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«Die Krise hat den Wert einer Mitgliedschaft verdeutlicht»
Die Wirtschaftskammer wird unter ihrem Präsidenten Martin Meyer ein verlässlicher Partner für Politik und andere Verbände bleiben. Als Interessenvertretung des Gewerbes hat die Kammer ihr Möglichstes getan, um ihre Mitglieder gut durch die Corona-Pandemie zu begleiten. Um neue Mitglieder zu gewinnen, arbeiten Martin Meyer, der Vorstand und die Geschäftsstelle aber auch bereits an neuen Dienstleistungen. Interview: Heribert Beck
Martin Meyer, Präsident der Wirtschaftskammer
Herr Meyer, Sie sind nun schon seit rund acht Monaten Präsident der Wirtschaftskammer. Wie haben Sie sich in die Position eingelebt? Martin Meyer: Ich habe mich sehr gut in meine neue Funktion als Präsident der Wirtschaftskammer eingelebt. Ich kenne die Wirtschaftskammer aus meiner aktiven Zeit als Regierungsmitglied bestens, was mir meinen Einstieg sicherlich erleichtert hat.
Trotzdem war die Einführungsphase intensiv. Ich habe in den letzten Wochen sehr viele Antrittsbesuche, unter anderem bei S.D. dem Erbprinzen, bei der Regierung, bei verschiedenen Amtsstellen und bei sonstigen Partnern der Wirtschaftskammer durchgeführt. Ausserdem bin ich Mitglied in verschiedenen Projektgruppen, und wir haben intern neue Zukunftsprojekte angestossen.
Welches sind Ihre Aufgaben als Präsident und was muss man für das Amt idealerweise mitbringen? Als Präsident leite ich das Präsidium der Wirtschaftskammer. Das Präsidium selbst wird durch den Verbandspräsidenten, den Verbandsvizepräsidenten und den Geschäftsführer gebildet. Es führt die laufenden Geschäfte und vertritt die Wirtschaftskammer nach aussen. Ich bin also oberster Repräsentant der Wirtschaftskammer und stolz darauf, dass ich weit über 900 Mitgliedsunternehmen vertreten darf.
Meines Erachtens ist es wichtig, dass man sich in dieser Funktion insbesondere für allgemeinwirtschaftliche und gewerbepolitische Themen interessiert. Letztlich geht es darum, den heimischen Werkplatz in all seinen Facetten weiterzuentwickeln. Erfahrungen in der Führung eines Unternehmens und/oder einer Organisation sind sicherlich von Vorteil. Das Wichtigste ist meines Erachtens aber die Kommunikation mit den Verbandsorganen, mit den Mitgliedsbetrieben und mit den unterschiedlichen Anspruchsgruppen der gewerblichen Wirtschaft.
Inwiefern profitieren Sie dabei von Ihrer früheren Tätigkeit als Wirtschaftsminister? Das einheimische Gewerbe profitiert stark von meinen Netzwerken und auch davon, dass ich das politische System sehr gut kenne. Ich weiss ganz genau, wo ich ansetzen muss, um in Verhandlungen erfolgreich zu sein. Ich weiss aber auch, was in der Politik realistischerweise nicht möglich ist. Es geht insgesamt darum, dass wir möglichst gute Rahmenbedingungen für unsere regionale Wirtschaft bekommen, um unsere Arbeitsplätze langfristig zu sichern.
Wie haben sich die Mitgliedsunternehmen im zweiten Corona-Jahr geschlagen? Insgesamt steht das heimische Gewerbe nach dem zweiten Corona-Jahr sehr robust da, auch wenn es von Sektion zu Sektion beziehungsweise branchenbedingt natürlich sehr starke Unterschiede gibt. Die Massnahmen der Politik zur Bekämpfung der Corona-Krise, zum Beispiel Lockdowns, Maskenpflicht, Besucherbeschränkungen oder 3G-Regeln, haben auch im Gewerbe teilweise starke Spuren hinterlassen.
Welche Hilfestellung konnte die Kammer dabei leisten? Das gesamte Team der Wirtschaftskammer hat während der beiden Corona-Jahre einen super Job gemacht. Die Krise hat verdeutlicht, wie wertvoll eine Mitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer ist. So haben wir unsere Mitglieder mit verschiedenen Massnahmen unterstützt, sei dies durch Aufbereitung und Weitergabe der neusten Informationen, durch die Abgabe von kostenlosen Schutzmasken, bei der Erstellung von Schutzkonzepten, durch Rechtsberatung oder bei der Durchführung von Betriebstests – immer mit dem Ziel, möglichst unbeschadet durch die Krise zu kommen.
Mit welchen anderen Herausforderungen haben Handel und Gewerbe in Liechtenstein derzeit zu kämpfen? Aus heutiger Sicht wissen wir noch nicht, wie sich das wirtschaftliche Umfeld entwickeln und wie lange der Staat noch finanzielle Unterstützungsmassnahmen für die gewerbliche Wirtschaft zur Verfügung stellen wird. Aktuell sehen wir uns insbesondere
Martin Meyer, Präsident der Wirtschaftskammer
auch mit internationalen Entwicklungen konfrontiert, welche massive Auswirkungen auf unser heimisches Gewerbe haben: Als direkte Folge der Corona-Pandemie steigen weltweit die Rohstoffpreise – zum Beispiel für Stahl oder Holz – an, was zu Kostensteigerungen, Lieferengpässen und Produktionsverzögerungen führen wird.
Wie sind die an die Wirtschaftskammer angeschlossenen Unternehmen generell angesichts dieser Herausforderungen für die Zukunft aufgestellt und worauf müssen sie sich einstellen? Grundsätzlich stehen die meisten unserer Mitgliedsbetriebe noch gut da, wobei es, wie ich bereits ausgeführt habe, branchenbedingt sehr starke Unterschiede gibt. Aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens befürchte ich, dass die Corona-Pandemie noch länger andauern wird. Dies führt automatisch zu betrieblichen Einschränkungen, Unsicherheiten und negativen Auswirkungen in vielerlei Hinsicht.
Welche persönlichen Ziele haben Sie sich für Ihre weitere Präsidentschaft gesetzt? Die Wirtschaftskammer wird auch unter meiner Führung ein verlässlicher und bewährter Partner sowohl für die Politik als auch für andere Wirtschaftsverbände sein. Gleichzeitig werden wir aber daran arbeiten, dass wir wieder vermehrt als Interessensvertretung, als zentrale Stimme des heimischen Gewerbes, wahrgenommen werden. Nicht zuletzt wollen wir unser Dienstleistungsangebot weiter entwickeln und neue Mitgliederbetriebe gewinnen. Wir erarbeiten hierfür unsere neue Mittelfriststrategie, die Agenda «2025», welche wir im nächsten Jahr präsentieren werden.
Info
Dr. Martin Meyer, Jahrgang 1972, ist verheiratet, Vater von vier Kindern und wohnt in Gamprin. Er promovierte an der Universität Bern in Wirtschaftswissenschaften. Nach seinem Doktorat arbeitete er in leitenden Funktionen bei verschiedenen Unternehmen, bevor er 2001 in den Staatsdienst wechselte, zunächst als Regierungsmitarbeiter, dann als interimistischer Polizeichef und schliesslich als Leiter der Stabsstelle für Wirtschaft. 2005 wurde Dr. Martin Meyer erstmals in die Regierung gewählt. Nach der Wiederwahl 2009 übernahm er als Regierungschef-Stellvertreter die Ressorts Wirtschaft, Verkehr und Bau. Heute ist Dr. Martin Meyer als CEO der ITW Unternehmensgruppe und als Mitglied in mehreren Verwaltungsräten tätig.