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Nr. 203 Donnerstag 20. Oktober 2011

Flugh채fen suchen nach neuen Wegen f체r Wachstum

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DONNERSTAG, 20. OKTOBER 2011 www.handelsblatt.com

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KOMMENTAR DES SPONSORS

Mobilität sichert Wohlstand

Dr. Stefan Schulte Vorstandsvorsitzender Fraport AG ehr denn je ist die Stärke der deutschen Wirtschaft ein Ergebnis ihres Exporterfolgs. Mehr denn je ist sie dabei auf hervorragende Luftverkehrsverbindungen in alle Welt angewiesen. Exporteure brauchen exzellente globale Vernetzung, wollen sie konkurrenzfähig bleiben und auf den Weltmärkten präsent sein. Im Innovationswettlauf hält nur mit, wer Know-how aus den globalen Wissensnetzen in die eigene Entwicklung inkorporiert. Globale Mobilität hat sich deshalb vom nachgelagerten Vertriebsinstrument zum zentralen Produktivitätstreiber gemausert. Die industriellen Produktionsstraßen wurden durch globale Wertschöpfungsketten ersetzt, deren Stationen mit den Flugzielen von Topmanagern und Entwicklungschefs deckungsgleich sind. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung der Luftfracht zu. Ein Smartphone wird zwar in China hergestellt, aber aus Komponenten, die allesamt erst dorthin gebracht werden. Per Luftfracht – Logistikketten per Seefracht wären bei den kurzen Marktzyklen chancenlos. Der Flughafen Frankfurt ist sowohl für Passagiere als auch in der Fracht der große interkontinentale Flughafen Deutschlands und das geografisch zentrale Drehkreuz Europas. Rund 70 Prozent aller deutschen Interkontinentalflüge gehen über Frankfurt. Mehr als die Hälfte der Passagiere sind Umsteiger. Weil der Hub-Betrieb das Herz dieses Flughafens ist, hat er die meisten weltweiten Ziele aller vergleichbaren Flughäfen. 114 Airlines fliegen von hier rund 300 Destinationen in 110 Ländern an. Noch größer ist die Konzentration auf die Drehkreuz-Funktion in der Fracht. Die Hälfte der weltweiten Luftfracht wird an 22 großen Hubs umgeschlagen. Frankfurt spielt auch hier in der Topliga. Nur die großen asiatischen Exportplätze Hongkong, Schanghai und Seoul sowie die auf Fracht spezialisierten Flughäfen Anchorage und Memphis liegen vor Frankfurt. Mit der vierten Bahn, die am 21. Oktober in Betrieb geht, bleibt der Flughafen Frankfurt ein leistungsfähiges internationales Drehkreuz und sichert der deutschen Wirtschaft eine wesentliche Voraussetzung für Erfolg im Wettbewerb und für Prosperität und Wohlstand im eigenen Land.

plainpicture/Deepol/Rui Camilo; Reiner Zensen/IMAGO

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Düsentriebwerk eines Flugzeugs: Der Wettbewerb der Flughäfen um die Führungspositionen im internationalen Luftverkehr wird härter.

Inhalt STRATEGISCH: Kapazitätsengpässe und neue Wettbewerber gefährden die Führungsrolle der Großflughäfen Europas. Konkurrenten auf anderen Kontinenten warten Seite 4 auf ihre Chance.

TIERLIEB: In der Animal Lounge von Lufthansa Cargo werden Tiere auf der Durchreise professionell umsorgt. Zierfisch, Löwe und Pinguin finden artgerechte ZwiSeite 9 schenquartiere.

CLEVER: Weil Flughäfen nicht endlos wachsen können, hilft oft nur intelligentes Management, um mehr Passagiere zu bedienen. IT-Systeme spielen dabei die Schlüsselrolle. Seite 12

UMSTRITTEN: Eine neue Landebahn ist der Traum jedes Flughafenchefs und der Alptraum vieler Anwohner. Am Freitag eröffnet die Kanzlerin eine noch immer umkämpfte Piste. Seite 6

AUFSTREBEND: Mehr Platz für Hotels und Gewerbe: Am Flughafen Frankfurt entsteht eine Bürostadt mit repräsentativen Gebäuden. Prominente Mieter sind schon gefunden. Seite 10

EXPERIMENTELL: Alain de Botton probierte am eigenen Leib, was eine Woche Heathrow mit ihm macht. Im Interview erklärt der Autor, ob sich sein Blick auf Großflughäfen verändert hat. Seite 14

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Wer fliegt an die Spitze?

Luftfahrt: Es geht weiter aufwärts, aber der Druck steigt

„Wir laufen Gefahr, aus der Topliga der europäischen Flughäfen herauszufallen.“

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as Ziel des Emirats ist klar. Dubai soll die Drehscheibe der Welt werden, der Umsteigeplatz auf den boomenden Strecken von und nach Asien und hinüber in die USA. Damit würde sich der Flugverkehr von der lange dominierenden Achse Europa-Nordamerika verlagern. Dazu passt, dass auch in Asien neue Super-Drehkreuze entstehen. So plant zum Beispiel die chinesische Regierung in Peking einen neuen Großflughafen. Der „alte“, in seiner letzten Ausbaustufe gerade erst fertig geworden, ist mit 70 Millionen Fluggästen schon zu klein. Ein gigantischer Markt in Asien und ein geografisch perfekt gelegener Brückenkopf in Dubai, besser könnte das Traumpaar nicht aussehen. Der Flugzeugkonzern Air-

bus erwartet, dass das größte Wachstum für das europäische Hersteller-Konsortium auf absehbare Zeit im asiatisch-pazifischen Raum stattfinden wird. Die Folge: Asien-Pazifik wird nach Airbus-Erwartungen in 20 Jahren mit einem Anteil von 33 Prozent der größte Luftverkehrsmarkt sein und die beiden bisherigen Platzhirsche Europa (23 Prozent) und Nordamerika (20 Prozent) vom Thron stoßen. Das macht die Sache für die europäischen Flughäfen so gefährlich. Sie müssen aufpassen, dass das künftige Wachstum nicht an ihnen vorbeiläuft. Rund die Hälfte der 53 Millionen Passagiere, die Fraport in Frankfurt derzeit im Jahr zählt, steigen hier auf ihrem Weg von Ost nach West und umgekehrt um. Vielen dürfte es egal sein, ob sie das in Frankfurt oder Dubai machen. Auf die europäischen Flughäfen wartet also eine gewaltige Herausforderung. Denn bislang können die Europäer den gigantischen Wachstumsplänen außerhalb des Kontinents nur staunend zuschauen. Zwar wird auch in Frankfurt kräftig investiert. Gerade erst geht die vierte Bahn in Betrieb. Nächstes Jahr soll dann der neue Abfertigungsbereich A-Plus folgen. Ebenso laufen bereits die Vorbereitungen für ein drittes Terminal. Im Jahr 2020, so schätzt Fraport-Chef Stefan Schulte, wird Frankfurt auf ungefähr 88 Millionen Passagiere im Jahr kommen. Damit könnte Frankfurt in Europa immerhin die Spitzenposition erreichen. Denn gleichfalls in Paris sieht es derzeit nicht nach einer massiven Kapazitätsausweitung aus. Aktuell kommt der zentrale Flughafen Charles de Gaulle auf gut 58 Millionen Fluggäste. Nach Ansicht von Analysten hat Frankfurt sehr gute Chancen, gegenüber Heathrow und Paris dauerhaft bestehen zu können. Doch das Kernproblem bleibt: Jeder weitere Ausbau wird zur Geduldsprobe. Während in der arabischen Welt oder in China neue Kapazitäten innerhalb weniger Jahre aufgebaut werden, wird in Europa diskutiert, moderiert und abgewogen. Mehr als zehn Jahre dauerte es zum Beispiel, bis die vierte Bahn in Frankfurt fertiggestellt wurde. Niemals zuvor wurden die Unterlagen und Pläne so intensiv öffentlich ausgelegt und diskutiert. Die neue Betonpiste gilt damit als das wohl am akribischsten vorbereitete Infra-

Auf Wachstumskurs Die führenden europäischen Flughafenbetreiber im Vergleich* Kennzahlen (Veränd. in %) BAA (London) Aéroports de Paris (Paris) Fraport (Frankfurt)

Umsatz in Mio. € 2 384 (+4,9%)

Op. Ergebnis Passagierin Mio. € zahl in Mio. 630 84,3 (+242%) (+1,8%)

2739 (+4%)

542 (5,8%)

83,4 (+0,4%)

2 194 (+9,2%)

430 (+43,2%)

164,7 (+23,3%)

Passagierkapazitäten

Davon in ... (Passagiere) 65,7 Mio. (Heathrow) 58,2 Mio. (Charles de Gaulle) 53,0 Mio. (Frankfurt/M.)

Aktuell Erweiterungsmöglichkeit

Frankfurt

58 Millionen

88 Millionen ab 2020

Charles de Gaulle

60 Millionen

kein Ausbau geplant

Heathrow

75 Millionen

kein Ausbau geplant

Dubai (DWC, zum Vergleich)

7 Millionen

160 Millionen ab 2030

Handelsblatt

*jeweils das letzte Geschäftsjahr

Quelle: eigene Recherchen

Fahrwerk eines Airbus A 380: Riesenfliegern erwächst Konkurrenz durch kleinere und sparsame Maschinen.

strukturprojekt dieser Republik. Das gigantische Verfahren war direkte Folge aus den Erfahrungen mit der Startbahn West. Eine Eskalation wie in den 70er- und 80er-Jahren wollten die Beteiligten mit aller Macht vermeiden. Und doch ist das letzte Wort über die Bahn immer noch nicht gesprochen. Wahrscheinlich zu Jahresbeginn wird das Bundesverwaltungsgericht endgültig über die Frage der umstrittenen Nachtflüge entscheiden.

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ollte es zu einem Nachtflugverbot kommen, wäre das für Fraport ein Rückschlag, auch wenn der Betreiber nach außen Gelassenheit demonstriert. Gerade für das bedeutende Frachtgeschäft ist die Nacht wichtig. Frachtflieger können etwa in Hongkong nur zu bestimmten Zeiten starten und landen, so dass die Flugzeuge Deutschland eben nur in der Nacht erreichen. Nicht besser sieht es in München aus. Gerade erst haben die Behörden den Bau einer dritten Bahn genehmigt, schon wächst die Protestbewegung. Bayrische Politiker warnen vor einem München 21, in Anlehnung an den Dauerprotest gegen den Neubau des Stuttgarter Bahnhofs. Hindernisse bei den Erweiterungsplänen sind nicht das einzige Problem der europäischen Flughäfen. Hinzu kommt ein Paradigmenwechsel, der sich gerade in der Luftfahrt abzeichnet: der Trend zum dezentralen Flughafen. So hat vor wenigen Tagen die japanische Fluggesellschaft All Nippon Airways ihren ersten Dreamliner übernommen, die Boeing 787. Mit ihr können Fluggesellschaften künftig auch von etwas kleineren Flughäfen auf die lange Strecken gehen. Die je nach Ausstattung der Innenkabine bis zu 330 Sitze sind auch an dezentralen Flughäfen schnell und gut zu füllen. Die sparsamen Triebwerke stellen sicher, dass sich die Maschine trotz der begrenzten Fluggastzahl rechnet.

Eibner/IMAGO

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er sich näher mit der Luftfahrt beschäftigt, stößt schnell auf zwei immer wieder genannte Gesetzmäßigkeiten. Die eine: Die Luftfahrt reagiert zwar empfindlich auf Krisen, erholt sich danach aber umso schneller wieder davon. Die andere: Die Luftfahrt wächst im Schnitt doppelt so schnell wie die allgemeine Wirtschaft. Eigentlich ist damit die Entwicklung der Branche mehr als ausreichend beschrieben. Sie wird auf lange Sicht weiter wachsen, das aber in Form von Kurven, deren Ausschläge eher größer als kleiner werden. Gerade einmal knapp zwei Jahre sind seit der letzten großen Krise vergangen, da kündigt sich schon die nächste an. Die weltweite Luftfahrtorganisation IATA hat vor wenigen Tagen vor einem schwierigen Jahr 2012 gewarnt. Werden die Airlines 2011 noch mit einem Gewinn von zusammengerechnet 6,9 Milliarden Dollar abschließen können, werden es 2012 wohl nur noch maximal 4,9 Milliarden Dollar sein. Dabei spiegelt die Umsatz- und Gewinnerwartung allerdings kaum die tatsächliche Entwicklung der Branche wider. Knallharter Wettbewerb und ein ruinöser Preiskampf verzerren die Daten. So geht die IATA davon aus, dass die Zahl der Passagiere in diesem Jahr weltweit um 5,9 Prozent zulegen wird, 2012 werden dann noch einmal 4,6 Prozent obendrauf kommen. Die Fracht wird in diesem Jahr dagegen nur um 1,4 Prozent wachsen, Ausdruck der mittlerweile sehr gut gefüllten Lager und des nachlassenden Wirtschaftswachstums. 2012 geht es hier dann wohl mit 4,2 Prozent wieder kräftiger bergauf. Mittelfristig scheint also der Aufwärtstrend im Luftverkehr Bestand zu haben – allen Krisen und Unsicherheiten zum Trotz. Darauf baut auch der Flugzeughersteller Airbus. Er hat vor wenigen Wochen seine Prognose bis 2030 aktualisiert und vorgestellt. Danach gehen die Experten des europäischen Konsortiums davon aus, dass bis 2030 eindrucksvolle 27 800 neue Flugzeuge benötigt werden. Der Bestellwert dieses Bedarfs: 3,5 Billionen Dollar. Heute sind etwa 15 000 Flugzeuge rund um den Globus unterwegs. Viele davon müssen ersetzt werden, etliche Airlines kaufen sparsamere Flugzeuge. Unter dem Strich wird nach Airbus-Erwartungen die weltweite Flugzeugflotte bis 2030 auf 31 500 wachsen. Das sind jede Menge zusätzliche Flieger, die irgendwo starten und landen müssen, also einen Flugplatz brauchen. Die Airbus-Auguren begründet ihre Prognose vor allem mit der Erwartung, dass immer mehr Menschen fliegen wollen, nicht zuletzt in den Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas. Im Durchschnitt wird die Zahl der verkauften Sitzplatzkilometer – der Wert drückt die Zahl der Sitzplätze pro geflogenem Kilometer aus – jährlich im Schnitt um 4,8 steigen. Nach den Berechnungen von Airbus bedeutet das eine Verdopplung des Luftverkehrs in den kommenden 20 Jahren. „Der Luftfahrtsektor ist ein unerlässlicher Bestandteil der heutigen Weltwirtschaft. Deswegen wollen oder müssen so viele Menschen wie nie zuvor fliegen“, sagt Airbus-Vorstand John Leahy. Er bleibt für die weitere Zukunft der Branche zuversichtlich. Jens Koenen

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Der Frankfurter Flughafen hat beste Aussichten, in einigen Jahren die europäische Nummer eins zu werden. Doch das reicht nicht. Die Konkurrenz lauert außerhalb Europas. s war als Warnschuss an die Politik gedacht. Vor wenigen Wochen präsentierte BAA, Eigentümer und Betreiber des britischen Flughafens London-Heathrow, eine Studie über die weitere Perspektive des größten Airports auf den britischen Inseln. Das Ergebnis: Innerhalb der nächsten Jahre droht Heathrow hinter die beiden anderen großen europäischen Flughäfen in Paris und Frankfurt auf den dritten Rang zurückzufallen. „Wir laufen Gefahr, aus der Topliga der europäischen Flughäfen herauszufallen“, warnte Emma Gilthorpe, Vorstandsmitglied von BAA, eindringlich. Auch wenn die Studie eine Auftragsarbeit war, die Ergebnisse sind nicht unbegründet. Die britische Regierung stemmt sich mit aller Macht gegen den Bau einer dritten Start- und Landebahn am chronisch überlasteten Flughafen in Heathrow. Für BAA eine äußerst gefährliche Situation. Erzrivale Frankfurt nimmt gerade seine vierte Bahn in Betrieb. Zwar behindert hier das per Gericht verhängte vorübergehende Nachtflugverbot, aber die aktuelle Erweiterung ist nicht grundsätzlich gefährdet. Paris Charles de Gaulles wiederum hat bereits vier Bahnen. Der Kampf um die Vormachtstellung bei den Drehkreuzen für die Luftfahrt, den so genannten Hubs, ist in vollem Gange. Wer in Emma Gilthorpe Europa das größte Drehkreuz beBAA Limited sitzt, hat die besten Aussichten auf ein ordentliches Stück vom Luftverkehrskuchen. Nur der Ort, an dem sich Passagierverkehr und Frachttransport in ausreichendem Maße kreuzen, ist für Airlines und Logistiker attraktiv. Dort können die großen Flugzeuge für die Langstrecke gefüllt werden. Dort können Pakete und Paletten schnell und ohne größere Verzögerungen umgeladen werden – vom Lkw auf das Flugzeug und umgekehrt oder vom Frachtflieger in die Bäuche der Passagierflugzeuge. Das Problem: Selbst die Marktführerschaft in Europa garantiert nicht das langfristige Überleben. Längst ist nicht mehr nur der eigene Kontinent der Maßstab, es ist die Welt. In Dubai etwa entsteht ein Flughafen der absoluten Superlative. 2020 soll der Dubai World Central International Airport – kurz DWC – 160 Millionen Passagiere pro Jahre bedienen. In diesem Jahr werden schon 51 Millionen Passagiere über Dubai fliegen, davon nutzen sieben Millionen den DWC.

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Schon seit einiger Zeit realisieren die etablierten Airlines, dass die Kunden direkte Verbindungen bevorzugen – und dafür bereit sind, mehr zu zahlen. So können Passagiere seit kurzem etwa von Hamburg mit der Lufthansa-Tochtergesellschaft Germanwings direkt nach Spanien fliegen und müssen nicht zwangsläufig über die Drehkreuze Frankfurt oder München reisen. Zwar werden die großen Hubs weiter wachsen. Aber die neuen Flugzeugtypen stärken zugleich die Flughäfen der zweiten Reihe. Plötzlich bekommen große Drehkreuze Konkurrenz aus der unmittelbaren Nachbarschaft. Interessant sind die neuen Möglichkeiten nicht zuletzt für Billig-Fluggesellschaften, die Low-Cost-Airlines. Deren Geschäftsmodell schien bislang ausschließlich auf der Kurzstrecke zu funktionieren. Lange Standzeiten an großen Flughäfen, um die großen Langstrecken-Flugzeuge wie die A 380 zu füllen, sind Gift für diese Geschäftsidee. Denn nur in der Luft verdient eine Airline. Mit dem Dreamliner gilt das nun nicht mehr. Billigflug und Langstrecke passen plötzlich zusammen. Jetstar, die Billig-Tochter der australischen Airline Qantas, hat bereits angekündigt, mit der Boeing 787 bald von Asien nach Europa und Amerika fliegen zu wollen. Die großen Drehkreuze müssen gegensteuern. Nach Ansicht von Branchenexperten sollte das vor allem durch eine Verbesserung der Service- und Dienstleistungsqualität geschehen. Auf dem Gebiet seien die Flughäfen jenseits Europas, vor allem die in Asien oder in der Golf-Region, eindeutig besser, urteilte die Beratungsgesellschaft Arthur D. Little vor einiger Zeit in einer Studie. Die notwendige Kraft, diese Aufholjagd zu starten und auch erfolgreich abzuschließen, haben die europäischen Airports allemal. Wirtschaftlich stehen die großen Betreiber gesund da. Operative Margen um die 20 Prozent können sich sehen lassen und bieten den notwendigen Spielraum für die erforderlichen Investitionen.

Unter den drei europäischen Flughäfen liegt BAA in puncto Profitabilität vorne – mit einer operativen Marge von 26,4 Prozent. Die Frankfurter kamen im vergangenen Jahr auf 19,6 Prozent – und belegen Rang drei. Allerdings hat der britische Konkurrent auch keine eigenen Bodenverkehrsdienste. Die belasten Fraport, weil sie defizitär sind, dort aber als Teil des Komplettservices angesehen werden.

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in weiterer Grund für das verhältnismäßig schlechte Abschneiden der Frankfurter dürfte das wichtige Geschäft mit Handel sowie mit der Gastronomie sein. Das haben die Betreiber in Paris und London früher als Fraport entdeckt und entsprechend kultiviert. Mit sichtbarem Erfolg: BAA erlöst pro Passagier umgerechnet 6,08 Euro. Der Pariser Betreiber Aéroports de Paris kommt sogar auf ansehnliche 14,30 Euro, allerdings rechnet er anders als die Wettbewerber die Kosten bei dieser Kennzahl nicht heraus. Fraport erlöst gut drei Euro. Verzerrt werden diese Zahlen auch, weil Fraport anders als etwa Paris oder London keine eigenen Läden betreibt, sondern diese nur vermietet. Dennoch wird Fraport-Chef Schulte nicht müde zu betonen, dass er den Erlös je Passagier weiter steigern will. Mit entsprechenden Folgen für den Gewinn. Handelsexperten schätzen, dass mit den Läden jenseits der Sicherheitskontrolle, im Fachjargon „Airside“ genannt, ein höherer Flächenumsatz erzielt werden kann als in den Toplagen der Innenstädte. Besser als die europäische Konkurrenz steht Fraport dagegen bei der Bewirtschaftung seiner Immobilien da. Hinzu kommt das starke Auslands-Engagement der Frankfurter. Hier hat Fraport mehr Weitblick bewiesen als die Rivalen. Beteiligungen wie die in Lima oder AntaJens Koenen lya laufen ausgesprochen gut.

Terminal 2 des Frankfurter Flughafens: Der Betreiber will den Erlös je Passagier nach oben treiben.


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Die Nordwestlandebahn geht am Freitag in Betrieb – trotz aller Widerstände. Sie soll dem Frankfurter Flughafen neues Wachstum bescheren. Viele Bürger protestieren weiter.

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angsam rollt ein dicker Airbus über die Landebahn in Richtung Terminal. Eine Boeing 747 setzt schon zum Sinkflug an – der Flugplan muss schließlich eingehalten werden. Am Ende vergeht zwischen der Landung der beiden Maschinen nur etwa eine Minute. Alltag am Frankfurter Flughafen. Seit Jahren arbeitet er am Limit. Genau deshalb hat das Betreiberunternehmen Fraport eine neue Landebahn im Nordwesten gebaut. Am Freitag wird sie in Betrieb genommen – laut Protokoll mit der Landung einer Regierungsmaschine, der Bundeskanzlerin Angela Merkel entsteigen wird. „Wenn Deutschland als Drehscheibe weiterhin eine Bedeutung haben soll, ist der Ausbau des Frankfurter Flughafens unerlässlich“, ließ sie per Videobotschaft vorab wissen. In der Bevölkerung ist das Projekt dennoch umstritten. Kommunen und sogar das Bundesland Rheinland-Pfalz wollen klagen. Welche Maschine wann landen darf, ist keine spontane Entscheidung. Selbst ihr Weg über das Rollfeld steht schon Wochen im Voraus fest. Ein präziser Plan, für dessen Umsetzung Florian Ankert zuständig ist. Der Lotse steht in einem der Kommandotürme, den Blick auf einen Bildschirm gerichtet. Blinkende Zahlen

und Buchstaben verändern sich ständig. Sie stehen für die Flugzeuge, um die sich Ankert gleich kümmern muss. Der träge Airbus auf dem Rollfeld heißt hier „LH465“. Eine Lufthansa-Maschine aus Orlando mit mehr als 300 Menschen an Bord. Gelandet sind sie auf der äußeren der beiden parallelen Bahnen. Deshalb schenkt ihnen Ankert besondere Aufmerksamkeit. Denn um zum Terminal zu kommen, muss das Flugzeug die zweite Landebahn überqueren. „Lima 5“, heißt einer der wenigen Punkte, an dem das möglich ist. „Das kostet natürlich Zeit“, sagt Ankert. „Deshalb sind weniger Flugbewegungen möglich.“ Hinzu kommt ein anderes Problem. Weil die beiden Bahnen nur 500 Meter trennen, kann auf beiden nicht gleichzeitig gelandet werden. Die aus den Düsentriebwerken austretende Luft könnte das jeweils andere Flugzeug vom Kurs abbringen. „Die Infrastruktur ist errichtet worden, als es fast nur Propellermaschinen gab“, sagt Flughafensprecher Roy Watson. „An den technischen Fortschritt haben die Verantwortlichen damals einfach nicht gedacht.“ Obwohl es in Frankfurt zwei Lande- und seit den 80er-Jahren eine zusätzliche Startbahn gibt, können pro Stunde nur 84 Flugbewegungen stattfinden. Mehr geht nicht.

Heißes Pflaster: Die Computersimulaton zeigt die Landebahn Nordwest im ehemaligen Kelsterbacher Wald.

Fraport AG/ddp

Bahn frei!

Viele Airlines dürfen deshalb nicht nach Frankfurt fliegen, obwohl sie es gerne würden. Jedes Jahr trifft sich die Branche auf einer Konferenz, um „Slots“ zu verteilen, winzige Fenster im eng getakteten Zeitplan. „In jüngster Zeit gab es über 20 Prozent mehr Anfragen als Plätze“, sagt Watson. Fraport konnte die große Nachfrage der Airlines nicht bedienen. Den Anstoß für eine Kapazitätserweiterung gab folgerichtig ein Großkunde. Jürgen Weber, damaliger Chef der Lufthansa, mahnte im Herbst 1997 bei einer Veranstaltung in einer Frankfurter Brauerei: Wenn nicht bald eine neue Bahn gebaut werde, drohe dem Standort ein Bedeutungsverlust. Die Fluglinien würden sich dann nach Alternativen umsehen. Was Weber prophezeite, konnte man in den folgenden Jahren tatsächlich beobachten. War die jährliche Zahl der Passagiere zwischen 1990 und 2000 noch um fast 70 Prozent auf 49 Millionen gestiegen, kamen in der darauf folgenden Dekade lediglich vier Millionen Menschen hinzu. Der Kapazitätsengpass bremste das Wachstum, die Landesregierung sah Arbeitsplätze in Gefahr. Über 70 000 Menschen arbeiten am Flughafen, 19 000 davon bei Fraport. 1998 beauftragte der damalige hessische Ministerpräsident Hans Eichel eine „Mediationsgruppe“. Sie sollte die Interessen des Flughafens und der Anwohner in Einklang bringen. Doch letztere fühlen sich übergangen. Zu Beginn des Jahres 2000 empfahl das Gremium den Bau einer neuen Landebahn. Neun Jahre später folgte der erste Spatenstich. Für Fraport ein großer Gewinn: Schon im Winterflugplan soll es acht Flüge pro Stunde mehr geben, bis 2015 seien 100 Flüge pro Stunde möglich, langfristig sogar 126. Fraport-Chef Stefan Schulte glaubt, die Passagierzahlen so fast verdoppeln zu können. Nicht alle jubeln. Mehr Flüge bedeuten auch mehr Lärm. „Hier werden wirtschaftliche Interessen über Gesundheit und Lebensqualität der Anwohner gestellt“, sagt Ingrid Kopp. Sie spricht für etwa 50 Bürgerinitiativen, in denen sich Menschen zusammengeschlossen haben, die in der Einflugschneise wohnen. Das Bündnis bekommt in diesen Tagen neuen Zustrom. Denn in Zukunft fliegen einige Maschinen eine neue Route, über die Dächer von Gemeinden in Rheinland-Pfalz, die bisher mit dem Flughafen gar nichts zu tun hatten. Zehn neue Initiativen wurden dort gegründet. Sie wenden sich auch gegen die Umwelteingriffe der 600 Millionen Euro teuren, fertigen Piste. Nun wollen Kommunen und das Bundesland RheinlandPfalz klagen. Einen ersten Erfolg haben sie erzielt, als jüngst der hessische Verwaltungsgerichtshof überraschend ein Nachtflugverbot verhängte. „Das war ein großer Erfolg für uns“, sagt Kopp. Nun muss das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in letzter Instanz entscheiden. Zumindest bis dahin genießen die Anwohner eine Reihe ungestörter Nächte. David Meiländer

Flughafen Frankfurt: Ein Provisorium auf Lebenszeit ft sind es Krisen, die zu Umstrukturierungen führen. Beim Frankfurter Flughafen war es immer anders. Er musste sich verändern, weil er zu erfolgreich war. Weniger als eine Million Passagiere jährlich stiegen hier Anfang der 50er-Jahre in ein Flugzeug. 2010 zählte die Flughafengesellschaft Fraport rund 53 Millionen Passagiere. Die Erfolgsgeschichte begann mit einer Ruine. Aus dem alten Rhein-Main-Flughafen, im Krieg fast völlig zerstört, schuf die US-Armee 1945 eine Flugbasis. 1949 wurden zwei parallele Lande- und Startbahnen gebaut, auf denen schon wenig später die ersten Zivilmaschinen abhoben. Die Menschen strömten nach Frankfurt, die Abfertigungshallen füllten sich rasch. Erst 1972, zwei Jahre nach der Landung des ersten Großflugzeugs, einer Boeing 747, wurde ein neues, viele Tausend Quadratmeter großes Gebäude errichtet, das heutige Terminal 1. Doch schnell stieß der Flughafen an seine erste Grenze. 1980 stiegen in Frankfurt bereits über 17 Millionen Passagiere ein-, aus oder um. Immer mehr Fluglinien wollten hier landen oder starten. Doch für sie gab es im

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Flugplan keinen Platz mehr. Frankfurt hatte ein Kapazitäts-, aber auch immer mehr ein Lärmproblem. Ersteres wollten die Verantwortlichen mit einer neuen Startbahn im Westen lösen. Aber weil der Lärm immer mehr Anwohnern zu schaffen machte, wurde das Vorhaben auf Jahre verzögert. Die Bewohner der umliegenden Gebiete protestierten und klagten gegen einen Flughafenausbau. Erst Anfang der 80er-Jahre herrschte Rechtssicherheit. 1984 wurde die Startbahn schließlich eröffnet

und wieder strömten immer mehr Passagiere nach Frankfurt. Innerhalb von sechs Jahren stieg ihre Zahl um 70 Prozent. Schnell war klar, dass so viele Menschen im Terminal 1 auf Dauer keinen Platz finden würden. Nach mehreren Jahren Bauzeit ging 1994 das zweite Terminal in Betrieb – ebenso wie die berühmte automatisch betriebene Hochbahn Skyline. Mit dem Ende der 90er- Jahre eröffneten Fernbahnhof, direkt neben der Autobahn, wurde das Einzugsgebiet erweitert – die Anreise ist flott erledigt per ICE. Für die Zukunft ist kein Stillstand zu erwarten: Die Eröffnung eines dritten Terminals steht bereits fest auf der Fraport-Agenda – es soll spätestens 2020 komplett fertig sein. David Meiländer Historische Aufnahmen vom Frankfurter Flughafen: Immer wieder stieß der Airport an seine Kapazitätsgrenze.


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Transportflugzeug von Lufthansa Cargo: Frankfurt ist wichtigster Standort.

Jeder Last gewachsen

unabhängig vom Rhein-Main-Wetter untergebracht sind. Ausgeklügelter Sicht- und Kontaktschutz nimmt den sensiblen Passagieren, die sich bekanntlich in freier Wildbahn nicht alle so ohne weiteres vertragen würden, den Stress. Kundschaft für die Animal Lounge gibt es reichlich. Laut Lufthansa-Statistik sind es im Jahr rund 1 600 Pferde, 15 000 Haustiere, 3 000 Tonnen Zierfische. Artenvielfalt weiterhin: Löwenbabys, Flusspferde und Pinguine. Versteht sich, dass die Animal Lounge bei allem Komfort für ihre Gäste naturgemäß auch als Logistik-Umschlagplatz ausgestattet ist. So gibt es strikt getrennte Abteilungen für Import, Export und Transit. Versteht sich ebenso: Auch die flughafentypischen Sicherheitsauflagen werden voll erfüllt – das Gebäude ist kein Streichelzoo, sondern eine rund um die Uhr videoüberwachte Airporteinrichtung.

Gut hundert Jahre nach dem ersten Frachtflug in den USA ist die globale Wirtschaft beim Warentransport auf die Luftfahrt angewiesen. Als klassischer Speditionsflughafen hat sich Frankfurt in der Top Ten der internationalen Umschlagplätze etabliert.

„Wir wollen in Frankfurt Perspektiven schaffen für die Region.“

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er Frankfurter Flughafen ist im weltumspannenden Luftfrachtgeschäft eine der allerersten Adressen. „Es gibt weltweit gut 20 Flughäfen, die als Frachtdrehkreuze fungieren. Über sie läuft praktisch die Hälfte des gesamten AirCargo-Aufkommens“, erläutert Bernhard Leßmann, Luftfracht-Experte bei Fraport. „Und wir hier in Frankfurt sind im weltweiten Ranking die Nummer sechs oder sieben.“ Dabei sei Fraport „ein klassischer Speditionsflughafen“, ausgerichtet auf die typischen Produktionsformen der Logistikbranche – von der Bearbeitung ankommender Sendungen über das Zwischenlagern und Kommissionieren bis zum weiteren Versand. Rund 100 Millionen Packstücke durchlaufen pro Jahr die beiden Luftfrachtstandorte des Frankfurter Flughafens, die Cargo City Nord in unmittelbarer Nachbarschaft der PassagierTerminals und die später gebaute, derzeit vor einer weiteren Erweiterung stehende Cargo City Süd. Ein Speditionsairport unterscheidet sich vom Integrator-Flughafen: Integratoren sind internationale Paketdienste wie DHL, Fedex oder UPS, die mit eigenem Fluggerät und Streckennetz ihre Umschlagplätze in eigener Regie bedienen – Beispiele dafür sind die Flughäfen Köln-Bonn oder Leipzig.

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raport beschränkt sich aber nicht auf die Bereitstellung der Infrastruktur für die Luftfracht: Zu den großen Frachtabwicklern gehört neben externen Unternehmen auch die Fraport Cargo Services. Sie ist eine Tochter des Fraport-Konzerns, die etwa ein Viertel der am Airport bewegten Luftfracht-Tonnage betreut. Rund 2,2 Millionen Tonnen Luftfracht durchliefen Frankfurt im letzten Jahr. Auch wenn die globalen Konjunkturabschwächungen derzeit leichte Dellen in der Aufwärtskurve hinterlassen haben, rechnet Andreas Deistler, für die Zahlen bei Cargo Services verantwortlich, generell weiter über die nächsten Jahre mit einem deutlichen Anstieg des Aufkommens. „Wir peilen für 2020 etwa 3,1 Millionen Tonnen an.“ Skeptiker weist er in die Schranken: Auch in der Vergangenheit sei die Fracht schneller gewachsen als angenommen: „Als wir 1994 die Pläne für die Cargo City Süd präsentierten, haben uns manche Größenwahn vorgeworfen. Doch die prognostizierten Frachtmengen haben wir im vorletzten Jahr erstmalig erreicht.“ Und der Ausbau der Cargo City Süd geht weiter. Um 27 Hektar soll das Gelände erweitert werden, ein Areal mit den Ausmaßen von 35 Fußballplätzen mit großen Umschlag- und Lagerhallen, mit Büroflächen und reichlich Parkplätzen. „Die Entwicklung der Cargo City am Flugha-

Kopf-an-Kopf-Rennen Frachtaufkommen an den Flughäfen Frankfurt und Paris in Mio. Tonnen Aircargo* 2,4

2,5 Fraport

2,0

2,3 1,5 1,0 Charles de Gaulle

0,5 0 1991 Handelsblatt

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Das Luftfracht-Business in Frankfurt ist ein vielseitiges Geschäft, an dem sich gut hundert Unternehmen beteiligen und damit auf dem Flughafen rund 10 000 Arbeitsplätze schaffen. Leßmann: „Unsere Aufgabe als Flughafen-Betreiber ist es zunächst, dem Luftfracht-Business die erforderliche Infrastruktur, also im Wesentlichen die nötigen Straßen, Flächen und Hallen, zur Verfügung zu stellen.“ Das nutzen 18 Cargo-Handling-Agenten – der größte ist Lufthansa Cargo, sie allein betreibt die Cargo City Nord. „Frankfurt, im Herzen von Europa gelegen, ist der ideale Standort für ein Frachtdrehkreuz“, sagt Lufthansa-Cargo-Vorstandschef Karl Ulrich Garnadt. Fraport sei „der Dreh- und Angelpunkt im weltweiten Streckennetz von Lufthansa Cargo. Rund 80 Prozent unseres Geschäfts wickeln wir über Frankfurt ab.“ Tendenz steigend, sagt Garnadt: „Wir wollen in Frankfurt weiter wachsen und Perspektiven schaffen für die Region, die heimische Industrie und nicht zuletzt Zehntausende Mitarbeiter in der Logistikbranche.“

2000 *Luftfracht und -post

2010 Quellen: ACI, Jane's, Fraport

In der Animal Lounge erleben Pferde, Löwen oder Pinguine einen First-Class-Service.

fen Frankfurt ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte“, sagt Fraport-Immobilienvorstand Herbert Mai. „Wir sind optimistisch, dass sich die Nachfrage nach Logistikflächen am Flughafen weiter intensivieren wird.“ Der Optimismus hat viel mit Geografie zu tun: Frankfurts Lage mitten im großen europäischen Markt sei das eine, die daraus resultierenden exzellenten Flugverbindungen das andere. Leßmann beschreibt, wie große Teile des Frachtumschlags laufen: „Früh am Morgen kommen die großen Frachtmaschinen vor allem aus Asien an, vollgepackt meist mit Express-Sendungen, die bis zum späten Abend des Vortags in den großen Metropolen in Fernost aufgegeben wurden.“

Expeditionen des Tierreichs

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it modernstem Gerät werden die überwiegend fast fensterlosen Großraumflieger schnell entladen, die Sendungen für den Weiterflug sortiert. Tempo ist wichtig in diesem Geschäft. „Vieles geht schon in den Morgen- und Vormittagsstunden auf die Weiterreise.“ Nach Madrid beispielsweise oder nach Miami, nach Nürnberg wie nach New York. Dabei landen die Sendungen nur noch selten wieder in den dunklen Bäuchen der Frachtmaschinen: Sie reisen als Zuladung im Frachtdeck der Passagiermaschinen. Aber nicht immer fliegt die Luftfracht weiter. Oft übernimmt sie der Lastwagen: Spediteure und Luftfrachtagenten wie Lufthansa unterhalten ein sogenanntes „Road Feeder Service“-System, an das rund 65 000 Versender und Empfänger angeschlossen sind – über dichte Liniennetze des Straßentransports überwiegend im mitteleuropäischen Wirtschaftsraum, wo ein weiterer Transport per Flugzeug sich nicht lohnt. Die Inbetriebnahme der neuen Nordwestlandebahn beschert den Fraport-Luftfrachtexperten neue Slots – allerdings nicht auf der neuen Piste neben dem Mönchhof-Autobahndreieck. Die ist für die vollbeladenen Frachtflugzeuge aus Übersee nicht lang genug. Doch jeder Passagierjet, der künftig im Nordwesten ankommt, schafft neuen Platz für die Cargo-Flieger auf den beiden Eberhard Krummheuer bisherigen Landebahnen.

A Martin Sasse/laif, Frank Rumpenhorst/ dpa

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in cleverer Geschäftsmann im US-Bundesstaat Ohio erkannte als Allererster das Potenzial des neuen Verkehrsmittels. Für den stolzen Preis von 5 000 Dollar ließ er im Jahr 1910 von den Gebrüdern Wright, den legendären amerikanischen Flugpionieren, zehn Ballen Seide von Dayton nach Columbus befördern – gerade einmal gut hundert Kilometer betrug die Distanz. Die Ware kam, so ist überliefert, ordnungsgemäß an – nach einem Sichtflug in ein paar Hundert Metern Höhe, bei dem der Pilot sich an der Sonne, an Straßen und Bahnstrecken orientierte. Überliefert ist auch: Die erste Luftfracht der Welt war ein reiner Marketing-Gag: Am Zielort wurde der edle Stoff in kleine Schnipsel zerteilt, auf Postkarten geklebt und für gutes Geld als Andenken an den ungewöhnlichen Transport über den Luftweg verkauft. Ein Jahrhundert später macht die Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull den Himmel über Europa tagelang für Flugzeuge unpassierbar – und es zeigt sich, dass eine globalisierte Welt ohne Luftfracht Karl Ulrich Garnadt rasch vor dem Chaos steht. In den CEO Lufthansa Cargo USA warten Millionen von Diabetikern dringend auf Insulin-Nachschub von der europäischen Pharmaindustrie, in der deutschen und der japanischen Autoindustrie muss die Produktion teilweise eingestellt werden, weil Elektronikbauteile nicht mehr rechtzeitig auf dem Luftweg nachgeliefert werden. Als Folge des amtlichen Flugverbots stauen sich auf dem Frankfurter Flughafen schon nach wenigen Tagen Tausende Tonnen Fracht. Ob Frischfisch oder Express-Sendungen, ob Rennpferde oder Luxuskarossen, ob Ersatzteile für Industrieanlagen oder Großtanker – Fachleute haben errechnet, dass zwar nur ein Prozent der weltweiten Warenströme per Luftfracht unterwegs ist. Doch ihr Wert macht gut ein Drittel des gesamten Transportaufkommens aus, das auch auf Land- und Seewegen rund um die Welt befördert wird. Per Flieger reisen vor allem hochwertige Güter – und natürlich besonders eilige und leicht verderbliche Waren.

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m Tor 26 des Frankfurter Flughafens wird das Kerosinaroma der Airportluft schon mal von Stallgeruch überlagert. Und wenn hier etwas aufbrüllt, sind das keine zur Höchstleistung gebrachten Flugzeugantriebe, sondern vierbeinige Passagiere. Sie machen nichts anderes als viele Zweibeiner – und warten in ihrer Lounge auf den Anschlussflug – in der Animal Lounge. Der tierische First-Class-Service ist eine Dienstleistung der Kranich-Tochter Lufthansa Cargo in einer der nach eigenem Bekunden modernsten Airport-Tierstationen der Welt. Zur optimalen Ausstattung zählt im Prinzip das, was auch zweibeinige Business-Passagiere gemeinhin in Lounges schätzen: ruhige Ecken zum Entspannen, ein kleines kulinarisches Programm und ein bisschen Bewegungsfreiheit. Der kleine Unterschied: Die Zahl der Fluggäste geht nicht – wie nebenan in den Passagierterminals – in die Millionen, dafür ist die Artenvielfalt um einiges höher. Denn es gibt reichlich Spezies aus dem Tierleben, die auf Flugreisen gehen. Und jede Art benötigt eine ganz an die jeweiligen Bedürfnisse angepasste Wohlfühl-Infrastruktur. Leicht vorstellbar: Zierfische fühlen sich in einem anderen Ambiente wohl als edle Rennpferde. Auch Leguane

und Löwen dürften unterschiedliche Vorstellungen vom stressfreien Aufenthalt zwischen zwei Flügen haben. Wer weiß das schon: Gewissermaßen pudelwohl fühlen sich Zierfische nicht im schönen großen, hellen Aquarium, sondern in einem Spezialraum mit Schwarzlicht. Auf über 3 700 Quadratmetern Hallenfläche versuchen speziell geschulte Lufthansa-Mitarbeiter gemeinsam mit Tierpflegern und zwei Dutzend Veterinärmedizinern, ihren Kunden den Zwischenaufenthalt in Frankfurt so angenehm wie möglich zu gestalten. Das beginnt schon beim Fußboden: Wo in der Business-Lounge möglicherweise dämpfend-dicker Teppich oder feines Parkett angesagt ist, bietet die Animal Lounge einen trittfesten Asphaltboden. Der ist – im Gegensatz zum Betonuntergrund – bei Mensch und Tier beliebt, haben menschliche Experten herausgefunden. Ansonsten ist die Lounge in viele kleinere Einheiten aufgeteilt. Es gibt über 40 Großtierställe. Die können – wie in einem modernen Tagungszentrum die Konferenzräume – in variable Stallboxen aufgeteilt werden, zum Beispiel zu kleinen gemütlichen Einheiten für Pferdemütter und Fohlen. Hinzu kommen fast noch einmal so viele Kleintierboxen, dazu Vogelvolieren und zwölf individuell temperierbare Klimakammern – damit die Passagiere

aßgeschneiderte Wohlfühlbedingungen sind auch das Thema einer anderen Dienstleistung des Airports, die sich im internationalen Flieger-Englisch „Perishable Center“ nennt. Dahinter verbirgt sich das komplexe und vielseitige Zwischenlager für leicht verderbliche Güter, die auf dem Flughafen entweder als reine Luftfracht von Jet zu Jet umgeschlagen werden – oder auf dem Landweg nach Frankfurt gekommen sind oder von dort aus ihr Ziel per Kühl-Lkw erreichen. Klassische Güter sind beispielsweise Frischfisch, von dem jährlich über 25 000 Tonnen aus etwa 30 Ländern und Fanggebieten rund um den Globus umgeschlagen werden – vom Viktoriabarsch bis zum fangfrischen Hummer. Die Luftfrachtexperten bei Fraport sind stolz darauf, dass bei ihnen mitten im Binnenland mehr Fisch unterwegs ist als auf dem Hamburger Fischmarkt. Außerdem kommen ganzjährig frische Früchte per Flugzeug hier an: Ohne diese Versorgungsketten hätten die meisten süßen und vitaminreichen Exoten überhaupt keine Chance, in optimalem Zustand bei den Verbrauchern in Mitteleuropa auf den Tisch zu gelangen. Auch Spargel oder Edelpilze reisen per Luftfracht, Blumen tun dies sowieso. Neben diesen Gütern entwickelt sich ein hochspezifischer Umschlagmarkt immer weiter – die Luftfracht-Logistik für Pharmazeutika, speziell Impfstoffe. Rund 12 000 Tonnen Medizin für alle Welt machen pro Jahr Station im Flughafen-Frischezentrum – ein Markt, der nach Einschätzung von Experten in den kommenden Jahren noch kräftig wachsen wird. Im Perishable Center werden pro Jahr etwa 200 000 Tonnen empfindliche Güter sortiert, kommissioniert oder kurzfristig zwischengelagert. Das wichtigste Thema dabei: Die Kühlkette darf niemals unterbrochen werden. Dafür sorgt eine umfangreiche Infrastruktur mit modernster Technik. So gibt es 18 verschiedene Kühlhäuser, die natürlich nicht alle mit Eiseskälte dienen. Vielmehr gibt es produktspezifisch unterschiedliche Lagermöglichkeiten – von ungemütlichen minus 24 Grad bis zu eher sommerlichen plus 24 Grad. Zu den Dienstleistungen auf dem Frankfurter Flughafen gehört mehr als die ausgeklügelte Frachtlogistik: Das Zentrum ist behördlich anerkannte Grenzkontrollstelle. Veterinäramt, Pflanzenschutz-Experten und die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sitzen mit unter dem Dach. Das macht die Wege kurz und die TransEberhard Krummheuer porte schnell.

Polopferde in einer Box von Lufthansa Cargo: Flughafenbetreiber Fraport bietet artgerechte Tier-Wartezonen.


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The Squaire in Frankfurt: Direkt neben der Autobahn A3 steht das 660 Meter lange Gebäude über dem ICE-Fernbahnhof (links). Restaurants (rechts oben) ergänzen das Angebot für die Büroangestellten (unten).

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ir verlassen Gateway Gardens. Es geht wieder zurück zum Terminal. Auf dem Weg dorthin passieren wir eine Grünfläche. „Hier wird unser nächstes Projekt entstehen, der Propeller“, sagt von Ditfurth. Auf 17 Stockwerken, verteilt auf drei Komplexe, wird das Gebäude in Form des Flügelantriebs jede Menge Platz für Büros bieten. „Ein idealer Standort, man ist superschnell am Zug, am Gate oder mit dem Auto auf der Autobahn“, beschreibt Kreutel die Idee. Der Flughafen Frankfurt, das ist auch eine eigene Bürostadt. Wenige Minuten später kommen wir zum neuen Flugsteig A-Plus. 2012 soll er fertig werden und neue Maßstäbe beim Einkaufen setzen. Auf zwei Ebenen entstehen riesige Flächen für neue Geschäfte. Einkaufen, Essen oder einfach nur einen Espresso trinken, der Besuch beim Friseur – am Flughafen gibt es alles, was der Mensch braucht. Mehrere Supermärkte laden zum Einkaufen ein. Einer ist fast rund um die Uhr geöffnet. Wir kommen an einem Gebetsraum vorbei. Der Flughafen hat mehrere davon, für jede Religion. Regelmäßig finden dort sogenannte abrahamitische Feiern statt, gemeinsame Gottesdienste aller Buchreligionen. Die erste fand 2001 statt. Die evangelische Flughafenseelsorgerin Ulrike Johanns hatte die Idee dazu, nach den schrecklichen Terrorattacken auf das World Trade Center in New York. Es geht aufs Vorfeld, das Herz des Flughafens. Und weil ein Herz besonders schützenswert ist, heißt es

Shopping am Gate: Sprudelnde Erlösquelle arten kann teuer sein – gerade am Flughafen. Zu verlockend ist die Masse an Geschäften, Cafés und Restaurants. Der Euro sitzt locker, während man auf den Aufruf des Flugs wartet. Für Flughäfen ist das ein lukratives Geschäft. 944 Millionen Euro hat etwa der französische Betreiber Aéroports de Paris 2010 im Handels- und Servicebereich eingenommen. Das ist immerhin gut ein Drittel des Gesamtumsatzes. Mit 8,4 Prozent sind die Erlöse im Handel zudem mehr als doppelt so schnell gewachsen wie die auf Konzernebene. Rund um den Globus verdienen Flughäfen prächtig an den Ausgaben der Passagiere vor oder nach dem Flug. Die Betreiber erwarten weiteres Wachstum. Ermöglichen sollen dies immer ausgeklügeltere Konzepte für die Handelsflächen an den Gates. In Frankfurt entsteht derzeit auf zwei Ebenen ein komplett neuer Marktplatz am Flugsteig A-Plus. „Wir schauen uns natürlich sehr genau die Passagierströme an und stimmen das Flächenkonzept darauf ab“, sagt Ute Pohl, bei Fraport die Chefin für die Vermarktung der Handelsflächen. Man weiß schließlich in etwa, wo beispielsweise die zahlungskräftigen russischen oder arabischen Fluggäste durch laufen – und versucht mit den Angeboten ihren Geschmack zu treffen. Besonders attraktiv sind Standorte am Gate für Flughäfen wie Händler gleichermaßen. Die Kunden geben in der Regel mehr Geld aus für Produkte, die im Schnitt teurer sind. „Der Flächenumsatz ist höher als in 1A-Lagen der Innenstadt“, sagt Pohl. Experten schätzen, dass er gar ein Vielfaches beträgt. Damit künftig noch mehr Geld fließt, müssen neue Ideen her. Frankfurt will dem Flugsteig A-Plus eine regionale Note verpassen. Wobei regional hier in erster Linie Deutsch meint. „Den internationalen Fluggast interessiert Hessen weniger, aber er erwartet ein typisch deutsches Angebot“, erläutert Pohl. So will der Fernsehkoch Tim Mälzer ein neues Restaurant am Gate eröffnen, das landestypische Gerichte präsentiert, dabei aber „das typisch Deutsche auch aus einer gewissen Distanz mit einer Portion Selbstironie betrachtet“, so Pohl. Was das genau bedeutet, darüber schweigt die Fraport-Managerin sich allerdings aus. Das Modehaus Engelhorn, in der knapp 90 Kilometer entfernten Metropole Mannheim längst eine Institution, wird am Flugsteig A-Plus gleich zwei Geschäfte eröffnen, es ist die erste Expansion des Unternehmens jenseits der Kurpfalz. Man wolle die Besucher neugierig machen auf die Stammhäuser in Mannheim, beschreibt Geschäftsführer Andreas Hilgenstock die Idee. Rund 403 Millionen Euro hat Fraport vergangenes Jahr im Bereich Handel und Immobilien umgesetzt. Das entspricht 18,4 Prozent des Konzernumsatzes. „Es gibt noch Potenzial nach oben“, weiß Pohl. Und das will die Managerin unbedingt heben.

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Arbeiten und abhe ben Der Flughafen Frankfurt strebt in neue Dimensionen: In großem Stil entstehen Hotels und Gebäude für Büros und Dienstleister, die architektonische Maßstäbe setzen. Ein Ortstermin.

Innenansicht der Flughafen-Immobilie The Squaire: Das Frankfurter Konzept verspricht Büroarbeitsplätze am Verkehrsknotenpunkt.

erst einmal warten. Warten auf eine umfangreiche Kontrolle, sogar der Motorraum des Autos wird untersucht. Dann geht es endlich weiter, immer schön langsam, gut auf die Schilder achten. „Flugzeuge haben hier absolute Vorfahrt. Wenn es da einmal krachen sollte, dann wird es richtig teuer“, sagt Kreutel lachend. Wir passieren das GAT, das General Aviation Terminal. Von hier starten die Privatjets der Reichen und Wichtigen. Schwere schwarze Limousinen mit Berliner Kennzeichen stehen vor der Tür, drinnen warten die Fahrer. „Ist Frau Merkel heute hier?“, fragt Kreutel. Und gibt die Antwort selbst. Nein, die sei ja gerade in Hanoi.

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orbei geht es an einer scheinbar brachliegenden Baustelle. „Hier laufen bereits die Vorbereitungen für das dritte Terminal“, klärt von Ditfurth auf. Alle Anschlüsse für die späteren Parkpositionen der Flugzeuge werden bereits verlegt, etwa für die Versorgung mit Wasser und Treibstoff. Spätestens bis zum Jahr 2020 soll hier ein komplett neues Terminal entstehen, „so groß wie heute der Flughafen Düsseldorf“, zeichnet Kreutel die Pläne mit schneller Hand in die Luft. Wir nähern uns der Startbahn West. Lange ist es her, dass hier Gegner der Flughafenerweiterung versuchten, den Bau einer dritten Bahn zu verhindern. Heute starten hier im Minutentakt die Maschinen. Gegenüber liegt die Feuerwache Süd. Vier solcher Wachen hat der Flughafen, die vierte ist gerade fertig geworden. „Das, was dort drin ist, ist das modernste, was eine Feuerwache haben kann“, schwärmt von Ditfurth. Klaus-Jürgen Becker, Mitarbeiter der Flughafen-Feuerwehr, freut sich schon, seine Schätzchen zu zeigen. Vor allem die Simbas, die größten Löschfahrzeuge überhaupt. Kraftvoll präsentieren sich die drei Ungetüme in der großen Halle. Fast 12 000 Liter Wasser passen in den

Arne Dedert/dpa, Martin Joppen (2), Tim Wegner/laif (1), Hartmut Nägele/PR

en Stolz können Franz von Ditfurth und Felix Kreutel nicht verbergen. Mit ausladenden Armbewegungen zeigen die beiden auf Gebäude und Baustellen im Umkreis. Der größte deutsche Flughafen ist auch ihr Reich, jedenfalls ein wenig. Beide sind im Handels- und Vermietungsmanagement des Betreibers Fraport tätig. Wir stehen auf dem Dach eines unscheinbaren roten Gebäudes am Flughafen. Einen ganz passablen Blick hatten von Ditfurth und Kreutel versprochen. Eine Untertreibung. Der Eindruck ist imposant. Das gesamte Areal ist als Frankfurt-Flughafen offiziell ein Stadtteil der hessischen Metropole. Doch tatsächlich blicken wir auf eine ganze Stadt. „Theoretisch könnte man hier über Monate leben, es ist alles da“, sagt von Ditfurth. Aber den Begriff „Stadt“ hören die Fraport-Manager dennoch nicht gerne. „Wir wollen keine Stadt sein. Bei uns finden Sie zum Beispiel keine Häuser“, argumentiert Kreutel. Vielleicht wäre Marktplatz eine bessere Definition, schlägt er vor. Eines steht fest: Hier ist der Ort, an dem sich Verkehrsträger treffen. Die Nervenstränge für den Transport von Menschen und Waren. Sie sind von hier oben gut zu erkennen. Vor uns erstreckt sich das riesige Flugfeld. Gerade kommt ein Airbus A 380 von der Lufthansa rein. Weiter rechts ziehen sich Bahngleise und die Autobahn durch die Landschaft. Fast minütlich wächst der Marktplatz. Überall drehen sich die Baukräne, entstehen neue Gebäude. „Zu Hochzeiten hatten wir hier 45 Baukräne auf dem Flughafengelände“, berichtet Kreutel. Die aktuelle Zahl hat er gerade nicht zur Hand. Aber es sind viele. Wir begeben uns auf einen Stadtbummel. Mit dem Auto – zu Fuß würde es Stunden dauern – geht es zu einem Gebiet, das Gateway Gardens heißt. Jahrelang hatten hier US-Truppen ihr Domizil. Nun entstehen hier, auf einem Areal so groß wie 50 Fußballfelder, Büroimmobilien, Gebäude für Dienstleister und Hotels. „Ein neuer Typ Stadt“, wirbt Fraport im Netz für das Areal. Und es soll hier in der näheren Zukunft sogar ein eigener S-Bahnhof gebaut werden. Auch ihre Wahrzeichen bekommt diese Stadt. Der Ferienflieger Condor baut hier gerade seine neue Firmenzentrale. Ein paar Meter entfernt entsteht das Hotel Meininger. Das Park Inn in unmittelbarer Nachbarschaft existiert bereits. Beides sind sogenannte LowBudget-Hotels, sie zielen auf Tagungsgäste und das Personal von Airlines. „Viele Flughäfen sprechen von einer Airport-City, hier entsteht sie“, sagt Kreutel. Das größte Areal belegt derzeit LSG Sky Chefs, die Catering-Tochter der Lufthansa. In einem hypermodernen Gebäude wird für die Fluggäste gekocht. Die Pläne sehen vor, dass das Essen künftig durch einen eigenen Tunnel zum Flugzeug transportiert werden kann.

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Tank, dazu kommen 600 Liter Löschmittel. 1 300 Pferdestärken hat der Riese. Sie beschleunigen die vielen Tonnen in 25 Sekunden auf 80 Stundenkilometer. Das ist wichtig auf weitläufigen Großflughäfen. „Früher hatten diese Fahrzeuge den Motor vom Leo, dem Panzer. Heute sind es zwei Motoren, weil sonst die Abgasnormen nicht eingehalten werden.“ Während Becker das erzählt, rollt draußen der neueste Simba vor, noch mit roten Nummern. „Wir wollen den mal kurz einlochen, ob das alles geht“, ruft sein Kollege und manövriert das Teil in atemberaubendem Tempo in die Halle. „Lust auf einen Kaffee und eine kleine Pause“, fragt von Ditfurth und erntet heftiges Nicken. Wir verlassen das Flugfeld, bewegen uns auf ein Gebäude zu, das schon von weitem sichtbar ist. Es ist Frankfurts jüngste feine Büroadresse. Das Bauwerk hat äußerlich weder Ecken noch Kanten. Es steht luftig auf 86 Säulen – und das ausFelix Kreutel gesprochen verkehrsgünstig: „The Manager bei Fraport Squaire“, wie die neue Flughafen-Immobilie heißt, erhebt sich siebenstöckig über dem ICE-Fernbahnhof des Airports. Der Baukörper, der von außen mit seiner gläsernen Fassade an die überdimensionierte Kanzel eines riesigen Luftschiffs erinnert, „ist mit über 600 Metern in etwa so lang wie die Frankfurter Einkaufsmeile Zeil“, erzählt Squaire-Sprecherin Ann-Kristin Kehl. Mag das Gebäude auf den ersten Blick wuchtig wirken, zeigt sich drinnen eine lichtdurchflutete Leichtigkeit. Geschickt ist der Komplex in fünf Atrien aufgeteilt. Diese befinden sich auf beiden Seiten der obersten Bahnhofsebene mit ihrem markanten Glasdach. Diese Kuppel wurde in das neue Gebäude integriert und er-

„Von einer Airport-City sprechen viele, hier entsteht sie.“

fährt dort ihre Fortsetzung: Wer von den Terminals oder von den Bahnsteigen nach oben kommt, findet dort den Zugang zu der neuen Meile, die ganz oben immer den Blick auf den Himmel zulässt. Im Ostflügel wird noch mit Hochdruck gearbeitet. Dort richtet der Hotelriese Hilton ein Fünf-Sterne-Haus und ein preiswerteres Hotel seiner Marke Garden Inn ein. Eröffnet werden sollen die Herbergen Anfang 2012. Sogar einen Ballsaal gibt es dort. „Das ist unseres Wissens nach der größte in Europa“, sagt von Ditfurth. Man habe überlegt, dort eine freie Sicht auf die ein- und ausfahrenden ICEs zu ermöglichen. „Doch das scheiterte an Brandschutzauflagen. Außerdem hieß es, dass das den Saalbetrieb eher stören würde“, berichtet Kreutel. Flankiert wird dieser Teil von Boutiquen, Bars und Einkaufsmöglichkeiten für das anspruchsvolle Publikum. Wir nehmen Platz. Und Kehl beginnt zu erzählen. Der Westflügel sei der Arbeit gewidmet, es ist die „New Work City“ und die zweite Säule des Gebäudekonzepts, hinter dem der Immobilieninvestor IVG steht. Das Haus bietet Büroflächen, deren bestes Verkaufsargument der Flughafenanschluss ist. Erster großer Mieter ist die Beratungsgesellschaft KPMG, die ihre Europazentrale in den schmucken Neubau verlegte. Weitere Ankermieter werden Lufthansa und Bilfinger Berger sein. Auch im diesem Teil kann man natürlich essen und trinken – das Angebot ist stärker zugeschnitten auf die Bedürfnisse und Preisvorstellungen der Menschen, die dort arbeiten. Ein Rewe-Supermarkt gehört ebenso dazu und eine Reinigung mit Preisen, die überzeugen. „Freitags, bevor ich nach Hause ins Rheinland fahre, bringe ich hier immer meine Business-Sachen hin. So eine günstige Reinigung finde ich in ganz Köln nicht“, Jens Koenen schwärmt Managerin Kehl.

Jens Koenen

Lounge am Flughafen: Auch TV-Köche sehen hier Geschäftschancen.


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Weil Flughäfen nicht endlos ausbauen können, müssen sie intelligenter betrieben werden. Nur so gelingt es, steigende Passagierzahlen zu bewältigen. Dabei helfen IT-Systeme.

Programmiertes Wachstum

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Leistungsfähige IT-Systeme bilden das Rückgrat der smarten Airports. Sie sorgen dafür, dass Check-in-Personal, Sicherheitsbeamte, Busse oder Tankfahrzeuge zu jedem Zeitpunkt genau dort eingesetzt werden können, wo sie gerade am meisten benötigt werden. „Die Daten, die dafür nötig sind, sind eigentlich fast immer vorhanden. Sie müssen nur noch zusammengeführt werden“, sagt Johannes Stemmer, Seniorberater bei T-Systems. Die Telekom-Tochter hat eigene CDM-Lösungen im Einsatz, etwa am Frankfurter Flughafen. „Um die Effizienzsteigerungen zu erreichen, reicht es jedoch nicht aus, lediglich eine neue Software zu installieren. Vielmehr geht es darum, Prozesse völlig neu zu verwalten.“

„Die Airports können mit gleich vielen Leuten mehr schaffen.“

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ie Arbeit der CDM-Systeme beginnt drei Stunden vor jedem Abflug. Dann bekommt die Maschine eine exakte Startzeit zugewiesen, an der sich jeder einzelne Flughafenprozess orientieren muss. Vom Boarding über die Betankung bis zur Gepäckbeladung verfügt jeder Vorgang über ein Zeitintervall, in dem er abgeschlossen werden muss. Hakt es an einer Stelle, schlägt die Software Alarm. Um dennoch pünktlich starten zu können, müssen Ressourcen daraufhin neu verteilt werden. Der Vorgang ist komplex: Allein am Zürcher Flughafen kommt es pro Tag zu 6 000 bis 10 000 Abweichungen von den vorgegebenen Zeiten, die eine Reaktion erfordern. Welche enormen Effizienzreserven durch den Datenaustausch zwischen einzelnen Prozessen gehoben werden können, zeigt der Amsterdamer Flughafen. In Zusammenarbeit mit der Flughafenverwaltung installiert der IT-Konzern IBM hier eine neue Gepäckabfertigungshalle, die helfen soll, das starke Passagierwachstum zu bewältigen. 36 Kräne und sechs Roboter dienen zur Lagerung und Verteilung von Gepäckstücken. Sensoren sorgen dafür, dass stets festgestellt werden kann, wo sich ein einzelnes Gepäckstück befindet. Die IT-Lösung im Hintergrund ist vollständig in den übrigen Datenfluss des Flughafens integriert. Gepäckstücke kommen erst dann aus dem Zwischenlager auf das Förderband, wenn das Flugzeug bereit für die Beladung ist. Bis dahin kümmern sich Gepäckroboter von IBM um Taschen und Koffer, die anderswo dringender benötigt werden. Durch die intelligente Software im Hintergrund hofft das Unter-

Kofferaufkleber: Effiziente Gepäckabfertigung ist wettbewerbskritisch.

Kontrollturm am Frankfurter Flughafen: Tausende von Einzelentscheidungen müssen getroffen werden – die IT nimmt viele ab.

nehmen, auf gleicher Fläche künftig deutlich mehr Gepäck abfertigen zu können. Im Jahr 2018 sollen 70 Millionen Gepäckstücke durch die Halle fließen – 40 Prozent mehr als bisher. Die gestiegene Nachfrage nach zeit- und kostensparenden Lösungen beflügelt auch in anderen Bereichen die Geschäfte der Zulieferer: Der US-Industriekonzern Eaton etwa will ab 2012 mit einem hocheffizienten Betankungssystem europäische Flughäfen für sich gewinnen. Dank digitaler Steuerung sollen Flugzeuge damit um 40 Prozent schneller betankt werden können. „Je größer das Flugzeug ist, umso mehr Zeit lässt sich einsparen“, sagt Bradley Morton, Leiter der Luftfahrsparte bei Eaton. „Zudem verbraucht das System wegen eines geringeren Druckabfalls während der Betankung auch weniger Energie.“ Eatons Zukunftsvision: Bald sollen Maschinen vollautomatisch über die Flugzeugnase betankt werden, sobald sie am Gate andocken. Dadurch könnte man die Flugzeuge deutlich früher be- und entladen. „Die nötige Technologie dafür existiert bereits“, sagt Morton. „Allerdings wären weitere substanzielle Investitionen in die Flughafeninfrastruktur erforderlich.“ Sita-Experte Padovan sieht eine fortschreitende Automatisierung auch in der Passagierabwicklung als den wichtigsten Trend, um den Flughafen der Zukunft leistungsfähiger zu gestalten. Er sagt: „Egal, ob beim Checkin, der Passkontrolle oder dem Boarding: Airports werden mit Hilfe von automatisierten Lösungen mit dem gleichen Personalbestand künftig deutlich mehr ReiMathias Peer sende bedienen können als heute.“

Auf dem Weg zum iPort

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Thomas Lohnes/dapd, Imago

s dauerte nur wenige Monate, dann versank der Flughafen Zürich im Chaos. Nach der Insolvenz der nationalen Fluglinie Swissair, die sich bis zu ihrem Zusammenbruch im Jahr 2002 auch um die Abwicklung des Flughafenbetriebs gekümmert hatte, funktionierte nichts mehr am größten Airport der Schweiz: „Die Flüge waren chronisch unpünktlich, die Qualität unserer Leistungen befand sich im freien Fall“, erinnert sich Andrea Baroni, der heute als Head of Operations am Zürcher Flughafen arbeitet. Binnen eines Jahres fielen die Schweizer im europäischen Vergleich auf den letzten Platz zurück. Auf keinem der 27 größten Flughäfen Europas mussten Passagiere so viele Verspätungen hinnehmen wie in Zürich. „Niemand fühlte sich zuständig für die Steuerung des Flughafens. Jeder Dienstleister vor Ort optimierte nur sein eigenes Geschäft, ohne dabei auf das Gesamtprodukt zu achten“, sagt Baroni. Die Flughafenleitung beauftragte Baroni daraufhin, die Betriebsstrukturen von Grund auf zu verändern. Er installierte einen neuen Kontrollraum, in dem er Vertreter aller weBoris Padovan sentlichen Parteien zusammenSita brachte – Fluglinien und Gepäckabfertigung, genauso wie Flugzeugreinigung und Zoll. Bei ihnen laufen sämtliche Informationen über den Flughafenbetrieb in Echtzeit zusammen. Wenn sich an einem Punkt Engpässe abzeichnen, können alle Beteiligten frühzeitig darauf reagieren, um Ressourcen so zu verteilen, dass etwa das Gepäck von Transferpassagieren rechtzeitig die Anschlussmaschine erreicht und das Flugzeug pünktlich abheben kann. Collaborative Decision Making (CDM) – also gemeinsames Treffen von Entscheidungen auf Basis von Echtzeitdaten – heißt das Konzept, das Zürich als einer der ersten europäischen Flughäfen einführte. Das hat sich ausgezahlt: Vom chronisch unpünktlichen Nachzügler stieg der Airport zum Klassenbesten auf: In diesem Jahr gewann er zum wiederholten Mal den „World Travel Award“ in der Kategorie „bester Flughafen Europas“. Zürichs Wandel vom Saulus zum Paulus hat für die Branche Vorbildcharakter: Mit Hilfe von CDM gelang es, die minimale Aufenthaltsdauer am Boden eines typischen A 320 von 40 auf 30 Minuten zu reduzieren. Bei unveränderter Infrastruktur verkraftet der Airport heute an Tagen mit gutem Wetter acht Prozent mehr Landungen als früher. Effizienzsteigerungen wie diese sind auch für Zürichs Wettbewerber essenziell, um trotz eines steigenden Passagieraufkommens Pünktlichkeit und Servicequalität aufrechtzuerhalten. Denn der Ausbau von Start- und Landebahnen ist vielerorts entweder politisch nicht gewollt oder allein schon wegen der geografischen Gegebenheiten nicht möglich. „Der einzige Ausweg ist daher: Flughäfen müssen intelligenter werden“, sagt Boris Padovan, der die Geschäfte des auf die Luftfahrtbranche spezialisierten Technologieanbieters Sita in Mittel- und Osteuropa leitet. „Das kann nur gelingen, wenn sämtliche Informationen, die den Flugbetrieb beeinflussen, jederzeit gesammelt, analysiert und an die richtige Stelle weitergegeben werden.“

ie Kopenhagener Flughafenverwaltung folgt den Passagieren auf Schritt und Tritt. Zusammen mit mehreren IT-Dienstleistern hat sie ein Tracking-System entwickelt, mit dem sich jederzeit feststellen lässt, wo sich die Besucher gerade aufhalten und wohin sie sich bewegen. Aus diesen Informationen lassen sich wertvolle Schlüsse ziehen: Wer zu jeder Minute den exakten Passagierfluss kennt, kann beispielsweise drohende Warteschlangen beim Check-in oder der Sicherheitskontrolle frühzeitig erkennen und durch eine Verlagerung des Bodenpersonals vermeiden. Außerdem erhält das Flughafenmanagement Informationen darüber, wie Fluggäste ihre Zeit vor dem Abflug nutzen: Wo kaufen sie ein? Wie viel Zeit verbringen sie in der Airport-Gastronomie? Welche Wege legen sie zurück? Die genauen Positionsdaten erhält die Tracking-Software von den Passagieren selbst: Rund jeder fünfte trägt erfahrungsgemäß ein Smartphone mit aktiviertem WLAN bei sich. Über die jeweilige Signalstärke kann der Abstand zu den nächsten Internet-Hotspots berechnet und damit der exakte Standort ermittelt werden. Diese Daten fließen anonymisiert in einem dreidimensionalen Computermodell zusammen, das in Echtzeit die aktuellen Menschenströme am Flughafen anzeigt. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, den Flughafen leistungsfähiger und serviceorientierter zu gestalten. Die zunehmende Nutzung von Smartphones sorgt nicht nur in Kopenhagen für tiefgreifende Veränderun-

Smartphones verändern das Leben am Flughafen grundlegend: Sie ermöglichen individuellen Service und erschließen neue Geschäftsmodelle.

gen: Mobiltelefone mit Internetverbindung bieten nicht nur die Möglichkeit, Passagiere zu orten, sondern erlauben den Flughafenbetreibern direkte Kommunikation mit ihren Kunden und ermöglichen die Etablierung neuer Geschäftsmodelle. Einer Anfang Oktober veröffentlichten Studie des Technologieanbieters Sita zufolge verfügen bereits heute 54 Prozent der Fluggäste über ein Smartphone – doppelt so viele wie im Jahr 2010. First- und Business-Class-Kunden sind noch besser ausgestattet: 74 Prozent besitzen ein internetfähiges Handy. Diese Zielgruppe will vor allem eines: Informationen. Drei Viertel der Befragten möchten mit Hilfe mobiler Apps über Gate-Änderungen, Verspätungen und Boarding-Zeiten auf dem Laufenden gehalten

werden. Jeder Zweite will laufend über aktuelle Wartezeiten und die Entfernung zum Abfluggate informiert werden. Entsprechende Angebote steigern nicht nur die Zufriedenheit der Reisenden, sondern können für Flughafenbetreiber auch neue Erlösquellen erschließen: Laut Sita-Umfrage wäre jeder Vierte bereit, für personalisierbare Flughafen-Apps Geld zu bezahlen. Die mobilen Apps sind erst der Anfang der Handy-Revolution am Flughafen: Die nächste Generation der Mobiltelefone soll der Technik der sogenannten NearField-Communication (NFC) zum Durchbruch verhelfen, die das Boarding und den Check-in vereinfachen soll. Die Vision: Sensoren am Flughafen erkennen ein Handy, sobald der Besitzer die Abflughalle betritt. Der Reisende kann dadurch identifiziert und automatisch eingecheckt werden. Auch beim Einstieg ins Flugzeug könnte die Technologie die Bordkarte komplett ersetzen. Mehrere IT-Unternehmen arbeiten bereits an entsprechenden Lösungen. Ihr Versprechen: Passagiere sparen Zeit, und der Flughafen spart Personal. „Um diese Vision des Flughafens von morgen zu erreichen, müssen die Fluggesellschaften und Flughäfen in neue Systeme investieren und in aktive Kommunikation mit den Passagieren treten“, erläutert Norm Rose, Unternehmensberater bei Travel Tech Consulting. Das lohnt sich seiner Meinung nach aber schnell: „Selbst kleine Fortschritte wie die Bestätigung, dass das Gepäck an Bord des Flugzeugs angekommen ist, können dazu beitragen, Frustration und Unsicherheit zu miniMathias Peer mieren.“


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Flughafenautor Alain de Botton bei der Recherche: 2009 lebte er eine Woche in London-Heathrow und schrieb darüber ein Buch.

beim Einparken der Flugzeuge, Fehler im Sicherheitsbereich, bei der Kofferbeförderung. Aber das ist okay. Flughäfen bringen uns immer in die Nähe des Todes. Das ist uns häufig gar nicht oder nur halb bewusst, aber es löst Hemmungen und macht eine neue Liebe leichter möglich. Wir befreien uns von täglichen Gewohnheiten und sind offener für ungewöhnliche Begegnungen. Handelsblatt: Haben Sie eine Erklärung, warum gerade Heathrow einen so schlechten Ruf hat in der Branche? de Botton: Ich glaube, Heathrow enttäuscht die Menschen, weil alle Dinge, an die wir hohe Erwartungen haben, uns enttäuschen. Wir erwarten, dass ein moderner Flughafen wie ein gigantisches Uhrwerk funktioniert, aber letztendlich arbeiten dort auch nur Menschen. Ich habe sehr viele Enttäuschungen erlebt, als ich in Heathrow war – unter anderem Enttäuschungen darüber, dass Urlaub nicht nur mit Vergnügen verbunden ist. Es kann in Stress ausarten, weil Urlaub häufig von Erwartungen überfrachtet ist. Mir haben viele der Familien leidgetan, die ich auf ihrem Weg zum Checkin-Schalter beobachtet habe. Sie schleppten nicht nur Koffer und Kinder mit, sondern auch das schwere Gewicht ihrer Erwartungen.

„Schöner Horror“ Warum der Flughafen für den Philosophen und Schriftsteller Alain de Botton kein Moloch ist, sondern ein magischer Ort, an dem man sich länger aufhalten sollte.

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ie meisten Menschen versuchen, den Londoner Flughafen Heathrow so schnell wie möglich zu verlassen. Der Schriftsteller und Philosoph Alain de Botton hat eine Woche dort verbracht – und wäre am liebsten noch länger geblieben. Als erster Gastautor blickte er hinter die Kulissen, stellte seinen Schreibtisch zwischen den Reisenden auf und schrieb ein Buch über seine Begegnungen. Handelsblatt-Korrespondentin Katharina Slodczyk hat ihn in London zum Faszinosum Flughafen befragt. Handelsblatt: Herr de Botton, über Ihre Zeit in Heathrow sagten sie 2009: „Es ist mir peinlich, wie sehr ich es dort mochte.“ Hält die Begeisterung noch an? Alain de Botton: Ich finde Flughäfen noch immer faszinierend. Das Problem von Flughäfen ist aber, dass wir dort in der Regel im Stress sind. Wir müssen dringend ein Flugzeug kriegen. Und weil wir nicht auf Anhieb den Weg zum Flugsteig finden, haben wir keinen Blick für unsere Umgebung. Allerdings würde der sich lohnen: Flughäfen sind magische Orte, an denen sich die Essenz des modernen Lebens so verdichtet wie nirgendwo sonst. Man kann dort die Globalisierung erleben, Umweltzerstörung, übertriebenen Konsum, Familienzusammenbrüche. Handelsblatt: Das klingt nicht gerade positiv. Warum hat Ihnen die Zeit in Heathrow dennoch gefallen? de Botton: Es gibt keinen anderen Ort, an dem Technik und Konsumkultur so direkt aufeinandertreffen. Häufig halten wir uns in einer Umgebung auf, die sich möglicherweise seit dem 19. Jahrhundert nicht großartig verändert hat. Ein Flughafen ist dagegen etwas völlig ande-

res. Wir sehen dort plötzlich die Versprechen der Moderne, die Errungenschaften der Technik, Geschwindigkeit, Transformation, fürchterliche Bürokratie und den alptraumartigen Verlust der Individualität. Es ist eine Mischung aus Schönheit und Horror, die man als Künstler betrauern und feiern kann. Handelsblatt: Sie haben in Heathrow auch erlebt, dass die Technik nicht immer funktioniert. Machen Sie sich jetzt größere Sorgen, wenn Sie ins Flugzeug steigen? de Botton: Ja, ich hab viele Fehler gesehen – Fehler

Seine Kunst: Philosophie für den Hausgebrauch Der Autor: Alain de Botton, in Zürich als Bankierssohn geboren, studierte in Cambridge Philosophie. Der 41-jährige Londoner will philosophische Ideen für den Hausgebrauch vereinfachen und auf aktuelle Probleme übertragen. Bekannt machten ihn Bestseller wie „Die Kunst des Reisens“ und „Versuch über die Liebe“. Lebenshilfe: De Botton hat in London ein „Schule des Lebens“ gegründet. Dort sollen Erwachsene lernen, ihren Alltag zu meistern. Das Motto der Schule ist ein Satz von Anton Tschechow: „Jeder Idiot kann eine Krise überwinden, es ist der Alltag, der uns so fertig macht.“

Handelsblatt: Haben Sie einen Lieblingsflughafen? de Botton: Ich mag vor allen den Flughafen Oslo. Er ist mit sehr viel Holz erbaut und eingerichtet – einem Material, das selten in Flughäfen eingesetzt wird. Man sollte das aber stärker tun, denn Holz erinnert uns an Natur – gerade dann, wenn wir das am nötigsten haben. Handelsblatt: Was könnten Flughafenbetreiber noch ändern, damit wir uns dort wohler fühlen? de Botton: Sie sollten niemals CNN auf ihren Fernsehbildschirmen laufen lassen. Sie sollten stattdessen zeigen, was die Flughafeningenieure gerade machen oder was in den Cockpits passiert oder dort, wo das Essen vorbereitet wird. Das wäre viel interessanter. Handelsblatt: Haben Sie je Menschen wiedergetroffen, die in Ihrem Buch über Heathrow vorkommen? de Botton: Die Putzfrau, die in der Nähe meines Schreibtisches am Flughafen gearbeitet hat. Sie ist eine ehemalige Balletttänzerin. Eine traurige Geschichte. Ich habe sie vor kurzem wiedergetroffen, als ich nach Japan flog. Das war purer Zufall, aber ein sehr angenehmer. Handelsblatt: Sie haben mit dem damaligen Chef von British Airways ausgemacht, dass sie Gastautor in einem seiner Flugzeuge werden würden, sobald das Unternehmen wieder profitabel ist. Es ist jetzt so weit, wann geht es los als Flugzeugschreiber? de Botton: Ich wünschte, das würde klappen. Aber es sieht nicht danach aus. Vielleicht liest der Chef von Lufthansa diesen Artikel. Er kann mir eine Mail schicken an alain@alaindebotton.com. Deutsche haben ja in der Regel mehr für Literatur übrig. Handelsblatt: Gibt es noch andere Orte, die Sie so ähnlich wie Heathrow als Autor erkunden möchten? de Botton: Ja, es gibt sehr viele solcher Orte. Vor allem einen Ort würde ich derzeit besonders gern als „writer in residence“ erforschen wollen: die Volkswagen-Fabrik in China, um die Komplexität der Autoherstellung dort zu sehen und zu beschreiben.

Hussein Samir/SIPA

ALAIN DE BOTTON

Handelsblatt: Wie haben Ihre Erfahrungen in Heathrow Sie verändert? Haben Sie jetzt mehr Verständnis, wenn ein Flugzeug verspätet ankommt? de Botton: Nein, ich bin kein Heiliger geworden – und habe null Toleranz für Flugzeuge, die sich um 20 Minuten verspäten. Ich finde das äußerst ungerecht und ärgere mich über das Schicksal und die Airline. Es geht mir so wie so vielen Menschen: Anstatt der Technik dankbar zu sein, nehme ich sie gar nicht zur Kenntnis, wenn sie reibungslos funktioniert und ärgere mich, selbst wenn es nur Details sind, die nicht rund laufen.



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