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Fr端hjahr 2010
7. Internationales MitOst-Festival Zu Gast in Danzig
Projekte & Initiativen Das Vereinsjahr 2009
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7. Internationales MitOst-Festival
Liebe Leserinnen und Leser, die Wende ´89 und ihre für Mittel-, Ost- und Südosteuropa so bedeutsamen Folgen standen auch bei uns im Zentrum des vergangenen Vereinsjahres. Unter dem Motto »Europa im Dialog” lud ein Journalistenwettbewerb zum Einsenden von Beiträgen zum 20. Jahrestag der friedlichen Revolution ein. Mit einer Reihe von Workshops trug das Theodor-Heuss-Kolleg zu der von der Stadt Leipzig ausgerichteten Demokratie-Konferenz bei. Und auf dem 7. Internationalen MitOstFestival in Danzig engagierten sich haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Veranstaltungsreihe zum Thema. Diese und viele andere Aktivitäten dokumentiert das vorliegende Magazin. Wir stellen die Siegerprojekte des gemeinsam mit der Schering Stiftung ausgelobten Wettbewerbs nachbarschaft.moe vor und präsentieren die vielen anderen von MitOstlerinnen und MitOstlern ehrenamtlich durchgeführten Projekte. Auf sehr individuelle Weise trägt jedes von ihnen zum Vereinsziel, der Förderung von Zivilgesellschaft und Kulturaustausch in MOE, bei. An dieser Stelle nicht nur ein herzlicher Dank an die Projektleiter, sondern auch an die Mitglieder, die diese Projekte in Form ihres Jahresbeitrags ermöglichen! Menschen bei MitOst - einige von ihnen kommen im Magazin persönlich zu Wort: So geben uns Vorstand und Projektbeirat, die jedes Jahr auf dem Festival neu gewählt werden, einen Einblick in ihr Engagement. Anregung und Lesevergnügen wünscht Julia Ucsnay
Dank für die Förderung des MitOst-Festivals an:
Dank an den Club Mozaika und das Restaurant Toscana! MitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival
Inhaltsverzeichnis 7. Internationales MitOst-Festival: Zu Gast in Danzig Das Schwanken der Züge in Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zeitenwende 1989/90 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Wende und ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 »Diese Tram fährt nicht weiter« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Berliner Begegnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Festival trifft Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Söhne – eine etwas andere deutsch-polnische Familiengeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Amaro Sumnal – Nasz Swiat – unsere Welt . . . . . . . . . . . . . . . . .
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MitOst als Ganzes sehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Die Stadtschreiberin von Danzig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Danzig à l’intime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Das Problem der Modernität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Am Anfang stand die E-Mail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Festival 2010: Pipeline – under construction . . . . . . . . . . . . . . . .
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Perm ist Anfang, Perm ist Aufbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Projekte & Initiativen - das Vereinsjahr 2009 Neulich bei MitOst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Ein Interkultureller Garten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 nachbarschaft.moe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Mehr Mitgliederprojekte 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Kleinstprojekte bei MitOst: Ohne großes Tam-Tam . . . . . . . . . . . . 42 MitOst wird zum betterplace . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Grüner werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Begeistert von Ideen. Der Projektbeirat 2009/2010 . . . . . . . . . .
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Europa im Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Herkunft - was bedeutet das? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Europäische Begegnungsinsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 MitOst-Editionen. Neuerscheinungen 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Demokratie im 21. Jahrhundert — Bilanz und Perspektiven . . . . . 51 Neue Alumnigruppe bei MitOst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Ein Dach für Alle? MitOst als Alumniverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 II. BoschAlumniForum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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MitOst-Sprache Deutsch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
FOTO: KRISTINA JUROTSCHKIN
Dieses Magazin wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt trägt allein der Verfasser; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben. MitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival Zu Gast in Danzig
FOTO: OLGA NAZAROVA
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Das Schwanken der Züge in Russland
oder Wie ich einmal nach Gdynia wollte und in Helsinki landete Geschichten von abenteuerlichen Anreisen zum Festival erzählt man sich jedes Jahr. Diese hier ist dennoch besonders. Von einem Alumnitreffen auf hoher See berichtet Heike Fahrun. Liegen ist besser als Sitzen, und normales Laufen geht gar nicht. Man
Durch das Panoramafenster am Bug sieht man die Wellen gegen
läuft den eigenen Beinen hinterher oder vorweg und versucht, die
das Schiff branden. 20 Meter über dem Meeresspiegel, und wenn
Balance zu halten. Besonders wenn man einen Teller trägt. Wobei
das nächste Wellental kommt, gischtet es gegen das Fenster wie in
Essen auch keine wirklich gute Idee ist, zumindest nicht in den ersten
der Autowaschanlage. An Deck zu gehen ist ausschließlich am Heck
Stunden.
zu empfehlen, das Wort «frisch” beschreibt die Luft draußen nur unzureichend.
Vom neunten Deck, wo die Kabinen liegen, ins zwei Stock höher liegende Restaurant zu kommen, ist eine Kletterpartie. Wer sich nicht
Am Abend spielt Finnland gegen Deutschland, WM-Qualifikation. Im
am Geländer festhält, läuft Gefahr zu fallen. Fahrstuhlfahren wäre
Fernsehen steht es am Ende 1:0 für die deutsche Mannschaft, auf
wohl der ultimative Kick...
der Ostsee aber hat ganz klar Finnland gewonnen.
Irgendjemand hat vergessen, das Geschirr ausreichend zu sichern.
Manche perfektionieren ihre Meisterschaft im Autorennen – Com-
Haufen von weißen Scherben auf dem Boden, und immer noch ge-
puterspiele kostenlos. Andere spielen Karten. Trotz Wellengangs
hen Dinge zu Bruch. In der kleinen Bar am Heck ist sogar die Kaffee-
trifft man sich für einen halben Alumni-Tag und andere (Vereins)
maschine aus der Verankerung gerissen. Überall sind die Blumenkü-
Aktivitäten. Die Idee, in Helsinki einen Finnen für MitOst zu gewin-
bel umgekippt, die Pflanzen gottseidank alle aus Plastik.
nen und als jüngstes Mitglied gleich nach Danzig mitzunehmen, wird verworfen. Ersatzweise turnen wir auf den Stufen vor der Kathedrale:
Zwölf Stunden vorher stehen dreißig Lektoren in Travemünde am
MitOst in Helsinki, und man kann es sogar lesen. Ein paar Stunden
Skandinavienkai und schiffen sich ein – mit der Fähre zum Festival
Zeit für die Stadt – vielleicht sind die ungeplanten Ziele gar nicht die
nach Danzig, großartige Idee! Kennen lernen und Vernetzen bei Buf-
schlechtesten. Ich glaube, ich will wiederkommen. Im Sommer, wenn
fet und Bierchen auf der Ostsee. Eine Nacht schlafen, dann Alum-
es nicht so früh dunkel wird.
nitag... Da kommt ein Reederei-Angestellter: Sturmwarnung für die Ostsee, es gibt keine Garantie, dass wir am nächsten Morgen tatsäch-
Auf dem Meer Sonneninseln. Strahlen aus den Wolken wie auf kitschi-
lich in Gdynia anlegen können. Entweder wir treten geschlossen von
gen Heiligenbildern. Nuancen von Preußischblau, Stahlgrau, Schaum-
der Reise zurück, oder... Risiko! Na klar, keine Frage, was soll schon
weiß. Am Abend eine dichte Wolkendecke und nur am Horizont ein
passieren! Wir sind doch alle risikokompetent, immerhin waren wir
schmaler Streifen Sonnenuntergang, flammendrot.
Lektoren! Wir kennen das Schwanken der Züge in Russland, was soll uns da die Ostsee...
Danke an Finnlines.
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Dienstag 13-14 Uhr: Check-In ca. 15 Uhr: Sturmwarnung 17 Uhr: Das Schiff legt ab 23-24 Uhr: Der Sturm beginnt
Mittwoch 6 Uhr: Der Kapitän gibt auf: nächster Stopp Helsinki 7 Uhr: Geplante Ankunft in Gdynia. Es stürmt bis zum Abend 20 Uhr: Anpfiff Länderspiel Deutschland – Finnland
Donnerstag 11 Uhr: Das Schiff legt in Helsinki an Bis 18 Uhr: Stadtbesichtigung inkl. »MitOst in Helsinki«-Aktion
FOTO LINKS: OLGA NAZAROVA | FOTOS RECHTS: CORDULA WIESMANN
20 Uhr: Das Schiff legt ab. Kein Sturm mehr
Freitag Den ganzen Tag kein Sturm 15 Uhr: Das Schiff legt in Gdynia an: Festival, wir kommen!
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Zeitenwende 1989/90 Eindrücke aus Polen – Deutschland – Mitteleuropa
An dieser Jahreszahl (noch dazu in dieser Stadt!) kamen wir nicht vorbei: Schwerpunkt des diesjährigen Festivalprogramms war das Thema »Wende 89/90«. Die Ausstellung »Ganz normale Helden« präsentierte Eindrücke aus dem Leben und der politischen Tätigkeit von Oppositionellen. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion diskutierten die MitOstler über das Thema »20 Jahre freie Medien in Polen und Deutschland«. Der Film »Videogramme einer Revolution« von Harun Farocki zeigte inoffizielle Film- und Videoaufnahmen aus dem Rumänien des Jahres 89 und verglich diese mit den offiziellen Bildern des Fernsehens. Weitere Eindrücke auf den nächsten Seiten. Die Reihe »Zeitenwende 1989/90. Eindrücke aus Polen – Deutschland – Mitteleuropa« wurde von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit gefördert.
Die Wende und ich Wie erinnern wir uns an die Zeit der Wende? In einem Workshop tauschten MitOstlerinnen und MitOstler Erfahrungen aus. Aufgezeichnet von Agnieszka Kudelka und Hanna Gross.
Lilla Mohai, Ungarn 1989 war ich acht Jahre alt. Ich glaube, wir haben die Wende nicht so stark gespürt, weil die Einwohner meiner Heimatstadt sie gar nicht wahrnehmen wollten. Meine Stadt wurde in den fünfziger Jahren gebaut, da gab es die große Idee vom Sozialismus. Man hat sich ein gewisses Bild einer Stadt vorgestellt und dieses in meiner Stadt, der Stalin-Stadt, verwirklicht. Die Leute waren sehr engagiert, sie haben aus dem Nichts etwas gebaut und ich glaube, sie blieben einfach an dieser Idee des perfekten Kommunismus hängen. In dieser Stadt habe ich gewohnt, bis ich achtzehn war. Später haben wir einfach die Symbole des Sozialismus weggeräumt, zum Beispiel stellten wir das Lenin-Denkmal aus dem Zentrum ins Museum. Meine Stadt ist ein Museum des Sozialismus.
Karl-Ernst Friederich, Deutschland (West ) Drei historische Ereignisse haben sich tief in mein Gedächtnis eingegraben, als wären sie erst gestern geschehen: der Mauerbau 1961, die Maueröffnung 1989 und der Terroranschlag 2001. Am 13. August sah ich, dass West- und Ostberlin durch eine Mauer getrennt werden, errichtet von Arbeitern, die durch bewaffnete Kräfte bewacht wurden. Ich war tief betroffen. Zwar war der Besuchsverkehr zu meinen Thüringer VerMitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival
wandten schon zuvor alles andere als einfach: stundenlanges Stehen
unreflektiert dasitzen und es schön reden und sagen: »Ja, war ja
in den überfüllten »Interzonenzügen« und zeitraubende, penible Kont-
alles gar nicht so schlimm.«
rollen durch Grenzbeamte. Aber jetzt wurde die Teilung Deutschlands perfektioniert. In den folgenden Jahren gewöhnte ich mich daran, dass
Ivanna Pekar, Ukraine
es zwei deutsche Staaten gab. Dann der Herbst 1989; das Fernsehen
Zu der Zeit ging ich gerade in die erste Klasse. Das heißt, die Un-
berichtete täglich über Ereignisse, die ich kaum für möglich gehalten
abhängigkeit wurde im Sommer ausgerufen, und am 1. September
hätte. Der Kladderadatsch war da. Am Abend des 9. November gab es
sollte ich in die Schule kommen. Meine Oma hat damals in einer
eine Pressekonferenz, auf der das Politbüromitglied Günter Schabowski
Nähfabrik gearbeitet. Mit Hilfe verschiedener Bekannter besorgte sie
weitgehende Reiseerleichterungen verkündigte; man müsse aber wei-
10 oder 15 Uniformen für mich, Pionieranzüge, für die Zukunft, weil
terhin Genehmigungen beantragen. Auf die Frage eines Journalisten,
es da immer Defizite gab, und die Enkelkinder sollten ja gut versorgt
ab wann diese Erleichterungen gelten, stammelte Schabowski: »Nach
sein. Dann kam es zum Zerfall der Sowjetunion und man sagte in der
meiner Kenntnis sofort, unverzüglich.« Durch das Fernsehen wurde ich
Schule, dass die Kinder keine Uniform mehr tragen müssten. Meine
Augen- und Ohrenzeuge dieses folgenschweren Satzes, ebenso wie
Oma wusste dann nicht, was sie mit den Uniformen machen sollte.
des nachfolgenden Andrangs zum Grenzübergang Bornholmer Stra-
So habe ich drei Jahre lang unterschiedliche Kleider aus diesem Stoff
ße, der schließlich geöffnet wurde, so dass jeder unkontrolliert in den
getragen, da sie alles umgenäht hat.
Westen gelangen konnte. Mir kamen die Tränen, und ich schäme mich ihrer nicht. Für mich ist diese Nacht mit mehr Gefühlen besetzt als
Verena Huber, Schweiz
die Maueröffnung selbst. Den Menschen in Polen, in der DDR und in
»Für mich als Schweizerin war die Wende weit weg. Im Juni 1989
anderen Ländern, die sich so mutig für ihre und unsere Freiheit einge-
war ich erstmals in der DDR, für einen Vortrag über Wohnen im Rah-
setzt haben, schulden wir auch heute noch unseren Dank; schließlich
men des Bauhaus-Symposiums in Weimar. Als offizieller Staatsgast
bestand durchaus die Gefahr einer »chinesischen Lösung«.
brauchte ich kaum Geld. Doch ich wollte ein Buch kaufen. Ich lieh
Anonym, Deutschland (Ost)
mir Geld von einem Professor der TU Dresden. Er meinte, ich müsse
Als die Wendezeit begann, merkte ich schon, dass in der Familie ein
es nicht zurückzahlen, das sei sowieso nichts wert. Aber als es dann
sehr großes Gefühl der Befreiung da war. Und ich erinnere mich, dass
im Herbst losging, dachte ich, er hat es geahnt.
wir abends regelmäßig die halb-acht-Uhr-Nachrichten, das bestinformierte Fernsehen in Oppositionskreisen in der DDR, geschaut haben.
Ansonsten hatte ich gute Kontakte zu Textilkünstlerinnen in der Slo-
Und das war dann eigentlich das, was mich politisiert hat. Für mich
wakei, für die ich in der Schweiz Ausstellungen organisierte und die
kam die Wende eigentlich genau richtig. Ich hatte noch genug Schul-
ich oft in Bratislava besuchte und heute noch besuche. So auch im
zeit vor mir, um im neuen System meine Interessen auszubilden und
Frühling 1989. Vorher hatte ich von Wien aus einen Ausflug in die
dann auch das zu studieren, was ich wollte. Aber diejenigen, die zur
March gemacht. Von Bratislava aus gingen wir nach Devin auf die
Wendezeit so 16, 17, 18 waren, die waren schon so stark durch das
Hügel, von denen man die Aussicht auf die March genießt. Damals
DDR-System geprägt, dass sie Schwierigkeiten hatten, danach wirklich
noch zwischen Grenzsoldaten mit Maschinengewehren. Ich ließ die
einen eigenständigen Weg zu finden. Es gab auch so einen Hype,
Bermerkung fallen, ich würde das nächste Mal erst wieder hierher
überall wurde demonstriert, man war überall dagegen.
kommen, wenn keine Soldaten mehr dort stünden, bereit für einen Angriff der Österreicher über die March. Meine Freundin meinte dann,
Es gab eine öffentliche Stimmung: Alles, was bisher war, ist doof,
ich dürfe das nicht sagen, sonst würde ich wohl nie mehr kommen
und jetzt machen wir alles neu. Aber es ist so, dass es halt schon
können. Zum Glück stellte sich heraus, dass sie sich getäuscht hat.
ein gutes Leben im Falschen geben kann. Also auch, wenn das Sys-
1990 feierten wir mit meinen Wiener Freunden die Wende mit einer
tem diktatorisch ist, kann ein einzelner Mensch, ohne sich mit dem
Flasche Champagner auf Devin.
System gemein zu machen, ein schönes Leben haben. Man kann eben nicht alles nur auf Diktatur reduzieren. Wobei ich immer noch sehr radikal werde, wenn Leute auch 20 Jahre danach immer noch MitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival
»Diese Tram fährt nicht weiter« Am 15. August 1980 brachte die Tramfahrerin Henryka Krzywonos ihre Bahn mit der Nummer 15 an der zentralen Haltestelle Baltik-Oper zum Stehen und leitete damit den Streik der Verkehrsbetriebe der Dreistadt ein. Gemeinsam mit anderen unterschrieb sie die Danziger Vereinbarungen, die den Ausgangspunkt für die Anerkennung der Gewerkschaft »Solidarność” bildeten. Ihre politischen Aktivitäten wurden von arte im 3. Teil der Reihe »Als der Ostblock Geschichte wurde« unter dem Titel »Henrykas Solidarität« verfilmt. Ein Kamingespräch mit ihr auf dem MitOst-Festival musste wegen Krankheit leider ausfallen. Dank der Zeitschrift Krytyka polityczna können wir an dieser Stelle jedoch eine Kurzversion des Interviews abdrucken, das Sławomirem Sierakowski am 22. Juni 2009 mit Henryka Krzywonos geführt hat.
streikte. Dann sollte ich zur Werft fahren. Und es stellte sich heraus, dass Wałęsa das Streikende angekündigen wollte.
Gab es viele Frauen unter den Tramführern? Nein, aber es gab einige. Ich wurde Tramführerin, als ich 18 Jahre
Was haben Sie dann gemacht?
alt war.
Ich bin auf einen Wagen gesprungen, habe geschrieben, wer ich bin und woher ich komme. Die Mitarbeiter versammelten sich um mich
Waren Sie und Ihre Familie antikommunistisch?
herum. Dann kam auch Wałęsa zu mir. Ich rief: »Verrat! Wenn ihr uns
Ja, total! Wenn mein Vater etwas getrunken hatte, öffnete er nachts
verlasst, sind wir verloren!«
das Fenster und schimpfte über die Kommunisten. Ich hab’s mir als Kind sehr gut gemerkt.
Wie haben die anderen reagiert? Wałęsa überlegte kurz, beendete aber den Streik nicht. Wir wählten
Sie waren also immun gegen die Partei und die Gewerkschaft?
noch zwei Männer als Berichterstatter über die Ereignisse auf der
Damals wurden die Leute nicht unbedingt aus eigenem Willen Mit-
Werft. Und ich erfuhr, dass wir durch die Miliz und das »SB« [Sicher-
glieder der Gewerkschaft.
heitsdienst] beobachtet wurden.
Aber Sie haben sich für die Arbeitnehmer eingesetzt?
Wie haben Sie Lech Wałęsa während des Streiks in Erinnerung?
Zu Beginn meiner Arbeitszeit gingen die Tramtüren oft kaputt und
Er war schnell beleidigt, wenn er etwas nicht akzeptieren konnte und
standen auch während der Fahrt offen. Wir wollten deswegen strei-
ging dann raus. Aber alle konnten sich äußern und ihm auch wider-
ken, aber meine Kollegen riskierten es nicht, wegen ihrer Familien.
sprechen. Er war charismatisch, das hat die Massen angesprochen.
Bis zum Jahr 1980. Was haben Sie später gemacht, viele Monate nach dem Streik? Hatte die Tätigkeit der Freien Gewerkschaft einen Einfluss darauf?
Ich habe mich weiter für »Solidarność” engagiert, habe geholfen, Op-
Ich habe immer die Werftmitarbeiter gefahren. Von der Brücke bei der
positionsmaterialien zu kopieren und zu drucken. Einmal fand der
Werft flogen bei jedem Schichtwechsel Flugblätter herunter. Irgend-
»SB« bei mir eine Teigrolle zum Kopieren von Texten und schlug mich
wann wurden plötzlich viele aktiv.
in meiner Wohnung so zusammen, dass ich mein Kind verlor. Sie verhafteten mich für 48 Stunden, verhörten mich, entließen mich und
Erzählen Sie uns bitte von dem Tag, an dem Sie Ihre Tram ge-
verhafteten mich wieder. Ich musste eine Verweisung und ein Ar-
stoppt haben!
beitsverbot in der Volksrepublik Polen unterschreiben. Politisch habe
Ich war sehr aufgeregt und hatte große Angst, auch vor der Reakti-
ich mich später mit den Solidarność-Mitarbeitern nur eingeschränkt
on der Passagiere. Ich hatte nicht geplant, die Tram anzuhalten. Ich
eingelassen. Ihre kämpferische, unversöhnliche Art gefiel mir nicht.
wollte etwas unternehmen, als ich erfuhr, dass der Streik in der Werft
Mit Wałęsa traf ich mich auch nur selten.
angefangen hatte. Mir war klar, dass ich mit einem Halt bei der Oper den gesamten Verkehr in Gdańsk lahm legen würde. Die Tram war
Missbilligen Sie etwas im Verhalten von Wałęsa?
brechend voll, die Leute fuhren zur Arbeit. Ich habe trotzdem gestoppt
Ja, vielleicht, dass er seine Mitstreiter vergessen hat, und dass er die
und verkündet: »Wir halten an, weil auf der Werft auch niemand mehr
Werft nicht aus der Pleite gezogen hat. Und dass er zum 25. Jahres-
arbeitet. Wir müssen den Streik unterstützen.« Ich hatte große Angst
tag der Augustvereinbarungen die einfachen Werftmitarbeiter nicht zu
vor der Reaktion der Fahrgäste - aber sie haben geklatscht. Es war
den Feierlichkeiten eingeladen hat. Ich bin enttäuscht. Aber Wałęsa
unglaublich! Ich habe in der Tram geweint. Meine Kollegen kamen
war mutig, er hat sich nicht einschüchtern lassen und dafür sollten
zu mir und wir besprachen den weiteren Streikverlauf. Wir verfassten
wir ihn schätzen.
unsere Forderungen und ein Kollege brachte sie zur Werft. Lange Zeit kehrte er nicht zurück. Wir hatten Angst, dass die Werft nicht mehr
Übersetzung: Agnieszka Kudelka
Das vollständige Interview ist in polnischer Sprache nachzulesen unter: http://www.krytykapolityczna.pl/Nr-16-17-jesli-nie-monogamia-to-co/Tramwajem-do-domu-dziecka/menu-id-27.html MitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival
Berliner Begegnung und was daraus entstand
FOTO: STEPHANIE ENDTER
Vier Tage lang lud ein nachgebildetes Stück der Berliner Mauer in der Danziger Fußgängerzone MitOstler und Passanten ein, es mittels Stiften und Farben zu gestalten. Im Anschluss an das Festival ließ der Besitzer Hans Martin Fleischer das Mauerstück mit Hilfe einiger MitOst-Mitglieder in der Danziger Werft schwimmen. Diese Kunstaktion war der Endpunkt einer langen Reise quer durch Europa, von der Hans Martin Fleischer im Folgenden berichtet.
Berlin ist eine sehr lebens- und liebenswerte Stadt. Das liegt nicht
Damit waren die Eckdaten einer rund 4.500 km langen und mit Un-
zuletzt auch an den Besuchern, die in den letzen 300 Jahren für
terbrechungen fast vier Monate währenden Ausstellungsreise gesetzt.
internationales Flair sorgten. Für die Begegnungen, die sich aus die-
Die Route führte von Sopron aus ins Dreiländereck Slowakei/Polen
ser bunten Durchmischung von Menschen ergeben, könnte man
/Ukraine, um von hier aus entlang der Flüsse San, Bug und Narew
eine eigene Kategorie einführen, die der »Berliner Begegnung«. Eine
dem Grenzverlauf des Hitler-Stalin-Paktes zu folgen. Die Routenfüh-
Berliner Begegnung ist multinational, spontan und kreativ. Die er-
rung ergibt sich aus dem auf den Originalmauerteilen von einem
örterten Ideen werden nicht immer, aber auch nicht selten in die
Esten aufgesprühten Graffiti mit ineinander verschränktem Hammer
Realität umgesetzt.
und Sichel sowie Hakenkreuz als Protest gegen den Hitler-Stalin Pakt von 1939 und der Forderung »FREE THE BALTIC STATES«.
So auch bei der Berliner Begegnung zwischen einer jungen Ungarin, Stipendiatin der Robert Bosch Stiftung und bei einer Berliner Senats-
Die von den zwei Diktatoren willkürlich festgelegte europäische Tren-
verwaltung hospitierend und dem Verfasser dieser Zeilen. Letzterer
nungslinie beginnt im Süden an der Quelle des Flusses San. In im-
befasst sich seit rund 20 Jahren mit der Idee, mit den in seinem
perialer Nachlässigkeit zog man die Linie einige hundert Meter wei-
Besitz befindlichen ersten Stücken der Maueröffnung ein Denkmal für
ter nach Süden bis in den Garten eines freundlichen ukrainischen
diesen europäischen Umbruchsmoment zu errichten.
Bauern hinein, der von dieser welthistorischen Relevanz bisher noch nichts geahnt hatte.
Für einen Fernsehbeitrag von arte war das erste Segment im Maßstab 1:1 aus Holz und Styropor nachgebaut worden und wartete nun
Eine Vielzahl improvisierter Ausstellungen in Polen, Litauen, Lettland
anlässlich des 20. Jahrestages des Mauerfalls auf weitere Einsätze.
und Estland schloss sich an. In der estnischen Hauptstadt Tallinn
Aus der zufälligen Begegnung an einer Verkehrsampel in Kreuzberg
diente das Stück als Kulisse einer Rede des Staatspräsidenten Too-
ergab sich eine Einladung der Robert Bosch Stiftung zu einem Sym-
mas Hendrik Ilves.
posium nach Sopron in Ungarn, wo am 19. August mit der Öffnung der Grenzanlagen beim Paneuropäischen Picknick ein wichtiger Bei-
Die letzte Etappe vor der Rückkehr nach Berlin war ein Aufenthalt
trag zur Überwindung der europäischen Teilung geleistet wurde. Eine
beim MitOst-Festival in Danzig unter dem Motto »20 Jahre Wende«.
Einladung zum MitOst-Festival in Danzig folgte, sowie in das Okkupa-
Das mittlerweile von Menschen aus ganz Europa künstlerisch mitge-
tionsmuseum in Riga anlässlich des 20. Jahrestages der »Baltischen
staltete Mauerteil bewies mit der tatkräftigen Unterstützung mehrerer
Kette«. Letztere ein ebenfalls wichtiges und viel zu wenig beachtetes
Festivalteilnehmer seine Schwimmfähigkeit vor der Danziger Werft –
Ereignis im Umbruchsjahr 1989.
eine Verbeugung vor der polnischen Gewerkschaft Solidarność, deren Wirken Europa die ersten Risse in der Mauer verdankt.
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7. Internationales MitOst-Festival
Festival trifft Schule Im MitOst-Referat »Schülerinnen und Schüler in Europa« organisierte die Arbeitsgemeinschaft Schule eine Fortbildung für Multiplikatoren und einen Schulprojekttag.
Europa findet Stadt!
Was ist das Besondere an europäischen Städten? Wie können wir das Ziel eines umwelt-
Schulprojekttag am Liceum II
projekttags zum Thema »Europa findet Stadt!«.
Von Katharina Lampe
freundlichen, sozialen und demokratischen Zusammenlebens in einer Stadt wie Danzig umsetzen? Diese Fragen diskutierten 20 Schülerinnen und Schüler im Rahmen des MitOst-Schul-
Die Idee unseres Vereins wollten wir den Schülerinnen und Schülern der 11. Klasse des Liceums II in Danzig kreativ näher bringen und mit ihnen der Frage nachgehen, wie zivilgesellschaftliches Engagement in ihrer Stadt aussehen könnte. Die Diskussionen und Gedanken der Teilnehmer über Initiativen, die Danzig umweltfreundlicher machen könnten, waren vielfältig. Am Ende des Tages machte jedoch eine Idee das Rennen um das beste Zukunftsprojekt für Danzig: eine Fahrradverleihstation. Sowohl Schülerinnen und Schüler als auch die Seminarleiterin Marta, ausgebildet vom Theodor-Heuss-Kolleg, hätten an diesem Punkt gern weitergearbeitet: Warum erscheint den Jugendlichen gerade eine Fahrradverleihstation als möglicher Schritt in die richtige Richtung? Wer kann was beisteuern und wann fangen wir an? Doch auch das Interesse an Marta und ihrem Engagement beim Theodor-Heuss-Kolleg war groß. Warum sie nach Georgien gezogen sei und ob denn ein Debattierclub auch so etwas wie zivilgesellschaftliches Engagement sei, waren nur zwei der Fragen. Der Schulprojekttag hat die Neugier an MitOst und seinen Programmen geweckt – das Konzept ist somit aufgegangen. Noch am gleichen Abend trafen wir auf der MitOst-Party eine Schülerin vom Vormittag in der zu Balkanbeats tanzenden Menge. Das Rezept für dieses erfolgreiche Projekt? Man nehme zwei aktive MitOstlerinnen, die die Leidenschaft für die Bildungsarbeit verbindet, dazu kommen eine engagierte Lehrerin an einer deutschen Schule in Danzig aus dem MitOst-Netzwerk samt ihren kreativen Schülerinnen und Schülern sowie die tolle Unterstützung aus dem Schulreferat der MitOst-Geschäftsstelle. Ein Tag, der viele Ideen hervorbrachte, wie gesellschaftliches Engagement in Europa aussehen kann, und einige Menschen für MitOst begeisterte.
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7. Internationales MitOst-Festival
Was hat eine Streichholzschachtel mit der Revolution 1989 in Rumänien zu tun? Die Teilnehmer sehen gespannt auf das lange Streichholz und finden keine Antwort. Dann löst Agnes Simon, die rumänische Seminarleiterin, das Geheimnis. Das Streichholz symbolisiert die mögliche Zündung einer Flamme – sinnbildlich für die so genannte rumänische Revolution 1989 – die aber nicht aufloderte, weil die dazu notwendige Reibungsfläche der Streichholzschachtel fehlte. Zum Auftakt der Fortbildung präsentieren die Workshopteilnehmer aus Polen, Russland, der Ukraine, Albanien, der Slowakei und Deutschland persönliche Erinnerungsgegenstände aus der Zeit des Kommunismus und lassen die anderen raten, was sie damit verbinden.
1989 – Ein kollektives Gedächtnis? Fortbildung für Multiplikatoren Von Annett Polk
In der Fortbildung »1989 – Ein kollektives Gedächtnis?« für Lehrerinnen und Lehrer geht es um die kollektiven und subjektiven Erinnerungen an die Umbrüche des Jahres 1989 und um die Vermittlung der Methode des narrativen Interviews. Im Gespräch zeigt sich, dass allein für die Beschreibung des Ereignisses verschiedene Bezeichnungen exisitieren. In der Slowakei wird die Wende als die »Samtene Revolution« bezeichnet, in Deutschland als die »Friedliche Revolution«, in Rumänien als die »So genannte Revolution«, in Polen einfach als die »Wende« und in Albanien spricht man stets von der Zeit »vor Hoxha» und der Zeit »nach Hoxha«. Die Wende 1989 wurde sehr unterschiedlich wahrgenommen. Eine Schulleiterin aus dem Ruhrgebiet empfand die tobenden Arbeiterkämpfe um die Erhaltung der Stahlwerke in Duisburg Ende der achtziger Jahre als einschneidender für ihr persönliches Leben als den Fall der Mauer. Dagegen betont eine Geschichtslehrerin aus Rostock, wie viele Jahre sie brauchte, um die Umbrüche in der DDR persönlich zu verarbeiten. Eine Polin beschreibt den Generalstreik an der Universität in Posen, an dem sie als Studentin teilgenommen hat, als ihr persönliches Wendeerlebnis. Eine der jüngsten Teilnehmerinnen des Seminars aus der Ukraine erzählt, wie sie im Jahre 1992 als Sechsjährige zusammen mit ihrer Familie aus Aserbaidschan in die Ukraine floh. Im zweiten Teil des Seminars wird die Methode des narrativen Interviews vermittelt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterschiedlicher Generationen interviewen sich gegenseitig. Sie erzählen über Ereignisse des Umbruchs, die in ihrem eigenen Leben brisant waren. Anschließend üben sie das Formulieren von Fragen, um ein Interviewgespräch mit unterschiedlichen Fragetypen steuern zu können. Nicht nur der multiperspektivische Blick auf die Vorgänge des Jahres 1989 war Ziel des Seminars, sondern auch, die Teilnehmer anzuregen, selbst Projekte mit Schülern durchzuführen. Dies ist gelungen. Der Austausch war sehr lebhaft und einige Teilnehmer diskutierten am Ende sogar über gemeinsame binationale Schülerprojekte.
MitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival
Söhne – eine etwas andere deutschpolnische Familiengeschichte Das Grenzgänger-Programm der Robert Bosch Stiftung unterstützt Autoren bei Recherchen für Veröffentlichungen, die die Länder Mittel-, Ost- und Südosteuropas oder China als Thema grenzüberschreitend und für ein breites Publikum aufbereiten. Eines der geförderten Werke ist der auf dem Festival gezeigte Dokumentarfilm »Söhne« (2007) von Volker Koepp, der die Lebensgeschichte von Joachim (Jerzy) Paetzold und seinen Brüdern aufzeichnet. Noch lange nach der Vorführung des Films diskutierten die beeindruckten MitOstler mit Paetzold, der persönlich in Danzig anwesend war. Für das MitOst-Magazin erzählt Joachim Paetzold noch einmal die unglaubliche Geschichte der »Söhne«.
Unsere Geschichte nahm 60 Kilometer nordwestlich von Danzig
bei Verwandten westlich der Elbe und versuchte, zurück nach Celbau
ihren Anfang, in der Nähe der Stadt Putzig/Puck, im so genannten
zu kommen. Die Front bewegte sich aber schneller als vermutet. Die
Korridor. Das Gut Celbau/Celbowo lag in einer Gegend, in der Polen
Rote Armee stieß auf Kolberg, Danzig und Putzig wurden in einem
und Deutsche seit Jahrhunderten zumeist friedlich miteinander leb-
Kessel eingeschlossen, so dass für Mutter der Weg zurück von West-
ten. Die Familie erwarb das Gut 1823, als Celbau noch zu Preußen
deutschland nach Putzig abgeschnitten war. Als sie versuchte, mit
gehörte. Mit dem Ende des 1. Weltkriegs wurde Celbau polnisch,
dem Schiff von Swinemünde nach Danzig durchzukommen, wur-
so dass die Großeltern und die Mutter polnische Staatsbürger mit
de der Hafen vor ihren Augen zerbombt. Im März 1945 kamen die
deutscher Nationalität wurden. Viele Polen wurden damals aus dem
Russen nach Putzig. Die Großeltern wurden vom Gut verjagt und
Korridor vertrieben. Mit Ausbruch des 2. Weltkriegs wurde der Korridor
obdachlos, Großmutter starb in einem Altersheim und Großvater im
wieder ins Deutsche Reich eingegliedert.
russischen Lager Fünfeichen in Neubrandenburg. Putzig und Celbau wurden nun wieder polnisch. Viele Deutsche waren gezwungen, das
In den Jahren 1938 bis 1944 hat meine Mutter, Elisabeth Paetzold,
Land zu verlassen.
vier Söhne geboren: Klaus (1938), Wolf (1940), Hans Friedrich (jetzt Staś, 1942), und mich, Rainer Joachim, (jetzt Joachim oder Jerzy,
Auf der Suche nach den Söhnen in Danzig verhaftet
1944). Unser Vater wurde 1943 eingezogen. Ende 1944 kamen die
Mein Bruder und ich kamen in ein Kinderheim in Zoppot/Sopot. Dort
Flüchtlingszüge aus Ostpreußen, so dass Mutter gedrängt wurde, zu
wurden wir unter fiktiven polnischen Namen und Geburtsdaten er-
fliehen. Allerdings war die Flucht im harten Winter mit vier kleinen
fasst. Ich wurde von einem polnischen Ehepaar als leibliches Kind ad-
Kindern viel zu riskant, so dass wir jüngeren Geschwister, Hans Fried-
optiert und mit einer entsprechenden Geburtsurkunde ausgestattet.
rich und ich, vorerst bei den Großeltern blieben.
Mein Bruder Hans Friedrich lebte in der Wohnung der Heimleiterin, die ihn lieb gewann und für ihn sorgte. Da eine legale Einreise für
Zu dieser Zeit wurde der Vater in der Nähe von Mostar von serbischen
eine Deutsche nach Polen damals nicht möglich war, reiste unsere
Partisanen erschossen, galt aber noch jahrelang als vermisst. Nach
Mutter im November 1945 illegal mit der Bahn nach Putzig und fand
der gelungenen Flucht meiner Mutter ließ sie die älteren Geschwister
schließlich meinen Bruder, der ihr durch ein Gerichtsverfahren zuMitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival
rückgegeben wurde. Kurz bevor Mutter mit dem nächsten Transport
leibliches Kind behandelt und sehr gut versorgt und gefördert. 1959,
zurück nach Deutschland fahren konnte, wurde sie auf der Straße in
als ich 15 war, erzählte mir meine polnische Pflegemutter, dass ich
Danzig verhaftet. Als sie nach 8 Monaten aus dem Gefängnis frei
nicht ihr leibliches Kind bin. Sie bewegte mich dazu, Kontakt mit mei-
kam, war die Leiterin des Kinderheimes mit Hans Friedrich Richtung
ner Mutter aufzunehmen.
Warschau verschwunden und hatte die Spuren verwischt. Anfang 1947 fand unsere Mutter ein Kind, das vom Alter her und vom Aus-
Fünf statt vier Söhne
sehen mir, ihrem jüngsten Kind, entsprach.
So erfuhr unsere leibliche Mutter schließlich, dass sie nicht den »echten« Rainer gefunden hatte, und dass sie nun statt vier fünf Söhne
Mich hatte sie zuletzt im Alter von 10 Monaten gesehen. In dieser
hatte. Ich selbst wollte allerdings lieber in Polen bleiben, die deutsche
Zeit lebte mein älterer Bruder mit seiner Pflegemutter in der Nähe
Familie war mir fremd. Erst 1973 beschloss ich, Polen zu verlassen
von Warschau unter den Namen Stanisław (Staś) und ich in Danzig
und in Deutschland zu leben. Für die Ausreise nutzte ich eine Sil-
bei meinen Pflegeeltern unter den Namen Jerzy. Unsere Pflegefami-
vesterreise nach Jugoslawien und Venedig. Seit der Zeit lebe ich in
lien wussten, aus welcher Familie wir kamen und dass wir gesucht
Deutschland im engen Kontakt mit meiner deutschen Familie. Staś
werden. Da Mutter dachte, ihren jüngsten Sohn gefunden zu haben,
kommt häufig zu Besuch. Unsere Mutter hat es genossen, alle ihre
suchte sie nur nach Hans Friedrich (Staś). 1955 erfuhr er als 13Jähri-
Söhne wieder um sich zu haben. 1998 starb sie mit fast 90 Jahren.
ger von der polnischen Polizei, dass er ein Deutscher ist. Seine Pflege-
Offiziell heiße ich jetzt Joachim Paetzold (um nicht mit Rainer ver-
mutter wollte ihn allerdings nicht hergeben und auch er wollte Polen
wechselt zu werden). Von allen Verwandten und Freunden werde ich
nicht verlassen. Ich lebte in dieser Zeit in Danzig und war überzeugt,
aber Jerzy genannt.
dass ich bei meinen leiblichen Eltern lebe. Ich wurde auch wie ein
Recherchen in MOE
Förderung durch das Grenzgänger-Programm
Das prominenteste Werk, das im Grenzgänger-Programm gefördert wurde, ist mit Sicherheit der Roman »Atemschaukel« der Nobelpreisträgerin Herta Müller. Doch auch unbekannte Autoren können sich bewerben. Das Genre reicht von Prosa, Foto(text)bänden, Kinder- und Jugendbuchliteratur über Drehbücher bis zu Hörfunkbeiträgen. Pro Jahr bewerben sich rund 300 Autoren. Das Programm fördert außerdem Veranstaltungen, in denen die Grenzgänger-Werke präsentiert werden. Julia Ucsnay sprach mit Dr. Maja Sibylle Pflüger von der Robert Bosch Stiftung. Nach welchen Kriterien sucht ihr die Grenzgänger-Autoren aus?
Gibt es ein Grenzgänger-Werk, das du besonders gerne magst?
Wichtig ist uns ein frischer Blick auf die gewählte Region. Bestechend
Hm, da gibt es viele. Sehr gern mag ich Oliver Bottinis »Im Auftrag der
ist auch eine innovative Form, etwa ein Animationsfilm. Gerade för-
Väter«, ein Krimi, der in Kroatien spielt. Ein abgewiesener Antragsstel-
dern wir zum Beispiel eine Graphic Novel über den polnischen Arzt
ler, ein Donauschwabe, verübt einen Mordanschlag. Das war für mich
und Pädagogen Janusz Korczak, der zusammen mit den Kindern des
eine lustige Pointe, da ich ja täglich mit abgewiesenen Antragsstellern
von ihm geleiteten Waisenhauses im Konzentrationslager Treblinka
zu tun habe. Bisher zum Glück ohne Folgen! Und Saša Stanišićs »Wie
starb.
der Soldat das Grammofon repariert« hat mich so beeindruckt, dass ich privat die Stationen seines Romans nachgereist bin, von Sarajevo
Bewerber müssen schon eine Publikationszusage eines Verlags
über Višegrad bis ins winzige Dorf seiner Großeltern.
oder einer Rundfunkanstalt vorweisen können – keine einfache Voraussetzung.
Im Rahmen des MitOst-Festivals habt ihr zwei Kulturveranstaltun-
Das ist in der Tat die größte Hürde, vor allem bei Büchern. Aber man
gen gefördert, die Filmvorführung »Söhne« und eine Lesung mit
kann ja auch bei kleinen Verlagen anfangen. Im Hörfunk kommt man
der Autorin Emma Braslavsky. Unter welchen Bedingungen kön-
dagegen besser unter. Uns geht es vor allem darum, dass die Leute
nen MitOst-Mitglieder eine Veranstaltung bei euch beantragen?
sich den Markt schon mal angeschaut haben, Kontakt aufgenom-
Die Organisatoren sollten mit einer Institution zusammenarbeiten,
men haben. Das Produkt sollte nicht lediglich erst im Ideenstadium
etwa einer Bücherei, einer Uni, einer Schule oder einem Literatur-
stecken.
haus. Gerne fördern wir Tourneen oder Veranstaltungsreihen, bei denen beispielsweise drei verschiedene Autoren an einem Ort lesen.
Wie gestaltet sich der Kontakt zu den Grenzgängern?
Und wir freuen uns immer, wenn wir die Werke in die Länder zurück-
Wir unterstützen sie von Beginn an mit unserem Netzwerk. Wenn
tragen können, in denen die Inspiration zu ihnen lag!
jemand etwa für die Recherche den Alltag eines Kindes in Ostpolen kennenlernen will, schauen wir, wen wir vermitteln können. Diese
Mehr zum Grenzgänger Programm:
kleinen alltäglichen Dinge sind für die Autoren oft am schwersten zu
www.bosch-stiftung.de/grenzgaenger
bewerkstelligen. MitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival
DIE BLUMEN MEINER MUTTER. WIR LEBEN IN EINEM MEHRFAMILIENHAUS. DIE MEISTEN LEBEN NOCH IMMER IN DEN BARACKEN, SIE WOLLEN GAR NICHT UMZIEHEN. WIR HABEN ES DOCH GEMACHT.
Amaro Sumnal – Nasz Swiat – unsere Welt Von Agnieszka Kudelka und Petra Sejdi In Wejherowo, etwa 50 Kilometer von Danzig entfernt, wohnen 70
rowo, ihre Sitten und Kultur ist aber selbst in anderen nah gelegenen
Romafamilien. Wir wollten erfahren, wie ihr Leben dort aussieht und
Städten wie Danzig sehr wenig verbreitet. Die Roma in Wejherowo
führten anlässlich des Festivals ein Fotoprojekt mit Kindern und Ju-
sind sehr zersplittert. Nur ein paar Familien wohnen nah beieinander.
gendlichen durch. Wir baten die Schüler, mit einer Einwegkamera ih-
Sie pflegen und achten ihre Traditionen sehr, die sich in vieler Hin-
ren Alltag, die Welt, in der sie sich bewegen, zu dokumentieren und
sicht (z.B. in der Religion - polnische Roma sind hauptsächlich katho-
zu kommentieren. Auf diese Weise wollten wir ihnen die Gelegenheit
lisch -, aber auch, was die Anbindung an die Mehrheitsgesellschaft
geben, sich selbst zu präsentieren und andere über eventuell falsche
betrifft) von denen der Roma anderer Länder unterscheiden. Proble-
Vorstellungen aufzuklären. Der Kontakt zu den Schülern wurde uns
me und Meinungen werden meist nur von den Romareferentinnen,
durch zwei von der polnischen Regierung beauftragte Romareferen-
die in Wejherowo gleichzeitig die Verbindung zu den administrativen
tinnen ermöglicht (deren Aufgabe v.a. darin besteht, die Romakinder
Einrichtungen bilden, der Öffentlichkeit präsentiert.
im Lernprozess zu unterstützen und der polnischen Bevölkerung die Romakultur näher zu bringen).
Insofern war neben Workshop, Ausstellung und Infoveranstaltung auch ein von uns organisiertes Zusammentreffen mit dem Bürger-
Die so entstandene Ausstellung wurde in der MitOst-Festivalzentrale
meister der Stadt Wejherowo bedeutsam, um unser Projekt vorzustel-
in Danzig gezeigt. Eingeladen waren auch die jungen Fotografen, die
len und die Roma in ihrer Arbeit zu stärken.
aber leider nicht teilnahmen. Ein Schulfeiertag sowie eine gewisse Scheu vor der Veranstaltung mögen hier im Weg gestanden haben.
Das Projekt wurde von der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und
Im Rahmen der Ausstellung fand auch ein Workshop unter Leitung
Zukunft« gefördert.
des Roma Gjulner Sejdi statt, bei der die Teilnehmer mehr über das Projekt, die polnischen Roma und Roma anderer Länder erfuhren. Bisher wurde den Roma in Wejherowo zwar Aufmerksamkeit von Seiten der Regierung geschenkt - einmal im Jahr gibt es so genannte »Romakulturtage« in Wejherowo. Das Wissen über Roma in WejheMitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival
SO SIEHT UNSERE KLEINE SIEDLUNG NACH DEM REGEN AUS.
SO HEIZEN WIR. SO ETWAS HAT NICHT JEDE FAMILIE.
UNSER HAUS WIRD IMMER SCHÖNER. DIE FENSTER SIND SCHON NEU...
ICH FAHRE GERNE MIT MEINEM POLNISCHEN PAPA ZU DEN PFERDEN AM RANDE VON WEJHEROWO.
WIR KÜMMERN UNS UM SAUBERKEIT. DIE TEPPICHE MÜSSEN OFT SAUBER GEMACHT WERDEN, WEIL MAN IM HAUS VON ROMA NICHT DIE SCHUHE AUSZIEHEN DARF.
DAS IST UNSERE VERKÄUFERIN. SIE IST POLIN, ABER WIR SIND TROTZDEM SEHR MITEINANDER BEFREUNDET.
DIESES TUCH IST SEIT SEHR LANGEM IN UNSERER FAMILIE. MEINE MUTTI TRÄGT ES ZU WICHTIGEN FAMILIENFESTEN, ABER ES IST SEHR SCHWER UND SIE MAG ES NICHT LANGE ANHABEN.
WIR GEHEN OFT MIT DER MUTTER ZUR KIRCHE. WIR BETEN ZUSAMMEN MIT DEN POLEN. DIE KIRCHE IST SCHÖN. DIE GANZE SIEDLUNG HAT DAFÜR GESPENDET.
MitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival
MitOst als Ganzes sehen Mitgliederversammlung im Alten Rathaus von Danzig. Der neue Vorstand wird gewählt, vier Mitglieder bleiben, zwei kommen neu hinzu. Vorstandsarbeit kostet viel Zeit und mitunter auch Nerven. Wo der aktuelle Vorstand MitOst sieht und was es bedeutet, ein solches Ehrenamt auszuüben, erfragte Lisa E. Wagner.
Stephan Bull
Ulrike Würz
Was steht für dich hinter dem Begriff »MitOst«?
Was siehst du als Vorstandsmitglied anders, als du es als Ver-
MitOst ist für mich inzwischen fast ein Eigenbegriff. Er steht für die
einsmitglied gesehen hast?
Überwindung der klassischen Einteilung in West-, Mittelost- und Ost-
Diese Frage kann ich relativ leicht und nüchtern beantworten: Als
europa und damit für die Definition einer Region, die von der West-
Vorstand muss ich zusammenhängende und zum Teil eng mitein-
grenze Deutschlands bis nach Wladiwostok reicht und vom Kaukasus
ander verwobene Strukturen sehen, bedenken, berücksichtigen, die
bis zum Ostbalkan…
mir als Vereinsmitglied nur als Ausschnitt, insbesondere als Alumna,
1. Vorsitz, Vorstandsmitglied im 3. Jahr
2. Vorsitz, Vorstandsmitglied im 2. Jahr
bekannt und bewusst waren. MitOst als Ganzes sehen, in all seinen Welche Erfahrungen verbindest du mittlerweile mit dem Verein
Teilen – das ist etwas, was man als Vorstandsmitglied lernt. Dieser
und der Vereinsarbeit?
Lernprozess ist zuweilen schmerzhaft, da man dadurch auch Grenzen
Vereinsarbeit ist manchmal wie eine Droge, man kann nicht ohne
wahrnimmt, insbesondere die Grenzen menschlicher Kapazitäten
sie, aber auch manchmal nicht mit ihr. An keinem anderen Ort hätte
und finanzielle Grenzen.
ich als Ehrenamtlicher ausprobieren können, an leitender Stelle mit viel Verantwortung Entscheidungen herbeizuführen und dann auch
Welcher Teil deiner Vorstandsarbeit ist dir besonders wichtig?
umsetzen zu dürfen. Schwierig ist es, im Vorstand genau an der
Ganz klar – meine Tätigkeit im Schulbereich, weil ich dort mehr oder
Schnittstelle zwischen Haupt- und Ehrenamt zu arbeiten. Teilwei-
weniger als ganz normales Mitglied aktiv sein kann. Mich hat z.B. un-
se braucht es dabei die Professionalität und Möglichkeiten eines
glaublich beeindruckt, dass wir es innerhalb einer Woche geschafft
Hauptamtlichen, um der Aufgabe gerecht zu werden. Gleichzeitig
haben, eine Grundtvig-Lernpartnerschaft zu konzipieren und bis zum
arbeitet man aber unter den zeitlichen Bedingungen eines ehren-
Antrag zu bringen.
amtlich Aktiven: immer in der Freizeit, häufig genug neben einem Job mit Zehn-Stunden-Tagen. Diesen Spagat hinzubekommen, ist
An welcher Stelle kann MitOst noch zulegen?
nicht einfach. Und trotzdem: dann erlebt man wieder MitOst als
Ich glaube, dass die regionale Bindung in allen MitOst-Ländern zu-
einen Ort, an dem das Unmögliche möglich gemacht wird. Dinge
nehmend wichtiger wird. Unsere Mitglieder vor Ort zusammenzubrin-
ausprobiert werden und aus einer unbeschreiblichen Kreativität he-
gen, neue Mitglieder zu begeistern wird eine Hauptaufgabe in der
raus vorangetrieben werden.
Zukunft sein. Diese kann aber auch nur durch unsere Mitglieder umgesetzt werden. Darüber hinaus müssen wir verstärkt allen jetzigen
An welcher Stelle kann MitOst noch zulegen?
und künftigen Mitgliedern zeigen, was ihnen MitOst gibt – ein gran-
Am liebsten würde ich jedem einzelnen Mitglied sagen: Es geht um
dioses internationales (Alumni-)Netzwerk, ein Festival, Möglichkeiten
euch, wenn es um die Zukunft von MitOst geht, nicht um irgendeine
des aktiven und auch des passiven Engagements.
ferne, selbstverständliche Struktur! Wir brauchen mehr Bewegung in allen Regionen und Gruppen von MitOst. Der Vorstand allein wird
Ulrike Würz arbeitet am Institut für Auslandsgermanistik, Deutsch als
zusammen mit den hauptamtlichen Mitarbeitern die Zukunft des
Fremd- und Zweitsprache an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Vereins in der aktuellen Form nicht sichern können. Viele Mitglieder sitzen mir inzwischen zu häufig auf der Konsumentenbank und sind zu wenig selbst aktiv. Wir brauchen mehr Ideen, wie ein aktiver Verein auch ohne viel Geld funktionieren kann. Und wir konzentrieren uns
Eszter Kováts
Projekte, neu gewähltes Vorstandsmitglied
immer noch zu stark auf Deutschland, um Partner zu finden, die uns bei unserem Engagement unterstützen.
Was steht für dich hinter dem Begriff »MitOst«? MitOst ist für mich Internationalität im Alltag. Er verbindet meine
Stephan Bull ist Referent der sozialdemokratischen Fraktion im Deut-
Faszination für Deutschland und mein Interesse für Osteuropa. Mit-
schen Bundestag in Berlin, zuständig für Verkehr, Bau und Stadtent-
Ost ist für mich Lieferant neuer Interessen: Durch spannende Leute,
wicklung, Mobilität und Umwelt, europäische Verkehrspolitik.
politische Themen, kulturelle Ereignisse, bisher unbekannte Länder, ja, auch durch Projektanträge öffnet mir meine Mitgliedschaft meine Augen täglich für etwas Neues. MitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival
Welche Erfahrungen verbindest du mittlerweile mit dem Verein
entwickeln und umsetzen und weiß, dass ich nicht alleine bin, dass
und der Vereinsarbeit?
ich Mitdenker finde.
Vereinsarbeit verbinde ich stark mit der Projektarbeit. Ich wünsche mir so sehr, dass Mitglieder, die über die Projektarbeit zu MitOst gekom-
Welche Erfahrungen verbindest du mittlerweile mit dem Verein
men sind, sich auch danach noch einbringen. Das könnte dem Verein
und der Vereinsarbeit?
einen kreativen Schwung geben. Als Projektbeiratsmitglied habe ich
Seit ich Mitglied des Vorstands bin, hat MitOst sein Profil inhaltlich
häufig das Gefühl, dass wir von vielen Mitgliedern als simple Geldge-
geschärft und konkretisiert - das hat mir ein klareres Verständnis dafür
ber gesehen werden. Kommunikation und echter Austausch gestal-
gegeben, wofür ich mich eigentlich ehrenamtlich engagiere.
ten sich so schwierig in unserem tollen, aber großen Verein... Welcher Teil deiner Vorstandsarbeit ist dir besonders wichtig? Welcher Teil deiner Vorstandsarbeit ist dir besonders wichtig?
Mir liegen die regionalen Aktivitäten des Vereins sehr am Herzen. Mei-
Klar die Arbeit im Projektbeirat. Eine kreative, unkomplizierte Gruppe.
ner Erfahrung nach entstehen große Ergebnisse von unten, in diesem
Ich hoffe, wir ziehen unsere vielen Ideen dieses Jahr durch – neue
Sinn sind für mich die lokalen Tätigkeiten der Mitglieder sehr wichtig.
Kooperationen, Mitgliederprojekte, über die die Mitglieder selbst abstimmen können, unsere Präsenz auf betterplace usw.
Ivanna Pekar unterrichtet Deutsch an der Universität ihrer ukrainischen Heimatstadt Ushgorod.
Estzer Kováts arbeitet als Projektmanagerin der Bereiche »Arbeitsbeziehungen und Gewerkschaften« sowie »Gender« im Budapester Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Dirk Bretschneider
Finanzen, neu gewähltes Vorstandsmitglied
Maria Shamaeva
Alumni, Vorstandsmitglied im 2. Jahr
Was steht für dich hinter dem Begriff »MitOst«? Es ist eine deutsche Wortbildung, die auf die Wurzeln, die Entstehung des Vereins verweist. »Mitte«, »Osten«, »Mittel- und Osteuropa« fallen
Was steht für dich hinter dem Begriff »MitOst«?
dazu sicher nicht nur mir ein. Die zentrale Idee daran ist für mich
Ideen. Gutes zusammen tun. Ehrlich gesagt ist das eine ziemlich
allerdings das »Miteinander«, das eigentlich allen Vereinen ihren Sinn
schwierige Frage. MitOst lässt sich nicht mit einem Satz beschreiben.
verleiht.
Kulturaustausch plus Zivilgesellschaft ist zu wenig gesagt. Wir sind ein Verein, in dem der Prozess und die Atmosphäre oft wichtiger sind als
Was siehst du als Vorstandsmitglied anders, als du es als Ver-
Ziele bzw. selbst schon als Ziele dienen.
einsmitglied gesehen hast? Dass so eine Organisation kein »Selbstläufer« ist, war mir schon vorher
Welche Erfahrungen verbindest du mittlerweile mit dem Verein
klar. Die Vielfalt der Interessen unter einem Dach, die Möglichkeiten
und der Vereinsarbeit?
und Grenzen, die sich daraus vielleicht ergeben und die Arbeit, die
Entscheidungen bei vielen Variablen nach dem Mehrheitsprinzip zu
der Vereinsalltag – auch den gibt es - verursacht, nimmt man als
treffen, sie nach außen zu vertreten und für deren Folgen Verantwor-
Vorstandsmitglied jedoch deutlicher wahr.
tung zu tragen. Mit welchen Erwartungen hast du dich aufstellen lassen? Auf welche Ereignisse im MitOst-Jahr freust du dich?
Die Entscheidung, mich aufstellen zu lassen, fiel sehr kurzfristig. So
Auf das Bilanzseminar des Theodor-Heuss-Kollegs. Es ist schon zur
war wenig Zeit, eigene Erwartungen aufzubauen – viel mehr beschäf-
Tradition geworden, dass die Sommersitzung des Vorstands am Ran-
tigten mich die möglichen Erwartungen der Vereinsmitglieder.
de des Bilanzseminars stattfindet. In diesem Jahr freue ich mich ganz besonders darauf, weil ich dank des Projektetreffens in Nowosibirsk, das ich mitgeleitet habe, nun einen großen Teil der aktuellen Projekte und Projektteams des Kollegs kenne und sehr gerne etwas über die Entwicklungen in den Projekten erfahren würde. Und selbstverständlich freue ich mich auf das Festival. Maria Shamaeva unterrichtet die Fächer »Grundlagen der staatlichen und kommunalen Verwaltung« sowie »Wohnungswirtschaft« an der Sibirischen Verwaltungsakademie in Nowosibirsk.
Ivanna Pekar
Regionalisierung und Vernetzung, Vorstandsmitglied im 2. Jahr Was steht für dich hinter dem Begriff »MitOst«? MitOst war für mich immer ein »Ort«, wo sich Menschen treffen, die ohne Grenzen denken, Menschen, die nach Zusammenarbeit, Diskussion und Kreativität streben. Hier kann ich meine Ideen teilen, MitOst Magazin #23
Dirk Bretschneider arbeitet als freiberuflicher Übersetzer in Stuttgart. VON LINKS NACH RECHTS: DIRK BRETSCHNEIDER, ESZTER KOVÁTS, MARIA SHAMAEVA, IVANNA PEKAR, ULRIKE WÜRZ, STEPHAN BULL
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7. Internationales MitOst-Festival
Die Stadtschreiberin von Danzig Von Karl-Ernst Friederich Freitagabend, Kinosaal Helikon in der Festivalzentrale. Lesung mit Sabrina Janesch, die als Stadtschreiberin seit drei Monaten in Danzig lebt und ein Internet-Tagebuch führt. 2009 wurde in Zusammenarbeit mit der Stadt Danzig erstmals das Stadtschreiber-Stipendium des Deutschen Kulturforums östliches Europa vergeben. Es ermöglicht Janesch, sich ein knappes halbes Jahr den Vorbereitungen zu ihrem ersten Roman zu widmen. 1985 in eine deutsch-polnische Familie geboren, wuchs Sabrina Janesch in Deutschland auf und studierte Kreatives Schreiben, Kulturjournalismus und Polonistik in Hildesheim und Krakau. Mit beiden Kulturen eng verbunden, brachte sie uns Danzig mit ihren Prosaminiaturen auf feinfühlige Art näher. Einen dieser Texte drucken wir hier ab. Doch zunächst Sabrina Janeschs Blogeintrag zur Lesung (weitere Auszüge auf den nächsten Seiten).
Genius loci Montag, 19. Oktober 2009 Am Freitag also die Lesung auf dem MitOst-Festival in Danzig. Zwölf Seiten Stadterzählung und eine Stille im Raum, dass ich die Leute in der ersten Reihe atmen hören konnte. Nach der eigentlichen Lesung dann eine Diskussion, die länger als der erste Teil dauerte: Jeder hatte eine Frage loszuwerden, generell zur Literatur oder zu Danzig, aber auch ganz speziell zum Schreiben, meiner Aufgabe in Danzig, Pflichten und Freiheiten, dem Stipendium. Selten habe ich bei fremden, aber auch bei eigenen Lesungen eine so offene und heitere Atmosphäre erlebt. Es war großartig, danke! Die Lesung wie das Festival fanden in den Räumen des Kino Neptun in der Langgasse statt, allein schon der Ort hat viel versprochen: die ausladende Eingangshalle, der Aufgang, und schließlich die kleineren, mit Einzelsesseln ausgestatteten Kinosäle. Und draußen, vor den Fenstern: Die berühmten Giebel der ulica Dluga... Ein, zwei Mal ist meine Aufmerksamkeit während des Lesens nach draußen gerutscht, auf das kalt-nasse Pflaster der Langgasse, bis vor das Rathaus und den Neptun geschlittert (das Wetter hatte sich am Freitag wieder beruhigt - dennoch hatten die Gäste, die von Deutschland aus mit einer Fähre nach Danzig übersetzen wollten, nach Helsinki ausweichen müssen!) und erst dann wieder zurückgekehrt. Genius loci!
Als Zuhörer kann ich nur aus meiner Sichtweise wiederholen: Es war großartig, danke! Sabrina Janeschs Debütroman »Katzenberge« erscheint im Herbst 2010 im Aufbau-Verlag.
FOTO: OLGA NAZAROVA
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7. Internationales MitOst-Festival
Prosaminiatur aus »Danzig. Eine Stadterzählung« von Sabrina Janesch
Auf einer Danzig-Karte des sechzehnten Jahrhunderts finde ich die Straße, in der ich wohne. Klar lässt sich auf dem brüchigen Papier der Verlauf der Straße erkennen. Und in winzig kleiner Sütterlinschrift: Johannisgasse, die Schrift reicht von der Mottlau bis hinauf zu Sankt Nikolai. Viel weiter reichte damals die Stadt selber nicht – befestigt zu allen Seiten, wusste sie sich beisammen zu halten und sich zu verteidigen. Die Stadtmauern gaben den Platz vor, in den hinein sich alle städtische Struktur entwickeln und ergießen konnte. Eng beieinander lebten und arbeiteten die Danziger, aber immerhin beschützt. Vor den Mauern und Wällen hätte wohl niemand gerne gewohnt, denn was passierte, wenn man nicht geschützt war, zeigte das Kloster Oliva: Ständig ausgesetzt feindlichen Übergriffen und Plünderungen. Ich denke also an meine kleine Wohnung in der Johannisgasse und fühle mich sicher, behütet, wenn ich meine Nachbarn rumoren höre und draußen die Leute und die Autos, ich weiß, ich bin in der alten Rechtstadt, und somit beschützt und aufgehoben. Man müsste allerdings gar nicht viel lesen, um darauf zu kommen, was die dichte Bebauung, die Menschenmenge und die nicht existenten sanitären Anlagen ebenfalls mit sich brachten: die Pest, später die Cholera. In furchtbaren Wogen muss diese schrecklichste aller Krankheiten durch die Stadt gewütet und vor keinem Haus, keinem Bürger halt gemacht haben. Ich denke jedes Mal daran, wenn ich Ratten an den Mülltonnen draußen im Hof sehe, oder Wimpel und Fähnchen an Häuserwänden. Denn: Wer Pestkranke im Haus hatte, hisste die Pestfahne... Die Stadt muss umgeben sein von Massengräbern gigantischer Ausmaße. Am Ende der Swietojanska, wie die Johannisgasse heute heißt, kurz vor der Johanneskirche, liegen einige Kellergewölbe brach, metertief kann man dort in die Erde hineinschauen, mit dem Blick die Wände, den Boden abtasten, und immer wieder Stufen finden, die tiefer hinein führen. Danzig hat sich nicht nur horizontal entwickelt, sondern ebenfalls vertikal. Für mich führt die Johannisgasse tief hinein in die Erde und die Geschichte der Stadt.
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7. Internationales MitOst-Festival
Danzig Auszüge aus dem Blog
Am Fenster // 3. August 2009 Draußen scheint die Sonne, Danzig hat sein Sommerkleid angezogen, und Blumenfrauen haben mein Auto umstellt, bis heute Abend also bleibt es umrankt von Nelken und Sonnenblumen. Möwen zerschneiden den Himmel, ich werde sie vermissen, das weiß ich schon jetzt.
Meer sehen // Montag, 10. August 2009 Und dann also der Strand. Hatte durchaus Ähnlichkeit mit der Ulica Dluga (Langgasse) in Gdańsk, nur dass die Leute lagen, sich nicht schwerfällig in Richtung Neptun schoben, und generell weniger anhatten. Das Meer selber: Unbeeindruckt, ruhig, dunkel...nach anfänglicher Verzweiflung hatte ich doch einen halben Quadratmeter freien Platzes gefunden und mich für ein paar Minuten hingesetzt. Schön, wie die Danziger Bucht Brzezno umarmt... Nach links hinaus ging die Promenade weiter nach Jelitkowo (Glettkau), wo sich früher die Mole befand, heute ist sie in Brzezno. Anders als in Sopot muss man nicht bezahlen, um sie zu betreten.
Frei // Samstag, 26. September 2009 Seit längerem endlich wieder ein dreistündiger Spaziergang... wahllos quer durch Wrzeszcz, wunderbare Straßen und Gassen habe ich entdeckt, bis ganz nah heran an den Waldrand. Oh ja, hier würde ich mir ein Plätzchen zum Leben und Wohnen suchen, wenn ich länger bliebe! Der Geruch von Stein und Wald liegt hier in der Luft, Katzen, die lautlos durch die Gärten huschen, kleine Kneipen, die man auf den ersten Blick gar nicht als solche erkennt: Weil sie in einer Garage sind, in einem Gartenhäuschen... In einem Zimmer mit Parkett und Erker würde ich wohnen, und den Schreibtisch so nah wie möglich ans Fenster heran schieben, bis ich fast die Kastanie, die vor meinem Fenster wüchse, berühren könnte.
Eimerweise Licht // Freitag, 13. November 2009 Heute das erste Mal wieder seit längerem: Ein Sonnentag von solcher Vehemenz, dass mich vormittags nichts am Schreibtisch halten konnte, ich mich in meinen Wollpullover packte und durch das Treppenhaus hinaus auf die Straße rannte, gierig die Luft einsog und geblendet die Augen schloss. Ganz klar also ein Fall für den Klassiker meiner Routen, durch die Niederstadt, zu der Schleuse, vorbei an den Bastionen und endlich um den Wallplatz herum, in die alte Vorstadt. Zum ersten Mal in diesem Herbst war es so kalt, dass die Spucke der Passanten auf dem Gehweg gefroren war, blitzend schossen die kleinen Eispfützchen die Sonnenstrahlen nach oben zurück. Jedes Loch, jede Ecke, jeder Winkel wurde durchflutet von dem Licht: die Kioske in den Hinterhöfen der Lakowa, die Vorgärten der verfallenden Villen. Ein Licht also wie ein Seziermesser, nichts bleibt verborgen. MitOst Magazin #23
7. Internationales MitOst-Festival
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à l’intime der Stadtschreiberin Sabrina Janesch
Nicht der abblätternde Putz auf den Garagen der Dobra, nicht die fein ziselieren Balkongeländer auf der Polna oder der Zielona. Hinten an der Mottlau saßen mehr Angler als gewöhnlich, als hätten sie nur auf das gute Wetter gewartet, als hätten auch die Fische nur auf das gute Wetter gewartet und als hätten sich beide Parteien auf ein Stelldichein getroffen.
Ex oriente lux // Donnerstag, 19. November 2009 Ganz, ganz früh am Morgen, noch bevor die Sonne richtig aufgegangen ist, ist man mit den Anglern an der Mottlau allein. Die Stadt selber schläft noch, die Mariacka - die Frauengasse - ist wie leergefegt, Ruhe. Ab und zu eine Katze. Keine Vögel. Fast hätte man die Wellen gegen das Lange Ufer schwappen hören können, so still war es heute früh. Automatisch selber leise auftreten, um keinen Lärm zu verursachen, niemanden aufzuwecken. Und im immer heller werdenden Tag hinüber zur Niederstadt laufen, leise, denn ein Freund hatte Nachtschicht bei der Polizei und lud ein zu einem frühmorgendlichen Frühstück, Kaffee und Pfannkuchen. Die Niederstadt bei Sonnenaufgang: Noch entrückter, verschlafener als sonst. Auf der anderen Seite des Flusses scheint es noch Nacht zu sein, trotz des Lichtes, das sich langsam, vom Osten kommend, über Dächer und Häuser ausbreitet... Dann in der Wohnung von Andrzej. Auf den kleinen Balkon im achten Stock treten, windig ist es hier oben, und hinüber zum Bischofsberg blicken. Einen heißen Kaffee in der Hand, und, also: Mit Danzig gemeinsam aufwachen.
Farbe. Einfärbung // Montag, 23. November 2009 Ausgiebiger Spaziergang durch die Vor- und Niederstadt mit Aleksander Maslowski, einem stadtbekannten (und darüber hinaus) Danzig-Experten. Was er auf einer seiner Seiten (www.rzygacz. webd.pl) betreibt, kam auch während des Gangs zum Tragen: die Aneignung und das Verständnis von Geschichte mithilfe persönlicher Geschichten, Geschichten »normaler« Menschen und Orten. Die große Geschichte kennt jeder. Die Kleine kennen nur wenige. Und sei es, dass sie schmackhafter gemacht wird mithilfe von Anekdoten, Legenden, Sagen, Mythen: All das gehört zu dem, was wir Geschichte, was wir menschlich nennen. Nichts anderes ist Geschichte. Zu den Bastionen Maidloch und Gertrud gewinnt man ein ganz anderes Verhältnis (überhaupt: ein Verhältnis), wenn man erzählt bekommt, dass zwischen ihnen, am Ufer des Grabens, ein deutscher Soldat, der dort erschossen wurde, begraben liegt. Und te wird so unmittelbar, be-rührend. www.stadtschreiber-danzig.de
MitOst Magazin #23
FOTOS: LUKAS JEDNICKI
das Rauschen des Schilfes im Ohr: Natürlich, ein Flüstern. Geschich-
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7. Internationales MitOst-Festival
Das Problem der Modernität Danzigs architektonische Kultur
Die Festivalzentrale als Haupttreffpunkt der MitOstler befand sich in diesem Jahr mitten in der pittoresken Danziger Altstadt. »Alt« ist dabei relativ, denn beim Danziger Zentrum handelt es sich in weiten Strecken um eine Rekonstruktion der im 2. Weltkrieg zerstörten Originalbauten. Doch nicht immer stand fest, dass Danzig im alten Stil wieder aufgebaut werden sollte. Der Kunsthistoriker Dr. Jacek Friedrich erläutert die damalige Debatte und Entwicklung. Die Fotografien entstanden in einem Workshop der ProjektNetzWerkStatt auf dem Festival. Traditionell oder modern? Diese Frage nahm im Zuge des Wiederauf-
nenstadt von Danzig unter Bewahrung des Denkmalcharakters für die
baus Danzigs nach 1945 eine besonders klare Form an, wurde doch
historischen Stadtteile vorsah. Jedoch blieb der Standpunkt der Be-
die Rekonstruktion der historischen Altstadt damals äußerst kontro-
fürworter moderner Lösungen nicht ohne Echo. Im weiteren Verlauf
vers diskutiert. Während einige Architekten und Stadtplaner die Chan-
der Diskussion und auch beim Wiederaufbau selbst ist deutlich das
ce gekommen sahen, die Rekonstruktion unter den Gesichtspunkten
Streben nach einer Synthese aus historischer Option und »modernis-
der sozialistischen Vision zu verwirklichen, plädierten andere für die
tischen« Postulaten zu erkennen.
originale Erarbeitung der historischen Formen. Denn die Zerstörung denkmalgeschützter Städte wurde als vorsätzlicher barbarischer Akt
Mischform von Vergangenheit und Moderne
der deutschen Besatzer angesehen, der die nationale Identität Polens
Auch in den erweiterten Richtlinien für einen Raumordnungsplan der
untergraben sollte. Wie sah sie aus, die Vision der »neuen, anmutigen
historischen Stadtteile Danzigs lassen sich Anhaltspunkte finden, die
und glücklichen Stadt«?
eine Art Verschmelzung historischer und modernistischer Forderungen fördern. Modernistische Prinzipien wurden dahingehend ver-
Diese Frage stellte man sich nicht nur in Danzig, sondern auch in
wirklicht, dass trotz der Bewahrung des historischen Straßennetzes
Rotterdam, Minsk, Dresden, Coventry, Warschau, Berlin, in den vom
die Bebauung zwischen den Gebäudeblöcken grundsätzlich aufzu-
Krieg zerstörten europäischen Städten. Jedes Mal wurde sie anders
lockern sei und geräumige Bereiche für Innenhöfe und Grünflächen
beantwortet. Während der mehrjährigen Diskussion, die dem Wie-
belassen bleiben. Diese Denkweise führte schon bald zur Entstehung
deraufbau Danzigs vorausging, offenbarten sich weit differenzierte
einer ungewöhnlich interessanten Mischform von Vergangenheit und
Ansichten. Die Idee der Rekonstruktion des historischen Stadtkerns
Modernität, zu der sich die wieder aufgebaute Danziger Rechtstadt
gewann immer mehr Anhänger, jedoch gab es auch Stimmen, die ei-
entwickelte.
nen Wiederaufbau in modernen Formen forderten. Besonders radikal trat der Publizist Henryk Tetzlaff auf, der einen vollständigen Umbau
Wie aber gestaltete sich die Danziger Architektur in den ersten Jahren
des Zentrums in modernistischem Geiste forderte. Diese Betrachtung
nach dem Krieg, als die Entscheidung über den Wiederaufbau der
schien jedoch an Bedeutung zu verlieren. Schon zwei Monate nach
Innenstadt in ihrer historischen Gestalt noch nicht endgültig gefallen
dem Beitrag Tetzlaffs fand in Danzig eine nationale Denkmalpfleger-
war? Die wichtigsten der damals entstandenen Gebäude wurden in
tagung statt. Entschieden sprach man sich für den Wiederaufbau der
zeitgemäßen, wenn auch nicht radikal modernistischen Formen er-
Innenstadt in historischen Formen aus. Im Oktober 1947 stellte der
richtet. Diese kurzzeitige Dominanz moderner Formen endete 1949,
Wojewodschaftsdenkmalpfleger den Bereich der Rechtstadt und der
ein Wendepunkt nicht nur in der polnischen Architekturgeschichte
Speicherinsel unter Denkmalschutz. Zwei Monate später präsentierte
hin zum sozialistischen Realismus. Seit 1954 führte die Umwertung
im Sejm eine Ausstellung den neuen Nutzungsplan für die Stadt, der
der modernistischen Tradition zum Wandel: Erster wichtiger Impuls
die Entstehung eines Verwaltungs- und Handelszentrums in der In-
für Veränderungen war die im Dezember 1954 von Nikita Chruscht-
MitOst Magazin #23
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FOTO: NASTJA FIDRUS
FOTO: SVETLANA VERSHININA
FOTO: NASTJA FIDRUS
FOTO: KIÊN HOÀNG LÊ
7. Internationales MitOst-Festival
schow geäußerte Kritik an der bisherigen sowjetischen Praxis auf dem
infrage zu stellen. Die Planer bemühten sich um einen Dialog mit
Gebiet von Architektur und Bauwesen. Unabhängig jedoch von den
dem im Westen langsam zu Ende gehenden historisierenden Post-
sowjetischen Bedingungen ist hier von einem Umbruch zu sprechen,
modernismus. In den 1990er-Jahren des 20. Jahrhundert und zu
der in kurzer Zeit zu einer offiziellen Akzeptanz der Modernität inner-
Beginn des neuen Jahrtausends hat sich eine antimodernistische
halb der polnischen Architektur führte. Angesichts dieser Atmosphäre
Tendenz nicht nur in der architektonischen Praxis offenbart; auch
ist verständlich, dass Ende der 1950er-Jahre der Wiederaufbau der
von führenden Vertretern des Kulturlebens wurde das Erbe des ar-
historischen Altstadt sowohl die Presse als auch die Danziger selbst
chitektonischen Modernismus stark infrage gestellt, wobei sicherlich
nicht mehr bewegte. Damals ergriff die Faszination für die endlich
auch der positiv bewertete Wiederaufbau Danzigs eine wichtige Rol-
erlaubte Modernität ganz Polen. In dieser Zeit, also seit dem Ende der
le spielte. Essentiell aber ist, dass Entwürfe neuer Bauwerke wieder
fünfziger Jahre, entstand ein wesentlicher Teil der besten Nachkriegs-
moderne Formen anzunehmen beginnen. Sicherlich ist es noch zu
architektur in Danzig.
früh zu entscheiden, in welche Richtung sich die Architektur in Danzig entwickelt. Sicherlich ist das Problem der Modernität im Begriff erneut
Nach dem Eisernen Vorhang
eine wichtige Rolle sowohl in der Diskussion, als auch in der architek-
Mit den Wendejahren nach 1989 zeigten sich die Vorboten einer
tonischen Praxis der Stadt einzunehmen.
grundlegenden Veränderung, die sich erst in der nächsten Dekade vollziehen sollte: Sowohl die architektonische Praxis, als auch die sie
Der ungekürzte Artikel ist nachzulesen auf
begleitende Diskussion begann, die Werte des Modernismus erneut
www.buero-kopernikus.org/de/article/31/7/
FOTO: KRISTINA JUROTSCHKIN
MitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival
Am Anfang stand die E-Mail Dass jeder und jede auf dem Festival mit anpackt, mal eine Kiste schleppt oder einen Beamer aufbaut, ist selbstverständlich. Das Festival in Danzig hatte jedoch eine heimliche Heldin, die sich halbstündlich je nach Bedarf in eine Technikerin, Übersetzerin, Babysitterin, Telefonistin und Fahrerin verwandelte. Von ihrem ganz persönlichen »Abenteuer MitOst« erzählt Kristina Senne. »Ich organisiere im Oktober ein Festival und würde mich freuen,
in Danzig ein. Ich kann es kaum fassen, bis ich sie um 14 Uhr selbst
wenn Sie mir bei einigen Kleinigkeiten helfen würden.« Mein Aben-
in Empfang nehme und in der Zentrale abliefere. Davor bleibt jedoch
teuer MitOst-Festival beginnt mit einem Eintrag in die Liste meines
noch genug Zeit, um planmäßige Vorlesungen schleifen zu lassen
Dozenten Marcin Urbans, auf der sich freiwillige Helfer bereit erklären,
und stattdessen mehr über MitOst zu erfahren.
ihn als Festivalkoordinator zu unterstützen.
»Es gibt Probleme« Schnell wird mir klar, dass sich eine Organisationsassistentin, wie
17.16 Uhr und ein Besorgnis erregender Anruf: Es gibt Probleme mit
mein offizieller Titel einige Wochen später lautet, nicht nur mit dem
dem von MitOst im Irish Pub anberaumten Konzert und der anschlie-
Zusammenstellen einer Restaurantführers, dem Aufbau einer Festival-
ßenden Party mit DJ Tobič. Das Orgateam hat vergessen, dem Ma-
zentrale oder dem Fundraising beschäftigt. Der Posteingang meines
nager und dem hauseigenen DJ Bescheid zu geben, dass eine von
E-Mail-Accounts platzt, das Telefon ruht nur zu offiziellen Sperrstunden
uns organisierte Band und unser Tobi auftreten. Klar: Nun wird die
und mein Aufgabenbereich wächst von Tag zu Tag. Stadtpläne müssen
Organisationsassistentin gelyncht. Ich blicke mich ungefähr 3 Sekun-
ausgearbeitet, Tische organisiert und Musikanlagen besorgt werden.
den lang böse im Spiegel an - für mehr bleibt keine Zeit. Nach einer fünfzehnminütigen Diskussion zwischen deutschen und polnischen
Aufräumen, umräumen, einräumen
Musikern hat MitOst im Clubmanager einen neuen Fan gefunden
Die Zeit vergeht wie im Flug und schon bald ist der Tag da, an dem
und der Abend wird ein voller Erfolg, untermalt von rockigen Klängen
»die Deutschen« kommen, um vor Beginn des Events die Festivalzen-
der Band Jaroslaw, viel Spaß und Tanz.
trale einzurichten. Spätestens nach dem ersten Gespräch mit dem lustigen, arbeitswütigen Organisationsteam ist mir klar, dass eine
17.10.: Die letzte Party in der Festivalzentrale. Es wird gedankt, gere-
chaotische und einmalige Woche vor mir liegt. Der Ablauf bis zum
det und getanzt. Abschiedsschmerz steigt in mir auf. Die Gespräche
offiziellen Anfang des Festivals ist vorgezeichnet: Um 6 Uhr aufste-
mit den Mitgliedern aus Georgien, Russland, der Ukraine, aus ganz
hen, kurz zur Uni, mittags die entstehende Zentrale auf Trab bringen
Mittel- und Osteuropa, der Spass am Spiel mit den MitOst-Kindern,
(aufräumen, umräumen, einräumen), verloren gegangene Utensilien
das Gefühl, mit einem tollen Team zusammenzuarbeiten - all dies
suchen, Pläne über den Haufen werfen, um 22 Uhr Frühstück - und
vermischt sich mit der Musik des letzten Zusammentreffens. Als der
danach feststellen, dass am nächsten Tag noch eine Menge Arbeit
Abend zu Ende geht und wir die Türen abschließen, will ich die Zent-
auf uns wartet.
rale gar nicht erst verlassen.
Man hätte meinen können, wir hätten alles im Griff gehabt. Doch mit
Traurig, aber froh
dem Sturm, der kurz vor Festivalbeginn wie ein Hurrikan auf Danzig
18.10.: Das nachgebildete Stück der Berliner Mauer mit den Unter-
zurollt, hatte keiner von uns gerechnet. Schon bald bin ich glückliche
schriften der Festivalteilnehmer und einiger Danziger wird ins Was-
Telefonkorrespondentin unserer samt Schiff nach Helsinki verwehten
ser der Motlau gelassen und formt das offizielle Ende des Festivals.
Lektorengruppe. Die Information, sie würden - mit viel Glück! - am
Am Mittag sitzen wir Organisatoren bei den Resten des fantastischen
16., also zwei Tage nach Festivalbeginn, in Danzig eintreffen, wird
Buffets vom Vorabend, müde und traurig, aber froh, dass wir doch
stündlich durch meine neuerrungenen Telefonbekanntschaften ver-
ganz gute Arbeit geleistet haben. Die letzten Tische sind geputzt und
worfen und dann wieder verifiziert.
verladen, Ausstellungen eingepackt und Routen für den Heimweg ausgearbeitet.
15.10.: Der Tag der Eröffnung ist da, ich habe erste Erfolgserlebnisse: Das Orchester ist pünktlich und findet sogar genug Platz auf der
Als ich in meiner Wohnung ankomme und endlich Zeit habe, die
Bühne. Als ich in dieser Nacht durch die Straßen Danzigs nach Hause
Erfahrungen der letzten Tage in mein Bewusstsein fließen zu lassen,
gehe, treffe ich die ersten gerade erst kennen gelernten und doch
wird mir klar, dass die vergangene Woche trotz aller Anstrengungen
schon bekannten Menschen, mit denen ich die nächste halbe Stunde
eine der besten war, die ich erleben durfte. MitOst ist mir näher ge-
im Gespräch verbringe, bevor ich mich endlich schlafen lege.
kommen und für mich steht fest, dass ich diese Organisation nicht missen möchte. Ich freue mich auf viele neue Erlebnisse und Freund-
16.10.: 6.42 Uhr und ein erlösender Anruf: Die Lektorengruppe trifft
schaften auf dem MitOst-Festival 2010 in Perm! MitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival
Festival 2010
Pipeline – under construction
FOTO: WITJA FRANK
Blick nach vorn, Oktober 2010, Festival in Perm. Die Kultur-AG organisiert einen Teil des Veranstaltungsprogramms – wer will, kann sich noch anschließen. Von ihren Plänen berichten Witja Frank, Bettina Matthies, Maike Theuerkauf und Katrin Wendel
Seit einem Jahr planen und organisieren wir an »Pipeline – under
für fossile Brennstoffe eine neue politische, soziale und kulturelle Re-
construction«. Entstanden ist das Projekt, als sich acht MitOstler in
flexion. Die in Planung und teilweise schon im Bau befindlichen Gas-
Berlin-Neukölln als Kultur-AG tauften und loslegen wollten. Damals
Pipelines »Nabucco« sowie »North-« und »South-Stream« verweisen
wusste noch keiner so richtig, wohin unsere Reise gehen sollte. Ein
auf die Dimensionen der Abhängigkeit von einem Rohstoff aus dem
Jahresthema für 2011 wollten wir setzen, das MitOst als ganzen
Osten für den westlichen Wohlstand. Diese Verbundenheit birgt so-
Verein betrifft und in dem sich viele MitOstler wiederfinden können.
wohl lokale und internationale Konflikte in sich als auch die Chance,
Ein Thema, das von europäischer Relevanz ist, mit dem man euro-
das herkömmliche Ost-West-Gefüge aufzubrechen. Mit unserem Pro-
päische Finanzierung und Partnerschaften akquirieren kann.
jekt möchten wir das komplexe Beziehungsgeflecht aus Politik, Wirtschaft und Umwelt, das sich in den alten/neuen Verteilungskämpfen
»Pipeline« – das Thema stieß bei uns sofort auf Begeisterung. End-
um Ressourcen spiegelt, im Zeichen des freundschaftlichen Dialogs
lich mal was Handfestes. Zur Nabucco-Pipeline konnten wir schnell
auf eine kulturelle Bühne heben. Damit soll eine kritische Auseinan-
Assoziationen entwickeln – »Nabucco« steht als Symbol für Freiheit
dersetzung durch Akteure aus den unterschiedlichsten Ländern mög-
und Unabhängigkeit, die Pipeline gilt als Metapher für Transfer, Aus-
lich werden. Wichtig ist uns, dass die Vielschichtigkeit des Themas
tausch, Machtbeziehungen, Exklusivität versus Inklusivität, Freiheit
in seinen lokalen und globalen politischen und kulturellen Bezügen
versus Abhängigkeit, Ressourcen, Verteilung usw.
breit und kontrovers thematisiert und diskutiert wird.
Mit all diesen Assoziationen im Kopf gingen wir auseinander und
So befindet sich die Pipeline tatsächlich immer noch »under const-
trafen uns bald wieder, um das Thema weiter auszuarbeiten. Allein
ruction« und wir sind genauso gespannt wie ihr, was uns am Ende
fünfmal trafen wir uns bis zum Festival in Danzig im Oktober 2009.
erwarten wird.
Als Ziel eines möglichen Projektes stellte sich bald heraus, Menschen in den Transit-, Geber- und Empfängerländern des Rohstoffs
Sicher ist, ihr könnt uns und die Pipeline in Perm erwarten!
Erdgas für das Thema (Energie-)Ressourcen und (Energie-)Transfer zu sensibilisieren und als gleichberechtigte, betroffene Akteure mit-
Wenn ihr künstlerische und politische Beiträge und Ideen zum
einander ins Gespräch zu bringen.
Thema »Pipeline – under construction« habt, schickt uns was durch die Datenpipeline an pipeline@mitost.org.
Der nach wie vor wachsende Energiebedarf in Europa und die Herausforderung einer globalen Umweltpolitik erfordern insbesondere MitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival
Perm ist Anfang, Perm ist Aufbruch Boschlektor Reiner Quirin lebt in der MitOst-Festivalstadt 2010 und stimmt uns auf unseren Besuch ein. Bericht aus einer Stadt im Wandel. Wenn ich im Sommer morgens von der Sonne geweckt werde, ge-
und Hochhäusern. Doch dominiert das übliche Schachbrettmuster
nieße ich das Privileg, dass ich zu den ersten in Europa gehöre, de-
an Straßen, einigen dominanten Betonklötzen wie dem Hotel Ural
nen dieses Glück widerfährt. Ja, Perm liegt nicht »noch« in Europa,
und anderen sowjetischen Institutionen die Stadt. Das Zentrum ist
hier fängt Europa an! Neben dem Ural, der bekannten geografischen
überschaubar, es wird bestimmt von der »ulica Lenina«, die sich von
Scheide zwischen Europa und Asien, gelegen, erstreckt sich die Stadt
Bahnhof (Perm II) zu Bahnhof (Perm I, der alte Bahnhof) zieht, und
am Flusslauf der Kama entlang. Unabhängig vom Wetter ist von die-
dem »Komsomolskij Prospekt« (Kompros), der von der Kama zum
sem Gebirgszug nichts zu sehen, es sind nur die natürlichen Reste
Ploschad führt. Im Gegensatz zum kleinen Stadtzentrum zählt die
eines einst mächtigen Gebirges. Mehr wissen die wenigsten von der
Stadt aber zu den drei größten Städten in Russland, was Ausdehnung
Stadt, die einst als letzte Bastion vor Sibirien galt. Was ist das also für
und Fläche betrifft. Angeschlossen ist Perm an die Transsibirische Ei-
ein Ort, an dem ich mich seit über einem Jahr aufhalte?
senbahnstrecke.
Perm – was für ein schöner, kurzer Name. Und doch nicht sehr ein-
Pasternak war hier
fach auszusprechen. Auf das m folgt im Russischen noch, für unser
Wenn man sich mit den Fakten abgefunden hat und bereit ist, sich
Schriftbild unsichtbar, das so genannte Weichheitszeichen und be-
auf das Erlebnis Perm einzulassen, bleibt noch vieles zu entdecken.
fiehlt dem Sprecher ein weiches m. Der Name der Stadt ist wahr-
Morgens auf dem Weg zum Hauptgebäude der technischen Uni-
scheinlich aus einer der ethnischen Sprachen entstanden und bedeu-
versität laufe ich die Sibirskaja entlang und streife dabei das kleine,
tet so viel »fernes Land«.
aber feine Puschkin-Denkmal, das in einem kleinen Park steht und umzäunt ist mit Darstellungen aus seinen Märchenerzählungen. Das
Auf den ersten Blick erscheint die Stadt - geradezu modellhaft -
ist im Sommer ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche, die dort den
wie eine typische, russische Provinzstadt, durchsetzt mit den gele-
Abend einläuten. Das passiert in vielen Parks der Stadt, weniger im
gentlichen Zeichen der Globalisierung in Form von Einkaufszentren
Gorkij Park, der ebenfalls auf meinem Weg liegt. In diesem stehen viele, verschiedene Attraktionen eines Vergnügungsparks. Interessant wurde es aber, als die Stadt bei einem Theaterfestival die Autoscooter-Bahn als Bühne umfunktionierte: eine spannende Freiluftlocation (trotz des Winters). Überhaupt ist Perm eine Stadt der Bühnen, von der Oper (mit Leninstatue im schönen umschließenden Park) über das Dramtheater (mit zwei Ensembles), wieder zwei Eckpunkte der lenina, bis hin zum Ballett Ewgenij Panfilow und dem Theater unter
MitOst Magazin #23
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7. Internationales MitOst-Festival
mer Kunstgalerie beherbergt, lohnt sich ein Besuch ebenso: Seltenheitswert in Russland haben die sakralen Holzskulpturen. Von dort gelangt man schnell wieder auf den Kompros. Auf der Mittelspur ist ein Gehweg angelegt, der immer wieder mit modernen Skulpturen geschmückt ist. Vor der Technischen Universität stößt man auf den überdimensionalen Leninorden von 1971, den die Stadt als Auszeichnung erhalten hat. Solche Reminiszenzen sind im Stadtbild und vor allem in den Straßennamen immer noch zu finden. Ich persönlich betrachte bestimmte Skulpturen und Bauten dieser Zeit gerne, ohne die historische Einordnung der Symbolik dabei zu vergessen. Kurz vor dem Orden steht ein wesentlich sympathischeres Denkmal, die Permer Salzohren. Jeder kann sich damit fotografieren lassen. Es erinnert an die reiche Salzgewinnung im Permer Gebiet und die Legende der der Brücke. Ein kultureller Reichtum, der auch ein Erbe des zweiten
vom Salzschleppen wachsenden Ohren.
Weltkrieges ist, als nicht nur Rüstungsindustrie, sondern auch das Ballett aus St. Petersburg an den Ural verlegt wurde. Man hat dieses
Unterwegs ist es ein leichtes, sich zu stärken. Cafés und Restaurants
Geschenk gepflegt, doch begründet es nicht allein den Ruf. Pasternak
gibt es zu Genüge, praktischerweise - und zugleich leider - meistens
war hier und hat Perm als Jurjatino in seinem Dr. Schiwago verewigt,
Ketten. Um nur einige zu nennen: KofeYou, KofeCity, Skovorodka.
Djagilew hat hier gewohnt, bevor er nach Paris ging und ein internati-
Einer meiner Lieblingsorte ist die Kellerkneipe »Abyrwalg«, benannt
onales Dokumentarfilmfestival gibt es auch.
nach einem Wort aus Bulgakows Erzählung »Hundeherz«. Diese satirische Geschichte um einen Hund in Menschengestalt wurde erst
Heute versucht man diese Tradition zu erneuern und Perm als einen
1988 verfilmt und Szenebilder schmücken die Wände. Hier gibt es
kulturellen Fixpunkt in Russland zu etablieren. Nicht unumstritten,
auch regelmäßig Jamsessions. Ein weiterer musikalischer Treffpunkt
kulminiert dieser Plan momentan in den Schauen zeitgenössischer
nach meinem Geschmack ist der Pub »Gvozd«, wo ich so manches
Kunst im Museum für moderne Kunst im ehemaligen Flussbahnhof.
Konzert erlebt habe. Ganz allgemein gibt es eine recht lebendige jun-
Sogar Schiffe legen hier noch an, aber im Gebäude hängt provokative,
ge Musikszene in der Stadt, aber auch andere Künstler sind präsent.
zeitkritische und für viele gewöhnungsbedürftige Kunst. Der Weg zum
Die vielen Festivals der Stadt ziehen nicht nur internationale Gäste an,
Museum führt zu Fuß auf der Uferpromenade an der Kama entlang
sondern auch das junge Publikum.
und lädt zum Schlendern ein. Die Stadt hat einen Ruf, relativ frei und offen zu sein. Das kann ich
Perm, offene Stadt
jedenfalls in vielem bestätigen, da kaum Miliz auf den Straßen zu se-
Ich denke, es ist ein schöner, neuer Weg in eine postsowjetische Iden-
hen ist und ich noch nie kontrolliert wurde. Wer sich dennoch einen
tität, weg von der Rüstungsindustrie, die Perm jahrelang zur geschlos-
Blick in die mahnende Vergangenheit leisten will, fährt am besten
senen Stadt machte. Wie nachhaltig und demokratisch das gelingt, ist
in das Motowilicha-Waffenmuseum oder in das einzigartige Gulag-
ein anderer spannender Punkt. Nur in die Zukunft braucht man nicht
Museum Perm 36. Das kostet allerdings einen ganzen Tag. Schön
zu blicken, die reiche archaische Vergangenheit gehört auch zum Stadt-
als Boschlektor finde ich natürlich, dass neben einigen NGOs auch
gebiet, obwohl die Stadt vergleichsweise jung ist. Davon zeugen zwei
weitere zivilgesellschaftliche Programme in Perm Fuß gefasst haben.
Museen. An der Kama liegt das Gebietsmuseum in einer schönen
Das Theodor-Heuss-Kolleg hat hier z. B. sein erstes regionales Modell
restaurierten Villa, die man besuchen sollte. Dort sind die berühmten
in Russland etablieren können.
Kultgegenstände aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. mit seltsamen Tierdarstellungen ausgestellt. Diese ethnischen Traditionen werden u. a.
Das Beste an Perm bleibt die Neugier der Menschen, auch auf Gäste
im Kamwa-Festival, welches mit dem sehr sehenswerten Holzbauten-
aus dem Ausland. Man wird willkommen geheißen. Ich lade euch
Freilichtmuseum »Chochlowka« verbunden ist, fortgeführt.
ebenfalls ein, die Stadt an der Kama selbst kennen zu lernen.
Bei der Kathedrale am Kamaufer ist man beim Wahrzeichen der
Herzlichen Dank an das Permer Touristeninformationscenter Krai
Stadt angelangt. In der ehemaligen Kathedrale, die heute die Per-
für die Fotos (www.visitperm.ru)!
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Projekte & Initiativen Das Vereinsjahr 2009
MitOst Magazin #23
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MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Neulich bei MitOst Was hast du zuletzt im Verein gemacht? fragte Lisa Wagner einige Mitglieder. Hier sind die Antworten.
Valeria Schwarz
Witja Frank
Erika Szabó
macht MitOst grüner
schickt Kultur durch die Pipeline
vernetzte Kulturmanager
Ich kenne MitOst seit dem Festival in Dan-
Kurz was zu MitOst sagen...?! Dann sag
Vom 4. bis zum 7. März wimmelte Pécs
zig und habe mir schon dort überlegt, dass
ich was zu den Perspektiven der Kultur AG,
von etwa 80 jungen Kulturakteuren aus 18
mein Beitrag zu diesem tollen Netzwerk die
die sich vor einiger Zeit gegründet hat und
Ländern, die zum von mir mit organisiertem
Themen Ökologie und Umweltschutz sein
in der ich mitarbeite. Die optimistische Per-
Vernetzungstreffen der Kulturmanagerpro-
müssen. Julian Gröger und ich haben dann
spektive ist: Die Kultur AG wird bis Ende
gramme der Robert Bosch Stiftung gekom-
einen Aufruf in der MitOst-Gruppe auf Face-
des Jahres im EURO STOXX 50 notiert und
men waren. Die aktuellen und ehemaligen
book gestartet, um Mitstreiter zu finden. Wir
bekommt hier eine nachhaltige Rolle als ge-
Stipendiaten setzten sich dort mit dem The-
finden es wichtig, in der MitOst-Welt den Ge-
sellschaftspolitische Impulskraft mit partizi-
ma „Pécs 2010 - Kulturhauptstadt Europas“
danken zu propagieren, dass unser Dasein
pativem Charakter in den Bereichen Bildung,
auseinander, lernten wichtige Akteure des
wertvoller wird, je bewusster wir mit anderen
Kultur und europäische Sprachentwicklung.
Pécser Kulturlebens kennen und tauschten
Menschen und der Umwelt umgehen. Auf
Die realistische Perspektive ist: Die Kultur AG
Erfahrungen und Projektideen aus. Beson-
den Aufruf haben sich vier MitOst-Mitglieder
entwirft Formate für MitOst, z.B. „PIPELINE
ders schön fand ich es, meine alten Kollegin-
bei uns gemeldet und wir freuen uns auf
- under construction“ (Festival 2010). Und
nen und Kollegenen in meiner Stadt wieder-
jeden weiteren. Mit einem Bericht zum öko-
noch eine kurzfristige Perspektive: Wir tref-
zusehen. Ich hoffe auf eine Fortsetzung in
logischen Rucksack und einer Stofftaschen-
fen uns immer Dienstags in Berlin-Neukölln.
anderen Städten mit weiteren spannenden
kampagne haben wir einen Anfang gemacht.
Dort machen wir nichts anderes als zwischen
Themen!
Die Stofftaschen tragen den Schriftzug „Plas-
MitOst, Kunst und Kaffeebechern realistische
tiktüte? – Nein, Danke!“ in vielen MitOst-
Perspektiven in die Tat umzusetzen.
(Moldawien, lebt in Berlin)
(Deutschland, lebt in Berlin)
(Ungarn, lebt in Pécs)
Sprachen und werden über betterplace.org erhältlich sein. Für Perm fällt uns bestimmt auch noch eine nette Aktion ein, um auf uns aufmerksam zu machen!
MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Benjamin Spatz
Anikó Boros
Cornelia Riedel
entwickelt Visionen im Bereich Schule
organisierte ein Planspiel
wirbt Gelder für MitOst ein
Auf der vorletzten Planungskonferenz habe
Ich habe im März im Rahmen eines MitOst-
Auf der Planungskonferenz III in Berlin habe
ich mich für die Schul-AG gemeldet und bin
Mitgliederprojekts das Planspiel und die
ich mich an der Gruppe „Fundraising“ betei-
dabei geblieben: Ehrenamt soll ja schließlich
Konferenz „ChancenOst“ mit Teilnehmern
ligt. Es sind viele konkrete Ideen entstanden,
Spaß machen und mit Bürgerschaftlichem
aus Rumänien, Ungarn, der Slowakei und
wie man kurz- und mittelfristig Gelder für
Engagement habe ich im Job schon zu tun...
Deutschland organisiert. Ausgangspunkt war
den Verein einwerben könnte, etwa durch
Mein Fazit: Tolle Leute und - wie beim letzten
dabei für mich die Tatsache, dass ich hier in
die Organisation von MitOst-Veranstaltungen
Treffen- super spannende und konkrete Pro-
Berlin ständig mit den Problemen der ost-
wie Partys oder Kulturabenden. Nach der
jekte, die auch gleich in Angriff genommen
mitteleuropäischen Region konfrontiert wur-
Konferenz hat sich eine Arbeitsgruppe ge-
wurden. Wir haben Anträge geschrieben,
de. Auf die mir so oft gestellte Frage: „Was ist
gründet, die von Johannes Spranger geleitet
Ansätze der zukünftigen Zusammenarbeit
eigentlich los bei euch in Ungarn? (Finanz-
wird. Unser Ziel: 9.000 Euro für MitOst ak-
diskutiert und vor allem Ideen für die Vision
krise, gesellschaftliche Spannungen, Korrup-
quirieren, erste Aufgaben haben wir bereits
„MitOst-Schule“ entwickelt. Ich freu mich auf
tion, Machtgeflechte politischer Seilschaften,
verteilt.
das nächste Mal!
ethnische Probleme, Intoleranz, radikaler
(Deutschland, lebt in Hamburg)
(Ungarn, lebt in Berlin)
Nationalismus, Minderheitenprobleme, Antisemitismus…)“ konnte ich aber keine befriedigende Antwort geben. Während der zwei Projekttage gab es einen sehr anregenden Diskurs zu diesen Themen. Besonders das Planspiel kam sehr gut bei den jungen Teilnehmern an, einige von ihnen haben sogar das Fortsetzungsprojekt „ChancenOst 2.0“ initiiert.
MitOst Magazin #23
(Deutschland, lebt in Neustadt)
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Vereinsjahr 2009
Ein Interkultureller Garten Fernab des Großstadtlärms traf sich im Sommer 2009 eine bunte internationale Gruppe im siebenbürgischen Apold, um gemeinsam einen alten Pfarrhausgarten mit Mitteln der Naturarchitektur und des künstlerischen Gartenbaus neu zu gestalten. Von Marlen Hößelbarth Das Alte Pfarrhaus in Apold, das durch die Auswanderung der Sie-
andererseits dem natürlichen Lebensraum der Weiden und dem
benbürger Sachsen seine eigentliche Funktion verloren hat, wird seit
erhöhten Wasserbedarf gerecht werden. Das Ergebnis des Projekts
Frühjahr 2006 als Gästehaus und offene Plattform für soziokulturelle
veranschaulichte, wie sensibel und kostbar das Element Wasser ist
und ökologische Initiativen genutzt.
und welche Alternativmodelle es gibt, dieses Element sparsam, aber effizient zu verwenden, ohne es nachhaltig zu verunreinigen.
Im Mittelpunkt des MitOst-Projekts »Ein Interkultureller Garten zum Mitwachsen und Mitbauen« stand das gemeinschaftliche Bauen
Der »Interkulturelle Garten« versteht sich als Ergänzung zu den be-
und Gartenkünstlern. Innerhalb einer Woche entstand im Garten
stehenden Einrichtungen des Alten Pfarrhauses und soll den Gästen
des Alten Pfarrhauses ein Labyrinthgarten mit zahlreichen Ecken
fortan als Sommerduschgarten und Erholungsraum dienen, aber auch
und Nischen, dessen Wände aus geflochtenen Weiden- und Ha-
als gartenkünstlerisches Objekt betrachtet werden. Auf dem Grund-
selnussruten bestehen. Durch die gleichzeitig offene wie auch
stück wurden bereits ein Gemüsegarten und ein naturpädagogischer
geschlossene Struktur sind vielfältige Nutzungen möglich. Neben
Garten mit den Kindern und für die Kinder aus dem Dorf angelegt.
einem Ess- und Feuerplatz wurden Waschecken und Ruheberei-
Die geschaffenen Grundstrukturen des »Interkulturellen Gartens« sol-
che geschaffen sowie zwei Duschnischen eingerichtet, für die ein
len von Gästen und Gruppen, die das Gästehaus aufsuchen, gemäß
Solarkollektor gebaut wurde, um warmes Wasser zu erzeugen. Die
dem Konzept »Zum Mitwachsen und Mitbauen« weiter mit Nutzen
in den Ecken und Nischen der Gartenanlage eingebauten Wasser-
und Kreativität ausgebaut und gefüllt werden.
spiele und Solarduschen sollen einerseits den Erlebniswert steigern, MitOst Magazin #23
35
Vereinsjahr 2009
Teilnehmerstimmen Der riesige Garten des Alten Pfarrhauses,
For me creating the shower garden and the
Es war eine inspirierende Woche gemein-
umgeben von hohen romantischen Bäumen,
whole participation at the project was a great
schaftlichen Bauens, Gartenkünstlerns und
war ein idealer Ort, um sich auf ein »Gar-
experience and a beautiful time spent in a
Lebens. Besonders die Teilnehmer begeis-
tenabenteuer” einzulassen. Die Gestaltung
nice place with even nicer people! I`m gra-
terten uns. Sie bereicherten den Workshop
eines Labyrinthgartens war eine Einladung
teful for having a chance to join the project.
mit ihrer enormen Kreativität und sorgten für
zum Kreativsein, zur gartenkünstlerischen Tä-
Thank you very much and hope to meet you
viel Abwechslung. In kürzester Zeit entwickel-
tigkeit, zum Zusammensein. Gleichzeitig eine
at some another of your wonderful projects.
te sich innerhalb der Gruppe eine schöne Dynamik und sehr entspannte Stimmung,
Einladung zur Interkulturalität: Er hat Menschen aus verschiedenen Ländern und Kul-
Soňa Keresztesová
die sich über das praktische Arbeiten hinaus
turen zusammen gebracht. In dieser Atmo-
Slovakei, Teilnehmerin
bis in die freien Stunden erstreckte. Trotz der
sphäre haben wir mitgebaut und sind auch
täglichen großen Hitze und der sehr einfa-
mitgewachsen. Ein phantasievoller Garten ist
chen Unterkunftsverhältnisse waren alle Teil-
entstanden, er umfasst Schönes, Freies und
nehmer motiviert bei der Sache. Wir freuen
Gemeinschaftliches.
uns sehr über diese Aneignung und wir hoffen, dass sich weiterhin Menschen hier als
Mihaela Netoiu
Gartenkünstler betätigen, um den Garten
Bukarest, Teilnehmerin
weiterzubauen und wachsen zu lassen!
Marlen Hößelbarth und Leonie Rhode Projektteam
MitOst Magazin #23
36
Vereinsjahr 2009
nachbarschaft.moe Ein künstlerisches Fotoprojekt für und mit Kindern, ein Dokumentarfilm, ein Medienkunstworkshop – in sehr unterschiedlicher Form setzten sich die drei im Rahmen des Wettbewerbs nachbarschaft.moe 2009 geförderten Projektteams mit der Themenstellung auseinander. Mit dem Wettbewerb unterstützt die Schering Stiftung in Zusammenarbeit mit MitOst Kulturprojekte, die die nachhaltigen Beziehungen zwischen Nachbarländern oder in Grenzregionen Ost-, Mittel- und Südosteuropas fördern.
Drei junge Staaten, drei junge Frauen In ihrem Kurzfilm dokumentieren Alexandra Gurkova und Evgeniya Svetlakova den Lebensstil junger Frauen in Estland, der Ukraine und Armenien. Sascha Götz sprach mit Alexandra Gurkova über ihre Erfahrungen während der Dreharbeiten.
Zwei junge Russinnen aus Moskau haben sich den »verlorenen Sowjetrepubliken« angenähert. Was waren die größten Unterschiede zwischen den Frauen bzw. den Republiken? Ich kann mich nicht so gut an die Zeit erinnern, als diese drei Staaten noch der Sowjetunion angehört haben, aber ich bemerke, dass diese Staaten sich sehr selbständig entwickeln, dabei aber ihre Werte und Traditionen bewahren. Die Länder haben wir bewusst nach ihrem Verlauf von Norden nach Süden ausgewählt. So werden die Unterschiede besonders sichtbar. In Estland sind die jungen Leute europäisch gestimmt, ähnlich wie in Deutschland oder Dänemark. Die Ukrainer bewahren ihre eigenen Traditionen, entwickeln sich aber auch nach Westen hin. Man könnte sagen, dass sie sich in der Mitte zwischen Ost und West befinden. In Armenien hatten wir den Eindruck, dass das Land sehr traditionell gestimmt ist, da die Bevölkerung sehr gläubig ist und es um Werte wie Kinder, Küche und Kirche geht - was wahrscheinlich so nicht stimmt. Insgesamt kann man allerdings beobachten, dass sich die Mentalität der Menschen von Norden nach Süden hin verändert. Wie sind die Menschen dieser Länder euch begegnet, vor dem Hintergrund, dass die russische Außenpolitik die Sowjetrepubliken mehr oder weniger immer noch als berechtigte Einflusssphäre der russischen Föderation sieht? Vor allem was Estland betrifft, waren wir skeptisch, da das Land 80 Jahre von der Sowjetunion okkupiert wurde. Hier spielt insbesondere die Freiheit eine sehr große Rolle, obwohl das Leben der Menschen durch die Unabhängigkeit nicht perfekt geworden ist. Obwohl die meisten Menschen nett zu uns waren, wurden wir in der Ukraine nicht immer so gastfreundlich empfangen, da wir aus Moskau kommen. Die Russen haben kein gutes Bild von der Ukraine, obwohl es ein sehr schönes Land ist, was die Ukrainer natürlich beleidigt. Die Armenier wiederum sind den Russen sehr dankbar, da die christlichen Russen Armenien in der Vergangenheit vor den muslimischen Ländern beschützt haben. Wo wurde der Film bislang gezeigt? Wie wollt ihr weiter vorgehen?
Das vollständige Gespräch kann als Hörver-
Wir haben den Film in Estland, Armenien und Russland bereits
sion unter
präsentiert und ihn an verschiedenen Universitäten, z.B. in Erevan,
http://www.moe-kompetenz.de/category/
Moskau und Tallinn, gezeigt. Die DVDs haben wir allen Interessierten
im-profil/
weitergegeben. Auch auf dem MitOst-Festival hat der Film sehr vielen
herunter geladen werden.
gefallen. Ich würde mich freuen, wenn der Film auch in Deutschland gezeigt werden würde.
Der Film steht unter http://www.mitost.org/projekte/projektarchiv/ 2009/drei-junge-staaten-drei-junge-frauen.html zum Download bereit. MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Synoptic
Im Rahmen eines Workshops entwickelten junge mitteleuropäische Medien- und Videokünstler eine Medienkunstperformance. Der Schwerpunkt lag auf der Beobachtung des künstlerischen Transformationsprozesses. Untersucht wurde das Verhältnis zwischen Werk, Künstler und Publikum. Das Projektteam um die Ungarin Hajnal Szolga ging der Frage nach, wie man das Individuum oder das Publikum in die Intimsphäre des Werkes und des Künstlers einbeziehen kann, so dass diese »Heilige Dreifaltigkeit« eine harmonische Einheit bildet und der Zuschauer zum Akteur und Darsteller des Vorgangs wird. Die Methode von Synoptic lag in der experimentellen, innovativen Werkstattarbeit, die durch eine bewusste Interdisziplinarität gekennzeichnet war. Durch die Verschmelzung verschiedener kultureller, künstlerischer und technischer Kontexte sollte eine Interaktivität und Intermedialität erzielt und neue Richtungen der Verflechtung von Kunst und Wissenschaft erprobt werden. Durch den bewussten Umgang mit dem Publikum wollte das Projektteam auch Laien mit dem aktuellen Stand der zeitgenössischen Kunst vertraut machen und den Zugang zu ihr fördern. Das Projekt bot die einmalige Chance, unterschiedliche Medienkunst-Vertreter aus Deutschland und seinen mitteleuropäischen Nachbarländern zusammen zu bringen und langfristige Partnerschaften entstehen zu lassen.
donauabwärts
Eine fotografische Reise entlang der Donau, durch Deutschland, Österreich, die Slowakische
9 Länder 11 Städte 312 Schüler 1620 Fotos 5000 Kilometer 1 Fluss
fiewerk. Jedes der Kinder bekam eine Einwegkamera und die Aufgabe, mit drei Aufnahmen
Republik, Ungarn, Kroatien, Serbien, Rumänien, Bulgarien und die Ukraine: Grenzen überschreitend produzierten 312 Kinder verschiedener Nationalitäten ein gemeinsames Fotogradie Donau zu fotografieren. Christine Frick, Kunstlehrerin des Albert-Schweitzer-Gymnasiums Erlangen, plante mit je einer Schulklasse einen Ausflug an die Donau. Die belichteten Negativfilme wurden anschließend gescannt und als zweieinhalb Meter lange Streifen gedruckt. Das optische Ergebnis entspricht einem vergrößerten analogen Kontaktabzug, auf dem die belichteten Bilder als auch die schwarze Perforation mit den Zahlen der Bilder zu sehen sind. So sind alle Belichtungen authentisch, ungekürzt und ungeschnitten in ihrer Abfolge zu sehen. Die Fotografen eines Films lassen auf diese Weise ein gemeinsames Werk entstehen: Ausschnitte der Donau entlang ihres Verlaufs, auf einen Negativfilmstreifen gebannt. Die Donau fließt nun ausgedruckt die Länge des ganzen Films mit seinen 27 Bildern entlang, dreißig Mal auf je zweieinhalb Metern, und gibt die Eindrücke der Projektteilnehmer wieder. Was Christine Frick auf ihrer Tour »donauabwärts« so alles erlebt hat, erfährt man in ihrem Reisebericht unter http://www.mitost.org/projekte/projektarchiv/2009/donauabwaerts.html.
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Vereinsjahr 2009
Mehr Mitgliederprojekte 2009…
Altai: alles andere als homogen
KinoTour Polska – Deutschland
Russland
Polen und Deutschland
20. bis 25. August 2009
03. bis 13. Oktober 2009
Projektleiterin: Oxana Zenner
Projektleiterin: Natalia Kukielko
Altaiische, russische und kasachische Teilnehmer gingen der Multikulturalität des Zusammenlebens ihrer Volksgruppen in der Republik Altai auf den Grund. Die Teilnehmer diskutierten mitgebrachte Fotografien und solche, die sie bei der Erkundung der Hauptstadt der Republik während des Seminars gemacht hatten. Die so entstandene Auswahl wurde in Gorno-Altaisk selbst, in Nowosibirsk, Danzig und in Berlin ausgestellt.
Das Projektteam nahm sich der Aufgabe an, den deutschpolnischen Dialog nicht an der Grenze zu belassen, sondern auch ins Landesinnere der beiden europäischen Nachbarn zu tragen. An sieben Stationen zwischen Olsztyn und Berlin trafen sich deutsch-polnische, polnische und deutsche Vereine und Kulturschaffende zum Gespräch. Mit Kurzfilmen von Regisseuren beider Länder wurden die Begegnungen thematisch unterfüttert und neue Perspektiven für den Dialog aufgezeigt.
Ein Fotoprojekt zu organisieren bedeutet… viel Aufwand, aber auch eine große Befriedigung, wenn man das Ergebnis sieht.
Ein Filmprojekt zu organisieren bedeutet… den eigenen Spaß
Das Schwerste? Fällt mir gerade überhaupt nicht ein!
mit einem Beitrag für die Gesellschaft zu verbinden. Es bedeutet eine
Das Schönste? Die Leute zu begeistern.
Idee zu verwirklichen und anderen eine Chance zu geben, sich daran
Das Schlimmste? Wenn die Mitarbeiter eines Museums, wo deine
zu beteiligen.
Ausstellungseröffnung stattfindet, kein Interesse haben, diese anzu-
Das Schwerste? Genug Zeit und Geld dafür zu finden.
schauen.
Das Schönste? Die Zusammenarbeit mit den Teilnehmern, die Ent-
Der gute Rat? Alles gut vorab planen, aber nicht enttäuscht sein,
wicklung des Projekts, das Gefühl der Gemeinsamkeit und vor allem:
wenn nicht alles nach Plan läuft.
das Gefühl, dass man das Richtige macht.
Das nächste Projekt? Ideen gibt es viele! Man muss sich nur für
Das Schlimmste? Die Unsicherheit, die Angst, dass gewisse Dinge
eine entscheiden...
nicht laufen werden. Der gute Rat? Wenn man das Projekt nicht im ganzen Herzen und Körper spürt, wenn nicht bei jedem Schritt Adrenalin ausgeschüttet wird, sollte man es sein lassen.
MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Wo endet Europa?
Lerne Deutsch im Vorbeigehen!
Russland
WWW
30. Januar bis 08. Februar 2009
Dezember 2009
Projektleiter: Sebastian Gaudigs
Projektleiterin: Irina Posrednikova
Das Jugendtheaterprojekt stellte die Frage, wie berechtigt die strikte Trennung Europas und Asiens entlang des Urals ist. 20 Teilnehmer waren aufgefordert, dieser Frage in der Diskussion auf den Grund zu gehen. Um ihre Erkenntnisse zu verarbeiten, lernten sie die Aktionsform des Unsichtbaren Theaters, also die Aufführung von Szenen im öffentlichen Raum ohne Wissen des Publikums, kennen und wendeten sie auf den Straßen von Krasnojarsk an. Dabei entwickelten sie ein Bewusstsein für eigene Handlungsspielräume und eine unkonventionelle Methode der Kommunikation.
Jede lebende Sprache unterliegt Veränderungen, die sich nicht in Wörterbüchern widerspiegeln. Wer als Deutschlernender mit Muttersprachlern in Kontakt kommt, kann schnell knifflige oder peinliche Situationen erleben. Wichtig ist es dann, nicht in Panik zu geraten, sondern daraus zu lernen. Darum geht es im Projekt »Lerne Deutsch im Vorbeigehen«: Sich neue deutsche Wörter anhand von bestimmten Situationen einzuprägen. Das Projekt kann im Blog www.kreativesschreiben.wordpress.com nachgelesen werden. Ein Webprojekt zu organisieren bedeutet… die Idee kreativ und
Ein Theaterprojekt zu organisieren bedeutet… einen innovati-
treffend darzustellen, Teilnehmer zu finden und das Webprodukt zu
ven Weg von einem Problem zu seiner Lösung einzuschlagen, dabei
pflegen.
viel zu lernen und Spaß zu haben.
Das Schwerste? Die Zeit zu finden, um sich hinzusetzen, nachzu-
Das Schwerste? Die Finanzierung zusammen zu sammeln und po-
denken und – ohne das Ganze auf die lange Bank zu schieben –
tentielle Teilnehmer von der Projektidee, die man selbst so innovativ
gleich die neuen Beiträge zu schreiben.
findet, zu begeistern.
Das Schönste? Die Geschichten aus dem Blog Deutschen zu erzäh-
Das Schönste? Wenn alles klappt und man nach dem gelungenen
len und ihre Reaktionen zu beobachten.
Projekt zusammen mit den Teilnehmern feiern kann - und wenn man
Das Schlimmste? Keine Zeit zu finden, den Blog zu pflegen.
das Gefühl hat, seine Projektziele erreicht zu haben.
Der gute Rat? Für ein Projekt, in dem es um Worte geht: sich alles
Das Schlimmste? Zu hoher Erwartungsdruck an sich und die Teil-
merken, aktiv zuhören, nachfragen, Notizen machen und danach erst
nehmer. Niemand braucht ein Projekt als Selbstzweck.
schreiben.
Der gute Rat? Kein Projekt entsteht in Einzelarbeit – ein gutes Pro-
Das nächste Projekt? »Lerne Russisch im Vorbeigehen« für Rus-
jektteam, in dem sich alle über die gemeinsamen Ziele bewusst sind,
sischlernende.
ist das A und O. Das nächste Projekt? Hat längst begonnen – und es ist nicht nur eins, weshalb meine Antwort hier kurz ausfallen muss.
MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Gemeinsam Heldenhaftes vollbringen
Rasend durch Prag
Albanien und Mazedonien
Projektleiter: Josef Urbanek
Tschechien 22. bis 26. April 2009
Januar – Mai 2009
Das Theaterprojekt »Gemeinsam Heldenhaftes vollbringen« war ein Kooperationsprojekt zwischen den Universitäten in Durrёs (Albanien) sowie Skopje und Tetovo (Mazedonien). Studenten der Anglistik und Germanisitk inszenierten B. Shaw´s »Arms and the Man – Helden« im englischen Original. Das Stück wurde im Rahmen einer Tournee durch vier albanische und mazedonische Städte aufgeführt.
Über Jahrhunderte hinweg haben deutsche, tschechische und jüdische Wurzeln Prager Kunstschaffende geprägt. 10 deutsche und 10 tschechische Schüler und Schülerinnen setzten sich – in der Tradition des »rasenden Reporters« Egon Erwin Kisch immer unterwegs in der Stadt – mit dieser besonderen kulturellen Symbiose in vier thematischen Workshops auseinander: Musik, Literatur, Fotografie und Dokumentation. Die Ergebnisse wurden im Goethe-Institut präsentiert.
Projektleiterin: Charlotte Siegerstetter
Ein Theaterprojekt zu organisieren bedeutet… zu erleben, wie
Eine Jugendbegegnung zu organisieren bedeutet… eine rie-
anfängliche Zurückhaltung, Angst und Scham schmelzen wie Eis und
sige Koordinierungsarbeit und nicht zuletzt bis in die letzte Stunde
sich in eine Fülle von Emotionen, Spannung und Stolz verwandeln.
hinein eine absolute Flexibilität des Projektteams. Wenn die Begeg-
Das Schwerste? Den Stress nicht an den Teilnehmern auszulassen,
nung stattfindet, bedeutet es Spaß, Unterhaltung und unvergessliche
sondern sich immer bewusst zu sein, dass man selbst den Projekt-
Erinnerungen.
plan geschrieben hat: Vier Aufführungen in vier verschiedenen Thea-
Das Schwerste? In kritischen Momenten nicht aufzugeben.
tern in vier verschiedenen Städten mit einer Gruppe von Amateuren.
Das Schönste? Das Lob der zufriedenen Teilnehmer.
Ich muss verrückt gewesen sein!
Das Schlimmste? Schlechte Laune, die manchmal eben ausge-
Das Schönste? Wenn die Gruppe zusammenwächst und der The-
klammert werden muss.
aterfunke überspringt: »Geht schon mal vor zum Abendessen, wir
Der gute Rat? Voll motiviert und begeistert an die Sache herangehen!
proben unsere Szene noch einmal...«
Das nächste Projekt? Zeitzeugengespräche an deutschen und
Das Schlimmste? Wenn ein Schauspieler wegen Depression aus-
tschechischen Schulen.
steigen muss, wenn zwei Teilnehmer (die im Stück ein Liebespaar spielen) sich so sehr streiten, dass eine weinend sagt »Ich kann mit diesem Menschen nie wieder sprechen«, wenn sich eine Teilnehmerin bei der ersten Aufwärmübung den Fuss verdreht und das ganze Probenwochenende getragen werden muss, wenn eine Teilnehmerin schwanger wird und ihre Familie ihr nicht erlaubt auf die Aufführungstournee mit zu kommen.... Kann man das als »das Schlimmste« bezeichnen? Ich denke nicht, wir sind ja überall irgendwie durchgekommen! Der gute Rat? Spielt alle Theater, das Leben ohne Schauspielerei ist ein grauer Regentag. Das nächste Projekt? Das Projekt »Kulturdiplomaten« mit Teilnehmern aus Albanien, Mazedonien und Bulgarien. Selbst geschriebene Texte zum Thema Essen werden zu einer Theateraufführung verbunden, einem kulinarischen Menü mit Speisen, die auf dem ganzen Balkan zubereitet werden: Baklava, Byrek, Tarator, Kaffee etc. MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Mit Musik gegen Passivität
Schatten
Ukraine und Polen
Tschechien
Januar bis April 2009
10. Februar 2009
Projektleiterin: Edita Ullmann
Projektleiter: Thomas Kirschner
Jugendlichen in der ukrainischen Kleinstadt Swaljawa die Chance und den Mut zu Engagement zu geben war Ziel des Begegnungs- und Kulturprojektes »Mit Musik gegen Passivität«. Die Swaljawaer Band »Tropfen der Hoffnung« erarbeitete gemeinsam mit Jugendlichen aus Polen ein Programm, das am Kindertag vorgeführt und auf einer CD veröffentlicht wurde.
Exakt an ihrem 75. Todestag erinnerte im Prager ClamGallas-Palais eine literarisch-musikalische Akademie an die Pragerin Ossip Schubin (1854-1934), zu ihrer Zeit eine der populärsten deutschen Autorinnen. Eine biographischbelletristische Lesung von Schubin-Texten gab eine skizzenhafte Einführung in Leben und Werk; Höhepunkt des Abends war die musikalische Dramatisierung einer Schubin-Novelle durch das Münchener Kammerensemble
Ein Musikprojekt mit Nichtmusikern zu organisieren bedeutet... Geduld aufbringen zu können und Vertrauen in die eigene Kraft
Das Schwerste? In Zeiten globaler Krisenstimmung private Förderer
zu haben.
zu finden. Eine dramaturgische und kompakte Auswahl aus den über
Das Schwerste? Die Arbeit im Team und die Rollen- bzw. Aufga-
lange Jahre angesammelten Texten zu treffen. Was kann man weglas-
benverteilung darin.
sen? Was interessiert das Publikum?
Das Schönste? Gute Ergebnisse genießen zu können. Die Arbeit im
Das Schönste? Die Unterstützung – dass sich so viele Menschen
Team, wenn Rollen und Ziele klar sind.
das Projekt zu eigen gemacht haben. Das große Publikum in dem
Das Schlimmste? Auf jeden Fall der Zeitdruck.
prächtigen Barocksaal.
Der gute Rat? Man muss spüren, wie man sich »korrekt« durchsetzt
Das Schlimmste? Es gibt eine Menge Fotos von dem Abend – aber
- und nie Panik ausbrechen lassen!
keines von der begleitenden Ausstellung, die in drei Vitrinen Doku-
Das nächste Projekt? Unbedingt und bald! - to be continued...
mente aus Schubins Leben zeigte. Der gute Rat? Der gleiche wie letztes Mal: Alles NOCH FRÜHER machen.
MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Kleinstprojekte bei MitOst
Ohne großes Tam-Tam Habt ihr schon mal den Satz »Projekte bilden das Herzstück von MitOst« gehört? Ivelina Kovanlashkas Herz schlägt vor allem für Kleinstprojekte.
Für mich steht nach anderthalb Jahren im Projektbeirat fest: Kleinst-
so gut gewirtschaftet, dass sogar Mittel für die Durchführung eines
projekte sind die charmanteste »Lebensform« bei MitOst! Engage-
zusätzlichen Workshops in Novosibirsk übrig blieben.
ment und Kreativität drücken sich nicht unbedingt in großen, professionell abgewickelten Projekten aus. Mit viel Motivation und kreativen
Ein Fotokurs für Kinder aus dem Kinderdorf Skopje, der den Teilneh-
Zugängen zu den gewählten Themen erzielt man mit wenig Geld
menden hilft, ihre Potenziale zu entdecken, bei dem sie ihre Umge-
große Wirkungen.
bung und die eigene Empfindungen auf Film abbilden und daraus im Anschluss eine Ausstellung gestaltet – auch das wurde möglich im
Menschen lassen sich durch kreative Lösungen auch ohne aufwändi-
Rahmen eines Kleinstprojekts.
ge Reisen und umständliche Vorbereitungen zusammenbringen. Ein schönes Beispiel dafür ist das Projekt »Glücksgrüße von Zuhause«,
Kleinstprojekte bei MitOst sind ein Spielfeld für engagierte Menschen,
das Schüler aus Weimar und der tschechischen Stadt Opava durch
die sich im Projektemachen ausprobieren oder auch bestätigen
den Austausch von selbst gestalteten Postkarten mit den ganz per-
möchten, die ohne großes Tam-Tam ein bewegendes Vorhaben auf
sönlichen Glücksorten zusammenbrachte.
die Beine stellen wollen und damit andere Menschen mobilisieren, sich für ein Thema oder ein Problem zu interessieren.
Gesellschaftlich relevante Themen wie z.B. Globalisierung (ein gleichnamiges Kleinstprojekt fand an einer Universität in Sofia statt) können auch in Workshops und kleineren Runden thematisiert werden – der gewünschte Austausch wird vielleicht sogar effektiver erreicht als im großen Konferenzrahmen. Lernen kann Spaß machen und sogar ganz nebenbei geschehen. Davon zeugt der Workshop »Deutsch im Vorbeigehen« für Deutschlernende und der daraus entstandene Blog (http://kreativesschreiben.
Mit dem Kleinstprojekt-Format fördert MitOst Vorhaben von Mitglie-
wordpress.com/). Das Projektteam hat bei der Organisation in Berlin
dern mit maximal 350 Euro. MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
MitOst wird zum betterplace Als Innovationsstipendiat hat Julian Gröger MitOst und die Spendenplattform betterplace zusammen gebracht. Was für Chancen bietet das für den Verein?
Auf der Spendenplattform betterplace.org kann jeder sein Projekt in die Öffentlichkeit tragen und dafür Fürsprecher, Mitmacher und Spender gewinnen. Man kann dort direkt einzelne Projekte von großen Organisationen unterstützen und außerdem Rücksprache mit den Verantwortlichen halten. Seit März 2010 ist unter den eingetragenen Organisationen auch MitOst vertreten und wird dort in Zukunft nicht nur seine attraktiven Projekte zur Schau stellen und damit für eine größere Außenwirkung sorgen, sondern auch Gelder, Interessenten und mögliche zukünftige Mitglieder sammeln. Ist betterplace also ab jetzt die Lösung für alle finanziellen Probleme? Nicht unbedingt. Die Erfahrung mit dieser Plattform zeigt, dass es nicht viel bringt, einfach Projekte reinzustellen und dann zu warten, bis das Geld zusammen gekommen ist. Wir Mitglieder müssen rein in dieses Netzwerk und dann wiederum unsere Netzwerke nutzen und aktivieren, damit unsere guten Projekte wirklich Gehör und Geld finden. Daher der Aufruf an alle Mitglieder: Guckt euch die Plattform mal an! Es funktioniert prinzipiell ähnlich wie andere Netzwerke (facebook etc.). Man kann sich registrieren und dann findet ihr unter »Organisationen« auch MitOst und da könntet ihr euch »mit Organisation verbinden«. Es wäre gut, wenn möglichst viele Mitglieder als »Mitarbeiter« dort sichtbar wären. So heißen Mitglieder in der betterplace-Sprache. Noch so ein Netzwerk? Nochmal registrieren? Wieder mehr Mails im Postfach? Ich würde euch dies nicht vorschlagen, wenn ich nicht absolut überzeugt davon wäre, dass es den Verein nach vorne bringen kann. Schon bald werden die ersten MitOst-Projekte dort sichtbar sein, die ihr dann auf vielfältige Weise unterstützen könnte. Ich freue mich auf dieses Experiment und über jeden Unterstützer!
MitOst lebt vom Engagement seiner Mitglieder und wird auch von den Mitgliedern gestaltet. Fünf dieser Mitglieder haben vor kurzem eine Ökogruppe gegründet, um MitOst so zu gestalten, dass sie sich auch weiterhin mit ihrem Verein identifizieren können. Als ersten Schritt erstellte die Gruppe
Grüner werden
einen »ökologischen Rucksack« und berechnete den von MitOst verursachten CO2-Ausstoss für das Jahr 2009, um zu schauen, an welchen Stellen der Verein umdenken muss. Darauf basierend sprach die Gruppe einige Empfehlungen aus, die v.a. das Flugverhalten der Mitglieder, der Gremien und der Geschäftsstelle betreffen. Diese Empfehlungen sollen nun im Vorstand und in der Mitgliedschaft diskutiert werden. Nachzulesen ist der Bericht der Ökogruppe im internen Bereich der MitOst-Homepage.
MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Begeistert von Ideen Der Projektbeirat 2009/2010
Die Mitgliederprojekte sind das Herz des Vereinslebens und Ausdruck des aktiven Engagements der Mitglieder im MitOst-Kosmos. Doch bevor eine Projektidee umgesetzt werden kann, muss sie sich einer strengen Prüfung stellen: Sieben in der Projektarbeit erfahrene Mitglieder entscheiden, welche der vielen guten Ideen gefördert werden – und welche nicht. Ein Einblick in die Welt der Projektbeiräte. Die Fragen stellte Lisa E. Wagner.
HINTEN, VON LINKS NACH RECHTS: CAROLIN RÖLLE, ESZTER KOVÁTS, ELISA SATJUKOW, IVELINA KOVANLASHKA, MARTIN HOFMANN. VORN: CHRISTINE FRICK, JULIAN GRÖGER
Christine Frick
Wen bewunderst du für ihren/seinen Mut?
Nenne drei alternative Begriffe für »Engagement«!
schön, ein paar von ihnen tauchten immer rechtzeitig dann in mei-
Der Duden von 2004 bietet »Aktivität, Anstrengung, Anteilnahme, Be-
nem Gedächtnis auf, bevor ich mich vom Gemecker und Gejammer
teiligung, Bindung, Energie, Eifer, Einsatz, Hingabe, Mitwirkung, Kraft-
des Alltags verführen lasse.
...da wären Moses, Jesus, Mohammed, Buddha… Es gibt viele, die zu bewundern sind, manche mir näher, manche weiter weg. Es wäre
anstrengung, Teilnahme, Verbundenheit, Verpflichtung« an. Das sind nun leider 14 alternative Begriffe, aber alle passen!
Christine Frick wohnt in Forchheim/Nordbayern, arbeitet als Kunstlehrerin am Gymnasium, freischaffend als Künstlerin und leitet eine
Worauf achtest du bei der Auswahl eines Projekts?
kleine private Werkschule für Kinder (www.werkstatt-forchheim.de).
»Originalität« ist mir sehr wichtig; das ist nun auch so ein abgegriffenes Wort wie »Engagement«... Hier springt mein Duden zwischen »originell« (»neuartig«) und »original« (»ursprünglich«) hin und her. Mir ist eine Mischung der beiden Begriffe wichtig: ich suche in einem Antrag nicht unbedingt etwas zwingend Neues, möchte aber spüren
Julian Gröger
können, dass hinter einer Projektidee etwas steckt, was mit dem in-
Worauf achtest du bei der Auswahl eines Projekts?
neren Interesse des Projektleiters eng verknüpft ist.
MitOst ist keine Stiftung. MitOst-Projekte sollten daher möglichst viele MitOst-Mitglieder in Bewegung setzen. MitOst Magazin #23
45
Vereinsjahr 2009
Was sind deiner Meinung nach die drei wichtigsten Inhalte, die
was Feines aus wenig zu machen. Es gibt bei MitOst wunderschöne
man in einem Projekt vermitteln kann?
Beispiele für Kleinstprojekte, z.B. »Glücksgrüße von Zuhause« oder
Wer ein bisschen Zeit und Mut investiert, bekommt noch viel mehr
»Deutsch im Vorbeigehen«.
Energie zurück. Alles außerhalb des Alltags eröffnet eine neue Perspektive auf sich selbst und seine Umgebung. Wir alle sind ein biss-
Was sind deiner Meinung nach die drei wichtigsten Inhalte, die
chen verrückt und das ist auch gut so.
man in einem Projekt vermitteln kann? Es geht, Hauptsache, du willst. Miteinander können wir. Man soll da-
Welches Projekt würdest du selbst gern organisieren?
bei auch Spaß haben.
Baumpflanzaktionen in den rumänischen Karpaten mit integrierter Wanderung.
Ivelina Kovanlashka wohnt in Berlin und arbeitet als Programmassistentin beim Theodor-Heuss-Kolleg, nebenbei schließt sie gerade ihr
Julian Gröger wohnt in Berlin, studiert Umweltmanagement und
Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaft ab.
pflanzt Bäumchen.
Martin Hofmann
Carolin Rölle Worauf achtest du bei der Auswahl eines Projekts?
Wen bewunderst du für ihren/seinen Mut?
Wichtig finde ich, dass viele Menschen an einem Projekt beteiligt
»Mama« Muriel Sigasa, eine Pastorenwitwe aus Soweto/Südafrika, die
werden, jedoch nicht nur passiv teilnehmen, sondern aktiv dabei sind
ein Heim für Straßenkinder aufbaute, nachdem eines Morgens ein
und eingebunden werden.
Hund einen Babykopf vor ihrer Haustür abgelegt hatte. Die Bewohner von Tresnjevac/Oromhegyes in Serbien, die sich weigerten, beim Ju-
Wen bewunderst du für ihren/seinen Mut?
goslawienkrieg mitzumachen.
Ich bewundere die Menschen, die ihren Prinzipien treu bleiben, auch wenn sie gegen den Strom schwimmen müssen, diejenigen, die für
Was sind deiner Meinung nach die drei wichtigsten Inhalte, die
eine gute Sache kämpfen und andere motivieren, sich ebenfalls ein-
man in einem Projekt vermitteln kann?
zusetzen. Es gehört Mut und Durchsetzungsvermögen dazu, Prinzi-
Dreimal »viel«, wie in dem Kinderlied: Viele kleine Leute an vielen
pien zu leben.
kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern.
Welches Projekt würdest du selbst gern organisieren? Ein Projekt im Bereich bürgerschaftliches Engagement in Belarus.
Welches Projekt würdest du selbst gern organisieren?
Erste Ideen haben wir in der AG Bürgerschaftliche Bildung schon ge-
Ein Musik- und Tanzseminar, bei dem Schüler und Studenten aus
sammelt
verschiedenen Ländern Stücke und Tänze aus ihrer Heimat mitbringen und sie den anderen beibringen. Eine andere Idee ist, mit Stu-
Carolin Rölle wohnt in Stuttgart und arbeitet als Assistentin im Pro-
denten aus Polen, Deutschland und Rumänien Erinnerungsorte an
gramm »Robert Bosch Kulturmanager in Mittel- und Osteuropa«.
das Jahr 1989 aufzusuchen und durch die Verknüpfung von Orten und Familienbiographien einen Bezug zur Wendezeit herzustellen. (Ist eigentlich die Fortsetzung eines Lektorenprojekts.) Martin Hofmann wohnt in Griesheim und promoviert zum Thema
Elisa Satjukow
städtische Erinnerungskulturen am Beispiel des Umgangs mit dem
Nenne drei alternative Begriffe für »Engagement«!
Jahr 1989 in Leipzig und Temeswar.
Thesaurus sagt: Einstellung, Leidenschaft. Ich füge hinzu: Zivilcourage.
Ivelina Kovanlashka
Worauf achtest du bei der Auswahl eines Projekts?
Nenne drei alternative Begriffe für »Engagement«!
tragstellerIn sich für seine/ihre Idee begeistert, motiviert und auch
Ich finde den Begriff schön und benutze ihn gern, dahinter kann
kompetent in der Umsetzung seines/ihres Projektes ist.
Innovation, Ergebnis- und/oder Prozessorientiertheit, Methodik, Sprache, und nicht zuletzt: Herzblut. Ich muss merken, dass der/die An-
sich eine ganze Menge verbergen: Optimismus, Willen und Wollen, Offenheit für andere und für die eigene Umwelt, Freundschaft, Kol-
Welches Projekt würdest du selbst gern organisieren?
legialität, Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft – letztlich ein aktives
Ein Feature über die Beziehungsgeschichte deutsch-russischer Famili-
Leben und Teilhabe an gesellschaftlichen Geschehnissen.
en in Deutschland, speziell die der Kinder und des Elternteils aus der ehemaligen Sowjetunion.
Worauf achtest du bei der Auswahl eines Projekts? Am Herzen liegen mir besonders die Kleinstprojekte, weil sie mit
Elisa Satjukow wohnt in Leipzig und Berlin und studiert osteuropäi-
viel Enthusiasmus und Engagement realisiert werden. Mit viel Geld
sche Geschichte, Literaturwissenschaft und Russistik.
ein Projekt zu machen ist nicht so schwer. Die Kunst liegt darin, etMitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Europa im Dialog
Junge Journalisten schreiben über die Wende
FOTO: STEFAN MARIA ROTHER
Zum 20. Jubiläum der friedlichen Revolution schrieb MitOst im Jahr 2009 den Internationalen Journalistenpreis »1989 – 2009: Europa im Dialog« aus. Projektleiterin Joanna M. Rother stellt den Wettbewerb und seine Ergebnisse vor.
»Die Welt muss sich ändern…! Wir sind die Welt…!«, rief der Frie-
Die Auswahl wurde in einem mehrstufigen Auswahlverfahren durch-
densnobelpreisträger Michail Gorbatschow den Versammelten wäh-
geführt, bestehend aus Sitzungen der Vorjury und Jury, besetzt mit re-
rend des Reformprozesses der »Perestroika« in Russland zu. Auch die
nommierten Experten und Journalisten angesehener Zeitungen und
Medien erhielten im Jahr 1989 eine neue politische Rolle. Bei dem
Zeitschriften (darunter Marc Bermann von der Robert Bosch Stiftung,
Umbruch in Mittel- und Osteuropa waren sie die entscheidenden
Alfhild Böhringer von der European Youth Press, der ukrainische Publi-
länder- und grenzübergreifenden Informationsträger der damaligen
zist Juri Durkot, Adam Krzemiński von der polnischen Wochenzeitung
Ereignisse. 1989 war das Jahr der deutschen Wende, der Zeit der
POLITYKA, Claus C. Malzahn von SPIEGEL ONLINE, Ivan Rodionov
Emanzipation und Befreiung in Mittel- und Osteuropa, aber auch das
vom russischen TV-Nachrichtensender Westi24, Andrea Seibel von
Ende des Kalten Krieges zwischen Ost und West.
der WELT und der Berliner Morgenpost, Luise Tremel von der Bundeszentrale für politische Bildung sowie Bernd Ulrich, stellvertretender
Zwanzig Jahre danach befindet sich Europa im neuen Dialog. Wie
Chefredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT).
wirkt sich das Jahr 1989 auf die Europäische Union der inzwischen 27 Staaten aus? Wie gestalten sich die Grenzen Europas zwanzig Jahre
Im November 2009, dem historisch bedeutenden Monat für das Ju-
nach der Wende? Welche Themen von damals interessieren die jun-
biläum des Jahres 1989, kamen bei der feierlichen Preisverleihung
ge Generation von heute?
im Collegium Hungaricum Berlin die 10 nominierten Autorinnen und Autoren zusammen. Darüber hinaus nahmen sie in der Stadt des
Im Rahmen des von MitOst ausgeschriebenen Internationalen Jour-
Mauerfalls an einem Medienprogramm teil und besuchten erfahrene
nalistenpreises »1989 – 2009: Europa im Dialog« suchten Print- und
Journalisten in den Redaktionen der Wochenzeitung DIE ZEIT und
Online-Journalisten im Alter von 18 bis 35 Jahren aus über 15 euro-
des Magazins DER SPIEGEL. Ebenfalls auf dem Programm stand ein
päischen Ländern Antworten auf diese Fragen.
zweitägiges Medientraining mit dem Schwerpunkt Fotografie in der Berliner Journalistenschule.
Thematische Vielfalt und stilistischer Reichtum zeichneten die insgesamt 53 eingereichten Arbeiten aus. Während es in den Texten aus
Die zehn besten Arbeiten des Internationalen Journalistenpreises sind
Albanien, Kirgistan, Moldawien, Rumänien und Transnistrien oft um
in einer Fachpublikation erschienen.
die Frage der neuen Grenzen Europas ging, vermittelten die nominierten Beiträge aus Deutschland, Polen und Tschechien eher einen
Der Wettbewerb wurde von der Robert Bosch Stiftung, der Ha-
subjektiven Eindruck des selbst als Kinder oder Jugendliche erlebten
niel Stiftung und durch die Europäische Union im Rahmen des
Jahres 1989.
Programms »Europa für Bürgerinnen und Bürger« 2007-2013 gefördert. MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Auszüge aus den eingesandten Texten Michal Hvorecky (SK), »Der Sommer, in dem meine Kindheit endete«, 1. Preis der Jury
Ja gestimmt. Es war die Zeit, als Gozdnica dabei war, unterzugehen.
Auch die anderen Touristen waren in den ostdeutschen Autos aus
Grenze. In Berlin ist man schneller als in Warschau. Ein Rabe ist das
Duroplast angereist, die auf der Heckklappe den absurden Schrift-
Wappenzeichen der Stadt, Schornsteine würden besser passen. Denn
zug de Luxe trugen. Überall hörte ich den zischelnden sächsischen
sie sind überall. Als Gozdnica noch Freiwaldau hieß, entstand hier die
Dialekt. Etwas lag in der Luft. Die enorme Spannung spürten auch
erste Dachziegelfabrik. Die Ziegel aus Freiwaldau steckten im Leipziger
die Kinder. Die entsetzlichen Gemeinschaftswaschräume, in die man
Hauptbahnhof und in einer Kirche auf dem Jerusalemer Ölberg. Fast
sich schämen würde, Rinder hineinzutreiben, waren voll mit nervö-
200 Jahre lang ließ die Baukeramikindustrie die Gemeinde wachsen.
sen Menschen. Nie sprach man über die Sonne oder über das Türki-
Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks kamen die Globalisierung
sche Bad, immer wurde nur konspirativ und geheimnisvoll geflüstert.
und der Abstieg, heute zieht durch die meisten Fabriken nur noch der
Mir war das ziemlich egal. Meine Welt drehte sich nur um die leckeren
Wind. »Gozdnica hat eine Rettung gebraucht«, sagt Plaziak.
4000 Einwohner, acht Kilometer Luftlinie bis zur deutsch-polnischen
Schokoladenpalatschinken, die Plakate von Sandra und Michael Jackson (der damals noch schwarz und äußerst lebendig war) und die in
Yaryna Borenko (UKR), »Fünfundachtzig Millimeter«
meiner Heimat verbotenen Comic-Hefte in einer Sprache, die ich aus
Nach 1989 ist Čierna (ph. Tschernja) leer geworden. Das Leben ist
Trotz nicht verstand: »Köszönöm szépen!«
hier wie im benachbarten Zakarpatia eintönig, hinterwäldlerisch und kriminalisiert durch einen der beliebten Wege für illegale Migration
Anna Wakulik (PL), »Himmel über Berlin oder: (Nichts) Neues im Westen«, 2. Preis der Jury
und Schmuggel…
Ich frage mich immer, wo die Mauer war. Als ich im Oktober ankam, war mir bewusst, dass diese Stadt einer gewaltigen, schlecht
Veronika Wengert (D), »SLOWENIEN/ITALIEN: Eine Stadt mit zwei Gesichtern«
vernähten Wunde gleicht, die durch irgendein Wunder zu neuem
Seit der EU-Erweiterung vor fünf Jahren wachsen das slowenische
Leben erwacht ist. »Blood is liquid that dries very fast”, hat Charles
Nova Gorica und das italienische Gorizia langsam zusammen […]
de Gaulle einmal gesagt. Wie die hier es schaffen, normal zu leben,
Ettore Romoli, konservativer Bürgermeister von Gorizia. Romoli lehnt
nachdem sie aufgestanden sind, sich die Geschichte von den Hosen
sich in einem Polstersessel mit den barocken Holzfüßen zurück und
geklopft haben, und wie sie jetzt einfach weitergehen können, weiß
fährt sich durchs schlohweiße Haar. Eine Explosion habe es im Hin-
ich nicht.
blick auf die bilateralen Beziehungen jedoch nicht gegeben. »Es ist eine Annäherung, die sich langsam entwickelt«, so Romoli. Mit dem
Agnieszka Hreczuk (PL), »Zusammen kann man mehr«, 3. Platz der Jury
EU-Beitritt Sloweniens habe sich zwar einiges intensiviert, maßgeb-
»Die EU war für uns eine Chance«, sagt der Bürgermeister des anderen
Dezember 2007 gewesen. »Die Veränderungen waren dabei eher
Orts, der von Gozdnica. Er heißt Zdzislaw Plaziak und hat damals mit
psychologischer Natur«, sagt Romoli.
FOTO: STEFAN MARIA ROTHER
licher sei jedoch das Inkrafttreten des Schengen-Abkommens im
MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Herkunft - was bedeutet das?
Deutsche, jüdische und arabische Jugendliche beschäftigen sich mit den Themen Flucht, Vertreibung und Migration Im Rahmen der Ausschreibung 2008/2009 des Programms EUROPEANS FOR PEACE beschäftigten sich die Jugendlichen mit aktuellen und historischen Fragen zum Thema »Herkunft und Vielfalt«. Im Mittelpunkt der 71 Schul- und Jugendprojekte standen die Fragen »Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wie vielfältig war und ist Europa mit seinen Kulturen, seinen Menschen und seiner Geschichte?« Während eines feierlichen Festaktes in Berlin im Dezember 2009 präsentierten sich die sechs Preisträgerteams und wurden für ihr Engagement ausgezeichnet. Heide Lübge stellt eines der Projekte vor. »Ich habe die neugierigen, für Verständigung offenen und bereiten Augen der Jugendlichen gesehen«, berichtete die Projektleiterin Ilana Elmakayes über die manchmal auch kontroverse Projektarbeit zwischen den deutschen, jüdischen und arabischen Jugendlichen. Am Ende sollte das Zusammenwachsen der Teilnehmer zu einer Gruppe gelingen - nicht zuletzt über gemeinsame Themen, Interessen und Ziele in der Projektarbeit: Die Jugendlichen erforschten die Herkunft ihrer eigenen Familien und deren vielfältige Beweggründe, die zum Verlassen der Heimat führten. Sie befragten Großeltern oder Eltern und waren von den verschiedenen Lebensschicksalen sehr bewegt. So die Geschichte von Ester Danon-Eilon, die vor den Nationalsozialisten fliehen musste und als siebzehnjährige nach Palästina kam, oder jene Begegnung
des arabischen Israelis Baschar Nahas, dessen Familie mit der Gründung Israels ihr Dorf ver-
»Dieses Wort steht in vier Sprachen –
lassen musste. Aber auch deutsche Geschichten, wie die von Bernd Jacubaschs Flucht aus
arabisch, hebräisch, deutsch und eng-
der DDR in die Bundesrepublik Deutschland, wurden betrachtet. Die verschiedenen Migra-
lisch – auf unserem Projektlogo. (...)
tionsgeschichten präsentierten die Jugendlichen in einer mehrsprachigen Ausstellung, einer
Es steht für Verständigung zwischen
Dokumentation und einem Videofilm.
jüdischen, arabischen, und deutschen Jugendlichen; es bedeutet Toleranz
Die intensive Zusammenarbeit, die Verständigung untereinander und gegenseitiges Verständ-
und Respekt vor anderen Kulturen, Zu-
nis füreinander haben die Gruppe schließlich zusammengeschweißt. »Von heute an sehe ich
sammenarbeit, gemeinsames Erleben
meine Hoffnung und meinen Traum von Frieden und Brüderlichkeit zwischen den beiden
und Freundschaft. Die Hände, die das
Völkern möglich werden. Ich glaube, dass wir – die junge Generation – es schaffen werden.
Viereck der Worte schließen, weisen
Unsere Gruppe ist ein Beispiel dafür«, so fasste ein arabischer Schüler seine Erlebnisse zu-
auf die Zukunft, auf das Ziel, das wir
sammen.
mit dem deutsch-jüdisch-arabischen Jugendprojekt anstreben: Hände, die zusammenfinden und fest verbunden sind.« (Magdalene Krumpholz, Projektleiterin) EUROPEANS FOR PEACE ist ein Förderprogramm der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« (EVZ) in Trägerschaft von MitOst e.V. Ab Herbst 2010 wird das Programm von der Stiftung EVZ selbst durchgeführt. Das Programmthema für die Jahre 2010-2012 lautet »Menschenrechte in Vergangenheit und Gegenwart«. Nähere Informationen zu den Projekten und zum Programm unter www.europeans-for-peace.de MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Europäische Begegnungsinsel Nach 10jähriger Förderung ist »Junge Wege in Europa« zum Jahresende 2009 ausgelaufen. Ziel des von MitOst durchgeführten Programms der Robert Bosch Stiftung war es, die heranwachsende Generation bei der Gestaltung eines gemeinsamen und partnerschaftlichen Europas zu unterstützen. Ein Rückblick von Jona Adler. Wie kann ein Baum Begegnung ermöglichen? Mit dieser Frage setz-
Diesen Ansatz hat das Programm Junge Wege in Europa bei der Aus-
ten sich ungarische und deutsche Berufsschüler in ihrem Projekt aus-
wahl der Projekte in den letzten zehn Jahren konsequent verfolgt.
einander. Sie begleiteten den Verarbeitungsprozess eines Baumes
Als der Förderwettbewerb im Schuljahr 1998/1999 erstmals aus-
von seiner Fällung bis zum Sägewerk und bauten anschließend aus
geschrieben wurde, waren seit dem Ende des Kalten Krieges zehn
dem Material einen Holzpavillon. Der Holzpavillon wird in Gödöllő als
Jahre vergangen. Längst hatte die europäische Integration begonnen,
Ort der Begegnung genutzt und ist zugleich Symbol für die langjährige
Europa wuchs zusammen. Die neue Aufgabe bestand darin, die mit-
Zusammenarbeit der beiden Schulen.
tel- und osteuropäischen Nachbarländer an die Europäische Union heranzuführen, sie zu integrieren und diese Integration mit Leben zu
»Vom Baum zur Europäischen Begegnungsinsel. Jugendliche bauen
füllen. Diese Herausforderung hat sich das Förderprogramm Junge
einen Holzpavillon« ist ein Beispiel für die zahlreichen Projekte, die
Wege in Europa zum Ziel gemacht und dabei erfolgreich über 650
in den letzten zehn Jahren im Programm Junge Wege in Europa
Partnerschaftsprojekte gefördert. Alle geförderten Projekte hatten das
realisiert wurden. Schüler und Jugendliche aus Deutschland und
gemeinsame Ziel, die demokratischen, zivilgesellschaftlichen und
mindestens einem mittel- oder osteuropäischen Land beschäftig-
wirtschaftlichen Kompetenzen der Jugendlichen zu stärken. Die Wege
ten sich im Rahmen einer oder mehrerer Begegnungen mit alltags-
hin zu diesem Ziel hätten nicht unterschiedlicher, die Produkte der
nahen Themen und erarbeiteten ein gemeinsames Produkt. Dabei
einzelnen Projekte nicht vielfältiger sein können: von Theaterauffüh-
lernten sie Menschen und Kulturen kennen, vertieften ihr Wissen
rungen und Filmen über Ausstellungen und Fotodokumentationen
über Deutschland und Mittel- und Osteuropa und bauten durch
bis hin zum Bau eines Holzpavillons – der Kreativität der beteiligten
die Realisierung ihrer Projekte langfristige Beziehungen in andere
Jugendlichen waren bei der Realisierung ihrer Projekte keine Grenzen
Länder auf. Die so entstandenen Partnerschaften zwischen Schu-
gesetzt. »Ich bin davon überzeugt, dass es gerade solche Baustei-
len und zwischen außerschulischen Institutionen trugen dazu bei,
ne, solche Projekte sind, die entscheidend dazu beitragen, dass sich
Schüler und Jugendliche bei der Gestaltung eines gemeinsamen
junge Menschen verschiedener Völker wirklich kennenlernen und
Europas zu unterstützen. Die Jugendlichen konnten Europa aktiv
gemeinsam am Haus Europa bauen«, so ein Projektleiter über das
mitgestalten, indem sie eigene Ideen, Interessen und Zukunftser-
Programm. Auch der Holzpavillon in Gödöllő wird in Zukunft für viele
wartungen in interkulturellen Projekten verwirklichten.
Jugendliche ein Ort der Begegnung sein und sie auf ihrem Weg zu einem gemeinsamen Europa begleiten.
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Vereinsjahr 2009
MitOst-Editionen Neuerscheinungen 2009 ZwischenWelten 26-minütiger
Dokumentarfilm
von
Stefanie
Trambow
über
die
Auslandserfah-
rungen eines russischen Studenten, der die Seminarleiterausbildung beim Theodor-Heuss-Kolleg macht. Die DVD enthält neben dt., engl. und russ. Untertiteln und einigem Zusatzmaterial auch eine Broschüre mit Fragen zu den einzelnen Filmsequenzen, die als Anregung für den pädagogischen Einsatz des Films dienen können. Trailer: http://www.youtube.com/watch?v=WewbI8Qbkg4
Trainer – Gruppe – Seminar (Тренер — Группа — Семинар) Hrsg: Theodor-Heuss-Kolleg Das Methodenhandbuch in russischer Sprache bietet einen detaillierten Einstieg in die Thematik der non-formalen bürgerschaftliche Bildung. In den einzelnen Kapiteln werden ausführlich Seminarkonzeption- und Leitung, Teilnehmerkommunikation und Begleitung von Gruppenprozessen, Methoden und Arbeitsformen der Seminarleitung behandelt.
Phänomenologie als Dialog. Der Einfluss des Ideentransfers zwischen Ost und West auf das phänomenologische Denken Europas Hrsg.: Enrico Sperfeld, Pawel Walczak Tagungsband zum 6. MitOstForum Philosophie in Zielona Góra/Polen. 10 junge WissenschaftlerInnen aus Russland, Lettland, der Ukraine, Slowenien, Polen und Deutschland kamen zusammen, um über Grenzen hinweg Kontakte zu knüpfen. Der vorliegende Sammelband beleuchtet den Ideenaustausch zwischen phänomenologisch orientierten Philosophen, der zum Teil über den Europa teilenden »Eisernen Vorhang« hinweg vollzogen wurde.
Internationaler Journalistenpreis »1989 - 2009: Europa im Dialog« Hrsg.: Joanna M. Rother, Anna Samol Zum 20. Jubiläum der friedlichen Revolution schrieb MitOst im Jahr 2009 den Internationalen Journalistenpreis »1989 – 2009: Europa im Dialog« aus. Der Band versammelt die besten der eingesandten Arbeiten und bietet damit einen Blick auf das Europa von 1989 zwanzig Jahr danach.
Die Publikationen sind über geschaeftsstelle@mitost.org zu beziehen und stehen teilweise als Download auf www.mitost.org zur Verfügung. MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Demokratie im 21. Jahrhundert — Bilanz und Perspektiven Das Theodor-Heuss-Kolleg der Robert Bosch Stiftung und des MitOst e.V. trug mit einer Workshopreihe zur Demokratie-Konferenz in Leipzig bei. Von Nils-Eyk Zimmermann
Die sächsische Metropole Leipzig war im September/Oktober 1989
Das Konzept sah die Ergänzung des eher klassischen Konferenzfor-
das Zentrum der großen Demonstrationen in der DDR. Wenn Michail
mats um handlungsorientierte und auf den Austausch konzentrierte
Gorbatschow und die Solidarność-Bewegung die Überwindung des
Workshops vor. So war die Rolle der Straße als öffentlicher Ort ein
Ost-West-Gegensatzes in Europa erst möglich machten - aus der
Thema, ferner wurde direkt im Sitzungssaal des Stadtrats ein Planspiel
innerdeutschen Perspektive sind die Leipziger Montagsdemonstra-
in internationaler Besetzung durchgeführt. In welchem mental-geo-
tionen das Zentrum der Veränderungen. Anlässlich des zwanzigsten
grafischen Gebilde leben wir zwanzig Jahre nach der Wende? Dieser
Jahrestags dieses Ereignisses führte die Stadt Leipzig deshalb eine
Frage ging ein Workshop mit dem Titel »West-Ost-oder?« nach. »Frei-
Konferenz durch, die diesen Impuls für Gegenwart und Zukunft
heit, Partizipation, Verantwortung« sind die Stichwörter, zu denen ein
fruchtbar machte. »Wir wollten das nicht nur zum Anlass nehmen
Medienworkshop arbeitete.
um zu feiern, sondern ein Thema setzen, das sich authentisch ergibt aus dem 9. Oktober 1989, nämlich die Demokratie«, so Dr. Georg
Die Idee ist aufgegangen, über einen fachliches Wissen, Gespräch
Girardet, Organisator der Konferenz und ehemaliger Bürgermeister
und persönlichen Austausch zusammenführenden Rahmen alt und
der Stadt Leipzig.
jung, Expertise und Engagement an einen Tisch zu bringen. Als großes Kompliment betrachten wir die Worte des ukrainischen Schriftstellers
Ganz besonders am Herzen lag den Organisatorinnen und Organi-
Mykola Rjabtschuk an die Teilnehmenden: »Ich wollte Sie provozie-
satoren der Blick über Deutschland hinaus. Zudem sollten junge Teil-
ren und Sie haben mich zum Nachdenken gebracht.« Aufbauend auf
nehmende aktiv beteiligt werden. Hier kommen das Theodor-Heuss-
der Erfahrung des Jubiläumsjahrs möchte die Stadt Leipzig auch in
Kolleg und MitOst ins Spiel. Für die Konferenz organisierten wir vier
Zukunft am Thema »Demokratie« dranbleiben. Aktuell wird über zu-
Workshops zur Vertiefung einzelner Konferenzthemen und ermöglich-
künftige Formate für die Konferenz nachgedacht.
ten die Teilnahme von 60 jungen Erwachsenen aus ganz Mitteleuropa. Das hieß logistisch, alle visatechnischen Hebel in Bewegung zu setzen und inhaltlich: ein Programm zu entwickeln, das der Vielfalt der Teilnehmenden und ihren Ansprüchen entsprach.
MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Neue Alumnigruppe bei MitOst Seit kurzem koordiniert MitOst die Alumniarbeit des Kaliningrader Europainstituts Klaus Mehnert (EIKM). Die neue Alumnigruppe umfasst 50 Absolventen. MitOst-Alumnibeauftragte Maria Shamaeva sprach mit Absolventin Elena Kuleshova und Christian Welscher, Koordinator des EIKM.
Was zeichnet das Institut und den Studiengang aus?
Habt ihr schon konkrete Ideen für Alumniprojekte?
Christian Welscher: Das EIKM wurde 2005 mit Hilfe der beiden
Elena Kuleshova: Viele unserer Alumni haben bereits Projektvorschlä-
deutschen Stiftungen Robert Bosch und Marga und Kurt Möllgaard
ge gemacht, die von grenzüberschreitender kultureller Zusammenar-
gegründet. Der Studiengang ist derzeit der einzige deutschsprachige
beit über berufliche Weiterbildung bis zu ökologischen und sozialen
Europastudiengang in Russland. Ihn zeichnen eine kleine interkultu-
Projekten reichen. Nun ist es Zeit, diese Ideen weiterzuentwickeln
relle und interdisziplinäre Studierendengruppe, renommierte Dozenten
und umzusetzen.
und exzellente internationale Kontakte aus. Sehr attraktiv ist auch, dass es durch eine Kooperation mit der Bergischen Universität Wuppertal/
Warum MitOst? Was macht den Verein für eure Alumnigruppe
Deutschland möglich ist, in einem Jahr zwei Abschlüsse zu erwerben:
attraktiv?
ein russisches Diplom und einen weltweit anerkannten Master of Arts.
Elena Kuleshova: Durch die Mitgliedschaft bei MitOst eröffnet sich für uns die Möglichkeit, unsere Projekte mit einer größeren Reichweite
Wer sind die EIKM-Alumni?
zu organisieren und über diese Arbeit einen Beitrag zur Intensivierung
Elena Kuleshova: Wir sind eine deutschsprachige interkulturelle Grup-
der Beziehungen zwischen den MOE-Ländern zu leisten. Sehr inter-
pe. Wir kommen aus insgesamt 10 Ländern – aus Westeuropa, MOE
essant für unsere Alumni sind auch Unterstützungsmöglichkeiten, die
und der GUS. Fachlich ist die Gruppe auch ganz bunt: Germanisten
MitOst den Mitgliedern in Bezug auf die weitere berufliche Qualifizie-
bilden die Mehrheit, aber es gibt auch Leute, die Politologie, Soziolo-
rung bietet. Zu diesem Netzwerk möchten wir mit unseren Ideen und
gie, Public Health, Ökologie, Rechtswissenschaften oder Wirtschafts-
Ressourcen beitragen.
romanistik studiert haben. Nach dem Abschluss des Studiums am EIKM sind die Absolventen in den verschiedensten Bereichen tätig, beispielsweise im Stiftungswesen, in der Wirtschaft, in der internationalen Zusammenarbeit oder in der Wissenschaft.
MitOst Magazin #23
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Vereinsjahr 2009
Ein Dach für Alle? MitOst als Alumniverein
FOTO: KRISTINA JUROTSCHKIN
MitOst koordiniert die Alumniarbeit von sieben Stipendienprogrammen der Robert Bosch Stiftung. Nicht alle ehemaligen Stipendiaten sind vom bestehenden Modell überzeugt. Tino Rasche, Alumnivertreter des Theodor-Heuss-Kollegs, über das Für und Wider.
Brauchen wir MitOst als Alumniverein? Warum eigentlich, man könn-
zum Verein finden. MitOst bietet den ehemaligen Stipendiaten ein
te sich doch einfach so treffen und wenn nötig einen eigenen kleinen
Forum, sich weiter für Kultur, Sprache, Bildung und bürgerschaft-
Kreis oder gar Verein gründen. Wie heißt es in Deutschland so schön:
liche Partizipation zu engagieren. Außerdem ist der Verein unter
7 Menschen = 1 Verein. Dann geht man zu Onkel Robert und fragt
Stiftungen bekannt und hält intensive Kontakte zu entsprechen-
ihn, ob er nicht daran interessiert ist, sein Alumnigeld an viele kleine
den Institutionen. Als Alumna oder Alumnus, der oder die von den
Menschengruppen zu verteilen. Man könne viel effizienter arbeiten
Fundamenten des MitOst e.V. während ihrer Stipendien profitier-
und die Strukturen wären weniger starr, einfacher - so lässt sich eine
ten, wäre es meines Erachtens verschenkte Energie, Kraft und Zeit,
Argumentation vorstellen.
sich ein neues Haus zu bauen, wenn einem doch ein robuster Bau zur Nutzung angeboten wird. Und man kann dabei mitbestimmen,
Wie sollen aber eben diese Strukturen aufrecht erhalten werden? Wie
wie die Wände gestrichen werden sollen, ob vor dem Haus Beete
kommt man an Kontakte, um sich weiter zu entwickeln und den Ge-
oder eine grüne Wiese angelegt werden, wer wann welchen Besuch
danken des Programms fortzusetzen? Und warum sollte eine Stiftung
empfangen darf, womit die Fenster verkleidet werden und ob der
in Zeiten knapper Kassen daran interessiert sein, viele kleine Grüpp-
Dachboden ausgebaut oder die Garage umfunktioniert wird.
chen mit Mitteln zu versorgen, die dann jede eine eigene Struktur, eigene Treffen und Pläne entwerfen, obwohl sie doch so viel gemein-
Wir Alumni haben mit anderen Interessierten die Möglichkeit stabile
sam haben und effektiver zusammen arbeiten könnten? Und wieso
Strukturen zu nutzen, um uns weiter zu entwickeln. Wir können Mit-
eigentlich nicht zusammen arbeiten, sich austauschen, wenn man
Ost derart gestalten, dass weitere Stipendiaten und ganze Program-
doch sowieso ähnliche Ziele verfolgt? Eventuell lässt sich am Ende ja
me davon profitieren. Nicht zuletzt finden wir bei MitOst kreative Pro-
ein Mehrgewinn erzielen?
jekte, kontroverse Gesprächspartner und verrückte Freunde, die sich thematisch auf unserem Interessengebiet tummeln. Für mich erübrigt
MitOst ist ein gewachsenes Netzwerk mit Erfahrungen und Kompetenzen in den Bereichen der Programme, aus denen die Alumni MitOst Magazin #23
sich somit die Frage, ob wir MitOst als Alumniverein brauchen.
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Vereinsjahr 2009
II. BoschAlumniForum: Wirtschaft und
Zivilgesellschaft - Neugierige Fremde oder getrennte Welten? Dass Themen der zivilgesellschaftlichen Verantwortung wie wertorientiertes Management oder Corporate Social Responsibility im Zuge der Wirtschaftskrise eine solche Brisanz in der öffentlichen Diskussion entfalten würden, war noch nicht abzusehen, als wir das Thema »Wirtschaft und Zivilgesellschaft« im Herbst 2008 als Leitthema für das zweite BoschAlumniForum avisierten. Umso mehr freuten wir uns über die anhaltende Relevanz der Thematik in der öffentlichen Diskussion. Von Frank Kupferschmidt Das BoschAlumniForum, das vom 30.10.-1.11.2009 in den Räumen
ziale Verantwortung leben oder Beratungsprojekte in Südosteuropa
der Universität Hohenheim in Stuttgart stattfand, vereinte diesmal
durchführen.
rund 25 Alumni aus den Stipendienprogrammen der Robert Bosch Stiftung.
In einer Podiumsdiskussion debattierten die Teilnehmer mit dem Corporate Social Responsibilty Experten Arved Lüth, dem Gründer
Die Teilnehmer diskutierten mit Referenten aus Wirtschaft, Zivil-
der bundesweiten Initiative Common Purpose Frank Trümper sowie
gesellschaft und Verwaltung über soziale Verantwortung in Unter-
dem Managementberater Martin Römer von Horvath & Partner. Die
nehmen und der Wirtschaft. Als Key Note Speaker konnten wir
Diskussion wurde moderiert von Andreas Metz.
Dr. Lothar Ulsamer von der Daimler AG gewinnen. Über den LEAMittelstandspreis für soziale Verantwortung in Baden-Württemberg
Am Abend bot die Alumni-Lounge in der strikt im 70er Jahre-Style ge-
berichteten Günther Schmid vom Wirtschaftsministerium Baden-
haltenen Location »Loft & Liebe« einen außergewöhnlichen Rahmen,
Württemberg aus Sicht des Ausrichters des landesweit etablierten
um sich unter Alumni und eingeladenen Gästen aus dem Stuttgarter
Wettbewerbs. Petra von Borstel von der teilnehmenden Firma Sa-
Netzwerk bei Bio-Buffet, Flipper und Billard auszutauschen.
nofi Pasteur sowie Mathias Hübner von der Beratungsfirma ILTIS stellten aus Unternehmersicht Fallbeispiele vor, wie ihre Firmen so-
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Vereinsjahr 2009
MitOst-Sprache Deutsch?
Regionalisierung und regionale Alumniarbeit »Ich versichere, dass meine Deutschkenntnisse ausreichen, um vereinsinternen Informationen und Diskussionen folgen zu können« – dieses Sätzchen muss bislang jedes MitOst-Neumitglied im Beitrittsantrag unterschreiben. Ist dies noch zeitgemäß? Von Alona Karavai und Tino Rasche
Vita Kuchinska aus dem Bezirk Rivne in der Ukraine hat vor knapp
Theodor-Heuss-Kollegs zum zivilgesellschaftlichen Engagement ge-
zwei Jahren ein lokales Festival in ihrem Heimatdorf organisiert, um
funden haben und sich nun, auch wenn sie kein oder kaum Deutsch
die örtliche Jugend mal »für was anderes« zu interessieren. Bis jetzt
sprechen, weiter kulturell und sprachlich austauschen wollen. Offiziell
kann sie »die Projektarbeit und das Denken in Projekten nicht mehr
gelten sie als Alumni des Theodor-Heuss-Kollegs, aber können sie
stoppen«. Vita spricht ihre Muttersprache Ukrainisch, kann auch Rus-
somit auch Mitglied bei MitOst werden? Laut §5 der Vereinssatzung
sisch und ein paar Worte Englisch. Dennoch konnte sie das MitOst-
darf das jede natürliche Person über 18. Allerdings gibt es einen Ha-
Festival in Uschhorod völlig genießen, da Engagement eine interna-
ken, die Vereinssprache ist Deutsch. Und mit der Beitrittserklärung
tionale Sprache ist.
gibt Mann oder Frau an, internen Informationen und Diskussionen in dieser Sprache ausreichend folgen zu können.
Sergey Pavlov gilt in Perm als Umweltprofi – er studiert Umweltstudien und hat selber Umweltprojekte gemacht. Für ein eigenes Video
Auf der einen Seite ist es notwendig, im Verein eine gemeinsa-
wurde er vor kurzem mit einem Preis im Wettbewerb für Umweltso-
me Kommunikation zu ermöglichen, um die vielen verschiedenen
zialwerbung geehrt. Er kann gut gerne sehr lange und dabei außer-
Mitglieder mit unterschiedlichen Ideen zusammen zu bringen. An-
ordentlich spannend über globale Prozesse im Umweltschutz reden.
dererseits möchten sich immer mehr regionale Alumni von traditi-
Einige haben ihn sicher in Perm oder in Uschhorod schon mal gese-
onellen Trägerschaftsprogrammen sowie vereinzelte Interessenten
hen – ein fast 2 Meter großer Seminarleiter des russischen Koopera-
aus Festivalorten und anderen Netzwerken am Austausch beteili-
tionsprogramms »Engagement täglich«, der ständig am Machen, laut
gen, die zwar kein Deutsch sprechen, sich aber dennoch den Zie-
Sprechen, schnell Laufen oder innig Diskutieren ist.
len von MitOst verbunden fühlen. Diesem Umstand hat sich eine Gruppe aus dem Kreise des Theodor-Heuss-Kollegs angenommen.
Murad Mammadov aus Aserbaidschan hat trotz und gerade wegen
Gemeinsam versuchen die Akteure ihre Erfahrungen aus der regio-
seiner Biographie als Kriegsflüchtling zusammen mit Armeniern und
nalen Zusammenarbeit in die Arbeit des MitOst e.V. einzubringen.
Georgiern bei »Getting Involved!« teilgenommen, dem englischspra-
Sie erarbeiten ein Konzept, wie sich, beginnend mit Alumni der Re-
chigen Kooperationsprogramm im Südkaukasus. Mit Überschwang
gionalkooperationen des Theodor-Heuss-Kollegs, engagierte Men-
stürzte er sich in die Projektarbeit und hat Seminare zur Gesundheits-
schen in den Verein integrieren lassen, auf die MitOst in Zukunft
prävention durchgeführt. Er ist Feuer und Flamme für die von ihm
angewiesen sein wird. Wenn es nicht um eine kleine Menschen-
als besonders wahrgenommene Form des gemeinsamen Lernens
menge mit gelegentlichen Treffen geht, sondern wir von dezentra-
und des Austauschens. Murad spricht neben Aserbaidschanisch auch
len Strukturen, Diversifizierung der Finanzierungsmöglichkeiten und
Russisch und Englisch sowie nun ebenfalls ein paar Brocken Arme-
stärkerer regionaler Verwurzelung reden, werden wir als Verein um
nisch und Georgisch.
nachhaltige Kooperationen mit den Menschen vor Ort nicht herum kommen. Sicherlich ist dies eine gewagte Herausforderung, aber
Diese drei Persönlichkeiten sind engagierte junge Menschen aus Mit-
die Bereicherung für unser Netzwerk ist ungleich größer und trägt
tel-, Ost- und Südosteuropa, die durch die Regionalkooperationen des
entscheidend zur Entwicklung des Vereins bei.
MitOst Magazin #23
MitOst-Magazin #23 / Frühjahr 2010 Herausgeber: MitOst e.V. – Verein für Sprach- und Kulturaustausch in Mittel-, Ost- und Südosteuropa Verantwortlich: Stephan Bull Vorstandsvorsitzender MitOst e.V. Schillerstraße 57 D-10627 Berlin Redaktion: Julia Ucsnay Redaktionelle Mitarbeit: Lisa E. Wagner, Lucie Geiger Gestaltung: Maxim Neroda Foto Cover und Rückseite: Kiên Hoàng Lê Geschäftsstelle MitOst e.V. Schillerstraße 57 D-10627 Berlin Tel.: +49 - (0)30 – 31 51 74 – 70 Fax: +49 - (0)30 – 31 51 74 – 71 geschaeftsstelle@mitost.org www.mitost.org
Gefördert durch die Europäische Union im Rahmen des Programms »Europa für Bürgerinnen und Bürger« 2007-2013
GD Bildung und Kultur
Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“