Euro am Sonntag

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15.3. –21.3.2014

Aktuell Kopf der Woche

Traumverkäufer

Farhad Vladi » Seit 40 Jahren vermittelt und vermietet der Hamburger Geschäftsmann Inseln für Menschen mit dem nötigen Kleingeld. Auch Staaten wie Italien greifen zu VON Oliver Ristau

B

ei dem Smartphone-Spiel „94 Grad“ besteht die Auf­ gabe darin, Staaten auf ei­ ner blanken Weltkarte zu verorten, auf der nur die Umrisse der Kontinente zu erkennen sind. Gäbe es ein solche App für Inseln, Farhad Vladi würde sie wohl spie­ lerisch meistern. „Aber nur in den Gegenden, in denen ich mich aus­ kenne“, sagt der 69-Jährige. Das sind jede Menge: Ob Nord­ amerika, die Karibik, Australien, die Südsee oder Europa — weltweit kauft und verkauft, vermietet und verwal­ tet der Hamburger Geschäftsmann mit iranischen Wurzeln Inseln. Mit traumhaften Stränden auf den Jung­ ferninseln und den Seychellen, mit alten Schlössern vor Schottland und Frankreich oder von Flüssen wie der Seine oder dem Rhein umspielt. Mehr als 2000 Inseln sind in den ver­ gangenen 40 Jahren über seinen Schreibtisch gegangen, berichtet er. Damit ist niemand im globalen Insel­ business so groß wie die Vladi Pri­ vate Islands GmbH.

Von Bill Gates bis Prinz William Im blauen Anzug sitzt Vladi im dritten Stock eines Hamburger Kauf­ mannshauses. An den Wänden sei­ nes Büros hängen Fotos von Traum­ inseln und alten Landkarten, auf den Regalen stapeln sich Atlanten und geografische Fotobände. Einer zeigt Aufnahmen von in Privatbesitz be­ findlichen Inseln, die er mit seiner Kamera geschossen hat, vom Hub­ schrauber aus, vom Boot, vom Land. Bill Gates, Jörg Pilawa oder Prinz William — die Kundschaft ist promi­ nent und zahlungskräftig, Vladis Ge­ schäft kennt keine Konjunktur. Frü­

Farhad Vladi : Verkauft die Insel Motu Rauoro in Französisch-Polynesien (oben)

her seien es vor allem Amerikaner und Europäer gewesen, die Inseln hätten kaufen wollen, erzählt er. Als die in der Finanzkrise zurückhalten­ der geworden seien, traten Chinesen und Inder auf den Plan. Und Araber: Die mit Petrodollars reich gewordenen Muslime zahlten für manche Insel vor ihrer Haustür Unsummen. „Das ist schon fast zu viel des Guten“, berichtet er von ei­ ner Insel auf den Seychellen, die er einst für ein paar hunderttausend Dollar verkauft hatte und für die Öl­ scheichs heute 30 Millionen böten. Ohne die nötigen Millionen geht der Traum von der eigenen Insel auch andernorts kaum in Erfüllung, ab­ gesehen von kleinen unbewohnten Eilanden vor der Küste Norwegens oder Kanadas, die schon für weniger als 100 000 Euro zu haben sind. Vladi blickt aus dem Fenster. Un­ ten glitzert die Binnenalster im Licht der Wintersonne. Auf der anderen Seite des kleinen Stadtsees ragt das 14-stöckige Finnlandhaus mit dem goldenen Löwen im Wappen Finn­ lands auf. „Sehen Sie den Löwen?

Das war mein erstes Geschäft.“ Da­ mals studierte der Sohn eines irani­ schen Kaufmanns Volkswirtschaft. Schon als Kind habe er sich für Inseln interessiert und Bücher wie „Die Schatzinsel“ von Robert L. Ste­ venson oder „Robinson Crusoe“ von Daniel Defoe verschlungen. Eines Tages habe er in einer großen Münchner Zeitung einen Bericht über einen Mann gelesen, der sich eine Insel gekauft hatte. „Da wusste ich, dass ich genau das machen wollte.“ Also setzte er sich an die Schreib­ maschine und verschickte Briefe in viele Länder, in denen er nach käuf­ lichen Inseln fragte. Schließlich fiel ihm eine Zeitung der Seychellen in die Hände. „Ich nahm 100 Deutsche Mark, steckte sie zusammen mit ei­ ner Anzeige in einen Briefumschlag und schickte alles zu der Zeitung.“ Die Redaktion veröffentlichte sein Gesuch, und tatsächlich antwortete ein Verkaufsinteressent mit Brief, Fotos und detaillierter Landkarte. Vladi recherchierte Adressen von vermögenden Hamburger Geschäfts­

leuten und bot ihnen die Insel an. Schließlich bissen der Architekt des Finnlandhauses, ein Banker und der Kaffeeunternehmer Darboven an. „Da saß ich etwas verschüchtert“, erinnert er sich. Die Männer wollten kaufen und boten ihm eine Provision von drei Prozent an. Das war Anfang der 70er-Jahre. Heute ver­ dient Vladi je nach Land ein paar Prozente mehr. Über Jahre waren es einzelne Ge­ schäfte, mit denen sich Vladi über Wasser hielt. Er klapperte Frank­ reich, die USA und Kanada auf der Suche nach Privatinseln ab, wurde bei Bürgermeistern und Grundbuch­ ämtern vorstellig. Immer ging es um die Frage: Wer will vielleicht verkau­ fen? Und dann greift sein Geschäfts­ modell: „Wir sind nichts anderes als Makler. Wir kaufen und verkaufen für Dritte Inseln. Letztlich geht es um normale Privatgrundstücke, nur von Wasser umgeben.“ Alle Inseln brauchen einen klar eingetragenen Besitzer. „Nur dann sind sie auch verkäuflich.“

Inselverstaatlichung als Trend Eigentümer sind indes keineswegs nur Adelige und Reiche, denen viel­ leicht vor vielen hundert Jahren ein König eine Insel zukommen ließ. Historisch haben viele Staaten ihren Bürgern, die dauerhaft das Land be­ siedelten, die Grundstückseigentü­ merschaft übertragen. So sind auch Fischerfamilien zu Inselherren ge­ worden. „Es kommt immer wieder vor, dass ein Fischer in Finanznot ge­ rät und seine Insel schnellstmöglich verkaufen will. Mancher will nicht warten, bis wir nach einem halben Jahr einen Käufer für eine Mil­ lion gefunden haben, sondern sofort 300 000 Dollar. In solchen Fällen


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