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Der Ball rollt wieder

Mit einem Jahr Verspätung aufgrund der Corona-Pandemie ist die Fussball-EM mit dem Spiel Türkei gegen Italien gestern gestartet. Morgen in vier Wochen wird der Europameister gekürt. Geht es nach Liechtensteins Prominenz aus Fussball und Politik, wird sich wohl Frankreich durchsetzen – wobei die Befragten sich auch über einen Überraschungseuropameister freuen würden. Text: Heribert Beck

Die sportlichen Vorzeichen der Fussball-EM 2021 sind schnell zusammengefasst: Glaubt man den Wettanbietern, sind Frankreich, England und Belgien die Topfavoriten auf den EM-Titel. Für einen Einsatz von zehn Franken gibt es bei «bwin» im Falle des richtigen Tipps beispielsweise 55, 60 oder 70 Franken zurück. Danach kommen Deutschland mit einer Quote von 8,0, Spanien und Portugal mit 9,0 sowie Italien mit 11 und die Niederlande mit 13. Nun hat England seit 55 Jahren keinen Titel mehr geholt, Belgien gilt seit Jahren traditionell als (am Ende scheiternder) Geheimfavorit, die Niederlande scheitern für gewöhnlich an ihren eigenen Ansprüchen, und Deutschland hat seine niedrige Quote wohl eher aufgrund der glorreichen Vergangenheit als wegen seiner derzeitigen Spielstärke. Demnach müssten also Frankreich, Spanien und Portugal den Titel unter sich ausmachen und Italien müsste Aussenseiterchancen besitzen. Für eine attraktive Wettquote böten sich hingegen die Schweiz und Österreich an. Für deren Sieg gibt es bei zehn Franken Einsatz 810 bzw. 1010 Franken zurück.

Von Ost nach West, von Nord nach Süd Neben dem Spektakel auf dem Rasen steht die EM 2021 aber vor allem aus zwei anderen Gründen im Zentrum des Interesses: Einerseits ist es das erste Turnier seiner Art, das nicht in einem oder zwei Ländern ausgetragen wird. Die 16. Auflage der EM findet in elf Ländern statt, darunter im asiatischen Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans. Andererseits findet das Turnier ein Jahr später statt als geplant, da das Corona-Virus eine Austragung im vergangenen Jahr, zum 60. Geburtstag der EM, unmöglich gemacht hat. Auch dieses Jahr herrscht noch keine Normalität, und die 24 Teilnehmer werden ihre 51 Partien bis zum Finale in London nicht vor den gewohnt vollen Rängen austragen. Dass die UEFA vor dem Turnier eine Garantie gefordert hat, eine gewisse Anzahl Zuschauer in die Stadien zu lassen, ist aufgrund der Entwicklung der Pandemie auf Kritik gestossen. Dublin und Bilbao, die diese Zusage nicht machen konnten oder wollten, wurden daher als Spielstätten gestrichen.

Vorläufi g kein Public Viewing Auch auf das in Liechtenstein so beliebte Public Viewing hat die Pandemie Einfluss. Gemeinsames Fussballschauen mit Freunden wird mindestens bis zum Inkrafttreten allenfalls geänderter Schutzmassnahmen lediglich in Gastronomiebetrieben oder zu Hause stattfinden. Der Spannung sollte dies aber keinen Abbruch tun.

Und selbst wenn die grosse Vorfreude auf die grossen Spiele derzeit nur bedingt aufzukommen scheint, freuen sich prominente Liechtensteiner sehr auf den Rest des gestern gestarteten Turniers.

«Ich freue mich auf emotionale Sportabende»

Was wünschen Sie sich vom Turnier? Sportministerin Dominique Hasler: Ich hoffe, dass es eine spannende Fussball-EM-Zeit gibt, auch wenn das Verfolgen dieses Sportanlasses nicht gleich wie in anderen Jahren an Grossanlässen möglich sein wird. Sport hat eine grosse soziale Bedeutung. Er bringt Menschen zusammen und lässt sie gemeinsam für eine Sache einstehen. Ich wünsche mir, dass die Fussball-EM auch im kleineren Rahmen begeistern wird und freue mich heute schon, gewisse Spiele anschauen zu können.

Was halten Sie vom Modus, in elf Städten bzw. Ländern zu spielen? Das ist ein sehr spannender Ansatz. Die Austragung der EM in verschiedenen Ländern ist beispielhaft für den integrativen Gedanken, der im Sport eine zentrale Rolle spielt. Auch wenn durch die aktuellen Pandemiezeiten die Durchführung der Fussball-EM in dieser Form sicherlich eine zusätzliche Herausforderung für die Organisatoren darstellt, finde ich die vermittelte Symbolik eine starke.

Wer ist Ihr Favorit? Mein Herz schlägt natürlich für unser Nachbarland, die Schweiz. Wir sind nicht nur durch unsere Geschichte und als gemeinsamer Wirtschaftsraum eng verbunden, sondern insbesondere auch im Sport.

Wem drücken Sie sonst noch die Daumen? Neben der Schweiz drücke ich Italien die Daumen – allein schon aus Solidarität zu meinem Schwager und meinem Neffen, die italienische Wurzeln haben. Ich freue mich jetzt schon auf emotionale Sportabende mit der Familie.

«Ich verfolge die Spiele der Schweiz und von Österreich intensiv»

«Ein Schritt zurück zur Normalität»

Was wünschen Sie sich vom Turnier? Manfred Bischof, Bürgermeister von Vaduz: Persönlich hoffe ich auf spannende Spiele, in welchen die besten Spieler Europas ihr Können zeigen und dass sich junge Spieler in den Mannschaften etablieren können. Obwohl nicht so viele Zuschauer in den Stadien sind, können sie doch ihre Mannschaften unterstützen und so friedlich zu Höchstleistungen anfeuern. Schade ist natürlich, dass ein Public Viewing, wie wir es kennen, nicht möglich ist. Denn Fussball verbindet die Menschen, was genau in dieser Zeit wichtig wäre. Die Kehrseite der Medaille ist aber wiederum die Ansteckungsgefahr und wir wollen ja nicht den sehr positiven Trend umkehren. Ich bin aber überzeugt, dass auch Fussballabende im kleineren Rahmen spannend sein können.

Was halten Sie vom Modus, in elf Städten bzw. Ländern zu spielen? Aufgrund der Neuartigkeit wird dieser Spielmodus sicherlich mit Adleraugen beobachtet werden. Da aber so viele Länder in die Organisation der EM direkt einbezogen werden, könnte somit das Interesse für den Fussballsport gestärkt werden. Erste gemeinsame Organisationen wurden ja bereits 2008 mit der EM Schweiz/Österreich oder 2012 in Polen und der Ukraine erfolgreich durchgeführt.

Wer ist Ihr Favorit und warum? Für mich ist Belgien dieses Jahr einer der grossen Favoriten. Eine Mannschaft, in der nicht ein einzelner Name über allen strahlt, sondern ein Team, das auf gleicher Ebene auf dem Feld steht.

Wem drücken Sie sonst noch die Daumen und warum? Intensiv werde ich die Spiele unserer beiden Nachbarn Schweiz und Österreich verfolgen. Denn es ist ja immer wieder möglich, dass ein junger Spieler, der beim FC Vaduz spielte, in der Zukunft im Trikot einer der Nationalmannschaften aufläuft.

Was wünschen Sie sich vom Turnier? Peter Jehle, Rekordnationalspieler und LFV-Generalsekretär: Zuerst hoffe ich, dass es allen Beteiligten gelingt, einen sicheren internationalen Grossanlass mit Zuschauern in den Stadien zu organisieren. Die EM kann wichtige Impulse liefern, damit Europas Sportlandschaft einen Schritt zurück zur Normalität gelingt und die in allen Sportarten so sehr vermissten Zuschauer den Weg zurück in die Stadien finden. Grundsätzlich wünsche ich mir ein Turnier, geprägt von fairem sportlichem Wettkampf mit tollen Fussballspielen, voll an Geschichten und Emotionen.

Was halten Sie vom Modus, in elf Städten bzw. Ländern zu spielen? Ich bin gespannt. Im Rahmen des UEFA-Jubiläums ist dies ein interessantes Konzept. Der organisatorische Mehraufwand für diese EM war jedoch enorm. Ich denke zukünftige Europameisterschaften werden aber wieder in einem Land bzw. in Co-Austragungen zweier, maximal dreier Länder stattfinden. Wer ist Ihr Favorit und warum? Die Franzosen haben ein unglaublich talentiertes Team. In der Offensive sind sie nominell von allen Teams am stärksten besetzt. Sie sind für mich der Hauptfavorit, aber natürlich gibt es drei, vier Teams, die ebenfalls das Potenzial haben, den Titel zu holen.

Wem drücken Sie sonst noch die Daumen und warum? Ich bin kein Fan eines Teams. Wir dürfen ja nicht mitspielen (schmunzelt). Manchmal verbindet mich jedoch etwas mit einem Team, zum Beispiel Frankreich, da spielen bzw. spielten mit Giroud und Koscielny zwei meiner ehemalige Teamkollegen beim FC Tours. Daher habe ich mich sehr mit ihnen über den letzten Weltmeistertitel gefreut. Seit meiner fussballerischen Zeit in Portugal freue ich mich auch sehr über Erfolge Portugals im Wissen, welche Freude die Seleção diesem Land schenken kann.

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11.-15. Oktober 2021 Widau Ruggell

Anmeldung unter www.frauenfussball.li

FRÜHBUCHER PREIS CHF 150.–bis 11. Juli 2021

«Toll wäre, wenn eine Überraschungsmannschaft für Furore sorgt»

«Der Fussball scheint nur noch Mittel zum Zweck»

Was wünschen Sie sich vom Turnier? Manfred Kaufmann, VU-Fraktionssprecher und Captain des FC Landtag: Als Juniorentrainer und Spieler der Seniorenmannschaft des FC Balzers bin ich fussballbegeistert und freue mich daher auf die EM. Vom Turnier wünsche ich mir insbesondere spannende Spiele und viele Tore. Toll wäre es, wenn keiner der üblichen Favoriten, sondern eine Überraschungsmannschaft für Furore sorgen könnte. Leider wird aufgrund der limitierten Zuschauerzahlen in den Stadien nicht die gleiche Euphorie vorherrschen, wie man dies bisher gewohnt war. Grosse Menschenansammlungen sind nun einmal coronabedingt verboten. Persönlich erhoffe ich mir auch schöne Stunden beim Spiele schauen wie bspw. in einem Biergarten und insbesondere beim Fachsimpeln in der dritten Halbzeit. was einem als «Sommermärchen» in Erinnerung ist. Teils führen solche Grossanlässe auch zu einem wirtschaftlichen Aufschwung eines Landes. Persönlich finde ich es schade, dass in der benachbarten Schweiz kein Spiel ausgetragen wird.

Wer ist Ihr Favorit und warum? Zu den Favoriten gehören für mich Italien, Frankreich und England. Aber auch Deutschland ist als Turniermannschaft nicht zu unterschätzen. Seit meinem Jungendalter schlägt mein Herz für den englischen Fussball, weshalb ich England als Favoriten sehe. Mir gefällt dessen körperbetonter und kämpferischer Fussball.

Was halten Sie vom Modus, in elf Städten bzw. Ländern zu spielen? Grundsätzlich ist es mal einen Versuch wert, etwas Neues auszuprobieren. Wahrscheinlich geht jedoch die Euphorie als Austragungsort in einem bestimmten Land verloren, welche man beispielsweise bei der WM 2006 in Deutschland deutlich spürte, Wem drücken Sie sonst die Daumen? Insbesondere unserem Nachbarland der Schweiz. Ihnen möchte ich es von Herzen gönnen, wenn sie eine gute EM spielen. Sie haben gute Spieler und es würde mich freuen, wenn sie auch die Früchte aus ihrer guten Jugendarbeit als ehemaliger U17-Weltmeister ernten.

Was wünschen Sie sich vom EM-Turnier? Freddy Kaiser, Gemeindevorsteher von Mauren: Ich freue mich auf faire und spannende Fussballspiele und werde ab den Achtelfinals das eine oder andere Match auch live am Fernseher mitverfolgen. Das Finalspiel habe ich mir im Kalender jedenfalls schon fix notiert.

Was halten Sie vom Modus, in elf Städten bzw. Ländern zu spielen? Mit 24 Teilnehmern, 51 Spielen und verschiedenen Austragungsorten geht der UEFA offensichtlich darum, so viel Gewinn wie nur möglich aus dieser EM zu schöpfen. Der Fussball selber scheint mir dabei nur noch als Mittel zum Zweck! Wer ist Ihr Favorit und warum? Frankreich besitzt seit Jahren ein starkes und ausgeglichenes Team, aber auch mit Einzelkönnern, die einen Match im Alleingang entscheiden können.

Wem drücken Sie sonst noch die Daumen und warum? Der Fussball war schon immer auch unberechenbar. Ich freue mich schon jetzt über die Überraschungsteams und heute noch unbekannten Torschützen, die auch diese EM wieder bringen wird.

«Viel Spannung und torreiche Resultate»

Viktoria Gerner, Captain des Liechtensteiner Frauen-Nationalteams Ich freue mich sehr, dass die EM gestartet werden konnte. Von den Spielen erhoffe ich mir viel Spannung und torreiche Resultate. Schön wäre es, wenn auch die vermeintlich Kleinen die Grossen etwas ärgern könnten. Die Austragung der Spiele in verschiedenen Ländern hat für mich gute wie auch schlechte Seiten. Es ist toll, dass in den Gruppenphasen mehrere Nationen Heimspiele bestreiten können. Dies bringt bestimmt noch bessere Stimmung mit sich und ist eine tolle Sache für die Zuschauer und die Mannschaften. Jedoch stehe ich den grossen Distanzen und den damit verbundenen Reisen eher kritisch gegenüber. Einen persönlichen Favoriten habe ich nicht. Ich denke, es ist mit den üblichen Turnierfavoriten Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien zu rechnen. Sie haben eine grosse Auswahl an Weltklasse-Fussballern und können sich an Turnieren immer noch ein bisschen steigern. Ich drücke meine Daumen England. Sie haben eine tolle Mannschaft und ich fände es schön, wenn sie den Titel auf die Insel holen könnten, aber auch für die Mannschaften, die eher als Aussenseiter am Turnier teilnehmen, werde ich sie drücken. Ich hoffe, dass es die eine oder andere Überraschung geben wird. Es muss schliesslich immer zuerst gespielt werden.

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