material + technik möbel Ausgabe 04/2015

Page 1

M_mt0415_Umschlag.indd 1

m a t e r i a l + t e c h n i k m ö b e l 0 4 | 2 0 15

FAC H M AG A Z I N F Ü R D I E K A S T E N – , K Ü C H E N – , B Ü R O – U N D S I T Z M Ö B E L – F E R T I G U N G S OW I E D E N I N N E N AU S B AU · W W W. M AT E R I A L-T E C H N I K . D E · 3 0 8 3 5

Wohn- und Küchenmöbel: Fertigungstechnik: Sitzmöbelbezüge:

Interzum inspirierte Möbelwelt Individualisierte Möbel vernetzt produzieren Funktionstextilien effizienter verarbeiten 30.06.15 14:58


Fokus

interzum 2015

Quelle der Inspiration Vier Tage standen in Köln Zulieferprodukte für die Möbel- und Einrichtungsindustrie im Mittelpunkt. Mit einem Besucherplus von 8,5 Prozent zeigte sich die Kölner Fachmesse erneut als Weltleitmesse auf diesem Gebiet. Nach Messeschluss konnte die Mehrzahl der Aussteller zufrieden und gut gelaunt die Heim­ reise antreten.

Die diesjährige interzum (5.– 8. Mai 2015) bekam bei den Ausstel­ lern besonders gute Noten. Die Rahmenbedingungen bildeten da­ bei die gute Möbelkonjunktur auf dem deutschen Markt sowie die wirtschaftliche Erholung in wichti­ gen, ausländischen Möbelproduk­ tionsländern. 1.561 Aussteller bo­ ten 57.500 Besuchern aus 143 Län­ dern auf einer um 5 Prozent auf 162.000 m2 vergrößerten Ausstel­ lungsfläche einen umfassenden Überblick über die jüngsten Pro­ duktentwicklungen auf dem Ge­ biet der Möbelzubehörteile. Der Zulieferevent schnitt damit besser ab als die vorausgegangenen Ver­ anstaltungen. Entsprechend po­

Samet stellte auf seinem Messestand vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten bei Schubkastensystemen vor. Samet presented diverse design possibilities in drawer systems at its trade fair stand. Photo: Samet

1­­­ 2

sitiv fiel das Urteil namhafter Aus­ steller aus. Als Vertreter der Beschlagindustrie fand beispiels­ weise Ronald Weber (bis vor kur­ zem Vorstandsvorsitzender von Grass): „Die interzum 2015 hat sich für Grass zum größten Mes­ seerfolg der letzten Jahre entwi­ ckelt“. Ähnlich erfreut äußerte sich auch Dr. Andreas Hettich (Hettich): „Die interzum 2015 war für Hettich eine super Messe! Die Frequenz und die Internationalität der Besu­ cher waren sehr gut.“ Hoch zufrieden zeigte sich auch die Oberflächenbranche: „Wir hat­ ten einen großartigen JubiläumsAuftritt bei der interzum“, bilanzier­ te Reiner Schulz (Schattdecor). Weiteres Lob kam von der Kanten­ industrie. Jürgen Werner (Rehau) fand: „In der gesamten interzumHistorie von Rehau hatten wir 2015 nicht nur die meisten, son­ dern auch sehr qualifizierte Kun­ denkontakte“. Der Schlussbericht der KoelnMes­ se bestätigte die Einschätzungen der Aussteller in Bezug auf den Besucherstrom. Erste Befürchtun­ gen aufgrund des Bahnstreiks be­ wahrheiteten sich nicht. Die Mes­ segesellschaft hatte auf die Situati­ on schnell und unbürokratisch mit Shuttle-Bussen reagiert und so für einen reibungslosen Transfer von und zu den Flughäfen Frankfurt und Düsseldorf sowie aus der Mö­ belregion Ostwestfalen gesorgt. Mit 41.000 ausländischen Besu­ chern verzeichnete die interzum ein Plus von 17 Prozent gegenüber der vorausgegangenen Ausgabe. Zuwachs gab es dabei nicht nur aus Europa, sondern vor allem aus dem asiatischen Raum. Ein deut­ lich zweistelliges Wachstum ver­

zeichnete die interzum bei den Be­ suchern aus den USA (+25%), Südamerika (+21%) und Indien (+34%). Branchengrößen an Bord Neben den 374 deutschen Anbie­ tern waren 1.187 aus­ländische Un­ ternehmen an Bord. Aus den ein­ zelnen Zu­ liefersegmenten fanden sich fast alle führenden Anbieter. ein. Bei den Dekordruckern waren fast alle Unternehmen versam­

material+technik möbel 04|15

M_mt0415_FO_Interzum_Review.indd 12

01.07.15 09:51


Fokus

Schattdecor hatte seinen Messestand mit der Messeneuheit „Riviera Eiche“ gestaltet. Schattdecor used “Riviera Eiche” – which had its premiere at the trade fair – for its stand. Photo: Schattdecor

melt; nur Interprint, hatte sich erneut für eine Präsenz in der Design Post gegenüber dem Messegelände entschieden. Auch die Holzwerkstoffindustrie war nahezu vollständig angetreten. Nach mehrjähriger Abstinenz war erstmals wieder Glunz mit seiner „Innovus“-Kollektion mit dabei. Die Anmeldung war so kurzfristig, dass es für einen Katalogeintrag nicht reichte. Vielfältig stellte sich auch das Angebot der Schichtstoffindustrie dar: Neben westeuropäischen Produzenten waren auch Aussteller aus der Türkei (Gentas), Indien (Greenlam) und China (Daiichi) vertreten. Umfassendes Angebot Nicht minder international präsentierte sich die Beschlagindustrie. In

Köln waren nicht nur sämtliche führenden, westeuropäischen Anbieter von Scharnieren und Schubkastenführungen angetreten, es waren auch Unternehmen dabei, die jahrelang die Zuliefermesse ZOW in Bad Salzuflen bevorzugt hatten. Dazu gesellten sich Anbieter aus Hongkong und China.

Da die interzum eine Zuliefermesse für die gesamte Möbelproduktion sein will, hatte sie auch die erforderlichen Produkte für die Polstermöbel- und Bettenproduktion an Bord. Neben den Materialien wurde in diesem Ausstellungssegment auch die passende Maschinentechnik gezeigt. Hierbei war

das Angebot allerdings nicht ganz so umfassend: Parallel zur Kölner interzum lief in Frankfurt das Messeduo Texprocess/Techtextil, wo ebenfalls Polstermaterialien sowie die hierfür benötigten Nähmaschinen und Zuschnittautomaten präsentiert wurden. Noch mehr Haptik Die Aussteller hatten in diesem Jahr zwar zahlreiche Neuerungen und Weiterentwicklungen im Gepäck, doch echte Innovationen waren nur selten anzutreffen. In den meisten Fällen handelte es sich um Abrundungen innerhalb einer Produktfamilie oder um strategische Programmergänzungen mit Blick auf den Wettbewerb. Umwälzende Neuentwicklungen auf dem Gebiet der Beschläge und Oberflächen hatte es in den vergangenen Jahren auf der interzum zuhauf gegeben. Dabei hatte es sich meist um Prototypen gehandelt, die nun diesen Mai mit verbesserter Funktionalität und in optischer Perfektion präsentiert wurden. Viele Innovationen hatten ihre Serienreife erst auf der diesjährigen interzum erlangt. Optimierungen erlebten die Besu-

Einladend, offen und transparent zeigte sich der ImpressMessestand, auf dem Wasser eine Hauptrolle spielte. Inviting, open and transparent: the Impress trade fair stand, where water played a leading part. Photo: Impress ­m aterial+technik möbel 04|15 ­­­13

M_mt0415_FO_Interzum_Review.indd 13

01.07.15 09:52


Fokus

Rund 150 Teilnehmer informierten sich auf dem diesjährigen Innovationsworkshop in Köln über die wirtschaftliche Entwicklung und Innovationskraft der Holzwerkstoffbranche. Diese fünfte Veranstaltung hatte der Verband der Deutschen Holzwerkstoffindustrie e. V. (VHI, Gießen) erneut gemeinsam mit dem Institut für Holztechnologie Dresden (IHD) sowie dem Fraunhofer-Institut für Holzforschung (WKI, Braunschweig) organisiert. Auf dem Programm des eintägigen Workshops im Congress-Centrum Nord der Kölner Messe standen insgesamt 16 Fachvorträge und eine Neuerung: Erstmals waren alle Teilnehmer am Ende der Veranstaltung dazu aufgerufen, im Rahmen einer TED-Abstimmung die Realisierungschancen der vorgebrachten Thesen zu beurteilen. Unter den Vortragenden befanden sich sowohl Vertreter der Industrie als auch aus der Forschung, die einen Einblick in ihre aktuellen Projekte vermittelten. Die Zulieferer informierten über so manche Neuentwicklungen, die dem Weltpublikum an den Folgetagen im Rahmen der interzum vorgestellt wurden. 2014 brachte Umsatzwachstum Neben Innovationen spielten auf dem Workshop die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Branchenlage eine Rolle. Hier konnten Hubertus Flötotto (VHIVorsitzender) und Dr. Peter Sauerwein (VHI-Geschäftsführer) die Teilnehmer über einen erfreulichen Verlauf des Jahres 2014 sowie günstige Konjunkturaussichten informieren. Während Flötotto insbesondere die ansteigenden Baugenehmigungen und den großen Sanierungs- und Renovierungsbedarf sowie die steigende Akzeptanz des Holzbaus herausstellte, legte Dr. Sauerwein Zahlen auf den Tisch. Laut Angaben des VHIGeschäftsführers konnte die Holzwerkstoffindustrie 2014 ihren Umsatz um 8 Prozent auf 4,72 Mrd. Euro ausbauen. Im Inland verbuchte die Branche ein Plus von sechs, im Ausland von 12,4 Prozent. An der positiven Umsatzentwicklung konnten allerdings nicht alle Sparten teilhaben. Bei OSB verzeichneten die Unternehmen ein Minus von 8,8 Prozent. Bei Laminatböden gab es einen mengenmäßi4­­­ 0

Holzwerkstoffindustrie geht innovativ in die Zukunft Neueste Entwicklungen bei Holzwerkstoffen sowie bei dekorativen Oberflächen standen im Mittelpunkt des Innovationsworkshops des Verbandes der deutschen Holzwerkstoffindustrie (VHI). Zum fünften Mal informierten die Referenten am Vortag der interzum die Teilnehmer über innovative Entwicklungen und wagten einen Blick in die Zukunft.

material+technik möbel ist VHI-Medienpartner material+technik möbel is media partner of VHI

gen Rückgang von 6,5 Prozent. Türblätter und -zargen kamen auf einen Zuwachs von 3,3 bzw. 1,4 Prozent. Der Start ins Jahr 2015 gelang nach Angaben von Dr. Sauerwein nicht ganz so erfolgreich. In den ersten beiden Monaten lag der Branchenumsatz mit 785 Mio. Euro um 0,5 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Wie es bei den Kunden der Holzwerkstoffproduzenten, also in der Möbelindustrie, aussieht und vor welchen Herausforderungen sie stehen, dazu äußerte sich Michael Stiehl (VDM Vizepräsident und geschäftsführender Gesellschafter Rauch). Er machte in seinem Vortrag darauf aufmerksam, dass die deutschen Möbelimporte mit 9,8 Mrd. Euro die Exporte 2014 erstmals überrundet hatten. Der Gesamtumsatz der Möbelindustrie sei um 2,4 Prozent auf 16,4 Mrd. Euro gestiegen. Nach Ansicht von Stiehl müssten sich die Möbelhersteller auf eine komplette Veränderung ihrer Geschäftsmodelle und auf revolutionäre Änderungen in den Produktionsprozessen einstellen. Sie müssten auf die steigende Bedeutung des Online-Handels und neue Storekonzepte reagieren. Außerdem würde sich der Markt in noch mehr günstige Pro-

dukte und solche mit Mehrwert, die zu höheren Preisen angeboten würden, spalten. Die Mitte werde weiter verlieren. In der Konsequenz müssten die Möbelfabriken und deren Zulieferer flexibler werden und in der Lage sein, die Kapazitäten an Bedarfsschwankungen anzupassen. Für hilfreich hielt Stiehl auch eine enge Einbindung der Zulieferer in den Entwicklungsprozess des Möbelherstellers, um die erforderlichen kurzen Reaktionszeiten zu ermöglichen. Holz mit Funktion Mit den Möglichkeiten, neue holzbasierte Materialien mit zusätzlichen Funktionen und verbesserten Eigenschaften zu entwickeln, befasste sich Ingo Burgert (ETH, Zürich). Der Vortragende informierte über aktuelle Projekte, neue, funktionelle Holzprodukte zu entwickeln und dadurch Holz einen höheren Wert zu verleihen. Nachteilige Ei­ genschaften des Natur­ materials würden auf diese Weise beseitigt. Durch die Einlagerung von superparamagnetischen Eisenoxid­­par­tikeln könne laut Burgert ein mag­netisierbares Holz entwickelt werden. Die Einlagerung von Kalziumkarbonat in die Holzstruktur wiederum würde das

material+technik möbel 04|15

M_mt0415_FO_VHI_Kongress.indd 40

30.06.15 16:36


Fokus

eine schallabsorbierende, schwer entflammbare Spanplatte. Die Platte könne u. a. in der Gebäudetechnik sowie bei der Einhausung von Produktionsanlagen eingesetzt werden. Das Marktpotenzial für diese Platte schätzte der Referent auf etwa 2.000 m3. Mit der „esb silent“ sei es seinem Unternehmen außerdem gelungen, gleich zwei Funktionen in einer Holzwerkstoffplatte zu vereinen: Die Platte erreicht die Schall-Absorptionsklasse C und ist nach B s2 d0 als schwer entflammbar eingestuft.

Die Teilnehmer des 5. Innovationsworkshops informierten sich über das Innovationsvermögen der Holzwerkstoffindustrie. The participants in the 5th Innovation Workshop were informed about the capacity for innovation in the wood-based materials industry. Brandverhalten verändern. Die Dimensionsstabilität ließe sich durch die Einlagerung von Flavonoiden in die Zellwände erhöhen. Mehrere Vorträge des in die drei Vortragsblöcke Werkstofftrends, Verfahrensoptimierung und Oberfläche gegliederten Workshops befassten sich mit innovativen Holzwerkstoffprodukten. So informierte Christoph Binder (Novofibre Panel Board) über die Strohspanplatten des chinesischen Holzwerkstoffproduzenten und deren Eigenschaften. Der Referent hob die unbegrenzte Verfügbarkeit von Stroh hervor und bezeichnete das Material als nachhaltig, ökologisch und nahezu schadstofffrei. Inbesondere mit Blick auf den chinesischen Markt müsse nach Ansicht von Binder auf alternative Werkstoffe gesetzt werden, da die Nachfrage nach Holz dort weitaus größer als das Angebot sei und Wälder auf-

grund der hohen CO2-Emissionen zum Schutz der Umwelt beitragen müssten. An realisierten Projekten erläuterte Binder die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Stroh­ spanplatten im Bau- und dekorativen Bereich. Biogärreststoffe als Zusatz bei Faserplatten hält Tim Schäfer (LaminatePark) für eine Möglichkeit, der Verknappung von Holz und steigenden Holzpreisen entgegenzuwirken. Diese Stoffe fallen bei Biogasanlagen als Reststoffe an und werden bislang als Düngemittel aufs Feld ausbracht. Durch eine neue Technik lassen sich laut Schäfer die enthaltenen festen Faserstoffe von diesen Reststoffen trennen und können dann der Plattenproduktion beigemischt werden. Ein industrieller Großversuch bei der HDF-Produktion habe nach Angaben des Referenten keine Veränderung der mechanischen Eigenschaften und keine anderen negativen Beeinflussungen ergeben. Schäfer hält es daher für sinnvoll, in der Nähe von Holzwerkstoffbetrieben Aufbereitungsanlagen für Biogärreststoffe zu bauen. Ein Produkt, das demnächst auf dem Markt eingeführt wird, stellte Karl-Robert Kuntz (Elka Holzwerke) vor. Es handelt sich hierbei um

WPC im Garten erfolgreich Nachdem bei der TED-Abstimmung zwei Drittel der Besucher Plattenwerkstoffen aus Einjahrespflanzen und biogenen Reststoffen in naher Zukunft keinen großen Marktanteil einräumten, sahen die Workshop-Teilnehmer auch die Zukunft von Holz-Polymer-Werkstoffen (WPC) im Möbelbau kritisch. Holger Sasse (Novo-Tech) hatte zuvor in seinem Vortrag den WPCWerkstoff „Megawood“ sowie dessen Einsatzmöglichkeiten vorgestellt. Das WPC-Material setzt sich zu 75 Prozent aus Holzspänen und zu 25 Prozent aus Polymeren zusammen. Als großen Vorteil bezeichnete der Referent dabei die Recyclingfähigkeit des Werkstoffes, da er erst am Ende der stofflichen Verwendungszyklen thermisch verwertet werde. Wie der Referent weiter informierte, hätten Wood-Plastic-Composits (WPC) 2014 bei Terrassendielen einen Marktanteil von 24,4 Prozent erreicht und damit die Führungsrolle übernommen. Bis 2016 rechne die Branche mit einem weiteren Anstieg auf 28,8 Prozent. Nach den Erfolgen auf der Terrasse sieht Sasse für das Material Einsatzchancen bei LKW-Ladeflächen, als Schalungssystem sowie in der Inneneinrichtung. Umweltbewusster produzieren Der zweite Themenblock der Veranstaltung widmete sich der „Verfahrensoptimierung“. Ein wichtiges Thema war in diesem Zusammenhang Formaldehyd, das die Industrie künftig aufgrund der Neueinstufung der EU-Kommission als krebserregende Substanz aus ihren Produkten zu verbannen hat. Bei der TED-Abstimmung erwarteten daher mehr als die Hälfte der Teil-

Michael Stiehl: „Möbelindustrie muss Geschäftsmodelle ver­ ändern.“ “The furniture industry has to change its business models”.

Daniel Schwartze: „IKEA will 2020 über 50 Mrd. Euro umsetzen.“ “IKEA wants to have a turnover of more than EUR 50 billion in 2020”.

Hans-Peter Laurent: „Möbeloberflächen erhalten künftig Funktionen.“ “Furniture surfaces will have functions in the future”. ­m aterial+technik möbel 04|15 ­­­41

M_mt0415_FO_VHI_Kongress.indd 41

30.06.15 16:36


Fokus

Technologien für Industrie und Handwerk Mit einem deutlichen Besucherplus ist die diesjährige Ligna in Hannover zu Ende gegangen. 96.000 Besucher aus aller Welt konnten sich auf der Weltleitmesse über Optimierungen bei Holzbearbeitungsmaschinen und innovative Produktionsprozesse informieren. Die Messe zeigte, dass sich die Wünsche und Anforderungen von Handwerk und Industrie immer weiter annähern, was die Messeleitung zu einem neuen ­Flächenkonzept für die nächste Ausgabe der Veranstaltung veranlasste. Die Holzbearbeitungsmaschinenindustrie befindet sich im Aufwind. Davon profitierte auch die diesjährige Ligna in Hannover, die am 15. Mai nach fünftägiger Dauer zu Ende ging. Nach einem Intermezzo im Jahr 2013 fand die Maschinenmesse diesmal wie gewohnt im Anschluss an die Kölner Zuliefermesse interzum statt. Als Weltleitmesse konnte die Ligna nicht nur

von der weltweiten Konjunkturerholung profitieren, sondern auch vom „Möbelhunger“ in den aufstrebenden Schwellenmärkten. Ein merklicher Anstieg beim internationalen Publikum sorgte dafür, dass die Messeleitung am Ende ein fast 8-prozentiges Besucherwachstum feststellen konnte. Unter den 96.000 Maschineninteressierten befanden sich rund 40.000

ausländische Besucher, was einem Anstieg von 17 Prozent gegenüber der vorausgegangenen Veranstaltung entspricht. Besonders erfreut zeigte sich der Veranstalter über den wachsenden Zuspruch der asiatischen Besucher: 4.700 waren es diesmal gegenüber 2.800 vor zwei Jahren. Aus dem Nahen und Mittleren Osten ergaben sich Zuwächse von 86 Prozent, Süd-, Ost- und ZentralAsien verzeichneten 62 Prozent Wachstum. Mit 2.800 Besuchern reisten aus Süd- und Mittelamerika ebenfalls erheblich mehr Menschen zur Ligna an als 2013. Volle Hallen, gute Stimmung Da auch der Andrang aus dem I­nland mit 56.000 Besuchern die-

ses Jahr merklich gegenüber der Vorveranstaltung gestiegen ist, herrschte in den meisten Messehallen an allen Tagen eine durchweg gute und optimistische Stimmung. Die Voraussetzungen hierfür lieferten die guten Branchendaten des ersten Quartals. Sowohl die deutsche als auch die italienische Maschinenindustrie konnten in den ersten drei Jahresmonaten mit durchweg zweistelligen Steigerungsraten brillieren. Führende deutsche Hersteller von Holzbearbeitungsmaschinen berichteten auf ihren Pressekonferenzen während der Ligna von zweistelligen Zuwächsen beim Auftragseingang, die bisweilen sogar 20 Prozent und mehr betrugen. Für das Gesamt-

1 1| Mit einer neuen Hallenaufteilung will die Ligna 2017 auf das Zusammenwachsen der Technologien von Industrie und Handwerk reagieren. In 2017, Ligna wants to react to the merging of technologies for industry and crafts with a new allocation of hall space. Photo: Weinig

2

2| Die Hersteller von Holzbearbeitungsmaschinen profitierten vom Besucherzuwachs aus dem In- und Ausland. The woodworking machine producers profited from the increase in domestic and foreign visitors at the trade fair. Photo: Homag 4­­­ 4

material+technik möbel 04|15

M_mt0415_FO_Ligna.indd 44

30.06.15 16:40


Anzeige/Advertisement

jahr rechnet der Branchenverband VDMA mit einer Steigerung von drei Prozent. In Deutschland sorgte schon der überraschend positive Verlauf des Jahres 2014 für eine optimistische Grundstimmung. Statt der ursprünglich erwarteten fünf Prozent Zuwachs konnten die deutschen Hersteller von Holzbearbeitungsmaschinen ihren Umsatz im vergangenen Jahr um ­­­8,5 Prozent auf 2,6 Mrd. Euro steigern. Damit konnten sie zwar einen Teil des Einbruchs im Rahmen der weltweiten Wirtschaftskrise wieder gutmachen, jedoch nicht an die Rekordumsätze der Jahre 2007 und 2008 anschließen. Technologien wachsen zusammen Die diesjährige Ligna präsentierte sich mit dem gleichen Hallenkonzept wie auf der vergangenen Veranstaltung. Durch die Flächenaufteilung in den Handwerks-, Industrie- und Massivholzbereich waren Unternehmen wie IMA, Biesse, SCM sowie Leitz erneut mit mehreren Ständen präsent. Lediglich Homag hatte sich für einen einzigen Standort zur Präsentation seiner Handwerks- und Industriemaschinen entschieden, da die Technologien für Industrie und Handwerk nach Ansicht des

Unternehmens immer stärker zusammenwüchsen. Durch die vielfach praktizierte Modulbauweise bei der Maschinenproduktion und die Bauteilegleichheit verfügen die Maschinen und Anlagen oftmals über ähnliche Features. Und bei Losgröße eins sowie bei den neuartigen Materialien sind die Anforderungen an die Maschinen in beiden Bereichen ebenfalls oft ähnlich. Der Verarbeitung von Materialien wie Kunststoffe und Composits, etwa im Automobilbereich oder im Flugzeuginnenausbau, wurde in Hannover durch die Sonder­ präsentation „Überraschend vielseitig“ ebenfalls Beachtung geschenkt. Schätzungen des VDMA zufolge erwirtschaftet die Holzbearbeitungsindustrie bereits zehn Prozent des Branchenumsatzes außerhalb des Kerngeschäfts und erwartet in den nächsten Jahren hier weiteren Zuwachs. Aussteller mit neuen Hallenplätzen Bei der nächsten Ausgabe (22. bis 26. Mai 2017) will die Messeleitung daher die Bereiche Massivholzverarbeitung, Möbelindustrie und Handwerk in dem neuen Angebotsschwerpunkt „Werkzeuge, Maschinen und Anlagen für die Einzel- und Serienfertigung“ zusammenführen. Dieser Bereich erstreckt sich dann über die Hallen 11,12,13,14,15 sowie 27. In letzterer Halle sollen aufgrund der Nähe zum Sägewerksbereich in Halle 25 vor allem die Aussteller mit Schwerpunkt auf der Massivholzverarbeitung präsentieren. Der Sektor Oberflächenbearbeitung kommt in Halle 17 nahe den Ausstellern aus der Holzwerkstoffindustrie in Halle 26 unter. Der Bereich „Energie aus Holz“ wird Nachbar der Holzwerkstoffherstellung. Mit der Neugliederung werden die Besucher 2017 alle Aussteller an neuen Plätzen vorfinden, wobei die Messeleitung die Branchengrößen besser auf die einzelnen Hallen verteilen will. Obwohl die Besucher das Komplettangebot dieser Maschinenproduzenten nur noch auf einem statt auf zwei oder mehr Ständen antreffen werden, rechnet die Messeleitung mit derselben Flächenbelegung von 120.000 m2 ­m aterial+technik möbel 04|15 ­­­45

M_mt0415_FO_Ligna.indd 45

30.06.15 16:40


Fokus

Funktions­ textilien im Fokus Eine überaus positive Bilanz zieht die Messe Frankfurt als Veranstalter der Techtextil und der Texprocess. Das Messedoppel zog mehr Besucher als bei der vorangegangenen Veranstaltung an. Selbst der Bahnstreik konnte das starke Interesse an dem Funktionstextilien-Event nicht schmälern. Für technische Textilien, Vliesstoffe und Composites wird weltweit bis 2017 ein zweistelliges Wachstum prognostiziert. Damit gehört dieses Segment zu den wenigen Industriezweigen mit konstant positiven Wirtschaftsaussichten. Mit 1.662 Ausstellern (2013: 1.660) aus 54 Ländern bot das Messedoppel Techtextil sowie Texprocess in Frankfurt einen umfassenden Überblick über diese Produktspar-

te und deren Verarbeitung. Gegenüber der vorausgegangenen Veranstaltung im Jahr 2013 wuchs durch die neue Halle 6.1 zudem die vermietete Bruttofläche auf 95.000 Quadratmeter. Multi-Branchen-Event Zum dritten Mal wurden die beiden Frankfurter Fachmessen gemeinsam veranstaltet. Während es sich um die 16. Ausgabe der

Techtextil handelte, fand die Texprocess zum dritten Mal statt. Im Vordergrund beider Messen standen technische Textilien und Vliesstoffe sowie deren maschinelle Verarbeitung, weshalb die beiden Veranstaltungen vorrangig nicht nur die Einrichtungsindustrie ansprachen, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Industriebranchen. Angefangen vom Medizinbereich über die Automotive-Branche bis hin zur Schutz- und Sicherheitsbekleidung. Die Aussteller präsentierten unter anderem textilintegrierte LEDs, Elektroden und Sensorik, dreidimensional strukturierte Gewirke und Gewebe sowie neue Beschichtungssysteme für multifunktionale Ausrüstungen. Diese Technologien erlauben eine immer breitere Anwendung der Textilien in verschiedenen Bereichen, darunter im Leichtbau, in der DachDas Frankfurter Messeduo zog 6,2 Prozent mehr Besucher an. The Frankfurt trade fair duo attracted 6.2 percent more visitors. Photos: Messe Frankfurt

4­­­ 8

konstruktion, im Interieur von Automobilen sowie bei Funktionsbekleidung und -unterwäsche. Zu sehen war aber auch ein mit Sensoren versehener Handschuh aus einem textilen Gewebe, der es Taubblinden per Druck ermöglicht, SMS zu schreiben. Aussteller von Vliesstoffen zeigten unter an­ derem Glasfaser-, Polyesterspinnund Heizvliese sowie ent­ sprechende Wasserstrahlverfestigungstechnologien für Clothtech, Geotech, Hometech, Medtech und Mobiltech. Für den Einrichtungssektor hatten die Aussteller der Techtextil schmutzabweisende Polsterstoffe, neue Sonnenschutztextilien sowie Gewebe mit flammhemmenden und schallabsorbierenden Funktionen mitgebracht. Auf der parallel veranstalteten Texprocess wurden Maschinen- und Softwarelösungen vorgeführt, um die auf der Techtextil gezeigten Materialien zu verarbeiten. Im Mittelpunkt standen die Bereiche Nähtechnik, Textildruck und Zuschnitt. Neben Maschinen für Automotives, Upholstery und Leder

material+technik möbel 04|15

M_mt0415_FO_Texprocess.indd 48

30.06.15 16:42


Anzeige/Advertisement

Fokus

Die Texprocess war ohne Marktführer Lectra gegen die interzum angetreten. Texprocess had to compete with the interzum fair without market leader Lectra. wurden auf der Texprocess allerdings auch Maschinen für die Bekleidungsproduktion ausgestellt. Ein Top-Thema war hierbei Industrie 4.0, das heißt die vollautomatische, digitalisierte und dezentrale Herstellung von Produkten. Voll vernetzte Nähund Fixiermaschinen sowie cloudbasierte 3D-Produktentwicklung zählten hier zu den Neuheiten. Moderne IT-Lö­ sungen mit 3D-Visualierung, mit denen sich Designs, Nähund Zuschnitttechnologien optimal auf individuelle Kundenwünsche anpassen lassen, waren ebenfalls anzutreffen. Im Wettbewerb zur interzum Mit ihrem Angebot für das Möbel- und Automotive-Segment trat das Messedoppel gegen die interzum in Köln an, mit der sich die beiden Frankfurter Fachmessen in diesem Jahr überschnitten. Erstmals startete die Techtextil auch zur gleichen Zeit mit der Texprocess am Montag, den 4. Mai und fand damit einen Tag länger statt. Bislang hatte die Techtextil bereits am Vortag der Texprocess ihre Pforten dem Fachpublikum geöffnet und nur drei Tage gedauert. Die interzum in Köln, die sich im Ausstellungsbereich Polsterfertigung ausschließlich auf die Einrichtungsindustrie konzentrierte, öffnete am 5. Mai ihre Tore. 2017 wird jedoch eine Entzerrung der Termine herbeigeführt. Techtextil und Texprocess öffnen dann vom 9. bis zum 12. Mai ihre Pforten und ändern gleichzeitig auch ihre Tagesfolge (Dienstag bis Freitag). Die interzum wiederum findet 2017 in der darauffolgenden Woche vom 16. bis zum 19. Mai statt.

M_mt0415_FO_Texprocess.indd 49

Mehr Besucher Mit rund 42.000 Besuchern aus 116 Ländern konnte das Frankfurter Messedoppel 6,2 Prozent mehr Besucher als 2013 verbuchen. Der überraschend angesetzte Bahnstreik hatte damit weniger Auswirkungen auf die Besucherzahlen als zunächst von der Messeleitung erwartet. Bei den deutschen Besuchern musste das Messedoppel zwar einen leichten Besucherrückgang hinnehmen, dafür kamen nach Angaben der Messeleitung die internationalen Besucher zahlreicher. Für sie hatte die Messe Frankfurt kurzfristig einen Busshuttle vom Flughafen zum Messegelände und zurück während der gesamten Messedauer eingerichtet. Texprocess ohne Lectra Mit 1.339 Ausstellern (2013: 1.330) erwies sich die Techtextil erneut als das größere Event, das auch entsprechend mehr Interessenten anzog. Sie wurde von rund 28.500 Fachbesucher aus 102 Nationen besucht, was ein Zuwachs von 4,4

Prozent gegenüber 2013 war. Der Anteil der Gäste aus dem Ausland stieg von 57 auf 59 Prozent. Etwa 7.600 Gäste der Techtextil besuchten nach Angaben der Messeleitung auch die Texprocess, während über 5.500 Fachbesucher der Texprocess die Techtextil besuchten. Auf der Texprocess waren 273 Aussteller aus 33 Ländern angetreten. 2013 waren es 270 Aussteller gewesen. Allerdings nahm damals noch Lectra als größter Anbieter von Zuschnittsystemen teil, der sich im Mai diesen Jahres für eine ausschließliche Präsenz auf der interzum in Köln entschied. Mit über 13.300 Fachbesuchern verzeichnete die Texprocess ein Plus von zehn Prozent zur Vorveranstaltung. Der Anteil der Besucher aus dem Ausland stieg von 52 Prozent auf 58 Prozent. Richard Barth Eine ausführliche Messe­ nach­lese mit den ProduktHighlights lesen Sie in der nächsten Ausgabe!

Focus on functional textiles By 2017, double-digit growth is predicted for technical textiles, non-woven fabrics and composites worldwide. With 1.662 exhibitors, the double trade fair Techtextil and Texprocess in Frankfurt offered a comprehensive overview of the products in that segment and how they can be used. 1.339 of those companies were at the Techtextil fair, while 273 exhibitors were at the Texprocess fair. Both events were visited by about 42,000 people from 116 countries, an increase of 6.2 percent in comparison to the same event in the year 2013. The main focus of both trade fairs was on technical textiles and non-woven fabrics and their further use. So they addressed not only the furnishing industry, but also a large number of different industrial sectors. For the furnishing sector, the exhibitors at Techtextil showed dirt-resistant upholstery fabrics, new sun protection textiles and fabrics with flame-resistant and noise-absorbing functions. At the parallel event Texprocess, the most attention was given to the areas of sewing technology, textile printing and cutting. This year, the trade fair duo with its assortment had to compete with the interzum supplier trade fair in Cologne, because the dates overlapped. In 2017, the dates will be changed. Techtextil and Texprocess will open their doors from 9 to 12 May, while interzum will take place from 16 to 19 May. A detailed trade fair overview with the product highlights will be found in the next issue!

Ehrlich Leder-Handels GmbH Freiburger Str. 65 D-88400 Biberach Phone +49 7351 1980-0 Fax +49 7351 1980-70 info@ehrlich-leder.de www.ehrlich-leder.de

30.06.15 16:43


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.