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Fragen an …
Ist das Alter von 14 Jahren als Strafunmündigkeit noch zeitgemäss?
Der Mord an einem 12-jährigen Mädchen in Deutschland durch Mädchen im Alter von 12 und 13 Jahren hat die Gesellschaft aufgeschreckt. Wie in Deutschland ist man bis zur Altersgrenze von 14 Jahren auch in Liechtenstein strafunmündig.
Die Statistik sagt, dass wir in Liechtenstein jährlich im Durchschnitt ebenfalls rund sieben strafunmündige Jugendstraftäter unter 14 Jahren haben, die straffrei ausgehen. Meist sind es kleinere Delikte wie Sachbeschädigung, Körperverletzung bis hin zu Einbruchdiebstählen. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass Kinder unter 14 Jahren nicht einschätzen können, wenn sie etwas Unrechtes tun.
Was ist Ihre persönliche Meinung dazu?
Soll man das Alter der Strafmündigkeit senken und, falls ja, auf wie viele Jahre?
Das liechtensteinische Straf(-prozess) recht orientiert sich grösstenteils an Österreich. Dort gilt mit 14 Jahren dasselbe Strafmündigkeitsalter wie in Liechtenstein. In der Schweiz hingegen beträgt das Strafmündigkeitsalter 10 Jahre.
Vor dem Hintergund eines tragischen Mordes an einem Mädchen durch 12bzw. 13-jährigen Mädchen erstaunt die Forderung nach einer Diskussion zur Senkung des Strafmündigkeitsalters nicht. Diese Diskussion kann und darf sich jedoch nicht nur auf die rechtliche Komponente im Zusammenhang mit der Reduktion des Strafmündigkeitsalters beziehen, sondern muss daneben auch Aspekte der Psychologie, Psychiatrie und Verhaltensforschung mitumfassen. Erst am Ende einer ausführlichen Diskussion all dieser Aspekte kann eine Antwort auf die rechtspolitische Frage gegeben werden, ob und auf welches Alter das Strafmündigkeitsalter reduziert werden soll.
Es mag sein, dass die Kinder von heute schon früher erwachsener erscheinen und von Erwachsenen oder Gleichaltrigen früher in die Erwachsenenwelt gedrängt werden, doch bedeutet dies nicht, dass sie wegen ihrer Entwicklung und Gefühlswelt tatsächlich schon früher erwachsen sind.
Will man das Strafmündigkeitsalter reduzieren, müssen alle damit zusammenhägnenden Fragen beantwortet werden. Tut man dies nicht, so unterlässt man die nötige Sorgfalt. So einfach wie die Frage auf den ersten Blick scheint, ist sie nicht und noch weniger die Antwort darauf.
Strafrechtlich relevante Handlungen von Kindern werden oft nicht angezeigt, da viele sich über die Straflosigkeit im Klaren sind. Diese sieben Fälle sind eindeutig zu viel. Bei jeder dieser Straftaten gibt es Opfer, die dann mit dem Urteil leben müssen. Bereits vor zwei Wochen habe ich dieses Thema im Vaterland aufgegriffen. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters von der Gesellschaft und der Politik gefordert sein muss. Es soll nicht darum gehen, Kinder ins Gefängnis zu stecken, sondern darum, die Möglichkeiten von Richtern zu nutzen – Auflagen erteilen, ermahnen und verwarnen. Die Bestrafung soll nicht im Vordergrund stehen, sondern die erzieherischen Massnahmen. Es geht darum, bei den Täterinnen und Tätern ein Umdenken zu erwirken. Ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt auf, dass in den Niederlanden die Altersgrenze bei 12 Jahren liegt. Auch Ungarn änderte das Alter der Strafmündigkeit 2013 von 14 auf 12, und in Irland liegt die Altersgrenze bei 12, bei schweren Taten gibt es dort eine Ausnahme für Kinder im Alter von 10 oder 11. Solch ein Systemwechsel würde sich in Liechtenstein durchaus bewähren. Wir leben in einer schnelllebigen Zeit mit drastischen Veränderungen (Soziale Medien). Die Gesetze bzw. die Strafbestimmungen sind zum Teil veraltet und nicht mehr zeitgemäss. Wenn man bedenkt, dass das Jugendgerichtsgesetz aus Österreich, das wir in Liechtenstein übernommen haben, aus dem Jahr 1928 stammt. Fazit: Die Opfer von Straftaten Fragen nicht nach dem Alter des Täters, sondern fordern zum Schutz ihrer individuellen Sicherheit mit Recht das ein, was der Staat seinen Bürgern schuldet, nämlich Schutz vor Verbrechen! Auf diese alarmierende Entwicklung hin ist die Politik gefordert, schnell und entschlossen zu handeln.
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Verständlicherweise ist es schockierend, wenn Jugendliche oder Kinder schwerste Straftaten oder Verbrechen, wie diesen schrecklichen Mord in Deutschland, verüben. Es macht Angst und verunsichert. Wir fragen uns: Wie konnte es so weit kommen, hätte man diese alles zerstörende Tat verhindern können und, wenn ja, wie? Und wie geht man nun mit diesen Täterinnen um, die man aufgrund ihres jungen Alters nicht strafrechtlich belangen kann? Zum Glück sind solch schwere Verbrechen bei so jungen Menschen Einzelfälle. Auch wenn jeder dieser furchtbaren Fälle einer zu viel ist – es sind Einzelfälle. Nun als Reaktion auf diese Tat die Senkung des Strafmündigkeitsalters anzustreben, scheint mir aktionistisch und wird der Komplexität des Themas nicht gerecht. Diskutieren müssen wir zuerst, ob wir hierzulande tatsächlich ein Problem mit straffälligen Jugendlichen unter 14 Jahren haben. Ab wie vielen Personen in welchem Alter und bei welchen Straftaten sprechen wir von einer kritischen Grösse? Welche Sanktionsmöglichkeiten stehen auch ausserhalb des Strafrechts zur Verfügung? Oft gibt es komplexe Gründe für deviantes Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Risikofaktoren sind familiäre Probleme, Gewalt und andere traumatische Erfahrungen, soziale Ausgrenzung, psychische Erkrankungen und weiteres mehr. Als Gesellschaft haben wir die Aufgabe, auf Prävention, Intervention und Unterstützung zu setzen, um die Ursachen anzugehen und nicht auf kurzfristige «Lösungen» zu setzen, wie die Senkung des Mündigkeitsalters, um vermeintlich die Sicherheit zu erhöhen.
Zwei Fragen, bevor man über eine Änderung des Strafrechts nachdenkt: 1. Warum kommt es zu Straftaten? Kein Jugendlicher ist per se ein Straftäter. 2. Was bringt ihn dazu? Welche Voraussetzungen muss die Gesellschaft erbringen, damit destruktive Verhaltensformen nicht entstehen? Es gibt viele Studien, die ein «Fehlverhalten» beleuchten. Stress, Überforderung, Ablehnung von Konsum, soziale Ungerechtigkeit. Tatsächlich sind die Ursachen für steigende Aggression in der Wohlstandsgesellschaft selbst zu suchen, in der Verwöhnung, in Unterforderung. Dazu gehören auch die vielen Möglichkeiten des Konsums nicht jugendfreier Medien. «Langfristig gesehen ist es gegen die Natur, sich Lust ohne Leistung zu verschaffen», sagt der Verhaltensbiologe. Der Mensch ist auf den Einsatz seiner «Fähigkeiten» programmiert. Das Gegenstück dazu ist Lust ohne Anstrengung. Es führt zu einer aggressiven Langeweile, die sich in destruktiver Form ausdrücken kann. Auch das gibt einen «Reiz», der immer wieder und in steigendem Potenzial aufgesucht wird. Was kann zu einer frühen Verbitterungsstörung führen? Was passiert in einem Menschen, wenn er bereits in frühen Jahren seine Grundbedürfnisse verzögert oder gar ganz vorenthalten bekommt, wenn er laufend mit gesellschaftlichen Ängsten konfrontiert wird? Wie beeinflusst das später seine Ängste, Zwänge, Hilflosigkeit, und wie wirkt sich das durch eine mögliche Selbstüberhöhung auf sein Umfeld aus? Antriebslosigkeit und niedergedrückte Stimmung ist die andere Seite ein und derselben Medaille. Schulen und Jugendvereine können eine wertvolle Aufgabe übernehmen.
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Dass die Strafmündigkeit erst mit 14 Jahren einsetzt, ist angemessen und immer noch zeitgemäss. Das Gesetz zu ändern und die Strafmündigkeit z. B. auf 12 oder gar 10 Jahre hinunterzusetzen, wird Kinder nicht abschrecken.
Kinder sind nicht strafmündig. Das bedeutet, dass die Erziehungsberechtigten Verantwortung übernehmen müssen, wenn die Kinder etwas «bosgen».
Um solch schlimme Delikte wie einen Mord an einem Kind, begangen von einem anderen Kind, zu verhindern, nützt es nichts, die Strafmündigkeit zu senken. Die Prävention solcher Gewaltbereitschaft unter Kindern ist ebenfalls Aufgabe der Erziehungsberechtigten. Die Eltern und die erweiterte Familie müssten z. B. beobachten, wo denn die Kinder «lernen»? Das heisst: Der Medienkonsum der Kinder muss kontrolliert werden. Kinder sollten angehalten werden, in Vereinen z. B. Sport oder Musik zu machen. In Vereinen lernt man Sozialverhalten.
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Gastkommentar