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Fragen an

1Soll das Mandat eines stellvertretenden Landtagsabgeordneten an die Mitgliedschaft in einer Partei gebunden sein? Welche Ansicht vertreten Sie in dieser Sache?

2Was ist Ihr Vorschlag, um Diskussionen zu dieser und ähnlich gelagerten Fragen in Zukunft zu vermeiden?

Rainer Gopp, FBP

Es gab in den letzten Jahren mehrere Fälle, die uns vor die Frage stellten, ob ein Mandat einer Partei zuzuordnen ist oder doch jedem Abgeordneten direkt. Wir hatten in der letzten Legislaturperiode gar die paradoxe Situation, dass es einen stellvertretenden Abgeordneten der DU gab, der durch die Aufsplitterung in DU und DPL keinen ordentlichen Abgeordneten mehr hätte vertreten können. Dies weil die DU im Landtag durch keinen Unterländer Abgeordneten mehr vertreten war. Er blieb dennoch im Amt und bekam auch weiterhin das Honorar. Ein Abgeordneter der FBP verliess die Partei und blieb im Parlament, einige Jahre zuvor war dies bei der VU ebenfalls der Fall. Nun haben wir die Situation, dass eine stellvertretende Abgeordnete aus der Freien Liste ausgetreten ist. Wen soll sie nun im Landtag vertreten können? Etwa immer noch einen Abgeordneten der Freien Liste, obwohl sie dort gar nicht mehr Mitglied ist? Dies scheint ebenso paradox.

Hier handelt es sich um drei unterschiedlich gelagerte Fälle. Es braucht also eine Regelung, wie wir dies künftig handhaben wollen. Ich bin klar der Meinung, dass das Mandat fix einer Partei zugeordnet werden soll. Tritt ein ordentlicher oder stellvertretender Abgeordneter aus der Partei aus, verliert er oder sie das Mandat und die nächsten auf der Wählerliste rutschen nach. Dies nicht zuletzt auch darum, weil ein Landtagskandidat jeweils von einer Partei respektive Wählergruppe portiert bzw. auf eine Landtagsliste gesetzt werden muss.

Thomas Zwiefelhofer, VU

Weder die Verfassung noch unsere Gesetze können alle denkbaren Fälle voraussehen. Durch die neue Vielschichtigkeit der politischen Landschaft Liechtensteins seit rund zehn Jahren tauchen auch bei staatsrechtlichen Fragen vermehrt Rechtslücken auf. Wichtig in solchen Situationen ist eine klare und fundierte Kommunikation, um Missverständnisse zu vermeiden. Nach der Klärung des konkreten Falls sollte jeweils das Gesetz oder die Verfassung entsprechend angepasst werden, damit künftig Klarheit herrscht. So sollte man nun Rechtsanpassungen anstreben, die unter anderem den Begriff Wählergruppe durch den heute üblichen Begriff Partei ersetzen.

Meines Erachtens wäre es richtig, wenn das Mandat eines stellvertretenden Abgeordneten im Landtag an seine Partei gebunden ist. Es scheint unlogisch, dass eine Partei und deren Fraktion durch einen nachträglichen Parteiaustritt eines Stellvertreters nicht mehr über eine Stellvertretungsmöglichkeit für die gewählten Fraktionsmitglieder verfügt. Diesbezüglich unterscheidet sich das Mandat des Stellvertreters auch von jenem eines gewählten Abgeordneten. Die Betonung liegt für mich auf dem Wort Stellvertretung und nicht auf dem Wort Abgeordneter. Wenn also ein stellvertretender Abgeordneter aus seiner Partei und damit auch aus der Fraktion austritt, dann sollte es klar sein, dass der nächste nicht gewählte Kandidat, der nicht aus der Partei ausgetreten ist, die Rolle eines stellvertretenden Abgeordneten für die betreffende Partei übernehmen darf.

Ich denke auch nicht, dass es gegen den Verlust des Mandats eines stellvertretenden Abgeordneten ein Rechtsmittel geben kann, wenn der Parteiaustritt aus eigenem Entschluss erfolgt. Bei einem Parteiausschluss hingegen müsste die betroffene Person sich gegen den Parteiausschluss selbst wehren, wogegen es sehr wohl Rechtsmittel gibt.

Patrick Risch, FL

Hierzu möchte ich derzeit keine Stellung nehmen, da die ganze Angelegenheit noch nicht abgeschlossen ist.

Die gesetzlichen Regelungen der Stellvertreter im Landtag wurden dazumal bei der Einführung der Stellvertreter nur rudimentär vorgenommen. Es ist dringend notwendig, dass die Geschäftsordnung des Landtages und allenfalls die Landesverfassung angepasst werden und klare, explizite Regelungen enthalten.

Pio Schurti, DU

In unserem System gibt es stv. Abgeordnete, diese können einspringen, wenn Abgeordnete verhindert sind. Weltweit gesehen ist das sehr ungewöhnlich, aber bei uns werden auch stv. Abgeordnete gewählt.

Gewählt werden aber nicht Parteimitglieder, sondern Kandidaten, die sich auf eine Wahlliste setzen lassen. Nadine Gstöhl wurde als Person gewählt. Sie hat lediglich die Partei, auf deren Wahlliste sie kandidierte, verlassen.

In meinen Augen ist es ihre Entscheidung, ob sie auch ihr stv. Mandat abgibt, nachdem sie aus der Partei ausgetreten ist.

In unserer Verfassung kommt das Wort «Partei» nur im Zusammenhang mit rechtlichen Streitigkeiten vor. Im Zusammenhang mit dem Wahlrecht ist in der Verfassung nur von «Wählergruppen» die Rede. Im Volksrechtegesetz, in welchem ja das Wahlrecht detaillierter ausformuliert ist, wird das Wort «Partei» nur in Art. 40 verwendet, worin festgelegt ist, dass «für leicht unterscheidbare Bezeichnungen der Wahlvorschläge Sorge zu tragen (ist), wobei Parteibezeichnungen bereits bestehender Parteien für neue Wählergruppen nicht verwendet werden dürfen». Dies macht doch deutlich, dass nur die Wahlvorschläge, also die zur Wahl vorgeschlagenen Kandidaten, wichtig sind. Die Partei, auf deren Wahlliste sich ein Kandidat oder eine Kandidatin setzen lässt, hat kaum Bedeutung.

Das Wort «Partei» hat erst 1984 mit dem Gesetz über die Ausrichtung von Beiträgen an die politischen Parteien Bedeutung erlangt. Nach diesem Gesetz werden den politischen Parteien für Zwecke der politischen Bildung, der Öffentlichkeitsarbeit und der Mitwirkung an der politischen Willensbildung finanzielle Beiträge ausgerichtet.

Abgeordnete, auch stellvertretende, die ihre Partei verlassen, zeigen ihre persönliche politische Willensbildung auf ihre Art. Dafür verdienen sie Respekt, aber keine Diskussionen, ob sie ihr Mandat behalten dürfen.

Thomas Rehak, DPL

Nein, ein Parteizugehörigkeitszwang ist weder bei einem ordentlichen noch bei einem stellvertretenden Abgeordneten Bedingung für die Ausübung seines Amtes. Nicht die Parteien, sondern die Wählergruppen sind im Landtag vertreten. Parteien haben gemäss Verfassung keine Funktion für den Einzug in den Landtag. Eine Partei ist eine mögliche Organisationsform der Wählergruppe, sie kann eine Beratungsfunktion haben, aber auf keinen Fall eine Weisungsfunktion. Auch deshalb lässt sich für den Landtag nach meiner Auffassung kein Partei-Dazugehörigkeitszwang ableiten. Das Landtagspräsidiums hat die stv. Abgeordnete der FL an der Ausübung ihrer Pflicht behindert, was nach meiner Ansicht der Verfassung widerspricht. Auch die Art und Weise, wie dieser Entscheid zustande gekommen ist und wie er kommuniziert wurde, ist fraglich und sehr wahrscheinlich auch verfassungswidrig. Weder das Präsidium noch der Landtag können nachträglich über den Ausgang einer Volkswahl befinden. Einzig das Volk kann den Landtag gemäss Art. 48 Abs. 3 als Ganzes auflösen, über den Verbleib einzelner Mitglieder kann der Landtag keine Beschlüsse fassen. Auch die Wählergruppen haben seit 1997 kein Abberufungsrecht von Abgeordneten mehr.

Schon in der vergangenen Legislatur waren Bestrebungen zur Stärkung der Parteien und damit zur Schwächung der einzelnen Abgeordneten im Gange. Diese Bestrebungen stehen klar im Widerspruch zum freien Mandat und sind daher klar abzulehnen.

Würde man sich am freien Mandat und an der Praxis der vergangenen Jahre orientieren, bestünde kein Handlungsbedarf. Handlungsbedarf entsteht nur dann, wenn das Präsidium - wie im vorliegenden Fall - von der gelebten Praxis abweicht. Dieser Schnellschuss des Präsidiums löst keine Probleme, sondern verursacht viele neue und dies ohne den geringsten Nutzen für den Staat Liechtenstein.

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