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Mark Thomas-Ißbrücker - Schulzeit: 1978 - 1986 Besonders gern erinnere ich mich an Geschichte bei Frau Trültzsch. Neunte Klasse - Zweiter Weltkrieg. Und dieses unbotmäßige Pfaffenbalg erdreistet sich doch allen Ernstes, nach dem HitlerStalin-Pakt zu fragen. Der im Unterricht ja unerwähnt blieb, so wie der Arbeiteraufstand 1953, Budapest '57, Prag '68, die Luftbrücke, die Vertriebenen, die Entmachtung Walter Ulbrichts oder Günter Guillaume. Wahrscheinlich wussten westdeutsche Gymnasiasten jener Zeit mehr über die DDR-Geschichte als wir. Aber hat ja eh' niemanden interessiert. Beiderseits der Mauer. Überhaupt DDR. Der Wurmfortsatz am Verdauungstrakt der sozialistischen Staatengemeinschaft. Das ewig kränkelnde Wickelkind am Busen Mütterchen Russlands; nicht dran zu denken, dass es jemals laufen lernt, oder auch nur, auf's Töpfchen zu gehen. Schon Chruschtschow wollte das gähnend leere "Schaufenster des Sozialismus" lieber heute als morgen an den Westen verschenken. Gescheitert ist es damals an der Bündnisfrage: Der Russe sagte "blockfrei", der Amerikaner "NATO" - wie 1990. Hätten sich damals beide Supermächte konstruktiv um eine Lösung bemüht, hätte's die Mauer nie gegeben. Die Honecker-Herrschaft auch nicht. Aber im Westen galt immer noch Adenauers Parole: "Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb." Groteske Ironie der Geschichte: Honni als Generalsekretär von Adenauers Gnaden. :-)) Hitler und Stalin. Bei der Erwähnung dieser Liaison dangereuse wurde unsere furchteinflößend strenge Lehrerin grau im Gesicht. Erst hatte es ihr die Sprache ganz verschlagen, dann fing sie an zu stottern. Und ich wurde unvermittelt von einer Welle des Mitgefühls übermannt. Das muss man sich mal vorstellen: Mitleid mit Frau Trültzsch!!! War aber so! Die christliche Erziehung wahrscheinlich: Liebet eure Feinde, tuet Gutes denen, die euch hassen. Bergpredigt. Glück für die alte BetonKommunistin. Gelobt sei Jesus Christus. ;-) Allein der Gedanke an diese unrühmliche und folgenreiche Allianz zwischen Stalins hoch gelobtem, heiß und innig geliebtem sozialistischen Vaterland aller Werktätigen und dem finsteren Nazi-Reich muss bei ihr körperliche Schmerzen bis tief in die Eingeweide hervorgerufen haben. Auf weiteres Nachhaken habe ich daraufhin verzichtet und diesen Vertrag auch nie wieder angesprochen. Obwohl ich schon gern gehört hätte, was sie dazu zu sagen hatte. Aber man ist ja nicht so. Dafür war sie mir, denke ich, ein bisschen dankbar. Ansonsten hat's ja, wie üblich, niemanden interessiert. Jeder hat seine Achillesferse, und das war eben ihre. Man kann sie nicht mehr fragen. Krebs, wusste jemand zu berichten. Dass der Sozialismus, dem sie ihr Leben und all ihre Schaffenskraft verschrieben hatte, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ideell gescheitert war, das war zweifelsohne eine schmerzhafte Erkenntnis. Wenn sie's denn erkannt hat. Dass genau die Menschen, denen das Projekt das unbegrenzte Glück auf Erden bringen sollte, gerade die Arbeiter und Bauern, sich bei erstbester Gelegenheit dem Oggersheimer und der harten D-Mark an den Hals schmissen, nur um später festzustellen, dass ihre Wertvorstellungen und das westdeutsche System schon lange nicht mehr zueinander passten, das hat sie wohl ins Grab gebracht. In Ihrer Verblendung war sie sicher überzeugt, das Richtige zu tun. Aber das waren auch andere in der Geschichte. Auch Stalin. Auch Hitler. Sie war link? Hinterhältig? Mag sein. In dem starken Spannungsfeld zwischen sozialistischer Geschichtsschreibung und historischen Realitäten kommt man mit Ehrlichkeit nicht weit. Wer's noch nicht weiß: Wladimir Iljitsch Uljanow, Kampfname Lenin, war ein gekaufter Agent des Westens. Anfangs noch nicht, da war er einfach ein Rebell und Terrorist. Ein russischer Andreas Baader, wenn man so will. Aber Bürgerkind, Bourgeois - folglich wesentlich besser gebildet; weit gereist. Doch mit Beginn des Ersten Weltkrieges, verstärkt nach dem Kriegseintritt der USA im April '17, erfuhr er Unterstützung vom Kaiserlichen Deutschen Außenministerium. Das deutsche Kalkül: Lenin sollte Russland revolutionieren und danach sofort einen Separatfrieden schließen. Das "Dekret o mir", man erinnert sich? Die deutschen Truppen in Osteuropa würden an die Westfront verlegt, um dort den zum Greifen nahen Endsieg zu erringen. Im Westen was Neues. Im Anschluss wollte man erneut über Lenins Russland herfallen. Der's umgekehrt gar nicht erwarten konnte, seinen kaiserlichen Gönner platt zu machen. Große Pläne! Blutige Pläne. Ein Plot, den Protagonisten auf den Leib geschrieben. Nur hatten Briten und Franzosen ihr eigenes Drehbuch: Erst Sieg über Deutschland, dann Krieg gegen Russland. So kam's dann auch. Deutschland hingegen hatte sich des russisch-bolschewistischen Problems erst 1941 wieder annehmen können. Die armen russischen Menschen von der Terrorherrschaft zu befreien, der kommunistischen, die man ihnen ein Vierteljahrhundert zuvor eingebrockt hatte. Und diese durch ein großgermanisches Kolonialjoch zu ersetzen; so wie England in Indien, Belgien im Kongo oder, noch besser, Spanien in Lateinamerika. Cortés und Pizarro, dies- und jenseits des Ural. Wir haben's nach Kräften versucht und uns eine noch viel blutigere Nase geholt als im Russischen Bürgerkrieg die Entente. Vielleicht sollten wir mit Einmischung in Matuschka Rossijas innere Angelegenheiten generell vorsichtiger sein. Auch heute. Wer nachlesen möchte: http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecialgeschichte /d-54841257.html oder www.google.de/search?q=lenin+auswärtiges+amt In Russland sind diese Fakten natürlich bekannt, wesentlich länger als in der SPIEGEL-Redaktion. Vielleicht nicht dem "kleinen Mann auf der Straße", aber "denen da oben" auf jeden Fall. Auch Putin. Deshalb ist er für politische Ratschläge aus D auch so wenig empfänglich. "Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube." Dass es wirklich die Russen sind, mit denen ihr's gut meint. Und dass ihr Russland und die Russen hinreichend gut kennt, um zu wissen was gut für sie ist. Putin kennt die Deutschen. Sehr gut! In Ost und West. Und er mag uns. Wie die meisten Russen. Das sollten wir nicht verspielen. Umso mehr, da Amerika gegenwärtig glaubt, auf unsere Freundschaft verzichten zu können. 19.11.2013 18:02
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