Nach seinem Amtsantritt hatte Prasident Carter den Verbiindeten Amerikas klargemacht, vieles von dem, was sie in loyaler Zusammenarbeit mit der voraufgegangenen Ford-Administration in der internationalen Politik unterstiitzt hatten, sei leider falsch gewesen; er wiirde jetzt auf vielen Feldern eine vollig neue Politik einschlagen und erwarte unsere Kooperation. Als ihm vier Jahre spater Prasident Reagan im Amt folgte, wiederholte sich dieses Drama, wenn auch mit umgekehrtem Vorzeichen. 1m Sinne herkommlicher europaischer Begriffe hatte man die internationale Politik der Ara Nixon -Ford -Kissinger eine Politik der Mitte nennen konnen; Carter leitete eine Wende urn 90 Grad nach links ein und Reagan anschlieBend eine solche urn 180 Grad nach rechts. Die Ursachen beider Kurswechsel waren vielfaltiger Natur, aber sie waren fast ausschlieBlich in der amerikanischen lnnenpolitik begriindet, in deren Strukturen und Strukturumbriichen, im Machtkampf der Parteien, in Stimmungen und Stromungen der bffentlichkeit wie auch innerhalb der politischen Klasse. Natiirlich spielten die Denkgewohnheiten und die Vorurteile der beiden neuen Prasidenten eine wichtige Rolle, die beide mit geringer internationaler Erfahrung nach Washington gekommen waren. Beide brachten sie ihre eigenen Leute mit ins WeiBe Haus (darunter einige wenige Frauen), die ihnen in ihrer Zeit als Gouverneur und dann bei ihrem jahrelangen Wahlkampf zur Seite gestanden hatten. Diese Helfer und Berater waren innen- und parteipolitisch durchaus erfahren; in auBenpolitischen Fragen hatten die meisten jedoch keinerlei Kenntnisse. Das galt zum Beispiel fiir Hamilton Jordan oder Jody Powell in Carters Mannschaft genauso wie fur Edward Meese oder »Judge« William Clark zu Zeiten Reagans. Auch friihere Pri:tsidenten hatten ihre personlichen Vertrauten in das WeiBe Haus mitgebracht und ihnen hochst einfluBreiche Posten iibertragen. Aber bis in die erste Halfte der siebziger Jahre hatten im Bereich der internationalen Politik immer zwei Gruppen welterfahrener Kopfe ein ausreichendes Gegengewicht gebildet. ZUll einen sorgte eine groBere Zahl von exzellenten Berufsdiplo-
maten und Berufsoffizieren in hohen Stellungen fUr Kontinuitat; zum anderen gab es ein groBes Reservoir von urteilsfahigen, auBenpolitisch engagierten Privatpersonen, die schon friiheren Administrationen gedient hatten. Dieses Reservoir, friiher haufig das »Establishment« genannt, hatte sein Forum und zugleich sein Zentrum im Council on Foreign Relations in New York. Seine Mitglieder waren Rechtsanwalte, Bankiers, auch einige lndustrielle und Professoren. Der Council gab (und gibt immer noch) durch Hamilton Fish Armstrong und spater durch William Bundy die ausgezeichnete Zeitschrift »Foreign Affairs« heraus, die wesentlich zum Forumcharakter des Council beitragt. Der Council on Foreign Relations zag mit Erfolg sorgsam ausgewahlte jiingere Leute in seine Diskussionen und bereitete sie zunachst auf bescheidene Aufgaben vor; im weiteren Verlauf ihrer Karriere iibernahmen sie oft Spitzenaufgaben im State Department, im Pentagon, im WeiBen Haus oder an anderen Schaltstellen der internationalen Politik - von der Handels- bis zur Abriistungspolitik. Zumeist handelte es sich urn Manner, die den lobenswerten Drang verspiirten, einige Jahre ihres Lebens dem Offentlichen Dienst zu widmen, und die sich dies finanziellleisten konnten. In der Zwischenzeit gingen sie ihren Berufen nach, hielten sich iiber alle Entwicklungen auf dem neuesten Stand und waren fast immer bereit, ihrer jeweiligen Regierung oder ihrem jeweiligen Prasidenten auch ehrenamtlich zu dienen, sei es als private Ratgeber, sei es als Mitglieder von Kommissionen, wie die amerikanischen Regierungen sie von Zeit zu Zeit bilden. John McCloy war nach dem Zweiten Weltkrieg fiir lange Zeit Chairman dieses Kreises und gewissermaBen sein Prototyp; spater spielten David Rockefeller und Cyrus Vance im Council eine bedeutende Rolle. Dieses Establishment hat eine groBe Zahl ausgezeichneter Leute hervorgebracht, die ihrem Lande - aber auch der Welt - zum Teil unschatzbare Dienste geleistet haben. Sie waren in der Mehrheit Republikaner, aber es gab auch viele Demokraten darunter; entscheidend war: es muBten »linke« Republikaner oder »rechte« Demokraten sein, auf jeden Fall aber international verantwortlich