rechnungswesen &controlling 1·12 Entschleunigung 5. Januar 2012, 19.05 Uhr. In Grächen, gelegen auf einer Sonnenterrasse 1600 m.ü.M. in der Nähe von Zermatt und erst seit 60 Jahren durch eine Strasse mit dem im Mattertal gelegenen St. Niklaus verbunden, gehen auf einen Schlag alle Lichter aus. Wir schauen zum Fenster hinaus, zu den umliegenden Chalets: Betrifft der Stromausfall nur uns oder alle, Einzelschicksal oder Schicksalsgemeinschaft? Dunkelheit überall. Das ist ja schon einmal beruhigend, wir sind nicht alleine, sind glücklich, Teil des Problems und später dann hoffentlich auch Teil der Lösung zu sein. Rund 1‘500 Einwohner und Hunderte von Touristen in Ferienwohnungen und Hotels ohne Strom, ohne Telefon. Kein Mobile, kein Festnetz, kein TV, keine Haushaltgeräte. Nichts funktioniert. Später wird ein vom Sturm Andrea umgestürzter Baum als Ursache der Störung ermittelt. Fast 24 Stunden ohne jeglichen Strom. Von einer Sekunde auf die andere sind wir nicht nur von der globalisierten Welt abgeschnitten und noch viel schlimmer: von der Üsserschwiiz. Zuerst dachten wir: Das hatten wir schon öfters, dauert maximal eine halbe Stunde. Aber diesmal bleibt es einfach dunkel. Aber zum Glück sind Frauen Sammlerinnen: Teelichter und Kerzen sind dutzendfach vorhanden – wenigstens etwas Licht. Man gewöhnt sich langsam an Dunkelheit und Ruhe, arrangiert sich. Gegen 22 Uhr gehe ich mit unseren Hunden durchs Dorf, Mondlicht erhellt die frisch verschneiten Strassen und Wege. Alles
wie ausgestorben. Absolute Stille und Ruhe, ein wahres Wintermärchen. Zum Schlafen eine Decke mehr – etwas kälter als sonst, aber es geht. Der Radiowecker wird ja dann morgens um Sechs wieder laufen. Von wegen. Zähneputzen geht, fürs Duschen ist das Wasser einfach zu kalt – wenigstens für mich. Nach 7 Uhr wieder mit den zwei besten Freunden durchs Dorf. Beim Tourist Office hat es ein paar Leute. Ein Anschlag informiert, dass es im Gemeindesaal heissen Tee und Suppe gibt (Notstromversorgung!). Einige holländische Urlauber wollten an diesem Freitagmorgen wie geplant früh abreisen. Aber die Skikästen an der Talstation lassen sich – da diese Saison neu mit modernstem Badgesystem ausgestattet – nicht öffnen. Wir sind immer mehr von der Technik abhängig, sind verletzlich wie nie zuvor. Die Ruhe, die Stille ist wohltuend. Man unterhält sich mit Unbekannten, hat Zeit für ein Gespräch, rätselt darüber, wann es wieder Strom gibt, tauscht Tipps, bietet Hilfe an. Alle sind zuversichtlich, froh, dass sie in der Schweiz sind, da wird es schon jemanden geben, der schaut, dass es bald wieder läuft. Der Erholungseffekt ist grossartig, keine SMS, keine Telefonate, kein Internet, kein TV, Radio nur mit Batterie – wenn denn im Vorrat vorhanden. Stunden der Ruhe, nicht erreichbar, die Hektik ist weg, die Welt muss ohne uns auskommen, ob sie es schafft?
Zürich 27. Januar 2012. 11.06 Uhr. Ein Stromausfall wegen eines Kabelbrandes legt rund ums Zürcher Bellevue alles
lahm: Ampeln, Trams, NZZ und Blick, Hunderte von Geschäften und 10‘000 Haushalte. Dunkle Gänge, blockierte Lifte und Rolltreppen, klemmende Ladenkassen, nichts geht mehr. McDonald geschlossen, der Marronistand macht das Geschäft des Lebens. Die Betroffenen nehmen es in der Regel gelassen – Zwangspause. Um 13.41 Uhr wird die Stadt wieder mit Strom versorgt. In Zürich ist halt alles anders, viel schneller als im Rest der Welt. In Zürich dauert die uns geschenkte Entschleunigung nur knapp 3 Stunden. Entschleunigung statt Beschleunigung. Beschleunigung! Alles jetzt und sofort, bitte sehr!! Ein Zustand, der die Leute immer kränker macht. Dass die psychische Belastung am Arbeitsplatz in den letzten Jahren zugenommen hat, ist wissenschaftlich unbestritten. 2010 ergab eine Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), dass sich 34 Prozent der
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