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Hans Hofer: Neuseeland Land der weißen Wolke

Aotearoa– das Land der langen weißen Wolke

Hans Hofer

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Der Schreiber erkundet Neuseeland, das Missionsgebiet seines Großonkels, des Josefs-Missionars Andreas Zangerl aus Zams. Unseren Lesern sind die Geschichte und Missionsarbeit in jenem Teil der Erde wenig bekannt. Daher folgt hier zunächst eine kleine Einführung.

Würde man in Tirol eine lange Eisenstange lotrecht in den Boden treiben und sie genau durch den Erdmittelpunkt weiterschieben, bis sie auf der anderen Seite des Globus wieder herauskäme, würde sie in Neuseeland aus dem Boden ragen. Mit diesem Bild erklärte mir meine Mutter, wo ihr Onkel Andreas als Missionar lebt. So reizvoll der Gedanke einen Stab durch den Globus zu treiben ist, so könnte er doch nie in die Tat umgesetzt werden. Der Stab würde nämlich bereits nach wenigen Kilometern zu schmelzen beginnen. Die feste Erdkruste ist im Verhältnis zum Erddurchmesser sehr dünn und noch dazu in einzelne Platten zerbrochen, die auf einem heißen, zähflüssigen Magma treiben. Driften sie auseinander, entstehen tiefe Gräben.

Die weißen Wolkenbänder, die sich in der Ferne über dem Meer bildeten, ließ das Volk der Polynesier auf Land hoffen.

Vulkansee in Waiotapu. Das heiße Wasser enthält viel Eisen, das sich als Rost absetzt. Daher die rostrote Farbe in Ufernähe. Die neuseeländischen Inseln entstanden durch das Aufeinanderprallen der pazifischen und der australischen Platte. Diese Situation führt heute noch, besonders auf der Nordinsel, zu Erdbeben und Vulkanausbrüchen. Da die beiden Inseln weit ab von den großen Kontinenten liegen, hat sich darauf im Laufe von Jahrmillionen eine eigenständige Pflanzen- und Tierwelt ohne Säugetiere, aber mit einer bunten Vielfalt an Vögeln entwickelt.

Die ersten Menschen, die auf Neuseelands Inseln gelangten, waren die Maori (Betonung auf dem a). Sie gehören zum Volk der Polynesier, die vor etwa 5000 Jahren begannen, von Südchina aus die Pazifische Inselwelt zu besiedeln. Auf Neuseeland kamen sie vor etwa 700 Jahren in mehreren Wellen an. Es ist für uns heute unvorstellbar, wie diese Menschen in die unendlichen Weiten des Pazifischen Ozeans hinaus segelten, um neues Land zu suchen. Weiße Wolkenbänder, die sich in der Ferne über dem Meer bildeten, ließen sie auf Land hoffen. Noch heute nennen die Maori die Inseln, die wir Neuseeland nennen, Aotearoa: das Land der langen weißen Wolke. Die ersten Menschen mussten bei ihrer Ankunft das Gefühl gehabt haben, im Paradies gelandet zu sein. In den dichten Wäldern fanden sie kristallklares Wasser und Nahrung im Überfluss. Sie trafen auf riesige, flugunfähige Vögel, die sich leicht fangen und schlachten ließen. Die Neuankömmlinge und die von ihnen mitgebrachten Tiere vermehrten sich rasch und veränderten das Ökosystem so nachhaltig, dass die Maoristämme bald beginnen mussten, das Land in Jagdreviere und landwirtschaftliche Nutzungsflächen aufzuteilen. Dabei kam es zu ersten Kriegshandlungen zwischen den einzelnen Stämmen.

Als 1642 der Holländer Abel Tasman als erster Europäer das Land entdeckte, kam es zu einer blutigen Auseinandersetzung zwischen seinen Seeleuten und einigen Maori. Die Holländer segelten ohne einen weiteren Landungsversuch ab, trugen das Land aber in ihre Seekarten ein und gaben ihm den Namen Nieuw Zeeland.

Es sollten über 100 Jahre vergehen, bis sich wieder Europäer ins Land wagten. 1769/70 kam der englische Kapitän James Cook mit einem Team von Wissenschaftlern. Begeistert berichten diese, wie sie im Morgengrauen von einem vielstimmigen Vogelchor, der aus dichten Wäldern an ihre Ohren drang, begrüßt wurden. Sie erhielten damit noch eine Ahnung von der ursprünglichen Schönheit dieser Vogelinseln.

In den folgenden Jahren kamen Walfänger mit Booten und Handelsschiffen. Einige Weiße blieben dort, gründeten mit Maorifrauen Familien und wurden in ihre Stämme integriert. Handelsgesellschaften errichteten ihre ersten Niederlassungen und

Freundliche Begrüßung in Pawarenga. Von links: Elizabeth Ihaka, Manaia Powhiri, Hans Hofer, Melania und Daniel Hofer, Hana Manuka.

vor allem anglikanische Missionare ihre ersten Missionsstationen. Während eigens gegründete Unternehmen Migranten gezielt ins Land holten, lieferten europäische und australische Händler den konkurrierenden Maoristämmen Feuerwaffen. Sie gaben damit den einzelnen Stammesführern das Gefühl, den anderen überlegen zu sein. Dies führte zu den grausamen Musketen-Kriegen (1829 bis 1835), deren Traumatisierung bis heute nachwirkt. Erst 1835 schlossen sich die Stämme zusammen und erklärten gemeinsam ihre Unabhängigkeit. Das führte zu neuen Konflikten – diesmal zwischen Maorigruppen und weißen Siedlern.

Diese „Neuseelandkriege“ konnten erst 1840 beendet werden, als die Britische Krone einen Beauftragten sandte. Dieser lud die Anführer der Maoristämmen nach Waitangi ein, um mit ihnen einen Vertrag zu schließen. Darin traten die Stammesfürsten alle Rechte und Befugnisse der Souveränität an die Britische Krone ab und wurden somit Teil des britischen Weltreiches. Im Gegenzug wurde ihnen zugesichert, dass sie Besitzer ihres Landes bleiben und es zu fairen Preisen an Siedler verkaufen können. An den Verhandlungen zu diesem Vertrag nahm auch der erste römischkatholische Bischof von Neuseeland, Jean-Baptiste-Francoise Pompallier, teil. Er war zwei Jahre davor (1838) vom Papst ins Land gesandt worden, um die katholische Kirche aufzubauen. Bei den Verhandlungen setzte er sich für Religionsfreiheit ein.

Die christlichen Missionare, die in dieser Zeit nach Neuseeland kamen, trafen auf ein am Boden liegendes Maorivolk. Die beiden Kriege und eingeschleppte Krankheiten hatten ihre Bevölkerung dezimiert und ihr Selbstvertrauen zerstört. Im Jahre 1891 betrug die Zahl der Maori nur noch 44.000 im Vergleich zu geschätzten 120.000 vor dem Jahr 1820. 1885 wurden auch die St. JosefsMissionare aus Mill Hill (MHM) vom Bischof der Diözese Auckland gebeten die Menschen im Norden von Neuseeland pastoral zu betreuen. Die Missionare hatten den Auftrag, eine Seelsorge zu entfalten, welche die Bräuche und Kultur der Maori hochschätzen. Sie sollten eine selbstbe-

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