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Digitaler Wandel braucht Führung

Unternehmen, die die digitale Transformation in den vergangenen Jahren nicht ernst genommen haben, erleiden – je nach Branche – mehr oder weniger große Wettbewerbsverluste gegenüber Konkurrenten, die besser aufgestellt sind. Wie können Betriebe daher am besten den digitalen Wandel als Herausforderung annehmen und erfolgreich bewältigen? Die Bertelsmann Stiftung hat dazu bundesweit Unternehmen befragt. Vor kurzem wurde nun die Studie mit den Ergebnissen vorgestellt.

Schon seit Jahren ist zu beobachten, dass die betriebliche digitale Transformation in ihrer Tragweite für den eigenen Betrieb falsch eingeschätzt oder aber unterschätzt wird. In einer von uns vor der Studie durchgeführten Interviewreihe mit Unternehmerinnen und Unternehmer offenbarte sich recht deutlich, dass Digitalisierung häufig als Technisierung der Arbeitsorganisation missverstanden wird. Es wurde uns in den Interviews sehr häufig die technische Ausstattung im eigenen Unternehmen geschildert, zugleich aber auch betont, dass weitergehende Änderungen des eigenen Geschäftsmodells oder auch der Modus der Produktion an sich davon nicht betroffen seien. Übertragen auf die Kundenerfahrung im deutschen Einzelhandel könnte man von außen auch fragen: Ist die im Vergleich zum Ausland – vor Corona - zu beobachtende Unwilligkeit, den Kunden die Bezahlung mit einer Karte anzubieten, eine technische oder eine kulturelle Frage? Sie erahnen die Antwort.

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Eine Einladung der Geschäftsführung, sich im neuen Intranet auszutauschen, wird nicht erfolgreich sein, wenn die Führung selbst nicht willens ist, mit den Beschäftigten dort auf Augenhöhe und transparent zu kommunizieren.

Aus diesem Grund haben uns bei der Konzeptionierung unserer Studie zur betrieblichen digitalen Transformation, die wir zusammen mit Fraunhofer IAO in Stuttgart und mit freundlicher Unterstützung der Otto Group durchgeführt haben, drei Fragen geleitet. Erstens: Sind Bereitschaft und Kultur in Unternehmen vorhanden, um sich mit dem digitalen Wandel zu befassen? Zweitens: Sind intern die technischen Voraussetzungen gegeben, um den digitalen Wandel voran zu treiben? Drittens: Ist intern die Kompetenz vorhanden, die potenziellen Auswirkungen der Digitalisierung auf das eigene Geschäftsmodell zu erkennen?

Wir haben daraufhin in 15 Unternehmen (bundesweit gleichverteilt, unterschiedliche Branchen, grundsätzlich als „digital reif“ zu bezeichnen) die Geschäftsführungen in vertiefenden persönlichen Interviews zu den Erfolgsfaktoren und Hürden der digitalen Transformation befragt. Hierbei zeigte sich schnell, dass der digitale Wandel deutlich weitreichender ist als vorherige Änderungen in Folge der Einführung neuer Management-Methoden. Der digitale Wandel betrifft das eigene Geschäftsmodell, die eigene Person, die eigenen Werte, die Arbeitsmethoden, die Selbstverortung im Unternehmen.

Führung muss Vorbild sein Wandel ohne eine Unterstützung durch die Führung ist auch in diesem Fall nicht möglich. Und auch hier gilt: Führung muss mit gutem Vorbild vorangehen und im Arbeitsalltag deutlich vorleben, warum der Einsatz digitaler Werkzeuge und Kommunikationsplattformen Sinn hat. Eine Einladung der Geschäftsführung, sich im neuen Intranet auszutauschen, wird nicht erfolgreich sein, wenn die Führung selbst nicht willens ist, mit den Beschäftigten dort auf Augenhöhe und transparent zu kommunizieren. Führung muss Risiken eingehen wollen und den Menschen Raum zum Experimentieren geben.

IT wird zur Querschnittsaufgabe Der digitale Wandel darf nicht an die IT-Abteilung ausgegliedert werden. Die IT muss integraler Bestandteil aller Bereiche des Unternehmens werden. Dies bedingt automatisch auch eine Dezentralisierung des Ansatzes der IT-Administration (hierbei geht es nicht um IT in der Produktion!). Eigenverantwortung in der IT-Anwendung durch die Beschäftigten ist die neue Maxime. Der Anwender muss – neben den Standard-Office-Anwendungen – selbst entscheiden können, wie er kommuniziert und wann im Laufe eines Tages er welche Anwendung nutzt.

Arbeitsorganisation muss agil werden Planungshorizonte müssen verkürzt werden, auf Änderungen von Kundenpräferenzen muss kurzfristig reagiert werden können, interne Wahrheiten („Das haben wir schon immer so gemacht“, „Der Mitarbeiter mit dem höchsten Gehalt entscheidet am Ende der Sitzung“) müssen infrage gestellt werden, agiles Projektmanagement muss Wasserfall-Methoden ersetzen.

Digitaler Wandel ohne Wandel der Arbeitskultur kann nicht gelingen Wenn Arbeitsorganisation und Hierarchiemodelle hinterfragt werden, wenn Führung digitales Arbeiten vorleben muss, wenn gewohnte Rollen und Entscheidungswege disruptiert werden, kann von der Veränderung der Arbeitskultur gesprochen werden. Digi-

tale Arbeitskultur – häufig auch im Modebegriff des New Work zusammengefasst – beinhaltet Kommunikation auf Augenhöhe, die Selbstvergewisserung, das Erlebnis von Selbstwirksamkeit, besseres Selbstmanagement, Transparenz, Vertrauen, das Teilen von Erkenntnissen. Technik kann oder muss hier sogar Unterstützer sein. Kultur und Technik müssen sich gegenseitig ergänzen. Digitale Kompetenz intern aufbauen und extern anwerben Die mit der Änderung der Arbeitskultur einhergehenden Anforderungen an digitale Kompetenzen (Fähigkeit zur virtuellen Kommunikation, Wille zum Teilen, Technikverständnis) müssen durch die HR-Abteilung proaktiv adressiert werden. Es haben sich neben der klassischen Fortbildung hierbei vor allem auch sogenannte Peer to Peer-Formate bewährt. Es geht um die Hilfe unter seinesgleichen, auf Augenhöhe über technisch bedingte Herausforderungen reden zu können. Zugleich müssen die Anforderungsprofile bezüglich von Neueinstellungen unbedingt modifiziert werden. Das eigene Geschäftsmodell muss täglich hinterfragt werden In Zeiten der digitalen Transformation gibt es keine Gewissheiten mehr. Täglich können sich die Rahmenbedingungen des eigenen Geschäftsmodells ändern, täglich können branchenfremde Unternehmen in die eigene Branche einbrechen und die eigene Existenz gefährden. Digitalisierung ermöglicht das Überwinden der Brandmauern zwischen ehemals streng getrennten Branchen. Dies zu erkennen, ist Aufgabe aller im Unternehmen Arbeitenden. Die Erfahrungen aus der Autobranche haben gezeigt, dass Geschäftsführungen gut daran tun, auf die eigenen Mitarbeiter zu hören, wenn es darum geht, neue Trends zu erkennen, die das eigene Geschäftsmodell betreffen könnten. Voraussetzung hierfür ist jedoch die Bereitschaft von Geschäftsführungen, demütig zu sein und die Grenzen

der eigenen Kompetenzen offensiv anzuerkennen. Die Interviews haben gezeigt, dass diese Handlungsfelder gleichzeitig und proaktiv angegangen werden müssen. Diesen Prozess anzustoßen, ist Aufgabe der Führung. Versagt an dieser Stelle eine Führung, die mit der Digitalisierung fremdelt, werden alle Arbeitsplätze des Unternehmens akut gefährdet. Dies zu verhindern, liegt in der Verantwortung der Führung.

Gut zu wissen

Die Ergebnisse der Studie sind abrufbar unter:

http://bvmw.info/studie_zukunft_der_arbeit

Link zum Blog: www.zukunftderarbeit.de

Dr. Ole Wintermann

Senior Project Manager Bertelsmann Stiftung

www.bertelsmann-stiftung.de

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