Wie sammelt man ein Dorf?

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Ă–ffnung der Kapsel nicht vor 09.07.2042

ein Projekt von Micha Kranixfeld, Susanne Schuster und Felix Worpenberg entstanden im Rahmen einer Residenz in der Gemeinde Engstingen auf der Schwäbischen Alb

ie sammelt man ein Dorf


Eine Zeitkapsel, die in 25 Jahren wieder geöffnet werden soll. Was wird bis dahin aus Engstingen verschwunden sein? Was sollte besser verschwinden? Der Speicher wurde von den Engstinger*innen mit den wunderbarsten Gegenständen gefüllt. Aber es war immer unsere Aufgabe, die Leute anzusprechen und um Gaben zu bitten. Wenige Minuten, bevor wir die Kapsel schliessen und bis 2042 auf dem Kirchturm einlagern würden, war uns nicht klar, ob diese Arbeit überhaupt Sinn gemacht hatte. Würden wir die einzigen sein, die sich dafür verantwortlich fühlten, dass die Kapsel nicht vergessen wird? Dann plötzlich übernahmen die Leute aus dem Dorf die Initiative. Der Diakon, der Bürgermeister und die Lumpenkapelle kamen und erklärten uns eine Zeremonie, die sie sich für die Zeitkapsel ausgedacht hatten: Vom Kirchturm ertönte Festgeläut. Die Zeitkapsel wurde von zwei Oberministranten getragen. Auf dem Platz vor der Kirche wurden Reden gehalten. Die Blaskapelle spielte der Kapsel ein letztes Lied vor dem Kircheneingang. Dann ein steiler Aufstieg zum höchsten Punkt des Turms. Dort lagert nun eine Truhe voll mit Fragen an die Zukunft des Dorfes.


Zwei Fotoalben: Blau und Gelb

Eine Gabe von Micha Kranixfeld & Susanne Schuster

Zwei Fotoalben, schwarzer Leineneinband, schwarzer Fotokarton, 30x25cm. Vernickelte Ringbuchschrauben, Bastelkleber. Digitalfoto-Ausdrucke aus der Alb-Drogerie. In Vakuum verpackt. Den Alltag hält man selten auf Fotos fest. Man fotografiert Vereinsfeste, Geburtstage, Urlaube – selten wird der eigene Vorgarten, die Dekoration der Nachbar*innen oder die Kreuzung im Zentrum fotografiert. Wer dann nach alten Fotos fragt, findet selten das Gewöhnliche. Auf Streifzügen durch Groß- und Kleinengstingen entstanden diese zwei fotografischen Sammlungen. Die Vorgabe: Fotografiere alles Gelbe / alles Blaue. Diese Anweisung ließ die Sammelnden nicht gezielt loslaufen, keine bekannten Routen nehmen, sondern führte sie im Sinne eines dérives auf eine ungeplante Reise, bei der sie sich von den Erscheinungen der Umgebung leiten ließen. Die beiden Fotoalben sind eine Antwort auf die Frage „Wie sammelt man ein Dorf?“. Ihre tatsächliche Aussagekraft wird sich aber erst in 25 Jahren bemessen lassen, wenn möglicherweise die Dinge und Materialien, die wir auf den Fotos sehen, keine Selbstverständlichkeit mehr sind. Die Alben fragen danach, was für uns in Zukunft selbstverständlich sein wird, wovon wir aber jetzt noch gar nicht wissen.

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Ein Stück B313

Eine Gabe des Bauhofs Engstingen Inspiriert von einem Gespräch mit Helmuth Wälder

Gesteinskörnungen und Bitumen. Reste von blauem Markierungsspray; das Stück wurde für Kanalbauarbeiten aus der Straße gesägt. Engstingen ist arm an pittoresken Szenerien und hat wenig bedeutende Denkmäler. Die Kirchen sind schön, der Sauerbrunnen, ein paar Gebäude noch. Aber Schönheit, die Tourist*innen anzieht, gibt es eher in anderen Gemeinden. Meist solchen, die lange keine Entwicklung hatten. Engstingen dagegen hatte die Bundeswehr. Für sie entstand eine eigene Siedlung, die Soldaten belebten die örtlichen Wirtschaften, die Freibühlschule wurde eröffnet. Das Moderne greift in das Historische eine. Dem Ausbau der B313 für Schwerlaster fielen einige Häuser und bäuerliche Anwesen zum Opfer. Mit welcher Brutalität und Selbstverständlichkeit man damals sagte, der Verkehr muss halt durch. Alte Karten zeigen noch die frühere Straßenführung. Es ist ein anderes Dorf gewesen. Man kann diese Entwicklungen verschieden deuten: Durch den Kontakt zu amerikanischen und deutschen Streitkräften sei die Gemeinde weltoffen geworden, sagen die einen. Durch ihre gute Verkehrsanbindung sei sie zum Schlafdorf verkommen, die anderen. Die Bundeswehr habe ein starkes Kulturprogramm geboten. Aber die Lagerung von Sprengköpfen habe zu Recht zu Ostermärschen geführt. Welche Vorstellungen einer modernen Zukunft wird die Gemeinde in den nächsten Jahren verfolgen? 4


Wasser aus dem Säuerling von Kleinengstingen Eine Gabe von Gabriele Lienemann

Eine konisch zulaufende Glasflasche (Fassungsvermögen 500ml) mit rotem Schraubverschluss. Rot-grünes Geschenkband, gekräuselt. Foto des Sauerbrunnens im Juni 2017. Wasser des Sauerbrunnens, nicht haltbar gemacht. Die Donau bei Geisingen, die in ein neues Bett gezwängt wird. Die intensive Farbe des Blautopfs in Blaubeuren. Die Leitung in Ghana, die nur für zwei Stunden am Tag Wasser führt. Das Wäschewaschen im Urlaub mit eiskaltem Wasser. Märchen und Mythen. Der Geschmack des Säuerlings; wie es perlt. Erinnerungen eines Lebens. Wasser begegnet uns in verschiedensten Formen – auch durch seine Abwesenheit. Auf der Albhochfläche war Trinkwasser schon immer ein rares Gut. Immer öfter hört man nun von der Privatisierung dieses Gemeinguts. Manche sagen, die Kriege der Zukunft werden ums Wasser gehen. Ob davon in 25 Jahren schon mehr zu spüren ist? Das Wasser in dieser Flasche ist nicht haltbar gemacht. Es wird wohl kippen, vielleicht auch verdunsten. So wie wir uns in den kommenden 25 Jahren entwickeln, wird das Wasser seinen eigenen Prozess durchlaufen. Wasser ist Lebendigkeit.

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Ein altes Handy mit Ladestation Eine Gabe von Susanne Michel

Handy mit Antenne und Ladestation. Ladekabel und Akku. FunktionstĂźchtig. Luftdicht verpackt.

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Drohnenwabe und Waldhonig Eine Gabe von Karl Bortot

Ein Holzrahmen mit innenliegender Drohnenwabe. Ein Einweckglas (Fassungsvermögen 500g), gedrucktes Etikett, gelb und grün, Waldhonig. Im Vakuum verpackt. Am Rand der Streuobstwiese des OGVs Großengstingen summt es: Hier befindet sich 2017 schon seit mehr als einem halben Jahrhundert das Zuhause der Großengstinger Bienenvölker. Wie überall jedoch ist ihr Dasein vom Verschwinden bedroht: Es gibt kaum noch Imker*innennachwuchs und Parasiten wie die Varroa-Milben befallen die Bienenbrut. Als Mittel zu Reduktion der Milben werden die Waben der männlichen Bienen, der Drohnen, im verdeckelten Stadium der Brut aus dem Volk entnommen. Wie viele Bienen wird es 2042 noch geben? Mit welchen Methoden wird man sie schützen müssen? Ob der Bienenstand auf der Streuobstwiese des OGVs Großengstingen noch existieren wird?

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Gesangbuch „Gotteslob“ Eine Gabe von Steffen Tröster

Gesangbuch der Katholischen Gemeinde St. Martin, Engstingen. Circa 1300 Seiten, grauer Einband, rotes Lesebändchen. Informationsschrift zur Gemeinde.

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Erinnerungen an den Sängerbund Kohlstetten Eine Gabe des Sängerbundes

Festschrift „125 Jahre Sängerbund Kohlstetten“, 23 Seiten. Mehrere Fotos. Anhänger zur Erinnerung aus Metall. Einladung zum offenen Singen (SW-Laserdruck auf A4, gefaltet). 1979 feierte der Sängerbund Kohlstetten sein großes Jubiläum. Fotos zeigen ihn beim Chortreffen in Stuttgart, worüber (darauf ist man stolz) sogar in Argentinien berichtet wurde. Der Einladung zum offenen Singen für Interessierte folgte 2017 jedoch niemand.

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Wanderplan 2017

Eine Gabe der OG Grossengstingen des Schwäbischen Albvereins

Farbiger Broschurdruck.

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Musikkassette fĂźr Autofahrten auf die Alb Eine Gabe von Renate Vetter

Kassette mit Volksliedern in PlastikhĂźlle mit farbigem Cover. Luftdicht verpackt.

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Eine Seite aus einem Autoatlas Eine Gabe von Uta Schliemann-Klein

Eine Seite aus einem Autoatlas, Papier, in Farbe, beidseitig bedruckt. Laminiert. „An der nächsten Kreuzung rechts abbiegen. In 500 Metern haben Sie Ihr Ziel erreicht!“ Mit der GPS-Satelliten-Ortung begann Mitte der 1990er Jahre der Siegeszug der Navigationsgeräte. Inzwischen genügen wenige Handbewegungen auf dem Smartphone und Google Maps navigiert sowohl Fußgänger*innen als auch Autofahrer*innen sicher durch unbekannte Gebiete. Strecke und Fahrtdauer des Weges werden zuvor kalkuliert und unerwartete Umwege vermieden. Werden die nächsten Generationen sich noch anhand von Papierkarten orientieren können? Wird es in 25 Jahren überhaupt noch analoge Atlanten geben?

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Schulfoto 2017 der Grundschule Kleinengstingen Eine Gabe von Martina Helli

Farbausdruck eines Digitalfotos. Laminiert. Die Grundschule in Kohlstetten wurde bereits geschlossen. Steht der Grundschule in Kleinengstingen irgendwann das gleiche Schicksal bevor? Oder erwartet uns im kommenden Vierteljahrhundert ein neuer Babyboom? Noch sind die Klassenräume voll mit quirligen Kindern, die erst kurz rechnen müssen, wenn man sie fragt, wie alt sie in 25 Jahren sind. Gemeinsam mit dem Team des LTT überlegen sie, wie die Schule der Zukunft aussehen wird. Die Jüngeren träumen von Treppen aus Schokolade und Wänden, an denen man hochlaufen kann. Die Älteren prognostizieren digitale Schultafeln, mehr Konzentrationsmangel durch Handys und den Einsatz von Robotern im Sportunterricht – und dass der Unterricht immer noch ziemlich langweilig sein könnte.

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Birnenbrand von Gelbmöstlern aus dem Obst- und Gartenbauverein Großengstingen Eine Gabe von Rainer Rupp

Eine Glasflasche (Fassungsvermögen 700ml) mit gelblich-silbernem Schraubverschluss. Gedrucktes Etikett mit Birnenmotiv und Beschriftung. Klarer Gelbmöstlerschnaps, 40 % Alkohol. Im Vakuum verpackt. Die Früchte des Birnenbrands stammen von der drei Hektargroßen Streuobstwiesenfläche des Obst- und Gartenbauvereins, die mehr als 400 Bäume verschiedenster Sorten umfasst. Neben der Herstellung von Säften und Most, werden hieraus durch die ehrenamtlichen Vereinsmitglieder ebenso Schnäpse gebrannt. Der Gelbmöstler gehört zu einer sehr alten, seltenen Birnensorte. Der Baum von dem die Früchte stammen, wurde bereits 1912 bei der Gründung des OGVGroßengstingen gepflanzt. Die Erhaltung von Klein- und Obstbrennereien ist nicht zuletzt dem staatlichen Branntweinmonopol geschuldet, welche die Erzeuger*innen verpflichtet die Hälfte ihres Rohalkohols an das Branntweinmonopol abzuführen, was ihnen eine finanzielle Sicherheit bietet. Jenes staatliche Monopol soll im Jahr 2017 aufgrund von EU-Vorgaben zur Liberalisierung des Marktes abgeschafft werden. Expert*innen schätzen, dass dies für bis zu 90% der landwirtschaftlichen Brennereien die Einstellung der Produktion von Rohalkohol zur Folge haben wird. Wie wird der OGV Großengstingen in 25 Jahren seinen Schnaps produzieren? Wird es die alten Sorten, wie den Gelbmöstler, Bohnapfel, Bretacher oder Bittenfelder dann noch geben? Wird der Verein noch existieren? 14


Holzspäne von Holzwerke Roth Eine Gabe von Heinrich Roth

Holzspäne, getrocknet. Im Vakuum verpackt. Die Gesamtwaldfläche der Schwäbischen Alb beträgt ca. 211.000 ha. Fast die Hälfte der Landesfläche im Südwesten Deutschlands besteht aus Wald. Er lädt nicht nur zum Wandern ein, sondern ist auch eines der wichtigsten Wirtschaftsgüter unserer Zeit. Welchen Einfluss werden Klimawandel und Globalisierung auf die Schwäbischen Wälder haben? 2017 hört man bei den Holzwerken Roth täglich das Brummen und Rattern der Sägewerkmaschinen, in der Einfahrt riecht es nach frisch geschreddertem Holz. Wie wird sich in Zukunft die Holzindustrie auf der Alb verändert haben? Ob der Familienbetrieb in der Kleinengstinger Straße eine*n Nachfolger*in gefunden hat oder werden hier in 25 Jahren neue Baugebiete sein?

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Eine Marionette

Eine Gabe von Moni Möck

Handgefertigte Hexen-Marionette in rotem Samtkleid. Große Nase, goldene Brille, schwarzes lockiges Haar, keine Füße. Führungskreuz aus Holz. Ein Basar an der Freien Waldorfschule auf der Alb bot den Anlass für die erste Inszenierung der Marionettenbühne Kassandra. Inzwischen – viele Puppenspieltreffen, Seminare und Aufführungen später – spielen die Frauen nicht nur für ein lokales Publikum, sondern auch in Meidelstetten, Konstanz und Ellwangen. Die Künstlerinnen bauen ihre Puppen und Kulissen selbst und führen Regie. Über die Jahre sind sie immer professioneller geworden, aber noch immer trägt vor allem die Lust am gemeinsamen Arbeiten mit den Freundinnen die Arbeit. Und so ist das gemeinsame Essen und Austauschen nach der Probe fast genauso wichtig, wie die Probe selbst. 25 Jahre feiert das Frauenkollektiv im Jahr 2017. Das ist auch ein Großteil der Geschichte der Freien Waldorfschule in Engstingen, die vom skeptisch beäugten Eindringling über die Jahre zumindest zum geduldeten Dauergast oder gar zur geschätzten Bereicherung des Gemeinwesens wurde. Trotzdem sind „die Waldis“ oft Zugezogene, viele Schüler*innen wohnen nicht im Ort. Wie wird es sein, wenn die jetzigen Waldorf-Eltern in Rente gegangen sind und vor Ort wohnen bleiben? Wie werden ihre Senior*innennachmittage und ihre Brauchtumspflege aussehen? Was werden die Gemeindevertreter*innen beim Besuch von 80. Geburtstagen erleben?

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Badesalz (sog. Legal High)

Inspiriert von einem Gespräch mit Xhavit Mustafa

Kleiner Beutel aus silberner Folie mit Druckverschluss. Gefüllt mit „TomorrowWorld“ (1g). Verkaufswert 2017: 24,95 Euro. Farbiger Aufkleber mit Fotografie eines Musikfestivals. Das Jugendhaus ist ein Ort, der Engstingen stört. Es hat in der Gemeinde keinen guten Ruf. Es sei laut, ziehe kaputte Gestalten an, man könne seine Kinder dort nicht hinschicken, hört man. Manche wäre es gerne los. Weil dort Regeln vielleicht anders verhandelt werden als zuhause. Weil Jugendliche dort scheinbar nicht unter Kontrolle sind. Jugendliche brauchen Räume, in denen sie sich ausprobieren können, Fragen stellen können und sich frei fühlen. Das Jugendhaus in Engstingen ist so ein Ort, aber auch Dachböden bei Opa, ein Bauwagen im Wald, ein Stück Wiese mit Blick auf die Landstraße oder die Disco Trödler können dazu gehören. Im Jugendhaus ist mit dem Jugendbeauftragten eine Vertrauensperson vor Ort, deren Aufgabe es nicht ist, zu strafen, sondern zu ermöglichen. Das Jugendhaus gehört den Jugendlichen und der Sozialarbeiter vor Ort ist für sie da. Immer wieder kommen auch Jugendliche dahin, denen es nicht gut geht. Sie erfahren die Jugend als Zeit voller Druck und Orientierungslosigkeit, fühlen sich zuhause nicht wohl oder sind auf der Suche. Selbstverletzendes Verhalten, Spielsucht oder Drogenkonsum sind immer wieder Themen in der Arbeit vor Ort – ganz entgegen dem Klischee von der unschuldigen Jugend vom Lande. Dann ist es gut, dass jemand vor Ort ist, dem auf erste Anzeichen achtet und Gespräche anbietet. Welche Orte für Jugendliche wird es in 25 Jahren geben? Wie werden sie sich Freiräume erobern? Und wie wird die Gemeinschaft versuchen, sie dabei zu begleiten? 17


Plan und Gutschein vom Kohlstetter Laden Eine Gabe von Jan Krauße

Ein handgezeichneter Plan auf A3-Papier, schwarzer Filzstift, laminiert. Ein Gutschein über 10 Euro im grün-blassgelben Umschlag, einlösbar bis 2042. Wer kauft schon noch bei Tante Emma ein, wenn es doch im Nachbarort Discounter gibt? Der Kohlstetter Laden mit seinem Sortiment von regionalen Erzeuger*innen ist darum ein besonderer Ort. Ehrenamtlich betrieben wird er seit seiner Gründung immer mehr zu einem Ort der Begegnung. Man kauft ein, schwätzt, kauft Tickets für Veranstaltungen oder verabredet sich zum gemeinsamen Spendenlauf. Der Laden setzt ein Zeichen gegen Strukturchwäche und Donut-Effekt. Der Gutschein steht für eine Wette auf die Zukunft: Der Laden wird nicht wieder zumachen, sondern weiterbestehen und sogar wachsen. Was kann man dann für 10 Euro kaufen?

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Hörspiel-Schallplatte

Nach Interviews mit Schüler*innen der Freibühlschule Großengstingen

Transparente 12‘‘ Vinyl-Scheibe, 2mm stark, 45 U/min. Tonspur durch Vinylschnitt aufgebracht. Weißes Cover aus Karton. Zum Anhören wird ein Plattenspieler (oder eine Stecknadel an einem Papiertrichter) benötigt. Verlassene Militäranlagen entdecken, im Bauwagen abhängen, das Mofa mit Alkohol betanken: Aus Interviews mit Schüler*innen entstand ein Hörspiel über das Leben von Jugendlichen auf dem Land. Zu jeder Aufführung gehört ein Gespräch bei Kuchen und Kaffee: War das früher in der eigenen Jugend genauso? Was wurde dem Interviewer nicht verraten? Was ist frei erfunden?

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Bauplan fĂźr eine Laube

Eine Gabe des Organisationsteam der Schlosshof-Hockete

Tintenstrahldruck auf A3. Roter Stempel. Laminiert. Preisliste zur Bewirtung des Albvereins 2017 (Farbdruck, laminiert)

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Ein ganz normaler Blumenstrauß von der Alb Eine Gabe von Margit König

Getrocknete und gepresste Blumen, Kleber. Gesammelt am 8.6.2017. Erklärungen in blauer Tinte. Laminiert.

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Foto eines BahnĂźbergangs Eine Gabe von Andrea Kohler

Tintenstrahldruck auf Papier. Laminiert.

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Karikatur

Eine Gabe von Peter Barth

Buntstiftzeichnung auf Karte aus grob geschรถpftem Papier. Innen eine Widmung mit schwarzem Stift.

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Erinnerungen an das Forstamt Lichtenstein Eine Gabe von Iris Kemmner

Ein Einweckglas mit bronzefarbenem Deckel, Holzsplitter vom Gartenzaun, ein Stein und ein Schneckenhaus aus dem Forstamtsgarten. Ein beschrifteter Zettel, gefaltet. Im Vakuum verpackt. Das Forstamt Lichtenstein wurde 1897 in der Bernlocher Str. 2, Kleinengstingen, erbaut. Von 1902 bis 2005 war es der Dienstsitz des Forstamts und das Zuhause von mehreren Generationen an Forstamtsleiter*innen und ihren Angehörigen. Zuletzt wurde es von 1994 bis 2017 vom Forstamtsleiter Georg Kemmner und seiner Familie bewohnt. Nicht immer war der Staat der beste Vermieter: Als die ersten Haushalte an die Wasserleitung angeschlossen wurde, musste der damalige Förster erst viel Überzeugungsarbeit dafür leisten, dass zumindest ein Hahn in der Küche installiert wurde. Im Erdgeschoss ist nun bereits der Polizeiposten Alb (Dienstsitz Engstingen) eingezogen. Wer wird in 25 Jahren das Haus bewohnen? Wird man sich an seine Geschichte als Forstamt noch erinnern? Und werden sich die Engstinger*innen weiterhin zur Flächenlos-Versteigerung treffen?

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Zwei Stempel der Gemeinde Engstingen Eine Gabe der Gemeindeverwaltung Engstingen und Bürgermeister Mario Storz

Ein Stempel aus grauem Plastik mit blau abgesetztem Griff; Stempelfuß mit der Aufschrift „Bürgermeisteramt Engstingen“. Ein Stempel aus Holz mit blau-grünen und lila Tintenflecken und kleinem Metallknopf zur Anzeige der Stempelrichtung; Stempelfuß mit der Aufschrift „Albwasserversorgung Echazgruppe XIV“. Man kann es an den Telefonnummern sehen, an den Verbreitungsgebieten der Lokalzeitungen, an den zwei Schwimmbädern oder an Geschichten über die Gemeindereform 1975: Großengstingen, Kleinengstingen und Kohlstetten – das war nicht schon immer eins, ganz im Gegenteil. Ihre Identität formte sich auch über die Zugehörigkeit zu administrativen Distrikten: Chur, Bad Urach, Württemberg, und nun eben Reutlingen, Baden-Württemberg. Was aber, wenn es eine weitere Gebietsreform geben wird? Welche neuen Identitäten werden sich dadurch formen, welche Konflikte werden im Übergang ausgetragen werden müssen? Der Stempel des Bürgermeisters ist dann vielleicht obsolet. Schon jetzt hat er aber kaum noch eine Funktion, weil die Verwaltung hauptsächlich digital arbeitet. Zirkulierende Excel-Tabellen lösen Geldflüsse aus. Vielleicht wird auch die Wasserversorgung nicht mehr lokal geregelt werden. Vielleicht ist sie zentralisiert worden, kommt vom Bodensee zum Beispiel. Oder sie wurde – trotz des aktuellen Trends der Rekommunalisierung – doch privatisiert? Wer bestimmt über die Geschicke der Engstinger*innen? Auch darum geht es beim Blick auf administrative Strukturen. 25


Klimadaten der Monate Januar bis Juni 2017 Eine Gabe von Roland Hummel

Sechs A4-Seiten, laserbedruckt. Durch Laminierfolie geschützt. Monatliche Tabelle aufgeschlüsselt nach Temperaturmittel, -maximum, -minimum, Sonne, Niederschlag und Schneehöhe. Darunter fachkundige Einordnung der Daten als Fließtext. Erstveröffentlichung im Amtsblatt der Gemeinde Engstingen. Messstreifen für Sonnenstunden. So schnell ändert sich das Wetter nicht. 25 Jahre sind zu kurz. 30 Jahre dauert allein schon eine „Normalperiode“, also der Zeitraum, in dem aus allen ermittelten Daten die Mittelwerte der Klimadaten berechnet werden, um sie mit vorangegangenen Perioden zu vergleichen. Die aktuelle Periode begann 1991 und wird 2020 enden. Auch Daten aus Engstingen fließen in diese Berechnung ein. Mehrere analoge Klimastationen messen Sonnenstunden, Bodentemperatur, Niederschlag und Luftfeuchtigkeit. Die meisten dieser Techniken sind vor 100 Jahren entwickelt worden, um die Messungen vergleichbarer zu machen. Auch in Engstingen werden sie bis mindestens 2020 im Einsatz sein – die Umstellung auf automatische Messstationen könnte die Vergleichbarkeit gefährden. Was sagen wir in 25 Jahren zu den Argumenten der Klimawandelskeptiker*innen? Was zu den Versuchen einer internationalen politischen Lösung? Sonne und Wind: Wie werden diese natürlichen Energiequellen auf der Alb in 25 Jahren genutzt werden? Sind alle Bauern Energiewirte in Vollzeit geworden? Kam die Energie-Revolution? Eins bleibt wohl gleich: Auf der Alb ist es einen Kittel kälter. 26


Foto von Traubenhyazinten und SchlĂźsselblumen Eine Gabe von Marianne Herter

Ausschnitt aus einem Magazin. Laminiert.

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Stimmzettel für die Anhörung der Bürger in Kleinengstingen am 20. Januar 1974 Eine Gabe von Ulrich Kaufmann

SW-Druck auf Papier. Kugelschreiber. Laminiert.

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Infoyer zum Projekt (im Verschwinden erscheint es) archiviert von Kranixfeld, Schuster, Worpenberg

Zweifach gefalzter Flyer, farbig bedruckt.

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Aufnäher der Freiwilligen Feuerwehr Engstingen Eine Gabe der Freiwilligen Feuerwehr

Stickerei mit weißem, gelbem und schwarzem Garn auf ovalem Stoff. Luftdicht verpackt.

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Ein Gärkorb aus dem Backhaus Kleinengstingen Eine Gabe von Else Ulmer

Ein Gärkorb aus Stroh. Ein Foto vom Backhaus in Kleinengstingen, aufgenommen im Dezember 2016. Luftdicht verpackt. Ein Kilo Mehl, 1 Würfel frische Hefe, 3 Teelöffel Salz, 4 Esslöffel Zucker, 600 ml Wasser, nach Belieben Kerne zum Bestreuen. Erst den Brotteig ansetzen und (über Nacht) gären lassen. Vor dem Stürzen einmal im Korb wenden. Per Reißverschluss-Prinzip in der Schlange vorm Ofen einreihen und schließlich: Anschießen = alle Brote in den Ofen. Die Backhaus-Tradition reicht bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zurück: Um die Brandgefahr in Privatöfen zu verringern, wurden nach württembergischer Verordnung öffentliche Gemeinschaftsbacköfen errichtet. Daraus entstand ein Ort der Begegnung (und des prüfenden Blicks auf die Laibe der Neulinge). In allen drei Ortsteilen Engstingens wird jene Backhaustradition bis heute fortgeführt. Welche Bedeutung werden die Backhäuser in Zukunft haben? Werden sich die Backshops oder das Handwerk durchgesetzt haben? Unter welchen Bedingungen werden die Zutaten produziert werden?

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Musik-CD & Noten, signiert

Eine Gabe der Lombakabell GroĂ&#x;engstingen

CD mit farbigem Booklet. KlarsichthĂźlle mit Notenblatt. Blauer Kuli. Luftdicht verpackt.

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Wörterbuch für fast vergessene Wörter des Schwäbischen Eine Gabe von Uwe Schmid, ergänzt von Besucher*innen der Ausstellung

Ein Vokabelheft DIN A5 Premium, Papier 90g/qm, hochweiß, 32 Blatt. Beschrieben mit Kugelschreiber, blau. Im Vakuum verpackt. Im Dialekt zu sprechen ist lebendige Sprachkultur, die aus dem Schwäbischen Alltag nicht weg zu denken ist. Dabei sind die Dialekte der Schwäbischen Alb extrem heterogen: Schon in Nachbarorten sind feine Unterschiede in Aussprache und Bedeutung zu finden. Die Alltagsprache verändert sich permanent und nimmt regionale Einflüsse der vielfältigen Bewohner*innen mit auf. Allerdings ist der Dialekt auf der Alb wie vielerorts vom Aussterben bedroht, eine sukzessive Annäherung an das Hochdeutsche ist zu beobachten und einige Wörter sind bereits heute aus dem Wortschatz der Engstinger*innen verschwunden. Die hier angelegte Sammlung von fast vergessenen schwäbischen Vokabeln umfasste zunächst Wörter aus dem Obst- und Gartenbaubereich. Sie wurde jedoch im Zeitraum der Ausstellung durch weitere Themenbereiche durch Besucher*innen der Ausstellung erweitert. Welche Engstinger*innen werden den Vokabeltest in 25 Jahren noch bestehen?

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Amtsblatt vom 07.07.2017 archiviert von Mario Storz

SW-Druck, 4 Seiten.

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Entstanden im Rahmen von „(im Verschwinden erscheint es)“, einem Projekt der THEATERWERKSTATT SCHWÄBISCHE ALB am Landestheater Tübingen (LTT) im Rahmen der Kulturwerkstatt STADT. LAND. IM FLUSS. der „Lernenden Kulturregion Schwäbische Alb“, gefördert in „TRAFO - Modelle für Kultur im Wandel“, einer Initiative der Kulturstiftung des Bundes, sowie durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg

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