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diEfarbEn dEs KroatischEn mährEns

Die Farben des kroatischen Mährens

2020

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ISBN 978-80-270-8390-9 Die Farben des kroatischen Mährens

Liebe Leserin, lieber Leser,

woran hast du gedacht, als du das erste Mal den Titel Die Farben des kroatischen Mähren gelesen hast? An ein Gemälde? Eine Malerpalette? Eine Kombination aus Farben, etwas wild, nicht gerade traditionell? Oder geheimnisvolle Exotik, die etwas Verheißungsvolles, ganz sicher aber etwas Unerwartetes verspricht?

Tatsache ist, dass nur wenige Einwohner der heutigen Tschechischen Republik ahnen, wo sich das „kroatische Mähren“ eigentlich verbirgt. Es ist jedoch noch gar nicht so lange her, dass ein kleiner Landesteil im Süden Mährens, ganz nah an der Grenze zu Österreich, so bezeichnet wurde.

Die Kroaten lebten hier ab dem 16. Jahrhundert. Damals hatten sie, ganz ähnlich wie ihre Landsleute, die bis heute in Österreich, in der Slowakei und in Ungarn anzutreffen sind, ihre ursprüngliche Heimat im Süden Europas verlassen und sich in die nördlichen Teile der Habsburger Monarchie begeben, um da ein neues Leben zu beginnen. Die mährischen Kroaten stellen den nördlichsten und gleichzeitig am weitesten vom Ursprungsland entfernten Ausläufer dieser großen kroatischen Migration dar.

Die kroatischen Siedlungen in Mähren waren eigentümlich und unterschieden sich auf den ersten Blick von den umliegenden Orten. Einerseits herrschte hier Exotik: die Kroaten liebten Farben, und so verwendeten sie diese reichlich bei ihrer Kleidung und bei der Verzierung ihrer Häuser. Außerdem sprachen sie einen eigenen zauberhaften Dialekt, den ein Deutscher nur schwer verstand, ein Tscheche musste sich sehr anstrengen. Andererseits aber blieben ihre Orte immer auch ein Teil Mährens. Mit ihren Nachbarn teilten sie über die Jahrhunderte hinweg Freud und Leid.

So war dies viele Jahre lang. Das Ende kam mit dem Zweiten Weltkrieg, vor allem aber mit dem Jahr 1948. Infolge der politischen Ereignisse wurden die Kroaten gewaltsam aus ihrer Heimat ausgesiedelt, das kroatische Mähren verschwand. Heute erinnert sich kaum noch jemand daran, dass einst in Südmähren kroatische Dörfer ihre Blütezeit erlebten.

Aus diesem Grund entstand dieses Buch. Darin ist alles zusammengefasst, was wir über die Kroaten und ihr Leben in Südmähren wissen. Die Texte wurden in drei Teile unterteilt: Geschichte – Sprache – Volkskultur. In jedem von ihnen haben wir versucht, das Wesentliche herauszustellen. Die deutsche Ausgabe unterscheidet sich leicht von der ursprünglichen tschechischen. Das Kapitel zum Schicksal der Kroaten in Österreich wurde erweitert, wir haben versucht, einem Leser, dem die tschechische Landeskunde fremd ist, diese etwas näherzubringen.

Liebst du Farben? Ja? Dann blättere in ihnen und hab Freude daran!

Lenka Kopřivová

Jevišovka, 5. September 2020

diEfarbEn dEs KroatischEn mährEns 3

diE mährischEn KroatEn in dEr LitEratur

die Literatur bis 1991 richard Jeřábek

die Literatur nach 1991 Lenka Kopřivová 7

7

13

Geschichte

diE mährischEn KroatEn im strudEL dEr gEschichtE

Lenka Kopřivová

die ankunft der Kroaten in mähren und die ersten vier Jahrhunderte des bestehens mährisch-kroatischer siedlungen (1530–1918) Zwischen tschechen und deutschen (1918–1945) der untergang der kroatischen gemeinschaften in mähren (1945–1989) Eine chance auf rettung? (1989-2017) 19

19 47 65 88

EntstEhung und ExistEnZ dEr mährisch-KroatischEn gEmEindEn in mährEn im KontExt dEr tschEchisch-südsLawischEn bEZiEhungEn

ivandorovský

was diE KirchEnbüchEr VErratEn: das LEbEn dEr mährischEn KroatEn in dEr gEgEnd um dürnhoLZ im 17. und 18. JahrhundErt

františek Zbořil 93

99

diE mährischEn KroatEn im gEbiEt fELdsbErg und in niEdEröstErrEich bis Zum bEginn dEs 20. JahrhundErts

Lenka Kopřivová 109

wEr schafft Ein VoLK? diE mährischEn KroatEn im LangEn schattEn dEr tradition116 martin markel

diEgEmEindEn JEVišoVKa, noVý přEroV und dobré poLE im grEnZgEbiEt 123

david Kovařík

diEKroatischEidEntität in EinEr hEutigEn südmährischEn famiLiE

martin sítek 131

diEKroatischEn gEmEindEn in südmährEn am bEginn dEs 21. JahrhundErts

ondřej šerý 137

Sprache

Zur sprachE dEr mährischEn KroatEn

andrej novik

„wir fingEn fischE im JaispitZ.“ Zur EntwicKLung Von ortsbEZEichnungEn in dEn gEmEindEn mit EinEr EhEmaLigEn KroatischEn bEsiEdLung in dEr umgEbung Von miKuLoV 170 michaela boháčová

Volkskultur

Zur EntwicKLung dEr trachtEn dEr mährischEn KroatEn in dEr ZwEitEn häLftE dEs 19. und dEr ErstEn häLftE dEs 20. JahrhundErts 175

Lenka nováková

diEgEistEsKuLtur dEr mährischEn KroatEn

Lenka Kopřivová, Klára nádaská

dEr tanZ dEr mährischEn KroatEn

Jitka matuszková

nicht nur übEr dEn wEin unsErEr VorfahrEn

Eliška Leisserová

übEr diEVoLKstümLichEbauKunst dEr mährischEn KroatEn

Eliška Leisserová

EpigrafischEdEnKmaLE in dEn mährisch-KroatischEn gEmEindEn dEr gEgEnd um miKuLoV bis Zum JahrE 1900

martina Kvardová

dEr priEstEr aLois maLEc aus dobré poLE und sEinEbEdEutung für diE mährischEn KroatEn

tereza Luzarová

othmar ruZicKa – dEr maLEr dEr mährischEn KroatEn

tereza Luzarová

františEKpospíšiL und diE mährischEn KroatEn

hana dvořáková

diEfarbEn dEs KroatischEn mährEns

Zusammenfassung

thEcoLours of croatian moraVia

summary

boJE hrVatsKEmoraVsKE

sažetak

Die Literatur bis 1991

1

Richard Jeřábek

Die mährische Ethnografie vollzog von ihren Anfängen am ausgehenden 18. Jahrhundert bis heute einen deutlichen Fortschritt. Von allgemeinen, in der Regel dilettantischen Abhandlungen über den „Charakter der mährischen Stämme“, die vor allem mit den älteren Phasen der Entwicklung einhergingen, gelangte sie zu mehreren bedeutenden, für die tschechoslowakische Ethnografie wesentlichen monografischen Werken und zu zahlreichen analytischen und systematischen Studien in einigen, mehr oder weniger charakteristischen Elementen bzw. einzelnen Ausprägungen der Volkskultur. Es ist jedoch schwer zu verstehen, wie die Klärung mehrerer grundlegender Probleme, ohne deren Bearbeitung die mährische Völkerkunde in einem Entwicklungsstadium steckenbleiben konnte, die nicht dem allgemeinen Stand der Wissenschaft entspricht, im Hintergrund des wissenschaftlichen Interesses bleiben konnte. Eines dieser Probleme ist beispielsweise die Entstehung und Entwicklung der ethnografischen Differenzierung Mährens.

Im Vergleich mit anderen Gebieten ist Mähren ungewöhnlich ethnografisch gegliedert. Die Differenzierung der Volkskultur ist das Ergebnis einer sehr langen Entwicklung, deren Anfänge wahrscheinlich bis in die Zeit der frühen slawischen Besiedlung zurückreichen und deren letztes Stadium wir gerade hautnah erleben.

Untrennbarer Bestandteil des Studiums, wie sich die ethnografischen Gebiete in Mähren formiert haben, ist die Beobachtung des Anteils der einzelnen autochthonen und fremden Ethnien an der Herausbildung einer individuellen Kultur, die für die einzelnen Gebiete oder deren Teile charakteristisch sind. Es handelt sich also sowohl um den Anteil der ursprünglichen Bevölkerung als auch um den Beitrag verschiedener Kolonisationen bzw. Migrationen naher oder ferner Ethnien. In Mähren müssen vor allem der Umfang und der Grad des Einflusses der Slowaken, aber auch der Polen, Deutschen und Österreicher in den Grenzgebieten und Besiedlungsinseln, der angenommene Einfluss der Ungarn, Ukrainer, Kroaten, Franzosen u. ä. betrachtet werden, insbesondere in den Gebieten, über die aus historischen Quellen bekannt ist, dass sie von diesen Ethnien erfasst wurden, aber auch anderenorts, wo dies einige Ausprägungen der Volkskultur nur erahnen lassen.

Zu den historisch nachgewiesenen Kolonisationen gehört die Besiedlung einiger südmährischer Dörfer durch Kroaten im Laufe des 16. Jahrhunderts. Diese Kolonisation zog recht bald die Aufmerksamkeit von Topografen, Historikern und Ethnografen auf sich, sie war Gegenstand mehrerer ernster Studien und vieler kleiner Zeitschriften- und Zeitungsartikel mit dem Charakter von Reisebeschreibungen. Von historischer Seite betrachtet wurde diese Kolonisation sehr gründlich erforscht, auch wenn das letzte Wort noch nicht gesprochen war. Demgegenüber wurde ihr aus ethnografischer Sicht bisher noch nicht ausreichend Aufmerksamkeit zuteil.

Eine unangenehme Eigenschaft, die die meisten bisherigen Arbeiten über die mährischen Kroaten gemeinsam haben, ist die unvollständige und ungenaue Zitierweise der älteren Literatur, von Buchpublikationen sowie Zeitschriften- und Zeitungsartikeln. Bereits seit dem letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts werden unkritisch Zitate mit immer den gleichen Fehlern in den Namen der Autoren, in den Titeln von Arbeiten, in Orts- und Datumsangaben ihrer Ausgaben, in den Verweise auf Seiten, Anlagen usw. übernommen. In dem Bemühen, diesen grundlegenden Mangel zu beseitigen, haben wir versucht, in diesem Aufsatz möglichst viele bisher veröffentlichte Titel zusammenzutragen und ihre bibliografische Zitierweise zu präzisieren.

Die Literatur zu den mährischen Kroaten ist absolut unsystematisch; größtenteils ist sie in den verschiedensten Zeitschriften und Zeitungen verstreut. In der Entwicklung des fachlichen Interesses an den Kroaten zeigen sich recht starke Schwankungen: in einigen Zeiträumen intensivierte sich das Interesse, was sich sofort in einer größeren Anzahl von Artikeln niederschlug, zu einer anderen Zeit verschwand es für Jahre oder Jahrzehnte völlig.

Die ersten bekannten literarischen Erwähnungen zu den mährischen Kroaten tauchen in topografischen Arbeiten auf, namentlich im Werk von Schwoy. Allerdings ist dies nicht

<Gänsehirtin. Foto: Othmar Ruzicka. Vereinigung von Bürgern kroatischer Nationalität in der Tschechischen Republik (SOCHN)

1 Eine Übersicht über die Literatur, die über die mährischen Kroaten bis 1990 erschienen ist, hat Richard Jeřábek für seine Anthologie

Moravští Charváti [Die Mährischen Kroaten] verfasst. Der an dieser Stelle veröffentlichte Beitrag ist gekürzt (er enthält nicht die Überlegungen des Verfassers zum Einfluss der Kroaten auf die Volkskultur in Mähren, übernommen wurde lediglich derTeil, der sie Literatur an sich betrifft).

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