andererseits noch schneller fahren liebe die kurvige abwechslung und fürchte den unvorhersehbaren verlauf kann nicht aussteigen, nicht stehen bleiben nur weiter fahren, immer weiter auf und ab, aber nicht zurück

Bertram

Julia

Ich lebe in Angst Meine Hände zittern, ich kriege kaum noch Luft. Voller Angst nehme ich die Zeitung, halte den Atem an, und schlage die Seite mit den Todesanzeigen auf. Ich sehe mir die Fotos an, suche dein Gesicht. Jeden Tag, diese Angst, dich auf diesen Seiten zu finden. Wie konntest du mir das antun? Ich lebe in Angst, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Du hast gesagt, das Einzige, was du willst ist, das es mir gut geht. Wie kannst du mich dann so unter Druck setzen, meine Tage und Nächte zu einem Alptraum machen, in dem ich mich immer um dich sorge? Was hast du dir nur dabei gedacht? Nicole 24

Auszeit, die Zeitung von Menschen in der Krise und von ihren Freunden.


Auszeit Nr. 8/28

Wer bin ich? Wer bin ich? Was hab ich für Gedanken, gute oder schlechte? Meine Haltung und Gedanken zwingen mich endlich für eine Entscheidung! Für die Falsche? Für die Richtige? Für eine Schlechte? Für eine Gute? Für eine schöne, gute Zeit! Für Freiheit! Für Verstehen und geliebt werden!

Ja, ich richte mich auf und werde glücklich sein! Conny H.

Conny H.

Eine Rose Wie eine Rose am Straßenrand, deren Schönheit total verkannt, fühl ich mich in diesen Tagen, warum kann ich dir auch nicht sagen. Von ihm wurde ich benutzt, er hat mich so sehr beschmutzt, nun stehe ich da in Staub und Dreck, und die Erinnerung, sie geht nicht weg. Man vergisst so viel in seinem Leben, doch das Schlimme, das bleibt kleben. Das Vergessen bleibt ein vergeblich Versuch, es ist wahrlich ein schlimmer Fluch.

Karin

Nun steh ich hier am Straßenrand, und fühle mich so ausgebrannt. Wann kommt die Zeit mich zu erlösen, zu befreien von all dem Bösen? Ich werde warten, schweigend, leidend, und versuch das Schlechte zu meiden. Ich freu mich schon auf den Tag, an dem ich mich dann wieder mag! In der Zentralen Ergotherapie

Christine

Auszeit, die Zeitung von Menschen in der Krise und von ihren Freunden.

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Auszeit Nr. 8/28

Alles Neu Eine neue Station, ein neues Gebäude, neue Mitpatienten, neue Pfleger, neue Regeln, neue Strukturen, alles neu! Dieses Neue macht mir Angst, doch jeder sagt mir, dass es auch im „richtigen Leben“ so zugeht. Nun frage ich Euch: Wechselt Ihr im „richtigen Leben“ alle paar Wochen Euren Wohnort? Wechselt Ihr im „richtigen Leben“ immer wieder Eure Bezugsperson, einfach so, von einem Tag zum nächsten? Ich glaube nicht! Also erzählt mir nicht, dass es im „richtigen Leben“ so zugeht. Ihr könnt Euch doch gar nicht vorstellen, was es heißt in der Psychiatrie zu leben!

Freizeitbeschäftigung auf U1

Nicole

Der Trotzkopf Habe mal das Buch gelesen vom Trotzkopf. Sie war reich und merkte es nicht. Sie war gläubig und merkte es nicht. Sie war glücklich und wusste es nicht. Sie hatte alles und doch nichts. Sie war intelligent und dachte, dass sie dumm war. Sie war eine Frau und doch noch ein Kind. Sie sah gut aus und meinte sie wäre hässlich. Sie hatte Klamotten und trug sie ohne Freude. Sie hatte Freunde und schätzte es nicht. Sie hatte Geborgenheit, und dachte sie wäre die Ärmste.

In der Zentralen Ergotherapie

Erika

In Türkisch

In Deutsch

Dün geçti Bugünü düşünüşüm Yarιnιm var mι? Gençliğimede güvenmem Ölenler ihtiyar mι?

Gestern ist vorbei. Ich denke nur an Heute. Gibt’s für mich noch ein Morgen? Vertraue nicht meiner Jugend. Sind die Verstorbenen so älter?

Suna

Suna

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Auszeit Nr. 8/28

Die kleine Seele Es war einmal eine ganz kleine Seele, eine Seele, einzigartig und wunderschön. Diese kleine Seele sah das Leben ganz hell und bunt, viele grüne Gräser, rote Rosen, gelbe Narzissen, blaue Vergissmeinnicht. Sie sah die Sonne am Himmel, spürte ihre Wärme. Sie sah all die anderen Seelen rund herum, alle glücklich und jede auf ihre Art wunderschön. Doch dann geschah etwas ganz plötzlich. Die Seele konnte nicht mehr lachen wie zuvor. Sie sah keine Farben mehr, nur noch schwarz. Die kleine Seele machte sich auf die Suche nach der Sonne, doch alles was sie finden konnte war Schatten. Die kleine Seele wollte weinen, wollte schreien, doch ihre Schreie waren stumm und wurden von niemandem gehört. Selbst die Tränen kamen nicht, nicht so wie die kleine Seele wollte. Deshalb vergoss sie rote Tränen. Nun ist die kleine Seele allein, einsam, zerrissen. Sie freut sich nur noch darauf, dass er sie holen kommt und wartet jeden Tag darauf, doch bis jetzt hat er sich nicht gezeigt. Aber sie hofft, dass er sie holen kommt, denn ohne Sonne und Farben und Freude kann die kleine Seele nicht leben. Nicole

Ritter Artus Ritter Artus, ohne Fehl und von Adel, will mich befreien von dem Feuerspeienden. Ritter Artus, ohne Fehl und Tadel, wird mich bewahren vor dem Testen fremder Betten. Ritter Artus, wird mich erobern und abliebeln ohne Fehl und ritterlich. Ritter Artus, wird bald eine andere Jungfrau befrei`n, wenn ich ihm nicht heimlich die Stiefel versteck! Andrea

Bertram

Schneeflocka Miar Menscha sen wia d’ Schneeflocka. I dr Masse gon mr unter. Aber betrachtat ma so a Flöckli genauer, denn isch jeds einzelni a Meisterwerk. Jeds isch andersch. Ganz zerbrechlich sen dia Flöckli. Heban sie abr z’emma, denn hon sie a gewaltigi Kraft. Ma därf oh des Klini net unterschätza! Uschuldig und still kon sie vom Himmel of d’ Erda. Manchmol könntan mr üs a Beispiel dra neh. Stilli tuat guat. Und, wer ment, d’ Schneeflocka teian wia miar am Schluss schmelza und i dr Erd versinka, der hot nu halbat recht. Dia Gschicht isch dert no net fertig. Wäl, wenn `s Schneeflöckli schmilzt, verdunschtat an Teil und stiegt wedr zom Himmel of. Alls goht dert ahi z’rock, wo’s herko isch.

Luisa F.

Tanja

Auszeit, die Zeitung von Menschen in der Krise und von ihren Freunden.

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Auszeit Nr. 8/28

Der Adler Manchmal wünschte ich mir, ich wäre wie dieser Adler hier. Dann könnte ich in Windeseile, hoch emporschwingen für ein Weile. Spürte den Wind und die Freiheit, dies verschaffte mir viel Klarheit. Flöge ganz weit in die Ferne, weitab vom Stress, nur ich und die Sterne. Genieste die Ruhe, den Frieden und die Stille, dies wäre manchmal mein einziger Wille. Oh Adler, du König der Lüfte, du Herr und Majestät der Felsenklüfte. Norbert

Norbert

Was mir Flügel verleiht Was mir Flügel verleiht, ist, wenn's draußen schneit, ich am Fenster sitze und im Warmen fast schwitze. Meine Seele lernt fliegen, wenn ich im Liegen ein Buch mir zu Gemüte führe und dabei neue Welten find' und spüre. Auf "Wolke sieben" trägt mich ein Lachen, wenn wir wieder Faxen machen. Glücklich bin ich, wenn ich teilen kann, was mich begeistert von Anfang an. Tanja

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