Die Tausend Blumen Wiese - Eine kleine Geschichte von der Freundschaft

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Melanie Laibl | Teresa Mraz

Die Tausend-Blumen-Wiese

Eine kleine Geschichte von der Freundschaft

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Idee und Text: Melanie Laibl Illustration: Teresa Mraz Druck und Bindung: Pressel Direct Mail Services GmbH. Pressel Publishing Services Gonzagagasse 12 1010 Wien www.pressel-publishing.eu 1. Auflage Stand: September 2007 Š 2007 by Pressel Publishing Services, Wien Gedruckt in Deutschland ISBN: 978-3-902326-07-2


Die Tausend-Blumen-Wiese Eine kleine Geschichte von der Freundschaft

Text: Melanie Laibl Illustration:Teresa Mraz


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Eines Morgens wacht Stoffel auf, weil ihn die Sonne in der Nase kitzelt. „Hatschi!“ niest er. „Ausgerechnet jetzt, wo ich gerade so schön geträumt habe. Da war eine Wiese … mit tausend bunten Blumen … und ich mittendrin!“ Fest kneift er die Augen zusammen, um seinen Traum zurückzuholen. Ihr müsst wissen, dass Stoffel etwas ganz Besonderes ist. Zum Beispiel, weil er Blumen über alles liebt. Auch wenn er von ihrem Duft immer ganz kräftig niesen muss. Es reicht schon, wenn er nur daran denkt. „Hatschi!“ Schläfrig sucht er unter dem Kopfpolster nach seinem Lieblingstaschentuch. Aber halt – was ist denn das? 5


„Sieht aus wie eine Landkarte“, wundert sich Stoffel über das vergilbte Stück Papier mit den seltsamen Zeichnungen und der krakeligen Schrift. „Das ist der Weg zur Tausend-Blumen-Wiese, der Wiese aus meinem Traum!“ Mit einem Satz springt er aus dem Bett. „Löwenzahn, Hahnenfuß, Gänseblümchen – ich komme!“

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Aufgeregt schüttelt er seinen Bruder, der noch tief und fest schläft. „Benno, Benno, schnell, wach auf! Heute ist ein guter Tag für ein Abenteuer! Wir holen nur noch meine Freunde ab – und dann suchen wir die Tausend-Blumen-Wiese!“ „Das kann ja was werden. Du und deine komischen Freunde auf der Suche nach einer komischen Wiese. 8


Da bleib ich lieber im Bett“, murrt Benno und zieht sich die Decke über den Kopf. „Komisch? Ich weiß nicht, was an meinen Freunden komisch sein soll“, zuckt Stoffel mit den Achseln. „Und außerdem: Ein richtiges Abenteuer muss man gemeinsam bestehen!“ Damit schnappt er sich die Landkarte und sein Lieblingstaschentuch und läuft schnurstracks zu Nini, Frederik und Lola. 9


Nini ist gerade damit besch채ftigt, sich rosarote Schleifchen ins Haar zu binden. Jeden Tag bindet sich Nini neue Schleifchen ins Haar und macht sie am Abend wieder auf. Tausend Schleifchen jeden Tag. 10


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„Wer kommt mit zur Tausend-Blumen-Wiese?“ fragt Stoffel geheimnisvoll. „Ähem“, tönt es plötzlich aus luftiger Höhe. „Ich bin dabei!“ 11


Das R채uspern kommt von Frederik, der mit seinem Fernrohr zu ihnen herunterschaut. Ihr m체sst wissen, dass Frederik etwas ganz Besonderes ist. 12


Zum Beispiel, weil er so groĂ&#x; ist, dass er Sonne, Mond und Sterne an den FuĂ&#x;sohlen kitzeln kann. Doch viel mehr noch als das da oben interessiert ihn, was unten am Boden passiert. Darum schaut er auch dauernd durch sein Fernrohr. Tausend Mal jeden Tag. 13


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„Hier steht, wir müssen zuerst durch die plappernden Pforte“, erklärt Stoffel und eifrig stecken die drei Freunde ihre Nasen und das Fernrohr in die Landkarte. „Plappernde Pforte? Hihihihi! Das klingt ja lustig!“ kichert es da plötzlich. Lola! Ihr müsst wissen, dass auch Lola etwas ganz Besonderes ist. Zum Beispiel, weil niemand auf der Welt fröhlicher ist als sie. Wenn sie einmal so richtig in Fahrt ist, kann sie keiner stoppen. Dann kichert und kichert sie, bis sie überall knallrote Pünktchen bekommt. Tausend Pünktchen jeden Tag. „Nini … Frederik … Lola … Stoffel. Wir sind komplett. Worauf warten wir noch!“ 15


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„Sieh an, sieh an“, wundert sich die plappernde Pforte über die vier Abenteurer. „Ihr wollt sicher zur Tausend-Blumen-Wiese! 17


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Wie schade, dass ich für immer und ewig verschlossen bin. Und dass niemand weiß, wo der Schlüssel liegt. Nämlich unter der dicken, weißen Wolke, die direkt über mir schwebt… Oh! … Jetzt hab ich mich verplappert! Aber da steht Frederik schon längst auf den Zehenspitzen und zieht mit einem vorsichtigen „Ähem!“ einen großen, rostigen Schlüssel unter der Wolke hervor. Und wirklich: Der Schlüssel passt. Schmollend lässt sich das himmelhohe Tor öffnen und gibt den Weg ins Abenteuer frei.

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„Gleich kommt der kitzlige Krater!“ sagt Stoffel besorgt. „Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir über seinen Rücken gehen. Denn er ist an bestimmten Stellen sehr empfindlich. Wenn es ihn juckt, wacht er bestimmt auf, und dann ...“ 21


Da lächelt Nini und beginnt, das schönste Wiegenlied zu trällern, das ihr einfällt: „Schlaf, Krater, schlaf. Wer dich aufweckt, ist ein Schaf.“ Und wirklich: Der Krater gibt einen zufriedenen Seufzer von sich und lässt die trappelnden Füße geduldig über sich ergehen.

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Schon bald liegt das n채chste Hindernis vor ihnen: der tieftraurige Teich. Noch nie hat es jemand geschafft, ihn zu 체berqueren, ohne in seinen schwarzen, d체steren Wassern zu versinken. 25 25


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„Ähem, vielleicht mit einem großen Schritt …“, bietet sich Frederik an. „Ich weiß etwas Besseres!“ kichert Lola. „Ich mache ihn fröhlich. Hihihihi!“ Und sie kichert und kichert. Erst leise, dann immer lauter. 27


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Und wirklich: Der Teich beginnt zu lachen. Erst nur ein bisschen. Dann immer heftiger. So heftig, dass sich auf seiner Oberfläche kleine Kräuselwellen bilden, über die unsere vier Abenteurer bequem spazieren können.

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Gleich nach dem Teich kitzelt es Stoffel wieder einmal ganz kräftig in der Nase. „Hatschi! Hatschi! Hatschi! Jetzt kann es nicht mehr weit sein!“ Tatsächlich tauchen am Horizont schon die ersten Blüten auf. Gelb wie die Sonne, blau wie der Himmel, weiß wie Schnee und rot wie Lolas Pünktchen, wenn sie sehr kichern muss. „Die Tausend-Blumen-Wiese!“ ruft Stoffel begeistert. „Nur noch da durch, und wir haben’s geschafft!“

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Voll Begeisterung stürmen Nini, Lola und Stoffel los. „Passt auf! Das ist die hungrige Hecke!“ ruft Frederik und deutet auf die Landkarte. Aber da ist es schon zu spät! Das dichte Gebüsch hat bereits seine gefräßigen Zweige um die drei Freunde geschlossen und hält sie fest umklammert. „Ähem!“ Frederik ist verzweifelt. „Nur keine Panik“, sagt da eine Stimme. „Weißt du, eine hungrige Hecke braucht man nur mit Reimen zu füttern. Darüber vergisst sie alles andere.“

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Es ist Benno, der den vier Freunden die ganze Zeit über heimlich gefolgt ist: durch die plappernde Pforte, über den kitzeligen Krater und über den tieftraurigen Teich. Benno baut sich vor dem mampfenden Busch auf, atmet tief durch und beginnt zu reimen: „Liebe Hecke, lass dir sagen: Die drei da liegen dir schwer im Magen. Drum spuck sie schnellstens wieder aus und such dir einen andren Schmaus.“

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Und wirklich: Der Reim scheint der Hecke zu gefallen. Mit einem lauten Knirschen teilen sich die Zweige, und Nini, Stoffel und Lola fliegen in hohem Bogen mitten in ein Meer von duftenden Bl端ten. 36


„Die Tausend-Blumen-Wiese! Wir haben’s geschafft!“ ruft der leicht zerknautschte aber glückliche Stoffel. „Hatschi! Ich meine, Hurra!“ Und dann macht er große Augen. „Benno?“ 37


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„Hmm, ich hab’s im Bett nicht ausgehalten und bin euch gefolgt. Ich habe gesehen, wie Frederik die Pforte geöffnet hat. Wie Nini den Krater besänftigt hat. Und wie Lola den Teich zum Lachen gebracht hat. Das war etwas ganz Besonderes!“ Ausgelassen fassen sich die fünf an den Händen und tanzen zwischen Löwenzähnen, Hahnenfüßen und Gänseblümchen Ringelreihen. Und als es Zeit ist, nach Hause zu gehen, darf Benno auf Frederiks Schultern sitzen und Sonne, Mond und Sterne an den Fußsohlen kitzeln.

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„Ähem, dafür hast du die hungrige Hecke mit einem Reim gefüttert!“ ruft Frederik. „Wirklich?“ fragt Stoffel ungläubig. „Du kannst reimen, Benno? Ich bin stolz auf dich!“ Da wird Benno ganz verlegen und bohrt seinen großen Zeh in die Erde. „Heißt das, ich bin auch etwas ganz Besonderes?“ „Aber natürlich!“ rufen Stoffel, Lola und Frederik. Und Nini trällert „Hoch soll er leben, hoch soll er leben, Benno, unser Held!“ 43


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An diesem Abend, kurz vor dem Einschlafen, sagt Benno zu seinem Bruder: „Weißt du was, Stoffel? So komisch sind deine Freunde gar nicht!“ „Unsere Freunde, Benno“, gähnt Stoffel und schiebt die Landkarte wieder unter seinen Kopfpolster. „Unsere ganz besonderen Freunde“.

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