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Unternehmen unter Generalverdacht?

Durch den bereits vom Kabinett beschlossenen „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ sind weitreichende Änderungen im Bereich des Unternehmensstrafrechts zu erwarten. Unternehmen sollten deshalb unbedingt ihre Compliance-Strukturen überarbeiten oder gegebenenfalls erstmals welche implementieren.

Nach aktueller Gesetzeslage ist eine Ahndung von Straftaten, die aus Verbänden heraus begangen werden, fast nur nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz möglich. Regelungsbedarf in diesem Bereich ist nach Meinung vieler dringend gegeben. Vor allem sollen die Anforderungen an wirksame Compliance-Management-Systeme (CMS) und „Internal Investigations“ normiert werden.

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Ziel des Entwurfs ist es daher, eine eigenständige gesetzliche Grundlage für die Sanktionierung von Verbänden zu schaffen, mit dem das

Legalitätsprinzip eingeführt und eine angemessene Ahndung von

Straftaten ermöglicht wird. Zudem sollen Compliance-Maßnahmen gefördert werden, indem Anreize dafür geboten werden, dass Unternehmen mit internen Untersuchungen zur Aufklärung beitragen. Verschärfung der Aufsichtspflicht Anknüpfungspunkt für die Sanktionierung ist die „Verbandstat“, das heißt: eine Straftat, durch die den Verband treffende Pflichten verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte. Dem Unternehmen wird über ein Organisationsversagen Unrecht zugerechnet, das entweder von Leitungspersonen begangen wurde oder von anderen Personen (Mitarbeitern), sofern ihr Handeln im Zusammenhang mit einer Aufsichtspflichtverletzung durch Leitungspersonen steht. Für diese Zurechnung muss das Unterlassen von Schutzvorkehrungen objektiv pflichtwidrig und die dadurch geschaffene Gefahr einer Verbandstat objektiv erkennbar sein. Soweit Verbandstaten anderer Personen als Leitungspersonen betroffen sind, wird indirekt allein die mangelnde Kontrolle über Drit

te aufgrund objektiver Defizite des CMS sanktioniert. Allerdings lässt sich die Verantwortlichkeit des Unternehmens begrenzen, indem Compliance-Strukturen geschaffen werden, welche die Aufsichtspflicht erfüllen. Als Sanktionen für diese Verbandstaten kommen eine Geldsanktion oder eine Verwarnung in Betracht, die sich eine Geldsanktion vorbehält, wobei die Höhe der Geldsanktion an den durchschnittlichen weltweiten Jahresumsatz des Konzerns geknüpft ist. Wichtiges Zumessungskriterium im Einzelfall ist, ob das Unternehmen im Vorfeld Maßnahmen ergriffen hat, um Rechtsverstöße zu vermeiden und aufzudecken. Besonders schwer wiegt daher das Fehlen einer angemessenen Compliance-Strategie, mildernd ist hingegen zu berücksichtigen, wenn ein bereits vorhandenes CMS anlässlich einer begangenen Verbandstat angepasst und optimiert wird und wenn der Verband sich bemüht, die Verbandstat aufzudecken und den Schaden wiedergutzumachen.

Interne Ermittlungen Mittels eines gestuften Anreizsystems werden Rahmenvorgaben für das Vorgehen bei internen Ermittlungen gemacht, bei deren Einhaltung die Sanktion um bis zu 50 Prozent gemildert werden soll. Um von der Milderung zu profitieren, muss die interne Untersuchung erheblich zur Aufklärung der Verbandstat beigetragen haben. Dabei kann die Untersuchung durch den Verband selbst oder einen beauftragten Dritten durchgeführt werden, sofern dieser nicht zeitgleich Verteidiger des Verbandes oder eines Beschuldigten im Rahmen des Sanktionsverfahrens ist. Zudem muss ununterbrochen und uneingeschränkt mit den Verfolgungsbehörden zusammengearbeitet werden. Außerdem werden nur solche Aufklärungsbemühungen mildernd berücksichtigt, die unter Beachtung der Grundsätze eines fairen Verfahrens durchgeführt wurden. Dazu gehören: n  Mitarbeiter werden vor ihrer Befragung darauf hingewiesen, dass ihre Auskünfte in einem Strafverfahren gegen sie verwendet werden können. n  Befragten wird das Recht eingeräumt, anwaltlichen Beistand oder ein Mitglied des Betriebsrats zu Befragungen hinzuzuziehen. n  Befragten wird das Recht eingeräumt, die Auskunft auf solche

Fragen zu verweigern, durch deren Beantwortung sie selbst oder ihre Angehörigen Gefahr laufen, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Zudem ist eine Änderung der Strafprozessordnung geplant, durch welche das Beschlagnahmeverbot auf Fälle beschränkt wird, in denen ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem zeugnisverweigerungsberechtigten Anwalt besteht. Das Beschlagnahmeverbot gilt demnach nur für Unterlagen, die der Vorbereitung der Verteidigung dienen, nicht aber für Unterlagen aus einer Sachverhaltsaufklärung, die vor dem Vorliegen einer Beschuldigtenstellung stattfindet oder anderen Zielen dient.

Das geplante Gesetz stößt auf vielfältige Kritik, vor allem vonseiten der Wirtschaft.

Kritik Das geplante Gesetz stößt auf vielfältige Kritik, vor allem vonseiten der Wirtschaft. Unter anderem werden die drastisch erhöhten Strafen für ungerechtfertigt gehalten, und es wird befürchtet, dass die Trennung von interner Untersuchung und Verteidigung eine enorme finanzielle Belastung darstellen wird. Zudem werden durch die neuen Reglungen bereits zuvor bestehende Konflikte zwischen den Rechtsgebieten (beispielsweise an der Schnittstelle zwischen Strafrecht und Arbeitsrecht) nicht aufgelöst, sondern lediglich verschoben oder sogar vertieft. Im Hinblick auf die wesentliche Bedeutung eines angemessenen CMS bei der Zurechnung von Verbandstaten sowie bei der Festlegung der Höhe der Sanktion sind Unternehmen gut beraten, ihre Compliance-Strukturen zu überprüfen. Noch ist dafür ausreichend Zeit, das Gesetz soll zwei Jahre nach der Verkündung in Kraft treten.

Gut zu wissen

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n  Die gesetzlichen Anforderungen an eine wirksame Compliance steigen Verletzungen von Aufsichtspflichten werden zukünftig mit Geldsanktionen belegt Erfolgreiche eigene Ermittlungen können Bußgelder um 50 Prozent senken

Dr. Susanne Jochheim

Rechtsanwältin Mitglied der Kommission Recht des BVMW

Kim Lea Schönberg

Rechtsanwältin

Rechtsanwaltskanzlei Dr. Susanne Jochheim

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