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Kanadas Herz für Highlander In der östlichsten Provinz Nova Scotia wird mit schottischen Traditionen nicht gegeizt
VON ROGER ZEDI
Bis unter die Decke ist die Lobby des Hector Heritage Quays in Pictou mit bunten Schottenmustern auf Stoffbahnen ausgeschmückt. Jedes der Muster steht für einen Klan. Liest man deren Namen, fällt einem sofort zu jedem ein Prominenter oder eine erfolgreiche Firma ein: McKinsey, McDonald, Douglas, McCarthy oder Irving. Der Erfolg der schottischen Einwanderer und deren Nachfahren war keineswegs programmiert, als 1773 die ersten Immigranten die nordamerikanische Küste erreichten. Eine elfwöchige Horrorfahrt hatten etwa die 171 Passagiere der Hector hinter sich. Furchtbare Stürme trieben das Schiff vom Kurs ab, die Windpocken rafften unter-
wegs 18 Menschen dahin, Trinkwasser und Essen gingen aus. Im Bauch des getreu nachgebauten Holzschiffs, das heute im Hafen von Pictou ankert, weilt man als Besucher nur ungern – bloss schnell wieder an Deck. Die Vorstellung, da drinnen wochenlang auf stürmischer See eingepfercht zu sein, lässt jede Flugzeugkabine als absoluten Luxus erscheinen. Das exponierte Halifax, Zeuge vieler Katastrophen
Heute erreicht man die östlichste Provinz Kanadas in bequemen sieben Stunden. Und trifft in Nova Scotia auf freundliche und aufgeschlossene Menschen, auf endlose, von dich-
Mustergültiges Schottenfest: Highland Games in Antigonish
Abendstimmung: Pittoreskes Peggy’s Cove fotos: K.-H. Raach/Laif
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«Benvenuti»
zu purer Erholung mit Atmosphäre am Lago Maggiore… Unser Erstklasshotel, nur wenige Meter vom See entfernt, gilt unter Kennern längst als charmante Oase der Ruhe und Erholung! Da fällt es einem wirklich leicht, den Alltag herrliche Ferien lang zu vergessen. Relais du Silence ALBERGO GARNI REMORINO – Via Verbano 29 – 6648 Minusio-Locarno
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SILENCEHOTEL
tem Farn durchwucherte Laub- und Nadelwälder und auf leere Strände von rauer Schönheit. Dass man nicht in die USA geflogen ist, merkt man daran, dass die Menschen hier zwar auch viel Zeit in den Wäldern verbringen, dabei aber keinen Drang verspüren, ständig Tiere abzuknallen. Oder dass sie eine obligatorische Krankenversicherung nicht für Teufelswerk halten. «Exposed» sei ihre Stadt halt, exponiert. Aber doch nicht verflucht. Das antworten die Einwohner von Halifax, wenn man sie darauf anspricht, dass ihre Heimat Zeuge so vieler Katastrophen geworden ist. Hier liegen die gebor-
genen Toten der Titanic begraben – das Schiff sank in der Region. Unweit von hier stürzte 1998 eine Maschine der Swissair ins Meer. Doch die grösste Katastrophe der Stadt ereignete sich im Ersten Weltkrieg. Ein voll beladenes Munitionsschiff stiess mit einem anderen zusammen – die Explosion und das Feuer töteten 2000 Menschen. Die Wucht fegte den zweitgrössten natürlichen Hafen der Welt komplett von Wasser leer. Tonnenschwere Metallteile wurden kilometerweit ins Landesinnere geschleudert. Es war die bis dahin grösste von Menschen verursachte Explosion, ein trauriger Rekord, der erst in Hiroshima übertroffen wurde. Die gute Laune lassen sich die Leute in Halifax aber nicht neh-
men. Denn der Atlantik bringt nicht nur Unglück in diese Ecke der Welt, er hält auch den vielleicht besten Seafood parat. Nova Scotia ist derart reich an erstklassigen Meeresfrüchten, dass hier sogar McDonald’s HummerBurger anbietet. Highländern blieb nur der Ausweg in die neue Welt
Verhungert wären hingegen die ersten Einwanderer ohne die Hilfe der Urbevölkerung. Versprochen hatte man den Schotten fruchtbares Land und ein Haus – empfangen wurden sie von dichten Wäldern, die bis an die Küste reichten. Der Weg nach Süden, wo sich bereits Kolonien etabliert Fortsetzung auf Seite 89
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R i g u tto R e i st
Wehrt euch, Eidgenossen! Wir Schweizer gelten – neben den Japanern – als die angenehmsten Hotelgäste. Wir verlassen ein Hotelzimmer sauber, ohne Chaos (manchmal haben wir sogar noch das Bett gemacht). Wir stauchen kein Zimmermädchen zusammen, sondern legen ein schönes Trinkgeld hin. Wir machen morgens um drei Uhr keinen Lärm. Unsere Kreditkarte ist gedeckt (wenn wir nicht bereits im Voraus bezahlen). Und vor allem: Wir motzen nicht.
Seafood und wilde Gestalten: Frischen Hummer gibt es überall, die alten Figuren nur vor der Ortschaft Chéticamp fotos: Huber, Roger Zedi
Man sollte meinen, die Hoteliers würden dieses Verhalten schätzen. Tun sie aber nicht. Das heisst, sie schätzen unser Verhalten sehr, bis auf die Tatsache, dass wir uns nicht beklagen. Man kann Hoteliers auf der ganzen Welt fragen, viele sagen: «Mir wäre es lieber, wenn die Schweizer uns melden würden, wenn sie etwas stört.» Man wisse selten, ob es den Schweizern gefallen «Den Hotelier habe oder nicht. Man merke es immer erst dann, wenn sie stören die das nächste Jahr nicht mehr Beschwerden kommen würden.
nicht, denn nun kann er handeln»
Die Russen zum Beispiel, aber auch die Amerikaner, sind da gaaaanz anders. Kaum im Zimmer, nehmen sie das Telefon in die Hand, verlangen den Direktor und beschweren sich erst einmal. Über zu wenig Alkohol in der Minibar. Über die fehlende Meersicht. Über das zu kleine Bett. Egal. Den Hotelier stört das nicht, denn nun kann er handeln: Er kann ein besseres Zimmer offerieren (wenn er will), eine Preisreduktion vorschlagen, eine Flasche Champagner aufs Zimmer schicken. Der Gast ist besänftigt, der Hotelier erschöpft, aber zufrieden. Alles ist gut. Küstenlandschaft: Mini-Fjorde formend, sticht das Wasser in die Wildnis
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hatten, war ihnen verwehrt: In Neuengland waren sie nicht willkommen. Die Highlander hatten den Krieg gegen England verloren, fortan war es ihnen verboten, ihre Sprache und Kultur zu pflegen. Also blieb für viele einzig der Ausweg in die neue Welt. Freiwilliger legt sich auf den am Boden ausgebreiteten Kilt
«Wer wäre denn gern mehr als ein Mann? Wer wäre gern eineinhalb Männer?» Mit dieser Frage empfängt uns Sally im Gaelic College in St. Ann’s. Was es dazu braucht: einen Grand Kilt. Nicht einen dieser modernen Schottenröcke, die quasi Wickeljupes sind, sondern ein traditionelles, drei Meter langes und anderthalb Meter breites Tuch. Ein Freiwilliger ist rasch gefunden – der Rest der Besuchergruppe atmet auf. Er legt sich auf den am Boden ausgebreiteten Kilt. Sally geht hoch motiviert ans Werk, und nach mehrminütiger Übung ist die Verwandlung in einen Highlander komplett. Der frisch gebackene Ur-Schotte will den Kilt gar nicht mehr hergeben. Im Gaelic College nimmt man es ernst mit der Tuchfühlung, aus aller Welt belegen Tausende Gäste Kurse in schottischen Traditionen. Von der gälischen Sprache über das Spielen von Dudelsack, Fidel und Pfeife bis zum Schottenmusterweben kann man hier alles erleben und erlernen. Das wirkt bisweilen schottischer als alles, was man aus Schottland kennt.
Der neue Kontinent hält aber auch einmalige Dinge bereit. Etwa den weltgrössten Tidenhub, der zweiPRINCE EDWARD Cape Breton mal täglich den Shubenacadie RiISLAND Chéticamp Highlands ver flussaufwärts fliessen lässt, weil OR TH National Park UM KANADA Meerwasser durch die Mündung BER L AN D ST hochgedrängt wird. Das Naturschau RAIT spiel erlebt man am intensivsten im Pictou motorisierten SchlauchAntigonish boot. «Wir werden versuGRÖNLAND chen, so nass wie möglich DY N U FF zu werden», kündigt GuiB AY O de Pete mit breitem GrinKejimjik Halifax KANADA sen an. Unter dem RegenNational Park schutz tragen wir BadePeggy's NOVA SCOTIA ACADIEN Cove hosen. Noch tuckern wir USA den ruhigen Fluss hinab, SonntagsZeitung Huwi 100 km ATL ANTIK dann gehts schnell. Innert MinuAnreise Flug mit Air Canada von Das Haus gehörte in den 1880ern ten steigt der Wasserpegel um drei Zürich via Toronto oder Montreal der Gouvernante der Kinder des bis vier Meter an, rundum bauen nach Halifax, ab 1285 Fr., Königs von Siam. Später war es sich mannshohe, stehende Wellen www.aircanada.com ein Leichenschauhaus, 1912 beauf. Pete steuert frontal darauf zu. Reiseveranstalter Grosse herbergte es die Opfer der Titanic. Unter lautem Geschrei durchstosKanada-Programme bei Skytours, Heute soll es hier spuken. Und es sen wir das aufgetürmte Nass, kein Knecht, Kuoni oder TUI Flex. wird hervorragende Atlantikküche Quadratmillimeter unserer Haut Arrangement Skytours bietet u. a. serviert. www.fivefishermen.com bleibt trocken. «Waschmaschine» die zweiwöchige Rundreise im Sehenswertes qHector Heritage nennt sich dieser Ort treffend. Eine Mietwagen «A Taste Of Atlantic Quay, Pictou. Begehbare RekonsViertelstunde später ist der infanCanada» an. Sie beinhaltet truktion jenes Schiffs, mit dem die tile Spass dann auch schon vorbei, 12 Übernachtungen in Mittel ersten Einwanderer aus Schottder Fluss beruhigt sich wieder. klassehotels, darunter eine im land landeten. www.shiphector.ca Einzigartig sind auch die grotesLeuchtturm, ab 1590 Franken p. P. ken, mannshohen Figuren ausserqGaelic College, St. Ann’s. Alles im DZ, exkl. Automiete, Skytours über Dudelsack, Schottenmuster halb der Ortschaft Chéticamp. Sie Tel. 058 569 95 08, und Schottenrock. reichen sich die Arme, als wollten www.travelhouse.ch/skytours www.gaeliccollege.edu sie zum Tanz der Vogelscheuchen Unterkünfte qGlendora Inn & ansetzen. Ein Mann namens Joe qMaritime Museum of the AtlanDestillery Resort, Glenville. tic, Halifax. Kein anderes Museum hat in den Sechzigern damit beMit schottischer Whiskyder Welt hat so viele Original gonnen, diese Figuren aufzustelDestillerie, ab 140 CAD artefakte der Titanic zu bieten. len. Inspiriert hat ihn ein französiwww.glenoradistillery.com www.maritime.museum.gov.ns.ca scher Brauch, die sogenannte MiChanterelle, Cape Breton Island. Carême. Die Dorfbewohner besuqOutdoor River Rafting, Urbania. Ökologisch geführtes Gasthaus Flussaufwärts Raften im stärkschen sich verkleidet in ihren Häumit antikem Interieur, 145 CAD ten Tidenhub der Welt. sern und müssen erraten, wer hinwww.chanterelleinn.com www.raftingcanada.ca ter der Maske steckt. Heute haben Joe’s Figuren die Region Acadien qInverary Resort, Baddeck. qCape Breton Highlands National Schöne Hotelanlage, hervor Park. Wälder und Strände entlang weit über die Grenzen Neuschottragende Küche, ab 165 CAD. der Küstenstrasse. lands hinaus bekannt gemacht.
Tipps & Infos: Atlantikküche, Whisky und Wildnis
N
Kanadas Herz für Highländer
foto: Raach/Laif
www.inveraryresort.com Essen Five Fishermen, Halifax.
www.parcscanada.ca Allg. Infos www.novascotia.com
Die Reise wurde unterstützt von Travelhouse/Skytours
Anders die Schweizer. Sie fluchen über die Staubfetzen neben dem Bett,ärgern sich über das viel zu harte Kissen oder sind irritiert über den schlechten Service im Hotelrestaurant. Sie lästern darüber, melden es vielleicht sogar per SMS ihren Freunden zu Hause, doch sie nehmen kein Telefon in die Hand. Stattdessen machen sie die Faust im Sack und lassen sich nichts anmerken. Noch bei der Abreise sagen sie: «Ja, ja, war alles tipptopp» – und schwören sich, nie mehr einen Fuss in dieses Hotel zu setzen. Der Gast ist genervt, und der Hotelier hat einen Kunden weniger. Nichts ist gut. Ähnliches erlebt? Schreiben Sie unserer Reise-Redaktorin Stefanie Rigutto auf stefanie.rigutto@sonntagszeitung.ch
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