BERICHTE AUS WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT
Energie ohne Ende Wie kleine Firmen ihre Kompetenzen in einem Netzwerk b端ndeln Seite 10
06/11
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Aus meiner Sicht
leben Frauen eigentlich energiebewusster als Männer? Aber ja.
Strom. In Sachsen-Anhalt habe ich aber Männer getroffen, die
Waschmaschine achten wir auf die Anzahl der „+“ hinter dem
ternehmen bereits längst die Energiewende eingeleitet haben.
PS. Außerdem essen wir mehr Salat und Gemüse aber weniger
radezu ansteckende Energie. Für kurze Drähte zwischen ihnen
Wir brauchen weniger technisches Spielzeug, beim Kauf der
„A“, und unser Auto wählen wir nicht zuerst nach der Höhe der
Fleisch, dessen Erzeugung viel mehr Energie benötigt und die
Klimabilanz stärker belastet. Zugegeben, der exorbitante Bedarf einiger Geschlechtsgenossinnen an Kleidung und Kosmetik bringt uns Minuspunkte. Dafür drehen Frauen beim Haarewaschen zwischendurch den Wasserhahn zu, während nur sehr
umweltbewusste oder sehr geizige Männer auf diese Idee kom-
erfreulicherweise auf die „Erneuerbaren“ setzen und für ihre Un-
Sie bringen jede Menge spezielles Fachwissen mit und eine gesorgt das Landes-Cluster Erneuerbare Energien, von dem in diesem Magazin ebenso die Rede ist wie von einem Schwergewicht in der Branche, der GETEC. Und wir sind natürlich stolz, mit der
Leopoldina eine Akademie in Sachsen-Anhalt zu haben, die sogar die Bundesregierung in der Energiepolitik berät.
men.
Als Konsumenten und Energieverbraucher sind wir indes alle in
Männer werfen Frauen immer noch gern mangelndes Verständ-
mes Leben sichern wollen, müssen wir einige Gewohnheiten
nis für die Technik vor. Dabei wissen wir inzwischen, dass intelligente Netze keine mitdenkenden Einkaufstaschen sind, die irgendwann sagen: Jetzt hast Du aber genug Geld ausgegeben.
der Pflicht. Wenn wir auch noch unseren Kindern unser bequeüberdenken, bei manchen Ansprüchen selbst ein Stoppzeichen setzen – egal ob Mann oder Frau.
Umfragen besagen, dass mehr Frauen als Männer gegen Atomenergie sind und für den beschleunigten Umstieg auf sauberen
SACHSEN-ANHALT-MAGAZIN 06/11
Ute Semkat, Autorin
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In diesem Heft
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Interview
„Im größeren Zusammenhang denken“ Im Gespräch mit dem Leopoldina-Präsidenten Prof. Dr. Jörg Hacker..................................................6
Wir denken Themen im größeren Zusammenhang Seite 6
Innovation
Ein Netz voller Energie Kleine Unternehmen entwickeln im Verbund große Lösungen ......................................................10
Aktion
Gutscheine gegen die Angst Fifty-fifty-Taxi erfreut sich bei Jugendlichen wachsender Beliebtheit........................................15
Visionen
Energiewende braucht neues Handeln Regionale Ausrichtung stärkt Unabhängigkeit von Märkten..............................................................18
Die Leopoldina mit Sitz in der Saalestadt Halle ist die älteste Akademie der Welt. Vor drei
Jahren wurde sie zur Nationalen Akademie der Wissenschaften berufen und berät jetzt die Bundesregierung. Ein Gespräch mit
dem Präsidenten Prof. Dr. Hacker
über Energiewende, EHEC und Ethik der Wissenschaft.
Tradition
In edelstem Gewande Königliche Hofschneiderei in Merseburg feiert 15. Geburtstag..........................................................20
Forschung
Die Sprache des Immunsystems verstehen Wissenschaftler sind der Zellkommunikation auf der Spur..............................................................24
Unternehmen
Immer bestens im Bilde ORWO Net startet erfolgreich ins Zeitalter der digitalen Fotografie...............................................28 Gesellschaft Gemeinsam statt einsam Was den Schauspieler Uwe Ochsenknecht mit einem Projekt in Meßdorf verbindet ..............32
Porträt
Der Gesundheitsmacher Ralf Dralle – neuer Vorstand der AOK in Sachsen-Anhalt...................................................... 36
Sicherheit
Schutzengel ist immer an Bord Notrufautomat in Fahrzeugen organisiert Hilfe bei Unfällen...................................................40
ORWO Net setzt Wolfens Fototradition fort
Seite 28
Unsere Großeltern mussten mit rustikaler Technik zurechtkommen, um Bilder auf Zelluloid zu bannen und aufwändig vorzuführen. Das Filmmuseum Wolfen zeigt solche Oldtimer. Heute werden digitale Bilder bei ORWO Net vollautomatisch produziert.
In diesem Heft
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Briefe an die Redaktion
Leserzuschriften................................................Seite 44
Impressum:
Des Kaisers neue Kleider
Seite 20
Lisa Stöffgen ist die Zeremonienmeisterin des Merseburger Schlossfestes, das von der Königlichen Hofschneiderei ausgestattet wird. An der Wandtafel hat
jeder der rund tausend Akteure des prächtigen Festumzuges seinen Platz. Das alljährliche Spektakel ist die Königsdisziplin der Hofschneiderinnen.
HERAUSGEBER SAM. Sachsen-Anhalt-Magazin Verlag GbR Geschäftsführer: Michael Scholz, Wolfgang Preuß KONTAKT SAM. Sachsen-Anhalt-Magazin Verlag GbR Schilfbreite 3, 39120 Magdeburg Tel. 0391 63136-45, Fax 0391 63136-47 info@st-magazin.de www.sachsen-anhalt-magazin-verlag.de
Gemeinsam statt einsam in Meßdorf Seite 32
REDAKTIONSLEITUNG Ute Semkat, Christian Wohlt redaktion@st-magazin.de ANZEIGEN Tel. 0391 6313645 anzeigen@st-magazin.de FOTOGRAFIE Michael Uhlmann, Victoria Kühne DRUCK Harzdruckerei GmbH, Wernigerode
Victoria Weich gehört mit ih-
rem Kaninchen Mimmi zu den 14 Bewohnern eines integrativen Wohnprojekts im altmärkische Meßdorf. Ein Modellvorhaben
des
Paritätischen
Wohlfahrtsverbandes und des Sozialtherapeutischen
Zen-
verschiedene
mit-
trums Gut Priemern, in dem Gruppen
einander leben. Dieses Pilotprojekt ist einzigartig in ganz Deutschland.
SACHSEN-ANHALT-MAGAZIN 06/11
Schutzgebühr: 4,00 EUR Das Magazin und alle darin enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Der Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit schriftlicher Genehmigung und Quellenangabe gestattet. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder wird keinerlei Gewähr übernommen. Die namentlich gekennzeichneten Beiträge stehen in der Verantwortung des jeweiligen Autors. 3. Jahrgang 2011 ISSN 1868-9639
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Interview
„Wir denken Themen im größeren Zusammenhang“ Im Gespräch mit dem SAM betrachtet Prof. Jörg Hacker, Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Wissenschaft im Spiegel von Facebook, Fukushima und politischem Entscheidungswillen
Professor Hacker, ich habe kurz überlegt, ob ich seit EHEC einem Mikrobiologen zur Begrüßung noch die Hand reichen kann.
Prof. Hacker: Ich nehme die Hand. Das ist auch eine Frage der Erziehung und Höflichkeit. Aber beim Höhepunkt der Neuen Grippe haben wir das vermieden.
Wir treffen uns genau in dem Gebäude, in dem die Leopoldina
seit 133 Jahren ihren festen Sitz hat. Als ihr XXVI. Präsident füh-
ren Sie eine erhabene Tradition weiter. Ist das manchmal auch eine Bürde?
Prof. Hacker: Die Leopoldina ist eine alte und eine neue Institution zugleich. Die älteste Akademie der Welt, die ununterbrochen seit 1652 existiert. Und jetzt ist sie seit drei Jahren
Prof. Hacker: Die Akademie sucht sich ihre Themen aus eigenem Antrieb. Wir haben Verfahren etabliert, wie solche Themen gefunden und wie sie aufbereitet werden. In der Politik-
beratung gibt es außerdem Anfragen und Anregungen von Ministerien. Ein Beispiel ist die Energieforschung, dazu hat
die Leopoldina schon vor zwei Jahren auf Bitte der Bundesregierung eine Stellungnahme abgegeben. Nach dem Unfall in
Fukushima sind wir gebeten worden, dieses Papier zu aktualisieren. Das ist Anfang Juni geschehen, und unsere Stellungnahme ist in die Arbeit der Ethikkommission „Sichere Energieversorgung“ eingeflossen.
Wie sichert sich die Leopoldina ihre Unabhängigkeit gleichwohl von politischen wie wirtschaftlichen Interessen?
Nationale Akademie der Wissenschaften. Ich habe natürlich
Prof. Hacker: Wir sind in jeder Hinsicht eine unabhängige In-
gängern im Amt wie Volker ter Meulen oder Benno Parthier
Mitglieder werden aus der Akademie heraus gewählt. Unser
einen Riesenrespekt sowohl vor meinen unmittelbaren Vorund auch vor früheren hervorragenden Repräsentanten wie
Carl Gustav Carus, Charles Darwin, Johann Wolfgang von Goethe, Max Planck. Das ist eine große Tradition, die man als Verpflichtung sehen muss und auf der man aufbauen kann.
Was zeichnet die Leopoldina für den Rang einer Nationalen Akademie aus, vergleichbar mit der Royal Society in London oder der Académie des Sciences in Paris?
stitution. Wir können bei Anfragen auch „Nein“ sagen. Unsere Etat kommt zu 80 Prozent vom Bund und zu 20 Prozent vom Land Sachsen-Anhalt. Damit ist aber nicht verbunden, dass wir Auftragsarbeiten anfertigen würden.
Wir sind nicht von Spenden, etwa aus der Industrie, abhängig. Wir arbeiten aber mit Stiftungen zusammen, zum Beispiel der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. Die Jacobs Foundation etwa unterstützt unsere Arbeit auf dem Gebiet der Demografie.
Prof. Hacker: Die Leopoldina hat schon immer über Deutsch-
Sie beraten Regierungen, die G8-Staaten, aber hört man auch
den vergangenen Jahren hat sie das Spektrum ihrer Tätigkeit
Wüste?
land hinaus gewirkt und hatte immer Mitglieder weltweit. In noch ausgeweitet, und sie ist weltweit sehr bekannt und an-
auf Sie? Fühlen Sie sich manchmal als einsamer Rufer in der
erkannt in Wissenschaftlerkreisen.
Prof. Hacker: Wenn Sie fragen, wird unsere Arbeit beachtet,
Die Akademie beschäftigt sich mit grundlegenden gesellschaft-
obachten, dass unsere Arbeit die Politik beeinflusst und zu
lichen Zukunftsfragen. Setzen Sie die Themen selbst, oder geschieht dies auf Auftrag?
sage ich: Mehr oder weniger, aber jetzt immer mehr. Wir beeinem gewissen Teil – natürlich nicht Eins zu Eins – auch umgesetzt wird.
Interview
Wir müssen die Politik natürlich für uns interessieren, und
heitssystem in Afrika ein konkretes Projekt entwickelt hat.
ins Parlament, informieren die Ministerien. Im Vorjahr war ich
sicherlich an unserer Unabhängigkeit und weil wir Themen in
dazu gehen wir mit unseren Stellungnahmen zum Beispiel
unter anderem bei einer Ministerpräsidentenkonferenz dabei. Vor den G8-Gipfeltreffen erarbeiten wir gemeinsam mit den
anderen nationalen Wissenschaftsakademien der G8-Staaten Empfehlungen, die dann in die Beratungen eingespeist werden. 2010 in Kanada zum Beispiel war es so, dass sich aus
unserem Vorschlag zum Aufbau von Strukturen im Gesund-
SACHSEN-ANHALT-MAGAZIN 06/11
Ich sehe weltweit eine Renaissance der Akademien. Das liegt
einem größeren Zusammenhang denken. Wir sind nicht nur einem einzelnen Fach verpflichtet. Zudem haben Akademien exzellente Mitglieder in ihren Reihen, die ganz vorne mitmar-
schieren in der Wissenschaft. Also, ich habe das Gefühl, dass Akademien mehr gehört werden als vor einer Generation.
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Interview
Die Wissenschaft hat also den Elfenbeinturm verlassen… Prof. Hacker: Durch die Komplexität der Entscheidungen, die die Politik im 21. Jahrhundert zu treffen hat – und auch weil
solche Entscheidungen finanziell unterlegt werden müssen – besteht zunehmend Bedarf an wissenschaftlich fundierten
Stellungnahmen und Empfehlungen. Die Akademie kann Al-
ternativen aufzeigen, den Gesamtzusammenhang darstellen, und wir können neben den wissenschaftlichen und technologischen Herausforderungen auch gesellschaftliche und ethische Implikationen aufzeigen. Die Entscheidungen selbst muss dann die Politik treffen.
Für ihre Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik (PID) ist die Leopoldina allerdings auch angegriffen worden nach
dem Motto: Die Wissenschaft soll sich aufs Forschen, auf die Empirie beschränken.
Prof. Hacker: Aus unserer Äußerung hat sich eine ganz munte-
re Diskussion entwickelt. Ich denke, Politikberatung zu leisten, ohne einen konkreten Rat zu geben, das geht eben nicht.
In dem konkreten Fall haben wir den Rat gegeben, unter be-
stimmten Bedingungen das Diagnoseverfahren der PID zur Verfügung zu stellen. Wir haben keine Stellungnahme abgegeben, wie sich Frauen oder Paare mit schweren Erbkrank-
heiten entscheiden sollen. Sondern uns ging es darum, eine
Sie gehören der Ethikkommission „Sichere Energieversorgung“ an. Die Empfehlung der Leopoldina zur Energiepolitik vermei-
det allerdings konkrete Handlungsvorschläge oder eine genaue Jahreszahl für den Atomausstieg.
Prof. Hacker: Es ist immer die Frage, inwieweit die Akademie
ganz konkrete Handlungsmuster vorgeben sollte. Oder ob sie sich da ein Stück weit zurückhalten und der Politik die Ausgestaltung überlassen sollte. Wir haben gesagt, dass der Ausstieg auf einer Zeitskala von etwa zehn Jahren möglich ist und
damit auch eine gewisse Flexibilität ermöglicht. Die Politik hat das Ausstiegsjahr jetzt konkret mit 2022 benannt.
Unser Konzept enthält nach wie vor die Erforschung neuer nuklearer Technologien – der Kernfusion zum Beispiel. Da gibt
es auch internationale Verpflichtungen. Die Forschung für si-
chere Endlager spielt jetzt eine noch größere Rolle. Wir haben auch sehr konkrete Vorschläge zu erneuerbaren Energien. Vor
allem muss die Wissenschaft auf diesem Gebiet quer zum Mainstream forschen können, also Grundlagenforschung be-
treiben, die nicht sofort direkte technologische Anwendung verspricht. Zum Beispiel Speicherforschung jenseits der Lithium-Ionen-Batterie. Auch bei den Informationstechnologien
muss einiges getan werden, gerade wenn man an die Steu-
erung der Energieeinspeisung denkt, weil Wind und Sonne nicht gleichmäßig Energie liefern.
Entscheidungsmöglichkeit für diese Menschen offen zu hal-
Ein weites Feld einzelner Betätigungsfelder… .
senschaft, dass wir in wissenschaftlicher Arbeit entwickelte
Prof. Hacker: Dreh- und Angelpunkt ist eine systemische Her-
ten. Und darin sehe ich eine wesentliche Aufgabe der WisMethoden bewerten, und diese Bewertung der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
Früher haben die Akademien die herrschende Schicht beraten, heute redet die breite Bevölkerung mit. Die Wissenschaft hat Facebook erreicht. Begrüßen Sie das?
Prof. Hacker: Die Royal Society ist tatsächlich bereits auf Face-
angehensweise der Energieforschung. Das heißt, wir müssen außer den fachlich-technologischen Fragen auch die sozialwissenschaftlichen Dimensionen sehen: die Frage der Akzeptanz für neue Technologien, die Frage der Ausgestaltung der Bürgerbeteiligung beim Netzausbau, ohne dass es dadurch einen Zeitverzug gibt. Wir brauchen auch begleitende sozialwissenschaftliche Expertisen.
book vertreten, und in der Leopoldina diskutieren wir gerade,
Und international?
doch so: Wenn wissenschaftliche Themen von der Öffentlich-
Prof. Hacker: Der Energieumbau ist kein nationales Projekt.
inwieweit wir uns den sozialen Medien öffnen sollen. Es ist
keit als besonders interessant empfunden werden, werden sie
natürlich auch stärker wahrgenommen. Wir bieten deshalb zunehmend öffentliche Veranstaltungen an, die Diskussions-
charakter haben. Politikberatung und Öffentlichkeits- oder Gesellschaftsberatung gehören bei uns zusammen. Wir wollen zu einem demokratischen Diskurs beitragen.
Den Netzausbau zum Beispiel werden wir nur mit Europa lösen können, auf einem EU-weiten Energiebinnenmarkt. Im
Mai haben wir mit der Arbeitsgruppe Energieforschung der europäischen Akademien beraten: Die Geschäftsstelle unserer Dachorganisation EASAC (European Academies Science
Advisory Council) ist 2010 von London nach Halle umgezogen.
Interview
Es hat sich gezeigt, dass man sehr gespannt ist, wie Deutschland das jetzt handhabt. Die Herangehensweise Deutschlands
kann Vorbildfunktion haben, sie wird aber durchaus auch kri-
tisch gesehen. Die Amerikaner sind ebenfalls sehr interessiert, was sich in Deutschland tut.
Wie bringen Sie sich weiter in die Beratung zum Energiewandel ein?
Prof. Hacker: Die Ethik-Kommission hat in ihrem Abschlussbe-
richt vom 30. Mai Vorschläge unterbreitet, um den Gesamt-
prozess weiter zu begleiten. Man muss sehen, was die Politik daraus macht. Wir schlagen die Benennung eines Parlamentarischen Beauftragten vor – so wie es den Wehrbeauftrag-
ten gibt – und ein Forum Energie, das unter anderem jedes
Jahr ein Monitoring durchführen soll. Man muss beobachten, wie sich der Prozess jetzt entwickelt. Als Akademie begleiten
wir generell unsere Stellungnahmen weiter, im Sinne eines
und Meldewege aufzeigen. Wie das dann konkret abläuft, ist ein administratives Problem.
Sie haben in Halle studiert und sind seit gut einem Jahr wieder hier. Wie nehmen die Bürger die Leopoldina wahr?
Prof. Hacker: Unter den anderen Voraussetzungen der DDR bot uns die Leopoldina die Möglichkeit, exzellente Wissen-
schaftler aus aller Welt zu sehen und Zeitschriften zu lesen, die man sonst nicht bekam. Heute gehen wir als Leopoldina mit unserem Angebot an Veranstaltungen nach draußen. Die Stadt hat sich uns, und wir haben uns der Stadt
geöffnet. Halle ist eine Stadt mit einer großen wissen-
schaftlichen Tradition und mit einem intellektuellen Flair.
Das Gespräch führte Ute Semkat.
nachhaltigen Vorgehens. Und wir werden versuchen, weiter Einfluss zu nehmen.
Sprechen wir noch über ein für Sie als Mikrobiologen ureigenes
Thema. Sind wir Menschen in der globalen Welt noch vor Bedrohungen wie Schweinegrippe oder EHEC zu retten?
Prof. Hacker: Solche pathogenen Erreger sind wie alle Mikroben hochgradig wandelbar und anpassungsfähig. Deshalb
wird es auch nicht die letzte Epidemie sein. Das heutige Pro-
blem kann man so verdeutlichen: Während die Pest im 14. Jahrhundert fünf Jahre brauchte, bis sie sich vom Schwarzen Meer bis zum Nordkap verbreitet hatte, war die Neue Grippe
2009 in nur fünf Tagen rund um die Welt. Das illustriert sehr gut die Herausforderung.
Die Wissenschaft muss über Forschung und Technologieentwicklung die Voraussetzungen schaffen, effizient mit dieser Bedrohung umzugehen. Wir brauchen neben der medizi-
nischen Behandlung vor allem verlässliche Methoden zur
möglichst schnellen Diagnostizierung und verlässlich funktionierende internationale Überwachungswege.
Ein Krisenmanagement, ohne Panik zu verbreiten? Prof. Hacker: Ja, das ist richtig. Wir müssen die sozialwissenschaftlichen Implikationen stärker in den Blick nehmen: Wie
kommunizieren wir Risiken, damit sie realistisch wahrgenom-
men werden? Die Wissenschaft muss optimale Informations-
SACHSEN-ANHALT-MAGAZIN 06/11
Der Mikrobiologe Prof. Dr. Jörg Hacker, Jahrgang 1952, ist seit 1. März 2010 der XXVI. Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Als erster Präsident leitet er die Einrichtung hauptamtlich, nachdem
sie im Jahr 2008 von der Gemeinsamen Wissenschafts-
konferenz des Bundes und der Länder zu Deutschlands Nationaler Akademie der Wissenschaften ernannt
worden ist. Verbunden damit ist die Aufgabe, Politik
und Gesellschaft unabhängig zu beraten, Expertisen zu relevanten wissenschaftlichen Fragen zu erarbeiten und sie in den nationalen und internationalen Diskurs
einzubringen. Mit über 1400 Mitgliedern in mehr als 30
Ländern ist die Leopoldina die mitgliederstärkste Akademie in Deutschland.
Gegründet 1652 von Medizinern als übernationale Ge-
lehrtenvereinigung, wurde die Leopoldina 1687 durch Kaiser Leopold zur Reichsakademie mit besonderen Privilegien berufen. Zunächst hatte sie ihren Sitz am jeweiligen Wirkungsort ihres Präsidenten.
Prof. Hacker wurde in Grevesmühlen/Mecklenburg ge-
boren, studierte an der Martin-Luther-Universität in
Halle/Saale Biologie und hat 1979 promoviert. Von 1980
bis 2008 arbeitete er an der Universität Würzburg, wo er sich 1986 habilitierte. Von 2008 bis zum Wechsel zur Leopoldina war er Präsident des Robert-Koch-Instituts.
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Innovation
Innovation
Ein Netz voller Energie Wie kleine Unternehmen aus Sachsen Anhalt im Verbund große Lösungen entwickeln Von Ute Semkat
„Von Windrädern hatte ich keine Ahnung, als ich hierher kam.“ Mit einem offenherzigen Lächeln reicht uns Velislava
Edreva ihre Visitenkarte, die sie als Technical Management Assistent ausweist. „Ich mache hier alles, Anfragen von Kunden
bearbeiten bis zur Beschaffung der Baugenehmigung von den Behörden. Wir sind noch ein kleines Team.“
Mehr Praxisnähe hätte sich die bulgarische Jungingenieurin
für Verfahrenstechnik, die demnächst an der Magdeburger Universität promovieren will, für ihren Start ins Berufsleben gar nicht wünschen können. Ihr Arbeitgeber Uni Wind steht
selbst erst in den Startlöchern, Geschäftsführer Kosta Andreu
baut gerade seine Mannschaft auf, und am Firmensitz im Bur-
ger Gewerbegebiet betritt man noch eine Baustelle. Doch die
Kunden pochen schon an die Tür. „Die meisten sind Landwirte, die Kleinwindräder zur Energieversorgung für den Eigenbedarf arbeiten lassen. Die Nachfrage liegt vor allem im Leistungsbereich zwischen 10 bis 30 Kilowatt“, erzählt Andreu und fügt
hinzu: „Wir sind selbst erstaunt über die vielen Anfragen.“ Der
Ingenieur will das Produkt Kleinwindrad aus der Bastlerecke holen. „Außerdem bin ich ein Anhänger der dezentralen Energien. Nicht nur das Große wird die Lösung sein.“
Uni Wind ist das jüngste Mitglied im Cluster Erneuerbare Energien Sachsen-Anhalt, kurz: CEESA. Diese Plattform bringt
zurzeit 62 Unternehmen sowie sieben wissenschaftliche Ein-
richtungen im Bundesland zusammen: Ein Netz voll Energie. Auf dem Gebiet „der Erneuerbaren“ seien viele mittelständische Unternehmen aus dem für Sachsen-Anhalt Struktur
bestimmendem Maschinen- und Anlagenbau unterwegs, er-
läutert Clustermanager Frank Busch: „Das wird für Hersteller zum Beispiel von Behältern, Rohren oder Getrieben zunehmend ein zweites Standbein.“ Der dynamische Markt schafft
Arbeitsplätze und ist ein Kraftfeld voller Möglichkeiten für aufgeweckte junge Ingenieure.
Busch zitiert ein chinesisches Sprichwort: „Wenn der Wind Er knüpft die Netze und sorgt für kurze Wege:
Diplomingenieur Frank Busch managt das Cluster
Erneuerbare Energien Sachsen Anhalt CEESA
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Innovation
Energiemanagement beginnt im eigenen Haus. Im BTZ Bernburg kann Geschäftsführer Jens Kramersmeyer
jederzeit die aktuellen Verbrauchsdaten und den Ertrag aus der Photovoltaikanlage ablesen.
der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“
Das trifft bei Uni Wind sogar wörtlich zu. Firmenchef Andreu
mal vollständig definiert. Andreu sieht optimistisch in die Zukunft: „Weil unser Knowhow aus dem Maschinenbau unser Faustpfand ist.“
ist seit vielen Jahren ein erfolgreicher Unternehmer im Ma-
Mit dem richtigen Knowhow konnte auch Dr. Rolf Wagner die
einem Erfolg versprechenden zusätzlichen Geschäftsfeld
mern einleiten. BLZ steht für Bohrlochzementierung, und die
schinenbau. 2009 kommt die Krise, und er schaut sich nach
um: „So sind wir auf den Wind gekommen.“ Was er für kleine Versorger auf dem Markt vorfindet, überzeugt den Ingenieur nicht. Also gründet der Mittfünfziger „mit gleichgesinnten“
Unternehmern und finanziell gestärkt durch die IBG Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt eine weitere Firma. „Wir
wollen Kleinwindräder zu einem zertifizierten Qualitätspro-
dukt weiterentwickeln, und zwar nach den hohen Standards des Maschinenbaus.“ Diese Standards seien bisher nicht ein-
Energiewende in seinem Unternehmen BLZ Geotechnik GomSpezialisten aus Gommern waren seit den 1960er Jahren immer dort vor Ort, wo es Erdöl- und Erdgaslagerstätten zu erkunden gab. Als sich der Staatsbetrieb 1990 auflöste, retteten Ingenieure über eine Ausgründung ihre Arbeitsplätze und si-
cherten damit das buchstäblich tiefgründige Wissen. Seitdem ist Wagner Unternehmer: „Am Anfang war Altlastensanie-
rung das große Thema. Wir haben in 20 Jahren zwei Millionen Kubikmeter bergmännische Hohlräume verfüllt.“
Innovation
Die dafür eingesetzte Bohrtechnik lässt sich aber auch einsetzen, um der Erde Wärmeenergie zu entziehen und damit
Gebäude zu heizen. „Das Erdreich ist ein kostenloser Speicher
der Sonnenenergie“, weiß der promovierte Bergbauingenieur: „Und diese Energie regeneriert sich immer wieder.“ Das Prinzip, sie zu nutzen, sei ganz einfach: „Stellen Sie sich das wie
im Kühlschrank vor. Nur dass wir statt der Butter hier der Erde die Wärme entziehen.“ Dazu bohren die Gommeraner bis zu 200 Meter tief in die Erde, lassen ein Stahlrohr ein und durch
diese Sonde ein Kältemittel nach unten rieseln. Aufgrund der Erdwärme verdampft es, der Dampf steigt nach oben, kondensiert und gibt dabei Wärmeenergie ab.
Allerdings ist das noch nicht die richtige Wohlfühlwärme. Erst unter Druck im Verdichter einer Wärmepumpe steigt
die Temperatur weiter an, bis sie in die angeschlossene Gebäudeheizung abgegeben werden kann. Das System funktio-
niert als geschlossener Kreislauf, weil das Kondensatmittel
anschließend wieder an der Rohrinnenwand hinab fließt und
erneut Erdwärme aufnimmt. Wagner spricht von einer „deutlich besseren Energiebilanz“ als bei anderen technologischen Verfahren. Deshalb muss weniger tief gebohrt werden, was wiederum Kosten spart.
Die Investition amortisiere sich nach etwa sieben Jahren, rechnet der Unternehmer vor. Kunden sind private Bauheren ebenso wie Wohnungsbauunternehmen, die ihre Häuser energiesparend sanieren. Seine bisher ungewöhnlichste Bohrstelle hatte BLZ an einer Kirche in Salzwedel im Landesnorden.
Noch ist die Geothermie ein David gegen den Goliath Erdgas. Aber in einigen Jahrzehnten könnten nach Expertenmeinung 35 Prozent des Bedarfs an Raumwärme und Warmwasser aus
Erdwärme gedeckt werden. BLZ-Chef Wagner nutzt deshalb das Podium des CEESA, um sein Unternehmen bekannter zu
machen: „Es gibt Schnittmengen zu Anbietern bei den an-
deren erneuerbaren Energien, zur Photovoltaik zum Beispiel. Hier sehen wir Synergiemöglichkeiten.“
Diesen Ball greift Clustermanager Busch gern auf: „Durch das Netzwerk können die Unternehmen die ganz speziellen
Kompetenzen möglicher Partner kennenlernen. Im besten Fall
entstehen gemeinsame Projekte.“ Gerade im Bereich erneuerbare Energien würden häufig die flexiblen mittelständischen
Unternehmen „den Stein ins Rollen bringen.“ Konzerne halten dagegen gern an herkömmlichen Produkten und Technologien fest, solange diese sich verkaufen lassen.
Busch ist zugleich Geschäftsführer der Agentur für Technologietransfer und Innovationsförderung ATI Anhalt, die gemeinsam mit dem ZERE Zentrum für regenerative Energien vom Wirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt vor knapp drei
SACHSEN-ANHALT-MAGAZIN 06/11
Jahren als Träger des CEESA berufen worden sind. Auch die
neue Wissenschafts- und Wirtschaftsministerin Professorin
Birgitta Wolff, seit 2011 im Amt, sieht Sachsen-Anhalt „beim Zukunftsfeld Erneuerbare Energie deutschlandweit vorn mitmischen“. Das Cluster sei dabei ein wichtiger Faktor, bestätigt
die Politikerin: „Es soll Zukunftsthemen wie Speichertechnolo-
gie und Stromnetzmanagement im Land voranbringen sowie Unternehmen besser vernetzen, damit Forschungsergebnisse
aus Sachsen-Anhalt hierzulande verstärkt in wirtschaftlichen Erfolg umgemünzt werden.“
Für Ingenieur Busch gilt eine Innovation erst als gelungen, wenn sie wirtschaftlichen Erfolg zeigt. Sein Paradebeispiel ist das „revolutionierende“ Aufbereitungsverfahren von Biogas zur Erdgasqualität, mit dem es die Firma DGE Wittenberg
zum Marktführer in weiten Teilen Europas geschafft hat. Al-
lerdings erst, nachdem sie einen Industriepartner außerhalb Sachsen-Anhalts gefunden und die Lizenzen an ihn verkauft
hatte. Ein Beispiel auch dafür, dass es den exzellent ausgebildeten ostdeutschen Ingenieuren nicht an Ideen mangelt, aber
der finanzielle und personelle Kraftakt zur Umsetzung dieser Ideen in marktfähige Produkte zur Hürde werden kann.
Beim jüngsten Projekt zum Beispiel hätten die Beteiligten ohne Vermittlung des Clusters wahrscheinlich nicht zueinander gefunden. Es begann ganz klein auf der Schulbank, bei der
BTZ Bildungsgesellschaft in Bernburg. Dort empfängt Geschäftsführer Jens Kramersmeyer, Kordjacke und Jeans, mit
dem Satz: „Grün ist eine Herzensangelegenheit für mich, auch wenn ich für die CDU im Stadtrat sitze.“ Gerade hat seine Bildungseinrichtung einen „Lehrgang für Energie, Verbrauch und
Optimierung“ aus der Taufe gehoben. „Levo“, sagt der 45-Jährige Betriebswirtschafter und Pädagoge stolz: „Wir wollen
nachhaltig für das Thema Energie sensibilisieren. Der Bedarf ist vorhanden, das Wissen noch unvollständig.“
BTZ ist selbst ein Musterschüler im Energiemanagement. Die Anlage zur Hausautomation zum Beispiel „petzt“, wenn in ei-
nem Zimmer das Licht nicht ausgeschaltet wurde. Vom Dach meldet die Photovoltaikanlage den aktuellen Ertrag. Aber
merkt man überhaupt, ob und an welcher Stelle ein einzelnes Solarpaneel schadhaft ist und damit die Leistung aller, weil
in Reihe geschalteten Platten vermindert? „Wie überprüfe ich, ob die vom Hersteller für 20 Jahre garantierte Leistung nach einem oder nach fünf Jahren noch erreicht wird?“, fragte sich
Kramersmeyer: „Der Kunde verlässt sich blind – obwohl er Gewährleistung fordern könnte.“
Er setzte den Mechatronik-Studenten Gino Schulz auf dieses Problem an. Der kniete sich voller Energie in das
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Innovation
Thema, fand eine Lösung und baute ein mobiles Messgerät.
Allzu große Sorgen, dass die großen Windmacher ihn eines
mersmeyer erzählte Busch davon. Dieser wiederum erkannte
Kleinstwagen bauen lassen, dann könnten Sie das nicht be-
Das bestand die Erprobung auf dem Schuldach, und Kra-
sofort die Möglichkeit, mit gebündelter Kompetenz aus dem einfachen Labormodell ein vermarktbares Messgerät zu entwickeln, das sich auf jedem Hausdach mit Sonnenbatterie bewährt und im Preis erschwinglich ist. Sein Anruf am Lehrstuhl
Tages ausboten, hegt er nicht: „Würden Sie Daimler einen zahlen.“
Sachsen-Anhalts Mittelstand nutzt seine Chancen, um mit viel Energie ganz groß in Fahrt zu kommen.
für Messtechnik und Sensorik an der Universität Magdeburg kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Denn wie Lehrstuhlleiter
Dr. Ralf Lucklum erzählt, war auch er gerade auf diese Marktlücke gestoßen. „Dass in der Zelle blind gefahren wird, hatte
ich bis dahin nicht gewusst.“ Nun forscht eine Projektgruppe um den Nachwuchswissenschaftler Christian Kutzner, „wie wir den Sensor noch ein bisschen intelligenter machen.“ Die Wissenschaftler interessiert, ob sich ein Messgerät künftig gleich in den Bau neuer Solarzellen integrieren ließe. Dr. Luck-
lum gibt aber gleichzeitig zu bedenken: „Am Ende muss der Preis für die Messtechnik im richtigen Verhältnis zu den Kosten für die Photozelle stehen.“
Für den Bau eines Prototypen des mobilen Messgeräts steht
mit dem Wittenberger Unternehmen Loetec schon ein erfah-
rener Gerätebauer bereit, den Busch aufspürte. Die ersten auf dem Markt werden die Sachsen-Anhalter nicht sein, wissen sie inzwischen. Also wollen sie die besseren sein.
Dass die Wettbewerber auf dem zukunftsträchtigen Gebiet
der erneuerbaren Energien nicht schlafen, merken alle Unternehmen. Deshalb wird im BLZ Gommern die Technologie
immer weiter optimiert: „Wir haben schon sechs Diplomar-
beiten vergeben“, sagt Geschäftsführer Dr. Wagner. Das Geld,
das mit der Energie aus der Erdkruste verdient werden soll, muss der 100-Mann-Betrieb einstweilen noch in anderen Ge-
schäftsfeldern erarbeiten. Inzwischen spürt der Chef weitere Einsatzorte auf, testet bei den Dresdener Verkehrsbetrieben eine geothermische Weichenheizung und hält die Plattform
einer Haltestelle frostfrei. In wenigen Jahren könnte Erdwärme überall dort vor Eisglätte schützen, wo Sicherheitsgründe
die Investition rechtfertigen: auf Brücken, an Bahnsteigkanten und Tunnelausfahrten zum Beispiel. Ein Markt, der wachsen wird, ist sich Wagner sicher.
Cluster Erneuerbare Energien Sachsen-Anhalt (CEESA) Träger des Netzwerks sind die ATI GmbH Anhalt mit
Geschäftsführer Frank Busch und das ZERE Zentrum für regenerative Energien Sachsen-Anhalt e.V. mit dem Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Zbigniew Styczynski.
Der Cluster ist offen für alle Einrichtungen und Unternehmen in Sachsen-Anhalt, die auf dem Gebiet der regenerativen Energien tätig sind. Ziele sind insbesondere:
•
•
kooperation
Umfassender Informationsaustausch
zwischen den Unternehmen sowie den Unternehmen und Forschungseinrich-
•
•
• •
schen Branchenunternehmen und wissen-
tungen
Unterstützung des nationalen und inter- nationalen Technologietransfers
Integration von externem Wissen und
neuen Technologien in unternehmerischen Prozessen
Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Werbung für den Standort durch Publizierung der Leistungsfähigkeit
Auch Uni Wind-Chef Andreu hat viele Ideen, wo sich Kleinwindräder mit Gewinn drehen könnten: in Verbindung mit Wasserkraftwerken
oder
Meerwasserentsalzungsanlagen
zum Beispiel und als autarke Systeme in der Kombination mit Solarstrom und Speicherbatterie.
schaftlichen Einrichtungen, Forschungs-
Unterstützung der Zusammenarbeit zwi-
www.ceesa-org.de
Aktion
Rubrik
Gutscheine gegen die Angst Fifty-fifty-Taxi fährt in Sachsen-Anhalt weiter auf der Erfolgsspur Von Christian Wohlt Wenn es Nacht wird am Wochenende, gehen die jungen
gelegenheit zu suchen? Denn die Benutzung des Taxis als
die Angst: In den so genannten Disko-Nächten am Freitag
im Dunkeln allein unterwegs ... eine Horrorvorstellung für
Leute auf die Piste. Und für viele Eltern beginnt damit oft
und Sonnabend passieren laut Statistik die meisten und fol-
genschwersten Verkehrsunfälle mit jugendlichen Fahrern. Nicht nur wenn Alkohol und Drogen im Spiel sind, steigt das
Risiko. Auch Unerfahrenheit am Steuer, Selbstüberschätzung und Müdigkeit machen die nächtliche Tour schnell zu
einem gefährlichen Unterfangen. So mancher Jugendliche kehrte von der Disko niemals wieder heim.
Alexandra Andree und ihren Freundinnen blieben solche
schlimmen Erlebnisse zum Glück erspart. Als die Teenies mit 16 Lenzen begannen, die Disko-Szene rund um Sanger-
hausen aufzumischen, war für sie an Führerschein und Auto
ohnehin noch nicht zu denken. Blieb wohl nur, sich zu Fuß auf den Heimweg zu machen oder eine günstige Mitfahr-
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Alternative ging auf Dauer doch zu sehr ins Geld. Das Kind alle Eltern.
In den Disko-Nächten riss daher der Wecker Alexandras Mutter um ein Uhr aus dem ohnehin unruhigen Schlaf. Bei
Wind und Wetter setzte sich Bettina Andree ins Auto, um die
Tochter von der Party abzuholen. „Müde und genervt wartete Mutti dann vor der Tür. Wehe, wenn ich mal nicht pünkt-
lich war“, erinnert sich die heute 24-Jährige an so manche
nächtliche Standpauke. Inzwischen können beide darüber
schmunzeln. Der Stress hörte schlagartig auf, als die Mutter „Fifty-fifty-Tickets“ aus der Sparkasse mitbrachte. Fortan ließen sich Alexandra und ihre Freundinnen mit dem nun erschwinglichen Taxi nach Hause kutschieren. Denn die Fahrt kostet mit diesen Gutscheinen nur den halben Preis.
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Aktion
Fifty-fifty-Tickets gibt es in den Sparkassenfilialen und Agen-
die junge Frau zu bringen. Wie in ihrem eigenen Fall, sind es
haben aber einen Wert von 2,50 Euro. Den Differenzbetrag
gleich dutzendweise, kaufen. Auch als Geschenk untereinan-
turen der ÖSA-Versicherungen. Sie kosten pro Stück 1,25 Euro, von 1,25 Euro spendieren Sponsoren. Die Gutscheine können
Jugendliche im Alter von 16 bis 26 Jahren freitags, sonnabends
und an gesetzlichen Feiertagen zwischen 20 Uhr und 6 Uhr für Heimfahrten von der Disko einlösen. Und sie machen rege
davon Gebrauch. Ende Juni konnte bereits das 25000ste Taxiticket im Jahr 2011 verkauft werden. Ein Rekordergebnis. „Da-
mit setzte sich die positive Tendenz beim landesweiten Absatz der Fifty-fifty-Gutscheine weiter fort“, freut sich Projektleiter Klaus Westphal vom Ostdeutschen Sparkassenverband.
Ihren Anteil daran hat auch Alexandra, die heute selbst als Bankkauffrau in einer Filiale der Sparkasse Mansfeld-Südharz
arbeitet. Zu ihren Aufgaben als Jugendberaterin gehört es, die Fifty-fifty-Tickets an den jungen Mann beziehungsweise
Na dann: Gute Fahrt!
oft die Eltern oder Großeltern, die die Gutscheine, manchmal der sind sie gefragt, wie Alexandra zu berichten weiß.
Die Sparkasse Mansfeld-Südharz zählt zu den Vorreitern des
Fifty-fifty-Projektes in Sachsen-Anhalt. Egal ob bei der Kontoeröffnung, dem Beratungsgespräch oder jedem anderen
Kontakt mit jugendlichen Kunden, der Hinweis auf die vielleicht lebensrettenden Tickets gehört stets dazu. Auch in der
so genannten Starter-Box, die junge Auszubildende vom Kreditinstitut erhalten, sind sie dabei. Das Internet und der neue
Facebook-Auftritt bieten Informationen an jedem Ort und rund um die Uhr. Viel Überzeugungsarbeit müssen Alexandra und ihre Kollegen also meist gar nicht leisten. Die Aktion hat sich in der Region rumgesprochen.
„Das Fifty-fifty-Taxi ist eine coole Sache“, weiß Johannes Marche,
Aktion
Alexandra Andree, Johannes Marche und Mike Schulz können das vielleicht lebensrettende Ticket nur empfehlen. Sie haben damit immer gute Erfahrungen gemacht.
der sich die Tickets regelmäßig holt. „Das ist ganz unkompli-
beteiligen sich mit rund 400 Fahrzeugen an dem Projekt. Ten-
fach hingehen, bezahlen, mitnehmen – fertig. Wenn der 16-Jäh-
auf der Landkarte sicher bald verschwunden sein.
ziert. Die liegen hier ja an jedem Schalter aus“, berichtet er. Ein-
rige mit seinen Kumpels rund um Sangerhausen auf Disko-Tour
denz steigend. Und so werden auch die letzten weißen Flecken
geht, hat er die Tickets stets dabei. Meist „chartern“ sie einen
Seit 1999 läuft die Verkehrssicherheitsaktion „Fifty-fifty-Taxi“
ein paar Minuten später steht das Gefährt vor der Tür. Oft war-
Unfallzahlen in der betreffenden Altersgruppe, sondern auch
Taxi-Kleinbus für die Rückfahrt – das rechnet sich. Ein Anruf und
ten die Taxis sogar schon vor der Disko. „Bisher gab es noch nie
Probleme“, versichert der Jugendliche. Auch wenn unterwegs die Party manchmal weiter geht, seien die Fahrer geduldig und „stets gut drauf“.
Mike Schulz schmunzelt zustimmend. Seit vielen Jahren ist er als Fifty-fifty-Taxi-Chauffeur im Einsatz und hat, wie er versichert, in dieser Zeit noch nie ein ernstes Problem mit den jun-
gen Partygängern gehabt. „Oft sind die auch so fertig, dass
unterwegs im Wagen absolute Ruhe ist“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Zwischen 2 und 5 Uhr herrscht bei ihm in den
in Sachsen-Anhalt. Den Erfolg belegen nicht nur gesunkene
so manch geretteter Familienfrieden. Der Schirmherr, Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) und die Sponsorengemeinschaft, zu der alle Sparkassen in Sachsen-Anhalt mit
ihren Verbundunternehmen (NordLB Landesbank für SachsenAnhalt, LBS Ostdeutsche Landesbausparkasse AG, ÖSA Öffent-
liche Versicherungen Sachsen-Anhalt und DekaBank), die AOK Sachsen-Anhalt und der Medienpartner Radio Brocken gehören, sind sich einig: Diese Aktion soll auch künftig fortgesetzt werden.
Diskonächten Hochbetrieb. Für Schulz sind die Fahrten Routine
und für seine Firma eine feste Einnahmequelle. Oft werden die Taxis schon vorher gebucht, zum Beispiel über das Internet. Ins-
gesamt 180 Taxiunternehmen aus dem gesamten Bundesland
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www.fifty-fifty-taxi.de www.facebook.com/fiftyfiftytaxi
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Visionen
Energiewende fordert neues Handeln Von Chris Döhring, Vorstand der GETEC green energy AG
Alles ist anders. Oder doch nicht? Die Reaktor-Katastrophe in
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Eine Bioethanolanlage
Hochdruck soll die Energiewende in den kommenden Jahren
produziert wird. An Bioethanol besteht aufgrund der Bei-
Japan hat die Energiewelt scheinbar auf den Kopf gestellt: Mit
nicht nur in Deutschland gestaltet werden. Längst in den Hin-
tergrund gerückte Energieträger wie die Braunkohle erleben
eine Renaissance, die noch vor einem Jahr nicht vorstellbar gewesen wäre. Und die erneuerbaren Energieträger wie Bio-
masse, Wind-, Sonnen- oder Wasserkraft sollen künftig das Rückgrat der Energieversorgung bilden.
Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht vor, bis zum
Jahr 2050 den Anteil der erneuerbaren Energien an der ge-
samten Energieversorgung auf 50 Prozent zu steigern. Diese Vorgabe stellt hohe Anforderungen an die Entwicklung von
Energieerzeugungstechnologien auf regenerativer Basis. Hocheffiziente Anlagen, betrieben mit nachwachsenden Rohstoffen, sind aber nur die eine Seite. Die Erzeuger von Biomasse, die Land- und Forstwirtschaft, sind ebenso wie die verarbeitende Industrie gefragt, die neuen Gegebenheiten mit zu tragen.
verarbeitet Getreide, das von der heimischen Landwirtschaft
mischungsregelung für Biokraftstoffe ein stetiger Bedarf. Als Abfallprodukt der Bioethanolanlage entsteht Getreideschlempe, die wiederum in einer Schweinemastanlage als Fütterung eingesetzt werden kann. Bei der Schweinemast
entsteht Gülle, die in einer Biogasanlage zu einem geruchsar-
men organischen Dünger und zu Biogas umgewandelt wird. Aus dem Biogas werden in einer Kraft-Wärme-Kopplungsan-
lage Strom und Wärme erzeugt. Die Wärme wiederum kann in der Bioethanolanlage für die Deckung des Prozesswärmebedarfs und in den Ställen zur Beheizung eingesetzt werden. Der Strom wird ins öffentliche Versorgungsnetz eingespeist. Und letztlich wird der in der Biogasanlage veredelte
organische Dünger auf den für nachwachsende Rohstoffe
vorgesehenen landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht. Dies ist ein Kreislauf, bei dem der Ertrag landwirtschaftlicher Flächen optimal genutzt wird, um umweltschonend und regenerativ Energie zu erzeugen.
Regionalität als Stärke
Sichtbarer Zeitenwandel
Eine große Stärke der regenerativen Energien ist ihre Regio-
Doch auch nicht landwirtschaftlich genutzte Flächen können
len Märkten und stärken die heimische Wirtschaft. Vor Ort
dafür ist der Solarpark Zerbst. Hier hat die GETEC green energy
nalität. Vor Ort erzeugt, machen sie unabhängig von volativerbraucht, bedeuten sie eine sichere Versorgung, weil lange Transportwege – oftmals über Ländergrenzen hinweg – ent-
fallen und politische Instabilitäten in anderen Staaten keine Rolle spielen. Der Erfolg der Energiekonzepte auf regenerati-
ver Basis wird aber maßgeblich davon abhängen, wie Städte und Kommunen, wie Industrie und Gewerbe sowie die regio-
nale Land- und Forstwirtschaft gemeinsame Projekte zur
Energiegewinnung umsetzen. Eine wichtige Rolle spielt hier
zur Energiegewinnung eingesetzt werden. Ein gutes Beispiel
AG vor kurzem den ersten Teil eines Photovoltaik-Parks in Betrieb genommen. Auf dem Gelände des ehemaligen Militärflugplatzes entsteht so einer der größten Solarparks Deutsch-
lands. Nach Fertigstellung wird so viel Strom produziert, dass damit mehr als 11 500 Haushalte mit einem durchschnitt-
lichen Jahresverbrauch von jeweils 4 000 Kilowattstunden versorgt werden können.
die energetische und stoffliche Kreislaufwirtschaft. Dabei
Denkbar ist, diesen Standort mit Windkraft und einer Biogas-
lichkeit der Versorgung von Industrie und Gewerbe eng ver-
terzuentwickeln. In Zerbst zeigt sich der Zeitenwandel ganz
wird die Nutzung des energetischen Potenzials mit der Mögzahnt und in einem Stoffkreislauf zusammengeführt.
anlage zu einem ökologischen Energie- und Agrarpark wei-
deutlich: Ehemals militärisch genutzt, steht das Areal heute
Visionen
für eine friedliche Nutzung und den Aufbruch in die Energie-
Zukunft. Unternehmen wie die GETEC green energy AG haben sich auf die Energiegewinnung aus regenerativen Quellen
spezialisiert. Wir arbeiten an Konzepten, die dem Bedürfnis nach Energie und denen des Klima- und Umweltschutzes gleichermaßen Rechnung tragen.
Auch in den kommenden Jahren werden energieintensive Industriebetriebe auf fossile Brennstoffe wie Erdgas zurückgrei-
fen, um ihren Energiebedarf wirtschaftlich decken zu können. Dafür stehen hocheffiziente, saubere und umweltfreundliche
Technologien zur Verfügung. Doch die erneuerbaren werden mehr Raum einnehmen und die bewährten – nur begrenzt
vorrätigen – Energieträger sukzessive ersetzen. Die Energiewende beschleunigt, was bereits in Gang gesetzt wurde: die
umweltschonende und klimafreundliche Energieerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen und unendlichen Res-
sourcen, wie Wind- oder Sonnenenergie. Die Energiewende kommt, aber ihre Umsetzung und ihr konkretes Erscheinungsbild werden vom Gestaltungswillen der Beteiligten abhängen.
Dipl.-Ing. Chris Döhring, Jahrgang 1969, erwarb sein Ingenieurdiplom an der TU „Otto von Guericke" Mag-
deburg mit dem Schwerpunkten Verfahrenstechnik, Energie- und Umwelttechnik. Seitdem leitete er als
Geschäftsführer mehrere Unternehmen im Bereich der regenerativen Energien. Im Jahr 2004 trat Döhring in
die GETEC AG ein und baute in dem Unternehmen die Abteilung EEG/Sonderprojekte auf und ist seit 2010 Vorstand der GETEC green energy AG. Neben seiner berufli-
chen Tätigkeit engagiert er sich in mehreren Verbänden der Bereiche Umwelt und regenerativen Energien.
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Tradition
In Merseburg ist der Kaiser nicht nackt Deutschlands einzige Königliche Hofschneiderei wird 15 Jahre alt und macht jede Mode mit Von Sabine Tacke
Hier ist der Kunde wirklich noch König. Auch wenn der Thron
Da hängen dicht gedrängt mehr als 2 000 Kostüme. Doch bis
lernte Damenschneiderin Dorothee Willmy lässt das höfische
nach einer neuen Beschäftigung. Und just zu der Zeit brauch-
im Merseburger Schloss schon seit 1738 verwaist ist, die geLeben wieder auferstehen. Sie macht die Kleider der Könige und ist Königin der Kleider. In der Königlichen Hofschneiderei
zu Merseburg – übrigens der einzigen in Deutschland – ist die
agile Frau Historikerin, Designerin und Schneiderin zugleich.
Ihr Arbeitsplatz ist eines der schönsten Gebäude der Stadt, das Ständehaus direkt gegenüber dem Schloss. Ein nobles Handwerk braucht eben auch eine noble Werkstatt. Allerdings
liegen Fundus und Werkstatt des siebenköpfigen Teams im nicht ganz so herrschaftlichen Keller.
dahin war es ein weiter Weg. 1996 suchte Dorothee Willmy te die Stadt eine Schneiderin. Die Merseburger Tanzgruppen mussten mit hübschen Kostümen versorgt werden. Vor allem
das Merseburger Schlossfest, das alljährlich mit einem prächtigen Umzug gefeiert wird, brauchte eine Zeremonienmeisterin und Ausstatterin. Dorothee Willmy ließ sich nicht lange
bitten, trommelte 18 Rentnerinnen zusammen, die ehrenamt-
lich die Nähmaschinen rattern ließen. „Als erstes nähten wir Mittelalter-Kostüme. Die sind relativ schlicht geschnitten und waren schnell genäht“, erzählt die heutige Hofschneiderin, deren
Tradition
Kaiser Otto der Erste trifft im Park des Merseburger Schlosses
burgern. „Eine Rentnerin hat damals zu uns gesagt, ihr seid
Kostum stammt aus einer Szene eines Gemäldes im Rathaus
sich Dorothee Willmy. Und so kam es, dass der Stadtrat 1996
zwei Hofdamen aus dem 18. Jahrhundert. Das kaiserliche
nicht nur eine Hofschneiderei, ihr seid königlich“, erinnert
der tausendjährigen Domstadt.
der Schneiderei den Namen „Königliche Hofschneiderei zu
Merseburg“ verlieh. Und die Merseburger unterstützen ihre königlichen Schneiderinnen, wo sie nur können. Sie bringen
Karriere vor 15 Jahren als ABM-Kraft begann. Meine Lumpen,
Spitzen, Knöpfe, alte Samtgardinen, Stoffe oder Bettwäsche.
nennt sie ihre frühen Werke liebevoll. „Zum Teil haben wir sol-
Der gute Ruf der Hofschneiderei drang auch bis zum Goethe-
sie auch Stundenkleider. Aber ich bin stolz auf jedes einzelne
ni“ nähten die Merseburgerinnen 30 Kostüme. „Da hab ich
che Gewänder in einer Stunde genäht, deshalb nannten wir Stück.“
Von Februar bis Juni 1996 entstanden unter den flinken Fingern der Näherinnen 600 Kostüme. Unter anderem wurde
die gesamte Ottonen-Dynastie ausgestattet, Heinrich der I. und II. bekamen ebenfalls neue Kleider. Die herrschaftlichen
Gewänder waren allerdings keine Stunden-Kleider. „Die ha-
ben wir von Hand bestickt.“ Auf dem Mantel König Heinrich II. sind alle Sternzeichen aufgestickt – ein Kunstwerk. Das gefiel nicht nur den Schneiderinnen, sondern auch den Merse-
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Theater in Bad Lauchstädt. Für die Mozart-Oper „Don Giovan-
wieder viel dazugelernt.“ Und mit dem Lernen hört Dorothee
Willmy nie auf. Damit jedes Kostüm stilgerecht ist, zieht sie ein dickes, schon ganz abgegriffenes Kostümhandbuch zu Rate oder ihren geheimen Ordner, in dem sie bis heute 1500
Seiten über Geschichte und Kostüme gesammelt hat. Zu den historischen Persönlichkeiten stellt sie Nachforschungen im Stadtarchiv und Museum an.
So ist jedes Kostüm perfekt, egal ob aus der Urzeit oder dem 20. Jahrhundert. Schlaflose Nächte hat ihr nur eine
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Tradition
Tradition
Schrulle der eitlen Pariserinnen gebracht: der sogenannte Cul
de Paris, eine Modemacke, die im 18. Jahrhundert begann und Ende des 19. Jahrhunderts ihre Renaissance feierte. „Ich nenne das einfach dicker Hintern“, sagt die Schneiderin. Korrekt
übersetzt heißt es Pariser Hintern, ein Ungetüm aus Stahldraht oder Fischbeinen, das über dem Gesäß der Trägerin an-
gebracht war. „Ich hab mir dafür extra ein Schnittmuster aus Amerika besorgt. Aber mit dem Gestell konnte man unmög-
lich sitzen“, erklärt Dorothee Willmy. Ein alter Puppenwagen löste schließlich das Problem. Die ebenfalls mit gebogenen
Stäben versehene Laube war auf- und zuklappbar. So brachte Dorothee Willmy dem dicken Hintern das Sitzen bei.
Nirgends präsentiert sich Willmys Schar historischer Figuren
schöner als beim Merseburger Schlossfest. Ein eindrucksvolles Schauspiel, von bis zu 1 000 Akteuren inszeniert. Da sind sie
alle dabei: Kaiser, Könige, die Merseburger Herzöge mit ihren Ehefrauen, Hofdamen, alle 43 Merseburger Bischöfe, Bürgermeister, Bürgersleute und Spitzbuben. Das prächtige Spekta-
kel zu organisieren, ist die Königsdisziplin der Hofschneiderei. Das schafft Dorothee Willmy mit ihren fünf Näherinnen nicht. Die Zeremonie liegt in den Händen ihrer Enkelin Lisa Stöffgen. Beide sind seit 2005 bei der Tanzgruppe Merseburg-Meu-
schau fest angestellt, die die Königliche Hofschneiderei 2003 von der Stadt übernommen hat.
In Lisa Stöffgens Büro hängt schon im Februar die Konzeption für das sommerliche Schlossfest. Der schwarze Plan mit der
bunten Schrift nimmt die gesamte Länge der Wand ein. Im Laufe der Monate nimmt er immer mehr Gestalt an. „Jedes Kostüm
hat sein Gesicht. Ich mache mir darüber Gedanken, wer da wohl am besten reinpassen könnte“, erklärt Lisa Stöffgen.
Auszubildender Daniel im Kaiser-Otto-Kostüm. Hinter im hängt das Gemälde, das den Herrscher mit seiner Gemahlin Editha zeigt.
Das ist nicht die einzige Aufgabe der Organisatorin: „Wir sind jedes Jahr beim Sachsen-Anhalt-Tag, fahren zu Modenschauen, Sommerfesten oder Stadtfesten. Im Winter besuchen wir
zum Beispiel die historischen Weihnachtsmärkte. Da ist immer
jede Menge zu tun.“ In den Sommermonaten ist die königliche Mannschaft fast jedes zweite Wochenende unterwegs. Viel Ar-
beit, in der viel Liebe steckt. Dorothee Willmy: „Hier hab ich meinen Traumberuf gefunden.“ Hofschneiderin Dorothee Willmy weiß alles über die
historischen Persönlichkeiten, die sie ankleidet. Alle ihre
Und eins steht fest: In Merseburg bleibt der Kaiser niemals nackt.
Kostüme sind originalgetreu.
www. koenigliche-hofschneiderei.de
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Forschung
Mit individuell maßgeschneiderter Therapie der Zukunft ein Stück näher Wissenschaftler an der medizinischen Fakultät der Uni Magdeburg erforschen Zell-Zell-Kommunikation
Von Kathrain Graubaum
Rund um die Uhr stehen in unserem Immunsystem Abwehr-
Im schlimmsten Falle richtet sich das Immunsystem gegen den
zellen und Eiweißstoffe auf Wache. Bei Gefahr senden sie
eigenen Körper. Mediziner und Wissenschaftler in der Medizini-
Alarmsignale aus. Botenstoffe setzen sich in Bewegung,
schen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
um unerwünschte Eindringlinge abzuwehren. Kommt es in
forschen zielgerichtet danach, welche Signale und Antworten
dieser komplexen „Einsatzzentrale“ zu Schäden, sind Fehl-
im Immunsystem verantwortlich sind für das Entstehen von
informationen die Folge. Sie stören die Kommunikation zwi-
Entzündungen, die zu langfristigen Schäden führen.
schen den Zellen und rufen gegenteilige Reaktionen hervor.
Forschung
Der Fotograf gibt Anweisung: „Bitte noch etwas näher zusam-
Doch eine grundlegende Frage ist noch nicht wissenschaftlich
Wissenschaftler des Sonderforschungsteams an der Medizi-
ten die Entzündung aus, und warum führt sie bei dem ande-
menrücken.“ Für das Gruppenfoto gehen die Mediziner und
nischen Fakultät Magdeburg auf Tuchfühlung. „So eng beieinander – das sind wir gar nicht gewöhnt“, scherzt Prof. Dr. Peter
Malfertheiner, Spezialist für Magen- und Darmerkrankungen.
umfassend beantwortet: Warum heilt bei dem einen Patienren zum Organversagen? In einigen Fällen kann eine fortlaufende Entzündung sogar zu Krebserkrankungen führen.
Seine Kollegen schmunzeln. Was ihre wissenschaftliche Tä-
„Für unterschiedliche Entzündungen an verschiedenen Stel-
sammen. „Wir sprechen alle eine gemeinsame Sprache, näm-
lich sein“, erklärt Biologe Naumann. „Wir wollen die Ursachen
tigkeit betrifft, stecken ihre klugen Köpfe oft und intensiv zulich die der Zell-Zell-Kommunikation“, sagt der Biologe Prof. Dr. Michael Naumann, Direktor des Instituts für Experimentelle Innere Medizin.
Um genau zu sein: Die Forscher sind dabei, die „Sprache der
Zellen“ zu verstehen. Seit zwei Jahren arbeiten die Mediziner
und Wissenschaftler in dem interdisziplinären Forschungsver-
len im Körper können die gleichen Mechanismen verantwortder Erkrankung besser verstehen und therapeutische Schlüs-
selmoleküle finden. Wenn wir die entdeckt haben, könnte das Fehlverhalten von Zellen schon vor Ausbruch einer Krankheit
entdeckt werden. Für Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen hätte das den Vorteil, dass maßgeschneiderte Therapien bzw. Medikamente entwickeln werden könnten.“
bund „Molekulare Organisation der zellulären Kommunikation
Professor Dr. Peter Mertens, Leiter der Klinik für Nieren- und
meinschaft (DFG) die Einrichtung dieses Sonderforschungs-
Universitätsklinikum Magdeburg, ist mit seinem Team schon
im Immunsystem“. 2009 hatte die Deutsche Forschungsge-
bereiches an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
bewilligt und für vier Jahre insgesamt 9,3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit hat
das Ziel, die Signal- und Antwortgebung zwischen den Zellen im Immunsystem zu entschlüsseln.
„In der Bevölkerung ist es kaum bekannt, dass unsere Volkskrankheiten auf Entzündungen zurückzuführen sind“, betont
Malfertheiner. Er leitet die Universitätsklinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie. Unter Volkskrankhei-
ten verstehen er und seine Kollegen Bluthochdruck, Diabetes, Magen-, Darm- und Nierenleiden, Herzinfarkt, Schlaganfall... – Krankheiten, die in unserer Gesellschaft prozentual am häu-
figsten vorkommen. Das wird sich auch künftig in der immer älter werdenden Bevölkerung nicht ändern.
„Isst der Mensch zu viel fetthaltige Speisen oder raucht er, dann initiieren diese Risikofaktoren eine Entzündung in den
Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie am ein gutes Stück voran gekommen auf diesem Weg. Immer vor
der Frage stehend, ob eine Nierenentzündung folgenlos ausheilt oder bis zur schwerwiegenden Nierenvernarbung fort-
schreitet, suchte die Mertens-Gruppe nach Schlüsselfaktoren. Und fand sie in einem Protein, das Gene im Zellkern reguliert. Es animiert die Zellen dazu, Botenstoffe an das Immunsystem
abzugeben. In der Folge wird eine große Zahl an Fresszellen angelockt.
Da das Protein im Verlauf der Nierenerkrankung im Urin nachweisbar war, lag die Vermutung nahe, dass es unter einer Entzündung gezielt an die Umgebung abgegeben wird und mit
anderen Zellen kommuniziert. Professor Mertens formuliert
das Zwischenergebnis der weiter führenden Forschung so: „Wir haben einen Botenstoff entdeckt und die Antenne gefunden, über die das Protein Signale freisetzt. Dies ermöglicht eine frühzeitige Diagnose und gezielte Therapie.“
Gefäßen, die zu einer Anhäufung von weiterem Fett, von wei-
Die gleichen Vorgänge wurden auch bei der Verkalkung von
Verengung des Gefäßvolumens“, erklärt der Herzspezialist
Atherosklerose, eine chronisch entzündliche Gefäßerkran-
teren weißen Blutkörperchen führt und zu einer langsamen Prof. Dr. Rüdiger Braun-Dullaeus.
Innerhalb ihres Forschungsbereiches
„Zellkommunikation im Immunsystem“ sprechen
die Mediziner der unterschiedlichen Fachbereiche eine gemeinsame Sprache: Von links:
Prof. Dr. Peter R. Mertens, Prof. Dr. Rüdiger Braun-Dullaeus, Prof. Dr. Peter Malfertheiner, Prof. Dr. Thomas Fischer.
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Gefäßen beobachtet. Prof. Dr. Braun-Dullaeus benennt die kung, als häufige Ursache für Herzinfarkt und Schlaganfall. Auch hier spielt das Protein den „Boten“ bei der Kommunikation von Zelle zu Zelle. Es regt das Wachstum einer gefäßverengenden Plaque an, die viele Antennen ausfährt, um krankmachende
Signale zu übermitteln. In Versuchsmodellen zeigte sich ein Protein-Hemmer erfolgreich bei der Verhinderung von Gefäßverkalkungen. Mit dieser Erkenntnis, so der Herz-Spezialist, ließe sich zum Beispiel auch der Verlauf von Nierenerkrankungen frühzeitig vorhersagen und behandeln.
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Forschung
„Generelles Fernziel des Sonderforschungsbereiches ist es,
holtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, das
zu entwickeln“, ergänzt Mertens.
tionszentrum TWINCORE in Hannover und die Freie Universi-
eine individuell maßgeschneiderte Therapie für den Patienten
Mertens betont den Standortvorteil, den das Uniklinikum Mag-
deburg für den Sonderforschungsbereich der DFG bietet: „Hier
liegen Patienten mit schweren Krankheitsverläufen. Aus unserer klinischen Alltagspraxis heraus können wir ganz gezielte Fragestellungen in unsere Studien aufnehmen. Die Antworten fließen zurück in die klinische Behandlung; im besten Falle gleich wieder in die Therapie des betreffenden Patienten.“
Auch sein Wissenschaftler-Kollege Naumann sieht einen Riesen-
vorteil in dem Standort mit den kurzen Wegen. Er verweist auf
Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg, das Translatät Berlin.
Nicht zuletzt wegen des Sonderforschungsbereiches mit
hohem „Entdeckerpotenzial“ entscheiden sich in- und ausländische Studenten sowie junge Doktoranden für den Universitätsstandort Magdeburg. Die Deutsche Forschungsge-
sellschaft fördert hier seit 2005 auch ein Graduiertenkolleg.
Zurzeit möchten 16 junge Wissenschaftler aus Osteuropa, Asien, Indien und Deutschland im Arbeitsgebiet der Zell-ZellKommunikation promovieren.
den guten Kontakt zum Max-Planck-Institut für Dynamik kom-
Eine Doktorandin ist Marie Wagner. Im Labor der Forschungs-
moderne Wissenschaftszweig „Biosystemtechnik“ mit der Ent-
mit einem Nährmittel aus Eiweißen und Elektrolyten. In der
plexer Technischer Systeme in Magdeburg. Dort befasst sich der schlüsselung und Beeinflussung biologischer Vorgänge. „Es ist
in Magdeburg eine enge Zusammenarbeit zwischen Medizinern, Biologen und Ingenieuren möglich“, sagt Naumann und dass
der Wissenschaftszweig „Biosystemtechnik“ in den Sonderforschungsbereich eingebunden wird. „Neben den molekular- und
zellbiologischen Methoden werden auch mathematische Model-
lierungsmethoden aus den Ingenieurwissenschaften eingesetzt. Wir untersuchen biochemische Prozesse am Computer und entwickeln Interventionsstrategien.“
Zum anderen wissen Mertens und seine Kollegen aus den anderen Bereichen die modernste technische Ausstattung auf dem
Campus zu schätzen. So können sie in ihrem „Kooperationsmodell“ außerordentlich gut voneinander profitieren – und sind auch attraktiv für außeruniversitäre Partner wie das Helm-
gruppe von Prof. Dr. Thomas Fischer füttert sie Leukämie-Zellen
Brutmaschine, bei 37 Grad menschlicher Körpertemperatur, wachsen und vermehren sich die Krebszellen unter günstigen Bedingungen. Fischer ist Direktor der Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie und Projektleiter für experimentelle Forschung an seiner Klinik. Er braucht etliche Millionen solcher Krebszellen für die Erforschung von Leukämien und leukämie-
ähnlichen Krankheiten. In Experimenten soll herausgefunden werden, wie die Krebszellen unter „Stress“ reagieren, möglicher-
weise ihre Kommunikation verändern. „Wir suchen nach den Antennen, die eventuell auch Signale für Entzündungen empfangen“, sagt der Mediziner.
In Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie testet seine
Gruppe Substanzen, die eine Änderung der Informationsübertragung bewirken. Sie werden im Labor auf ihre Eignung als Medikament getestet.
Junge Wissenschaftler aus Osteuropa, Asien, Indien und Deutschland
promovieren im Arbeitsgebiet der Zell-Zell-Kommunikation.
Prof. Dr. Michael Naumann (Mitte) ist
einer der beiden Sprecher des Graduiertenkollegs 1167
Forschung
Marie Wagner ist Doktorandin in der Forschungsgruppe von
Prof. Dr. Thomas Fischer und „füttert“ gerade Leukämie-Zellen mit einem Nährmittel aus Eiweißen und Elektrolyten.
„Technologietransfer“ ist ein Schlüsselwort im Sonderfor-
Prof. Dr. Rüdiger Braun-Dullaeus
um sich über Entzündungsforschung auszutauschen“, sagen die
r.braun-dullaeus@med.ovgu.de
schungsbereich. „Firmen und Universitäten kommen auf uns zu, Mediziner der Otto-von-Guericke-Universität. Das bedeutet: Die
Tel. +49 391 67 13203
Kommunikation der Wissenschaftler in Magdeburg mit indus-
Prof. Dr. Peter R. Mertens
gutem Wege – in beide Richtungen. „Wenn wir im Forschungs-
peter.mertens@med.ovgu.de
triellen und akademischen Partnern im In- und Ausland ist auf bereich eine Entdeckung gemacht haben, wird unsererseits nach
Tel. +49 391 67 13236
Partnern gesucht, um daraus einen Erfolg für die klinische The-
Prof. Dr. Thomas Fischer
und seine Kollegen in die Zukunft blicken, sprechen sie von der
thomas.fischer@med.ovgu.de
rapie abzuleiten“, so der Herzspezialist Braun-Dullaeus. Wenn er
„personalisierten Medizin“. Mit ihren aktuellen Forschungsergebnissen kommen sie dieser Vision ein Stück näher.
Tel. +49 391 67 13266
Prof. Dr. Michael Naumann Tel. +49 391 67 13227
naumann@med.ovgu.de
Kontakte
Prof. Dr. Burkhart Schraven
Prof. Dr. Peter Malfertheiner
nisation der zellulären Kommunikation im Immunsystem“:
Tel. +49 391 67 13100
peter.malfertheiner@med.ovgu.de
SACHSEN-ANHALT-MAGAZIN 06/11
Sprecher des Sonderforschungsbereiches „Molekulare OrgaTel. +49 391 67 15800
burkhart.schraven@med.ovgu.de
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Unternehmen
Mit lustigen Motiven bedruckte T-Shirts sind bei den ORWO Net-Kunden sehr beliebt.
Auch andere Funprodukte mit Fotos aus der eigenen Kamera finden reiĂ&#x;enden Absatz.
Unternehmen
Am Markt voll im Bilde An der Wiege des Farbfilms ist ORWO Net ins Digitalzeitalter hinein gewachsen Von Frank Zimnol
Die Deutschen fotografieren wie die Weltmeister. Der Photo-
zu zwei Millionen Schnappschüsse täglich treffen dann ein.
mit Digitalkameras und Fotohandys 1 000 "Klicks" pro Sekun-
minals, die das Wolfener Unternehmen bei vertraglich ge-
industrie-Verband hat herausgefunden, dass im vorigen Jahr de ausgelöst wurden. Das Institut für Demoskopie Allensbach
stellte fest: Die Deutschen sind heute ein Volk der Fotografen. Ein Großteil der geschossenen Bilder wird auf Papier verewigt. Ein Riesengeschäft. Die ORWO Net AG gehört zu den drei leis-
tungsstärksten Fotogroßlaboren in der Bundesrepublik, die
in besonderer Weise Nutznießer des Massensports DigitalFotografie sind. Mit jährlichen Umsatz-Wachstumsraten von durchschnittlich 40,6 Prozent hat das Wolfener Unternehmen
seit seiner Gründung vor sieben Jahren auf bemerkenswerte Art von diesem Boom profitiert und einen wahren Raketenstart hingelegt. Vom Scheitern des börsennotierten Vorgängers PixelNet AG, der vor etwa zehn Jahren an gleicher Stelle
pleite ging, redet heute niemand mehr. Um so mehr von der
Erfolgsgeschichte, die ORWO Net-Vorstand Gerhard Köhler, sein Kompagnon Peter Ulbricht und ihr Team geschrieben haben.
Er habe immer an die digitale Fotografie geglaubt. Damit
erklärt Köhler, der promovierte Wirtschaftswissenschaftler, seinen Mut, quasi aus der Pixelnet-Insolvenz heraus einen neuen Fotodienstleister gegründet zu haben. Dass Köhler aus seinen früheren leitenden Positionen bei großen Banken
die Finanzbranche aus dem Effeff kennt, war bei der Beschaf-
fung von Kapital für ORWO Net äußerst hilfreich. Es sind aber noch andere Gründe, weshalb das junge Unternehmen so
rasch am Markt Fuß fassen konnte: Es kam genau zur richtigen Zeit. Nach der Jahrtausendwende setzte in Deutschland
der Boom in der Digitalfotografie ein. Der Umstieg vom Film
zum Chip vollzog sich radikal, bescherte den Fotogroßlaboren traumhafte Aufträge. Umso mehr, als sich Marktriese Kodak
zuvor aus dem Fotofinishing zurückgezogen und zehn Labore aufgegeben hatte. "Dies alles war für unsere Startphase sehr
gut", blickt Köhler zurück. "Um unternehmerischen Erfolg zu haben, braucht es halt auch etwas Glück."
In Spitzenzeiten wie den Sommerferien oder der Adventszeit
scheinen die ORWO Net-Server regelrecht heiß zu laufen. Bis
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Via Internet oder per Datenleitung über die etwa 1 000 Ter-
bundenen Drogerieketten oder Discountern aufgestellt hat. Die Hochleistungsprinter rotieren in solchen, im doppelten Sinne des Wortes Druckzeiten, schier pausenlos, gestalten serienweise 480 Meter lange Fotopapierrollen mit jeweils an
die 3 000 bunten Bildchen. Bis zu 20 000 Fotos pro Stunde
schafft jeder der sieben Drucker des Konzerns. Unvergessliche Ferienerlebnisse, rassige Sportwettkämpfe, fröhliche Famili-
enfeiern, aktive Freizeitgestaltung, malerische Landschaften, moderne Stadtarchitektur, Gartenfeste, zauberhafte Natur - so vielfältig und bunt wie das Leben und die Vorlieben der
unzähligen Kunden sind auch die Motive der bestellten Erinnerungsfotos.
Doch das digitale Bildergeschäft macht nur etwa 67 Prozent
des ORWO Net-Umsatzes aus, 15 Prozent des Umsatzes werden immer noch mit Bildern vom Film gemacht. Wachstumsmotor Nummer Eins im Unternehmen ist aber zweifellos der
Bereich Digitaldruck. Fotokalender, Fotoleinwände, Fotogrußkarten - die Vielfalt ist enorm. Erst recht bei den Fotogeschenken, den so genannten Fun-Artikeln. Ob Plüschtiere, Kaffeetas-
sen, Kissen, Spardosen, Puzzles, Sticker, T-Shirts, Schulranzen, Mousepads, Kerzen, Basecaps oder Grillschürzen - es gibt faktisch nichts, was nicht mit dem Lieblings-Fotomotiv bedruckt werden kann.
Absoluter Renner sind aber die Fotobücher. Mit Omas altem
Fotoalbum, in dem sich die hinter Fotoecken gehefteten Bilder
oftmals lösten, haben diese High-Tech-Produkte nichts mehr gemein. Produktionsleiter Hans-Jürgen Fritsch zeigt das neu-
este Erzeugnis: ein Premium-Fotobuch ganz ohne Bindung. Verblüffend: doppelseitige Panoramabilder erschließen sich dem Betrachter in ihrer ganzen Schönheit. Ohne den bei Bildbänden oft so störenden mittigen Bildknick. "Wir produzieren Emotionen", sagt Fritsch. Der neue Hingucker von ORWO Net gibt ihm recht.
Angesichts solch moderner Erzeugnisse könnte leicht in Vergessenheit geraten, dass der Industriestandort Wolfen
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Unternehmen
Auf Qualität wird bei ORWO Net größter Wert gelegt.
Michael Wartemann überprüft stichpunktartig, ob bei den
frischgedruckten Bildern aus dem Hochleistungsprinter die Farben natürlich wirken.
bereits in früheren Zeiten ein technologischer Vorreiter war.
wortung erfolgreich weiter führt. Außerdem hat es Fotogroß-
lenstein war die Erfindung des Farbfilms. Wenige Jahre spä-
300 Millionen digitalen Fotos pro Jahr plus anderen Produkt-
Vor gut 100 Jahren begann hier die Filmherstellung. Ein Mei-
ter produzierte die Ufa die ersten Color-Streifen auf Wolfener Material. Beispielsweise konnten sich die Kino-Besucher da-
ran erfreuen, wie Hans Albers als Baron Münchhausen auf der Kanonenkugel über die Filmleinwand ritt. 1964 wurde aus Agfa Wolfen ORWO Wolfen. Nach der Wende ging es dann erst
einmal rasant abwärts. 1994 wurde in Wolfen der letzte konventionelle Film produziert. Daran erinnert neben dem Wolfe-
ner Filmmuseum auch die Fassade des ORWO Net-Gebäudes, das eine überdimensionale ORWO-Filmrolle samt Farbfilm schmückt.
Wie gut, dass Wolfen in Gestalt von ORWO Net heute - wenn
auch unter anderen, eben digitalen Vorzeichen - wieder für
positive Schlagzeilen sorgt. Das Unternehmen wurde so stark, dass es 2009 die seit 1957 gut eingeführte West-Marke "Foto-
Quelle" aufkaufen konnte und seitdem unter eigener Verant-
labore in Wiesbaden und in Dänemark erworben. Mit rund feldern besitzt die ORWO Net AG heute einen Marktanteil von 12 Prozent.
Die Erfolgsgeschichte sorgte nicht nur in der Branche, sondern in der gesamten Wirtschaft für Aufsehen. Beleg dafür
sind auch einige renommierte Preise, die an das Unterneh-
men vergeben wurden. Herausragend dabei der Deutsche Gründerpreis, für den ORWO Net in diesem Jahr als einer von drei Finalisten - und das bei rund 300 Bewerbern - nominiert
worden ist. Vorstand Köhler: "Das ist nicht nur eine Anerkennung für unsere Gründerleistung, sondern vor allem ein Ansporn für unsere Mitarbeiter, weiterhin ihr Bestes zu geben."
Der ORWO Net-Chef ist übrigens passionierter wie erfolgreicher Schachspieler. 2010 wurde er Sieger des Deutschland-
Cups der Amateure. Das königliche Spiel erfordert Fähigkei-
ten in Strategie und Taktik. Köhler ist überzeugt, dass ihm
Unternehmen
Konzernchef Gerhard Köhler sieht Deutschland als Hauptmarkt des Wolfener Fotogroßlabors.Mehr als 90 Prozent des Umsatzes werden im Inland erlöst.
diese Erfahrungen auch dabei helfen, die Strategie und Taktik
nach bislang 33,5 Millionen weitere zehn Millionen Euro." Damit
ren die Frage stand, ob es besser sei, nur auf die Eigenmar-
Technik eingerichtet werden. Dort soll das florierende Geschäft
des Unternehmens festzulegen. So zum Beispiel, als vor Jah-
ke PixelNet zu setzen oder ob es nicht sinnvoller wäre, sich zusätzlich anderen großen Marken zu öffnen? "Ich habe das
wie bei einem Schachspiel genau abgewogen und intuitiv be-
wertet", sagt Köhler. "Und wir haben uns entschieden, andere Marken mit ins Boot zu nehmen. Weil die keinen Marketing-
soll eine neue Produktionshalle gebaut und mit entsprechender mit den Fotobüchern, dessen Umsatzanteil Köhler zufolge von 18 Prozent auf bis zu 40 Prozent steigen könnte, konzentriert
werden. Es deutet vieles darauf hin: ORWO Net bleibt am Markt auch in den kommenden Jahren voll im Bilde.
Aufwand erfordern."
Wer rational denkt und handelt braucht als emotionales Gegengewicht Emotionen, Visionen. Auch daran fehlt es dem
Führungsgespann Köhler - Ulbricht nicht. Sie sehen den Konzern bis 2016 auf weiterhin klarem Wachstumskurs. Die Zahl der Mitarbeiter könne von 275 auf 350 steigen, der Umsatz
von 33 Millionen Euro im Vorjahr auf etwa 75 Millionen Euro. Doch dafür sei es nötig, im Bereich Digitaldruck die noch zu häufige "händische Arbeit", wie Köhler es ausdrückt, durch Au-
tomatisierung abzulösen. "Wir werden auch weiter investieren,
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www.orwonet.de www.pixelnet.de www.fotoquelle.de
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Gesellschaft
Gemeinsam statt einsam in Meßdorf Integratives Wohnprojekt ist einzigartig in ganz Deutschland
Von Sabine Tacke
Vorsichtig blinzelt der alte Mann in die Herbstsonne. Sein Ge-
sicht ist wettergegerbt und von tiefen Furchen durchzogen. Man kann in ihm lesen, dass seine 68 Lebensjahre nicht immer leicht waren.
Kaum merklich zieht die 17-jährige Tatjana ihre Stirnmuskeln
zusammen, genau zwischen den Augen, da wo in dem Jungmädchengesicht noch keine Falten sind. Es scheint, als sei sie sehr vorsichtig im Umgang mit Menschen.
Frank Goecke ist ein Mann in den besten Jahren, braun gebrannt und fröhlich. Dennoch sieht man ihm an, dass er nicht
immer sorgsam mit seinem Leben umgegangen ist. Liebevoll
hält er seine Frau Sigrid im Arm – ein spätes Glück, das ihm vermutlich das Leben gerettet hat.
Drei Menschen, deren Schicksal unterschiedlicher nicht sein könnte und die auch nicht durch Familienbande verknüpft
sind. Dennoch leben sie gemeinsam unter einem Dach im alt-
märkischen Meßdorf. Nach einem Jahr Bauzeit ist hier am 20. April dieses Jahres in einem ehemaligen Gutshaus, in dem bis 2009 eine Förderschule mit angegliedertem Internat unter-
gebracht war, ein integratives Wohnprojekt des Paritätischen
Wohlfahrtsverbandes Sachsen-Anhalt eröffnet worden. Es sucht seinesgleichen in Deutschland.
„Das Besondere an unserer Einrichtung sind die verschiede-
nen Gruppen, die bei uns leben. Zum einen wohnen hier zwei
Mädchen, die vormals in einem unserer stationären Jugendheime, Erziehungshilfe erhalten haben. Eine weitere Gruppe sind seelisch behinderte Suchtkranke und dann gibt es noch
den Bereich für Senioren, die sich für eine betreute Wohnform entschieden haben“,erklärt der Geschäftsführer des Sozial-
Johannes Georg Sock ist der älteste Bewohner der Gruppe.
ist Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband mit drei Ge-
bleiben darf.
therapeutischen Zentrums Gut Priemern Uwe Lenz. Das Gut
Er freut sich darüber, dass er in seiner altmärkischen Heimat
Gesellschaft
schäftsbereichen: Suchthilfe, Jugendhilfe und Arbeitsförde-
dorf leben, erst einmal ein bisschen beschnuppern. Bei Tat-
eine persönliche und wirtschaftliche Eigenständigkeit vorzu-
klappt. Seit dem 10. August wohnen beide in einer WG. Jede
rung. Alle Geschäftsbereiche haben das Ziel Menschen auf bereiten.
Lenz: „Hier in Meßdorf gehen sie ins betreute Wohnen. Ein Zwischenschritt in die Selbstständigkeit. Doch uns ist vor allem das Miteinander der einzelnen Gruppen wichtig. Sie sol-
len sich gegenseitig helfen und einander das Gefühl geben, nicht nutzlos und allein zu sein.“
Noch müssen sich die 14 Bewohner, die im Moment in Meß-
Tatjana Pallesche und Victoria Weich sind in der WG
des ehemaligen Gutshauses Freundinnen geworden.
SACHSEN-ANHALT-MAGAZIN 06/11
jana und Victoria hat die Verständigung von Anfang an gehat ihr eigenes Zimmer. Typische Mädchenzimmer mit bunten
Wänden. Bei Tatjana hängt ein Bayern München-Poster an der
Wand. „Da war Lukas Podolski noch dabei, den find‘ ich toll“, schwärmt sie. Victorias Zimmer wird von einem Fitnessgerät
beherrscht. Die fröhliche Brünette ist eitel wie andere Teenies
auch. „Außerdem hab ich einen Freund. Da will ich natürlich ganz besonders gut aussehen.“ Meistens sitzen die beiden in der Küche oder klönen gemeinsam vor dem Fernseher.
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Gesellschaft
Hätten Frank und Sigrid Goecke in ihrer Jugend so viel Unter-
stützung bekommen, wäre ihnen vielleicht manch Bitteres in ihrem Leben erspart geblieben. Sie sind das einzige Ehepaar in der Meßdorfer Wohnanlage, leben in einer Zweiraumwohnung
mit Balkon. „Unsere Puppenstube“, sagt Frank Goecke stolz. Die beiden haben sich auf Gut Priemern beim Entzug kennenge-
lernt und vor zwei Jahren geheiratet. „Wenn sie nicht gewesen
wäre, hätte ich die Therapie niemals geschafft“, sagt er und schaut liebevoll zu seiner Frau. Der gelernte Straßenbauer hat
eine harte Trinkerkarriere hinter sich. „Ich hab schon mit 14 angefangen. Meine Eltern waren tot. Niemand hat sich um mich
gekümmert.“ Nach der Wende kam der ganz große Absturz. „Ich wurde obdachlos, bin durch ganz Europa getingelt, immer mit
der Flasche in der Hand.“ Er hat immer wieder probiert, vom Alkohol loszukommen. Ein kalter Entzug hätte ihn fast das Leben gekostet. An seinem 50. Geburtstag fiel er ins Alkohol-Koma. Da
machte es endlich Klick bei ihm. „Seit dem 4. September 2006 bin ich trocken. Mein zweiter Geburtstag.“
Ehefrau Sigrid weiß ganz genau, wovon ihr Mann spricht. Auch sie musste mühsam lernen, dem Alkohol Adieu zu sa-
gen. „Bei mir begann alles in der Kindheit. Die ganze Familie Geschäftsführer Uwe Lenz weiß mit Menschen und ihren Schicksalen umzugehen.
hat getrunken – Vater, Mutter, Großmutter. Irgendwann fängt
man dann auch an.“ Nach der Wende verlor die Stationshilfe
ihren Job in Bitterfeld. Der Alkohol war damals ihr großer Trost. Aber auch sie hat es geschafft, trinkt seit dem 3. Januar 2007
keinen Tropfen mehr. Die beiden sind ein gutes Vorbild für die anderen zehn Mitbewohner, die vom Gut Priemern nach Meß-
dorf kamen. „Wir kennen uns ja alle und geben einander Kraft. Tatjana kam aus Frankfurt am Main nach Meßdorf. „Ich hatte Probleme in der Schule und Streit mit meinen El-
tern.“ Da hat die Jugendhilfe eingegriffen. Die 17-Jährige
ist kein Null-Bock-Mädchen, sie leidet unter Depressionen. In Meßdorf bekommt sie therapeutische Hilfe und kann
jetzt wieder nach vorn schauen. „Ich mach jetzt das Berufsgrundjahr. Später will ich Erzieherin werden“, erzählt
sie. Ihr größter Wunsch ist es, selbstständiger zu werden. Victoria ist aus Goslar in die Altmark gekommen. „Ich bin zu
Hause einfach nicht mehr zur Schule gegangen. Ich hatte keine Lust.“ Ihre Eltern schalteten die Jugendhilfe ein. Und so
ist sie schließlich in Meßdorf gelandet. In Salzwedel hat sie
ihr erstes Ausbildungsjahr zur Sozialpflegerin begonnen. „Ich
möchte mal einen guten Beruf haben. Am liebsten etwas, das
mit Kindern zu tun hat“, erzählt die 16-Jährige. Beide Mädchen wollen auf jeden Fall hier in der Altmark bleiben. „Wir haben das Gefühl, hier angekommen zu sein.“
Da passt einer auf den anderen auf“, sagt Frank Goecke.
„Und genau das ist ja unser Konzept hier, das Miteinander. Natürlich begleiten unsere vier Angestellten die Bewohner mit Therapien. Montags gibt es zum Beispiel immer Grup-
pengespräche“, erklärt Geschäftsführer Lenz. Aber sie sollen im Haus und auf dem 16 000 Quadratmeter großen Gelände
mit der herrschaftlich anmutenden Parkanlage, die sie selbst
pflegen, zusammen ihre Freizeit verbringen. Nach einer Eingewöhnungsphase wird das auch gut gelingen, ist sich Lenz sicher.
Johannes Georg Sock ist der bisher einzige Bewohner der Gruppe und fühlt sich noch ein bisschen einsam. Seit Anfang Sep-
tember wohnt er in einer hellen Einraumwohnung. „Meine Betreuerin hat mich hierher geschickt. Ich bin allein nicht
mehr klar gekommen.“ Der ehemalige Landarbeiter hat weder Frau noch Kinder, die sich um ihn kümmern können. „Mei-
ne sechs Geschwister sind in alle Winde zerstreut. Von denen
Gesellschaft
Frank und Sigrid Goecke haben in ein Leben ohne Alkohol zurückgefunden.
kommt mich niemand besuchen“, sagt er traurig. Sock kommt
Ochsenknecht hat sich unser Modell ausgesucht und in der
ner Heimat und in einer betreuten Wohnform verbringen kann.
betrommel gerührt.“ Das bescherte den Meßdorfern 226 000
aus Krusemark und ist froh, dass er seinen Lebensabend in seiUnd bald wird er auch gleichaltrige Gesellschaft bekommen. „Wir erwarten doch hier noch zwei Senioren“, sagt der Ge-
ARD-Fernsehlotterie ,Ein Platz an der Sonne’ für uns die WerEuro. Die Finanzierung stand.
schäftsführer.
Die Bewohner des Gutshauses an der Schulstraße, der Villa Piel,
Das ungewöhnliche Projekt mit seinen so unterschiedlichen
Turnhalle stellen wir den Vereinen zur Verfügung. Und in der
Bewohnern hat seine Existenz übrigens auch ein bisschen dem Schauspieler Uwe Ochsenknecht zu verdanken. Der Umbau des Herrenhauses und des Schulanbaus kostete rund
795 000 Euro. „Wir haben das Projekt schon 2009 beim Landkreis angemeldet. Aber da stand die Finanzierung noch nicht
hundertprozentig“, erinnert sich Lenz, der auch seit 17 Jahren
Bürgermeister der Gemeinde ist. Geld kam dann aus dem europäischen Förderprogramm LEADER, von der Kreissparkasse und außerdem vom Deutschen Hilfswerk (DHW). „Uwe
SACHSEN-ANHALT-MAGAZIN 06/11
sollen aber nicht nur ihr eigenes Süppchen kochen. Lenz: „Die
Villa haben wir jetzt drei Salons hergerichtet, in denen sich die Meßdorfer einmal monatlich treffen können.“
Und das klappt ganz gut. Im August waren 80 Gäste da. Die Be-
wohner haben Selbstgebackenes aus der gutseigenen Bäckerei serviert, und man kam ins Gespräch. Lenz ist glücklich: „Das ist
doch das Beste, was uns passieren konnte. Unsere Bewohner sind im Dorf angekommen und aufgenommen worden.“ www.paritaet-lsa.de
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Porträt Fahrzeugbau
Der Gesundheitsmacher Ralf Dralle – Der jüngste AOK-Vorstand aller Zeiten will das Rechte tun statt Recht zu sprechen
Von Cornelia Heller Auch als unser Fotograf die vierte Gesprächslokalität im Haus
für das Land und kümmern uns um die Gesundheitsversor-
sich ein auf einen nach bester Ausleuchtung und passen-
Hamburg aus. Das kann man nur im Land selbst machen. Wir
der AOK zweifelnd verwirft, bleibt Ralf Dralle entspannt. Lässt
dem Hintergrund suchenden, mit Kameras und Objektiven hantierenden Fotografen. Hilft bei der Raumsuche. Lässt den Künstler seine Arbeit machen. Schließlich findet sich im Ein-
gangsbereich der Vorstandsetage eine Sitzgruppe mit einem
ziemlich atemberaubenden Ausblick über Magdeburg auf der einen Seite und einer sattroten Wand auf der anderen. Ein
Platz, der ein gutes Licht werfen darf auf eine Versicherung, der mehr 720.000 Menschen in Sachsen-Anhalt ihr Vertrauen leihen, und den Mann, der die Geschicke der landesweit größ-
ten Krankenkasse ab 1. Oktober 2011 lenken wird: Ralf Dralle, Jurist aus dem Rheinland und zunächst als Sozialrichter tätig,
gung vor Ort.“ Oder: „Das kann man nicht von Wuppertal oder
wollen Versorgung gestalten.“ Und meint, dass es jemanden
geben muss, der sich dafür verantwortlich fühlt, dass es trotz sich leerender Landstriche gesicherte ärztliche Versorgung gibt, Pflegedienste vor Ort zuverlässig arbeiten, gute und ef-
fektive Behandlungskonzepte entwickelt werden... In seiner Lesart also jemand, der mit allen Bereichen der Gesundheitsversorgung zu tun hat, einer der die Probleme kennt, ganz nah
dran ist, Beteiligte zusammenführt und übergreifend arbeitet, eben eine „regional gut aufgestellte Krankenkasse mit großem Marktanteil“ – wie die AOK in Sachsen-Anhalt.
seit zehn Jahren in Magdeburg, gerade 40 Jahre alt.
Zu der kam Ralf Dralle mit nur einem Umweg. 1971 in Erkrath
Der Mann mit den passenden Augen zum dunkelgrauen An-
sich zunächst für eine Ausbildung und ein Fachhochschulstu-
zug und blaugemusterter – nicht AOK-grün-weißer Krawatte
– wird mir gegenüber im schwarzen Sessel platziert, Licht gut, Mikrofon an. Und ein Gespräch beginnt über die Arbeit einer
Kasse, die sich heute modern und aktiv eher als Managerin
von Gesundheit, denn von Krankheit versteht, über ihn, der selbst – „nein, nicht ehrenhalber, natürlich als Ehrensache“ –
aber vor allem aus Überzeugung AOK-versichert ist, über sei-
nen Weg bis hierhin und wie weiter. Er erzählt, locker-offen, dennoch konzentriert, in Worten, die man sogleich drucken
könnte, immer nah bei der Sache, immer mit Blickkontakt. Er sagt mit Nachdruck Dinge wie: „Wir arbeiten hier im und
im Bergischen Land nahe Düsseldorf geboren, entscheidet er
dium für die gehobene Verwaltungslaufbahn in der Kreisver-
waltung des nahegelegenen Mettmann, arbeitet dort in der Finanzabteilung, entschließt sich aber für ein Weiter und dafür, Jura zu studieren. Hier wird er seine Passion finden, das Sozialrecht, speziell die Krankenversicherung, und auf Anregung
seines Professors insbesondere jenen Teil, der die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und den so genannten
Leistungserbringern wie Krankenhäusern regelt. Ein damals „völlig unentdecktes Gebiet“. Schon bei seinen Bewerbungen merkt er, dass ein Jurist, der sich mit derartigen Rechtsfragen auskennt, „scheinbar interessant war. Weil es
Portr채t
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Porträt
schlichtweg kaum derart Qualifizierte gab, anderseits viele Stellen, die vertragliche Rechtsprobleme hatten.“
Als Sozialrichter weitet sich sein Blick für die Themen, die Sozialversicherungsträger beschäftigen, „eine durch nichts zu bezahlende Erfahrung“, lernt aber auch, dass hier eben „nur“
Recht gesprochen, jedoch keine praktischen, realen Lösungen
für die Probleme der Menschen gefunden werden können: „Einen Pflegedienst für einen Patienten vermitteln, kann eben wieder nur die Krankenkasse vor Ort.“ Und so entscheidet er
sich schließlich für die AOK, weil er „einfach den Eindruck hatte, dort im Zentrum des Gesundheitswesens angekommen zu sein.“
Kurzer Stopp. „Ob wir uns wohl umsetzen könnten?“, neigt
sich vorsichtig der Fotograf ins Gespräch. Ralf Dralle bitte jetzt vor die sattrote Wand, ich vor den Ausblick. Besseres Licht
und überhaupt. Und einmal die Krawatte richten. Schön. Wir
trinken Kaffee, er trinkt ihn schwarz. Ob er sich an sein ers-
tes Rendezvous mit Sachsen-Anhalt erinnern kann? Er lächelt. Die AOK hatte 2001 eine Tätigkeit im Krankenhausbereich
ausgeschrieben, wie für ihn gemacht. Das ist überhaupt das
erste Mal, dass sich sein Fokus öffnet für das Land in der Mitte Deutschlands. Das Auswahlverfahren findet – welch ein Glück
– im idyllischen Wernigerode statt. „Das war dann schon mal ein schöner Eindruck.“ Und Ralf Dralle bekommt die Stelle.
Seither arbeitet der Rheinländer in Sachsen-Anhalt und ihrer
Landeshauptstadt Magdeburg, hier kennt man ihn als das Gesicht des Bereichs Gesundheit und Medizin, der den gesam-
ten Leistungs- und Vertragsbereich umfasst. Große Themen wie die Einführung des Hausarztprogramms oder jenes mit
dem unaussprechlichen Namen „Disease Management“ sind eng mit seinem Namen verbunden. Das eine lotst den akut
Erkrankten durch den Behandlungsdschungel, das andere
sichert mit festgelegten medizinischen Leitlinien die langfris-
tig vorsorgende Behandlung von chronisch Leidenden. Allen Beteiligten Anliegen und Sinn zu erklären, zu informieren, sie
für ein Dafür zu begeistern, „das ist unser Job“, sagt Dralle. Jede neue gesetzliche Änderung mache gleiches nötig, ohne-
elektronischen Gesundheitskarte auf dem Programm. Dazu
sind die gesetzlichen Krankenkassen per Gesetz verpflichtet. Sie soll die Kommunikation aller an der Gesundheitsversorgung Beteiligten verbessern“, sagt der Mann, während er sei-
ne Tasse zurück auf die Tischplatte stellt. „Ein anderes großes Zukunftsthema ist die Schaffung einer lückenlosen Behandlungskette für den Erkrankten über eingefahrenes Ressort-
denken hinaus. Hier gilt es, die Kräfte zu konzentrieren.“ Und
auch immer wieder auf das Nachdenken über die eigentliche Struktur, „die eine gute Balance zwischen den verfügbaren Finanzen und einer vernünftigen Versorgung für alle sichert.“
„Auch auf dem Land?“, frage ich, den in den vergangenen Wochen vielbesprochenen Ärztemangel im ländlichen Gebiet vor
Augen. „... wo wir es mit richtig komplexen Problemen zu tun haben“, reagiert er ohne zu zögern. „Wenn wegen sinkender
Bevölkerungszahlen Schulen, Läden und Postämter schließen, fragt sich auch der Arzt, ob er hier noch praktizieren möch-
te.“ Mit allen gemeinsam arbeite man an Lösungen und freue sich über jeden noch so kleinen Erfolg. Wie etwa in Letzlingen. Wo, wie es die Bürgermeisterin im September 2010 ausdrückte, allen mit der Eröffnung einer Filialpraxis „das Lächeln
zurückgegeben wurde“. Hier arbeiten jetzt tageweise Ärzte verschiedener Fachrichtungen, um Lücken in der Versorgung zu schließen.
Der Kaffee ist alle und die Bilder sind im Kasten. Zufrieden
räumt der Fotograf seine Utensilien ein. Eine Frage bleibt mir
noch. Mit 40 Jahren der jüngste Vorstand aller Zeiten. Ein Problem? „Nein“, sagt er schmunzelnd. „Für viele wichtige The-
men der AOK Sachsen-Anhalt stehe ich seit zehn Jahren, aus dieser Arbeit kennen mich viele, das hat den Überraschungs-
effekt sicher gemildert. Wenn man mit knapp 30 als Richter arbeitet, gibt es da weit mehr Vorbehalte. Meistens hat man
nur eine halbe Stunde, um die Leute davon zu überzeugen, dass man weiß, wovon man spricht und vernünftige Entscheidungen zu treffen in der Lage ist.“
Dafür hatte er hier eindeutig mehr Zeit.
hin sei das deutsche Sozialversicherungsrecht so kompliziert wie sonst nur noch das Steuerrecht.
www.aok.de/sachsen-anhalt Mit 44 Geschäftsstellen und 1 900 Mitarbeitern leistet die AOK diese Arbeit, für 1,5 Millionen Anfragen jährlich öffnen
sich Türen von Servicecentern oder klingeln die Telefone der Berater. „Der Fragebedarf ist unendlich groß und wird wohl
nicht geringer werden. Als nächstes steht die Einführung der
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Wir sind
Sachsen-Anhalt
„Ich mag Sachsen-Anhalt, weil es hier noch Menschen gibt, die sich für etwas engagieren.“
Eine Gemeinschaftsaktion von Sachsen-Anhalt-Magazin und radio SAW. www.sachsen-anhalt-magazin-verlag.de www.radiosaw.de www.wir-sind-sachsen-anhalt.de
Dr. Karl-Heinz Daehre (67) ist ehemaliger Bau- und Verkehrsminister des Landes Sachsen-Anhalt. Der promovierte Chemiker hat sich in seiner Amtszeit unter anderem für die Verlängerung der Autobahn 14 von Magdeburg in Richtung Schwerin engagiert. Er gehört zu den Erstunterzeichnern des Gründungsaufrufs für das Saale-Bündnis. Die Initiative setzt sich für die vollständige Schiffbarmachung der Saale bis zur Elbmündung ein.
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Sicherheit
Der Schutzengel fährt immer mit ÖSA Versicherungen bieten mit Notruf-Automatik „Copilot“ innovatives Sicherheitssystem für alle Autos an von Annette Schneider-Solis
Schneller als gedacht hat sich der Copilot von Gesine Herr-
Agentur“, erzählt die 51-Jährige. „Bei dieser Gelegenheit wur-
für den Einbau des unscheinbaren Geräts in ihr Auto entschie-
Der zigarettenschachtelgroße schwarze Kasten verschwindet
mann* bewährt. Erst Anfang 2011 hatte sich die Dessauerin den. „Wir waren aus einem anderen Grund bei meiner ÖSA-
de uns der Copilot vorgestellt und empfohlen.“
irgendwo im Auto. Bei einem Unfall, genauer gesagt einem
Sicherheit
Aufprall, sendet die Technikeinheit einen Datensatz an die
Copilot vorgestellt wurde, fielen mir sofort Meldungen über
terlegten Mobilfunknummer an und erkundigt sich, ob Hilfe
Baum landeten, ohne dass jemand etwas mitbekommen hat.
Notrufzentrale. Die ruft bei der vom Halter des Fahrzeugs hinbenötigt wird. Hat der zur kleinen schwarzen Box gehörende Crash-Sensor einen stärkeren Aufprall registriert oder meldet
Unfälle ein, bei denen Fahrzeuge im Straßengraben oder am Die Notruf-Automatik war mir darum ihren Preis wert.“
sich niemand am Mobiltelefon, informiert die Notrufzentra-
Gesine Herrmann lässt den Copiloten vom Bosch Service ein-
tungskräfte zum Unfallort, den die Notrufzentrale mit den
weg von der Arbeit in Magdeburg mal wieder im Stau auf
le die nächstgelegene Rettungsleitstelle. Diese schickt Retgesendeten GPS-Daten ganz genau an die Rettungsleitstelle weitergegeben hat. So ungefähr war das „Prinzip ÖSA Copilot“
Gesine Herrmann erklärt worden – und sie hat nicht lange überlegt. „Ich pendle täglich zwischen Dessau und meinem Arbeitsort Magdeburg. Als mir von meiner Versicherung der
bauen und vergisst ihn wieder. Bis sie im Mai auf dem Heimder Strombrücke landet. Bremsen, anfahren, bremsen. Vor ihr
fährt ein älterer Herr. Er fährt an und steigt auf die Bremsen. Für Gesine Herrmann völlig unvermittelt. Sie bringt ihr Fahr-
zeug nicht rechtzeitig zum Stehen. Es kracht. Der Autofahrer
hinter ihr fährt auch noch auf. Es sind nur Blechschäden, doch die Aufregung ist groß. „Zufällig kam gerade ein Streifenwagen vorbei“, erinnert sich Gesine Herrmann. „Die Polizisten
hielten, sprachen uns an, als plötzlich mein Handy klingelte.“
Jetzt nicht auch noch das Telefon, habe sie gedacht. Doch es ist die Notrufzentrale, die vom Copiloten über den Unfall informiert wurde und fragt, ob Hilfe benötigt wird. „Daran habe ich in dem Moment doch gar nicht mehr gedacht!“
Die ÖSA hat im vorigen Jahr als erste Versicherung in Deutschland den elektronischen Lebensretter angeboten. Inzwischen
sind öffentliche Versicherer auch in anderen Bundesländern dem Beispiel gefolgt und setzen in Sachen Telematik ein inno-
vatives Zeichen. Die Hardware ist von der italienischen Firma Octo Telematics entwickelt worden und ist inzwischen welt-
weit in rund 1,5 Millionen Fahrzeugen im Einsatz. Uwe Münch, der das Octo-Geschäft in Deutschland betreut, beschreibt mit
wenigen Worten, wie die Technik des Copiloten funktioniert. „Es ist ein denkbar einfaches System. Ein Crash-Sensor registriert beim Unfall die ungewöhnliche Bewegung und erkennt
den Unfall. Per GPS wird der Standort ermittelt. Dann sendet
das Gerät das gesamte Datenpaket innerhalb weniger Sekun-
den über das Mobilfunknetz an die Notrufzentrale. Aus ihm ist neben den Angaben zum Fahrzeughalter auch zu
Crash-Test für den ÖSA Copiloten während eines Pressetermins. Bei Tempo 20 wurde
eine Aufprallstärke von 5,9 g registriert. Der
Rettungswagen fand die Unfallstelle sofort.
Hier war es eine Übung – inzwischen hat sich der Lebensretter Copilot auf Sachsen-Anhalts Straßen mehrfach in der Alltagspraxis bei Verkehrsunfällen bewährt.
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Sicherheit
ten. Und es liefert weitere Angaben, die Rückschlüsse zum Geschehen zulassen. Ob nach einem Unfall Daten zur Klärung von Schuldfragen herangezogen werden, entscheidet allein
der Kunde. Dieses Verfahren ist entsprechend den Datenschutzvorschriften so geregelt.
Die Nachrüstung von Fahrzeugen mit dem Copiloten ist
denkbar einfach. Während derzeit ausschließlich größere und vergleichsweise teure Autos mit einer Notruf-Automatik ausgerüstet sind, ist das ÖSA-Angebot gleichermaßen für Fahrzeuge der Kompakt- wie der Premiumklasse geeignet, für ältere Modelle ebenso wie für neue. Inzwischen trägt der ÖSA
Copilot auch das Zertifikat des TÜV Süd: „Technik für Pkw, Lkw und Motorräder geeignet.“ Auch sehr interessant: Neben der Der Crash-Sensor und die Technikeinheiten des Copiloten werden vom Fachmann des Wolmirstedter Bosch
Service unsichtbar im Auto untergebracht. Der Sensor misst beim Unfall die Beschleunigungskräfte.
lebensrettenden Funktion bietet er als zusätzliche Option die Ortung und Verfolgung des Autos bei Diebstahl.
Ab 2014/2015 will die EU die Ausrüstung aller Neufahrzeuge
mit einem automatischen Notrufsystem zur Pflicht machen. Der bei den ÖSA Versicherungen für den Kfz-Bereich zustän-
erkennen, wie heftig der Aufprall war, ob der Crash hinten, vorn oder an der Seite erfolgte, wie sich das Auto Sekunden vor dem Aufprall und Sekunden danach bewegt hat.“
Die Notrufzentrale gehört zur Deutschen Assistance Telema-
dige Abteilungsdirektor Hans-Jörg Kurth sagt dazu: „Da die
Technik aber bereits da ist, wollten wir unseren Kunden schon jetzt diese Extraportion oft lebensrettender Sicherheit verfügbar machen. Und das nicht nur für neue oder höherwertige Fahrzeuge, sondern für alle.“
tik GmbH, ein Dienstleistungsunternehmen der öffentlichen
Die Kosten für den Copiloten betragen 9,90 Euro im Monat,
der Rettungskette gehörte hier unter anderem das Erstellen
rer, der Leben rettet“, erklärt Vorstandsmitglied Rainer Bülow.
Versicherer. Zu den notwendigen Vorarbeiten für den Aufbau
der kompletten deutschlandweiten Übersicht über alle Rettungsleitstellen. Auf dem Rechner in der modernen Assis-
tance-Zentrale ist auch zu sehen, ob das Fahrzeug nach dem Aufprall weiterfährt oder stehen bleibt. Passiert Letzteres und war der Aufprall nicht zu stark (bis zu etwa 4 g, g=Maßeinheit
der Erdbeschleunigung), wird der Halter auf der (oder den)
der Einbau des Gerätes inklusive. „Wir sind der erste Versiche-
„Es war die absolut richtige Entscheidung, den Copiloten bei
uns in Sachsen-Anhalt auf den Markt zu bringen. Wir wollen innovativ sein als kleiner Versicherer, und auch hiermit ist uns das gelungen. Andere öffentliche Versicherer haben das Modell adaptiert.“
hinterlegten Handynummer angerufen. Meldet er sich nicht,
Mittlerweile sind etwa 200 sachsen-anhaltische Autos mit
tungsleitstelle in der Nähe des Unfallorts alarmiert. Sie kann
fen. Dreimal hat sich der Lebensretter in den letzten Monaten
wird bei einem vermutlich schwereren Unfall sofort die Retdie Rettungskräfte mit einer genauen Anfahrtbeschreibung auf den Weg schicken. „Die haben wir im Alltag leider nicht
immer“, berichtet der Magdeburger Rettungssanitäter Björn Orling. „Oft gibt es Abweichungen, Unfallopfer oder Zeugen
können nicht genau sagen, wo sie sich befinden. Für uns beginnt dann die Suche. Und das in einer Situation, in der jede Minute kostbar ist.“
dem Copiloten unterwegs, die ersten Tests für Motorräder lauschon bei Unfällen bewährt. Zum Glück jedes Mal ohne Personenschaden, aber alles lief wie am Schnürchen. Gesine Herrmann hat es nicht bereut, sich für den Copiloten entschieden
zu haben. „Es war gut zu erleben, wie das Gerät funktioniert. Ich fahre jetzt noch beruhigter. Gerade, wenn wir mit unserer Enkelin unterwegs sind, ist das ein gutes Gefühl.“
Das GPS-Signal des Copiloten kennt dieses Problem nicht. Fast auf den Zentimeter genau übermittelt es die Koordina-
www.oesa.de/copilot *Name ist geändert, der richtige Name liegt der Redaktion vor.
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GBR
Wir erstellen Planungen, Ertragsgutachten, Analysen und Prüfungen von Photovoltaik-Anlagen. Wir installieren schlüsselfertige Photovoltaik-Anlagen für Firmen- und Privatkunden. Wir vertreiben Module, Wechselrichter und Montagesysteme. Wir vermitteln die Verpachtung von Dachflächen. Sie profitieren von der Vermietung.
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425 kWp in Nürnberg
Briefe an die Redaktion
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Optisch und inhaltlich ein gelunge-
Das
Applaus.
mit Leidenschaft und Akkuratesse auf
tet eine gute Bühne
den Grund. Die Bandbreite ist beachtlich:
für schöne, span-
nende Geschichten. Es zeigt den Mut der Macher, Neues auszuprobieren, so wie er
auch uns Theaterleuten eigen ist. Allerdings wünsche ich mir mehr Beiträge aus
der Kultur. Theater hat zum Beispiel viele Geschichten zu erzählen.
der Altmark
torischen Orten und einem vielfältigen
man den Entwicklungen in unserem Land
halt-Magazin bie-
informieren will, kommt am SachsenAnhalt-Magazin nicht vorbei. Hier geht
Sachsen-An-
n Dirk Löschner, Intendant am Theater
Freuen würde ich mich über Beiträge aus
Schlagzeilen solide über Sachsen-Anhalt
ner Auftritt - dafür meinen
Wer sich jenseits der tagesaktuellen
Von der philosophischen Betrachtung über Beiträge zur Geschichte bis hin zur
wirtschaftspolitischen Analyse findet sich
Nur eine schlechte Nachricht sei eine gute Nachricht, heißt es. Dass es auch anders
geht, zeigen die Macher des SAM. Abseits des medialen Schlechtmachens und Verkennens der positiven Entwicklungen in ei-
ner schwierigen Zeit, werden hier die zarten Pflänzchen der guten Nachrichten ausgegraben und niedergeschrieben, die Zuversicht und Mut geben. Erst dachte ich, bitte
schichten, überwiegend gute Bildstrecken und sprachlich ausgewogen ist mein Fazit. Hier spürt man noch die Mühsal des
Journalismus: Themen finden, Fakten recherchieren und lesbar aufbereiten. n Dipl.-Ing. Jörg Bönisch,
Mitglied im Deutschen Journalisten-
Sprache (VDS)
verband (DJV) und im Verein Deutsche
des ausmachen.
n Holger Stahlknecht, Minister des
Innern des Landes Sachsen-Anhalt
Ich freue mich, dass das Sachsen-Anhalt-
würdigt, die Schattenseiten des Wandels
nem Anspruch treu geblieben ist, durch
tungen in Land und Regionen werden ge-
des Sachsen-Anhalt-Magazins gehört es, dass die Themen immer auch mit per-
sönlichen Schicksalen verknüpft werden
- das gibt den Darstellungen eine eigene Note und macht sie verständlich und gut
lesbar. Ich hoffe, dass das Sachsen-Anhalt-
Magazin durch seine Berichterstattung weiter zur positiven Entwicklung SachsenAnhalts beiträgt und den Menschen Mut
macht, zuzupacken und unser Land nach vorne zu bringen.
Magazin in den bisherigen Ausgaben seiinteressante Geschichten über Menschen und Unternehmen auf ein Bundesland
neugierig zu machen, das eine Vielzahl an Facetten in Wirtschaft, Forschung und Kultur bietet. Die Themen des Magazins laden ein, sich mal wieder mehr Zeit zum
Lesen zu nehmen. Man möchte mehr
darüber erfahren, was hier passiert und was es neues zu entdecken gibt. Mir ge-
fällt auch die anspruchsvolle Gestaltung des Magazins. Ich bin gespannt auf das neue Heft und wünsche den Redakteuren
weiterhin viele Ideen für spannende Ge-
n Undine Kurth,
nicht noch so ein Hochglanzmagazin! Doch
das hier ist anders: Viele interessante Ge-
Freizeitangebot den Charme unseres Lan-
vieles im Magazin wieder. Die Aufbauleis-
nicht verschwiegen. Zum besonderen Stil
unseren ländlichen Regionen, die mit his-
MdB BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gestaltung wie In-
schichten aus und über Sachsen-Anhalt. n Erika Riedel, Ilsenburg
halt des Sachsen-
Die veröffentlichten Meinungen müssen
empfinde ich als
dergeben. Die Redaktion behält sich vor,
Anhalt-Magazins
nicht die Meinung der Redaktion wie-
sehr ansprechend.
Zuschriften – bitte stets mit Namen und
Ich bin mir sicher, das
dazu
Heft
Anschrift – gekürzt und auch elektronisch
kann
zu veröffentlichen. Die Leserzuschriften
beitragen,
die Identität in unserem Bundesland zu fördern und weit über die Landesgrenzen hinaus für Sachsen-Anhalt zu werben.
können per Post oder elektronisch an leserbriefe@st-magazin.de werden.
übermittelt
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SACHSEN-ANHALT-MAGAZIN 03/10