Tabu

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Ta·bu

1. Völkerkunde – Verbot, bestimmte Handlungen auszuführen, besonders geheiligte Personen oder Gegenstände zu berühren, anzublicken, zu nennen: etwas ist mit [einem] Tabu belegt, durch [ein] Tabu geschützt

2. bildungssprachlich – ungeschriebenes Gesetz, das aufgrund bestimmter Anschauungen innerhalb einer Gesellschaft verbietet, bestimmte Dinge zu tun: ein gesellschaftliches Tabu

EINE UNABHÄNGIGE KAMPAGNE VON MEDIAPLANET
/Tabú/ Substantiv, Neutrum [das]

DIESER AUSGABE

Organspende und Trauer Depression

Drogensucht

Ich heiße Sandra und habe vor zehn Jahren mein kleines Mädchen beerdigen müssen.

Mein kleiner Sonnenschein schenkte zwei neue Leben – und ich wurde an den Pranger gestellt. "Du hast sie ausschlachten lassen", "Wie beim Metzger" – waren nur einige der Kommentare. Und nach einigen Wochen wurde mir nahegelegt, dass "es doch jetzt auch gut ist", es jetzt mit Trauern reicht. Mir kam es oft vor, als wäre zu trauern ein absolutes Tabu.

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Lust (aus)leben

Ich heiße Lucas, bin 31 Jahre alt, Vater von zwei Töchtern. In diesem Beitrag erzähle ich meine Geschichte und blicke dabei auf 13 Jahre aktive Sucht sowie bald fünf Jahre Genesung zurück.

Ich kann zusammenfassend sagen: Die Jahre zwischen meinem 14. und dem 27. Lebensjahr waren ausschließlich von der Sucht geprägt, die einen Tiefpunkt nach dem anderen zur Folge hatte. Ich stand vor dem Nichts, hatte jeden betrogen, der zu mir gestanden hat, und war obdachlos.

Ich heiße Jonas und habe eine Depression.

Meine Depressionen haben sich zu Beginn dadurch geäußert, dass ich zunehmend lustlos und erschöpft in den Tag gestartet bin, ohne mich aus der Stimmung heraus retten zu können. Es wurde immer schlimmer, bis ich das Haus gar nicht mehr verlassen wollte und nur noch sehr selten Freude oder Glück empfunden habe.

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Ich heiße Jana. Ich vermittle Lust mit Lust. Ohne Stress und Performancedruck.

Jeder von uns hat eigene Werte, Moralen und Glaubenssätze, die die gelebte Sexualität und natürlich auch die der anderen bewerten. Was gehört sich, was gehört sich vielleicht nicht?

Wir sind schnell in unserem Urteil, was sich schickt und was nicht – was man vielleicht lieber mit einer Affäre lebt als eben zu Hause im Ehebett. Was wird nur im Geheimen gelebt und nicht dem Partner preisgegeben?

Neue Wege aus der Tabuzone Krankheit

So aufgeklärt und gesundheitsbewusst wir erscheinen wollen: Zu den größten Tabuzonen, denen sich zudem niemand von uns entziehen kann, zählen gesundheitliche Leiden und Krankheiten.

Viele Menschen scheuen sich davor, ihre gesundheitlichen Einschränkungen sich selbst und anderen gegenüber einzugestehen oder sich ihren Ärzt*innen zu öffnen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Angst vor Stigmatisierung, die Sorge, nicht ernst genommen zu werden, oder auch die fehlende Motivation, die gesundheitlichen Probleme anzupacken. Und wenn sie dann über ihre gesundheitlichen (Tabu-) Themen wie Depressionen, Migräneattacken oder Schlafstörungen sprechen, bedeutet das noch lange nicht, dass ihnen schnell geholfen werden kann. Unsere Allgemeinärzt*innen haben oft zu wenige Zeit und können sich mitunter nicht eingehend mit den leitliniengerechten Behandlungsmethoden beschäftigen, um die Betroffenen angemessen zu betreuen. Und während man meist sehr lange auf einen Termin bei Spezialist*innen und Therapeut*innen warten muss, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich das Krankheitsbild noch verschlechtert.

Einen neuen Weg aus der “kranken” Tabuzone und den damit verbundenen negativen Konsequenzen können Digitale Gesundheitsanwendungen (kurz

DiGA) bieten. Als zertifizierte Medizinprodukte ist ihre Wirksamkeit durch klinische Studien belegt, sodass sie als „App auf Rezept“ von Ärzt*innen und Therapeut*innen verschrieben werden können. Die Kosten werden von allen gesetzlichen und den meisten privaten Krankenversicherungen übernommen. DiGA können als ständige Begleiter ideal in den Alltag der Patient*innen inte-griert werden, sie geben Tipps zum Umgang mit der Erkrankung und helfen den Betroffenen neue, auf die Linderung ihrer Erkrankung ausgerichtete Verhaltensweisen zu erlernen. DiGA schließen damit Versorgungslücken in der ärztlichen Versorgung und erleichtern den Zugang zu wirksamen Behandlungsmethoden, die auf aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. So können Betroffene ihre tabuisierten Gesundheitseinschränkungen viel leichter angehen. In diesem Magazin finden Sie drei DiGA, die konkrete und direkte Hilfestellungen bei Migräne (M-sense), Depression (Selfapy) und Schlafstörungen (somnio) bieten. Auf

Lesen Sie mehr auf www.gesunder-koerper.info 2 Project Manager: Linda Dröge Sophia Walter Business Development Manager: Katharina Sliwa Geschäftsführung: Richard Båge (CEO), Philipp Colaço (Managing Director), Franziska Manske (Head of Editorial & Production), Henriette Schröder (Sales Director) Designer: Elias Karberg Mediaplanet-Kontakt: redaktion.de@mediaplanet.com Alle mit gekennzeichneten Artikel sind keine neutrale Redaktion vom Mediaplanet Verlag. Please recycle facebook.com/MediaplanetStories @Mediaplanet_germany
GESICHTER
ONLINE
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Daniel Wiedemann ONLINE Daniel Wiedemann Geschäftsführer DiGA info Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit DIGA info entstanden.
Text
Die irdische Hülle wird sekundär

„Wenn ich heute sterben würde, würde ich gerne als vollkommen unvollkommener Mensch in Erinnerung bleiben. Jemand, der genauso verrückt wie nett war; ein treuer Freund, ein lästiger kleiner Bruder, ein beschützender großer Bruder und eine Nervensäge für meine Eltern. Jemand, der viel kämpfen musste, innerlich und äußerlich, aber nie aufgegeben und immer sein Bestes gegeben hat. Ich denke, es ist mir wichtig, dass ich für die Menschen, die mir am nächsten stehen, in freundlicher Erinnerung bleibe, obwohl ich viel Zeit im Schatten verbracht habe.“

Wie möchte ich in Erinnerung bleiben?

„Für mich sind Erinnerungen an Verstorbene immer schmerzhaft, da sie mit der Tatsache verbunden sind, dass man sich nie wieder sehen und eine weitere gemeinsame Erinnerung haben wird. Diese Wunden heilen nie vollständig und sind trotzdem nicht sichtbar. Für mich repräsentieren die Pflaster daher die Tatsache, dass die Wunde nicht heilt und man sie nicht physisch sehen kann, abgesehen von der Körpersprache. Pflaster sollen Wunden abdecken und vor Schmutz schützen, aber wir können anhand ihrer Körpersprache immer noch sehen, dass die Person Schmerzen hat. Überall im Outfit und in der Tasche sind Stecknadeln angebracht, um das Aufreißen der Wunden darzustellen und wie Schmerzen uns davon abhalten können, so zu leben, wie wir es wollen, wie wir vorsichtiger werden, weil wir Angst haben, wieder verletzt zu werden. In gewisser Weise verwandeln sie sich auch in Schutzschilde, um Menschen von einem fernzuhalten. Die Pflaster an der Wirbelsäule sind für mich besonders bedeutungsvoll, weil sie eine Verletzung eines geliebten Menschen darstellen, die niemals heilen wird, egal wie viele Pflaster man daraufklebt. ‚Wie möchte ich in Erinnerung bleiben?‘ Ich möchte auf die am wenigsten schmerzhafte Weise in Erinnerung bleiben.”

„Der Mensch verewigt sich psychisch und kann sein Bewusstsein zunehmend auch in die digitale Welt übersetzen. Die Technologie verspricht uns ewiges Leben. Der Tod ist damit nur ein technisches Problem und kann selbst bestimmt werden. Die irdische Hülle wird dann sekundär, da Trendwelten der Vergangenheit angehören und die nächste Entwicklungsstufe beschritten wird.

In unserem Entwurf bleibt eine Art Kokon zurück beim Übertritt in diese neue metaphysische Welt. Das Leichentuch verweilt in der alten Welt und vergeht.“

Dein letztes Hemd

Der Tod an sich ist ja schon tabuisiert in unserer Gesellschaft. Aber der Tod und junge Menschen? Ein Tabu im Tabu. Im Rahmen der Herbstakademie der Akademie für Mode und Design (amdnet.de) kamen Studierende zusammen, um ihre Avatare zu entwickeln für eine Unsterblichkeit im Netz. Im kreativen Prozess, der einen Nachruf auf sich selbst und den Entwurf eines Totenkleids beinhaltete, kamen sie Antworten auf die Frage, wie sie einst erinnert werden möchten, näher und beschäftigten sich mit dem Ritual des eigenen Abschieds. Die Vorstellungen über ein eventuelles Jenseits gingen weit auseinander, doch am Beispiel des Übergangs von der physischen in die digitale Welt ließen sich viele ungewöhnliche Ideen spinnen. Denn wer sich den eigenen Avatar designt, kommt seinem Vermächtnis auf spielerische Weise auf die Schliche.

Vier Entwürfe haben wir hier ausgewählt.

Licht und Schatten

„Das Leben ist gefüllt mit vielen Dingen, wunderbaren, schlechten und neutralen. Das Beste am Leben ist, am Leben zu sein, und da die Lebendigkeit der wahre Sinn des Lebens ist, ist der Tod meiner Meinung nach genauso wichtig, weil es ein Ende geben muss, um etwas Neues zu beginnen. Genauso ist es mit Licht und Schatten, die beiden sind perfekt ausbalanciert und brauchen einander, um existieren zu können.

Was für mich das Leben am besten symbolisiert, sind die Liebe und das Schaffen von Leben, zum Beispiel symbolisiert durch eine Hochzeit, also habe ich einen Schleier als Inspiration für die Maske gewählt. Der Tod wird durch die verwendeten Farben Rot, Schwarz und Weiß angedeutet, das sind die Farben der Trauer in Südamerika, Europa und im Buddhismus. Er wird auch durch das Design der Ärmel visualisiert, die sich an den Akt des Suizids – einen großen Teil meines Lebens – anlehnen.

Für die kreative Umsetzung habe ich mich entschieden, alte Kleidung aufzuwerten, weil sie dem Leben sehr ähnelt: Das Kleidungsstück verbraucht sich, wird wieder zum Leben erweckt, existiert dann weiter und irgendwann verschwindet es, genau wie wir.“

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Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Ahorn Gruppe entstanden.
Der Workshop wurde gemeinsam mit den Studierenden der AMD entwickelt unter der Leitung von Charlotte Wiedemann, die mit Angeboten der Plattform friedlotse.de dazu einlädt, sich mit der eigenen Bestattung auseinanderzusetzen. Initiiert wurde der Kurs von der Studiengangsleitung für Fashion Journalism & Communication der AMD, Nicole Hardt, und unterstützt von der Designerin und Stylistin Viviane Hausstein. Fotos von Angelika Frey Julian Loic
Unvollkommen vollkommen
Kilian und Belanna Malte

Paulas Reise

Auf den Tod eines Kindes ist man nicht vorbereitet und es gibt keine Erklärung, keine Trostworte, die das Geschehene erträglich machen. Der Tod eines Kindes stürzt Eltern in tiefste Verzweiflung. Trauer und Angst, Schuldgefühle, aber auch Wut und Ohnmachtsgefühle angesichts der Endgültigkeit des Todes prägen den Alltag. Alle Hoffnungen und Träume für die Zukunft werden jäh zerstört und der Sinn des Lebens scheint plötzlich verloren gegangen zu sein. So ging es auch Sandra. Der Intensivkrankenschwerster ist das passiert, was keiner Mutter je passieren sollte. Sie musste ihr eigenes Kind sterben lassen.

Start-up für Trauerfreunde entwickelt weltweit neuen, digitalen Ansatz in der Trauerhilfe

www.trosthelden.de ist eine online Matching-Plattform für Trauernde. Entwickelt von Fachleuten aus Trauerbegleitung, Trauerforschung und Psychologie, bringt unser weltweit einzigartiger Algorithmus nicht nur diejenigen Trauernden zusammen, die in ihrer jeweils individuellen Situation perfekt zueinander passen. TrostHelden hat insgesamt einen ganz neuen Ansatz in der Trauerhilfe erschaffen.

Das Ziel von TrostHelden ist, die soziale Vereinsamung samt sozialer und gesundheitlicher Folgeschäden, die oftmals mit der Trauer einhergeht und zu Pandemie-Zeiten ganz neue Dimensionen bekommen hat, zu minimieren. Indem wir Trauernde mit gleicher „Trauersprache“ zusammenbringen. Denn Gleich und Gleich gesellt sich auch auf diesem Felde gern – und tut sich gegenseitig gut.

In den vergangenen Jahren und durch den Kontakt zu tausenden Trauernden haben wir, das sind meine Frau und ich, uns ein sehr gutes Bild über elementare Bedürfnisse von Betroffenen machen können. Wir mussten lernen, dass das elementarste aller Bedürfnisse bei den wenigsten Trauernden befriedigt wird. Dabei geht es darum, ein Gegenüber zu haben, der komplett versteht. Über die ganze Zeit der Trauer. Wer kann das besser als jemand, der ein gleiches Schicksal verkraften musste oder muss? Der eine ähnliche Art der Trauerarbeit hat, der sich in ähnlichen Lebensumständen befindet und damit die gleiche Trauersprache spricht? Trauernde wünschen sich oft nichts sehnlicher,

als einen Menschen zu haben, der auf rationaler und emotionaler Ebene komplettes Verständnis hat. Vor allem die emotionale Ebene ist es, die vom sozialen Umfeld und auch von professioneller Trauerbegleitung nicht bedient werden kann – für ein gutesVoran- oder Weiterkommen aber elementar ist.

Da dieses Bedürfnis bisher kaum befriedigt wird, bedeutet das für unsere Trauerkultur, dass der Tod nicht nur traurig, sondern auch einsam macht. Einsamkeit kann auf Dauer krank machen.

Dagegen haben wir etwas: www.trosthelden.de

TrostHelden ist eine noch junge OnlinePlattform (Beta-online seit November 2020), auf der trauernde Menschen ein Gegenüber finden, der sie und ihre Gefühle vollkommen versteht und der die gleiche Trauersprache spricht. Wenn dies gegeben ist, ist eine ganz andere Art der eigenen Trauerarbeit möglich. Tür und Tor stehen für eine Heilung weit(er) offen! Bisher haben rund 3.000 Betroffene Hilfe auf TrostHelden gesucht und gefunden.

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Sandra Intensivkrankenschwester und Löwenmama

Es passierte an einem Sommertag im August vor zehn Jahren. Sandra arbeitete im Krankenhaus, ihre Mutter kümmerte sich um die Kinder. Sie waren auf dem Weg zu einer Poolparty. Vorfreude, Gekicher, leuchtende Kinderaugen auf der Rückbank. Dann war alles dunkel. Ein betrunkener Lkw-Fahrer hatte das Auto übersehen. Die Kinder sowie die Großmutter kommen schwer verletzt ins Krankenhaus.

Bei Sandra klingelte es an der Tür. Davor standen Kriminalpolizisten und erzählten ihr vom Unfall. Alles Weitere nimmt sie nur noch durch einen Schleier wahr. Sie fährt ins Krankenhaus und da liegt sie, ihre kleine Paula, gerade mal vier Jahre alt. „Dort angekommen bot sich eines der schrecklichsten Bilder überhaupt. Seine kleine Tochter völlig hilflos an Maschinen mit lauter Infusionen, den ständigen Alarmtönen und mit Hämatomen im Gesicht und einem dicken Kopfverband zu sehen, ist ein Bild, das einen nie wieder loslässt. Ich saß Tag und Nacht an ihrem Bett, hielt ihre Hand, sang ihr Lieder vor und flehte sie immer wieder an, nicht zu gehen. Als Krankenschwester war mir klar, dass all das Flehen umsonst ist, denn mein kleines Mädchen war längst gegangen, ihr Gehirn hatte aufgehört zu arbeiten.“

Sandra fasste einen Entschluss, der ihre Tochter weiterleben ließ: Sie gab ihr kleines Mädchen zur Organspende frei. „Dass Ärzte wie die Aasgeier um einen kreisen und einen dazu überreden wollen, diese Entscheidung zu treffen, ist ein Irrglaube. Ich sehe in meinem Beruf jeden Tag, wie Eltern an den Krankenbetten ihrer Kinder sitzen und weinen, hoffen und bangen, dass ein geeignetes Organ gefunden wird, das dem geliebten Kind das Überleben sichert. Wenn mein Kind schon nicht groß werden darf, sollten wenigstens andere Kinder die Chance auf ein glückliches Leben haben. Einige Stunden später wurde das Kreuz in Paulas Krankenakte geschrieben. Nun war mein kleines Mädchen offiziell für alle Ämter Tod. Aber ich hatte sie noch 24 Stunden bei mir, da die Suche der Deutschen Stiftung Organtransplantation losging. Am nächsten Morgen begleitete ich mein kleines Mädchen noch bis in den OP, küsste Paulas Stirn und überließ

Trauern darf kein Tabu sein. Wir dürfen trauern, wir dürfen Schmerz zulassen, rauslassen – leben. Zu Beginn der Trauerzeit hat der Tod seinen Platz im Alltag. Zu Beginn ist viel Verständnis und Hilfsbereitschaft da. Aber wann hört „zu Beginn“ auf?

ihren Körper den Ärzten für die Explantation. Vor der Schleuse standen schon die grauen Koffer und warteten auf ihre Organe. Mein kleiner Sonnenschein schenkte zwei neue Leben. Ihre Leber ging an ein gleichaltriges Mädchen, die Nieren an einen Erwachsenen.“

Nach der Organentnahme kam Paula in die Gerichtsmedizin. Erst drei Wochen später konnte Sandra ihre Tochter beerdigen. „Wir haben ihr Grab ganz bunt gestaltet. Das war mir sehr wichtig. Paula war so ein Sonnenschein, war immer fröhlich – das sollte sie auch für alle sichtbar über ihren Tod hinaus bleiben.“

Leben mit der Trauer – ein Tabu?

Du musst …, du sollst …, jetzt wird es aber wieder Zeit – sehr selten kommt

Welche Bedeutung hat das Verständnis im Außen auf Trauernde? Verständnis im Außen tut in erster Linie gut. Dieses Verständnis dient jedoch auch als Spiegel, um sich selbst in Trauer besser kennen zu lernen. Durch einen Schicksalsschlag entsteht im Trauernden von jetzt auf gleich ein Schattenanteil, der neuer Taktgeber ist. Er ist mit schmerzenden und ohnmächtigen Gefühlen gepaart, die nicht selten in einer Handlungsunfähigkeit münden. Dieser Schattenanteil fühlt sich fremd an, ist jedoch ein Teil des Ichs, der durch den Schicksalsschlag aktiviert wurde. Verständnis im Außen hilft, diesen Schatten -

die Aufforderung „du darfst“. Du darfst trauern, verletzlich sein, selbst in der Aufgabe als Mutter Schwäche zeigen und Hilfe annehmen. Das musste auch Sandra erfahren. „Mein Umfeld konnte mit Paulas Tod überhaupt nicht umgehen. Ich wurde angestarrt, es wurde verlegen zur Seite geschaut. Hinzu kam das Unverständnis von vielen, dass ich die Organe meiner Tochter gespendet habe. ‚Du hast sie ausschlachten lassen‘, ‚Wie beim Metzger‘ – waren nur einige der Kommentare. Und nach einigen Wochen wurde mir nahegelegt, dass ‚es doch jetzt auch gut ist‘, es jetzt mit Trauern reicht. Mir kam es oft vor, als wäre zu trauern ein absolutes Tabu und einfach nicht gesellschaftsfähig.“

Trauern darf kein Tabu sein. Wir dürfen trauern, wir dürfen Schmerz zulassen, rauslassen – leben. Zu Beginn der Trauerzeit hat der Tod seinen Platz im Alltag. Zu Beginn ist viel Verständnis und Hilfsbereitschaft da. Aber wann hört "zu Beginn" auf? Ist das nach Wochen, Monaten oder vielleicht nach Jahren? Wer entscheidet, wann die Trauer zu Ende ist und wann ein „normaler“ Alltag wieder gelebt werden soll? Nur die trauernde Person weiß, was ihr guttut, und nur sie kennt ihr Trauertempo.

Gerade beim Tod eines Kindes gibt es immer wieder Momente, auch nach Jahren, wo sich die Trauer massiv wieder aufdrängt. Nicht weil sie schwach machen möchte und auch nicht in der Sorge, dass wir zu leichtfertig unseren Alltag leben. Sie meldet sich, weil die Liebe zum Kind nie verloren gegangen ist. Trauer ist nachgetragene Liebe und Trauer hilft aus der Sprachlosigkeit. Sie ist existenziell. Man darf sie zulassen, sich auf sie einlassen und beobachten, was sie mit einem macht. Gefühle zu kalkulieren, ist nicht sinnvoll. Wie in der Liebe kann das Gefühl der Trauer zugelassen werden, denn die Trauer ist eines der stärksten Gefühle des Lebens. So auch für Sandra. „Jeder Tag ist anders. Manchmal ist die Trauer überwältigend – auch noch nach zehn Jahren. Paula wird immer ein Teil meines Lebens bleiben und ich muss ehrlich sagen: Hätte ich damals meine beiden Kinder nicht gehabt, wäre ich heute längst bei Paula.“ Text Franziska Manske

ÜBER JUNGE HELDEN e. V.

Junge Helden e. V. ist eine gemeinnützige Organisation, die deutschlandweit insbesondere junge Menschen über Organspende aufklärt.

Mit der Veranstaltungsreihe „Ein Club voller Helden“, dem Aufklärungsfilm „Entscheidend ist die Entscheidung“ und zuletzt mit der „Live Saving Wallpaper“-Kampagne zeichnet sich Junge Helden e. V. immer wieder durch neuartige Ideen aus, um auf das Thema Organspende aufmerksam zu machen. Ziel des Vereins ist es, vor allem Jugendliche und junge Erwachsene zu motivieren, eine Entscheidung zu treffen und diese Angehörigen und Freunden mitzuteilen. 2003 von Claudia Kotter, ihrer Familie und ihrem Freundeskreis gegründet, wird der Verein heute von einem Kernteam sowie dem Engagement vieler ehrenamtlicher Unterstützer fortgeführt.

Wenn man sich zu Lebzeiten nicht für oder gegen eine Organspende entschieden hat und der Hirntod diagnostiziert wird, müssen die Angehörigen über eine Organentnahme entscheiden. Wer einen Organspendeausweis ausgefüllt und seine Angehörigen über seinen Willen informiert hat, schützt sie davor, diese Entscheidung stellvertretend treffen zu müssen. Gerade in der Situation, in der man sich von einem Familienmitglied verabschieden muss, fällt es den meisten Menschen sehr schwer, diese Entscheidung im Sinne des oder der Verstorbenen zu treffen. Das ist sehr gut nachvollziehbar und sollte möglichst jedem erspart bleiben. In rund 70 Prozent der Fälle sind die Angehörigen bei der Entscheidung auf sich allein gestellt und müssen mit dem Zweifel leben, gegen den Willen des Angehörigen gehandelt zu haben.

Umso wichtiger ist es, sich zu Lebzeiten mit seinem eigenen Tod auseinanderzusetzen und eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen.

Instagram: instagram.com/ junge_helden

Spenden: www.junge-helden.org/ mitmachen/spenden

Website: www.junge-helden.org

anteil bzw. diesen Anteil des Ichs auszuleuchten. Es hilft, die Trauer zu erkennen, zu akzeptieren und ins eigene Leben zu integrieren. TrostHelden ist die einzige Hilfe für Trauernde weltweit, die diesen Aspekt mit seiner Innovation benennt und berücksichtigt.

Welche Auswirkung hat eine gute Trauerarbeit individuell und gesellschaftlich?

Menschen, die eine gute Trauerarbeit für sich durchlebt haben, berichten davon, sich reich beschenkt zu fühlen. Es sind Geschenke wie mehr Selbstwert, mehr Selbstliebe und fokussierten Lebenszielen. Menschen, die im Rahmen einer guten Trauerarbeit viel Unterstützung erfahren haben, engagieren sich häufig später selbst für das Gemeinwohl und sorgen für Mitmenschlichkeit. Wir können also sagen, dass eine gute Trauerarbeit Mitmenschlichkeit in die Welt bringt. Andersherum kann auch behauptet werden, dass durch ein Fehlen einer guten Trauerkultur dieses Humanitätspotential ungenutzt bleibt. Mit TrostHelden kann sich dieses Potential entfalten.

TrostHelden hat nicht nur einen innovativen Weg gefunden, Hilfe für Trauernde zu digitalisieren. TrostHelden hat insgesamt eine neuartige Hilfe entwickelt, die das elementarste und bisher unbefriedigte Bedürfnis Betroffener erstmalig anspricht.

Wer steht hinter TrostHelden? Die ausgebildete Sterbe-Amme Jennifer Lind und der Dipl.-Kfm. Hendrik Lind. Seit 2013 hatten sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu tausenden Trauernden intensive Einzelkontakte.

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Mentale Gesundheit auf der Warteliste

Jede vierte erwachsene Person in Deutschland leidet jährlich unter einer psychischen Erkrankung. Nur wenige suchen und erhalten tatsächlich Hilfe. Über sechs Monate warten Betroffene aktuell durchschnittlich auf einen freien Therapieplatz. Digitale Gesundheitsanwendungen bieten einen möglichen Lösungsansatz. Ein solches digitales Angebot hat Jonas (24) genutzt, um sich um seine mentale Gesundheit zu kümmern.

Wie hat sich deine psychische Belastung angefühlt? Meine Depressionen haben sich zu Beginn dadurch geäußert, dass ich zunehmend lustlos und erschöpft in den Tag gestartet bin, ohne mich aus der Stimmung herausretten zu können. Es wurde immer schlimmer, bis ich das Haus gar nicht mehr verlassen wollte und nur noch sehr selten Freude oder Glück empfunden habe.

Wie war es für dich, psychologische Hilfe in Deutschland zu suchen?

Unglaublich anstrengend. Es ist belastend und ernüchternd, wenn man eh schon am Boden ist und sich überwunden hat, Hilfe zu suchen, eine Absage nach der anderen zu bekommen und keine Hilfe zu erhalten – wenn man überhaupt eine erhält. Einige Therapeut:innen sind so überlastet, dass sie gar nicht erst ans Telefon gehen, wenn man dort nicht bereits als Patient registriert ist.

Dann hast du ein digitales Hilfsangebot gefunden. Wie verlief der Verschreibungsprozess?

Meine Hausärztin hat mir die App auf Rezept verschrieben, nachdem ich ihr meine Situation geschildert und das Angebot gezeigt hatte. Für sie war das zwar neu und sie musste sich erst informieren, zeigte sich dann aber sehr hilfsbereit, und meine Krankenkasse übernahm die Kosten sofort.

Inwiefern war das Angebot für dich eine aktive Hilfestellung?

Positiv überrascht hat mich die Formatvielfalt. Videos, Texte, Audios inklusive Grafiken sorgen dafür, dass es abwechslungsreich bleibt. Mein größter Fortschritt ist jedoch mein Denken über mein Denken. Klingt abstrus, aber heute bewerte ich meine Gedankengänge viel freundlicher. Auch negative Gedanken sind okay, solange sie nicht das Fühlen und Handeln beherrschen.

Wie war es, dich digital in Selbsthilfe zu üben? Erst dachte ich: Nettes Programm, aber kann wahrscheinlich nicht mehr bewirken als ein Sprüchekalender. Nach Abschluss der ersten Module war ich erstaunt, wie hochwertig der Kurs ausgearbeitet ist, und habe mich gefreut, ihn flexibel bearbeiten zu können, ohne vom Terminkalender meiner Therapeutin abhängig zu sein.

Fiel es dir schwer, motiviert zu bleiben? Anfangs war es ungewohnt, weil man die Inhalte wirklich ernst nehmen muss, um Fortschritte zu machen. Mit der Zeit kam eine gewisse Routine, und durch einige Erfolgserlebnisse war ich immer motiviert weiterzumachen.

Welche Ziele konntest du erreichen?

Meine Hauptziele waren, außerhalb der “echten Therapiestunden” meine Stimmung aufrechtzuerhalten und durch Eigeninitiative meine Therapieerfolge zu beschleunigen. Beide habe ich erreicht. Ich habe viel über mich und die menschliche Psyche gelernt, kann viel besser damit umgehen, wenn sich negative Gedanken in mir breitmachen wollen, und falle seltener und weniger tief in ein Loch als vor Beginn meiner zweigleisigen Therapie.

Hältst du psychologische Hilfe per App für effektiv?

Klares Ja! Digitale Anwendungen werden keine klassische Therapie ersetzen können, aber unterstützen ist hier das Zauberwort. Die Kombination aus klassischer Therapie und digitaler Rückendeckung ist für mich das Nonplusultra.

Jonas hat bei seiner Depression ein digitales Hilfsangebot in Anspruch genommen.

Digitale Hilfe bei psychischen Erkrankungen

Selfapys psychologische Online-Kurse sind zertifizierte Medizinprodukte und kostenfrei auf Rezept erhältlich. Alle gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten.

Depression

Generalisierte Angststörung

Der Kurs bei Depression und die psychologische Betreuung bei Selfapy haben mir sehr geholfen, aus einer schwierigen Phase herauszukommen. Personen, die schnelle und unkomplizierte psychologische Hilfe suchen, sind bei Selfapy gut aufgehoben.

Monika

Selfapy Nutzerin

Panikstörung

Sich fachliche Hilfe zu suchen ist für viele psychisch belastete Menschen nicht einfach. Digitale Angebote wie Selfapy können helfen, innere Hürden zu überwinden und so erste Erfahrungen mit Psychotherapie zu machen.

Dr. Barbara Mildenberger

Ärztliche Leiterin ARGORA Klinik Berlin

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Realität Arbeitsstress: das Burnout-Syndrom

Eine hohe Arbeitsbelastung und Stress im Privatleben – diesen Alltag leben viele Menschen. Was bleibt, ist wenig Zeit zum Durchatmen. Wenn die Belastungsgrenze nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft überschritten wird, kann ein Burnout die Folge sein. Wichtig bleibt ein offener Umgang mit der Thematik, um Tabuisierung zu brechen und die erforderlichen Hilfsangebote für Betroffene bereitzustellen. Denn die gibt es.

Das Burnout hat viele Gesichter Ein Burnout entsteht nicht über Nacht. Energielosigkeit, Überforderung und das Gefühl, nicht mehr so leistungsfähig zu sein - psychische Beschwerden machen sich häufig nur schleichend bemerkbar und können sich in vielfältigen Symptomen äußern. Neben Erschöpfung und Leistungsabfall stehen beispielsweise Antriebslosigkeit, Unzufriedenheit oder eine zunehmend negative Einstellung zur eigenen Arbeit im Fokus. Gedanken wie “Ich kann nicht mehr”, oder “Ich muss allem gerecht werden”, treiben dann das innere Gedankenkarussell noch zusätzlich an. Dazu kommen oft psychosomatische Beschwerden wie Schlafprobleme, Rücken- oder Magenschmerzen. Das Burnout hat viele Gesichter, aber diese Bandbreite an Symptomen hat eine gemeinsame Ursache: Menschen leiden unter chronischem Arbeitsstress bei gleichzeitig fehlenden Strategien zur Stressbewältigung und Verbesserung der Selbstfürsorge.

Burnout: nur eine versteckte Depression? Aufgrund des großen Überschneidungsbereichs in Symptomen wie Antriebs- und Energielosigkeit, Interessenverlust und Konzentrationsproblemen werden Burnout und Depression oft in Zusammenhang gebracht. Anders als bei der Depression lässt sich beim Burnout jedoch chronischer Arbeitsstress als Auslöser erkennen. Andere Lebensbereiche sind nicht betroffen.

Dabei kann sich ein Burnout zu einer Depression entwickeln - muss es aber nicht, wenn Betroffene frühzeitig Unterstützung bekommen.

Wichtig für Betroffene ist, dass sie ihren Beschwerden einen Namen geben können. Nur indem Betroffene ihre Beschwerden ernst nehmen, Tabus brechen und spezifische Hilfsangebote nutzen, können sie für ihre psychische Gesundheit sorgen.

Den Burnout-Begriff findet man auch heute schon im internationalen Klassifikationssystem der Krankheiten (kurz ICD-10). Das "Ausgebranntsein" wird hier als "Problem mit Bezug auf Schwierigkeiten in der Lebensbewältigung" (Z73) verstanden und beschreibt damit einen Zustand zwischen einem bedeutsamen Leidensdruck, aber noch keiner voll ausgeprägten psychischen Erkrankung.

Und genau da birgt die Zusatzdiagnose Burnout eine große Chance: Sie ermöglicht frühes Eingreifen und präventive Unterstützung, damit Betroffene die Hilfe bekommen, die sie benötigen.

Psychologische Soforthilfe bei Burnout auf Rezept Es gibt sie, die psychologische Soforthilfe bei Burnout. Den psychologischen Online-Kurs HelloBetter Stress und Burnout erhalten Sie ab sofort kostenfrei auf Rezept. Darin erlernen Sie psychologische Strategien aus der kognitiven Verhaltenstherapie, die Sie auf Ihrem Weg aus der Erschöpfung unterstützen. Der Kurs kann von Ärzti:nnen, sowie von Psychotherapeut:innen auf Rezept verordnet werden. Das geht auch online – zum Beispiel unter TeleClinic.com. So können Sie ganz ohne Termine oder Wartezeit flexibel von Zuhause aus direkt starten.

Text Marie Zeitler

Marie Zeitler ist M.Sc. Psychologin & Systemischer Coach

Wirksame Burnout-Soforthilfe für Zuhause

Digital und einfach: Jetzt psychologischen Online-Kurs bei Stress, Erschöpfung und Burnout kostenfrei auf Rezept verschreiben lassen.

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Ausgabe 11/2021 GUT (2,0) 21BS04 ist Testsieger HelloBetter Panik
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Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der HelloBetter – GET.ON Institut für Gesundheitstrainings GmbH entstanden.

Weniger Migräne dank digitaler Therapie

Eine neue App auf Rezept revolutioniert die Migränebehandlung für Betroffene und Ärzt*innen. Wir sprechen mit Migräneforscher Dr. rer. nat. Markus Dahlem über die digitale Gesundheitsanwendung seines Start-ups.

M-sense Migräne: App auf Rezept

Jeder Zehnte hat Migräne. Da Auslöser, Symptome und Vorboten aber individuell sehr unterschiedlich sind, ist die Therapie eine Herausforderung. Wie kann eine App das ändern?

M-sense Migräne ist nicht irgendeine App, sondern eine digitale Gesundheitsanwendung (DiGA), die von Ärzten auf Rezept verschrieben und von der Krankenkasse erstattet wird. Sie hilft den Betroffenen, sich selbst zu helfen, und ergänzt die ärztliche Behandlung. Die Betroffenen werden zwischen den Arztbesuchen von unserer DiGA begleitet und bekommen vielfältige nicht medikamentöse Therapiemethoden an die Hand.

Wie sieht diese Begleitung genau aus? Betroffene können Attacken und Auslöser ohne viel Aufwand tracken und analysieren. In nur zwei Minuten am Tag ist das intelligente Kopfschmerztagebuch ausgefüllt. Zusätzlich werden sie dabei unterstützt, für sie passende Therapiemethoden zu finden und am Ball zu bleiben. Dies basiert auf verhaltenstherapeutischen Grundlagen, deren Wirksamkeit in klinischen Studien nachgewiesen wurde. Durch die Vorbereitung in der App können Patienten sich ihrem behandelnden Arzt klarer mitteilen. Die meist kurze Zeit der Sprechstunde wird so bestens genutzt.

Die DiGA soll Ärzte also nicht ersetzen? Im Gegenteil! Viele Ärzt:innen und Therapeut:innen verordnen M-sense Migräne, da die DiGA die Arzt-Patienten-Kommunikation vereinfacht und die Therapietreue erhöht. Ärzt:innen erhalten dank M-sense Migräne übersichtliche Analysen und können dadurch die Behandlung optimal anpassen. Durch die automatische Kopfschmerzklassifizierung, das intelligente Kopfschmerztagebuch und den detaillierten Arztreport sinkt der Erklärbedarf, was Zeit spart.

Für Klarheit im Kopf

Die einfache Art Migräne zu behandeln für Ärzt:innen und Betroffene.

Kostenfrei auf Rezept für Betroffene

M-sense Migräne sorgt für eine effektivere Behandlung meiner Migränepatienten. In der kurzen Zeit der Sprechstunde können nicht medikamentöse Therapieoptionen, wie Entspannungsverfahren, zwar kurz erklärt werden, eine umfassende Wissensvermittlung ist in dieser Zeit aber kaum möglich. M-sense hilft dabei, diese Verfahren den Patienten näherzubringen. Vor allem motiviert die Anwendung die Patienten dazu, diese selbstständig und dauerhaft durchzuführen. Der Kopfschmerzkalender erinnert Patienten automatisch daran, wenn sie eine bestimmte Schwelle an Medikamenteneinnahmen erreichen. Dem Medikamentenübergebrauchskopfschmerz wird so effektiv vorgebeugt, eine Funktion, die Kopfschmerztagebücher auf Papier nicht erfüllen können.

Ärztin in einem medizinischen Versorgungszentrum in Magdeburg

Klingt gut, und wie funktioniert die Verschreibung der App?

Wer eine Migränediagnose hat, kann sich von Ärzten und Psychotherapeuten ein Rezept ausstellen lassen, reicht es bei der Krankenkasse ein und erhält einen Freischaltcode, den er in der App eingibt. Man kann die App vorher auch kostenlos testen. Die Krankenkasse erstattet die Kosten für Betroffene. Für Ärzte und Therapeuten belastet die Verschreibung weder Arznei- noch Heilmittelbudget, denn sie wird budgetneutral über die PZN 17169789 verordnet. Auf unserer Website haben wir noch mal genau beschrieben, wie die Verschreibung funktioniert.

Digitale Gesundheitsanwendungen gibt es erst seit Kurzem. Kennen sich denn schon alle mit dem Thema aus?

Nein, es gibt noch viel Informationsbedarf auf beiden Seiten. Deshalb bieten wir kostenlose CME-Fortbildungen und beratende Videosprechstunden für Ärzte und Therapeuten an, sowie Webinare für Betroffene. So helfen wir allen, den vollen Nutzen aus unserer App auf Rezept zu ziehen!

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www.m-sense.de CME Fortbildung & Infos über die DiGA für
Fachkreise
Text Paul Howe
Dr. rer. nat. Markus Dahlem, Migräneforscher
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Newsenselab GmbH entstanden.

Weniger Schlaf, weniger Leben

Viele Menschen kennen Situationen wie diese nur allzu gut: Sie müssen noch etwas fertig bekommen, benötigen mehr Zeit für die Aufgaben im Job oder der Familie, wollen etwas “noch besser” machen oder sind von einer Serie bis spät in den Abend auf der Couch gefesselt. Wann haben Sie dafür zuletzt Abstriche beim Schlaf gemacht?

In besonderen Situationen auf ein paar Stunden Schlaf zu verzichten, ist unbedenklich. Gelegentliche Schwankungen kann unser Körper gut ausgleichen. Kritischer wird es, wenn der Verzicht auf ausreichend gesunden Schlaf zum Dauerthema wird.

Tausche Schreibtisch gegen Bett

Jedoch sind viele Menschen dazu bereit, über lange Zeiträume hinweg Abstriche beim Schlaf zu tolerieren, und ordnen die für Körper und Psyche so wichtigen Erholungsphasen bereitwillig der Karriere unter. Zweifelhafte Ideen zur “Selbstoptimierung” erweisen sich dabei jedoch häufig als Sackgassen.

Eine ebenso große Gruppe liegt nachts im Bett und kann nicht schlafen – so sehr sie es versucht. Kreisende Gedanken, kleine und große Sorgen, das Grübeln über Aufgaben in Beruf und Alltag oder auch der schnarchende Partner halten viele Menschen nachts wach. Die meisten machen dabei die Erfahrung: Je mehr sie versuchen, sich zu beruhigen, um endlich einzuschlafen, umso ferner rückt der Schlaf. Etwa jede dritte erwachsene Person in Deutschland leidet immer wieder unter Ein- oder Durchschlafproblemen.

Dauerhaft schlechter Schlaf beeinträchtigt unsere Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit erheblich. Chronische Schlafstörungen führen zu einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie

Herzinfarkt, Schlaganfall und Bluthochdruck. Auch psychische Erkrankungen sind häufige Konsequenzen.

Lösungen, die zu selten genutzt werden Noch immer gilt es als Zeichen von Stärke, zu behaupten, ohne viel Schlaf auszukommen und keine Erholung zu benötigen. Wer viel schläft, gilt schnell als faul oder schwach. Als Psychologe weiß ich, dass einige Menschen sich erst spät eingestehen, dass Schlafprobleme oder ein andauernder Verzicht auf ausreichend Schlaf langfristig zu erheblichen Problemen führen können. Dabei gibt es heute sehr gute Möglichkeiten, Schlafstörungen erfolgreich zu behandeln. Die erste Wahl bei einer Behandlung ist die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I). Obwohl diese Behandlungsform beeindruckende Erfolgsaussichten für Betroffene mit sich bringt, haben viel zu wenige Zugang zu dieser Therapieform. Leider ist es immer noch viel wahrscheinlicher, dass Betroffene auf die vermeintlich schnelle Hilfe in Form von pharmakologischen Präparaten zurückgreifen.

Aus diesen Gründen haben wir, in einem Team aus Schlafmediziner*innen und Psycholog*innen die "App auf Rezept" entwickelt. Diese setzt die Inhalte der kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) digital um und bietet als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) Hilfesuchenden einen einfachen Zugang zu hochwirksamen Behandlungsmethoden. Das Gute ist: Die App auf Rezept ist kostenfrei, wenn sie von Ärzt*innen oder Psychotherapeut*innen verschrieben wird.

Guter Schlaf ist erlernbar. Gute Nacht.

Dr. Noah Lorenz ist Psychologe. Sein Spezialgebiet: Schlaf.

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ANZEIGE Text Dr. Noah Lorenz, Psychologe

Halb leer ist gar nicht gut … Tabuthema männliche Blase

Altern birgt für viele Männer unwillkommene körperliche Veränderungen – speziell im Urogenitalsystem. Plötzlicher Harndrang, häufiges Wasserlassen in der Nacht, Schwierigkeiten beim Starten und Stoppen des Urinstrahls – alles Symptome der benignen Prostatahyperplasie, kurz BPH. Für viele Männer bedeuten diese Veränderungen eine große Einschränkung ihrer Lebensqualität und ihrer Freude am täglichen Leben.

Große Prostata, große Probleme …?

In einem Alter (> 25LJ) in dem „Mann“ noch gar nicht über die BPH nachdenkt, verändert sich die Prostata. Bei dem einen wächst die Prostata auf eine enorme Größe an, während sie sich bei anderen Männern fast gar nicht verändert; aber die einschränkenden Symptome sind die gleichen. Die Prostata muss nicht groß sein, um dem Mann den Alltag unangenehm zu beeinträchtigen – auch eine kleine Prostata kann für abgeschwächten Harnstrahl und ggf. auch für entsprechenden Restharn in der Blase verantwortlich sein. Das wissen die wenigsten Männer mittleren Alters, die ihre beginnenden Symptome meist verdrängen oder mit Medikamenten zu behandeln suchen.

Gerade für Männer in der Mitte ihres Lebens, die noch sexuell aktiv sind und dieses auch bleiben möchten, zählt in Bezug auf eine Behandlung von BPH-Symptomen die Maßgabe: je eher, desto besser. Es empfiehlt sich, dass alle Männer ab 45 Jahren regelmäßig zur urologischen Vorsorgeuntersuchung gehen. Je eher eine mögliche Beeinträchtigung des urogenitalen Systems (Blase, Prostata und Harnröhre), Restharn in der Blase oder eine gutartig vergrößerte Prostata diagnostiziert wird, desto besser sind die Chancen, dass möglichen negativen Folgen des Ignorierens mit der für ihn passenden Therapie entgegengewirkt werden kann. Diesen Männern kann mit verschiedenen Behandlungsmethoden geholfen werden – von

medikamentöser Therapie über minimal-invasive Verfahren bis hin zum klassischen chirurgischen ablativen Eingriff mittels der Elektroschlinge (TURP).

Bei Patienten mittleren Alters mit symptotischem Restharn bietet sich das minimal-invasive Verfahren des prostatischen urethralen Lifts (PuL: Urolift®) an. Klinische Studien belegen neben der hohen Patientenzufriedenheit sehr gute funktionelle Ergebnisse im Vergleich zu anderen minimal-invasiven Methoden.

Welches Verfahren erhält die sexuellen Funktionen ...?

Langzeitstudien belegen klinisch (Daten > 5 Jahre), dass der Patient nach der Behandlung mit prostatischem urethralen Lift innerhalb kürzester Zeit die dauerhafte Besserung der Symptome erfährt und weder eine durch die Therapie resultierende erektile Dysfunktion noch einen retrograden Samenerguss fürchten muss – ganz im Gegensatz zu den traditionellen invasiven Behandlungsmethoden wie z. B. die TURP, die dieses Risiko beinhalten.

Männer sollten den Zustand ihrer Blase kennen. Frühes Eingreifen schützt diese und erhält die Lebensqualität und einen beschwerdefreien Alltag – und kann ggf. eine unbefriedigende, medikamentöse Therapie ersetzen!

70 % der befragten Männer* gaben an, tagsüber weniger Energie zu haben, weil sie nachts häufig zum Wasserlassen aufstehen müssen

UroLift.com

WAS IST RESTHARN?

Als Restharn versteht man die Harnmenge, die nach spontanem Wasserlassen in der Blase verbleibt. Viele Männer bemerken die ersten Anzeichen nicht. Auch wenn der verbleibende Urin nicht spürbar ist, sollte ggf. eine Behandlung erfolgen, um ein erhöhtes Infektionsrisiko und Langzeitschäden zu verhindern. Behandelt man die Ursachen der erhöhten Restharnbildung nicht, kann er dazu führen, dass die Harnblase ihre Organfunktion (Speichern und effektive Entleerung) einbüßt, und ggf. in der Folge die Nieren beeinträchtigen, sogar dauerhaft schädigen.

PRÄVENTION FÜR MÄNNER Jeder Mann ab dem 45. Lebensjahr hat Anspruch auf eine kostenfreie urologische Vorsorgeuntersuchung pro Jahr zur Früherkennung Krebserkrankungen der Prostata und der äußeren Geschlechtsorgane. Die Früherkennung hat den Anspruch, Veränderungen so frühzeitig zu erkennen, dass diese noch reversibel sind. 25 % der Bevölkerung nehmen an, dass es eh zu spät ist, wenn sie zur Vorsorge gehen.*

*

Symptom auftrat. Harnsymptome können verschiedene Ursachen haben und müssen von einem Arzt diagnostiziert werden. Der Stichprobenumfang

Fragestellung variieren.

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©2021 NeoTract, Inc. Alle Rechte vorbehalten. MAC01942-23 Rev. A
basiert auf einer von NeoTract | Teleflex im Jahr 2021 in den USA unter ca. 1.000 Männern im Alter von 45+ Jahren durchgeführten Befragung, bei denen beim Wasserlassen mindestens ein mit
BPH bezeichnet) verbundenes
ÜBER
*Inhalt
einer Prostatavergrößerung (auch als benigne Prostatahyperplasie oder
in dieser Umfrage kann je nach qualifizierender
Text Prof.
Sievert
Prof. Karl-Dietrich Sievert Klinikum Lippe
Karl-Dietrich
Deutsches Ärzteblatt 2003; 100(9): A-530/B-454/C428
Als Gesellschaft müssten wir viel offener für Themen wie Libidoverlust , sexuelle Identitätsstörungen und Schwangerschaftsdepressionen sein, um diese zu einem alltäglichen Thema unserer Gesellschaft zu machen anstatt zu einem Tabu.

Die Sexualtherapeutinnen Helen Hagemeier und Katja Stolte im Interview.

Text Lena Nause

Liebe Helen, wie wichtig ist es für ein Individuum, psychisch wie auch physisch mit dem Thema Sexualität offen umgehen zu können?

Zuerst einmal einer meiner liebsten Sätze: „Wir sind alle heute hier wegen Sex.“ Und da dies der ausschlaggebende Faktor unseres Daseins ist, ist Sex an sich ja immer omnipräsent – denn ich als Person bin aus Sex entstanden, genauso wie Sie und alle Leser. Wir gehen häufig davon aus, dass unsere Welt normativ heterosexuell ist, dies ist aber nicht der Fall. In unserer modernen sexuellen Gesellschaft sollte es weiterhin viel bewusster um Diversität gehen, damit die Gesellschaft inklusiver aufgestellt ist. Denn nur durch eine offene und anerkennende Haltung aller Menschen können Personen vor psychisch belastenden Situationen durch Ausschluss oder Abwertung der Gesellschaft geschützt werden. Als Gesellschaft müssten wir viel offen für Themen wie Libidoverlust, sexuelle Identitätsstörungen und Schwangerschaftsdepressionen sein um diese zu einem alltäglichen Thema unserer Gesellschaft zu machen anstatt zu einem Tabu. Diese Themen betreffen uns alle und wir sollten diesen viel mehr Sichtbarkeit geben, um psychische Leiden deutlich zu verringern.

Katja, wie siehst du das?

Die psychischen Folgen von lebensverändernden Diagnosen oder medikamentösen Einflüssen – Minderwertigkeitsgefühle, Depressionen, Angst vor Partnerschaftsverlust - sind mitunter enorm und können zu Frustration und Vermeidung von Sex, im schlimmsten Fall zu Vereinsamung und Isolation oder Depression führen.

Sexualität zu pflegen – oder eben noch zu erlernen. Denn die wenigsten sind darin so souverän, da der Grundstein dafür früh in der Kindheit und im Heranwachsen gelegt wird – und da könnten wir jetzt erneut bei den Tabus anfangen.

Um die Eingangsfrage zu beantworten: Hierfür ist es sehr wichtig – und da spreche ich aus der Perspektive der Therapeutin – einen offenen Umgang mit

Helen, was fällt dir bei deiner Arbeit als Sexualtherapeutin am ehesten an deinen Klienten auf?

Hakt es an körperlicher Unsicherheit oder an der Kommunikation miteinander?

Erst mal haben wir weiterhin ein Systemproblem, denn es gibt immense Probleme, überhaupt an die Versorgung einer Sexualtherapeutin oder eines Sexualberaters zu kommen. Warum? Weil über uns zu wenig gesprochen oder an uns verwiesen wird. Meist sind Personen, die sich an mich wenden, bereits einen langen belastenden Weg gegangen. Und dadurch entsteht manchmal eine weitere psychische Belastung on Top zu dem eigentlichen Problem selbst.

Dem stimme ich absolut zu. Und bezüglich des Umgangs mit den physischen Aspekten möchte ich gern noch ein weiteres Tabu im Tabu ansprechen, nämlich Sexualität und Krankheit, sich trauen, es bei Ärzten anzusprechen. Denn obwohl es auf der einen Seite diese sexuelle Revolution gibt, existiert parallel eine große Sprachlosigkeit. Denn tatsächlich fällt das Sprechen über Sexualität den meisten Betroffenen sehr schwer und auch Therapeuten sowie Ärzten kommen ja selbst aus dieser Gesellschaft mit ihren Tabus. In der Konsequenz klammern sie Themen rund um die Sexualität in ihrer Behandlung meist aus. Dabei wäre es genau an dieser Stelle so wichtig, einen offeneren Umgang damit zu pflegen, um Patientinnen und Patienten den Leidensdruck zu nehmen und sie in ihrer Lebensqualität zu unterstützen. Denn es gibt so viele Menschen, die aufgrund von Erkrankungen Einschränkungen in ihrer Sexualität haben.

In der Sexualtherapie geht man davon aus, dass 50 Prozent der Menschen sexuelle Probleme haben. Wenn wir nun noch draufrechnen, dass Menschen mit Erkrankung oder Behinderung ein erhöhtes Risiko für eine sexuelle Störung aufgrund physischer oder psychischer Symptome haben, dann ergibt sich ein großer Bedarf. Doch kaum jemand spricht mit ihnen, da sich keiner zuständig fühlt oder den Mut aufbringt, sich der sexuellen Veränderungen und Herausforderungen, die mit einer Erkrankung oder Behinderung einhergehen können, anzunehmen. So die Erfahrung aus meinen Seminaren für Therapeuten.

Helen, kann man mit einer Bedürfnisanalyse für Klarheit sorgen?

Bei der Bedürfnisanalyse stellen wir uns erst einmal folgende Fragen: Welche Sexualität lebe ich im Jetzt? Welche Bedürfnisse werden befriedigt und welche bleiben unbefriedigt? Wo liegen meine sexuellen Bedürfnisse? Unsere Gesprächsthemen sind dann, welche Grundbedürfnisse bestehen, was Berührung oder was Intimität für sich selbst bedeutet, wie geteilte Sexualität sich erfüllend anfühlt und wie Solo-Sex umgesetzt wird. Dadurch erfahren wir mehr über die sexuelle Zufriedenheit, offene Wünsche, ausgesprochene und unausgesprochene Fantasien, aber auch über körperliche Energien, wie feminine und maskuline Energien, und schauen, wohin sich die Lust am stärksten entfaltet.

Daraufhin bauen wir einen Übungsplan auf, den die Einzelperson wie auch Paare zu Hause umsetzen können. Die Übungen sind sehr vielseitig und bei jedem Fall anders.

Die Bedürfnisanalyse ist allerdings nicht nur für die sexuelle Zufriedenheit, sondern ebenso für viele Menschen ganz generell eine Möglichkeit, das riesige Spektrum der Sexualität weiter zu erforschen. Ich arbeite auch gerne mit sexueller Hypnose und Trance, wodurch wir die Erregungsquellen und Blockaden erforschen. Denn erst wenn wir uns entspannen, können wir bewusst tiefer fühlen. Mit einer entspannten Haltung kann ich tiefer fühlen, was in meinem Körper passiert, und der Lust dadurch mehr Weite schenken.

In meiner Arbeit treffe ich vor allem auf Personen mit sexuellen Unsicherheiten bezogen auf die eigene sexuelle Identität, das Empfinden als sexuelles Wesen in dieser Gesellschaft. Wir Menschen sind so in unserem Leistungsdruck und dem Alltagsstress versunken, dass es uns an Kreativität und gelebter Sexualität fehlt. Der Körper ist immer nur am Ackern, d.h. wir sind so oft im Kopf und nicht im Körper über den Tag, dass unser System gar nicht genug fühlen kann. Wir Menschen müssen also erst mal wieder lernen zu fühlen. Und dies ist in meiner Praxis täglich Thema.

Katja, zu deinem Fachbereich gehört auch die Behandlung von psychisch-sexuellen Blockaden. Was verbirgt sich dahinter und wie können diese entstehen?

Eine sexuelle Blockade entsteht im Prinzip immer dann, wenn das Gedachte und Gefühlte nicht zum Erleben und Verhalten passt. Der Körper macht dann nicht mehr so mit, wie wir eigentlich scheinbar wollen. Denn auch das steht nicht selten zur Debatte: Habe ich überhaupt den Sex, den ich mir wünsche? Macht der Körper hier dicht oder spricht er einfach nur aus, was ich mich nicht auszudrücken traue?

Das Besondere im Fall von neurologischen Erkrankungen ist dann, dass diese per se eine Blockade auslösen können, meist erst auf körperlicher Ebene, und diese dann wiederum führen zu psychischen Blockaden.

Bei Menschen mit Behinderung herrscht leider überwiegend noch das Bild, dass diese ganz sicher keine sexuellen Bedürfnisse haben und eine Person, die krank ist, keine Lust auf Sex hat. Dabei ist kein Mensch jemals nur krank oder nur behindert. Wir werden als sexuelle Wesen geboren und verlassen die Welt als solche – nur müssen wir bei bestimmten physisch oder psychisch verändernden Erkrankungen Sexualität neu lernen.

11 Lesen Sie mehr auf www.gesunder-koerper.info
Helen Hagemeier
ganze Interview online, unter: www.gesunder-koerper.info
Katja Stolte
Das

WIR SIND DA, WO GESUNDHEIT

UNBEZAHLBAR IST.

Die German Doctors sind ehrenamtlich weltweit im Einsatz und bilden vor Ort Gesundheitskräfte aus.

DEINE SPENDE ZÄHLT.

german-doctors.de

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