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Susanne Hartmann

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Schlusspunkt

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Motorfahrzeugsteuer weckt Begehrlichkeiten

Der Kanton St.Gallen bekommt eine neue Strassenfinanzierung. Diese soll 2024 dem Kantonsrat unterbreitet werden. Mit der Motorfahrzeugsteuer werden eigentlich Bau, Betrieb und Unterhalt der Strassen finanziert. Eigentlich: Die St.Galler Bauchefin Susanne Hartmann erklärt, wieso mit der Motorfahrzeugssteuer auf einmal auch Lärm-, Natur -und Landschaftsschutz sowie Velo- und öffentlicher Verkehr mitfinanziert werden sollen.

Susanne Hartmann, fünf politische Vorstösse aus dem Kantonsrat fordern, die Kriterien für die Besteuerung von Motorfahrzeugen zu überprüfen und klimafreundlichere Fahrzeuge geringer zu besteuern. Was würde das konkret bedeuten, wenn die Motorfahrzeuge künftig nicht mehr auf Basis des Gewichts, sondern auf der des Hubraums und/ oder CO2-Emissionen besteuert würden?

Eine Besteuerung des Hubraums oder der CO2-Emmissionen hätte letztlich zum Ziel, die Anzahl Fahrzeuge mit weniger CO2-Ausstoss zu steigern. Der Umgang mit Elektrofahrzeugen wäre damit aber nicht geklärt, da diese weder einen Hubraum kennen noch CO2 ausstossen. Ein weiterer Effekt wäre, dass Dieselfahrzeuge wegen ihrer hohen Leistungsdichte des Treibstoffs und dem damit verbundenen geringeren CO2 Ausstoss bei gleicher Leistung steuerlich bessergestellt würden. An diesem einfachen Besteuerungsbeispiel sehen Sie, wie komplex die Thematik ist.

Will der Kanton den Umstieg von konventionellen Fahrzeugen auf E-Fahrzeuge beschleunigen?

Die Regierung will die Elektromobilität fördern. Sie hat dafür bereits Massnahmen beschlossen, die vor allem auf den Ausbau der Ladeinfrastrukturen zielen. Fünf politische Vorstösse fordern nun konkret, klimafreundlichere Fahrzeuge steuerlich zu begünstigen. Die Regierung will die Anliegen dieser Vorstösse mit der Überprüfung der Strassenfinanzierung berücksichtigen.

Die Regierung will zudem prüfen, ob die Gelder aus der Motorfahrzeugsteuer künftig auch für den Lärm-Natur- und Landschaftsschutz sowie den Velo- oder öffentlichen Verkehr verwendet werden soll. Werden hier nicht Gelder zweckentfremdet?

Der Fuss- und Veloverkehr sowie der öffentliche Verkehr werden schon heute durch Strassengelder – zumindest teilweise – finanziert. Steigen mehr Menschen auf den Fuss- und Veloverkehr oder den öffentlichen Verkehr um, wird Platz auf den Strassen freigespielt. Dies wiederum reduziert den Ausbaubedarf der Strassen und führt zu tieferen Kosten. Inwiefern die Steuererträge aus der Motorfahrzeugsteuer für externe Kosten im Bereich Natur- und Landschaftsschutz eingesetzt werden können, ist politisch zu diskutieren. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass bereits heute der Lärmschutz an Strassen aus der Motorfahrzeugsteuer finanziert wird.

«Die Steuererträge müssen weiterhin unsere Strasseninfrastruktur finanzieren.»

Und wie sieht die rechtliche Situation aus?

Die Regierung wird eine Botschaft ausarbeiten und diese dem Kantonsrat in 2024 unterbreiten. Der Beschluss des Kantonrates untersteht dem fakultativen Referendum. Eine Volksabstimmung ist also nicht zwingend, aber möglich.

Widerstand gegen dieses Ansinnen dürfte vorprogrammiert sein. Wie wollen Sie diese Umlagerung insbesondere den bürgerlichen Parteien schmackhaft machen?

Das Vorhaben kann nur dann erfolgreich sein, wenn der Prozess transparent ist und die Inhalte verständlich dargelegt werden. Ausserdem werden sich die Anspruchsgruppen an der Ausarbeitung beteiligen können. In die Überarbei-

Susanne Hartmann:

Sachliche Diskussion.

tung sollen sowohl sachliche Argumente wie auch politische Haltungen einfliessen.

Was ist Ihr grösstes Anliegen bei der neuen Strassenfinanzierung?

Die Steuererträge müssen weiterhin unsere Strasseninfrastruktur finanzieren. Auch das bisherige Verursacherprinzip soll im Grundsatz beibehalten werden. Ich lege ausserdem grossen Wert auf eine sachliche Diskussion. Dazu gehört, dass wir die verschiedenen Verkehrsmittel nicht gegeneinander ausspielen.

«Ich kann mir vorstellen, dass verschiedene Faktoren künftig die Fahrzeugsteuer bestimmen.»

Wo steht der Kanton St.Gallen hier im Vergleich mit anderen Kantonen – gibt es Finanzierungsmodelle, an denen sich die Regierung orientiert?

Bei der Überprüfung der Strassenfinanzierung werden wir auch die Besteuerungen der anderen Kantone genauer betrachten. Alle diese Modelle bringen Vor- und Nachteile mit. Sie werden den politischen Interessen mehr oder weniger gerecht. Ein rundum befriedigendes Besteuerungsmodell sticht nicht heraus. Hinter den bestehenden Modellen stehen jedoch Überlegungen, die für uns wertvoll sind.

Und welches Modell halten Sie persönlich für am zukunftsträchtigsten?

Ich kann mir vorstellen, dass verschiedene Faktoren künftig die Fahrzeugsteuer bestimmen. So bilden wir die unterschiedlichen politischen Interessen ab.

Text: Tanja Millius Bilder: Marlies Thurnheer

Welches Grossrisiko kommt als Nächstes?

Derzeit vergeht kein Tag ohne ausführliche Berichterstattung über alle Aspekte der Corona-Pandemie. Die Zeitungen sind voll mit Berichten. Jede Minute wächst der staatliche Schuldenberg um 100000 Franken, pro Tag um 150 Millionen Franken. Gesellschaft und Staat geraten an den Rand ihrer finanziellen Möglichkeiten. Das Virus fordert Staat, Gesellschaft, Junge und Alte in hohem Masse.

Wer aber spricht in dieser Zeit von Rückstellungen, Reserven und Vorbereitungen für weitere Grossrisiken? Die Bevölkerung hat vor lauter Wohlstand und überbordendem Selbstverständlichkeitsdenken vergessen, dass Strommangellagen, Konflikte unterhalb der Kriegsschwelle (etwa Cyberangriffe, Sabotageakte auf kritische Infrastrukturen wie Versorgungszentren oder Energieversorgungssysteme), ein längerer Ausfall der Mobilfunknetze oder sogar militärische Spannungen sehr realistisch sind und zu weiteren hohen Belastungen von Gesellschaft und Staat führen können.

Bedrohungen, Gefahren und Risiken sind nicht abstrakt. Sie können plötzlich real werden. Eine gestörte Energieversorgung kann zu hohen gesellschaftlichen Schäden, zu Plünderungen und letztlich zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen. Wesentliche Teile der Wirtschaft, unser Sozialsystem und unsere Gesellschaft können ganz oder teilweise zusammenbrechen.

Wir müssen zur Bewältigung weiterer Risiken jederzeit bereit sein, Vorkehrungen treffen und Reserven schaffen. Wir alle müssen uns nicht nur mit Impfplänen, sondern auch mit diesen schwierigen Herausforderungen beschäftigen. Es sind rasch die Voraussetzungen für eine moderne Sicherheitspolitik zu schaffen. Dazu gehören geübte Führungsorganisationen, eine glaubwürdige Armee mit allen Eingreif- und Unterstützungsmöglichkeiten, finanzielle Reserven, aber auch die Förderung der Selbstsorge und Eigenverantwortung. Der Staat kann nicht alles leisten.

Das sind die wirklichen Lehren aus Corona.

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