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Starke Frauen, starker Mittelstand

Starke Frauen, starker Mittelstand „Es geht immer um morgen“

Menschen bewegen und befähigen, die Gesellschaft und unsere Zukunft aktiv mitzugestalten, das sind die Ziele der Bertelsmann Stiftung. Im Interview spricht Vorstandsmitglied Dr. Brigitte Mohn über ihre Vorbilder, Frauenförderung und Unternehmertum.

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DER Mittelstand.: Welche Eigenschaften haben Sie von Ih

rer Mutter und Ihrem Vater vererbt bekommen, und welche Akzente setzen Sie heute in der Bertelsmann Stiftung?

Dr. Brigitte Mohn: Ich bin wahrscheinlich ein „guter Mix“ meiner Eltern geworden, bestehend aus angeborener Neugierde für alles

Neue, Optimismus als Basis, Vertrauen in die Entwicklungsfähigkeit von Menschen, eine gesunde Portion Hartnäckigkeit für das Erreichen von Zielen und Sensibilität für Menschen.

Ich glaube, das übergreifende Systemdenken, das Finden neuer unternehmerischer Lösungen für gesellschaftliche Probleme, ist einer meiner Akzente. Zudem gebe ich den Mitarbeitern viel unternehmerische Freiheit in der Stiftung.

Was ist Ihre persönliche Motivation? Was treibt Sie täglich an?

Es ist der Wunsch, Lösungen im Sinne der Gesellschaft zu finden. Probleme nicht als unüberwindbar resignierend wahrzunehmen, sondern als Chance für Veränderung, die von vielen getragen und mitgestaltet werden muss. Es geht immer um das Morgen. Wie kann man etwas besser machen? Wem dient es? Und die Beantwortung der Frage: Habe ich am Ende des Lebens mich und meine Möglichkeiten richtig für andere mit eingesetzt?

Wer ist Ihr persönliches Vorbild?

Papst Franziskus, Arun Meira, CEO von HelpAge International, Tharman Shanmugaratnam, Senior Minister for Social Policies in Singapore, Gerald Hüther, ein deutscher Neurobiologe, mein ehemaliger Doktorvater Prof. Josef Häußling in Witten-Herdecke, der Tennislehrer meines Sohnes und sicher auch mein Vater. Viele, die ich im Leben getroffen habe und kennenlernen durfte. Mich beeindrucken immer die Menschen, die eine persönliche und menschliche Tiefe haben, reflektiert in sich ruhen und nicht die große Bühne brauchen, um sich unter Beweis zu stellen und Erfolg zu zeigen.

Sie sind in der sechsten Generation der Eigentümerfamilie. Was bedeutet das Unternehmertum für Sie?

Unternehmertum bedeutet für mich, wirtschaftliche, gesellschaftliche und/oder ökologische Probleme innovativ und kreativ in der Lösungsgestaltung anzugehen, Märkte in den Trends zu erfassen und Chancen für Veränderung in den Gesellschaften auch im politischen Raum mitzugestalten. Dazu bedarf es einer strategischen Vision, wohin man sein Unternehmen und die Gesellschaft langfristig entwickeln will. Es ist verbunden mit einer sehr hohen Verantwortung.

Wie ermutigen Sie Frauen, sich für den unternehmerischen Weg zu entscheiden?

Ich versuche, ihnen bei allen Gelegenheiten zu sagen, dass sie den Mut haben sollen, den Weg ins Unternehmertum zu gehen. Insbesondere junge Frauen muss man ermutigen, dass sie ihren eigenen Weg finden, bei sich bleiben und authentisch ihre Kompetenzen ein

bringen. Mein Vater hat mir als Kind immer gesagt: „Nur Versuch macht klug.“

Was macht gerade den Mittelstand so interessant, und warum bietet dieser für Frauen ein interessantes Arbeitsfeld, auch im Hinblick auf Führungspositionen?

Es kommt immer noch sehr auf die Branche an. Mittelständische Unternehmen, auch gerade familiengeprägte Unternehmen, können ein modernes und verlässliches Unternehmensklima für Frauen schaffen. Insbesondere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bieten mit

Eine gezielte Frauen- und Mädchenförderung für Wissenschaft und Forschung als auch Unternehmertum muss bereits in den Schulen und Universitäten viel gezielter und innovativer unterstützt werden.

telständische Unternehmen oft in innovativer Weise an. Aber auch die Chance, in einer flachen Hierarchie höhere Führungsfunktionen erwerben zu können, ist dort vielfach leichter als in großen Unternehmen mit hartem Wettbewerb.

Welche Ziele sollte die Politik hinsichtlich der Frauenförderung in der Wirtschaft setzen? Welche Ziele sind realistisch?

Eine gezielte Frauenförderung in der Wirtschaft könnte beispielsweise den Gender Lifetime Earnings Gap verringern. So verdienen Frauen auf das gesamte Erwerbsleben gerechnet nur etwas mehr als die Hälfte der Erwerbseinkommen der Männer – in Westdeutschland rund 830.000 Euro, während Männer mit durchschnittlich rund 1,5 Millionen Euro rechnen können. Diese Kluft zu überwinden, sollte ein Ziel für die Politik sein. Zudem muss eine gezielte Frauen- und Mädchenförderung für Wissenschaft und Forschung als auch Unternehmertum bereits in den Schulen und Universitäten viel gezielter und innovativer unterstützt werden. Die skandinavischen Länder machen dies schon längst.

Welche Botschaft möchten Sie anderen UnternehmerInnen noch mitgeben?

Insbesondere Unternehmen stehen in einer viel größeren Verantwortung, auch den politischen und gesellschaftlichen Wandel im eigenen Land und darüber hinaus mit innovativen Ansätzen mitzugestalten. Sehr oft erlebe ich auf der ganzen Welt die Diskussion, ob es einen Plan B für unsere Erde gibt, denn noch verhalten sich viele so. Es ist ein Trugschluss, denn den gibt es auf lange Sicht noch nicht, trotz aller beflügelten Phantasien und Träume der Menschen und der Wissenschaft, die dies als Option erforscht. Wir werden für die nächsten Generationen die Lebensbedingungen so entwickeln müssen, dass sie eine Chance haben, ihr eigenes Leben und die künftige Gesellschaft ebenfalls lebenswert zu gestalten. Dazu brauchen wir einen generationenübergreifenden Dialog, der nicht nur auf die Absicherung der alten Generation und Besitzstandswahrung abzielt, sondern sich auf den Aufbau neuer Strukturen und nachhaltiger Wertschöpfungsketten fokussiert.

Gut zu wissen

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n  Die Bertelsmann Stiftung setzt sich dafür ein, dass alle am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Seit der Gründung 1977 entwickeln rund 380 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Stammsitz Gütersloh und an anderen Standorten in der Welt vielfältige Projekte und Initiativen, um dieses Ziel zu erreichen. Aktuelle Studie: Frauen verdienen im Leben nur halb so viel wie Männer. Die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt sind über das gesamte Erwerbsleben größer als bisher angenommen. Der häufig herangezogene Gender Pay Gap kann das wahre Ausmaß der Ungleichheit nur unzureichend abbilden. Auf das gesamte Erwerbsleben gerechnet, verdienen Frauen nur etwas mehr als die Hälfte der Erwerbseinkommen der Männer. Ausgedrückt in absoluten Zahlen erzielen Frauen in Westdeutschland in Preisen von 2015 ein erwartetes durchschnittliches Lebenserwerbseinkommen von rund 830.000 Euro, während Männer mit durchschnittlich rund 1,5 Millionen Euro rechnen können. In Ostdeutschland fallen die erwarteten Lebenserwerbseinkommen insgesamt geringer aus. Frauen kommen hier auf rund 660.000 Euro, Männer auf knapp 1,1 Millionen Euro. Die Studie ist abrufbar unter:

http://bvmw.info/bertelsmann_die_große_Kluft

Dr. Brigitte Mohn, Jahrgang 1964, ist seit 2005 Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung. Während ihrer Tätigkeit initiierte sie die Gründung des gemeinnützigen Beratungsunternehmens Phineo sowie des Patientenportals Weisse Liste mit. International setzte Brigitte Mohn im Diskurs über Impact Investing wichtige Impulse. Sie ist unter anderem Aufsichtsratsmitglied der Bertelsmann SE & Co. KGaA. Privat unterstützt sie zur Förderung sozialer Innovationen missionsorientierte Startups bei der Existenzgründung.

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