MustERZIMMER
17. August – 14. September 2012 Vernissage: Freitag 17. August
2012
DEPOT BASEL
Bild: Co-op. Interieur, Hannes Meyer, 1926. Umschlagsbild von: Schweizer Typenmöbel 1925-1935, Sigfried Giedion und die Wohnbedarf AG; Friederike Mehlau-Wiebking, Arthur Rüegg, Ruggero Tropeano. 1989, GTA Verlag, Zürich.
in Kooperation mit sachenmachen.ch
Öffnungszeiten Donnerstag / Freitag 16.00 — 19.00 Samstag / Sonntag 14.00 — 18.00 Oder nach Vereinbarung. Depot Basel – Ort für kontemporäre Gestaltung Schwarzwaldallee 305 (Erlenmattareal / BLG-Halle) CH-4058 Basel info@depotbasel.ch
Mit freundlicher Unterstützung von deutscheundjapaner.com
Musterzimmer
Wie sieht das zukünftige Musterzimmer aus? Das Musterzimmer vermittelt durch Raum und Möbel – als eine Art Medium – gestalterische Überlegungen zu einer bestimmten Zeit. In der Vergangenheit gaben oft schwierige Umstände wie Wirtschaftskrisen, akute Wohnungsnot oder Zeiten des Umbruchs den Anlass, sogenannte Musterzimmer zu entwerfen. Wir haben zehn Schweizer DesignerInnen eingeladen, in Anlehnung an die ganzheitlichen Prinzipien des Werkbundes aus den 20er Jahren Entwürfe für ein zeitgenössisches Musterzimmer zu machen: Die Zukunftsvision eines Wohnraumes inklusive Mobiliar, die neben den wesentlichen Elementen Material, Konstruktion, Form und Funktion vor allem auch aktuelle Fragestellungen thematisiert. Wir befinden uns in Zeiten des Umbruchs: Technologische Revolutionen, gesellschaftlicher Wandel, Verknappung der natürlichen Ressourcen und die drohende Finanzkrise zwingen uns zum Umdenken. The W.I.R.E, ein unabhängiger Schweizer Think Tank, der sich mit globalen Entwicklungen in Wirtschaft, Gesellschaft und den Life Sciences beschäftigt, schreibt dazu: „Wenn wir den Herausforderungen unserer Zeit begegnen wollen, müssen wir den Blick nicht nur auf globale Phänomene wie den Klimawandel oder weltwirtschaftliche Ungleichgewichte richten, sondern auch auf unser eigenes, alltägliches Verhalten.“
Befreien wir uns in Zukunft von unnötigem Ballast, verkaufen etwa das Auto, und denken eher ans Teilen und Leihen? Oder planen wir ein Mehrgenerationenhaus und legen mit unseren Eltern einen Garten zur Selbstversorgung an? Kaufen wir in Zukunft nur noch Hochwertiges aus lokaler Produktion, und beginnen wir, nach dem Credo „Qualität statt Quantität“ zu leben? Wir leben in einer bewegten Zeit, die nach neuen Wohnund Lebensformen ruft – es stehen Veränderungen an. Mit ihren Visionen des Musterzimmers zeigen die Schweizer Designer auf 4x4m persönliche Perspektiven im Umgang mit den Herausforderungen des neuen Jahrtausends.
Mit
Daniel Wehrli; Stéphanie Baechler; Katia Ritz & Florian Hauswirth; Nicola Stäubli; Giorgia Zanellato & Mauro Tittoto; Meret Probst; Sibylle Stoeckli; David Schäublin & Karin Hueber; Postfossil; Laetitia Florin
Musterzimmer
Fitting Room
Die Chancen des Designs in einer digitalisierten Welt
Karin Hueber
Halbraum
Ohne Titel
Nicola Stäubli
David Schäublin
Katia Ritz
Meret Probst
Florian Hauswirth
„ ‚Fitting Room‘ ist eine spielerische Wohnanordnung,
„Die ausgestellten Objekte sind Einzelstücke, die
„ ‚Halbraum‘ ist das Zusammenspiel von Innen- und
„Meine Interpretation des Musterzimmers ist eine
die sich aus einzelnen Objekten zusammensetzt.
durch den Verzicht auf komplizierte Fertigungsver-
Aussenraum, Rückzug und Rückhalt, sowie eine
dreidimensionale Skizze eines Wohnraumes, eines
Durch die Kombination von organisch geformten Flä-
fahren und die Verwendung von leicht erhältlichen
Schnittstelle zwischen Arbeit und Leben. Die Lebens-
Provisoriums. Ihr zu Grunde liegen abstrakte Holzkon-
chen mit Gewichten, Rahmen und Profilen werden
Materialien entstanden sind. Hauptverantwortlich für
und Arbeitspartnerschaft des interdisziplinären Teams
struktionen, die vom Raum als einem idealisierten Ku-
Beistelltische, Raumtrenner, Nischen, Kleiderhalter
das hohe Preisniveau der heutigen Designgüter sind
findet in der Verknüpfung von Objekten mit der räum-
bus abgeleitet werden und deshalb auf einem relativ
und Ablageflächen aufgebaut. Die einzelnen For-
nicht die Produktionskosten, sondern die lange Wert-
lichen Umgebung einen Ausdruck. Formal sind ge-
strengen Raster aufgebaut sind. Sie stellen die Basis-
men treten summiert auf, werden getragen oder sind
schöpfungskette mit allen Zwischenhändlern. Die Di-
spiegelte Konturen (positive and negative space) das
struktur des Inhalts eines Wohnraumes dar. Die ein-
selbst Träger. Mit einfachen Handlungen wie Stapeln,
gitalisierung bietet die Möglichkeit, alternative Distri-
zentrale Thema. Gezielt gesetzte Farben lösen neue
zelnen Elemente können wie Möbel verschoben und
Drehen, Stecken oder Lehnen lassen sie sich vari-
butionswege zu etablieren, die den Designer und den
Beziehungen zwischen einzelnen Partien, zwischen
kombiniert werden, sind aber in ihrer Form starr. Hinzu
ieren und zueinander ins Gleichgewicht bringen. Im
Kunden wieder näher zueinander zu bringen. Dabei
den Objekten und ihrer Umgebung aus. Eine einfache
kommen weiche, aus Polstermaterialien geschaffene
Vordergrund steht die Faszination für Wohnformen,
wird die lokale Produktion, wie sie vor der Industri-
Formensprache und natürliche Materialien wie Wolle
Zusätze, die – ähnlich wie Plug-Ins – dazu dienen, den
in denen sich jeder Bewohner mit den Objekten seine
alisierung verbreitet war, zunehmend an Bedeutung
und Holz nehmen einen zeitgenössischen Bezug auf
Raum zu individualisieren und den Holzstrukturen die
alltäglichen Nutzungswünsche erfüllen und räumliche
gewinnen“.
geschichtliche Modelle des Musterzimmers“.
Möglichkeit von Funktion zu verleihen“.
nicola-staubli.com
rkstudio.ch florianhauswirth.ch
meretprobst.com
Stimmungen individuell herstellen kann“.
davidschaeublin.com karinhueber.com
Musterzimmer
Musterzimmer oder Materials we love
Aktives Wohnen, wohnliches Arbeiten im Jahr 2010
Daniel Wehrli
Postfossil
Ohne Titel
Stéphanie Baechler
Past / Present / Future
Giorgia Zanellato Mauro Tittoto
„Das ‚Musterzimmer‘ gleicht einer Assemblage roher
2009 realisierte das Designkollektiv Postfossil als
„Indem ich ein Zelt aus Keramik und nicht aus Stoff
„Dieser Raum ist flexibel, eignet sich für Menschen,
Materialien. Einfache Prinzipien lassen die Objekte
Wettbewerbseingabe für den Werkbunddesignpreis@
schaffe, betone ich den Aspekt des ‚Beschützt-Wer-
die in Bewegung bleiben und ihre Sachen immer mit-
zu einer Einrichtung werden; das Zusammenspiel
embru ein Musterzimmer mit dem Titel „Aktives Woh-
dens‘. Keramik ist zeitlos, zerbrechlich, brüchig und
nehmen. Er erzählt vom Damals und vom Heute. Die
erscheint wichtiger als die Typologie der einzelnen
nen, wohnliches Arbeiten im Jahr 2010“.
empfindlich, aber gleichzeitig sehr stark. Ich schaffe
Vergangenheit ist in den Bildern repräsentiert. Ein
Objekte. Die Materialien und Halbfabrikate sind mit
„Die verschiedenen Bedürfnisse an Wohnen
in unserer eiligen, beschleunigten Welt einen Schutz-
Raum muss Erinnerungen und Andenken bergen.
handwerklichem Geschick verbunden oder angeord-
und Arbeiten in der heutigen Zeit verlangen nach
raum, einen Ort der Besinnung und der Regeneration.
Letztere sind in der Regel Objekte, die einen Gedan-
net, um Funktionen zu erhalten. Damit thematisiert
adaptierfähigem und wandelfreudigem Design. Der
Die Überschreitung der Grenze zwischen Kunst und
ken, ein Gefühl, einen Geruch bewahren, die an Bege-
die Installation den Umgang mit den allgegenwärti-
Entwurf beschreibt eine Wohn-/Arbeitseinrichtungs-
Architektur eröffnet neue Möglichkeiten des nomadi-
benheiten in der Vergangenheit erinnern. Das Jetzt ist
gen Ressourcen einer materialistischen Umgebung.
Fusion, die mobiles Arbeiten und multidisziplinäres
schen Lebens und der Erforschung von Raum“.
in Gegenständen des momentanen Gebrauchs ausge-
Sie ist ein Labor für neue Formen und Kombinationen
Wohnen ermöglicht. Der Beitrag gewann den zweiten
drückt; in einem Stuhl, einem Sofa, einer Uhr. Diese
in einem verdichteten Wohnraum. Der Ort ist Wohn-
Preis und wurde im Museum für Gestaltung Zürich
Objekte haben funktional zu sein: In Bezug auf den
zimmer und Werkstatt in einem; hier entstehen und
zum ersten Mal ausgestellt“.
Benutzer, das Land, in dem er lebt, und den Lebens-
verändern sich Dinge“.
abschnitt, in dem er sich gerade befindet“. Wettbewerbseingabe 2009 von Postfossil für den Werkbunddesignpreis@embru
danielwehrli.ch
postfossil.ch
stephaniebaechler.com
giorgiazanellato.altervista.org maurot8.altervista.org
Musterzimmer
Zitate
Etat des Lieux – Wohnungsabnahme
Ohne Titel
Sibylle Stoeckli
Laetitia Florin
„Ich habe mich dafür entschieden, dieses Zimmer mit
„Ich stelle mir ein Haus vor, in dem sich Räume und
Sachen einzurichten, die ich in den letzten Jahren
Oberflächen vermischen und verketten: Zu einer
entworfen habe: Eine Mélange zu schaffen aus ver-
Struktur, die Freiheit in der Bewegung und im Ge-
schiedenen Sichtweisen und Resultaten aus Studien-
brauch erlaubt. Es soll kein offener Raum sein. Wän-
projekten wie ‚Tabula Rasa‘. Was sind unsere Grund-
de sind wichtig. Aber statt Flächen abzugrenzen und
bedürfnisse? Sich ernähren, sich aufklären(?), sich
zu limitieren, sollen sie die Bereiche miteinander ver-
etwas vorstellen, sich austauschen, etwas aufbauen,
binden; die Menschen gehen um sie herum. Wände
frei denken, sich ausruhen, erholen, träumen … : dies
sind die Struktur, die es den Bewohnern erlaubt, sich
sind für mich die ersten, wichtigsten. Alle Objekte in-
in einem Gebäude zu bewegen, die Struktur, die Räu-
duzieren verschiedene Anwendungen: ‚Les plateaux
me verbindet und ‚vermischt‘: Die Küche wird zum
gigognes‘ kann man als kleine Tische im Raum ver-
Wohnbereich, in dem man schläft; gegessen und ge-
teilen oder einen in den anderen hineinstellen. ‚La
arbeitet wird im Schlafzimmer oder im Garten, das
couverture‘ lässt sich wie einen Beutel schliessen
Rad parkt im Flur. Die Räume hängen zusammen und
und an der Wand verstauen. ‚Les vases Totem‘ sind –
stehen in einer Wechselbeziehung zueinander“ …
auch ohne Blumen – Skulpturen“. sibyllestoeckli.com
laetitiaflorin.ch
„Nicht nur Kleider zeugen nunmehr von sozialem Status und Geschmack, auch der Wohnraum hat sich zum massentauglichen Ausdrucks- und Unterscheidungsmittel entwickelt. Die Nachfrage nach gestalterischer Orientierung steigt und das Angebot lässt nicht lange auf sich warten. Bereits im 19. Jahrhundert gibt es in Sachen Stilbildung aufschlussgebende Möbel- und Ausstellungskataloge. Es ist die Zeit, in der der Begriff Musterzimmer entsteht.“ Eva Maria Stadler, 2010 Wiener Musterzimmer, Belvedere Verlag, 2010
„… dem Publikum muss das mit scheinendem, unsachlichem Zierrat behängten ‚stilvolle‘ Möbel doch als schön gelten, sonst kaufte es wohl den Zauber nicht. Sonach muss, wer wirklich guten und formschönen Möbeln Bahn brechen will, mit Geschmackserziehung des Publikums beginnen.“ J. Sigg, 1921 70 Jahre Schweizer Werkbund, SWB 1983
„Wenn du dir eine Wohnung einrichten willst, solltest du in deinem eigenen Interesse soviel als möglich selber daran schaffen und nicht in den ersten besten Möbelladen laufen und dir von einem ixbeliebigen Menschen die Sachen zusammenstellen lassen.“ A. Sulzer, 1922 70 Jahre Schweizer Werkbund, SWB 1983
„Das Herstellen von Einzelstücken an sich hat absolut kein Interesse mehr. Die Zeit, da man glaubte, der Architekt müsse jede Türklinke und jedes Schlüsselbrett selbst entwerfen, oder – schlimmer noch – die Wohnung müsse eine ‚Komposition‘ darstellen, ist vorüber.“ Werner Gräffs, 1928 Schweizer Typenmöbel 1925 – 1935, gta-Verlag
Zitate
„... was den Pionieren des neuen Möbels, des befreiten Wohnens vorgeschwebt hat erfährt – so paradox es scheinen mag – im modernen handwerklichen Einzelmöbel seine Erfüllung.“
„Wir wollen niemand die Heilsbotschaft des guten Design aufzwingen. Vielleicht einen Lernprozess auslösen? ‚Umwelt‘ muss man lernen wie Lesen und Schreiben.“
E. Kettinger, 1944
M. Staber, 1977
70 Jahre Schweizer Werkbund, SWB 1983
70 Jahre Schweizer Werkbund, SWB 1983
„Es ging um die Fragen der Identität, der Authentizität, des Materials, der Arbeit, des Menschen und der Gestaltung als soziales Bindeglied der Gesellschaft.“ Burkhard Remmers, 2005
„Es gibt prinzipiell keine ‚falschen‘ menschlichen Bedürfnisse; ‚falsche‘ Befriedigungsangebote hingegen liegen an der Tagesordnung.“ L. Balmer, 1977 70 Jahre Schweizer Werkbund, SWB 1983
Geschmacksbildung – Dogma oder Leitbild? Werkbund – Bildung – Wirtschaft 2004; in: Wie Wohnen, Hatje Cantz Verlag 2005
„Vielmehr liegt im Ziel umfassender Mitbestimmung, dass es als Voraussetzung kompetenten Handelns allen gelingt, sinnliche Wahrnehmung mit Verstand zu vereinen. Dem Design-Experten erwächst daraus die doppelte Arbeit, seine fachliche Tätigkeit mit Erziehung im weitesten Sinne, mit Politik, in Übereinstimmung zu bringen.“ Otti Gmür, 1983
„Seit über 10 Jahren fordern Pädagogen und Bildungsexperten, die ästhetische Bildung in Schulen und Hochschulen grundlegend zu verbessern, auch und gerade im Bereich der seit den 1970er Jahren stark vernachlässigten Alltagskultur. Das Verständnis für künstlerische Gestaltung im weitesten Sinne und die Teilhabe an kreativen Prozessen sind mitentscheidend für die Entfaltung des Individuums und die Zukunft unserer Gesellschaft.“ Beate Manske, 2005 Wie wohnen, Hatje Cantz Verlag 2005
Reform und Revolution, 70 Jahre Schweizer Werkbund, SWB 1983
„Die Verdrängung der menschlichen Hand aus der Schöpfung der Dinge, die zum Verlust der beseelter Formen geführt hatte, sollte mit einer durchgeistigten Maschinenproduktion kompensiert werden: Das bedeutet aber, unser von der Macht der Technologie und Technokratie vergewaltigtes Leben durch Design nach Möglichkeit zu humanisieren.“ Hans Eckstein, 1985 Formgebung des Nützlichen. Marginalien zur Geschichte und Theorie des Design, Düsseldorf 1985
„Auch in der wirtschaftlichen Entwicklung befinden wir uns deutlich in einer Phase der Besinnung auf die Folgen der hemmungslosen Expansion von Produktion und Verbrauch in den 50er Jahren … Jeder technische Fortschritt macht uns mehr Sorge als Freude – die Automation z.B. oder das Überschall-Verkehrsflugzeug.“ Automation z.B. oder das Überschall-Verkehrsflugzeug. G. Schmidt, 1963 70 Jahre Schweizer Werkbund, 1983
„So wurde, um nur das prominenteste Beispiel zu nennen, das alte Ziel, Kunst und Leben zusammenzuführen, wie Jugendstil, Bauhaus und andere Bewegungen der Moderne propagiert hatten, zwar irgendwann erreicht, doch geschah dies unter den Vorzeichen des Spektakels, des Diktats der Kulturindustrie, während das Streben der Avantgarde nach Befreiung unerfüllt blieb. In unserer Zeit heisst eine der grundlegendsten Formen dieser Versöhnung Design. (…) Doch vielleicht haben sich die Zeiten geändert; vielleicht befinden wir uns an einem Punkt, da Differenzierungen erneut möglich und notwenig scheinen – ohne gleich den ideologischen Ballast von Reinheit und Korrektheit mitzuschleppen.“ Hal Foster, 2012 Design und Verbrechen, Jungle World Nr.22 31.5.2012
No Function
Julia Modolo und Jean-Philippe Bonzon, Shanghai
Shanghai
No Sense?
David Glättli, Kyoto/Zürich und Shiho Ueda, Kyoto
Buttermesser
Laetitia de Allegri, London
Untitled N1
Mathias Renner, London
Banana
„Als Schweizer, die in China leben, werden wir je-
Die Präsentation eines in Butter gegossenen Tafel-
„Ein nonfunktionales Objekt zu entwerfen, ist eine
„... Vor ihm nahm eine gebrechliche Pyramide, zu-
den Tag mit kulturellen Unterschieden konfrontiert.
messers im Massstab 1:1 unter einer rechteckigen
merkwürdige Vorstellung für einen Designer – das
sammengefügt aus drei Rindenstücken, auf einem
Wir zeigen Objekte, die wir auf Shanghais Stras-
gläsernen Kühlglocke wäre im Depot Basel schwie-
Gegenteil von ‚Form follows Function‘. Ich zeichne-
Gestell von besonderer Form, seine ganze Aufmerk-
sen gekauft haben. Die Alltagsgegenstände aus
rig gewesen. Deshalb lässt David Glättli seine
te Wellen. Flüssige, freie Formen. Das Resultat ist
samkeit in Anspruch; die Basis, ihm zugekehrt, aber
Papier erscheinen nutzlos, in europäischen Augen
Idee von der Illustratorin Shiho Ueda umsetzen.
eine Skulptur, an deren Ausdruck man sich freut.
merklich überhöht, diente ihm als Webstuhl; auf
unbrauchbar, nicht einmal als Speizeuge wären sie
„Alle vermeintlich funktionslosen Objekte täuschen
Während der Arbeit realisierte ich, dass alles eine
einem Ansatz des Gestells lag in Reichweite seiner
richtig zu verwenden. In der Chinesischen Kultur
entweder eine Funktion vor, oder sie lassen sich –
- wenn nicht immanente, so doch ihm zugedachte –
Hand ein Haufen von Obstschalen, die auf der Aus-
hingegen haben sie eine konkrete Bestimmung: Als
auch wenn sie sich einer lesbaren Form verweigern
Funktion hat. Manchmal kaufen wir Objekte bloss,
senseite von einer graulichten pflanzlichen Sub-
Geschenke für die Toten, Konsumgüter, die man
– doch zu etwas gebrauchen. Die Aufgabe, etwas
weil sie schön sind, und benutzen sie nicht. Ich war
stanz überzogen waren. Sie erinnerten an Insek-
den Verstorbenen mittels eines Feuerrituals sendet,
ohne Funktion zu schaffen, ist nicht lösbar. Das
mit der Wellen-Form per se glücklich. Sie erinnerte
tenlarven, die kurz vor der Verwandlung in Puppen
um ihnen ihr ‚Leben‘ angenehmer zu machen. Die
zeigt sich auch in meiner Arbeit: Das Buttermesser
mich auch an einen Magazinständer. Uns Designer
standen. Indem der junge Mann mit zwei Fingern
Kleider, Brillen, Handys und Kreditkarten stehen für
selber ist ganz offensichtlich nicht als solches zu
kann nichts davon abhalten, praktisch zu denken:
eine dieser zarten Umhüllungen fasste und langsam
einen populären chinesischen Glauben an ein mate-
benutzen. Dennoch lässt sich die Butter aus der es
Mein Objekt ist in Zeitungsständer-Grösse ausge-
seine Hand an sich zog, schuf er eine elastische
rialistisches Jenseits“.
gemacht ist, aufs Brot streichen“.
führt; als Skulptur mit Zusatzfunktion“.
Verbindung gleich jenen Spinnenfäden, die im Frühling durch die Wälder schweben.“
Preise: Papierobjekte CHF 5.–,
Preise: Marmor £700 (ohne Transport),
Plastikobjekte CHF 10.–
Keramik (gelb, silber-gold, dunkelblau, schwarz):
Aus: ‚Eindrücke von Afrika‘, Raymond Roussel, 1910
£300 (ohne Transport) juliamodolo.com jpbd.ch
davidglaetttli.jp shiho-ueda.com
mathiasrenner.ch
No Function
Meret Probst, London
B vs. U Collection
No Sense?
Arno Mathies, London
Made in Plastic
Jacques Borel, Dieter Glauser, Michael Häne, Zürich
Ta p e t e d e r Materialien und Behandlungen
Moritz Schlatter, Zürich/Antwerpen
Cups
„Die ‚B vs. U Collection‘ besteht aus einer Serie
„Ich habe mich eines industriellen Prozesses be-
„Das Muster der ‚Tapete der Materialien und Be-
„ ‚Cups‘ sind Gefässe, die für spezielle Lebensla-
von Objekten, die von Hand aus weichen Materiali-
dient, um Objekte zu schaffen, die funktionslos
handlungen‘ besteht aus 20 verschiedenen ‚Ka-
gen gebraucht werden könnten – stände nicht ge-
en wie Neopren und Latex geschaffen wurden. Die
sind. Sie lassen sich nicht in ein kulturelles oder
cheln‘, auf die jeweils ein Wort für ein Material und
nau ihre spezifische Ausgestaltung einer reibungs-
Kollektion befasst sich mit expressivem Potenzial
soziales Bezugssytem einordnen. Die Funktion, die
eine Bezeichnung für ein Verfahren gedruckt sind.
losen Anwendung im Wege. Aufgetürmt wird die
und stellt einen Diskurs zwischen der Macherin und
sie repräsentieren, bestimmt der Benutzer, sie kann
Die Positionierung der Wörter und die zufällige
Kollektion zu einem harmonischen Ganzen, dessen
dem Prozess des Machens dar, einen Diskurs über
sowohl primitiv als auch spezifisch sein. Die Objek-
Aneinanderfügung der ‚Kacheln‘ führen zu unend-
Äusseres klischierte Gefässformen persifliert; Aus-
die Ästhetik von Körpern und Form und deren Rolle
te sind aus Schlacken gemacht, die in einer Extru-
lich variierbaren Kombinationen von Materialien und
güsse und Henkel werden von Funktionsträgern zu
in der Gestaltung von Identität. Die Kollektion sucht
sionsmaschine in einem ganz bestimmten Moment
Verarbeitungsmöglichkeiten: Vom Realistischen und
beliebigen Bestandteilen einer körperhaften Gesam-
nach einem Ausdruck jenseits herkömmlicher Ka-
des industriellen Prozesses entstehen. Ich greife in
Vorstellbaren bis hin zum Immaginären. Die ‚Tape-
terscheinung“.
tegorien. Wegen des Fehlens klarer Funktionen und
diesem Augenblick ein, um im Kontext der Ausstel-
te der Materialien und Behandlungen‘ schafft auch
durch die Ambivalenz ihrer Erscheinung erfahren
lung mit dem Material zu spielen. Meine Arbeit als
einen kontextuellen Hintergrund für die anderen
diese Objekte ihre Vollendung, ihren Sinn und Inhalt
Designer ist es, das Abfallmaterial umzugestalten,
Exponate.“
erst durch die Reaktion der Betrachter“.
um daraus Objekte mit unbestimmten Funktionen zu entwerfen!“
Preise: klein CHF 300.–, mittel CHF 550.–, gross CHF 1’100.–
meretprobst.com
Preise auf Anfrage
arnomathies.com
jacquesborel.ch resortstudio.ch
moritzschlatter.com
No Function
Julie Usel, London
Drei Objekte, die davon träumen, Ringe zu sein
No Sense?
Anne Lutz, Paris
AUBE
Alexandre Bettler, London
Objects Without Function = Lack of Imagination
Loris Jaccard und Livia Lauber, London
‚ Va s e ‘
„Was stellen diese Objekte dar? Konzeptionell,
„AUBE ist eine von den Silos inspirierte künstle-
„Alles ist nützlich, jedes Objekt ist wichtig, und es
„Ist es eine Vase? Eine geschmolzene Vase? Eine
visuell und ästhetisch sind es Ringe; sie sehen aus
rische Entdeckungsreise und versucht, einfache
könnte irgendein auf dem Boden liegendes altes
fehlerhafte Vase? Eine sehr sonderbare Vase? Ist
wie Ringe; sie haben deren Grösse und Kostbarkeit.
Formen, Farben und Lichtdurchlässigkeiten mitein-
Gummiband sein, das dein Leben rettet. Wer weiss
sie schön? Oder hässlich? Ist sie das Resultat von
Sie erwecken den Eindruck, Schmuckstücke zu
ander zu verbinden. Die Tüll-Origamis sind aus zwei
das schon? Ich glaube nicht, dass einige Objekte
Design oder der Ausdruck eines Fehlers im Produk-
sein. Aber sie können nicht getragen werden. Das
identischen, mit einem feinen Faden verbundenen
wertvoller sind als andere oder dass bestimmte
tionsprozess? Jeder wird davon eine andere Auf-
Konzept Ring wohnt ihnen zwar inne, nicht aber
Formen gefügt. Sie wirken in einer Gruppe am bes-
Materialien grösseren Wert haben als die übrigen.
fassung haben, eine andere Sichtweise, bestimmt
die Funktion. Was sind sie also? Müssen wir die
ten. Ein erster Blick mag die Verbindung der Farben
Das hängt allein von Nachfrage und Erhältlichkeit
von Kontext, Kultur und Geschmack. Wir haben für
Objekte überhaupt einordnen? Vielleicht ist ja die
zeigen, ein zweiter entdeckt vielleicht die ovale
ab. Felsen oder Steine sind nutzlos und offensicht-
unsere Arbeit eine Idee und einen Prozess definiert,
Funktion dieser absurden kleinen Dinger auch, uns
Geometrie, die der Diamantform einbeschrieben ist
lich ohne Wert, aber sie bilden das Fundament der
bei dem wir mit einer Rezeptur spielen. Die Grenzen
zu frustrieren. Sie wollen sich an uns rächen: Weil
oder erkennt die verschiedenen Schichten. AUBE
Gesellschaft: Häuser, Strassen, Denkmäler, Böden …
kontrollieren wir, aber nie das Ergebnis. Die Hitze
sie selber nicht das sein können, was sie eigentlich
hängt im Raum, spielt mit natürlichem und künstli-
In meiner Arbeit habe ich deshalb kleine Steine,
beim Schmelzprozess und die Schwerkraft definie-
gerne wären …“
chem Licht, bewegt sich in der Luft und wirft auf-
die ich in der Nähe meines Studios gefunden habe,
ren die Form der ‚Vasen‘ Jedes Stück ist einzigar-
wändige Schatten. AUBE ist zum Anschauen, zum
verewigt“.
tig. Seine Schönheit liegt in der Ungewissheit. Die
In-die-Ecke-Hängen und zum Sein-Eigen-Nennen“.
Funktion ist irrelevant“. Preis: CHF 5.–
Preise: 14cm CHF 10.–, 24cm CHF 15.–,
Preise auf Anfrage
verschiedene Farbkombinationen
julieusel.net
annelutz.ch
aalex.info designmarketo.com
lorisetlivia.com
No Function
No Sense?
kcewZ neztuN noitknuF
Klare Begriffe. Eigentlich. Denn – und das ist mit vielen Wörtern so – je länger man sich mit ihnen beschäftigt, desto weniger ist zu greifen, was vermeintlich schon begriffen wurde. Verbindlichkeiten sind keine mehr, Definitionen verlieren ihre Absolutheit, werden sperrig, widerspenstig, Grenzen verschwimmen. Existieren überhaupt Dinge ohne Funktion? Was ist Nutzen? Inwiefern bestimmen Kontext und ‚Nutzer‘ den Zweck? Kann ein Designer Funktionsloses entwerfen, oder hat er – im Sinne seines gestalterischen Auftrags – Gegenteiliges zu tun? Von welcher Prämisse geht er beim Designen aus, wenn nicht von der Zweckbestimmtheit? Wird aus einem Designer, der Funktionsloses entwirft, nicht ein Künstler? Und wo liegen die Grenzen zwischen Design und Kunst? „Das, was man als schön bezeichnet, entsteht in der Regel aus der Praxis des täglichen Lebens“, schreibt der japanische Schriftsteller Tanizaki Jun’ichiro in seinem Essay Lob des Schattens. „Schön ist etwas, bei dem sich alles Einzelne ‚zweckmässig‘ in das Ganze einfügt, ohne dass das Ganze noch einen weitergehenden Zweck hätte. Es gibt also Zweckmässigkeit ohne Zweck“, definiert Immanuel Kant in Kritik der Urteilskraft. „Das sind die Auserwählten, denen schöne Dinge nichts bedeuten als Schönheit“, konstatiert Oscar Wilde im Bildnis des Dorian Gray. Und was machen im Ausland lebende Schweizer Industrie- und Schmuckdesigner, wenn sie gebeten werden, Objekte ohne Funktion zu entwerfen?: Sie stellen sich die oben genannten Fragen, reflektieren ihr Selbstverständnis und finden ganz unterschiedliche Lösungen.
mroF tiehnöhcS Mit: Alexandre Bettler; Laetitia de Allegri; David Glättli & Shiho Ueda; Livia Lauber & Loris Jaccard; Anne Lutz; Arno Mathies; Julia Modolo & Jean-Philippe Bonzon; Meret Probst; Mathias Renner; Moritz Schlatter; Julie Usel; Dieter Glauser; Michael Häne & Jacques Borel
Form
17. August – 14. September 2012
Funktion
No Function — No Sense?
Schönheit
Vernissage: Freitag 17. August 2012
Zweck
Nutzen