App-Musik – Neues Musizieren?

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Perspektiven

Vordruckfassung Erschienen in:

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App-Musik – neues Musizieren? Musikmachen mit SmartphoneInstrumenten auf iPhone, iPod touch und iPad Matthias Krebs

Wenn Technik unser täglicher Begleiter wird, wenn mehr und mehr Physisches in die virtuelle Welt übergeht und Virtuelles vermehrt die physische Welt durchdringt, wie verändert dies unseren Umgang mit Musik?

Musikerinnen und Musiker stellen hohe Anforderungen an die Funktionsweise, die Handhabe und die Verlässlichkeit ihrer Instrumente. Alles muss im Augenblick entstehen, muss expressiv und gleichzeitig intim sein. Die neue digitale Technik liefert potenziell nicht nur ein Medium und eine Werkstatt für Musik. Vielmehr zielt sie auf die Erzeugung virtueller Erfahrungswelten, die den Nutzern den Eindruck vermitteln, sie seien Teil dieser erfahrenen Welt und nicht nur externe Beobachter. Dies gelingt immer dann auf überzeugende Weise, wenn die neuartige Technik in ihren genuinen Eigenschaften für die künstlerische Praxis genutzt wird, sodass neue Formen der musikalischen Interaktion und des ästhetischen Ausdrucks entstehen. Nach Programmierern und Hackern waren es vor allem Künstler, die die spezifischen Eigenschaften von Computern und Netzwerken erforscht haben. Als neuartige Geräteklasse treten nun Smartphones und Tablet-PCs in Erscheinung – allen voran iPhone und iPad1 –, die neue Möglichkeitswelten eröffnen. In gewisser Weise handelt es sich bei diesen mobilen Geräten um Computer im Kleinformat für unterwegs. Es können darauf Programme (so genannte Apps) wie Rhythmusmaschinen, Synthesizer und Effektgeräte installiert werden. Diese Universalgeräte geben allerdings kein überzeugendes Bild ab, wenn man das

Profil eines modernen Musik-PCs zugrunde legt. Bescheidene Rechenleistung, eingeschränkte Schnittstellen und eine eher auf die Consumer-Klientel ausgerichtete Audio-Hardware sind von dieser Warte aus der Albtraum eines jeden auch nur halbwegs technikaffinen Musikers. Andererseits erlauben die portablen, per Touchscreen steuerbaren Geräte auch eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten zum Musikmachen. An einer Vielzahl von Softwarebeispielen lässt sich zeigen, dass dieses noch junge Medium einen wahren Fundus an innovativen Musikinstrumenten und ein musikalisches Experimentierlabor offenbart. Die entscheidenden Herausforderungen für die Weiterentwicklung bestehen in den Interaktionsmöglichkeiten und der Steuerung. Reicht es aus, die Spielweise traditioneller Instrumente auf den Tablet-PCs zu imitieren? Wie können technische Barrieren beseitigt werden, um intuitiv mit mobilen Geräten zu musizieren – egal, ob am gleichen Ort oder über das Internet? Gleichzeitig suchen Musikerinnen und Musiker nach Lösungen, die lange Bestand haben. Sie suchen in intensiver Auseinandersetzung eine enge Beziehung zu ihren Instrumenten und Stücken. Dieser Prozess bedarf eines enormen Durchhaltevermögens, um künstlerische Qualitäten und die gewünschte Versiertheit zu erlangen.

MUSIZIEREN IST INNOVATION Für Musikerinnen und Musiker, die sich den neuen Herausforderungen stellen, ist es spannend, die Entwicklung zu begleiten und mitzugestalten. Es überrascht, wie einige diese Trends begeistert aufnehmen und andere ihnen skeptisch gegenüberstehen. Ein nahe liegender Grund dafür besteht darin, dass selbst Technik-Interessierte nur schwer den Überblick über das Spektrum der technischen Entwicklungen bewahren und sich von der rasanten Weiterentwicklung überfordert fühlen. Andere argumentieren, dass mit den vorgefertigten Apps der künstlerische Ausdruck vorbestimmt sei. Allerdings widerspricht eine rein passive Sichtweise der künstlerischen Grundhaltung: Musizieren ist stets ein aktiver Innovationsprozess.2 Zunächst muss man sich arrangieren, bei einigen gewohnten Schritten heißt es umzudenken, um gewisse Vorteile überhaupt nutzen zu können. Gleichzeitig verändert sich durch die neue Verwendungsweise die Musik und es entsteht etwas Neues. Der Feind der Innovation ist die Gewohnheit, die gleichbedeutend ist mit Stillstand. Um einen Eindruck von den Möglichkeiten aktueller mobiler Geräte auf der musikalischen Ebene zu bekommen, werden exemplarisch einige Charakteristika der Nutzungsweise


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