#28
Sommer 2016
Das Internationale MitOst-Festival zieht von Ivano-Frankivsk nach Tbilisi
Zwischen zwei Welten
Vision und Antrieb
Wir mĂźssen neugierig bleiben Community Art in einem zweifelnden Europa Aus einer Bruchbude entsteht ein Raumschiff
MitBlick nach ‌
Which Poland do you want to live in? Weg der Helden
Capacity Building
The Habit of Thinking Selber kochen mit dem Initiativen-Kochbuch
Editorial Für das MitOst-Magazin #28 haben wir nach Beiträgen zum Thema Vision und Antrieb gefragt. Wir wollten wissen, was Menschen zum Handeln bewegt, was sie motiviert, wie sie Lösungen für aktuelle Herausforderungen finden und wie sie diese umsetzen. MitOst-Mitglieder und Menschen aus unserem Netzwerk berichten von Utopien, Projektskizzen, konkreten Handlungsansätzen und persönlichen Erfahrungen – als Trainer in Georgien, Raumschiffbesitzer in Russland, erfolgreiche NGO-Gründer in Berlin, Träumer im Ruhrgebiet, europäische Netzwerker und Koordinatoren junger Initiativen in der Republik Moldova. Werft mit dem bulgarischen Politologen Ivan Krastev auch einen Blick zurück auf die Antriebskräfte, die den gesellschaftlichen Wandel in Europas Nachbarregionen bestimmt haben und lest über Kollaboration und Community Art als Formen nachhaltiger Zusammenarbeit. Zu Beginn des Heftes erinnern wir uns an das MitOst-Festival in Ivano-Frankivsk im vergangenen Jahr und stellen mit dem georgischen Festivalteam den diesjährigen Schauplatz Tbilisi vor. MitBlick... lässt euch an aktuellen polnischen Diskursen teilhaben, führt euch in die Geschichte der armenischen Schrift ein, nimmt euch mit auf einen slowakischen Wanderweg und auf eine musikalische Entdeckungsreise durch Kaukasus und Balkan. In der Rubrik Capacity Building stellen wir euch das neue ukrainischrussische Programm The Habit of Thinking und das OpenSource-Projekt wechange vor. Außerdem bekommt ihr einen Einblick in einen Neuzugang unter den MitOst-Editionen, das „Initiativen-Kochbuch“. Zum Schluss könnt ihr euch einen Überblick über das MitOst-Vereinsjahr – über die amtierenden Gremienmitglieder und die Mitgliederprojekte – verschaffen. Viel Freude und Inspiration beim Lesen wünschen Eszter Tóth (Vorstand), Laura Werling und Katharina Neumann (Redaktion) Danke!
Liebe MitOst-Mitglieder, liebe MitOst-Gemeinschaft, wir bedanken uns ganz herzlich bei euch für die aktive Mitgestaltung des Vereinslebens, für die ideelle und finanzielle Unterstützung. Unser Dank geht an alle Regionalgruppen und an alle ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiter von MitOst. Wir danken all unseren Freunden, Partnern und Förderern für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und die Unterstützung im vergangenen Vereinsjahr. Und natürlich möchten wir uns ganz herzlich bei allen Autoren, Beteiligten und Unterstützern dieser Publikation bedanken. Anmerkung der Redaktion
In den Texten werden aus Gründen der besseren Lesbarkeit nicht immer sowohl die männlichen als auch die weiblichen Formen verwendet. Gemeint sind aber stets alle Geschlechter und Geschlechtsidentitäten.
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Inhaltsverzeichnis Internationales MitOst-Festival – Von Ivano-Frankivsk nach Tbilisi Eindrücke vom letzten MitOst-Festival Tbilisi – Zwischen zwei Welten
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Vision und Antrieb Wir müssen neugierig bleiben Aus einer Bruchbude entsteht ein Raumschiff Von Kooperation zu Kollaboration Community Art in einem zweifelnden Europa Start des Projekts CitizensLab Edition NGO – neue Formen der Zusammenarbeit Social Entrepreneurship in Moldova Europa fängt in Russland an Sparkle in the eye RuhrstadtTRÄUMER – Wenn Träume real werden On my way to a gender democratic society Girl on Bike
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MitBlick nach… Polen: Which Poland do you want to live in? Armenien: Working for Change Armenien: Die geheimnisvolle Schriftwelt Jerewans Slowakei: Weg der Helden South East: A musical field trip
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Capacity Building Building bridges: The Habit of Thinking Das Open-Source-Projekt wechange Der Comic ist erwachsen geworden Das Initiativen-Kochbuch
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MitOst – Vereinsjahr im Überblick Vorstand und Projektbeirat 2015/2016 Mitgliederprojekte MitReise nach Athen – Die andere Seite
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Autoren dieser Ausgabe
Simone Belko, Barbara Anna Bernsmeier, Irina Bobrovskaya, Teona Dalakishvili, Philipp Dietachmair, Karsten Michael Drohsel, Steffi Gläser, Theresa Grünhage, Matthias Haberl, Sarah Herke, Margalita Japaridze, Jörn und Petra Kaufhold, Inken Marei Kolthoff, Ivan Krastev, François Matarasso, Linnéa Mühlenkamp, Katharina Nitz, Darius Polok, Alice Priori, Gauthier Saillard, Lisa Schulze, Rafał Sowiński, Valeria Şvarț-Gröger, Ljupka Trajanovska, Laura Werling, Anne Wiebelitz, Grigor Yeritsyan, Nils-Eyk Zimmermann MitOst-Magazin
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Eindrücke vom MitOst-Festival 2015 in Ivano-Frankivsk Im letzten Jahr fand das 13. Internationale MitOst-Festival in Ivano-Frankivsk im Westen der Ukraine statt. Mehr als 100 Veranstaltungen in verschiedensten Formaten sind durch und mit euch an etwa fünf Tagen zustande gekommen – von Diskussionen zur Zukunft zivilgesellschaftlichen Engagements in der Ukraine, zu partizipativer Stadtentwicklung und der Förderung regionaler Start-ups über Workshops zu Minimalarchitektur, Campaigning und Handytaschen-Nähen bis hin zu Filmreihen, Lese- und Theaterperformances. Wir bedanken uns herzlich bei allen, die das Festival mitgestaltet haben, bei den freiwilligen Helfern, Workshopleitern, Moderatoren, Künstlern, Partnern und dem Festivalteam für die unvergesslichen Tage in Ivano-Frankivsk. Auf bald in Tbilisi!
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Tbilisi - Zwischen zwei Welten Vom 5. bis zum 9. Oktober 2016 ist das Internationale MitOst-Festival zu Gast in Georgiens Hauptstadt Tbilisi. In diesem Jahr wollen wir die Vielfalt feiern – in unserem MitOst-Netzwerk, in Europa, in Tbilisi. Ein Artikel von Margalita Japaridze (Festivalteam).
Am Flughafen gelandet, öffnet sich die Schiebetür und ich finde mich in einer Gruppe von Taxifahrern wieder. Wie Schlangenbeschwörer reden sie auf mich ein, in verschiedenen Sprachen bieten sie mir eine Fahrt in die Stadt an. Und da ich keinen Flughafenbus oder andere öffentliche Transportmittel entdecken kann, finde ich mich schwuppdiwupp in einem der Taxen auf der Rückbank wieder. Der Taxifahrer tritt aufs Gaspedal, er dreht die Musik laut auf und zündet sich eine Zigarette an. Er beginnt zu erzählen. Ich versuche ihm zu erklären, dass ich ihn nicht verstehen kann, dass ich seine Sprache nicht spreche. Er überhört das und plaudert nun munter auf Russisch weiter. Er erzählt enthusiastisch aus seinem Leben, von den zwei Diplomen, die zu Hause in seinem Wohnzimmer hängen, davon, dass er einmal ein erfolgreicher Ingenieur war, damals. Aber das Leben spielte ihm übel mit. Nun ist er Taxifahrer. Seine Stimme schwankt und die Emotionen überkommen ihn, er wedelt mit seinen Händen in der Luft und vergisst dabei, 6
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das Lenkrad festzuhalten. So schnell er fährt, so schnell kommt er auch von seinen eigenen Geschichten zum gesellschaftlichen und politischen Leben in Georgien. Schließlich aber erreichen wir unser Ziel, und ich komme sicher an meinem Hotel an. In Tbilisi herrscht meist gutes Wetter und die Sonne scheint. Vom Mtatsminda Park, am rechten Ufer der Kura auf einem Hügel gelegen, kann man die ganze Stadt überblicken. Ganz früh am Morgen hat man von hier einen beeindruckenden Ausblick. Zwischen den Dächern der Stadt ragen die Türme von Kirchen, Kathedralen, Synagogen und Moscheen heraus, daneben finden sich Neubauten mit futuristischen Formen und von beeindruckendem Ausmaß. Kubusförmige Gebäude aus Glas stehen im Kontrast zu den traditionellen alten Holzhäusern. Und ebenso könnten die Bewohner der Stadt nicht unterschiedlicher sein in ihrem Auftreten, ihrem Lebensstil, ihren Werten und ihrem Glauben. In Tbilisi habe ich das Gefühl, als stünde ich vor einem
unsichtbaren Tor, das von einer Welt in eine andere führt. Hier treffen Ost und West aufeinander, genauer gesagt, hier verschmelzen sie miteinander. Was sagen Besucher über Georgien und seine Hauptstadt? In einem Hostel treffe ich Christian, einen 54-jährigen reisenden Schriftsteller. Er erzählt mir: „Für viele Menschen, die viel unterwegs sind und reisen, verlieren die Dinge an Besonderheit. Alles ähnelt sich dann doch irgendwie, die Architektur zum Beispiel oder auch Museen. Was ein Land wirklich besonders macht, sind doch die Menschen. Sie sind einzigartig. Hier in Georgien habe ich mich sehr willkommen gefühlt. Die Menschen waren unglaublich nett.“ Viele Georgienbesucher sagen, wer einmal nach Georgien reist, kehrt immer wieder zurück. Manche kommen sooft wieder, dass sie sogar mit demselben Taxifahrer den Flughafen in Richtung Stadt verlassen. Später sitze ich zusammen mit dem Festivalteam um Tako, Teo, Miro und Margo in einem Café und blicke auf den Mtatsminda Park. Bei einem Ladigze-Wasser diskutieren wir die Ideen für das Festival und die damit verbundenen Fragen. Alle wollen, dass das Festival eine bedeutende Ver-
anstaltung für die Stadt wird, eine Stadt mit 4,5 Millionen Einwohnern. Natürlich finden hier ständig Kulturveranstaltungen statt und zu jeder Tageszeit soziale und politische Aktivitäten. Es wird also gar nicht so einfach, das MitOst-Festival im bunten Stadtgeschehen hervorzuheben. Wir wollen Möglichkeiten schaffen, die Stadt neu zu entdecken, und sie den Gästen zugänglich zu machen. Wir wollen neue Leute in diese Stadt bringen. Wir wollen neue Erfahrungen und neues Wissen nach Tbilisi tragen. Das Festivalteam ist sehr divers. Alle arbeiten in unterschiedlichen Bereichen und bringen sehr verschiedene Interessen ein. Trotzdem bringt sie eine Sache zusammen: Gemeinsam wollen sie das MitOst-Festival in Georgien, in Tbilisi, organisieren. Sie wollen gemeinsam mit allen Gästen des Festivals die Vielfalt der Stadt feiern. Und während wir vor Ort mit den Festivalplanungen beginnen, ist es für euch auch an der Zeit, eure Reise nach Georgien zu planen! Mindestens einmal solltet ihr hier ein Lagidze-Wasser trinken und die tolle Aussicht vom Mtatsminda Park genießen.
Das Festivalteam stellt seine Lieblingsorte vor
Tako Dzagania Baramidze: „Ein sehr inspirierender Ort ist der Flohmarkt Navtlukhi Basar. Er befindet sich etwas außerhalb, in einem Vorort von Tbilisi, nahe der U-Bahn-Station Samgori. Hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein, Dinge aus der Vergangenheit und aus meiner Kindheit existieren hier immer noch und suchen nach einer neuen Bestimmung. Der Flohmarkt öffnet eine Parallelwelt. Ich empfehle eine Reise an diesen magischen Ort voller Second-Hand-Schätze und verlorener Dinge. Hier kann man die Seele des alten Tbilisi spüren.“ Margalita Japaridze: „Wenn es im Sommer richtig heiß ist und das Herz Tbilisis von der Sonne verbrannt wird, finde ich inneren Frieden auf Mtatsminda. Ich nehme die Route vom Rustaveli Boulevard hoch zur Chitatdze Straße und dann den Wanderweg immer bergauf zum Mtatsminda Plateau. In der Mitte des Plateaus liegt das Mtatsminda Pantheon, hier liegen Georgiens berühmte Schriftsteller, Schauspieler und Personen des öffentlichen Lebens begraben. Neben der Kathedrale und dem Friedhof kann man sich eine Auszeit nehmen und bei einer sanften Brise den Ausblick über die Stadt genießen. Wandert man weiter bis zur Spitze des Plateaus, kommt man zum Mtatsminda Park, dem höchsten Park in Tbilisi. Dort findet man Fahrgeschäfte, Cafés und Restaurants neben Parkwiesen, wo ich mich gerne hinsetze und lese. Wandert man gerne, sollte man auf der anderen Seite des Berges wieder hinunterlaufen bis zum Schildkrötensee. Man kann aber auch mit der Standseilbahn nach unten gelangen. Diese magische Tram pendelt seit 1905 zwischen der Stadt und dem Park.“
Teona Dalakishvili: „Ich habe mein ganzes Leben in Tbilisi verbracht und ich habe mich schwer damit getan, meine Stadt zu mögen. Erst als ich Tbilisi für eine längere Zeit verließ, kam die Sehnsucht. Ich fing an, meine Straßen zu vermissen, die kleinen Cafés und Bierlokale. In einer Großstadt wie Tbilisi muss man sich verabreden, zum Mittagsessen oder am Abend auf ein Getränk, sonst fühlt man sich schnell allein. So finden sich schnell Lieblingsorte, die man immer wieder besucht. Und nach und nach trifft man dort auch auf bekannte Gesichter und Lieblingsmenschen ohne eine Verabredung, die bereit sind, mit dir über Gott und die Welt zu reden. Man merkt erst, wie wichtig diese Orte sind, wenn man sie in einer anderen Stadt nicht mehr hat.“ Miro Mamulashvili (Teil des Teams bis August): „Ich lebe seit fast zwei Jahrzehnten in Tbilisi und kenne jeden Winkel der Stadt. Mein Lieblingsort ist das Restaurant „Fasanauri“. Es liegt im Stadtzentrum und dort bekommt man traditionelle georgische Gerichte serviert. Im „Fasanauri“ gibt es die leckersten „Khinkali“ (georgische gefüllte Teigtaschen) der ganzen Stadt. Wenn ich mich mit Freunden verabrede, dann treffen wir uns meist dort, denn man kann für wenig Geld eine entspannte Zeit verbringen.“
ATEstival D E H T SAVaEtionales MitOst-Fbeer 2016
to rn 14. Inte rgien, 5.–9. Ok o e G Tbilisi,
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Vision und Antrieb MitOst lebt vom Engagement seiner Mitglieder und den guten Ideen der vielen großen und kleinen Initiativen, mit denen es durch sein Netzwerk verbunden ist. Der Verein wurde vor bald 20 Jahren mit der Vision einer offenen und lebendigen Zivilgesellschaft in Europa und seinen Nachbarländern gegründet und in der Überzeugung, dass Bildung und Kultur über Grenzen hinweg Verständigung ermöglichen und sozialen Wandel anstoßen können. Seitdem haben wir gemeinsam zahlreiche Projekte verwirklicht und Programme auf den Weg gebracht, die uns dieser Vision näherbringen – auch wenn es manchmal Rückschläge gibt und wir derzeit wieder vor großen politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen stehen. Gerade in diesen Zeiten scheint es wichtig, den Antrieb für unsere Arbeit nicht aus den Augen zu verlieren. Für diese Ausgabe haben wir deshalb nach Visionen für die Zukunft, nach der individuellen Motivation für gesellschaftliches Engagement, nach Schlüsselerlebnissen und -ereignissen gefragt. Mit Ivan Krastev und Philipp Dietachmair werfen wir einen Blick zurück auf die Antriebskräfte der gesellschaftlichen Transformationen, die sich in den letzten Jahrzehnten an den Rändern Europas vollzogen haben. Wie müssen Kulturprogramme heute beschaffen sein, um in diesen Regionen einen positiven Wandel zu unterstützen? Barbara Anna Bernsmeier berichtet von einer mit großem Enthusiasmus umfunktionierten Fabrik in Wolgograd, wo heute eine Vielzahl kultureller Veranstaltungen stattfindet. Sarah Herke reflektiert Kollaboration als neue Form der Zusammenarbeit und François Matarasso beleuchtet die Potenziale von Community Art für die Förderung von gesellschaftlichem Zusammenhalt in Europa.
Im Rahmen des MitOst-Salons tauschten sich Vertreter von drei Berliner NGOs über Höhen und Tiefen der Organisationsentwicklung aus. Das hier abgedruckte Gespräch liefert Einblicke, wie aus einer Idee eine Initiative, aus einer Gruppe von Freunden ein professionelles Team von Weltverbesserern werden kann. „Moldotopia“, eine nachhaltig entwickelte Republik Moldova, ist der Traum der Alumni von „activEco“. Lest nach, mit welchen Initiativen sie diesem Ziel Schritt für Schritt näherkommen. RuhrstadtTRÄUMER und CitizensLab sind neue MitOst-Kooperationen, deren Visionen und Programmatik wir euch detailliert vorstellen. Ganz individuelle Perspektiven auf unser Schwerpunktthema begegnen euch in den Artikeln von Simone Belko, Ljupka Trajanovska, Teona Dalakishvili und Matthias Haberl.
Wir müssen neugierig bleiben – auf Andere, auf ihre Argumente, ihre Erfahrungen Mit der Vision eines Europa, das für Offenheit und Partizipation steht, engagiert sich die European Cultural Foundation (ECF) seit 15 Jahren in den Nachbarregionen der EU. Sie fördert lokale Kulturinitiativen und transnationalen Kulturaustausch – unter anderem mit dem 2011 in Kooperation mit MitOst gestarteten Programm Tandem. Im Januar traf sich ECF-Programmmanager Philipp Dietachmair mit einem der versiertesten Politologen Europas und kam mit ihm über die gesellschaftlichen Entwicklungen im postjugoslawischen und postsowjetischen Raum ins Gespräch, die sich in den letzten 15 Jahren vollzogen haben. Ein Interview mit Ivan Krastev zu den Chancen und Grenzen der Einflussnahme durch Kulturarbeit, in einer längeren Version zuerst veröffentlicht auf Englisch auf der Webseite der ECF. 8
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Philipp Dietachmair: Als die European Cultural Foundation 1999 begann, mit kulturellen Initiativen in Europas Nachbarländern zusammenzuarbeiten, waren die Kriege in Ex-Jugoslawien gerade zu Ende gegangen, die EU-Osterweiterung stand vor der Tür, Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden wieder aufgenommen und keine EUDelegation der Welt hatte mehr Beschäftigte als die diplomatische Vertretung in Moskau. Viele zivilgesellschaftliche Akteure in den Nachbarländern der EU waren damals überzeugt, dass sich – mit einer guten Portion Ausdauer und Geduld – in ihren Gesellschaften bald mehr Offenheit, Teilhabe und Gerechtigkeit durchsetzen müssten. Nach 15 Jahren Aktivismus in einem Umfeld, das von gewaltsamen politischen Entwicklungen, repressiven oder zerfallenden Staatsstrukturen und sich verschiebenden sozialen Realitäten geprägt war, befinden sich viele Initiativen heute in einer geschwächten oder riskanten Position. War ihre – und unsere – Überzeugung, dass ein offeneres, demokratischeres, breiteres Europa greifbar ist, zu naiv? Ivan Krastev: Die Sicht, die wir damals auf die Welt hatten, war eine ganz andere als heute. Wenn wir das Jahr 1989 betrachten, sprechen wir gern von einer Revolution. Allerdings hat es noch nie in der Geschichte eine Revolution ohne ein konterrevolutionäres Moment gegeben. Wir glaubten, dass es nur eine Geschichte gibt und nur ein Narrativ: Das Narrativ von einer Europäischen Union, die stetig erweitert wird, von sich ausbreitenden Institutionen, Werten und Praktiken. Ich glaube, dass wir zurückblicken müssen, weil viele der Dinge, die uns jetzt überraschen, wohl vorher schon unter der Oberfläche existiert haben, und wir sie nur nicht erkennen konnten. Die Leute, besonders in Westeuropa, wollen die letzten 25 Jahre als eine besonders ereignisarme Zeit sehen. Stellen Sie sich aber einmal vor, Sie kämen vom Mond und werfen von dort einen Blick auf das, was sich in Europa während dieser Zeit ereignet hat – Sie wären überrascht! Fast zwei Dutzend neue Staaten sind entstanden; auf dieser Ebene kann das Europa der letzten 25 Jahre nur mit Afrika in den 1960er Jahren verglichen werden.
dem nicht auf Kosten der anderen gewonnen wird. Es gab nicht viele Russen, die eine Nostalgie für den Kommunismus hegten, besonders in den jüngeren Generationen. Wir konnten aber nur schwer begreifen, dass die Russen gleichwohl Nostalgie empfanden und zwar für die Sowjetunion. Für sie hätte das Ende des Kommunismus nicht auch noch den Zerfall der Sowjetunion bedeuten müssen – mit der tiefen, umfassenden Identitätskrise, die sich daraus ergab. Wir haben es versäumt, uns eingehend mit der politischen oder der sozialen, aber auch mit dieser sehr tiefen Identitätskrise auseinanderzusetzen, die Russland durchlief, und das ließ uns die Keime jenes Russlands nicht erkennen, das wir heute vor uns sehen – nämlich ein Russland, das sich nicht allein durch die Politik Putins erklären lässt.
Wir sollten nicht auf ein großes Projekt schauen – die Erweiterung der EU –, sondern besser auf vier unterschiedliche Projekte, die nun allesamt in einer Krise stecken: Eines davon war natürlich die EU-Erweiterung und die damit verbundene Transformation; es war das größte, weil visionäre Projekt. Es behielt sein normatives Element, und auch wenn die Menschen nicht wussten, wann der Balkan, die Türkei oder die Ukraine Teil der EU werden würden, so glaubten sie doch, dass dies eines Tages geschieht.
Darüber hinaus sind im postjugoslawischen und postsowjetischen Raum neue Staaten entstanden. Viele von ihnen besaßen am Tag ihrer Gründung nichts als ihren Namen und ihre Grenzen. Wie sollte ein Staat aufgebaut werden in einem Europa, in dem einige der herkömmlichen Mechanismen der Staatwerdung – wie Unterdrückung von Minderheiten und starke nationalistische Propaganda – nicht mehr toleriert werden? Diese Frage haben wir uns nicht gestellt. Das gehörte so offensichtlich der Geschichte an, dass wir nicht glauben konnten, dass es so etwas noch einmal geben würde. Dann ist da noch die Türkei, die ebenfalls einen sehr wichtigen Wandel durchmachte: Wir haben die Bilder einer postkemalistischen Türkei vor Augen, die sich zum einen viel offener und demokratischer gestaltete, zum anderen wegen des Aufschwungs eines politischen Islam weniger westlich war.
Es gab zur gleichen Zeit aber noch drei andere Projekte, die in Europa verfolgt wurden: Das erste ist die Vorstellungswelt des postimperialen Russland. Russland ist in seiner Geschichte noch nie ein Nicht-Imperium gewesen. Daher war es für die Gesellschaft und die Führung des Landes nicht leicht, ihren Platz in der Welt zu finden. Wir hingegen nahmen das Ende des Kommunismus als ein Spiel wahr, bei
Das sind die vier Projekte, die in den letzten 15 Jahren alle Teil des europäischen Raumes waren. Das Problem lag auf der Hand: Würden sich diese Projekte gegenseitig unterstützen, oder würden sie sich behindern? Wir haben in den letzten Jahren erlebt, wie dieser Prozess zu Spannungen und Konfrontationen geführt hat. Wie sehr hat beispielsweise das Scheitern des ukrainischen Nationalstaates unter
Stellen Sie sich einmal vor, Sie kämen vom Mond und werfen von dort einen Blick auf das, was sich in Europa während dieser Zeit ereignet hat.
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Janukowytsch auch auf die derzeitige tiefe Krise in den Beziehungen zwischen Russland und der EU gewirkt? In welchem Maße hat im Grunde die neue Identität, die Putin für Russland aufgebaut hat, zu diesem aggressiven Isolationismus und einer Konfrontation Russlands nicht nur mit Europa, sondern auch mit vielen anderen Teilen der Welt geführt? Was die Europäische Union betrifft, so hat diese Krise an ihren Grenzen eine Situation geschaffen, in der auch innerhalb Europas gewisse spaltende Kräfte zu beobachten sind. (…) Philipp Dietachmair: Worin liegt Ihrer Ansicht nach der besondere Wert und vielleicht die besondere Bedeutung einer Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Initiativen im Kulturbereich (verglichen mit der Unterstützung viel größerer und wohl auch näherliegender Ziele wie Pressefreiheit, Menschenrechte, bürgerliche Freiheiten usw.)? Ivan Krastev: Das Grundproblem liegt darin, dass der soziale Zusammenhalt durch die schnellen Transformationsprozesse, die sich derzeit in unseren Gesellschaften vollziehen, stark herausgefordert wird. Ich glaube, dass wir als Gesellschaft, aber auch Sie als Förderer, allesamt derart von der kreativen Kraft fasziniert waren, die von den Gewinnern der Transformation ausging, dass keiner von uns genug Geduld für die Kultur und die Forderungen der „Verlierer“ aufbrachte. Diese verlangten nach Stabilität in Gesellschaften, in denen Stabilität nicht verfügbar war, und sie verlangten nach traditionellen Werten, etwa dem Respekt vor älteren Mitmenschen. Es bestanden ein Leerraum und ein Mangel an kulturellem Austausch. Als dann bestimmte politische Kräfte beschlossen, ihre gesamte kulturelle Anziehungskraft auf eben diesem Leerraum aufzubauen, ist ihnen das gelungen. Das kann man bis zu einem gewissen Maße an der aktuellen konservativen Agenda im Russland Putins ablesen, an deren Ausfällen gegen homosexuelle Ehen und Modernität. Alles, was wir dort als unterstützenswert betrachten, wurde beschnitten; was herauskam, waren Sündenböcke, Symbole für eine bestimmte „dekadente“ Kultur. Das ist deshalb so interessant, weil bestimmte Teile aller unserer Gesellschaften derzeit sehr intensiv auf der Suche nach Worten und Ausdrücken sind für das, was sie erfahren und erlebt haben. Wie können diese Menschen in die Lage versetzt werden, zu sprechen und ihre Geschichte zu erzählen, ohne das, was sie zu sagen haben, in eine Ressource zur Abschottung des Kulturraumes zu verwandeln, wie wir das vielerorts beobachten können? Viele dieser eher konservativen Leute sind natürlich nicht im Unrecht. Es gab in Russland viele Dinge, die in den 1990er Jahren außerhalb der großen Städte vor sich gingen, die rein gar nichts mit Kreativität zu tun hatten; da herrschte schlichtweg totale feudale Repression ohne jeden Staat. Wie aber soll man darüber sprechen? Wie soll man darüber in einer Art und Weise sprechen, die öffnet und nicht verschließt? Um ein anderes Beispiel zu nennen: In den 1990er Jahren, dem Zeitraum, von dem wir hier sprechen, betrachtete Europa den Respekt für Minderheiten als einen entscheidenden Teil seiner Identität, und das aus gutem Grund, 10
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besonders nach den Kriegen in Jugoslawien. Wir haben versucht, die Minderheitenperspektive zum Schlüssel für das europäische Politikverständnis zu machen. Was wir jedoch heute in Europa sehen, und zwar nicht nur in Osteuropa, sondern auch in Frankreich, ist etwas, was ich als Aufschwung der bedrohten Mehrheiten bezeichnen würde. Gruppen innerhalb der Mehrheitsgesellschaften bekommen zunehmend das Gefühl, verfolgt zu werden, niemals an der Macht zu sein, obwohl man doch die Mehrheit repräsentiert; und die begannen sich zu radikalisieren. Marine LePen und die Leute, die in Frankreich hinter ihr stehen, sind hierfür ein klassisches Beispiel. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem wir nicht einfach nur diese oder jene bestimmte Gruppe unterstützen sollten. Wir sollten vielmehr einen Raum schaffen, in dem diese unterschiedlichen Anschauungen darüber, was in der Welt vor sich geht, aufeinanderprallen können, auf positive Art. Wir brauchen kulturelle Begegnungen, zu denen es früher nie gekommen war, weil eine eher urbane, offene, liberale Kultur und eine eher konservative Kultur bislang in ihrer jeweils eigenen Welt gelebt haben. Jetzt brauchen wir allgemeine kulturelle Begenungen. Man kann Geldmittel kappen, aber man kann nicht die reale Kommunikation zwischen realen Menschen kappen. Wir haben in den letzten zwei, drei Jahren die Entdeckung machen müssen, dass all die Projekte und Netzwerke, die wir aufgebaut haben, fragil sind und im Grunde mit einer einzigen politischen Entscheidung verschwinden können: batz – und schon sind sie nicht mehr da... Die gute Nachricht ist jedoch – da bin ich überzeugt –, dass wir in den nächsten zwei, drei Jahren die tatsächliche Widerstandskraft einiger dieser Projekte erkennen werden. Die Menschen, die an ihnen beteiligt waren, haben die Erfahrung eines echten Austauschs gemacht. Man kann Geldmittel kappen, aber man kann nicht die reale Kommunikation zwischen realen Menschen kappen. Bleiben wir beim Beispiel Russland, genauer gesagt: bei einigen Akteuren in der öffentlichen Verwaltung. In Gesprächen mit Kollegen, die nicht aus dem Kulturbereich kommen, werde ich regelmäßig gefragt, warum ich immer noch freundschaftliche Kontakte zu einigen Experten habe, die jetzt dem Kreml und anderen Institutionen ziemlich nahestehen. Die Antwort ist: Zum einen, weil ich wissen möchte, wie sie die Welt sehen. Aber andererseits auch, weil ich absolut bereit bin, die Komplexität ihrer Position anzuerkennen. Wir sollten sehr vorsichtig sein und versuchen, anderen gegenüber nicht zu moralisieren. Wir sollten vielmehr versuchen, die Entscheidungen zu verstehen, die sie treffen. Natürlich gibt es da auch Grenzen, weil es einfach Menschen gibt, die Dinge tun, die schlicht inakzeptabel sind. Wir müssen neugierig bleiben, auf Andere, auf ihre Argumente, ihre Erfahrungen. Was wir neu entwickeln müssen, und was leider weder die Europäische Union, noch die USA nach dem Ende des
Kalten Krieges entwickelt haben (was typisch ist für alle Siegermächte), das ist die Neugier, die wir verloren haben. Wir haben den Eindruck, dass wir wegen des Ausgangs des Kalten Krieges alles besser wissen als andere – ich spreche hier vom Westen, der behauptet zu wissen, wie die Dinge funktionieren. Nein, wir müssen neugierig bleiben: auf Andere, auf ihre Argumente, ihre Erfahrungen. Neugier kann dazu beitragen, dass sich gegenüberstehende Seiten tatsächlich verstehen, dass selbst dann, wenn sie uneins sind, dies nicht sofort und von Anfang an so gewesen sein muss. Wenn man bereit ist zuerst zuzuhören, dann ist man meist auch bereit, darüber zu sprechen. Mir wurde vor Kurzem von einer Podiumsdiskussion erzählt, die von dem Dichter und Schriftsteller Serhij Shadan, einem der Schlüsselfiguren des ukrainischen Euromaidan, in Charkiw organisiert worden war. Er hatte eine dezidiert prorussische, nationalistische Dichterin aus dem Donbass eingeladen. Ich habe für Leute wie Shadan, der während des Euromaidan zusammengeschlagen wurde, einen enormen Respekt. Er weiß, dass es wegen seiner Erfahrung an ihm ist, diese Frau einzuladen, sie auftreten zu lassen, um ihr dann zu sagen, dass er anderer Ansicht ist. Das muss man aber immer auf eine Art und Weise machen, die einen weiteren Austausch ermöglicht. Einander anschreien hilft nicht. Das ist der Grund, warum Kulturprogramme so wichtig sind: weil Kulturschaffende gegenüberstehender Seiten für gewöhnlich zu den ausdrucksstärksten und engagiertesten Fürsprechern ihrer Sache gehören. Diese Programme sind genau das, was gebraucht wird; ein solcher Austausch ist notwendig. (...) Ich war immer überzeugt, dass diejenigen die wichtigsten Helden jeder demokratischen Gesellschaft sind, die bereit sind, ihre Meinung aufgrund eines guten Arguments zu ändern. Wenn wir diese Art Mensch verlieren, verlieren wir eine Menge. Da Kulturprogramme – mehr als andere Tätigkeitsfelder – nicht einfach nur auf rationalen Argumenten beruhen, sondern auch auf Emotionen, sollten sie wirklich versuchen jene zu würdigen, die bereit sind, neue Erfahrungen zu machen. Meiner Ansicht nach sollte das im Zentrum unserer Arbeit stehen. Weil es zum Kern dessen gehört, wofür die europäische Kultur steht. Philipp Dietachmair: Wenn wir uns die Reaktionen von Teilnehmern unseres Kulturaustauschprogramms Tandem Ukraine im Jahr 2014 anschauen, zeigt sich ein interessantes Phänomen: Einerseits haben wir natürlich einige Kooperationen zwischen der Ukraine und der EU, die sich mit den brennenden politischen Fragen der letzten Jahre beschäftigen. Mindestens die Hälfte der Gruppe berichtet jedoch, dass sie unser Programm gerade deshalb schätzen, weil es sie bei dem unterstützt, was für ihre Arbeit vor Ort wichtig ist, und sie nicht dazu genötigt werden, ständig all die Herausforderungen zu diskutieren, vor denen ihr Land steht. Ivan Krastev: Gute Kulturprogramme sind wie Kochen oder Gartenarbeit: Sie sind lokaler Natur. Es gibt da kein universell gültiges Modell: Was an einem Ort funktioniert, muss nicht notwendigerweise auch anderswo funktionie-
ren. Es gibt Orte, wo die Leute das, was sie trennt, schlichtweg nicht diskutieren. Und das sollte man respektieren. Sie versuchen Zeit zu gewinnen, ganz wie Europa in den 1940er und 1950er Jahren versucht hat, Zeit zu gewinnen. In dem gleichen Deutschland, das wir heute so sehr loben, herrschte damals großes Stillschweigen. Dieses Stillschweigen hat sich aber im Grunde als sehr produktiv erwiesen, denn es hat dann in den sechziger Jahren die Öffnung der deutschen Gesellschaft hervorgebracht. Wir müssen zum Kern dessen zurückkehren, was Kultur ist: Ein Zusammenleben zu ermöglichen, bei dem Differenzen ausgedrückt werden können. Wir können von den Menschen natürlich nicht immer eine solche produktive Ruhe verlangen; in bestimmten Kontexten müssen sie einander bisweilen anschreien. Solange sie sich von Angesicht zu Angesicht anschreien, ist das in Ordnung. Was mir Angst macht, ist eine Situation, bei der sich die Leute aus ihren Ghettos heraus anschreien, und wenn sie damit beginnen, dem Anderen das Menschsein abzusprechen. Die Menschen sollten verstehen, dass Zusammenleben nicht leicht ist. Das ist eine wichtige Sache, die einem klar sein muss, und es ist der Grund, warum Kulturprogamme einen ganz anderen Raum, eine ganz andere Position einnehmen sollten. Sie sollten nicht einfach nur als Unterstützung für eine bessere Kulturpolitik wahrgenommen werden, oder als Fortbildung in Kulturmanagement. Wir müssen zum Kern dessen zurückkehren, was Kultur ist: Ein Zusammenleben zu ermöglichen, bei dem Differenzen ausgedrückt werden können. In unseren postkonfliktären Gesellschaften gibt es sehr viele Spannungen, und nur so können wir es schaffen. (…) Letztendlich geht es allein um Menschen, um Begegnungen zwischen Menschen. Philipp Dietachmair: Was sollten Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Aspekte zukünftiger auswärtiger Programme der EU sein, die auf die Softpower von Kultur setzen? Ivan Krastev: Ich denke, Kultur ist mehr als einfach nur Softpower, mehr als etwas, das auf Anziehungskraft beruht. Hier liegt der Grund, warum es im Kontext internationaler Beziehungen, wenn institutionelle Zusammenarbeit an ihre Grenzen stößt, so wichtig ist, sich auf die Ebene persönlicher Begegnungen zu begeben, durch Stipendien, Reisen und Besuche. Letztendlich geht es allein um Menschen, um Begegnungen zwischen Menschen. Statt der permanenten Versuche, langfristige institutionelle Programme aufzulegen, bei denen sich Regierungen auf irgendetwas Bedeutungsloses einigen, von dem niemand etwas hören will, sollten immer Menschen und ihre Ideen im Zentrum stehen.
Das gesamte, mehrteilige Gespräch von Philipp Dietachmair und Ivan Krastev ist auf der Website der European Cultural Foundation unter www.culturalfoundation.eu nachzulesen.
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Aus einer Bruchbude entsteht ein Raumschiff Eine leerstehende Spiritusfabrik im Zentrum von Wolgograd, Russland, wurde im Sommer 2015 aus ihrem Dornröschenschlaf gerissen. Zehn Tage lang wurden hier unter anderem Performances und Konzerte aufgeführt und Installationen gezeigt. Für die Stadtbewohner ergab sich so die Möglichkeit, mehr über die Geschichte und Vergangenheit des riesigen Areals direkt vor ihrer Haustür zu erfahren und seine Zukunft aktiv mitzugestalten. Wer steckt hinter diesem mutigen und einzigartigen Projekt? Und welche Ideen und Zukunftsvisionen treiben diese neuen Gestalter des Stadtraumes an? Die jungen Wolgograder Dmitri Boiko (Architekt und Urbanist) und Anton Valkovsky (Kurator und Kulturmanager) im Porträt. Ein Artikel von Barbara Anna Bernsmaier (Mitglied des MitOst-Projektbeirats).
Es ist Anfang Juni in Südrussland, knapp 37 Grad. Die Luft isoliert vom Rest der Stadt und der öffentlichen Wahrist staubig, von der Wolga weht hier und da ein Lüftchen nehmung. Anton, Dmitri und ihr über 15-köpfiges Team auf, die Stechmücken sind unerbittlich. Dmitri Boiko und – bestehend aus jungen Künstlern, Architekturstudenten, Anton Valkovsky verbringen ihren Samstagnachmittag Kulturaktivisten und Vertretern der Administrationen und nicht, wie die Hälfte der knapp eine Millionen Einwohner der Wirtschaft – wollen dies nachhaltig ändern. Wolgograds, auf der schattigen Datscha, sondern in einem roten, quadratischen Gebäude. Von den 1920er Jahren bis Anton ist 28 Jahre alt, hat Geschichte und Philosophie an der Anfang der 2000er wurde es noch als Lager für Spiritus und Pädagogischen Universität studiert und seine Doktorarbeit Hefe benutzt, in manchen Räumen stehen noch die Über- über Performance-Kunst in der Sowjetunion geschrieben. bleibsel der letzten Belegschaft – Bierflaschen, Blaumän- Im Moment bespricht er jedoch mit einem Elektriker die ner und Schutzmasken. Den im Stil des Konstruktivismus Stromversorgung für den roten Kubus – schließlich sollen erbauten Kubus erspäht man bereits, wenn man auf das in knapp zwei Wochen hier Lampen brennen und Verstärriesige Gelände des früheren Hydrolyse-Werkes Wolgograd ker aufgebaut werden. Wieso Anton noch im provinziellen einbiegt, zwischen Baumarkt, Wolga und Güterbahnhof Wolgograd geblieben ist und nicht, wie so viele der Kulturgelegen. Es sind nur zehn Minuten Fahrt mit der Marsch- schaffenden, in der Hauptstadt lebt? Wolgograd – als Zarirutka vom belebten Woroschilowski-Bezirk im Zentrum zyn gegründet und als Stalingrad in die Geschichte eingeder Stadt – trotzdem eine weitaus unbekannte Gegend, gangen – kann sich bis heute nicht von den Gespenstern der 12
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Vergangenheit befreien, von seinen Traumata, die die Stadt wieder und wieder durchlebt. So sieht Anton seine Tätigkeit als Kurator als eine gewisse Therapie, die den Einwohnern helfen soll, ein neues, modernes Bild von der Stadt zu schaffen, in der sie leben. Ebenso wichtig ist es ihm, in Wolgograd die Bildung neuer Communities zu fördern. Im Rahmen des Projektes in der Spiritusfabrik arbeitete er intensiv mit jungen, örtlichen Künstlern und führte sie an bisher unbekannte Praktiken heran, wie etwa partizipatorische Kunst, Happenings, Installationen, Community Based Art. Auch Dmitri ist Ende 20. Er lebt und wirkt in Wolgograd, wo er ein Studium an der Universität für Architektur und Bauwesen abschloss. Mittlerweile arbeitet er als Dozent und betreibt ein kleines Büro für Stadtplanung. Für ihn ist die Stadt vor allem durch den Prozess der Deindustrialisierung geprägt, der typisch ist für viele Regionen im postsowjetischen Raum. Seine Arbeit – und vor allem sein Engagement in der Spiritusfabrik – sieht er als Versuch, der Stadt die Angst vor der Abwicklung des Industriesektors zu nehmen und neue Entwicklungsfaktoren zu präsentieren, wie zum Beispiel Kreativwirtschaft und innovative Geschäftsideen. Gemeinsam mit Kollegen und Studierenden entwickelt er die Ausstellung „Urbanismus-Labor“ im roten Kubus: Hier werden nicht nur architektonische Visionen und Ideen für die Zukunft des Fabrikgeländes vorgestellt, der Zuschauer wird auch dazu aufgefordert, seine eigenen Wunschvorstellungen für die alte Spiritusfabrik zu visualisieren. Im Januar 2015, als das Team zum ersten Mal – noch unter Schneemassen – über das Fabrikareal stapfte, hatte Dmitri allerdings noch keine großen Visionen. Voller Bauschutt und Gestank erstreckte sich das Areal vor ihm. Anton hingegen fühlte sich wie ein Entdecker auf einem unerforschten Kontinent, beeindruckt von den zu erkennenden Überresten sowjetischer Utopie. Er verspürte eine ungebremste Energie, an diesem nostalgischen Ort etwas ganz Neues zu schaffen. Sechs Monate danach können die beiden auf einen überaus erfolgreichen Sommer zurückblicken – die Wolgo-
grader strömten mit Begeisterung und Neugierde auf das Fabrikgelände, das Medienecho zum Projekt war gewaltig. Weitere Wolgograder Initiativen nutzen den roten Kubus im Anschluss auch für Musikfestivals und Einzelveranstaltungen, der Besitzer des Geländes sagte seine Unterstützung zu. Ein Zuschauer fasste seine Eindrücke wie folgt zusammen: „Auf eine Bruchbude kann man noch einmal drauf pinkeln. Oder aber, wie ihr es getan habt, aus ihr ein Raumschiff machen.“ Und in fünf Jahren? Was bleibt, wie geht es weiter? Anton schätzt die Entwicklung folgendermaßen ein: „Im schlimmsten Fall wird die Spiritusfabrik als Monument der Sowjetzeit vernichtet und das Areal verliert sein Gesicht und seine Identität. Im besten Falle wird sie umgewandelt in ein experimentelles Labor für die Analyse und die Entwicklung von Ideen zum industriellen Erbe der Stadt.“ Dmitri glaubt fest an das Bestehen des Projekts: „Ich kann mir keinen inspirierenderen Coworking-Space oder ein besseres Kreativ-Kluster mit Studios, Ateliers und Cafés vorzustellen als unseren roten Kubus. Die beste Variante für dieses Gelände ist, Neues hinzuzufügen und das Alte nicht zu verschmähen. Man muss diesen Ort weiterentwickeln, aber gleichzeitig die Vergangenheit und die Geschichten, die die alten Wände erzählen, bewahren.“
Das Festival in der Spiritusfabrik in Wolgograd war Teil des regionenübergreifenden Projekts Reinventing Public Places, das durch eine Initiative des Robert Bosch Kulturmanager Netzwerkes ins Leben gerufen wurde. Es fand zeitgleich von Januar bis Juni 2015 in den russischen Städten Archangelsk, Tscheljabinsk, Uljanowsk, Wolgograd und Astrachan statt. Ziel war es, ungenutzte städtische Räume durch Kunst und Bürgerbeteiligung zu neuem Leben zu erwecken.
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Von Kooperation zu Kollaboration In den MitOst-Programmen Tandem und Actors of Urban Change werden engagierte Kulturakteure aus unterschiedlichen Regionen und Sektoren darin gefördert, gemeinsam Projektideen umzusetzen. Aber wie genau entsteht dabei von einer „Do it yourself“ eine „Do it together“Mentalität, die alle Beteiligten nachhaltig prägt? Ein Artikel von Sarah Herke (Koordinatorin des Referats Kulturaustausch), zuerst erschienen in KM – Kultur und Management im Dialog, Nr. 108/Dezember 2015.
Ende Oktober trafen im ukrainischen Ushgorod rund 30 Kulturmanager aus der EU und der Ukraine zu einem letzten Treffen zusammen. Ein Jahr lang hatten sie in Tandems, also Partnerschaften zwischen je einer Organisation aus der Ukraine und einer aus der EU, zusammengearbeitet. Bei diesem Abschlusstreffen, dem vierten in einer Reihe von Gruppentreffen, stellten wir den Teilnehmern die Frage, was sie für zukünftige internationale Partnerschaften gelernt haben. „Reden, erklären, zeigen und reden“, dies war Konsens in der Gruppe. Viel wichtiger aber die fast lapidare Anmerkung eines Teilnehmers: „Manchmal ist Zuhören wichtiger, als zu reden“. Denn der Schlüssel zu einer funktionierenden Partnerschaft über – wie auch immer geartete – Grenzen hinweg, ist die Fähigkeit, den Blickwinkel zu ändern, die Perspektive des Partners zu verstehen, um dann die gemeinsame Schnittmenge zu erkennen. MitOst arbeitet seit über zehn Jahren in der Qualifizierung von international tätigen Kulturmanagern. Insbesondere mit den TANDEM-Programmen und dem Programm Actors of Urban Change stärken und unterstützen wir zurzeit die internationale und transsektorale Zusammenarbeit von Kulturakteuren.
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Aktuell stehen wir nicht nur in Europa vor neuen politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen. Um diese zu meistern, gilt es, von der „Do it yourself“-Mentalität weg und hin zur „Do it together“Mentalität zu kommen. Mark Terkessidis, Philosoph und Autor des Buches „Kollaboration“, sagte vor einer Gruppe junger Kulturschaffender aus Griechenland und Deutschland im September auf die Frage, was der Unterschied zwischen Kooperation und Kollaboration sei, etwa Folgendes: Wer kooperiert, kommt über einen gewissen Zeitraum zusammen, hilft sich gegenseitig mit den jeweiligen Aufgaben und geht dann wieder auseinander. Die Kooperation wird ihn nicht verändert haben. Wer kollaboriert, der ist offen für eine Veränderung. In der Kollaboration entsteht aus der Erfahrung und Expertise der beteiligten Partner etwas Neues. Aber auch die Partner verändern sich und ihre Arbeitsweise. Neben dem Wert der Kollaboration als solcher hat Terkessidis hier eine weitere grundlegende Haltung angesprochen, die wir in unseren Programmen vermitteln: die gegenseitige Wertschätzung der Partner. Bei einem Austauschprogramm von Kulturmanagern aus der Ukraine und der EU
Die Gruppentreffen beinhalten, neben dem Austauschcharakter, auch einen Trainingsteil. Externe Trainer bringen hier Themen ein, die wir je nach Gruppenkonstellation aussuchen. Oft sind die einzelnen Gruppen mit einer Teilnehmerzahl zwischen 12 und 30 Personen (je nach Programm) jedoch so divers, dass die Fortbildungsbedürfnisse weit auseinandergehen. Wir versuchen, dies über parallele Workshop-Angebote zu lösen und die Expertise der Teilnehmenden im Sinne eines Peer-to-Peer-Ansatzes ebenfalls in den Workshops zu nutzen.
wäre es fatal anzunehmen, dass die Kulturmanager aus „dem Westen“ die einzigen Experten seien. Insbesondere im lokalen Kontext sind die Akteure vor Ort Experten, ganz gleich, von welcher Lokalität die Rede ist. Diese Expertise zu erkennen und wertzuschätzen ermöglicht erst eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, die von Vertrauen geprägt ist – Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Veränderung. Diesen Ansatz vermitteln wir nicht nur in den Programmen, sondern setzen ihn auch selbst um. Die Programme werden gemeinsam mit lokalen Partnern entwickelt und durchgeführt. Dem Ansatz der Kollaboration folgend, liegt der Fokus der Programme nicht auf der reinen Projektumsetzung. Zwar erhalten die Teilnehmenden eine Projektförderung, das Projekt dient aber vielmehr als Anlass zur Zusammenarbeit und zum näheren Kennenlernen des Partners. Oft werden die Projekte genutzt, um einen Prototypen zu erstellen, einen neuen Ansatz auszuprobieren. Im sicheren Programmrahmen ist dies möglich, weil wir von den Teilnehmenden keinen Erfolg im klassischen Sinne erwarten. Wir wissen, dass Fehler und Misserfolge zum Prozess der Neuentwicklung gehören. Dagegen erwarten wir eine gewisse Risikobereitschaft, neues zu Erproben und die ehrliche Reflektion des Prozesses, den kollegialen Austausch über Herausforderungen, Schwierigkeiten, Misserfolge und natürlich auch Ansätze, die funktionieren. Hierzu dienen jeweils die Gruppentreffen, die je nach Programm etwa alle vier bis sechs Monate stattfinden. Vor kurzem wurde uns in Bezug auf diese Treffen der Begriff der „Selbsthilfegruppe für Weltverbesserer“ angetragen. Ganz von der Hand zu weisen ist diese Beschreibung nicht – regelmäßig erhalten wir die Rückmeldung, dass eine der wichtigsten Veränderungen durch die Programmteilnahme das entstandene Bewusstsein sei, nicht allein zu sein mit dem Anliegen, durch kulturelle Arbeit Positives in der Gesellschaft bewirken zu wollen. Dass es, obwohl man in der eigenen Stadt vielleicht als merkwürdiger Außenseiter gilt, im weiteren Europa Menschen gibt, die ähnliche Werte haben und mit denen man gemeinsame Ziele teilt. Das gibt Kraft, um auch in schwierigen Zeiten nicht aufzugeben.
Neben der Projektförderung unterstützen wir in unseren Programmen die Zusammenarbeit der Teams auch mit der Finanzierung eines Placements, d.h. einer Hospitation in der jeweiligen Partnerorganisation bzw. in einer Organisation mit relevanten Erfahrungen innerhalb der Gruppe. Diese etwa einwöchigen Arbeitsaufenthalte werden als grundlegend für den Erfolg der Kollaboration beschrieben, da sie den Arbeitskontext des Partners erfahrbar machen und so das Verstehen seiner Arbeitsweise, aber auch das Reflektieren eigener Handlungsmuster ermöglichen. Die Programme sind genauso offen für Grass-Root-Initiativen wie für Mitarbeiter großer und etablierter Kulturorganisationen. Dementsprechend unterschiedlich sind die beschriebenen Veränderungen, die für die Teilnehmenden entstehen. Hier reichen die Rückmeldungen von der persönlichen Weiterentwicklung in konkreten Projektmanagement-Fähigkeiten über die Organisationsentwicklung bis hin zu einer Etablierung als Knotenpunkt für zivilgesellschaftliche Organisationen in der jeweiligen Stadt. Dies zeigt eine weitere Stärke unseres Ansatzes auf: Durch eine enge, individuelle Begleitung (das Mentoring) ermöglichen wir den Teilnehmenden, sich auf eigene Schwerpunkte in der persönlichen Entwicklung oder der ihrer Organisation zu konzentrieren. Nicht zuletzt begreifen sich auch die Mitarbeiter, die die Programme umsetzen als Kollegen der Teilnehmenden. Wir sind offen für Rückmeldungen und Anstöße, die aus dem Kreis der Teilnehmenden kommen und stimmen Programmelemente schnellstmöglich auf ihren Bedarf ab. Für uns ist die Arbeit mit Kulturakteuren in Europa und darüber hinaus eine inspirierende Erfahrung, die uns schon frühzeitig neue politische und gesellschaftliche Entwicklungen wahrnehmen lässt und uns in unserer Annahme bestärkt, dass Kultur eine grundlegende Dimension nachhaltiger Entwicklung ist, die einen wichtigen Beitrag zur Förderung einer offenen Gesellschaft leistet.
Tandem
ist ein Austauschprogramm, das Kulturakteure dabei unterstützt, in grenzübergreifenden Wissensund Erfahrungsaustausch zu treten und mit Projektpartnern aus Europa und seinen Nachbarregionen dauerhafte Kollaborationen einzugehen. www.tandemexchange.eu
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Community Art in einem zweifelnden Europa Förderung von Kunst und Kultur: Hat Europa nicht drängendere Probleme? Der britische Kulturwissenschaftler, Autor und Community-Experte François Matarasso meint Jein und hält in diesem Beitrag ein Plädoyer für die politische Bedeutung des „Parlaments der Träume“, das er in den individuellen und kollektiven Ausdrucksmöglichkeiten eines offenen Kulturlebens verwirklicht sieht. François Matarasso unterstützt MitOst derzeit bei der rückblickenden Analyse von fünf Jahren Tandem-Programm.
Die europäische Idee erscheint derzeit verwundbarer denn je, soweit ich zurückdenken kann. Der Kalte Krieg mag eine noch offensichtlichere Bedrohung bedeutet haben, doch konnte damals angesichts des riesigen Atomraketenarsenals für niemanden ein Zweifel bestehen, was auf dem Spiel steht. Der Zweite Weltkrieg war noch frisch in Erinnerung und Menschenrechte, Freiheit und Demokratie wurden als Themen von entscheidender Bedeutung betrachtet. Heute, da die moralischen Ruinen von 1945 allmählich der Geschichte angehören, scheinen die seinerzeit geschaffenen rechtlichen Schutzmechanismen und diplomatischen Absicherungen in Misskredit zu geraten. Die Europäer verlieren ihren Glauben an Zusammenarbeit und eine gemeinsame Zukunft, anscheinend aus schierer Frustration. Die Geschichte unseres Kontinents belegt nicht nur, wie schwierig ein Zusammenleben sein kann, sondern auch, dass es von vitaler Bedeutung, eben buchstäblich lebenswichtig ist, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Die Bedrohungen sind real. 2008 brachten uns wirtschaftliche Fehler an den Rand des Abgrunds. Wir sind zwar nicht hineingestürzt, doch sind wir ihm immer noch beängsti16
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gend nah. Arbeitslosigkeit lässt eine Generation junger Menschen verkümmern, während verschuldete Staaten die sozialen Absicherungsinstrumente des Wohlfahrtsstaates der Nachkriegszeit aushöhlen. Millionen Flüchtlinge kommen auf der Suche nach Sicherheit hierher – oder kommen bei diesem Versuch ums Leben. Die Kriege, vor denen sie fliehen, und bei denen europäische Mächte ein beträchtliches Maß an Verantwortung tragen, haben auch Feinde in unsere Cafés, Züge und Theater gebracht. Soldaten bewachen öffentliche Gebäude, Kinder werden von bewaffneten Polizisten zur Schule eskortiert. Zu viele verfallen angesichts dieser historischen Herausforderungen in einen schützenden Nationalismus. Großbritannien könnte bald für einen Austritt aus der Europäischen Union stimmen; falls das geschieht, könnte Schottland für einen Austritt aus dem Vereinigten Königreich votieren. 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs schießen quer durch Europa neue Mauern aus dem Boden, die die Gemeinschaft in verfeindete Fürstentümer spalten. Wenn wir uns nicht vorsehen, werden wir in selbsterrichteten Gefängnissen leben.
Unter diesen Umständen mag es deplatziert oder ober- Wenn allgemeines Wahlrecht und das Recht auf Partiziflächlich erscheinen, über Kunst zu sprechen. Das Bild vom pation in der Zivilgesellschaft ganz wesentliche Elemente spielenden Nero im brennenden Rom ist nicht ohne Grund jeder echten Demokratie sind, gilt das Gleiche für Kunst in Erinnerung geblieben. Ich werde keineswegs behaupten, und Kultur. Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der dass Kunst die Antwort auf unsere derzeitigen Probleme Menschenrechte (einer jener entscheidenden Nachkriegist. Vielmehr sind viele Kultureinrichtungen selbst in ihrer sideen, die jetzt allzu leicht als selbstverständlich wahrgeExistenz bedroht: durch Haushaltskürzungen und Bürger, nommen werden) verkündet: die ihren Angeboten zunehmend gleichgültig gegenüberstehen. Orchester, Theater und Museen haben selbst genug “Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinum die Ohren. schaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen ErrunKunst ist allerdings keine Ansammlung von Objekten oder genschaften teilzuhaben.” 2 ein Kanon – Kunst ist die Denkweise, die diese Dinge hervorgebracht hat. Kunst ist eine Notwendigkeit menschlichen Da es in diesem Dokument das letzte der aufgeführten Daseins, weil sie uns in die Lage versetzt, unsere Erfahrun- Grundrechte ist, könnte es als weniger wichtig erscheinen, gen zu verarbeiten, individuelle und kollektive Bedeutungen gar als Nachtrag. Nichts könnte der Wahrheit ferner liegen. zu schaffen sowie uns andere Lebensweisen vorzustellen, Das Recht „am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei und zwar auf eine Art und Weise, wie es unsere rationaleren teilzunehmen”, ist ein Garant für die anderen, in den vorgesellschaftlichen Denkinstrumente, etwa Wissenschaft und angehenden Artikeln der Erklärung formulierten Rechte. Politik, nicht vermögen. Kunst ist uns nicht unbedingt dabei Eine Gruppe, die nicht in der Lage ist, ihrer Kultur offen behilflich, besser zu denken als bei anderen von uns geschaf- Ausdruck zu verleihen, ist auch nicht in der Lage, sich gegen fenen Methoden – es geht nicht um Wettbewerb –, aber sie Fehlinterpretationen durch andere zu verteidigen. Eine ermöglicht es uns, anders zu denken. Und wir brauchen Person, die nicht das Recht hat, sich durch Kunst frei ausdieses Andere, besonders vielleicht in Zeiten des Wandels und zudrücken, wird auch in anderer Hinsicht zum Schweigen der Angst. Wir brauchen die unausgesprochenen, intuitiven, gebracht. Die Geschichte belegt, dass es von der Verwehgefühlten und geteilten Erfahrungen der Kunst, ihre Symbole, rung einer Partizipation am Kulturleben nur ein kurzer Rituale und Metaphern, ihre Mehrdeutigkeit, Widersprüch- Weg zur Negierung einer Kultur ist, und letztendlich auch lichkeit, ihre Strittigkeit, ihre Inspiration, ihre Vernünftig- zur Negierung des Menschseins und gar des Rechts auf keit und ihre Suprarationalität, ihren Raum für Träume und Leben. Schrecken und Hoffnungen … vor allem Hoffnungen. In allen Gesellschaften gibt es Menschen, die von anderen Kunst zu schaffen, allein oder gemeinsam, sich auf Kunst gefürchtet oder herabgewürdigt werden. Wenn man heute einzulassen, allein oder gemeinsam, das sind Handlungen, nach jenen fragt, die üblicherweise von den anderen krikeine Dinge. Indem wir sie vornehmen, indem wir denken, tisch dargestellt werden – falls sie überhaupt in der Mehrfühlen, uns in andere hineinversetzen, sind wir mit anderen heitskultur in Erscheinung treten –, dann kommen einem und erweitern unser Vorstellungsvermögen; wir definieren Menschen mit psychischer Erkrankung oder bestimmten (neu), woran wir glauben und erzeugen Sinn in unseren Behinderungen in den Sinn, Sinti und Roma, Migranten Leben, erschaffen Sinn aus ihm. Ich habe die Kultur einer oder sogar junge Menschen. Es ist für diese und andere Nation als deren „Parlament der Träume“ beschrieben, als marginalisierte Menschen viel weniger üblich, sich in Film, einen Raum, in dem Menschen Überzeugungen ausdrü- Fernsehen, Kunst oder Schriftwerken zu präsentieren. Und cken, Überzeugungen anderer begegnen, sie teilen, ver- dennoch: Wenn sie es tun, können die Ergebnisse transforstehen, verwerfen, bewundern, andere um sie beneiden1. mativ wirken. Demokratien brauchen Parlamente, um die widerstreitenden Rechte und rivalisierenden Interessen ihrer Bürger zu Nehmen wir nur, als ein Beispiel von vielen, die Rolle verhandeln. Sie brauchen genauso ein starkes, reiches und behinderter Künstler in der britischen Bewegung für die offenes Kulturleben, einen virtuellen parlamentarischen Rechte der Behinderten der 1980er und 1990er Jahre. Als Raum, um die ebenso unterschiedlichen Überzeugungen Gruppen wie die Candoco Dance Company3 begannen, und Wertvorstellungen der Bürger zu verhandeln. modernen Tanz von und mit behinderten Interpreten auf die Bühne zu bringen, bedeutete das für die Einstellungen Dieses alternative Parlament weist zu den Versammlun- zu „Behinderung“ eine tiefgreifende Herausforderung. Für gen, die die Angelegenheiten einer Nation regeln, wich- die Prozesse, die zum britischen Disability Discrimination tige Unterschiede auf. Es nutzt die Ressourcen der Kunst: Act von 19954 führten, spielten Parlamentsreden, DemonsGefühl, bildliche Darstellung, Erzählung und Metapher. Es trationen und Mediendebatten eine sehr große Rolle. Aber verlangt von den Beteiligten nicht, dass sie über finanzielles, es waren die kreativen und ausdrucksstarken Arbeiten von Bildungs- oder soziales Kapitals verfügen. Es erwartet von Künstlern wie Candoco, The Lawnmowers5 und Graeae6, ihnen weder Konsistenz noch Verbindlichkeit. Es schenkt den mitreißendsten Stimmen Gehör, selbst wenn diese in 2 www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf anderer Hinsicht schwach oder marginal sein mögen. 1 http://parliamentofdreams.com/2013/02/24/what-is-the-parliamentof-dreams/
3 www.candoco.co.uk 4 https://en.wikipedia.org/wiki/Disability_Discrimination_Act_1995 5 www.thelawnmowers.co.uk 6 www.graeae.org
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die Millionen Menschen ohne Behinderungen dabei halfen, – weil sie an sich richtig ist, wie auch deshalb, weil sie, wie das Leben und die Begabungen ihrer Nachbarn mit Behin- Raymond Aron argumentierte, Menschen besser schützt derungen zu verstehen. Kunst verwandelt abstrakte Ideen als andere Herrschaftssysteme –, dann können wir sie nicht zu Erfahrungen, die verstanden, geteilt und von Leuten mit dadurch erneuern, dass wir einen großen Teil unserer Mithöchst unterschiedlichen Lebensumständen und Überzeu- bürger von der Bewältigung dieser Herausforderung ausgungen (an)erkannt werden können. schließen. Hier haben die demokratischen Werte und die offenen Prozesse der besten Praxis von Community Art Die Praxis von Community Art ist in Europas Kulturleben eine Menge beizutragen. Ort für Ort, Gemeinschaft für jahrzehntelang bedeutsam gewesen. In den letzten Jahren Gemeinschaft können sie voneinander getrennte, verunsihaben mehr und mehr Künstler und Gemeinschaften cherte Menschen in kreativen Räumen zusammenbringen, diesen Weg des Kunstschaffens verfolgt, zum Teil, weil sie wo sie beginnen können einander zu hören, vielleicht sogar von dessen kreativen Potential begeistert waren, und zum zu würdigen. Es ist eine langwierige, mühsame Arbeit. Sie Teil, weil er sich in schwierigen Zeiten als reichhaltige Res- ist oft frustrierend und schwierig. Aber sie kann auch voll source erweist. Community Art kann für die Beteiligten kreativen Staunens und Entdeckens sein. Sie kann uns einen vielfältigen sozialen und Bildungsgewinn bedeuten; helfen wieder zu vertrauen - uns selbst, einander, unseren darüber hinaus vermag sie die Entwicklung der Zivilge- Institutionen und unseren Werten. Was könnte wichtiger sellschaft und ihrer Organisationen zu stärken. Ihre größte sein? Bedeutung jedoch liegt in der Fähigkeit, nicht erhörte, nicht gesehene, marginalisierte Menschen in das Kulturleben der Gemeinschaft hineinzubringen und diese Menschen in die Dieses Werk wird unter der Internationalen Creative ComLage zu versetzen, sich als aktive Subjekte zu repräsentieren mons Lizenz Namensnennung-Nicht-kommerziell-Keine– und nicht nur als Objekte einer anderen, oft feindlichen Bearbeitung-4.0 verbreitet und kann entsprechend diesen oder verächtlichen Sichtweise. Da wir großen Herausfor- Maßgaben vervielfältigt werden. derungen gegenüberstehen, birgt Community Art große Möglichkeiten für uns alle. Dieser und weitere Artikel von François Matarasso sind auf seinem Blog www.arestlessart.com nachzulesen. Der europäische Gedanke ist nicht perfekt, aber er hat uns dabei geholfen, siebzig Jahre lang in relativem Frieden zusammenzuleben. Auch ist er nicht in Stein gemeißelt, und wenn wir weitere siebzig Jahre unsere Menschenrechte, Demokratie und Freiheit genießen wollen, so müssen auch die Ideen, mit denen wir sie verteidigen, sich weiterentwickeln. Niemand von uns weiß, wie das zu bewerkstelligen ist. Es ist eine riesige Aufgabe, die den vollen Einsatz von Politikern, Wissenschaftlern, Philosophen und, ja, auch von Künstlern verlangt. Wenn wir aber an Demokratie glauben 18
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Start der neuen MitOst-Kooperation CitizensLab CitizensLab verfolgt die Vision eines europäischen Netzwerks aktiver Bürger und wird von MitOst in Zusammenarbeit mit der Stiftung Mercator, der Robert Bosch Stiftung und der European Cultural Foundation umgesetzt. Von einer unabhängigen Jury wurden 35 lokale Akteure des Wandels aus 12 europäischen Ländern ausgewählt, die sich in NGOs, Kultureinrichtungen oder Behörden mit Leidenschaft für ihre Nachbarschaft einsetzen und mit anderen europäischen Initiativen vernetzen wollen. Unter ihnen sind kulinarische Aktivisten, die für das Crowdfunding lokaler Projekte Guerilla-Dinner organisieren, SocialMedia-Asse, die durch ein lokal funktionierendes Netzwerk Nachbarn verbinden, Literaturliebhaber, die Jugendliche durch Spoken-Word-Poesie und Storytelling stärken und engagierte Mitarbeiter kommunaler Verwaltungen, die durch ihre Arbeit Partizipation von Bürgern fördern. Beim CitizensLab-Auftakttreffen im Juni 2016 kamen die Mitglieder des zukünftigen Netzwerks erstmals zusammen. Erfahrt mehr dazu von den Koordinatorinen Alice Priori und Lisa Schulze: Worum ging es beim ersten CitizensLab-Netzwerktreffen in Berlin? Die Mitglieder hatten Gelegenheit, sich untereinander kennenzulernen, sich bei einem Markt der Möglichkeiten über ihre lokalen Projekte austauschen und Ideen für gemeinsame Aktivitäten zu entwickeln. In selbstorganisierten Arbeitsgruppen verständigten sich die Mitglieder zu fundamentalen Zielen und einer Vision, aber auch zu konkreten Handlungsfeldern und der partizipativen Struktur des Netzwerks.
Tools gesprochen, die uns unsere gemeinsame Arbeit erleichtern sollen. In den nächsten Wochen werden wir diese ausprobieren. In den nächsten Monaten können die Mitglieder zudem Mobilitätszuschüsse nutzen, um einander noch besser kennenzulernen. Außerdem erarbeiten wir eine gemeinsame Publikation zum Thema „New forms of civic engagement in Europe”, die im Herbst erscheint. Zehn Autoren, darunter Journalisten, Aktivisten, Wissenschaftler und Kulturmanager, zeigen die Tendenzen zivilgesellschaftlichen Engagements in ihren jeweiligen Ländern auf. Seid ihr zufrieden mit den Ergebnissen? Im Fokus stehen dabei engagierte Akteure aus allen gesellSelbstorganisation kann aus Teilnehmern eines Treffens schaftlichen Bereichen – aus Bürgerinitiativen und VereiMitglieder eines aktiven Netzwerks machen, mit dem sich nen, kommunalen Verwaltungen und Sozialunternehmen alle identifizieren. Da die Gruppe sehr heterogen ist, waren –, die partizipatorisch und transsektoral arbeiten. Die Citidie vier Tage allerdings auch ein ständiger Aushandlungs- zensLab-Mitglieder haben die Möglichkeit, die Analysen zu prozess. Viele Diskussionen sind noch nicht abschließend ergänzen und ihre eigene lokale Expertise einzubringen. geführt und einige der Ergebnisse sind erst vorläufig. Nichtsdestotrotz ist der Gruppenzusammenhalt nach so Da Partizipation eine Grundlage von CitizensLab ist, sind kurzer Zeit bereits stark: Verbindungen wurden geknüpft die Mitglieder stark in die weiteren Entscheidungsprozesse und gegenseitiges Vertrauen ist gewachsen. Alle Citizens- des Projekts involviert. So wird sich eine Delegation im Lab-Mitglieder können sich mit einem Netzwerk identi- Herbst mit dem Konsortium aus Vertretern von MitOst, fizieren, in dem das C für „Citizens“, „Community“ und der Stiftung Mercator, der Robert Bosch Stiftung und der „Communication“ steht und das Lab für den Willen, zu European Cultural Foundation treffen, um die nächsten experimentieren, neue Erfahrungen zu machen und vonei- strategischen Schritte zu besprechen. nander zu lernen. Da gegenseitiges Vertrauen und Identifikation mit dem Netzwerk die Grundlage für unser weiteres gemeinsames Arbeiten darstellen, sind wir insgesamt sehr Verfolgt das Projekt auf Facebook.com/CitizensLab zufrieden mit den Ergebnissen. und der entstehenden gemeinsamen Website: www.citizenslab.eu Wie geht es jetzt weiter? Was sind die nächsten Schritte? Während des Treffens haben wir über verschiedene OnlineMitOst-Magazin
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Edition NGO – Neue Formen der Zusammenarbeit Beim MitOst-Salon im Januar 2016 fragten wir: Was sind die Sprungfedern genialer Ideen? Wie erschließt man sich neue Räume? Und woher kommt das Durchhaltvermögen? Eingeladen waren drei Organisationen, die sich in drei verschiedenen Entwicklungsphasen befinden. Mit Mirjam Meixner, Simon Kiepe und Philip Horst sprach Darius Polok über Gründung, Entwicklung und Ausblick ihrer Initiativen, Projekte und Organisationen. Simon, was hat euch angetrieben? Wie ist das Innovationscamp POC21 entstanden? Simon: Das Gründerteam von POC21 kommt aus dem Design- und Kommunikationsbereich. Wir alle haben in Agenturen gearbeitet und auch selbst welche gegründet. In Anbetracht der großen globalen Krisen dachten wir, wir wollen unser Wissen aus Kommunikation und Werbung in den Dienst des Guten stellen und damit etwas verändern. Wir haben damals eigentlich für alle großen NGOs von Amnesty International über Oxfam bis zu Brot für die Welt gearbeitet. Nach ein paar Jahren hatten wir das Gefühl, es wird eigentlich alles nur noch schlimmer. Wir fuhren damals regelmäßig in so eine kleine Waldhütte in Brandenburg. Dort haben wir uns ein Wochenende lang eingeschlossen, überlegt und debattiert, was man jetzt anders machen könnte. Bis wir mitbekamen, es gibt schon Leute, die ziemlich versteckt anfangen, Dinge anders zu tun. Zum Beispiel ein Team Berliner TU-Studenten, das ein Floßkino organisiert hat. Die fragten sich: Wir wollen unser Floßkino an der Spree machen und der Generator stinkt alles voll und man kann den Film eigentlich gar nicht hören. Gibt es eine Alternative? Und dann haben sie etwas gebaut, das rein technisch funktionierte, praktisch aber drei Leute zum Aufbau brauchte. Und wir dachten: Das ist eine geniale Lösung, warum wird so ein Produkt jetzt nicht das neue Normal? Diese Leute haben den Bedarf gesehen, sich ohne wirtschaftliche Absicht zusammengeschlossen. Wir überlegten dann, was es braucht, damit Dinge bedarfs- und nicht marktorientiert entwickelt werden. Wir erkannten relativ schnell, dass der nächste Schritt fehlt – die Realisierung. Die Tüftler und kleinen Ingenieurteams brauchen Leute, die sich mit Design und Kommunikation auskennen. Es fehlen alle anderen Kompetenzen, die ein großes Wirtschaftsunternehmen vereint und natürlich auch finanziell aufbringen kann. Wie wäre es denn, wenn wir alle zusammenbringen, die es braucht, um ein Produkt zu einem nutzbaren Gegenstand zu machen? Diese Idee haben wir ausprobiert und mehrere kleine Camps veranstaltet – und ein großes Camp, POC21, das auch durch Advocate Europe gefördert wurde. Bei POC21 haben wir 100 Leute für fünf Wochen in einem Schloss nahe Paris „eingesperrt“. Wir haben eine komplette 20
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Simon Kiepe
von POC21 Wie wollen wir morgen leben? In einem vielversprechenden und innovativen Format ermöglichte das Innovationscamp POC21 das echte Ausprobieren von neuen Lebensformen basierend auf OpenSource-Modellen. Junge Tüftler entwickeln umweltschonende Produkte. Die POC21-Produkte sind kopierbar, reparabel, ressourcenarm und dezentral herzustellen. Zukunft selbst gemacht – ein Beispiel für ein taktisches Netzwerk, eine strategische Community und eine Plattform für Kollaboration. Das Projekt wird durch den Ideenwettbewerb „Advocate Europe“ gefördert, ein Kooperationsprogramm von MitOst, Liquid Democracy und Stiftung Mercator. www.poc21.cc Mirjam Meixner
von Flüchtlinge Willkommen Das Projekt vermittelt geflüchtete Menschen in Wohngemeinschaften. Das Vermittlungsangebot wird in weitere europäische Länder übertragen – ein Beispiel für eine Initiative von Aktivisten, die an einem konkreten Bedarf ein Lösungsangebot entwickelt hat und nun vor den Herausforderungen der Verstetigung und Skalierung steht. Auch dieses Projekt wird durch „Advocate Europe“ gefördert. www.fluechtlinge-willkommen.de Philip Horst
vom Zentrum für Kunst und Urbanistik Das Zentrum für Kunst und Urbanistik (ZK/U) ist ein unabhängiger Denk- und Produktionsraum im ehemaligen Güterbahnhof Moabit in Berlin. Von mobilen künstlerischen Interventionen zu einem lokalen Hub für die Nachbarschaft – ein Beispiel für einen sogenannten „local synergiser“. Das ZK/U wurde im Rahmen des Koopertaionsprogramms von Robert Bosch Stiftung und MitOst „Actors of Urban Change“ gefördert. www.zku-berlin.org
Infrastruktur mit Werkstätten und allem, was eine solche Gemeinschaft braucht, aufgebaut. 100 Leute bekamen eine Art Schutzraum, in dem sie zu den Grundbedürfnissen menschlicher Zivilisation, also Energie, Ernährung, Mobilität und so weiter, kollaborative Lösungen entwickelten, die dem Gemeinwohl dienen und nicht primär das Ziel haben, irgendeine Marktnische zu füllen. Das Format hat ein enormes Innovationspotenzial: Die Wirtschaftsteilnehmer meinten, in der normalen Wirtschaft würde es ungefähr anderthalb Jahre dauern, so ein Produkt wie den Solargenerator zu entwickeln; bei uns ist das innerhalb von ein paar Wochen geschehen. Es setzt einfach eine unglaubliche Energie frei, wenn 100 Leute gemeinsam an einem Strang ziehen. Insgesamt entstanden so zwölf Produkte. Was war der Auslöser dafür, in anderen Bahnen zu denken? Simon: Ich beobachte die Tendenz, dass Leute nicht mehr das Gefühl haben, die großen Systeme tun in irgendeiner Form das, was sie vielleicht gerne hätten. Da ist kein Hebel mehr und sie müssen das selbst in die Hand nehmen. Darin sehe ich auch zukünftig die Rolle von NGOs und Organisationen: Sie schaffen Möglichkeitsräume für die Zivilgesellschaft, um selbst aktiv zu werden. Ein gutes Beispiel dafür ist Raul Krauthausen, der gerade das Bundesverdienstkreuz für seine Initiative wheelmap.org bekommen hat – eine Plattform und App, auf der Menschen weltweit rollstuhlgerechte Orte auf einer Karte finden und markieren können. Was er nicht getan hat: Er hat nicht zu einer Riesendemo aufgerufen und vor dem Rathaus für mehr Barrierefreiheit gekämpft. Er hat es selbst in die Hand genommen und ein Lösungsangebot geschaffen. Das war auch unser Antrieb: Von der Frustration darüber, dass sich im Großen nichts verändert, hin zu der Frage: Wie können wir loslegen? Das ist ein unglaublich befreiendes und motivierendes Gefühl.
Was sind deine Gedanken zum Thema DNA eurer Organisation? Simon: Die DNA, das ein sehr starkes Motiv. Es gibt sozusagen die kapitalistische DNA und in dieser ist nur eine bestimmte Art des Wirtschaftens, Denkens und Handelns möglich. Und man kann eigentlich nicht daran appellieren, dass diese DNA sich jetzt bitte verändern soll. Das funktioniert nicht, denn der Rahmen bestimmt das Ergebnis und so lässt sie nur eine bestimmte Art von Lösungen zu. Deshalb fragten wir uns, wie kleine Bubbles geschaffen werden können, in denen am Ende andere Ergebnisse herauskommen. Du sagst, ihr habt das System analysiert, ihr habt gemerkt ihr müsst Räume schaffen, in denen etwas Neues entsteht. Ihr startet mit einer solchen Nische, ein erster Test – und was passiert dann? Simon: Na ja, so einfach war das nicht. Wir haben drei Jahre an der Idee gefeilt und versucht, Fundraising zu betreiben, aber es hat einfach nie wirklich jemand verstanden, was wir da vorhaben. Und wir konnten es anfangs selbst auch nicht so richtig erklären. Mit anderen Worten, die DNA des kapitalistischen Wirtschaftssystems ändern…? Simon: Im Prinzip schon. Es gab tatsächlich eine bezeichnende Situation, wo nach einem ewigen Antragsprozess bei einer Stiftung die Rückfrage kam: „Ja, aber Moment mal, wenn jetzt alles Open Source und kollaborativ ist und sozusagen die Baupläne von dem, was ihr macht für alle frei zugänglich sind, die Sachen reparabel werden - was passiert denn dann mit den kleinen und mittleren brandenburgischen Unternehmen im Solarsektor, die wir die letzten MitOst-Magazin
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Jahre gefördert haben?“ Das war unglaublich frustrierend. Die Initialzündung gab ein privater Stifter. Er hatte ganz neu gegründet und auch er verstand nicht, was genau wir da vorhaben, aber er meinte, er spüre das Feuer und hat uns 10.000 Euro gegeben. Für das, was wir vorhatten, brauchten wir eine Million Euro. Aber mit diesen zehntausend Euro konnten wir einen Mini-Prototypen bauen und zeigen: Hier schaut mal, es funktioniert tatsächlich und das ist unsere Theory of Change. Das war der Befreiungsschlag. Danach wurde alles plötzlich ganz einfach. Mich beschäftigt noch eine Frage zum Anfangspunkt eurer Initiative: Du sagtest, die anderen haben euch nicht verstanden oder für verrückt erklärt. Wer hat euch denn verstanden? Simon: Das ganze Projekt wäre wahrscheinlich gescheitert, wenn das Projektteam nicht aus einem sehr stabilen Freundeskreis entstanden wäre. Diese emotionale Bindung hat uns zusammengeschweißt und uns gemeinsam durch wirklich tiefe Täler waten lassen. Wir haben unglaublich viel Zeit in die Entwicklung von dem Projekt gesteckt, die Anträge scheiterten ständig. Und natürlich gab es auf dem Weg auch Abstoßreaktionen, wie den Ausstieg aus der eigenen Firma ohne eine Nachfolgestelle. Das war ein unglaubliches persönliches Risiko. Das wurde nur aufgefangen durch das gegenseitige Vertrauen und die gemeinsame innere Überzeugung von der Sache an sich. Stichwort Zusammenarbeit. Wie wichtig sind für euch Partnerschaften? Simon: Man muss strategische Partnerschaften eingehen und kann kaum darauf verzichten. Wir hatten zum Beispiel über 50 Partner. Man muss natürlich genau schauen, was ist 22
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die Motivation der Partnerschaft. Einer unserer Hauptpartner war die Münchner Rück, eine Rückversicherungsgesellschaft. Unser zentrales Thema war der Klimawandel und die Entwicklung von Technologien, die, wenn sie einmal horizontal und breit skaliert sind, Klimawandel stoppen oder reduzieren können. Der Klimawandel ist so ungefähr das Schlimmste, was der Münchner Rück passieren kann und deshalb haben sie auch als eines der ersten Unternehmen dazu geforscht. Sie haben 30 Jahre lang versucht, an den großen Stellschrauben in Brüssel zu drehen, Wirtschaft und Politik zu Veränderung zu bewegen und letztes Jahr aufgegeben. Das Unternehmen hat sich strategisch dafür entschieden, in Grass-Root-Bewegungen zu investieren. POC21 war das erste Projekt, das eine Förderung erhalten hat und nicht den Fokus hatte, etwas im Großen und systemisch zu ändern. Es gibt Probleme wie beispielsweise den Klimawandel, bei denen wir nicht noch länger abwarten können. Wir werden von den Partnern gebraucht, weil sich das System nicht ändert und wir brauchen diese Partner, weil sie über die notwendigen Ressourcen verfügen. Eine andere Frage: Wie spiegelt sich das, was ihr als Kollaborationsform intern vorhabt, in eurer Rechtsform wieder? Simon: Wenn ich das jetzt schon wüsste… Wir wollen in einer non-hierarchischen Organisation zusammenarbeiten, in der es keine Positionen gibt und nur Kompetenzen. Die Teams formen sich, je nachdem wer gerade Energie hat und wer sich mit dem Thema auskennt. Das lässt sich momentan nicht in einer Rechtsform abbilden. Damit haben wir wahnsinnig Schwierigkeiten. In dem Zusammenhang stellen wir auch die Frage: Was ist eigentlich Arbeit? Was hat Wert? Wenn der Chef die wichtigen Telefonate führt oder wenn einer immer für gute Laune sorgt und morgens die Kekse auf den Tisch stellt. Ist das nicht vielleicht sogar viel wich-
tiger? Und genau das wollen wir gerne abbilden. Allerdings kollidieren unsere Vorstellungen und Pläne im Moment mit den klassischen Rechtsformen. Der Rahmen setzt das Ergebnis und der soll natürlich genauso gut sein wie die anderen Realitäten, die wir bauen. Jetzt hoffen wir, dass wir dafür irgendein Konstrukt finden.
wir lernen. Ehrenamt und Mittelbeschaffung sind große Themen, genauso wie Arbeitsprozesse und Nachsteuerung. Wir stellen uns neuen Herausforderungen und versuchen alles positiv voranzutreiben. Wir befinden uns in der Kernentwicklungsphase unserer Organisation, die nach wie vor anhält.
Mirjam, mit eurer Initiative wollt ihr auch an einer anderen Realität bauen, also die bestehende verändern. Was war die Initialzündung für eure Idee?
Was war der Motor beim Start von Flüchtlinge Willkommen im November 2014? Du warst selbst noch nicht dabei, kennst aber die Geschichten.
Mirjam: „Warum können geflüchtete Menschen nicht einfach in Wohngemeinschaften wohnen statt in Massenunterkünften?“, das fragten sich die Gründer von Flüchtlinge Willkommen. Die Idee ist ganz simpel: Anstelle von zentraler Unterbringung in Gemeinschafts- oder Massenunterkünften wohnen Flüchtlinge auch in WGs oder bei Familien. Der zentrale Gedanke ist, eine Willkommenskultur zu schaffen, indem man Menschen in unserer Mitte, im Alltag aufnimmt. Über ein Internetprotal und mit ehrenamtlichen Helfern vermitteln wir Zimmer in Berlin und in 14 weiteren deutschen Städten. Innerhalb von kurzer Zeit sind wir sehr schnell gewachsen. Wir haben inzwischen ein achtköpfiges Team und darüber hinaus unglaublich viele Freiwillige, die uns unterstützen – und nur mit den Freiwilligen ist die Arbeit überhaupt zu leisten. Wir arbeiten spendenbasiert oder mit Fördergeldern. So sind wir auch mit MitOst e.V. verbunden, der uns durch Advocate Europe unterstützt. Auf diese rasante Entwicklung folgte auch gleich der nächste Schritt: Neben Deutschland gibt es Flüchtlinge Willkommen mittlerweile in acht weiteren Ländern in Europa. Diese Initiativen arbeiten unabhängig von uns und bauen eigene Strukturen auf; wir stellen ihnen unser Know-how zu Verfügung.
Mirjam: Jonas und Mareike waren zum Zeitpunkt der Gründung in Ägypten und hatten viele Freunde, die versuchten, von dort nach Europa zu kommen. Beide wollten irgendwie helfen. Es war ihnen eine Herzensangelegenheit. Einem Freund boten sie Wohnraum an und stellten ihm ein Zimmer in ihrer Wohnung zur Verfügung. Jonas hat die Homepage erstellt. Golde ist sehr firm mit all den Themen rund um Asyl- und Ausländerrecht und hat damit das Fachwissen eingebracht. Und so startete der Versuch, irgendwie aktiv zu werden. Die Homepage ging online und das Projekt ist durch die Decke gegangen.
Wir sind jetzt ein Jahr und zwei Monate alt. Wir sind Babys,
Das Gründerthema ist ein Schlüsselthema in der Organisationsentwicklung. Mit dir haben wir eine Person, die zu einem Trio von Gründern hinzugekommen ist. Wie war das bei Flüchtlinge Wilkommen? Mirjam: Das Projekt hat ehrenamtlich begonnen. Alle haben Freunde angeworben für verschiedene Arbeitsbereiche. Ich bin auch durch den Impuls, Ehrenamt leisten zu wollen, dazugekommen. Jetzt bin ich im Kernteam tätig, welches bezahlt wird. Zu Beginn war das natürlich eine Gratwanderung: Man hat die Gründer vor sich und das Projekt ist deren Baby. Man möchte ihnen nicht auf den Schlips treten, mit Vorschlägen, Ideen, ÄnderungsvorschläMitOst-Magazin
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gen, aber man möchte das Projekt auch vorantreiben. Man möchte seinen eigenen Platz finden und auch eine eigene Stimme haben, die wahrgenommen wird. Das hat etwas gedauert. Alles ist sehr spannend und wir wachsen zusammen. Ein anderes Thema sind Hierarchien. Auch bei uns heißt es, es soll keine Hierarchie geben. Natürlich gibt es sie trotzdem: die versteckte Hierarchie. Ihre Anerkennung würde uns in Entscheidungsprozessen oft unglaublich weiterbringen. Bisher sollen Entscheidungen kollektiv getroffen werden; das ist natürlich manchmal hinderlich und verlangsamt uns oft. Und letztendlich haben dann doch die Gründer oft das letzte Wort. Stichwort Zusammenarbeit. Wie wichtig sind für euch Kooperationen und Partnerschaften? Mirjam: Beispielsweise sind wir seit November letzten Jahres auf der Website vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) verlinkt als mögliches Angebot zum Thema Wohnraum für Geflüchtete. Im Umkehrschluss würde man ja vermuten, wir haben eine Kooperation mit dem LaGeSo und werden in irgendeiner Form unterstützt – was aber nicht der Fall ist. Es wird auf unser Angebot zurückgegriffen – auf das zivilgesellschaftliche Angebot, wenn man so möchte – aber es wird in keiner Weise honoriert. Wir würden uns von der Politik wünschen, dass wir an so einer Stelle auch unterstützt werden, denn wir leisten eine Arbeit, die unserer Meinung nach eigentlich beim Staat liegt. Andererseits gibt es Städte, wie zum Beispiel Gießen, die auf uns zukommen und eventuell eine Stelle vor Ort schaffen wollen um geflüchtete Menschen in Privatunterkünfte zu vermitteln. Das sind natürlich Ansätze, bei denen wir gerne in Verhandlungen treten. Leider ist das alles immer noch sehr bürokratisch und dauert unglaublich lange. Wie wichtig sind denn internationale Beziehungen für euch? Ihr habt euch ja quasi sofort internationalisiert. Mirjam: Das bringt die Herausforderung mit sich: Die Flüchtlingskrise und geflüchtete Menschen sind nicht nur in Deutschland präsent, sondern in ganz Europa. Wir haben aus vielen Ländern Anfragen bekommen. Engagierte Gruppen aus Griechenland, Portugal und Spanien haben uns geschrieben: Wir wollen das auch! Können wir von euch lernen? Das haben wir gleich aufgegriffen. Warum nur in Deutschland bleiben, wenn es diese Bereitschaft aus anderen Ländern gibt? Ganz so einfach ist es mit der Übertragung aber nicht und alles muss individuell von den Gruppen angepasst werden, denn die rechtlichen Bedingungen und Möglichkeiten sind sehr verschieden. Philip, nun zum Zentrum für Kunst und Urbanistik. Ihr wart jung. Im Raum Berlin. Freiheit. Was waren eure Triebkräfte, als ihr das ZK/U gegründet habt? Philip: Das ZK/U ist ein ehemaliger Güterbahnhof nicht weit vom MitOst-Büro an der Simonstraße und da gab es 2008 ein Interessensbekundungsverfahren zur Nachnut24
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zung dieses Gebäudes. Da wir seit 2006 schon zweimal umziehen mussten, weil die Häuser verkauft wurden, waren wir auf der Suche nach etwas Dauerhaftem. Das war dann doch wesentlich größer als das, was wir eigentlich gesucht haben und daraus entwickelte sich dann die Idee, das nicht nur als eigenen Atelier- und Produktionsort zu nutzen, sondern auch andere dazu einzuladen. Mit diesem Schritt sind wir insofern schon etwas mächtiger geworden und haben auch einen ganz anderen Zugang zu Künstlern gewonnen – das ist vielleicht das Wichtigste. Die Gründung selbst stand für uns gar nicht im Vordergrund, wir wollten einfach etwas machen. Uns war wichtig, damals im Skulpturenpark Berlin_Zentrum diese Zäune zu öffnen, die das Areal umgaben und hinter sie zu gehen, das Land nutzbar zu machen. Das war das Initial. Es ging darum, einen Raum zu erobern. Das ging dann sogar soweit, dass wir bald Konkurrenten bekamen, unseren Gegenspieler sozusagen, der auf dem Gelände ein Haus mit Luxusapartments realisieren wollte. Apropos Gegenspieler: Der Pionier greift in den Raum ein und kümmert sich eigentlich nicht um die anderen. Wie haben sich für euch Beziehungen zu anderen verändert? Philip: Das Feld in dem wir operieren, ist ja nicht sehr groß und man lernt die Leute kennen, die ähnliche Interessen verfolgen oder ähnliche Methoden haben. Dadurch sind mein Wissen und natürlich auch die persönlichen Kontakte zu diesen anderen Netzwerkteilnehmern oder Organisationen gewachsen. In dem ganzen Prozess haben wir unglaublich viel gelernt. Wir mussten für den Umbau des Gebäudes über eine Millionen Euro besorgen. Die haben wir am Ende über die Lotto-Stiftung bekommen. Dort entscheidet ein Stiftungsrat, dem Mitglieder der drei stärksten Fraktionen des Abgeordnetenhauses Berlin angehören, über die Anträge. Wir mussten also Lobbyarbeit machen und diese
Leute alle treffen. Heute, wenn ich die Wahlkampfplakate sehe, dann kenne ich diese Leute. Ich habe gelernt, was ein Politiker ist und wie eine Verwaltung funktioniert, wie beispielsweise die verschiedenen Abteilungen miteinander konkurrieren. Auch mein Verhältnis zur Polizei hat sich verändert. Ich bin jetzt manchmal froh, dass es sie gibt. Erschließt ihr damit auch neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und neue Partner? Philip: Wir arbeiten gerade in einer Initiative zur Öffnung des Hauses der Statistik am Alexanderplatz, das seit acht Jahren leer steht. Zur Gründung kamen dreihundert Leute. Angefangen hat alles mit einer Aktion, mit der wir auf den Atelierschwund in Berlin aufmerksam machen wollten. Und dann haben wir in einer kleinen Gruppe von vier Organisationen überlegt, wie wir das vorantreiben könnten. Eine Aktion war direkt an die Politik adressiert und der Bezirksbürgermeister von Berlin Mitte unterstützte die Forderung öffentlich. Dann ging alles sehr schnell und es gab sehr viel Bereitschaft, die Öffnung des Hauses in Erwägung zu ziehen. Diese neue Initiative zeigt, dass wir radikal in unseren Forderungen, aber nicht in unserem Tun sind. Wir sind durchlässiger. Wir reden mit verschiedenen Leuten und streben eine gemeinsame Lösung an. Man sollte sich aber bewusst sein, dass man auch irgendwie ein Spielball ist und als Akteur instrumentalisiert werden kann. Ich glaube, dieses Bewusstsein ist wichtig. Was ist heute in der Kunstrepublik, im ZK/U von der Ursprungs-DNA noch da? Philip: Der Wille zum Ungehorsam, der ist noch da, allerdings gebändigter durch die gewachsene Verantwortung. Uns stellt sich jetzt die Frage: Was machen wir mit der Verantwortung? Können wir den Betrieb auch außerhalb
von uns funktionieren lassen und uns somit nicht um jedes Detail selbst kümmern? Wie können wir uns wieder neuen Sachen zuwenden und das Andere trotzdem arbeitsfähig halten, so dass es sich selbst dreht? Und wie können wir Impulse als Intendanz hineingeben und weniger als produzierende Kraft? Wir haben anfangs alles selber gemacht: Vom Getränkeausschank bis zum Aufbau der Arbeiten der Projekte. Heute haben wir ein Team, weil alles wesentlich größer ist. Aber die Frage, wer was macht, stellt sich immer, wenn Aufgaben nicht klar geregelt sind. Wenn ich vor Ort bin, dann reinige ich auch mal das Sieb von der Dusche, wenn ein Resident damit Probleme hat – das passiert. Leicht werde ich von dieser Organisation absorbiert. Bleibt dabei noch genug Raum, um sich Gedanken zu machen, wo wir eigentlich hinwollen? Das ist wahrscheinlich eine Kernfrage aller Organisationen, die wachsen. Wie geht man damit um? Wie hältst Du eine Nähe zur Basis und erschließt dir den Raum für Weitsicht? Ein wichtiger Punkt für mich ist das Zusammen-Wirtschaften, angefangen mit der Zeit, in der man kein Geld verdient. Mein Eindruck ist, dass es so fünf Jahre geht, ohne Geld und Lohn zu arbeiten und nebenbei noch mit anderen Jobs etwas zu verdienen. Das fliegt einem aber schnell um die Ohren, wenn Nebenprojekte und Hauptprojekt nicht auf einen gleichmäßigen Nenner kommen. Sobald es größere Unregelmäßigkeiten gibt und einer von uns außerhalb zu viel macht, dann stört es das System unheimlich. Wir haben dafür noch keinen Modus gefunden, in dem wir uns zum Beispiel die Freiheit nehmen und ein paar Monate im Jahr aussteigen. Das sind wichtige interne Fragen in einer Organisation. Und sobald Geld ins Spiel kommt, wird auch alles ein bisschen schwieriger.
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Social Entrepreneurship – One road to a big vision of sustainable and prosperous Moldova activEco – Sustainability in Action is a cooperation programme of the Theodor-Heuss-Kolleg and the NGO EcoVisio for young people from Moldova. It focusses on ecology, sustainable development and social entrepreneurship, and helps its participants to develop and implement their start-up ideas for a future “Moldotopia.” Get to know some of the activEco 2015 alumni teams and their inspiring projects! An article by programme coordinator Valeria Șvarț-Gröger. A small country torn by crisis and constant problems is the best place for a strong, visionary changemakers’ movement. Through the activEco programme, we are endeavouring to build a community of bold dreamers and pragmatic doers in Moldova. The goal is nothing less than a sustainable and prosperous country we call Moldotopia. Even if the steps are small, sometimes almost imperceptible, we believe that it’s extremely necessary to persist and develop capacity for a systemic change. This community of young changemakers grows every year. We started out in 2013 focusing on ecology and sustainable development. One year later, the programme additionally piloted social entrepreneurship-themed projects. In 2015, a total of seven teams were working on start-up ideas across the full range of these three topics. Where most people see problems, social entrepreneurs see a wealth of opportunities. This fits very well with the spirit of activEco participants. Below, three activEco 2015 alumni teams present their initiatives which emerged during the creative and dynamic process of seminars, mentorship, research, project work and courageous experimentation. Veronica Cazacov and EcaterinaȚaruș– EcoBags combine education and entrepreneurship
What is social entrepreneurship for you? For us, social entrepreneurship is a great way to combine what we like to do with what we should do. In this way, we develop not only ourselves, but also our community. Social entrepreneurship is a way to raise people’s awareness about a problem, and to help them to resolve it in a sustainable and participatory way. What is your initiative about? My friend Ecaterina and I founded an initiative called Torbesc. It addresses the environmental damage caused by disposable plastic bags. As a viable alternative, we produce and sell ecological fabric bags using not only new textiles, but also old clothes and scrap materials. We regularly visit schools and youth camps and run educational workshops about the danger of plastic pollution. We teach students about what happens to the plastic particles, how they affect us and the rest of the natural world, about crude oil depen26
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dency, CO2 emissions and other problems, and what we can do about it. We also teach children and youths how to make their own eco-bags and how do become ambassadors of this idea in their communities. How does your initiative contribute to the vision of a sustainable and prosperous Moldova? A sustainable and prosperous Moldova means a clean and healthy environment, high-quality, natural food, and happy, empowered people. Torbesc contributes to all of these aspects. The plastic problem is ubiquitous, but particularly bad in Moldova due to inadequate waste management systems. We believe that waste needs to be prevented in the first place. Also, sewing fabric bags is a chance to employ women in rural areas who otherwise have few opportunities to earn their living. What are the most important things that you took from activEco? Through the activEco programme I learned many lessons, but the most important were: what social entrepreneurship is and why our society needs it, how important it is to be surrounded by good and active people – in this case, the activEco network, that sharing is caring and that passion is action. Victor Bujoreanu and Iurie Nuca – Makers’ space to unleash creative potential
What is social entrepreneurship for you? For me, social entrepreneurship means finding a problem to solve with your business, conducting business in a way that is fair to other players on the market, to your community and to the environment, and making the solution ecologically sustainable, thus maximising your positive impact. What is your initiative about? Together with Iurie Nuca, I founded A99, a shared working space equipped with tools, which serves as a meeting place for people with different skills and expertise who join up to co-design and co-create solutions. We believe that many of the challenges that we face can be solved by using technology and with the dedication of enthusiastic people. The workshop brings together professionals and enthusiasts such as
engineers, programmers, designers, architects, artists, and doctors – anyone passionate about technology and making.
integrate people with special needs into our project in order to build a community and work together for their future.
How does your initiative contribute to the vision of a sustainable and prosperous Moldova? We can say without a doubt that people are more inclined to complain and place the blame on the government and politicians rather than finding a solution and trying to implement it themselves. We believe that everyone should be empowered with knowledge and proper access to tools, in order to feel more confident in their own power to create their own future with their own efforts – designing and making innovative and useful solutions with positive impact for the local community.
How does your initiative contribute to the vision of a sustainable and prosperous Moldova? From the ecological perspective, our project helps Moldova to keep the soil fertile and reduce chemical fertiliser use in agriculture. With our project we want to support smallholders who want to become ecological farmers and grow organic products. This will make organic products more attractive for the customers and help the smallholders earn a better living. At the same time, the Bunasol approach helps to preserve the health of the farmers and final consumers.
What are the most important things you took from activEco? In activEco we found inspiration and got the impulse to work on the idea. It started as a small project but as we researched more and talked with people, we realised that the issue was bigger than we had anticipated and that motivated us to continue working. During the implementation of the activEco project, we gained more confidence in our ability to mobilise people around our idea and, more importantly, we tested our idea and validated it. We still have a challenging journey ahead of us, but we are super motivated to see it through to the end! Mihail Cebanu – Fertile soil for Moldova and social change
What is social entrepreneurship for you? Social entrepreneurship is a community-based activity that helps communities solve social problems and make a living. It develops local sustainability and helps the community to be resilient in the face of economic crises. What is your initiative about? We have started an organic fertiliser production. We use kitchen and gardening residues and apply different methods of permaculture and worm composting to create Bunasol. We
What are the most important things you took from activEco? activEco helped me to clarify the first steps for my initiative. The feedback which I received throughout the programme about my idea was also very important. The participants and trainers were very positive about our project and that gave us a boost of energy for continuing the work. Luckily, activEco participants are not alone in this journey. There is a growing number of other great projects and entrepreneurial initiatives. Since 2013, the EcoVisio Association is organising IarmarEco – the fair of Ecological Opportunities and Social Entrepreneurship every year. This public event connects participants and alumni of activEco with other existing entrepreneurs, organisations and activists. IarmarEco collects best-practice examples from Moldova; by opening its doors to the public, it strives to show that these hope-giving initiatives are not just naïve dreams, but a growing movement, which will change Moldova significantly in the future. More info at: www.activeco-program.org www.ecovisio.org www.iarmareco.md
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Europa fängt in Russland an Ich habe eine Vision – ein grenzenloses Europa. Modern und traditionell, solidarisch und streitbar, gehasst und geliebt zugleich, aber niemals aus unseren Köpfen wegzudenken. Ein Europa, das seine Grenzen ständig dialektisch neu auslotet: nein sagt zu autoritärer Herrschaft, ja sagt zu Demokratisierung, und jedem die Möglichkeit gibt, seine Meinung offen und frei zu äußern. Schöne neue digitale Welt, komm und führe uns in Versuchung! Ja, dafür bietet sie enorme Möglichkeiten, aber eben auch Risiken, die man durch neue gesetzliche Regeln institutionell eingrenzen muss. Ein Artikel von Simone Belko. Jahrzehntelang hatte ich das Gefühl, dass Europa merkwürdig leer ist, ein bürokratischer Klotz ohne Vision und Wir-Gefühl, ohne europäische Leitkultur. Aber die Zeiten ändern sich – machtvolle, profitorientierte Konzerne gefährden unsere demokratischen Grundfesten, indem sie sie durch internationale Abkommen aushebeln wollen. Gesellschaftlich notwendige Entwicklungen wie wirtschaftliche Nachhaltigkeit, Umweltschutz und soziale Mindeststandards werden zunehmend bedroht. Und plötzlich bewegt sich etwas in Europa! Die Bürger schließen sich dank Social Media zu Solidaritätsbewegungen zusammen – eine neue Leitkultur zeigt erste Blüten, etwas entsteht in Abgrenzung zu einem Zukunftsentwurf, den wir nicht teilen. Aber wie schaffen wir es, daraus eine tragbare europäische Identität zu bilden? Wenn der Geist ins Stocken gerät, hilft der Blick aus der Fremde, weil er plötzlich neue Perspektiven eröffnet, die sonst verschlossen wären: Russland – europäisch und asiatisch, aufstrebend und autokratisch, verehrt und gefürchtet zugleich, aber niemals aus Europa wegzudenken. Angefangen mit Peter dem Großen über die begeisterte Rezeption von Goethes Faust bis hin zum großen Erfolg der deutschen Rockband Rammstein gab und gibt es in Russland eine große Verehrung für Europas Kultur. Historische Gründe für die russisch-europäische Schicksalsgemeinschaft gibt es außerdem genug: Die Verbindungen zwischen Europa und Russland erstrecken sich über Jahrhunderte und reichen über enge familiäre Adelsverbindungen im 19. Jahrhundert bis hin zu Russlanddeutschen und Freundschaften und Beziehungen aus Kulturaustauschprogrammen in der Gegenwart. Russland steht wegen seiner aktuellen innen- und außenpolitischen Handlungen in Europa sehr in der Kritik. Das ist auch gut so, denn es hilft uns selbst, unsere eigenen Vorstellungen von der Zukunft in Abgrenzung gegen andere Gesellschaftsmodelle klarer zu formulieren. Das bedeutet aber nicht, dass man die Zusammenarbeit mit Russland deshalb abbrechen müsste, im Gegenteil. Nutzen wir doch die unterschiedlichen Erfahrungswelten, um unseren gemeinsamen Horizont zu erweitern. Plakativ gesagt: Gegensätze ziehen sich an! Russland war für Europa immer schon sowohl Bedrohung als auch Utopie. Diese beiden Strömungen, die immer wieder unterschiedlich stark ausgeprägt waren, symboli28
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sieren auf der einen Seite die Angst der Europäer vor der Macht Russlands, auf der anderen Seite die Enttäuschung über die fehlende Verwirklichung von politischen und gesellschaftlichen Erwartungen in Europa. Europa war nie ein einheitlicher Kulturraum, obwohl es ähnliche Entwicklungen gab. Ursprünglich aus der griechischen Mythologie entstanden, ist Europa überhaupt ein symbolisches Konzept, das im Laufe der Geschichte vielen Wandlungen unterworfen wurde und sich gerade entlang seiner Uneinheitlichkeit und Dichotomien entwickelt hat. Die Kirche mit ihrem Hang zum Jenseits, die sehr irdische Aufklärung der allwissenden männlichen Vernunft, die gefühlsduselige pubertierende Romantik und schließlich Feldversuche in kommunistischen und kapitalistischen Ideologien, und das alles in ein bisschen mehr als sechs Jahrhunderten. Nicht Kontinuität, sondern Brüche und Paradigmenwechsel sind es, die uns vorangebracht haben. Aber kollektive Identität ist eben niemals ein Istzustand, sondern stets im Wandel. Die ungeklärte Frage von Russlands Zugehörigkeit zu Europa bringt gerade durch ihre Spannung zwischen Gemeinsamkeit und Verschiedenheit produktive Ansatzpunkte, die für beide Seiten konstruktiv sein können. Vielleicht muss man sich gar nicht entscheiden – mit oder ohne Russland, für oder gegen Europa – vielleicht geht beides. Die Suche nach einer modernen europäischen Identität kann nur als relatives Konzept gelingen, welches die pluralistischen Diskurse einer Gesellschaft in ihrer unlösbaren, ausgehaltenen Spannung in den Vordergrund stellt.
Sparkle in the eye Whenever I start a training session, the first question I ask my participants is: what is your trigger? What brings you to the point of making or creating something? How do you start working on your ideas? An article by Teona Dalakishvili, founder of the Creative Development Center (Georgia) and part of the MitOst festival team 2016.
Very often, people are unaware of what triggers their creativity. I meet people who have great ideas for their future projects, jobs, and activities, but they never ask themselves why. Where do these ideas come from? Usually my answer when I ask myself this question is that my trigger is a moment when I feel that something is hurting me. We want to change the things that we do not like, the things that bother us, the things we want to improve. But even more than this, my triggers are also the people around me! When you come from a country that has gone through three wars in 20 years, when your childhood consisted of years of no electricity, not to speak of heating or proper transportation to school, you have two choices: either you become desperate, or you find your path towards becoming a changemaker. I have decided not to be desperate. Desperation could destroy my entire world easily. I have decided instead to work towards becoming a changemaker. But to do something for people, you have to work with people. There were moments when I thought my ideas were crazy. That all changed when I met like-minded people at the Getting Involved! Programme in 2009. This is when I gained a new trigger, cooperation, brought about by the realisation that the things that hurt you hurt others too, and it is possible to
implement solutions together. Your collaborators will wake you up with a reminder call that you have a meeting, will help you to draft ideas, will present it to partners and effect action. When I meet these types of people, when we brainstorm together, no matter what the scale of the project, I get a feeling that everything is possible. And this is the biggest driver. Of course, there are moments when I get desperate as well. There are many barriers, and I meet lots of people who do not believe in what I am doing or planning to do. When I run up against these hurdles, I can always count on talking with my colleagues. And these talks bring the sparkle back to my eyes, and I feel like I can overcome all obstacles again. Those people with the sparkle in their eyes are the ones who make an impact on the world. In this way, we all become part of a bigger community, and all those small “impacts� that we create become part of worldwide activism. People get infected with the enthusiasm; family members, neighbours, people you meet on the bus, colleagues from school projects, they all get this feeling that they are also capable of doing something good. And this impact on those around me gives me even more energy to continue.
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RuhrstadtTRÄUMER – Wenn Träume real werden Mit rund fünf Millionen Einwohnern und einer Fläche von 4.435 Quadratkilometern ist das Ruhrgebiet der größte Ballungsraum Deutschlands und der fünftgrößte Europas. Hier, vor allem in den Städten Bochum, Bottrop, Dortmund, Duisburg und Essen, leben Menschen aus mehr als 150 Nationen. Ein Ort, der also viele Möglichkeiten für Vielfalt, aber auch Konflikte bietet. Besonders der Jugend, die im „Pott“ aufwächst, sollen mit dem MitOst-Kooperationsprogramm RuhrstadtTRÄUMER neue Wege aufgezeigt werden. Ein Artikel von den Innitiatorinnen Teresa Grünhage, Katharina Nitz und Linnéa Mühlenkamp. Das Ruhrgebiet, von den Leuten, die hier leben, liebevoll „Pott“ genannt, ist weit davon entfernt, in grauer IndustrieTristesse zu versinken. Neben alten Industriebrachen, die heute Kulturräume sind, neu errichteten Einkaufszentren und Neubausiedlungen, die das Stadtbild prägen, sollen verlassene Orte in den Ruhrgebiet-Städten innovativ und künstlerisch genutzt werden. Denn das Ruhrgebiet bedeutet auch: leergefegte Stadtteile, die ehemals der Industriebourgeoisie vorbehalten waren oder einer politisch beschlossenen Kahlschlagsanierung zum Opfer fielen, ehemals boomende Einkaufsstraßen mit Leerstand und verlassene Bahnhofsgebäude. Hier sollen nun Zentren für Orte der Zusammenkunft und Vielfalt entstehen, damit besonders diese Stadtteile eine Zukunft für die jungen RuhrTRÄUMER bieten können. Das Ruhrgebiet ist einerseits ein Ort der Inspiration für angehende Künstler, Forscher, Entdecker, also für alle, die auf
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Entdeckungsreisen gehen wollen. Es ist andererseits auch ein Ort für unbequeme Fragen, so etwa zur Armutsschere, die sich immer weiter öffnet, und zu Haushaltslöchern, die seit Jahren nicht gestopft werden können und für das Wachstum benachteiligter Stadtviertel verantwortlich sind. So ist zum Beispiel das Bild über das Leben in Duisburg geprägt durch Berichterstattungen über Rockerkriege, Straßen- und Bandenkriminalität, Armut, eine hohe Arbeitslosenquote, sozialen Abstieg, Haushaltssperren und Zuwanderung. Oft sind ganz besonders Jugendliche mit daraus resultierenden stereotypen Sichtweisen konfrontiert. Das Wohnen in stigmatisierten Stadtteilen wie Duisburg Marxloh, Bruckhausen oder Hochfeld, der Status „sozial benachteiligt“ oder auch „bildungsfern“, ist in aller Munde. Vielen Jugendlichen vermittelt es ein festgelegtes Bild ihrer Identität, lenkt ihre Motivation und Lebenseinstellung in vorbestimmte Bahnen.
Vom Traum zur Idee zur Aktion So unterschiedlich die Menschen im Ruhrgebiet sind, so wollen sie doch alle ihren Lebensraum gestalten und eine Zukunftsperspektive haben. Ziel ist es, den Menschen, die hier leben, ein aktives Bewusstsein für Bürgerbeteiligung zu vermitteln, damit Wünsche und Vorstellungen zum Leben im Ruhrgebiet nicht ungehört bleiben. Um dies realisieren zu können, müssen wichtige Fragen beantwortet werden, die besonders die Jugend im Ruhrgebiet in den Fokus rücken: Was bietet Duisburg und das Ruhrgebiet seiner Jugend? Welche Potenziale gibt es? Wie stellen sich Jugendliche ihre Zukunft und ihre Stadt von morgen vor? Was stört die Jugendlichen? Was wollen sie erreichen? Wo sind sie bereits aktiv und wo möchten sie sich in die Entwicklung einer Stadt einbringen? Wovon träumen sie? Die drei gebürtigen Duisburgerinnen und MitOst-Mitglieder Teresa Grünhage, Linnéa Mühlenkamp und Katharina Nitz entwickelten aufgrund dieser Fragen das Projekt RuhrstadtTRÄUMER in Duisburg. Alle drei waren selbst einmal Teilnehmer von Seminaren des Theodor-Heuss-Kollegs. Damals, 2011, nahmen sie im Austausch an dem russischen Kooperationsprogramm Engagement täglich in Perm teil. Inspiriert und mit dem Gefühl, dass genau in Duisburg und im Ruhrgebiet Jugendliche ermutigt werden müssten, sich für ihr gesellschaftliches Umfeld und ihre eigenen Ideen einzusetzen, starteten sie nun 2015 mit ihrem eigenen Programm in Duisburg. So wurde aus dem Gefühl eine Idee, und aus einer Idee RuhrstadtTRÄUMER.
entstehen konkrete Projekte zu vielfältigen Themen, ganz nah an der Lebenswelt der Jugendlichen. So starteten 15 Teilnehmende ihre Projekte im Sommer 2015. Sie suchten sich Kooperationspartner und traten mit ihrer Nachbarschaft und den Zielgruppen in Kontakt. Begleitet wurden sie dabei von qualifizierten Mentoren des Theodor-Heuss-Kollegs. So konnten sie jederzeit Rat suchen, sich austauschen, von Erfolgen und Misserfolgen berichten. Die Gruppe kam immer wieder zu Seminaren zusammen. Dazu wurde auch eine Redakteurin der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung eingeladen, die einen Workshop zu Pressearbeit hielt. Ein schöner Synergieeffekt entstand: Die Teilnehmer lernten von ihr, gleichzeitig lernte sie die Teilnehmenden, ihre Visionen und Projekte kennen. So entstanden Presseartikel über das Engagement der Jugendlichen für ihre Stadt. Auch die Evaluation mit den teilnehmenden Jugendlichen gab spannende Einblicke: So präsentierten sie nicht nur ihre Erfahrungen und entwickelten weitere Ideen und zukünftige Projekte. Einige Projekte sind mittlerweile fest verankert und finden regelmäßig statt. Für die Jugendlichen haben sich neue Anknüpfungspunkte ergeben, wie beispielsweise Praktikumsstellen, Ausbildungsplätze oder Kontakte zu Einrichtungen, die konkret an einer erneuten Projektumsetzung Interesse haben. Die Jugendlichen organisierten unter anderem ein StraßenMalfest, sie fanden einen Raum zur freien Nutzung für kulturelle Aktivitäten, starteten eine Kampagne gegen Sexismus, entwickelten ein Kreativ-Angebot für junge Schüler und organisierten ein Kunstprojekte für Kinder verschiedener Herkunft.
Junge Erwachsene entwickeln gemeinsam Visionen für ihren Lebensraum, die Stadt. Aus den gesponnenen Ideen
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On my way to a gender democratic society A society where all women feel safe, equal and free – is this the future of the “patriarchal Balkans?” It better should! thinks this Macedonian activist, inspired by the spring school Gender and Democracy of the cooperation programme Balkans, let’s get up! An article by Ljupka Trajanovska. „You should have been a boy.“ I heard this one simple sentence at every family reunion while growing up. A harmless joke, some would say, but it had a real effect on me. I tried to act like a boy throughout my childhood, trying to be tough, fighting with the boys, never crying, training hard at various sports... It never mattered though. Even though I was stronger than most of the girls and some of the boys, when I opened my mouth, I was still just a girl. The curse of the patriarchal Balkans. I always tried to help the weaker girls when they were harassed by the boys. Fighting was my way, the only way I had been taught. Years of education in the fields of law and security, as well as the experience of being discriminated against by many of my male professors along the way, made my motivation to fight for women’s rights and empowerment grow bigger every day. Balkans, let's Get Up!'s spring school Gender and Democracy was my awakening call. That's where I met three amazing Balkan women who felt the same way as I did. Harassment on the street, domestic violence, peer violence, rape and gender discrimination were only a few of the problems shared by our societies. We were sick of the victimblaming; no woman is guilty of the violence she suffers. So that’s when we decided to unite to end the violence against women in Macedonia, Croatia and Montenegro. The main goal of our project, United to end violence against women, was nothing less than to prevent violence against women by raising awareness about the problem, the latter of which we believe we have achieved: We stopped the silence, raised our voices, and showed that we are not scared anymore to talk about and stand against this centuries-old problem. The first part of our project has ended but of course, we haven't solved all the problems yet. I would like to live in a gender democratic society and I will continue my fight to create it. In a gender democratic society, every girl has the right to primary, secondary and university education, just like the boys. In a gender democratic society, men and women share the responsibilities for housework and childcare. Both of the parents receive parental leave to take care of their new-born. In a gender democratic society, everyone can decide which 32
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colours to wear. Male and female colours don’t exist. In a gender democratic society, it is okay for the mother to be the one who goes to work and the father to be the one who takes care of the home. In a gender democratic society, men and women can be dancers without anyone calling them gays or whores. In a gender democratic society, when a woman gets a promotion it is credited to her knowledge and ability, not to an assumed sexual relationship with her supervisor. In a gender democratic society, women can be elected, vote and govern the country. They can be members of the army and the police, and they participate in decision-making processes. In a gender democratic society, equal rights and opportunities are open to all without any stereotypes or discrimination. In a gender democratic society, „men/women musts and must-nots“ don’t exist. A gender democratic society is safe. I am a women's rights activist because none of us is safe until all women are safe, and that’s why I will keep fighting until we live in a gender democratic society.
Girl on bike Kasia from Poland traveled 1385 km linear distance – by bike! An article by MitOst member Matthias Haberl who feels inspired by her courage to turn a mere idea into reality. Recently, in a café in Belgrade, Lili1 told me about the book „Do whatever the fuck you want.“2 We were quite impressed by the idea that you simply do the things you want to do. My psychotherapist3, who is a smart man although he does not talk much, has been working with me to overcome my own useless moral instances bit by bit (there are of course useful ones as well); the useless ones tell me quite often that something is wrong, not ok or at least strange, and that sometimes I am wrong, not ok or at least strange. And, honestly, I do not like that. This is where the story about Kasia begins. A year ago she approached me saying something like „Hey man, don’t you want to just quit all this and do whatever you want?“ With „whatever you want,“ she meant exploring the world. And I was like „Yeah sure, that’s a nice idea but come on, be realistic, no one can actually do that.“ Kasia did. The end. Nah, it’s not the end. I know, that would already be a cool story in its own right. But actually that’s just the beginning of the story. Kasia quit her job. Then she went to the Middle East for three months, to a dynamic, critical place full of contradictions. Go there if you have not been yet; you will learn a lot about the world and yourself. Kasia did and learned a lot about the world and herself. The end. Nah, still not the end. You know, good stories sometimes take time. After her stay in the Middle East, Kasia got a bike from her father and wanted to bike from Warsaw in Poland to Gibraltar in Spain. I don’t actually know why she didn’t, but she changed her plan and is currently biking from Warsaw to Istanbul in Turkey, which is also quite a ride. The power units (one of the topics of this magazine's edition) are of course Kasia’s legs. But even more so it is Kasia’s vision (a second topic of the magazine) to live a free life. Maybe even an independent one4. And in the last months she did so many useful things; every time I meet her she tells me about new projects and initiatives and things she wants to change for the better. Although it is not easy, it seems to be right. When I met Kasia in Belgrade, she seemed a bit 1 Lili Sotra, she organised the MitOst Festival in Novi Sad. Yes, she really reads such books. 2 I apologize for the author. I would never write „fuck“ in an article. Fuck, there it is again... 3 That is really a private issue. Please do not tell anyone. 4 If you want to know more about independent lives, please talk to Mrs. Kosova or Mr. Catalonia. Also Mrs. Scotland might have an opinion...
tired, but also really happy, because she did it. She made her dream reality. The end. Now the joke is getting boring, right? Of course it’s not the end yet. To answer your first question: Yes, she saved some money beforehand. But the main idea was a high quality trip at low cost, and this turned out to be possible. Kasia is more or less always a guest in the places she stays. I’ll leave it up to you to decide whether this is an advantage or not. One thing is however clear: it’s never her home. In fact, the question about the meaning of „home“5 is very important to Kasia; she recently developed a MitOst project and applied for Klick-Ost funds to explore it. I assume that the people hosting her gain so much from her presence that they are the winners of this trip as well... So that’s the story of how Kasia turned her idea into reality and made her life really her own. Even though it was not always easy and naturally involved compromises, at the end her story showed what is possible: (Sometimes) you can do whatever you want. The end6.
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There is the amazing movie called „Home“ by Yann Arthus Bertrand. That might be a bit Kasia`s approach to „home.“ Watch the movie, it’s freely available on the internet and you won't turn it off before the end, I promise. https://www.youtube.com/watch?v=jqxENMKaeCU 6 Yes, really. But if you want more, there you go: www.girlonbike.co
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MitBlick nach... In der Rubrik „MitBlick nach…“ berichten wir über aktuelle Entwicklungen und kulturelle Besonderheiten in den MitOst-Ländern. In dieser Ausgabe blicken wir nach Polen, Armenien, in die Slowakei und in abgelegene Ortschaften im Kaukasus und auf dem Balkan. In Polen spitzen sich derzeit die gesellschaftlichen Konflikte zu. Rafał Sowiński gibt in seinem Artikel ”Which Poland do you want to live in?“ Einblicke in die emotionale Tragweite der aktuellen politischen Auseinandersetzungen. Mit den Artikeln von Grigor Yeritsyan und Karsten Michael Drohsel begeben wir uns nach Armenien. Während Ersterer von den Gründungsumständen eines erfolgreichen Jugendprogramms berichtet, nähert sich Letzterer der Geschichte und Kultur des Landes über die Einzigartigkeit der armenischen Schrift an.
In zwei Texten gehen wir auf Reisen: In „Weg der Helden“ beschreiben Jörn und Petra Kaufhold die Entstehung ihrer Idee, einen Outdoor-Guide über einen slowakischen Wanderweg zu schreiben. Anne Wiebelitz und Gauthier Saillard richten in ihrem Beitrag einen Blick auf die musikalischen Schätze, die bis heute in den ländlichen Gebieten des Kaukasus und des Balkans zu finden sind und stellen das aus ihrer Reise hervorgegangene Open-Source-Projekt „Sound Map“ vor.
Which Poland do you want to live in? “For which Poland do you want to fight?” – “For which Poland? I thought there was only one…” The above quote, taken from the second part of the Polish movie trilogy “How I Unleashed World War II,” relates to a completely different point in time than today, a moment in history when the post-war political system in Poland was taking shape. However, I have a nagging feeling that it’s still relevant today. The thing I fear most in modern Poland is not the actual or alleged threat to democracy; it’s not even the feeling of economic uncertainty or the lack of guarantee for a stable future. The thing I fear the most is the constantly widening gap between people, a division which started off as ideological but is now mostly based on emotions. I fear that somebody may see me as an enemy simply based on the fact that I have a different sensibility towards symbols or different views about taxation. An article by Rafał Sowiński, alumnus of Civic Engagement Workshop. “Liberal Poland versus supportive Poland” – the Polish simplification – would be a division between a “Poland of media used this slogan to try to describe the conflict bet- community” and a “Poland of individuals.” ween the Polish people. This diagnosis is way too simplified in my opinion, especially when one considers the recent One of the most commonly used terms in Polish public debahegemony of the two biggest political parties. In today’s tes is the word “lemming.” Right-wing (I cannot fully get rid political environment, having the sole distinction be bet- of labels) publicists use these friendly animals – allegedly ween left-wing and right-wing doesn’t make any sense; in blindly heading into a chasm – to describe people who are Poland it is particularly misleading. People who define their “young, educated, and living in big cities” (this term is also views as left-wing often affirm the freedom of the indivi- seen as ironic in Poland). Of course it’s not a sociological catedual (i.e. when it comes to minority rights) and at the same gory; I’d rather call it some kind of cultural construct stantime show no support for social projects. A formidable part ding for young people focused on their career, often finanof Polish right-wing politics (mainly the currently ruling cially content, working for big, multinational corporations, party Prawo i Sprawiedliwość) supports certain forms of with free, nonchalant views about family, religion and patredistribution and simultaneously concentrates on the riotism. A few years ago, the very popular opposing cultural values connected to nationalism and the Catholic faith. A construct was “mohair berets” – older, strongly religious and more accurate description therefore – although it is still a poorly educated people from the rural areas and small cities. 34
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Mohair berets were blamed for Prawo i Sprawiedliwość’s victory in 2005 parliament election. Today, this term practically doesn’t exist. Over the last few years, more and more young people have started to declare right-wing views. I doubt if they really know what that actually means. The next key term is “lewak.” This term started as a moniker for members of extreme left-wing parties like the German Red Army Faction. Now this word has no explicit meaning – it’s just an insult used in internet “discussions” and schools. Depending who is using this term, “lewak” can mean socialdemocrats, Prawo i Sprawiedliwość’s voters or Pope Francis. The Polish left-wing movement found itself between a rock and a hard place – it lost the fight to lead a debate in Poland. Right-wing mythology won while left-wing views and world outlook became marginalized. This leads not only to a falsification of history (i.e. “de-communisation” by changing the names of streets which are named for socialdemocrats) but also to a blurred image of contemporaneity. The cult of “cursed soldiers” (a term for various groups of anti-communist resistance fighters - some of these groups are very controversial) is meant to replace stable employment for the young Poles. The memories of hussars must diminish their loneliness while they’re working in Western Europe, making enough money so that their families can live worthily. I’m not saying that national symbols are bad. I also get goose bumps when I listen to the Polish anthem or see the Polish flag. It’s just a pity that these symbols have been appropriated. It’s a pity that, for part of the people who have appropriated these symbols, I’m not even a “real Pole.” Frustration is what is fuelling all these negative emotions in Poland. I understand a lot of its roots, or I at least try to understand them. In many ways, Poland is an economic colony, mainly colonised by Germany. None of the big commercial networks in Poland are Polish, a state of affairs
which causes frustration among conservatives and socialists alike. To some degree I also understand the fear caused by Islamic terrorism. For some reason though, the current reaction to this threat isn’t a factual discussion but rather hysteric mantras about Europe’s inevitable fall. Which prompts the question: do Polish citizens feel like European citizens? The answer to this question is very complicated and gives rise to a lot of different opinions. Some people will answer that we’ve always been Europeans, so Poland never had to return to Europe in the first place because it’s been there from the very beginning – naturally speaking culturally, not geographically. One group will answer that only Poland and other Central and Eastern European countries preserved the European identity and tradition, in contrary to post-Christian Western Europe. Yet others will answer the question with a question: can we really feel like Europeans when we earn around 300 Euros a month? What is Poland going to look like in a few years? I don’t want to play clairvoyant – there are more knowledgeable people out there who can do it. Maybe after a few years of this conservative turn, the Polish people will once again go left. Or maybe the opposite will happen, and they will fixate on the idea that the world outside Poland is evil and dangerous, and they will dream about Great Poland and the PolishHungarian friendship. Right now, we fear a lot of things in Poland. We fear Russia. We fear terrorism. We fear that we won’t have enough money for healthcare or that we won’t find a job. These fears are nothing new for me either. As I mentioned before, I also fear that one day someone with views different than mine will see me as an enemy and not as another human being. What is even more terrifying – that one day I may have the same thoughts about someone else.
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Working for Change Any successful endeavour begins with passion and motivation; they are the driving forces behind human undertakings. Constantly reminding ourselves about what drives us is a good way to keep our existing sources of motivation and find new ones. An article by Grigor Yeritsyan, coordination team of EcoLab, the Theodor-Heuss-Kolleg’s cooperation programme in Armenia.
I have been very enthusiastic about bringing people together for different causes and mobilising friends around various ideas and goals since my early school years. This is how I came up with my first project idea back when I was 14. The idea was to equip our school with the media technology necessary to allow the live broadcast of a daily radio programme and make the voice of the students heard. Though it was not an easy task back in 2004, thanks to local fundraising, student engagement and the support of local donors, we managed to give this idea life. The success and the big impact this small project made have motivated me and my mates to come up with new largescale and wide-ranging initiatives. This is when I learnt that mobilising people for good and bringing positive change to the lives of the people around me is what I am passionate about. It’s already been ten years since I committed myself to helping shape the society of my vision and advocating for changes both locally and globally. My work is always about effecting change, independent of whether I am acting as an NGO leader, academic, activist, facilitator, civil society representative or simply as a responsible citizen. Working for these changes is my driving force, accomplishing them is the source of my motivation, positive impact is what makes me happy. In 2009, I founded a youth organisation with like-minded idealists to give a structure and framework to our ideas and actions. For the last six years, our organisation has been working with young people from all over Europe in the areas of intercultural dialogue, civic education, non-formal education, media literacy education, youth policy development, volunteerism, active citizenship and participation. Today, our organisation includes 200 local and internatio36
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nal volunteers, thousands of members and around 12,000 online followers and supporters. In 2014 and 2015, around 2,000 young Armenians benefited from our mobility projects and discovered Europe. At the same time, around 2,000 young Europeans from different countries discovered Armenia and engaged in capacity-building in their professional fields. Taking into account the recent extremist movements in Armenia and Europe, and growing xenophobia and Islamophobia, we have decided to pay special attention to promoting multiculturalism, interreligious and intercultural dialogue, and thinking about practical tools to fight discrimination and combat extremism. That’s how we came up with the idea to launch several initiatives to combat extremism and work with young people affected by populism and antiimmigration sentiments, extreme ideas, and dangerous military rhetoric. One of the programmes we launched last year is called “How to Survive the Multicultural Society – A Practical Guide for Young Idealists.” It targets educators and youth workers who work with children, adolescents, youths and young adults. Through intensive trainings we support them to analyse today’s multicultural society in different countries, to understand the causes of extremism and where they develop and to come up with concrete actions, projects, and initiatives for young people affected by extremism. These and many other change making initiatives by our beneficiaries and their success stories motivate me to get up every morning and come to the office. They are my driving force. Also by Grigor Yeritsyan: „#ElectricYerevan: A Youth-led Revolution in Armenia“ – to be read on the MitOst blog Beyond the News.
Eine Reise in die geheimnisvolle Schriftwelt Jerewans Als Teilnehmer des MitOst-Forums für partizipative Stadtentwicklung hatte ich im Herbst 2015 die Gelegenheit nach Armenien zu reisen und Projektpartner in Jerewan zu treffen. Dank meiner Gastgeberinnen vor Ort konnte ich neben der Projektarbeit die armenische Kultur mit all ihrem Reichtum kennenlernen. Dieser Reichtum zeigt sich für mich besonders in der armenischen Schrift, die mich mit ihrer kalligrafischen Vielfalt an jeder Ecke der Stadt begeisterte und mich auf eine spannende Spurensuche führte. Ein Artikel von Karsten Michael Drohsel.
Ein Prinzip meiner Reisen ist es, vorab nichts zu recherchieren und keinerlei Erkundigungen einzuholen, damit ich mich mit möglichst unvoreingenommenem Blick dem Land, der Stadt und den Menschen nähern kann. Daher wusste ich nicht mehr als Ankunftszeit, Adresse des Hostels und ein paar Telefonnummern für den Notfall. Und auch dieses Mal wurde ich vom Reichtum der Erkenntnisse überwältigt, denn ich lernte die armenische Schrift kennen – sowohl ihren historischen Stellenwert als auch ihren identitätsstiftenden Charakter. Von den visuellen Effekten ganz zu schweigen, denn das armenische Alphabet beinhaltet 36 ursprüngliche und drei durch Lautverschiebungen später hinzugefügte, wunderschöne Buchstaben, die für mich, der nicht mit dieser Schrift vertraut ist, an jeder Ecke der Stadt wie prachtvolle Ornamente erschienen. Schnell war ich für dieses Thema entflammt und fand in Varsenik Minasyan eine kompetente und interessierte Begleitung auf der Suche nach der Geschichte der Schrift.
So besuchten wir auf einem Spaziergang durch die Innenstadt die Kaskade Jerewans – ein aus Travertinstein in einen innerstädtischen Berghang eingefügten Monumentalbau, der an sich schon eine eigene Geschichte wert ist: Die Pläne sind in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden, doch war die geplante Anlage zu monumental, zu aufwändig, sodass es erst zum 50. Jubiläum der Sowjetisierung Armeniens realisiert wurde. Fertig jedoch wurde das Gebäude nie, bis heute nicht, denn immer wieder gingen die öffentlichen Gelder aus. Zuletzt auch die eines Investors, der die Anlage zu einer Art kaukasischem GuggenheimMuseum ausbauen lassen wollte. An sich unterstützenswerte Ziele, denn in Jerewan mangelt es an öffentlichen Museen mit Bezügen zur zeitgenössischen Kunst. Aber die moderne Kunst muss sich in so einem Gebäude erst behaupten können, weswegen selbst die aktuell dort ausgestellten Werke alle wie in einem Schaulager abgestellt, jedoch nicht würdig ausgestellt scheinen.
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diges Zeugnis darüber ab, wie wichtig die eigene Schrift für die nationale Identität ist. Mir selbst war es bislang noch nie so klar vor Augen, wie sehr das Alphabet, die Schrift und der Klang der Muttersprache mit der eigenen Identität verknüpft ist, und wie wichtig es ist, die Zeugnisse der eigenen Schrift- und Sprachkultur zu schützen und zu pflegen. Heute scheint es, als habe die politische Dimension der armenischen Schrift bei der jungen Generation nicht mehr den Stellenwert, den sie über die Zeiten hatte und bei den älteren Armeniern noch immer hat. Letzteres konnten wir bei der Führung durch den Matenaderan eindringlich erfahren, die von einer älteren Frau mit deutschen Wurzeln angeboten wurde. Es war ein sehr emotionaler Moment, als sie meine Motivation für den Besuch erfuhr und das Interesse für ein fremdes Kulturerbe aus meinen Fragen heraushörte. Immer leidenschaftlicher referierte sie darüber, dass das armenische Alphabet durch die Jahrhunderte immer ein lebendiger Code war, der von Zeit zu Zeit aufgefrischt, also konkret an die Lautverschiebungen in der Sprache angepasst wurde.
Was aber in den Kaskaden gut zur Geltung kommt, ist Monumentalkunst, wie das Triptychon „Mural“ des armenischen Malers Grigor Khanjyan, das die drei wichtigsten Ereignisse der armenischen Nation zeigt: „Creation of the Alphabet“, „Battle of Vardanank/Avarayr“ und „Rebirth of Armenia“. Viele Armenier bezeichnen das Triptychon als das wichtigste Kunstwerk des Landes, da es die konstitutionellen Momente der armenischen Nation in einem Werk vereint. Das wichtigste Ereignis in Bezug zur armenischen Identität ist die Entwicklung des Alphabets durch den Mönch Mesrop Maschtoz im Jahr 406. Interessant ist die exakte Zurückführung auf das Jahr der Entstehung, was so genau erfolgen kann, da der sprachbegeisterte Mesrop den Menschen liturgische Texte und die Bibel näherbringen wollte und dafür offiziell vom Armenischen König Khosrov III. mit der Entwicklung der Schrift beauftragt wurde. Für die Nationsbildung, und damit auch für die seitdem herrschenden Konflikte mit den Anrainern, ist die Einführung der Schrift maßgeblich gewesen, denn die dahinterstehende politische Aussage bedeutete nicht weniger als die Emanzipation von byzantinischer und persischer Herrschaft. Auf diese Weise ist die armenische Schrift nicht einfach nur eine Schrift, sondern auch immer etwas gewesen, das es zu kultivieren, zu entwickeln, aber auch zu schützen galt. So ist es sicher wenig verwunderlich, dass gerade auch die Schriftzeugnisse jahrhundertelang Gefahren und Vernichtung ausgesetzt waren. Immer von dem Willen motiviert, die armenische Identität dauerhaft zu schwächen und dadurch schlussendlich die armenische Kultur zu eliminieren, das armenische Volk wieder zu unterjochen. Im Matenaderan, dem Zentralarchiv für alte armenische Handschriften, konnten wir diese Geschichte eindrücklich nachvollziehen: In unzähligen Vitrinen legen teilweise durch Brand und sonstige Zerstörungen beschädigte, aber auch erhaltene oder restaurierte Handschriften ein leben38
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Als weiteres Zeugnis für den Facettenreichtum der Buchstaben und der Schrift können die vielen Kalligrafien gelten, die ebenfalls im Matenaderan ausgestellt sind. Diese sind ein einmaliges Zeugnis des kulturellen Reichtums und zeugen vom ästhetischen Gestaltungswillen armenischer Schriftmeister, die auf diese Weise einen kulturellen Fortschritt dokumentierten, der heute selten geworden ist. In der Recherche, die ich, vom Besuch im Zentralarchiv inspiriert, durchführte, stolperte ich über den armenischen Visual Artist Ruben Malayan, der sich seit Jahren dem Wiederbeleben der Kalligrafiekunst armenischer Schrift annimmt. Malayans lautmalerische Buchstaben- und Wortlandschaften sind ein ästhetisches Vergnügen auf höchstem Niveau. Sie repräsentieren jedoch auch eine Vision, die er mit seiner Arbeit verbindet: Er möchte die armenische Kultur weiterentwickeln und hierfür das Schaffen zeitgemäßer kalligrafischer Tableaus schon als Unterrichtsfach in der Schule anbieten, denn er ist davon überzeugt: „If we want to preserve and evolve our culture further we should bring calligraphy back to the school system.“ Wenn ich mir rückblickend meine Reise in Erinnerung rufe, bleibt vor allem ein tiefer Eindruck zurück, in eine Kultur eingetaucht zu sein, die mir vorab sehr fremd war, durch die vielen Begegnungen aber sehr nahe gekommen ist. Dies hat viel mit den Menschen zu tun, die ich kennenlernen durfte, und die sich mir gegenüber auf eine Weise geöffnet haben, wie ich es bisher nirgends auf der Welt erfahren habe. Traubenranken, Granatäpfel und Ornamente sind nicht nur am Zaun des Präsidentenpalasts zu sehen, sondern auch auf Gullydeckeln. Der Reichtum der armenischen Kultur, in Form üppiger Ornamente und der besonderen Schrift, die sich mir heute noch als enigmatisches Geflecht offenbart, zeigt mir, dass eine lebendige Kultur auch eine lebendige Schrift sowie Sprache hat. Beide haben mich so begeistert, dass in mir der Wunsch entstand, die armenische Schrift und Sprache zu lernen, um diese besondere Kultur, aber auch meine eigene, noch besser verstehen zu können.
Weg der Helden Was motiviert ehemalige Seminarleiter des Theodor-Heuss-Kollegs dazu, einen Outdoor-Reiseführer für die Slowakei zu schreiben? Klar, ein Missgeschick. Ein Artikel von Jörn und Petra Kaufhold. Die Idee zu unserem Wanderführer „Weg der Helden“ (2016 im Conrad Stein Verlag erschienen, Anm. d. Red.) überraschte uns auf dem 1.592 Meter hohen Ostredok in der Großen Fatra. Der Wind toste um unsere Ohren, ringsherum dufteten bunte Bergwiesen und ein junger Steinadler kreiste am blauen Himmel. Wunderschön war das alles und trotzdem waren wir schlechter Stimmung: Wir hatten uns verlaufen. Statt weiter auf dem rot markierten Weg der Helden zu bleiben, sind wir nördlich der ebenfalls rot markierten Veľkofatranská magistrála gen Norden gefolgt. Unser Fehler, dumm dazu, denn aus Kostengründen hatten wir die ausgezeichneten farbigen slowakischen Wanderkarten schwarz-weiß kopiert. So ist uns nicht aufgefallen, dass sich zwei rot markierte Wanderwege kreuzten. Die Idee zu unserem Wanderführer ist also aus einer Verärgerung heraus entstanden. Ein Wanderführer, so sagten wir uns damals, hätte uns und andere vor unnötigen Umwegen bewahrt und wäre überhaupt hilfreich. Aber auf dem einstündigen Rückweg begeisterte uns vor allem die Vorstellung, was wir alles erleben würden, wenn wir dem Weg der Helden 760 km quer durch die Slowakei, von Bratislava im Westen des Landes bis zum Dukla-Pass an der polnischen Grenze im Osten, folgen würden. Und natürlich wurde das, was wir auf dem Weg erlebten, bunter, schöner und intensiver als wir es uns hätten vorstellen können. Wir trafen auf Gämsen, auf einen Wolf und auf noch dampfende Bärenlosungen. Wir bibberten vor Kälte, als es im August unerwartet auf dem Kamm der Niederen Tatra schneite, und schwitzten so manche Liter bei steilen Aufstiegen. In den Volovské-Bergen waren wir für mehrere Tage komplett allein unterwegs – wer hätte gedacht, dass so etwas in Mitteleuropa möglich ist? Und natürlich haben wir die Arbeit unterschätzt, die es braucht, einen Wanderführer über einen 760 km langen Weg zu schreiben. Auch die Öffnungszeiten des kleinsten Tante-Emma-Dorfadens wollen schließlich recherchiert sein. Dass Projekte länger dauern als gedacht, scheint ein unumstößliches Gesetz zu sein, zumal wenn man sie, wie wir, aus eigener Kraft realisiert. So haben wir uns Schritt für Schritt die Slowakei erwandert und dabei Land und Leute kennengelernt. Da sind die Kleinen Karpaten bei Bratislava, die auf Landkarten so unscheinbar wirken, aber mit lichten Eichenwäldern überraschen, in denen Muffelschädel aufeinander krachen. Und die verschiedenen kleinen Gebirge danach, die kaum einer kennt, durch die kaum einer wandert, und die für NichtMuttersprachler so schwer auszusprechen sind (wer will, probiere Strážovské vrchy).
Da ist die Niedere Tatra, das touristische Sahnestück in der Mitte des Landes, wo der Weg über die Baumgrenze auf über 2.000 Meter führt und Aussichten zu Panoramen werden. Im Osten dann tiefe Buchenwälder, Bergwiesen mit bunt getupften Orchideen, karpatische Holzkirchen, zugewachsene Burgruinen, blökende Schafsherden und verschlafene Dörfer, wo man in der Kneipe beim Bier nicht lange alleine sitzen bleibt. Überhaupt waren es die Menschen entlang des Weges, überraschend in ihrer Vielfältigkeit, inspirierend in ihrer Art das Leben zu meistern, die uns begeisterten. Wir erinnern uns an Marek, einen Rettungssanitäter, der sich einmal die Woche in seiner Freizeit eine riesige Kiepe auf den Rücken wuchtet und schnaufend den Berg hochsteigt, um die Schutzhütte Andrejcová mit Lebensmitteln zu versorgen. Wir denken an die Jungs auf ihren zusammengeschraubten Mopeds am Dorfrand von Kurimka, wo die Menschen Russinisch – eine ostslawischen Sprache – sprechen und kyrillisch schreiben. Und all die Schäfer in ihren Gummistiefeln, mit Filzhütten auf den Köpfen und mit Gesichtern, die nur aus Falten zu bestehen scheinen. Der „Weg der Helden“ ist das slowakische Teilstück des Europäischen Fernwanderwegs E8, der auf 4.390 km von Dublin in Irland bis nach Istanbul in die Türkei führt. Daran mussten wir denken, als wir auf dem Dukla-Pass an der Grenze standen und nach Polen hinüber schauten. Für weitere 160 km verläuft der E8 auf dem Beskidenhauptweg gen Osten. An der polnisch-ukrainischen Grenze enden dann die Markierungen. Als wir an der Grenze standen, stellten wir uns vor, wie es wäre, wenn eine Reihe von Begeisterten den Europäischen Fernwanderweg E8 in der Ukraine markieren würde. Die Trasse gibt es bereits, es fehlen lediglich die typischen roten Markierungen auf weißen Grund, um die Ukraine an den Europäischen Fernwanderweg E8 anzuschließen. Was man dabei nicht alles erleben könnte… MitOst-Magazin
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A musical field trip in the Southeast Inspired by a traveling experience where music, not the spoken word, had been the only means of communication, a French luthier (/ˈluːtiər/loo-ti-ər-/someone who builds or repairs string instruments) starts off to a journey through the Balkans and the Caucasus – investigating and recording local tunes. He creates the “sound map,” an online participatory project which invites travellers (and musicians) to share and explore acoustic music recordings from any particular region of the world. An article by Anne Wiebelitz (long connected with the TheodorHeuss-Kolleg as facilitator and partner in Southeastern Europe) and Gauthier Saillard.
When I first travelled to countries other than my own, I only spoke my native language, French. One day, hitchhiking under heavy rain, people offering shelter took me to their home. Not really able to communicate with them apart from hand signals and drawings, my host – wishing to share her culture – brought me instruments, placed in my hands a whistle, played a tune with her accordion and waited for me to repeat it. It took some minutes to understand the instrument but I managed to play it well enough to repeat the tune. She was astonished and really excited about it; and when the time came for me to leave her house, she gave me three flutes, explaining that music would be my key to communicate with people. This experience was my great inspiration in understanding cultural exchange and communication and encouraged me to learn English. Last year, my partner and I decided to take a month and a half to travel by land, from the east of Germany through Romania, Turkey and end in Georgia. We were led by our desire to explore the beauty of nature, to meet people and experience their cultures through music and food. We 40
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didn't want to feel that we had only „consumed“ the cultures we encountered but wished to make something bigger, or to give in return for what we would receive. This is how our idea was born; to collect music that moves people, that makes them live, dream, is part of their identity, their daily lives and can make someone happy or revive memories. Music is a language that every community shares. This language easily encourages connections with others, often without words. Music knows no borders, although it can carry history and politics, love and hopes, fears and tears. With a micro-recorder we asked people in Sibiu, Kars, Tbilisi, Göreme, Akhalsikhe and other communities to share a song with us that has a meaning for them. We tried to find people willing to play acoustic music, something traditional, often with a deep cultural print. We always took notes and asked when possible about their origin, meaning, or lyrics. We also took pictures of where the music found its origin, or portrayed the musicians.
From the oral tradition of Romanian women singing, to the Sufi music played in the ancient caves of Cappadocia, or the powerful voices of Georgia accompanied with the three stringed Panduri: every meeting was special. We met many open hearted people, happy to share with us something of „who they are“. There was Fabiola, an energetic performing arts student in Sibiu, singing for us at her kitchen table old Romanian songs she learned from her grandmother, and ensuring we would never find the same song on YouTube, because everyone sings it with slight differences. There was Hans, a trumpet player going on holidays in Romania, with a horn in his luggage, finding a way to play the well known Balkan melodies in tune with the “duff duff, duff duff” of the train that was carrying us further east. There was Kemal from the busiest town of the tourist location Cappadocia, who arranged for us to visit the local music school of the neighbouring town. Five music teachers
shared their songs and time, and introduced new instruments for us to play. We were astonished and thankful for what they, freely and for hours, shared of their region’s rich and beautiful musical heritage. Many stories and the music we recorded are to be found on the Soundmap at www.wild-music.eu; and we hope more are to come in the future. This map is now an open project where anyone can share music recordings from a particular region of the world. We would love if people from everywhere would contribute to make this collection grow, and take part in this adventure of sharing with each other cultures, songs, stories and dreams. Of course, it's also open to people that are just curious and for those wishing to listen to free music, there is a radio player allowing, by just one click, to listen randomly to all the recordings.
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Capacity Building MitOst verbindet engagierte Menschen zu einem vielfältigen und offenen Netzwerk. Über kulturelle, sprachliche und politische Grenzen hinweg wollen wir den Austausch über methodisches Handwerkszeug fördern, Erfahrungen teilen und Wissen zugänglich machen. Die Konflikte zwischen Russland und der Ukraine sind weit davon entfernt, der Vergangenheit anzugehören. Dass die Auseinandersetzungen auch medial stattfinden, bekommt man selbst aus der Ferne mit. Das neue Programm von Dialogue for Change, The Habit of Thinking, bringt junge Menschen aus der Ukraine und Russland zusammen und hilft ihnen, die Berichterstattung kritisch zu reflektieren und sich selbst eine Meinung zu bilden – nicht zuletzt auch im Austausch miteinander. Im Interview mit den Initiatoren des Programms erfahrt ihr die Hintergründe ihres methodischen Ansatzes und bekommt Einblick in die persönliche Dimension der ukrainisch-russischen Konflikte, die ein wichtiger Auslöser für die Entwicklung von The Habit of Thinking war. In der Rubrik Capacity Building stellen wir euch zudem das Open-Souce-Projekt wechange vor, das besonders für Initiativen interessant sein dürfte, bei denen Partner über große
Distanzen hinweg zusammenarbeiten. Neben organisatorischen Werkzeugen bietet die Online-Plattform Akteuren eines öko-sozialen Wandels die Möglichkeit, sich zu vernetzen und ihre Projekte einer gleichgesinnten Community vorzustellen. Einsteigern ins Projektmanagement legen wir das „Initiativen-Kochbuch“ des Theodor-Heuss-Kollegs nahe: Es gibt Tipps aus der Praxis von der Ideenentwicklung über die Planung bis hin zu Fundraising und Finanzmanagement. Um die „Graphic Novel“ als neues Medium für die Darstellung komplexer historischer oder gesellschaftlicher Zusammenhänge geht es im Gespräch mit der Zeichnerin Paula Bulling, die zuletzt unbekannte Geschichten aus dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu Papier gebracht hat.
Building bridges between people: The Habit of Thinking The Habit of Thinking is a new Dialogue for Change programme which aims to develop critical thinking; its target group are young people from Russia and Ukraine. The founders of the programme – Taras and Revaz from Kiev and two Elenas from Siberia – all work in organisations concerned with non-formal education for young people. They help students learn how to think independently, implement their own initiatives, interact with each other and participate in international projects. They are both friends and colleagues. To them, The Habit of Thinking is a way to influence the relations between the two countries and a possibility for straight talk, but, to a large extent, also a personal story. Why? Find the answer in this interview by journalist Irina Bobrovskaya with three of the programme’s initiators, Elena Bobrovskaya, Elena Plekhova and Taras Grytsiuk. To begin with, how did it all start? Elena Bobrovskaya: This question brings me back to a series of moments. I remember sitting in a park in Cherkassy on a green lawn, breathing the Dnieper air, saying that we want to do something and that we are ready to start. I remember our stay in a Hucul hut in the Carpa42
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thian Mountains: heated by a hot stove and a discussion, laying out our ideas written down on cards as if we were playing Solitaire. There is a memory of us communicating on Skype to the sound of a coffee machine in a co-working site in Krasnoyarsk. Then I recall the MitOst Festival in Ivano-Frankivsk: a large group of people from different countries, discussing ideas and opportunities. We experi-
enced doubt and detachment from some people and unexpected support from others. What is this programme about? Why did you choose the theme of critical thinking and media literacy? Elena Bobrovskaya: We had a long discussion to decide what should be done in order to both deescalate the current conflict and increase the potential for civilised dialogue and cooperation in and between the Ukrainian and Russian societies. We agreed that, in order to achieve these goals, the spreading of critical thinking is essential. It is difficult to influence political processes, but it is possible and necessary to influence horizontal relationships, both on a social and on a personal level. Critical thinking is all about analysing the situation from different perspectives, drawing sensible conclusions, giving reasonable estimates, questioning both incoming information and your own ideas, and making informed and logical decisions. The more people develop these skills, the more resistant they will be to extremist and totalitarian ideologies, and the fairer their judgments and actions. Who is this programme for? Elena Plekhova: It addresses active young people from Ukraine and the Siberian regions of Russia, between 18 and 26 years old, who care about the social atmosphere in their communities, who are willing to critically reflect information from various sources, to accept the diversity of opinions, to listen to criticism, to change their point of view, to start doubting and asking questions. The target audience includes multipliers –like young activists, young journalists and teachers, cultural and youth organisation workers, political scientists and philosophers. Thereby, the programme also aims at reaching many people indirectly. Elena Bobrovskaya: In particular, we want to support people working on educational and awareness-raising projects such as seminars, trainings, and exhibitions, people working in schools or in the media industry. And of course, we want to support those who are interested in communicating and interacting with their colleagues from Ukraine and Russia. What motivated you to initiate the program? And what do you expect as a result?
Ukrainian-Russian situation, we also hope to make people review certain processes and events. They should be able to question what they see on TV. On a general level, training young people to develop critical thinking skills should make it easier for the whole of society to take a step back and deescalate the current conflicts. Who organises the programme? Taras Grytsiuk: The initiators are representatives of the Ukrainian and Russian public organisations Іnsha Osvita and INTERRA, which are both engaged in non-formal education. We have known each other for a long time, and occasionally worked together. In May 2015, at a meeting in Cherkassy, we realised that we want to do something together, to change the situation for the better. Elena Bobrovskaya: Yes, and then there were a lot of meetings in various teams, a lot of analyses, discussions, brainstorming, which led to the programme’s theme and format for the pilot year. Taras Grytsiuk: In Ukraine, there are two people responsible for development and coordination: Revaz is from Donetsk and I am from Rivne, a city located in the Western part of Ukraine. However, both of us have recently moved to Kiev. The Russian side is represented by two Elenas from Siberia – from Tomsk and Krasnoyarsk. The composition of the team is well balanced and harmonious. Elena Bobrovskaya: Apart from that, we are part of our respective home organisations which also have an established team. Funding for the programme and the promotion of the participant’s initiatives will have various sources, including crowdfunding. Now, at the very beginning, we are supported by our long-standing partner, MitOst, within the framework of the „Dialogue for Change“ programme. In the light of the recent political backdrop, what is the purpose of this Russian-Ukrainian program? Taras Grytsiuk: At the moment, an improvement of relations between Ukraine and Russia is not very likely. I think the main task of our programme is to create a platform for future attempts to re-establish contact between the people at a national level. Right now, we are building bridges between specific people who have the desire to engage with the other side. To support a larger number of people from Ukraine and Russia in developing critical thinking skills is something that might help building a proper bridge in the future. So, if we cannot build the bridge yet, at least we can mount a pier, right?
Taras Grytsiuk: I wanted to contribute something to the safety of the present, because these days you cannot be sure that you will live to see a safe future. I have reached the conclusion that only an access to high-quality education can bring about positive change. Our non-formal education program facilitates training and helps implementing public-private partnerships; through these measures, we hope to raise the level of critical thinking in society.
Will the participants be able to speak about issues other than the political relations between their countries?
Elena Bobrovskaya: Our ultimate goal is to increase the number of critically-thinking people – in both societies. To engage in dialogue, to objectively assess a situation and to act wisely is as much useful for them – as individuals, professionals, citizens – as it is for the state. With regard to the
Elena Bobrovskaya: Of course, they will. When people communicate, they don’t talk about politics all the time. People are similar, and on different sides of the wall they still think about the same things. As far as the content of the programme is concerned, it concentrates, to some extent, MitOst-Magazin
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on the theory of critical thinking, but is mainly focused on the development of tools. Perhaps some joint initiatives will be developed and, as a result, people will have other topics to discuss. For instance, just take a look at our team - we have many topics to discuss!
Taras Grytsiuk: I hope they will. In my opinion, young people are the part of the population which is open and receptive to diversity, innovation and change. The only thing we need to do is to create the conditions for contact between these active, energetic and creative people.
How are you going to work with the theme of war in Donbas and the Crimea issue?
Do you have any personal motives for implementing this project?
Taras Grytsiuk: Openly and honestly, taking into consideration the personal perspective of each project participant who is ready to talk about these issues. We do not have the moral right to pretend that the problem doesn’t exist or that these topics are taboo. Our programme can become a platform for discussion and exchange. These days, it’s very difficult to see through the propaganda wall, to see what is actually happening next door. How do people live there? What are they thinking about? What’s on their agenda?Elena Bobrovskaya: It’s not a project topic, but it will definitely appear in private conversations and during workshops. After all, the programme is about critical thinking - analysis of problems from different angles. Personally, I have a clear position on this issue. Each person has his or her own opinion and there are a lot of shades of grey; however, it doesn’t give us the right for denial of universal moral values.
Taras Grytsiuk: I have a lot of close friends in Russia, people with whom I have a lot in common: shared values, similar outlook, dreams and desires. It would be great if, in the future, our countries could cooperate and help each other, rather than to compete and destroy each other’s public life. We could be excellent partners - we understand each other. Besides, the history of my family is connected with Russia. My great-grandmother is buried in the Ural. To some extent, it is my country as well and I am not indifferent to its fate. I love Russia’s natural areas. I was lucky enough to visit the Caucasus, Central Russia, Siberia, the Sayan Mountains, the Ural, Altai and Lake Baikal. I talked a lot with ordinary people while traveling and I could find a common language with everyone.
Will young people be able to find a common language with each other? 44
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Elena Plekhova: It is terrifying how actively people believe the media. My parents try to understand. They read a lot, but I can see that in most cases the television wins. My grandmother, who is well educated and actively interested
in what is happening, believes almost everything she sees in the media, too. I understand that there are a lot of reasons for this, and I still talk to my family about it, but we often argue. I know that my situation is not unique. A lot of my friends and acquaintances live in Ukraine. The split which takes place in Ukrainian families when talking about foreign policy is much worse than any domestic geopolitical dispute. This is an unhealthy situation, in which everyone – children, parents, friends and colleagues – suffers. Do I want to change this situation for the better? Definitely, yes! And I'm sure that our programme can contribute to this. Elena Bobrovskaya: Over the past two and a half years I have been in Ukraine seven times, because of work related to my activity in educational projects. In August 2015, I spent an enjoyable month in the Carpathian region - an internship in a remarkable project by a Ukrainian team, the seminary house Hata-Maisternia. I have seen a lot in this country. The contact with my Ukrainian friends and colleagues has never been interrupted, despite the tragic events. It therefore seems to me that I can be the one who helps others establish similar connections. And I have a deep personal need to influence the situation, not to sit idly by. There was already a long and very unpleasant period when I didn’t understand what I could do. How do people around you react when they find out about the project and your participation in it? Taras Grytsiuk: When people learn that the theme of our project is critical thinking, they usually become very animated, and ask a lot of questions about the development of this skill. Whereas, when they hear that the programme is being implemented in Ukraine and Russia, the dumb question „Why Russia?“ is almost always seen in their eyes. Many people in Ukraine believe that Russian citizens need to develop the ability to think critically. But maybe that’s this is a common feature of Russians and Ukrainians: we always know what other people should do. We, as citizens of Ukraine, also need to visit regular trainings to develop critical thinking. At the recent economic forum in Davos,
„The Habit of Thinking“…
…is a set of workshops whose goal is to • help young people to judge information correctly and increase their critical thinking abilities • support active members and young professionals in elaborating their own initiatives for the development of critical thinking and to provide them both with appropriate methodologies and content • support young people from Russia and Ukraine in starting a lively dialogue and open collaboration with each other • help participants to see a more diverse picture of both societies and to form their own opinions about the ongoing processes
the skill of „developed critical thinking“ was named as one of the most needed in the near future. So, if we want to be successful, we should start working on ourselves. Elena Plekhova: Elderly people are quite pessimistic. They say that it is unlikely that our project will succeed. They say that people are afraid. Some mention the vigorous propaganda, a negative stream that flows towards us from TV screens. But at the same time, they are sceptical about possible changes. Young people are neutral. They may have a lot of questions, but they try not to show it. They do not ask. They are not surprised. Is it the right time for this type of initiative? Taras Grytsiuk: Perhaps it's too late to start this project. The conflict has already escalated. We have to work with the effects of the long-standing, dedicated work of the propaganda machine, and the consequences of the war in Donbas and the annexation of the Crimea. According to the latest data, more than half a million people in Ukraine are internally displaced; for these people, the Ukrainian-Russian conflict has an extremely personal impact. The situation needs to start to change. In my opinion, the project can be considered to be successful, if the participants start to imagine the future possibility of normal, constructive relations between Ukraine and Russia. Since right now, only a few Ukrainians share this point of view. Elena Plekhova: The time is always right, but projects implemented in different periods have their own priorities and rhetoric. In peacetime, we talk about joint businesses and the prospects for development. We talk about the future... In the current situation, we need to discuss, analyse and reflect in order to start understanding the present, to expand our world view and to form personal opinions about what’s going on. There is no need to look for a suitable time to do so - we should always try to talk and think critically.
Taras Grytsiuk is coordinator and facilitator of informal education programmes, history teacher, and currently lives in Kiev. Elena Bobrovskaya is director of the Krasnoyarsk Regional Public Organization INTERRA, Krasnoyarsk. Elena Plekhova, coordinator of and trainer in nonformal education programmes and charitable projects, director of the public organisation Etnosibir, Tomsk. The pictures show Khata Maysternya – an eco-house in the Carpathian Mountains and one of the work sites of the programme. Further information on the programme at https://new.vk.com/dumay_rua and facebook.com/dumay.rua
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Das Open-Source-Projekt wechange Klimawandel, Kriege, Flüchtlingsströme, ein Finanzsystem außer Rand und Band... Wir leben in einer Zeit multipler Krisen. Angesichts all dieser schlechten Nachrichten könnte man verzweifeln – oder sich umschauen und feststellen, wie viele Menschen sich bereits bei MitOst und in anderen Organisationen, Netzwerken, Gruppen und Initiativen für einen gesellschaftlichen Wandel einsetzen. Statt die Lösung weiter alleine zu suchen, können wir sie mit anderen zusammen finden. Ein Artikel von Inken Marei Kolthoff (Mitbegründerin von wechange).
Es ist faszinierend, wie viele unterschiedliche, vielversprechende und kreative Ansätze bereits in den Bereichen Gesellschaft, Umweltschutz und Wirtschaft im Begriff sind, zu entstehen. Zahlreiche Individuen, Organisationen und Projektgruppen entwickeln in einer Art „Real-Labor“ neue Lebensentwürfe und Handlungsweisen, und leisten damit ihren Beitrag zu einer zukunftsfähigen Welt. Wenn alle, die an einer Vision einer nachhaltigen, gerechten Welt mitarbeiten, zusammenwirken, können wir viel verändern. Doch oft stoßen solche Initiativen auf ähnliche Probleme: Sie sind für Außenstehende kaum sichtbar, können aber auch nicht all ihre Zeit der Öffentlichkeitsarbeit widmen, wenn sie weiterhin ihr eigentliches Ziel vorantreiben wollen. Auch die Organisation erweist sich nicht selten als umständlich: Die verfügbaren technologischen Lösungen sind in der Regel nicht optimal, sie widersprechen meist den Werten der Aktivisten und die Koordination von Informationen und Aktivitäten erfordert viel Aufwand und Kopfzerbrechen: Wo war diese wichtige Information nochmal? In Google Docs oder in der Dropbox? Hat sie mir den Termin per E-Mail oder WhatsApp geschrieben, oder doch nur den Doodle-Link geschickt? Oder hatte ich das auf Facebook gesehen? – Fragen, die einem sicher bekannt vor46
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kommen; gerade, wenn man in mehreren Initiativen und Projekten aktiv ist. Und dann fehlen vielleicht Mitarbeiter oder bestimmte Kompetenzen. Wie schön wäre es, wenn man jemanden fragen könnte. Vielleicht hat eine ähnliche Initiative schon eine Lösung für die eine oder andere Herausforderung gefunden? Vielleicht könnte man durch Austausch noch viel mehr erreichen? Hier wäre Wissensaustausch unter den Akteuren des gesellschaftlichen Wandels die Lösung – Open Source-Project-Hack, sozusagen. Aber wo findet man die richtigen Ansprechpartner? Das kann mitunter schon in der eigenen Stadt kompliziert sein, selbst mithilfe von Google, ganz zu schweigen von länderübergreifenden Recherchen. Mühsam. Und so wären wir wieder beim Ausgangsproblem, der öffentlichen Sichtbarkeit, angelangt. So beißt sich die Katze in den Schwanz. Ausgehend von dieser Beobachtung wurde wechange entwickelt. Wechange ist eine browserbasierte Software, die in einer Plattform die wichtigsten Funktionen vereint, die erfolgreiches Online-Projektmanagement braucht – selbst, wenn die Teammitglieder große Distanzen überbrücken müssen: Alle verfügen über den gleichen Zugang zu wichtigen Informationen und Dateien. Ein Blick in den gemeinsamen Kalender verrät, was als nächstes ansteht, Termine
lassen sich leicht per Abstimmung festlegen. Bei jeder Aufgabe ist erkennbar, wer zuständig ist, wie weit der Prozess fortgeschritten oder was der Projektstand ist. Es ist ganz einfach, das eigene Projekt oder die eigene Organisation zu präsentieren; alle Daten können gespeichert und ohne technische Vorkenntnisse genutzt werden. Ausgewählte Informationen kann man problemlos öffentlich zugänglich machen. Mögliche Partner sind in Klickweite und können so leicht kontaktiert werden. Das und vieles mehr, übersichtlich strukturiert unter einem Login, in vier Sprachen, mit Ökostrom, mit im TÜV-Test bestätigter Datensicherheit und dann auch noch kostenfrei? Ja! 2015 ist dieser Traum wahr geworden. Das netzwerk n hat – gefördert vom Auswärtigen Amt und in Kooperation mit der sinnwerkstatt und MitOst – die Projektmanagement-Plattform wechange für osteuropäische Initiativen weiterentwickelt und von der Basismitgliedschaft bis zur Gruppenfunktion kostenfrei online gestellt – insbesondere auch für MitOst-Mitglieder. Allen Akteuren des gesellschaftlichen Wandels steht wechange seitdem auf Deutsch, Englisch, Russisch und Ukrainisch zur freien Verfügung. Ein besonderes Anliegen ist es, Initiativen mit dem Fokus auf nachhaltige und zivilgesellschaftliche Entwicklung in Osteuropa zu unterstützen und miteinander in Kontakt zu bringen: So können sich die zusammen arbeitenden Projektgruppen gegenseitig stärken, ihre Wirkung vervielfachen und sich gegenseitig – auch themenübergreifend – inspirieren. Außerdem gibt es Themenbereiche, in denen gerade grenzüberschreitende Aktionen großen Nutzen entfalten können, beispielsweise, weil sie auf internationaler und nicht auf nationaler Ebene zu lösen sind. Man denke nur an den Klimawandel oder Friedensprozesse. Von der serbischen Guerilla-Künstlerin über russische Filmfestival-Organisatorinnen bis hin zu ukrainischen Pfadfindern, Dozentinnen, moldawischen Umwelt-Aktivisten und vielen mehr wurden Engagierte zu Seminaren und Workshops eingeladen, beispielsweise auf dem MitOstFestival 2015. Bei aller thematischen Vielfalt verband die Teilnehmenden ihre Leidenschaft für eine zukunftsfähige Gesellschaft auf allen Ebenen – kulturell, ökologisch, sozial und wirtschaftlich. Eine Mischung, die alle als sehr motivierend erlebt haben. Der Schwerpunkt der Seminarreihe lag auf den unterschiedlichen Werkzeugen für erfolgreiches Projektmanagement – online wie offline. Grundlagen-Workshops zu Storytelling und Scrum, einer zeitgemäßen Form des Projektmanagements, wurden durch die praktische Arbeit mit wechange ergänzt und fanden begeisterten Anklang. Auch zentrale Online-Themen wie Datenschutz und Open Source durften selbstverständlich nicht fehlen; immerhin spielt die Datensicherheit eine wichtige Rolle – je nachdem, ob die jeweilige Regierung den Aufbau einer pluralen Zivilgesellschaft unterstützt oder unterdrückt. Alles in allem erlebten die Teilnehmenden, welches Potenzial in einem großen Netzwerk steckt, mit dem sie selbst effektiv zu einem gesellschaftlichen Wandel beitragen können.
Und wie geht es weiter?
Jetzt seid ihr dran! Auf www.wechange.de kann sich jeder kostenlos registrieren und eigene Projekte anlegen. Bis 2020 steht zudem ein Kontingent zur Verfügung, um Osteuropa-Projekten zu einem kostenlosen Gruppenstatus zu verhelfen. Für 2016 planen wir weitere Workshops und Seminare und werden die Plattform entsprechend dem Nutzerfeedback weiterentwickeln.
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Der Comic ist erwachsen geworden Graphic Novels zeigen, wie visuelles und traditionelles Erzählen zueinander kommen, und wie dadurch Neues entstehen kann. Anstelle von Heldenstories liest man mehr und mehr komplexe Geschichten der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Wie zum Beispiel im Rahmen des Projekts Redrawing Stories from the Past, bei dem sich fünf Comic-Zeichnerinnen und -Zeichner unbekannter Geschichten von Opfern des Nationalsozialismus angenommen haben. Der Entstehungsprozess der Geschichten wurde durch Workshops und internationalen Austausch begleitet. Das Ergebnis ist ein sehr lesenswerter Sammelband mit fünf Graphic Novels. Paula Bulling, eine der Zeichnerinnen, im Gespräch mit Nils-Eyk Zimmermann über ihre Geschichte „Tamgout, Buchenwald, Paris“. Paula Bulling ist Illustratorin und Comic-Zeichnerin. In ihrem 2012 erschienenen Comic-Debüt, „Im Land der Frühaufsteher“ erzählt sie von Menschen, die in Sachsen-Anhalt in Asylbewerberheimen leben, und dokumentiert den politischen und gesellschaftlichen Umgang mit Asylbewerbern. Die Lesenden begleiten sie bei ihrer Recherche, denn sie hat sich selbst mit in die Bilder gezeichnet. Für Redrawing Stories from the Past zeichnete Paula in mühevoller Recherche weitgehend unbekannte Kapitel des Nationalsozialismus nach. So gibt sie uns Einblicke in die Geschichte des anonymen algerischen Gefangenen Nummer F78893 im KZ Neu-Staßfurt oder erzählt von dem algerischen Arzt und Widerstandskämpfer Ahmed Somia. Dabei bedient sie sich nicht etablierter Narrative, sondern ringt mit der Form und der Erzählweise sowie ihrer eigenen Perspektive auf den Nationalsozialismus. Beschäftigt man sich mit dem Nationalsozialismus, stößt man unwillkürlich auf viele Bilderstandards. Wie seid ihr mit diesen starken ästhetischen Referenzen umgegangen? Stark aufgeladene Motive haben wir zum großen Teil ausgespart. Diese Bilder sind ja oft Verkürzungen, hinter denen sich ein ganzes Assoziationsfeld verbirgt. Ist nicht genau das der Vorteil einer Graphic Novel, visuelle und erzählerische Elemente wirken zusammen und man spielt mit Assoziationen? Die Frage ist, welche Absicht man verfolgt, was es einem bringt, bereits eingestellte Assoziationsmuster zu nutzen. Das Interessante für mich war, wie man die Komplexität eines „Lagers“ erzählen kann, indem man die Assoziationsketten nur anstößt. Ich selbst wusste im Übrigen auch nicht, wie das Lager aussah, in dem meine Geschichte spielt, es gibt davon keine Fotos. Ich habe dann einfache Häuser aneinander gereiht, ohne Details auszumalen. Es erinnert
an ein Barackenlager. Eine rote Linie ringsherum – im Kopf der Betrachtenden entsteht sofort der Zaun mit Wachtürmen. Mit dieser Ebene der Abstraktion habe ich mich wohler gefühlt, als zu behaupten – in diesem Lager sah so und so aus. Auf welche grafischen Referenzen wolltest du dich beziehen? Und wie seid ihr mit grafischen Elementen umgegangen? Im Projekt haben wir Zeichnenden uns gefragt: Woher kommen die visuellen Informationen, die heute die Grundlage für viele Darstellungen der Konzentrationslager sind? Nur sehr wenige Fotos sind von Häftlingen selber gemacht worden, die meisten Fotos aus den Lagern hat die SS aufgenommen. Diese Bilder beschönigen, sparen aus und zeigen nur einen bestimmten Teil der Realität. Andere Fotos sind nach der Befreiung von Reporterinnen oder Soldaten der Alliierten gemacht worden. Zeichnungen sind oft die einzige visuelle Information aus der Perspektive der Opfer/ Insassen, und sie zeigen eine andere Perspektive. Je sperriger das Thema, desto größer die Herausforderung mit Stereotypen umzugehen und desto größer die Notwendigkeit, die Position des Erzählenden zu reflektieren. Kann man das verallgemeinern? Meiner Ansicht nach gehört es in jeder Kunstform dazu, dass man überlegt, wer man ist und warum man ein Thema bearbeitet – etwas darstellt, über etwas spricht, und ob einem die eigene Identität hilft oder in die Quere kommt. Dazu gehört natürlich auch die Frage, wen man damit ansprechen möchte.
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Gibt es gestalterisch-erzählerisch Ähnlichkeiten zu deinem Debüt „Im Land der Frühaufsteher“? Ich habe auch dort versucht, visuelle Information im Rahmen einer Erzählung zu vermitteln. Anfänglich habe ich auch fotografiert und gezeichnet, also mit unverbundenen Bildern gearbeitet. Aus dem Wunsch heraus, mehr Kontext zu erzählen, ist dann die Comicform entstanden – eine Geschichte, erzählt in einer Bilderfolge. Bei dem Projekt wurdet ihr auch von Experten für Geschichte und Comics begleitet. Wie hat das eurer Arbeit unterstützt? Die wissenschaftliche Begleitung durch den Comicforscher Ole Frahm1 war für mich sehr hilfreich und motivierend. Die Thematik des Nationalsozialismus ist inhaltlich wie formal herausfordernd und ich hätte wahrscheinlich von mir aus nicht angefangen, daran zu arbeiten. Wie sieht das gesellschaftliche Interesse an dem Format Graphic Novel aus? Die meisten größeren Zeitungen in Deutschland berichten inzwischen regelmäßig über Neuerscheinungen im Comicbereich. Die Verlage bemühen sich, über das Label „Graphic Novel“ anspruchsvollere Stoffe zu vermarkten. Aber der Markt ist in Deutschland doch noch relativ klein.
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Ole Frahms schrieb seine Dissertation zu Art Spiegelmans „Maus“, ist Gründungsmitglied der Hamburger Arbeitsstelle zur Erforschung der Grafischen Literatur (ArGL) und Comicforscher.
Auch im Bereich Graphic Journalism passiert einiges. Interessante Kollegen arbeiten in Frankreich, England, Belgien oder den Niederlanden. Ja, das stimmt, es gibt mehr und mehr internationalen Austausch. Ein beispielhaftes Projekt dafür ist „Drawing the Times“2, eine Plattform für Graphic Journalism, auf der aktuelle Werke zu lokalen und globalen Themen publiziert werden, die die Leser informieren, unterhalten und herausfordern. Dort kann man viel entdecken und die Künstler werden auch füreinander sichtbar. Wie geht es für dich weiter? Ich arbeite an der Geschichte weiter, die im Rahmen von Redrawing Stories from the Past entstanden ist. Das Buch wird im Berliner avant-Verlag erscheinen. Im Augenblick bin ich noch einmal in die Recherche eingetaucht.
Unter dem Dach von MitOst organisierten die Kulturmanager Elisabeth Desta und Ludwig Henne das Projekt Redrawing Stories from the Past, das in Kooperation mit dem serbischen Verein Elektrika, dem lettischen Verein Kus! sowie dem AJZ Chemnitz durchgeführt und durch die Stiftung EVZ, die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, das Goethe Institut Belgrad und das Kulturamt Neukölln gefördert wurde.
2 http://drawingthetimes.com
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Das Initiativen-Kochbuch Neu bei den MitOst-Editionen: Engagement selbst gemacht – Einstieg ins Projektmanagement So wie sich die Menschen an den Töpfen stets inspirieren lassen und Dinge neu erfinden, gingen auch in das „Initiativen-Kochbuch“ neue Ideen aus dem Empowerment und Impulse aus dem Design Thinking ein: Statt der Überbetonung interkultureller Unterschiede mehr inklusives Denken; Orientierung an individuellen Kompetenzen und Ressourcen statt allzu schematische ProjektmanagementLehre. Das Autoren-Team legte zudem großen Wert darauf, systemische Zusammenhänge des eigenen Engagements erfassbar zu machen. Inhalte, Zutaten und Tipps entstammen der eigenen Küche. Engagement wird hier von den Zielen und der Vision her betrachtet und als gemeinsames Gestalten beschrieben. Das Handbuch bietet gesellschaftlichen Initiativen einfache und praktische Unterstützung auf dem Weg zu: • gesellschaftlicher Wirkung und wie man die eigene Wirkungslogik verbessern kann • zunehmender und besserer Beteiligung • Anerkennung von sozialer Vielfalt als Nutzen und gesellschaftliche Tatsache • wachsender Nachhaltigkeit Das neue Handbuch des Theodor-Heuss-Kollegs richtet sich an Teams, die die Gesellschaft, in der sie leben, in eigener Initiative mitgestalten wollen. Es umfasst eine Vielzahl an Aspekten des Projektmanagements: Ideenentwicklung, Planung, Teamarbeit, Zielgruppen, PR, Fundraising und Finanzmanagement. Das Initiativen-Kochbuch ist auf Deutsch und Englisch erschienen; die ukrainische und russische Ausgabe sind in Vorbereitung. Es wird von MitOst und Working Between Cultures herausgegeben und kann über MitOst bezogen werden.
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Heike Fahrun, Nils-Eyk Zimmermann, Eliza Skowron ISBN 978-3-944012-03-2 (deutsche Ausgabe) ISBN 978-3-944012-17-9 (englische Ausgabe) Schutzgebühr: 15 Euro Für MitOst-Mitglieder: 10 Euro Download unter: http://theodor-heuss-kolleg.de/service/material
MitOst – Vereinsjahr im Überblick 1.400 Mitglieder finden sich und ihre Interessen heute bei MitOst in einem internationalen Netzwerk und zahleichen Aktivitäten wieder und fühlen sich den Werten des Vereins verbunden. Die Mitglieder sind in 43 Ländern zu Hause. Sie pflegen persönliche und berufliche Kontakte, tauschen sich auf professioneller Ebene aus und unterstützen sich über Grenzen hinweg. Die Mitglieder bilden das „Parlament“ des Vereins. Sie entscheiden mit über strategische Entwicklungen und wählen den Vorstand sowie den Projektbeirat. Die Vereinsarbeit ruht auf den Prinzipien von Partizipation und Transparenz, und alle Mitglieder sind eingeladen, in den Gremien und beim jährlichen MitOst-Camp die Zukunft des Vereins mitzugestalten.
Hier stellen wir euch die Mitglieder des aktuellen Vorstands und Projektbeirats vor. Außerdem erfahrt ihr, welche Mitgliederprojekte im letzten Vereinsjahr gefördert und umgesetzt wurden.
Vorstand 2015/2016 Der Vorstand wird jährlich durch die Mitgliederversammlung gewählt. Ehrenamtlich leiten und koordinieren die Vorstandsmitglieder die Arbeit des Vereins, vertreten diesen nach außen und überwachen die Tätigkeit der Geschäftsführung. Sie arbeiten gemeinsam mit den hauptamtlichen Mitarbeitern und den MitOst-Mitgliedern zusammen. Eszter Tóth, 1. Vorsitzende
Eszter Tóth lebt (oder ist auf dem Weg) zwischen Pécs, Budapest, Griesheim, Hamburg und Berlin. In Ungarn engagiert sie sich im Bereich baukultureller Bildung, mit ihrem Verein kultúrAktív schreibt sie Bücher für Kinder über Städte, macht Projekte zu Architektur und Stadtentwicklung und verbreitet Konzepte und Methoden der Stadtvermittlung. In Hamburg promoviert sie an der HafenCity Universität über die spielerischen Formen der Kinderbeteiligung in der Stadtplanung. In Berlin unterstützt sie seit 2010 die Vorstandsarbeit bei MitOst. Eszter ist Alumna des Programms Robert Bosch Kulturmanager aus Mittel- und Osteuropa und aktives Mitglied vom Robert Bosch Kulturmanager Netzwerk. Rozalina Laskova, 2. Vorsitzende
Rozalina Laskova kommt aus Bulgarien und lebt in Sofia. Sie studierte Jura in Berlin und Business Administration in Sofia und arbeitete im gemeinnützigen Kulturbereich sowie für unterschiedliche bulgarische und deutsche Ministerien. Rozalina ist im Moment Geschäftsführerin des bulgarischen Vereins Education Without Backpacks (Khan Academy in Bulgarien) sowie Gründerin und Geschäftsführerin von Shar Zhar, einer Organisation, die im Bereich der Kulturund Kreativindustrie, Kulturmanagement und Entrepreneurship aktiv ist. Ihren Weg zu MitOst fand sie als Alumna des Carl Friedrich Goerdeler-Kollegs. 2013 wurde sie MitOst-Mitglied. Als zweite Vorstandsvorsitzende beschäftigt sich Rozalina mit der Organisationsentwicklung und der strategischen Ausrichtung des Vereins und widmet sich den Themen Kulturaustausch und soziale Innovationen.
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Anja Kretzer, Schatzmeisterin
Anja Kretzer ist in der Nähe von Würzburg geboren und aufgewachsen. Sie studierte Russisch und Französisch in Konstanz am Bodensee, in Lyon und in Moskau. Nach Stationen als Kulturmanagerin in Klaipėda und später als Projektleiterin beim Deutsch-Russischen Forum e.V. ist sie nun als freiberufliche Projekt- und Fördermittelmanagerin tätig, organisiert Konferenzen, begleitet Studienreisen und schreibt Projektanträge. Anja lebt und arbeitet in Berlin. Im vergangenen Vereinsjahr freute sie sich, in ihrem dritten Jahr als Schatzmeisterin die Konsolidierung des Vereinsbudgets begleiten zu dürfen. Sie widmet sich außerdem den Themen Advocacy, Förder- und Ehrenmitgliedschaften und finanzielle Nachhaltigkeit bei MitOst. Sergei Shalamov, Alumni
Sergei Shalamov kommt aus Perm in Russland. Dort arbeitet er im Moment als Ingenieur für Flugzeugtechnik. Sergei war Kollegiat des russischen Kooperationsprogramms des Theodor-Heuss-Kollegs „Grazhdanskaja Aktiwnost Kazhdy Den/Engagement täglich“ (GAKD), ist seit 2011 ein Alumnus des Programms und wurde auch Mitglied bei MitOst. Zuletzt engagierte er sich als Alumnivertreter für GAKD. Als Mitglied des Vorstands möchte Sergei die Alumniarbeit mitbetreuen und MitOst für die Alumni erreichbarer und attraktiver machen; vor allem für nichtdeutsche Muttersprachler. Christian Kühn, Mitglieder
Christian Kühn ist in Gera geboren und lebt jetzt in Berlin. Christian ist für den Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft in der Abteilung Presse und Kommunikation tätig. Er hat Sprachen und Wirtschafts- und Kulturraumstudien mit dem Schwerpunkt Russland an den Universitäten Passau und Saratov studiert. Christian war für zwei Jahre Robert Bosch Lektor in Tbilisi, Georgien, und wurde 2012 Mitglied bei MitOst. Seit 2015 organisiert er die Treffen der Initiative Berliner Bosch Alumni mit. Im Vorstand widmet er sich den Bereichen Aktive Bürgerschaft und Fundraising. Man trifft Christian abends oft in Kinos und Theatern und an den Wochenenden auf Wanderwegen oder auf dem Tempelhofer Feld beim Frisbee spielen. Kathrin Oerters
Zum 11. Februar 2016 ist Kathrin Oerters als Mitglied des Vorstands zurückgetreten, da sie nach einem Bewerbungsverfahren die Nachfolge von Maria Shamaeva als Koordinatorin des Bereichs Mitglieder, Alumni und Netzwerk angetreten hat. Kathrin Oerters lebt in Berlin. Sie hat Geschichte und Philosophie studiert und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziale Bewegungen in Bochum gearbeitet. Ihre Verbindung zu den Themen von MitOst entstand 2010 über das Kulturhauptstadt-Projekt Perm-Duisburg-Pècs. Kathrin begann Russisch zu lernen, wirkte bei einem deutsch-tschechisch-russischen „kultur-im-dialog“-Projekt mit und ging für zwei Jahre als Robert Bosch Kulturmanagerin nach Astrachan (Russland). Im Vorstand engagierte sie sich für die Mitgliederprojekte und den Kulturaustausch.
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Projektbeirat 2015/2016 Vier Mitglieder, die über langjährige Projekterfahrung verfügen, sowie ein Mitglied aus dem Vorstand bilden den Projektbeirat. Er wird jedes Jahr durch die Mitgliederversammlung gewählt. Der Projektbeirat berät die Vereinsmitglieder bei der Beantragung von Projekten, wählt Anträge zur Förderung aus und begleitet sie bei der Umsetzung der Projekte.
Barbara Anna Bernsmeier
Christopher Schumann
Barbara wuchs in Norddeutschland auf und studierte in München Literaturwissenschaften und Slawistik. Hier kam sie durch die ehrenamtliche Mitarbeit in einem deutschpolnischen Kulturverein mit MitOst in Kontakt und trat 2010 dem Verein bei. Nach einer einjährigen Lehrtätigkeit an der Staatlichen Universität Novosibirsk war Barbara von 2013 bis 2015 Stipendiatin im Programm Robert Bosch Kulturmanager in der Russischen Föderation in Wolgograd. In dieser Zeit widmete sie sich auch dem Vereinsleben von MitOst, vor allem in Bezug auf die Aktivitäten in Russland. Seit Herbst 2015 lebt sie wieder in der Nähe von Hamburg und in Berlin, wo sie als freie Kulturmanagerin tätig ist.
Christopher ist in Bielefeld aufgewachsen, lebt und arbeitet in Berlin. Er hat die Agentur greenstorming mitgegründet und unterstützt größere und kleine Organisationen bei der professionellen Vorbereitung und Durchführung von Konferenzen und Workshops. Ein wichtiges Anliegen ist dabei, die Veranstaltungen ressourcenbewusst zu planen und jeweils einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Zu MitOst ist er als Alumnus aus dem Lektorenprogramm gekommen. Als Lektor war er 2000/2001 in Ventspils/Lettland tätig. Den Verein kennt er nicht nur aus der Mitgliederperspektive, sondern war auch drei Jahre lang im Vorstand.
Tina Opernica
Małgorzata Gedlek
Tina lebt zurzeit in Berlin und arbeitet für das Förderprogramm zivik des Instituts für Auslandsbeziehungen. Vier Jahre lang war sie als Kulturmanagerin in Serbien und Rumänien tätig. Sie initiierte dort Jugend- und Bildungsprojekte und war im Bereich Organisationsentwicklung tätig. 2011 wurde sie Mitglied der Goethe-Guerilla in Belgrad und Mitgründerin der dortigen City-Guerilla. Zu MitOst kam Tina 2014 durch das MitOst-Festival in Novi Sad, sie engagierte sich im Festivalteam und übernahm eine koordinierende Rolle. Tina ist ein großer Fan von Energizern und findet, dass Lachen bei der Teamarbeit wichtig ist.
Małgorzata stammt aus Polen. Seit ihrem vierten Lebensjahr wohnt sie jedoch schon in Deutschland. Nach Auslandsaufenthalten in Moskau und Warschau verschlug es sie für zwei Jahre in die Ukraine. Dort unterrichtete sie im Rahmen des Lektorenprogramms nicht nur Deutsch als Fremdsprache, sondern initiierte zusammen mit anderen Lektoren Bildungsprojekte. Małgorzata ist seit 2014 Mitglied bei MitOst und möchte als Teil des Projektbeirats gerne das Herzstück des Vereins aus nächster Nähe kennenlernen. Gerade aus der Ukraine zurückgekehrt hat sie ihren Lebensmittelpunkt nun in Bonn und sucht nach neuen beruflichen Herausforderungen. MitOst-Magazin
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Mitgliederprojekte MitOst unterstützt seine Mitglieder fachlich und finanziell dabei, eigene Ideen zu realisieren. Aus eigenen Finanzmitteln fördert MitOst Projekte seiner Mitglieder in den Bereichen Kulturaustausch, Völkerverständigung und Zivilgesellschaft. 2015/2016 wurden MitMach-Projekte, Kompakt-Projekte und KlickOst-Projekte insgesamt mit einer Summe von 11.400 Euro gefördert. Darüber hinaus hat MitOst in Kooperation mit der Schering Stiftung wieder den Wettbewerb kultur-im-dialog.eu+ ausgeschrieben, wodurch zwei Projekte mit insgesamt 12.000 Euro gefördert werden konnten. Life in a Day Wie sieht der Alltag eines Roma auf dem Balkan aus? Welche Hürden muss ein Mensch mit Behinderung täglich überwinden? Life in A Day ist eine filmische Collage, in der verschiedene Geschichten von Personen erzählt werden, die am Rande der Gesellschaft leben. Diese zeigen dem Zuschauer einen typischen Tag ihres Lebens in den Balkanländern und in Deutschland – ohne jegliches Einschreiten durch das Filmteam. Wo? Serbien und Nachbarländer, Deutschland Wann? Januar–April 2016 Leitung: Ljiljana Šotra Kategorie: MitMach-Projekt Fördersumme: 1.403 Euro
Write the City Warschau, die am dichtesten besiedelte Stadt Polens, beherbergt über 50 % aller Migrantinnen und Migranten des Landes. Eine sich schnell entwickelnde Stadt mit einem lebendigen Wirtschaftsleben, die Menschen aus dem Ausland auf der Suche nach einem besseren Leben anzieht. Write the City hatte zum Ziel, diesen Menschen ein Werkzeug in die Hand zu geben und ihre Stimme auf Papier zu drucken. Wo? Warschau, Polen Wann? Januar–April 2016 Leitung: Vladimir Guzman Contreras Kategorie: MitMach-Projekt Fördersumme: 1.956 Euro (bewilligt)
Erste Wahl Das Projekt Die Erste Wahl setzt sich mit der politischen Meinungsbildung bei Jugendlichen auseinander und initiierte eine nachhaltig angedachte Diskussion zu Toleranz und Minderheiten. Hierfür wurde im Rahmen der Vorführung des Dokumentarfilms „Erste Wahl“ sowohl in Berlin als auch in Budapest ein Gespräch mit Jugendlichen und Interessierten über diese Themen geführt. Die filmische Dokumentation diente als Gesprächsgrundlage und Denkanstoß für die Veranstaltungen. Wo? Berlin, Deutschland & Budapest, Ungarn Wann? März–April 2016 Leitung: Bérengère Vogel Kategorie: MitMach-Projekt Fördersumme: 774 Euro
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School of Traditional Music and Singing Kann Musik ein Instrument für Veränderungen im städtischen Raum und für die Gesellschaft sein? Wo liegen die Überschneidungspunkte zwischen traditioneller Musik und Jazz? Wie kannst Du Dein eigenes Musikprojekt organisieren – einen Workshop, ein Festival oder ein Konzert? 30 junge Musiker und Multiplikatoren für Kultur aus Polen und der Ukraine widmeten sich diesen Fragen bei der fünftägigen Schule des traditionellen Gesangs und der Musik. Wo? Kyiv, Ukraine Wann? April 2016 Leitung: Kateryna Yefremova Kategorie: MitMach-Projekt Fördersumme: 1.899 Euro
Active YOUkraine Unter dem Titel Active YOUkraine ist ein Blog entstanden, auf dem ukrainische Aktivistinnen und Aktivisten anhand digitaler Geschichten sich und ihre Arbeit vorstellen. Diese Menschen verbindet, dass sie mit ihrem gesellschaftlichen Engagement innergesellschaftliche Grenzen in der Ukraine herausfordern und dadurch zu einem nachhaltigen Wandel der Gesellschaft beitragen. Wo? Kyiv, Ukraine / Berlin, Deutschland Wann? Mai–Juni 2016 Leitung: Julia Portnowa Kategorie: MitMach-Projekt Fördersumme: 1.060 Euro
Velociped Festival Das internationale Fahrradfestival in Belarus bot eine Plattform für Zusammenarbeit und Austausch von Erfolgsrezepten in der Arbeit von NGOs aus Belarus, der Ukraine, Russland und Polen. Interaktive Workshops und Vorträge wurden bereichert durch ein Rahmenprogramm mit Bandauftritten, Aktionsbereichen und Fahrrad-Wettbewerben. Wo? Minsk, Belarus Wann? August 2016 Leitung: Mikalai Vincheuski Kategorie: MitMach-Projekt Fördersumme: 2.000 Euro (bewilligt)
Leckerbissen/Titbit/Ласий шматок An die Wände des Ausstellungsraums Closer in Kyiv wurden verschiedene Tiere und mythologische Kreaturen der ukrainischen und russischen Folklore gemalt und schematisch, in „Teile zerlegt“, dargestellt. Die Bilder wurden mit Texten verschiedener Sprachen, die in der Ukraine benutzt werden, gefüllt. Die starke visuelle Darstellung soll metaphorisch für die aktuellen geopolitischen Ereignisse in der Ukraine stehen und die persönlichen Gedanken der Teilnehmer und Besucher wiederspiegeln. Jeder ist hungrig und möchte sein Stück vom Kuchen abbekommen! Wo? Kyiv, Ukraine Wann? Februar–März 2016 Leitung: Igor Zaidel Kategorie: Kompakt-Projekt Fördersumme: 350 Euro MitOst-Magazin
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KinderLeben in Animationen Das Projekt KinderLeben in Animationen lud Kinder ein, ihre Lebensgeschichte in Animationen zu gestalten. Schüler aus St. Petersburg und Berlin – mit und ohne Migrationshintergrund – versuchten sich gemeinsam und interkulturell in Animationstechniken. Es wurde gezeichnet, Konflikte wurden durch- und nachgespielt und am Ende soll ein Film entstehen, der die Zuschauer zum Staunen und Diskutieren anregt. Wo? Berlin, Deutschland und St. Petersburg, Russland Wann? April–September 2016 Leitung: Philine Bickhardt Kategorie: KlickOst-Projekt Fördersumme: 160 Euro (bewilligt)
5 years of struggle Das Projekt beschäftigt sich mit der LGBT-Szene im postsowjetischen Raum und fand während der Baltic Pride 2016 in Vilnius statt. Gemeinsam mit dem Aktivisten und Künstler Roman Melnik, der seit vielen Jahren LGBT-Events in St. Petersburg und Moskau dokumentarisch und fotografisch begleitet, wurde in Vilnius eine Ausstellung zum Thema organisiert und der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wo? Vilnius, Litauen Wann? Juni 2016 Leitung: Alexander Petrov Kategorie: KlickOst-Projekt Fördersumme: 586 Euro (bewilligt)
Anti Plastic Beim Projekt Anti Plastic wurden Geschäfte der Stadt Vanadzor mit Stoffbeuteln ausgestattet. Alle Einwohner wurden dazu ermutigt, in den Geschäften, die mit dem Anti Plastic-Sticker versehen sind, danach zu fragen. Das Projektteam freut sich auf regen Austausch zwischen den Volunteers und der örtlichen Community. Wo? Vanadzor, Armenien Wann? Juli–August 2016 Leitung: Margarita Hovhannisyan Kategorie: KlickOst-Projekt Fördersumme: 523 Euro (bewilligt)
Art at your neigbours Bei Art at the neighbours werden die Teilnehmer sich im georgischen Zugdidi in fünf thematische Gruppen aufteilen: Theater, Social Entrepreneurship, Kochen, Stadt/Land und Kunsthandwerk. Das Ziel ist es, eine Plattform für junge Künstler oder Sozialarbeiter zu schaffen, die gemeinsam Kunst und Kultur als Instrument für sozialen Wandel in allen Ländern des Südkaukasus nutzen. Wo? Zugdidi, Georgien Wann? August–Oktober 2016 Leitung: Marta Gawinek-Dagargulia Kategorie: Kompakt-Projekt Fördersumme: 350 Euro (bewilligt)
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Better Together Better Together ist ein integratives Kunstprojekt für junge Menschen in der Ukraine, die am Zusammenwirken und den Verbindungen von Menschen ohne und mit Behinderungen interessiert sind. Während einer intensiven Projektwoche kamen 40 professionelle, aufstrebende Künstler mit und ohne Behinderung für die Entwicklung einer Performance zusammen. Die Performance wurde im Zentrum von Kryviy Rih aufgeführt. Wo? Kryviy Rih, Ukraine Wann? Juni 2016 Leitung: Sylvia Harrison Kategorie: kultur-im-dialog.eu+ Fördersumme: 9.000 Euro
Multi Culti Das Projekt wurde von Alumni der regionenübergreifenden Initiative New Horizons durchgeführt. Der interkulturelle Austausch von Schülern über Bräuche und Traditionen der nordkaukasichen Völker wurde durch die Arbeit an eigenen Animationsfilmen befeuert. Mit Zeichen- und Knettechniken wurden volkstümliche Märchen und Gedichte visualisiert und ausgetauscht. Der Abschluss des Projekts wurde beim Animationsfilmfestival in Vladikavkas gefeiert. Wo? Nordkaukasus, Russland Wann? Mai–Juni 2016 Leitung: Syuzanna Avanesyn Kategorie: kultur-im-dialog.eu+ Fördersumme: 3.000 Euro
Du bist MitOst-Mitglied und hast auch Lust, ein eigenes Projekt im Bereich zivilgesellschaftliches Engagement oder Kulturaustausch in Europa und seinen Nachbarregionen zu realisieren? Hier die Fördermöglichkeiten im Überblick: MitMach-Projekte fördern in der Regel 30 bis 70 Prozent der Projektgesamtkosten. Der Rest muss über Drittmittel, Eigenbeiträge der Teilnehmer oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Bewerbungsfristen: 28. Februar und 31. Oktober.
KlickOst-Projekte werden aus Vereinsmitteln in einer Höhe von maximal 600 Euro gefördert. Die Gesamtsumme des Vorhabens darf 1.000 Euro nicht übersteigen. Die Besonderheit: Jedes MitOst-Mitglied kann per Klick über die Auswahl der Projekte mitentscheiden.
Bei Kompakt-Projekten handelt es sich um Projekte, die ein Gesamtbudget von 600 Euro nicht übersteigen und die MitOst mit höchstens 350 Euro fördert. Bewerbungen hierfür sind jederzeit möglich.
kultur-im-dialog.eu+ ist ein Wettbewerb, den MitOst in Kooperation mit der Schering Stiftung ausschreibt. Einmal jährlich fördert er mit insgesamt 12.000 Euro eines oder mehrere größere Kulturprojekte, die sich mit individuellen Erfahrungen und nationalen Transformationsprozessen in Europa und seinen Nachbarregionen auseinandersetzen. Weitere Infos unter www. mitost.org/mitglieder
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MitReise nach Athen – Die andere Seite Die MitOst-Mitglieder sind in 40 Ländern zu Hause und leben in mehr als 500 Orten. Sie sind Expertinnen und Experten in ihren Städten und Regionen. Sie kennen sich abseits von Touristenströmen und Reiseführern aus. Sie kennen spannende lokale Initiativen und können von lokalen Ereignissen berichten. Mit dem Projekt MitReise heben wir diesen Schatz. Im vergangenen Jahr führte die Reise nach Athen. Ein Artikel von Steffi Gläser, sie besuchte Athen im Rahmen der MitReise vom 30. Oktober bis zum 4. November 2015.
„Wenn man heute über Europa spricht, dann muss man über Griechenland sprechen. Hier kristallisieren sich die drängendsten Probleme der EU heraus: Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Vertrauenskrise.“ So ähnlich hat es Julia gesagt, die Sankt Petersburgerin, die wir zufällig im Zentrum Athens treffen. Genau darüber wollen wir sprechen, und zwar nicht am heimeligen Kneipentisch in Deutschland, sondern direkt in Athen, mit Athenern. Eingeladen hat uns Loukas, ein Athener, der auch in Berlin lebt und in Weimar promoviert. Seine Kenntnisse der deutschen Sprache, sein Wissen zur griechischen und deutschen Politik und Geschichte und seine ausgezeichnete Ortskenntnis von Berlin und Athen sind der Schlüssel zu einer Bildungsreise der besonderen Art. Wir erkunden die Arkaden der 50er-Jahre-Häuser, in denen kleinste Spezialgeschäfte ihre Waren anbieten – Schnürsenkel das eine, Türklinken das andere, Schnüre und Bänder das nächste. Viele Geschäfte sind geschlossen, eine Folge der Finanzkrise, aber auch des gewandelten Konsumverhaltens der Bevölkerung, die ebenso gern in modernen Malls und Supermärkten einkaufen geht. Und irgendwo in einer Kelleretage stoßen wir dann auf einen Rest der 2000 Jahre alten Stadtmauer Athens. Ein absurder Kontrast, oder auch einfach Teile einer langen, langen Geschichte. Die Gegenwart begegnet uns mit Vehemenz wieder an der 58
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Metrostation Victoria. Hier ist der Treffpunkt vieler Migranten und Flüchtlinge. Sie warten, debattieren, suchen aus den Tonnen mit gespendeter Kleidung, was sie gebrauchen können. Übernachten können sie beispielsweise im Flüchtlingscamp im Galatsi-Park. Wir besuchen die großen Sporthallen auf dem ehemaligen Olympia-Gelände und sprechen mit Panos, einem Angestellten des Innenministeriums. Aus seinem Mund klingt alles einfach. Alles laufe nach Plan, es gebe keine Konflikte, denn die meisten blieben nur eine Nacht, um dann in andere europäische Staaten weiterzureisen. Ein etwa achtjähriger Junge spricht uns auf Englisch an. Woher wir kämen, was wir in Griechenland machten. Wir fragen zurück und er antwortet, er komme aus Afghanistan und wolle nach Deutschland. Ein seltsames Gefühl stellt sich bei uns ein. Fliegen wir doch direkt nach Deutschland zurück, und sein Weg ist noch ungewiss. Doch sein Lächeln wischt unsere Scham hinweg und am Ende verbindet das Volleyballspielen doch mehr als alles andere. Loukas führt uns auch in das antike Athen, auf die Akropolis. Sie steht für die demokratische Tradition des Landes, aber auch für den sich wandelnden Glauben der Menschen, für Kriege und wechselnde Herrschaften. Viele junge Athener wünschten sich jedoch, dass an die Stelle der Akropolis ein zukunftsgewandtes Symbol treten würde, sagt Loukas.
Etwas, das den gegenwärtigen Geist der Stadt besser repräsentieren kann.
Bürgermeisterin, bezahlt wird es vom Preisgeld der New Yorker Bloomberg Philanthropies.
Einen Vertreter dieses Zeitgeistes treffen wir auf dem Kalliga-Platz. Babis kämpft seit fünf Jahren darum, dass ein Spielplatz, der wegen seines Alters abgebaut werden musste, wieder aufgebaut wird, und er kämpft gegen die Mentalität des „I don’t care“. In seinem Kiez würden Menschen aus verschiedenen Nationen leben, viele von ihnen ohne Arbeit. Ein Spielplatz könnte die Bewohner ins Gespräch bringen, die Gespräche könnten Ängste abbauen, die Gemeinschaft könnte sich gegen Kriminalität wenden, so hofft Babis. Doch erreicht hat er nicht viel, sagt er resigniert, außer, dass er nun weiß, wie das bürokratische System funktioniert. Unermüdlich fordert er, dass die Stadtverwaltung ihrer Verantwortung gerecht wird, ungeachtet von Sparzwängen, Wahlterminen oder Schließzeiten.
Auf der anderen Seite steht Stefania, 27 Jahre alt, aufgewachsen unter anderem in Luxemburg. Sie gründete eine NGO mit Namen Place Identity, die zum Ziel hat, Menschen zur Partizipation zu bewegen. Allerdings bewirbt sie sich nicht um Gelder der Regierung, denn sie will unabhängig bleiben. Ihre Projekte haben selbst im SPIEGEL Resonanz gefunden. Wir fragen sie, ob sie so engagiert wäre, wenn es die Finanzkrise nicht gegeben hätte und sie antwortet: No. Dann gäbe es weder Zeit noch die Notwendigkeit, die eigene Lebensumwelt grundlegend umzugestalten. Im Juni musste sie sich und ihre Mitarbeiter entlassen, weil kein Geld mehr vorhanden war. Stefania berichtet, dass viele junge, gut ausgebildete Menschen in zivilgesellschaftlichen Projekten arbeiten, allerdings ohne Bezahlung. Nur durch die Unterstützung der Eltern sei dies möglich.
Als Scharnierstelle zwischen Bürgern und Administration fungiert die Plattform SynAthina. Wir treffen Maria und Stelios und beginnen zu verstehen, dass Frustration auf beiden Seiten entsteht, wenn zu wenige Informationen über bürokratische Prozesse verfügbar sind. SynAthina vermittelt Anfragen von aktiven Bürgern an die zuständige Stelle in der Verwaltung und macht auf Gesetzeslücken aufmerksam. Zugleich dient sie als Informationsplattform für Bürgerinitiativen. Ein Leuchtturmprojekt der Athener Vize-
Was uns bei dieser Reise fasziniert, ist die Freundlichkeit der Menschen, die unkomplizierte Kommunikation auf Englisch in jeder Situation, ob beim Bäcker oder im Taxi. Wir beginnen zu verstehen, welche Rolle Mentalitäten in der EU spielen, und welche Konflikte drohen, wenn der Anspruch auf Deutungshoheit erhoben wird. Wir sprechen viel über die aktuellen Krisen, und es ist ein unschätzbarer Gewinn, dabei die „andere Seite“ mitreden lassen zu können. MitOst-Magazin
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Impressum MitOst Magazin 28 / Sommer 2016 Herausgeber: MitOst e.V. – Verein für Sprach- und Kulturaustausch in Mittel-,Ost und Südosteuropa Verantwortlich: Eszter Tóth, Vorstandsvorsitzende MitOst e.V. Alt-Moabit 90, D-10559 Berlin Redaktion: Laura Werling, Katharina Neumann Englisches Lektorat: Mary Dellenbaugh Übersetzung: S.8-11 und 16-18 Hartmut Schröder, S.34f. Maciej Głomb/Agata Maziarz Gestaltung: Maxim Neroda Auflage: 1.000 St. Geschäftstelle MitOst e.V. Alt-Moabit 90 D-10559 Berlin Tel.: +49 (0)30 31 51 74 70 Fax: +49 (0)30 31 51 74 71 geschaeftsstelle@mitost.org www.mitost.org Bildnachweise: Cover: Constanze Flamme; S.2f. Katharina Nitz; S.4f. Serg Kuznetsov, Agata Maziarz, Maria Shamaeva, Laura Werling, Cordula Wiesmann; S.6 Aki Green; S.9 Pip Erken; S.12 Stas Azarov; S.13 Alena Alekseeva; S.14f. Constanze Flamme; S.16/18 Guido Bosua; S.19 Sarah Blaßkiewitz; S.21f. Stefano Borghi; S.23 Shooresh Fezoni; S.25 Panos Georgiou; S.27 Gabriela Isac, Vladimir Epurean; S.28 Nina Stawski (CC); S.29 Teona Dalakishvili; S.30f. Katharina Nitz; S.32 L’ImaGiraphe (CC); S.33 Katarzyna Zwolak; S.35 Max Bashyrov (CC); S.36 EcoLab; S.37f. Karsten Michael Drohsel; S.40f. Anne Wiebelitz, Gauthier Saillard; S.45 facebook.com/dumay. rua; S.46f. wechange; S.48f. Nils-Eyk Zimmermann, Bilder aus dem Graphic-Novel-Band „Redrawing Stories from the Past“; S.58f. Maria Shamaeva Das Coverbild entstand im Februar 2016 während des Auftakttreffens von Tandem Europe in Leipzig. Interesse an der Förderung von GrassrootProjekten? Bewirb dich als MitOst-Mitglied mit deiner eigenen Projektidee. Keine Zeit? Dann hilf mit deiner Spende Projekte zu fördern.