5 minute read

Mit Herzblut und Handschrift“

Next Article
Partyservice

Partyservice

Clubkultur mit Herzblut & Handschrift

Christian Huys im Interview über Clubkultur, Hafengastronomie & Corona

Advertisement

Wie alle Clubbetreiber in Münster durfte auch Christian Huys seine Hafenclubs Hot Jazz Club und Rote Lola fast ein Jahr gar nicht oder nur sehr eingeschränkt öffnen. Seit dem Spätsommer sind die Clubs wieder nach der 2G/3G-Regel geöffnet. Hat sich das Ausgehverhalten jetzt geändert? Wie sind die Clubs generell durch den Lockdown gekommen? Und wie kann es weitergehen mit der Clubkultur und der Hafengastronomie nach Corona. Wir haben mal nachgefragt.

Der Clubbetrieb stand lange still, im Spätsommer ging es endlich weiter. Die Freude war sicher groß?

Na ja, mehr oder weniger. Schließlich hat die Politik monatelang ausgeblendet, dass es die Clubgastronomie überhaupt gibt. Zudem wurden wir als die Virenschleuder der Nation diffamiert, trotz Abstands- und Hygienekonzepten. Wir hatten quasi über ein Jahr lang Berufsverbot zu erdulden und haben keine Millionen mit der Gießkanne bekommen wie die Lufthansa. Jetzt ist vieles wieder möglich, aber wir brauchen langfristige Planungssicherheit. Den Besuchern haben die Clubs gefehlt, die brauchen Orte, an denen sie sich treffen können. Wohin das ansonsten führt, konnte man ja am Aasee studieren… Dieses Missverhältnis habe ich generell nicht verstanden: Auf den Straßen war und ist die Hölle los, aber bei uns wird noch penibel jeder Seifenspender kontrolliert. Da fühlt man sich doch behandelt wie ein Depp.

Zeichnet sich ab, dass sich Ausgehverhalten und Clubkultur verändert haben oder ist alles wie vorher?

Das kann man noch nicht sagen. Die Leute haben jedenfalls einen Riesenhunger nach Clubkultur und wollen zurück zur Normalität – die Bedürfnisse haben sich also offenbar nicht geändert. Es war schon schwer, praktikable Übergangslösungen zu finden. Das 2G/3G-System ist erstmal OK. Man kann das Konzept Club nicht einfach neu erfinden – das funktioniert nun einmal durch Nähe, Kontakt und Ausgelassenheit, so wie unsere WG-Partys in der Lola. Und da wollten alle wieder hin und da wollen wir jetzt bleiben.

Die Nöte der Gastronomen und Clubbetreiber kann man sich vorstellen, aber wie geht’s eigentlich den Bands, die sonst bei Euch auftreten?

Die Bandszene hat ja genauso gelitten wie die Clubszene. Die Bands sind ja keine Unternehmen mit Kapitaldecke, aber die haben auch weiterlaufende Kosten wie Proberaummieten. Eine Band kriegt auch keinen Kredit. In der Stadionliga mag das anders sein, aber für die Semiprofi-Band, die im Jahr 100 Konzerte vor maximal fünfhundert Leuten spielt und davon lebt, ist das eine Totalkatastrophe. Die Musiker werden damit eh nicht reich, aber jetzt standen sie voll im Regen. Man hat auch gesehen: Ein YouTube-Event ist doch nur ein Surrogat, das schafft doch nie die gleichen Emotionen wie ein Livekonzert auf der Bühne. Wir werden sehen, wie viele von diesen Bands auch langfristig wieder auf die Beine kommen.

Die Gastronomie ächzt unter einer großen Personalknappheit, hört man überall. Verteilen die Leute, die früher hinter der Theke gearbeitet haben, jetzt alle die „hallo“?

Die Aushilfskräfte in der Gastronomie konnten nicht von der Kurzarbeiterhilfe profitieren und haben ihren Job in Club oder Kneipe verloren. Die sind jetzt in anderen Branchen – zum Beispiel im Schnelltestzentrum – und kommen auch nicht auf mein Glöckchenklingeln zurück. Zumal wir ihnen nicht sagen können, wann die Pandemie endgültig vorbei ist. Müssen wir sie dann wieder entlassen? Das ist doch keine Perspektive! Und darüber hinaus sind viele Studis noch gar nicht zurück in Münster. Es fehlt also massiv Personal. In einem Laden mit vier, fünf Leuten kann man das irgendwie schaffen, aber nicht, wenn du ein Team von 20, 30 und mehr Kräften brauchst.

Du hast jetzt ein Restaurant am Kreativkai eröffnet – auch als Reaktion auf die Club-Krise?

Na klar! Zusammen mit Roberto Turchetto vom Café Med habe ich die ehemalige Freiheit 26 übernommen. Dort ist nun die „Spelunke“. Der Name ist allerdings eher Koketterie, denn es ist keine finstere Kaschemme, sondern ein helles und freundliches Grillrestaurant. Der Untertitel lautet „Bar und Holzfeuergrill“. Das Essen ist einfach und preiswert, aber lecker. Wir grillen nicht nur Steaks, sondern italienische Hähnchen, Fisch, Gemüse oder Grillkäse. Hier sollen sich alle wohlfühlen, ob mit 17 oder 70. Hauptsache, locker soll’s zugehen. Ob im Biergarten, am langen Tresen oder rund um die kleine Bühne, wo künftig DJs oder Livebands ihr Bestes geben.

Welche Richtung schlägt der Hafen aktuell in seiner Entwicklung ein? Haben es alle Gastro-Betriebe durch die Krise geschafft?

Das muss sich zeigen. Durch die Verkettung vieler Faktoren werden sich manche Liquiditätslöcher erst zeitverzögert auswirken. Der Sand im Getriebe wird noch lange knirschen, sprich: Die Darlehen müssen noch lange abbezahlt werden. Ansonsten geht die Entwicklung des Mittelhafens weiter und damit auch das Wachstum der Gastronomie. Auch am Kreativkai wird durch hunderte neue Wohnungen der Zulauf wachsen. Es wird jetzt echt Zeit für eine Fußgängerbrücke an der Hafeneinfahrt, damit man einen Rundlauf hat. Das würde die Attraktivität deutlich erhöhen. Der Hafen ist schließlich ein Marketing-Schwergewicht Münsters. Allerdings wäre sehr wünschenswert, wenn im Zuge der weiteren Entwicklung keine Ketten hier auftauchen, sondern lokale Läden mit Herzblut & Handschrift. Das gilt auch für die Architektur: Wir brauchen hier nicht nur Betonblöcke – man muss irgendwie auch noch sehen können, dass es ein Hafen ist. Der neue Coppenrath-Speicher, der die alte Architektur aufnimmt, ist ein positives Beispiel.

Wohin gehst Du selbst gerne aus?

Zum Essen gehe ich gerne in Münsters Esszimmer, ins Gasthaus Leve und ins BoK. Das Moro 112 wurde mir jetzt mehrfach empfohlen, da will ich mal hin. Zum Bier trinken geh ich gern mal zu Kollegen in den BuVo, Spatzl, Gorilla Bar oder in den Whiskey Dungeon. Später treibt es mich als alten Rockfreund immer mal wieder auf die Metroparty, aber Nächte enden auch mal früh morgens im Fusion oder Favela, ich mag die verschiedenen Welten sehr. Wenn ich mich gar nicht entscheiden kann, bleib ich einfach in meinen eigenen Läden (lacht).

Du findest nicht, dass Münster noch irgendetwas Spezielles fehlt?

Münster nicht, aber den Münsteranern – nämlich etwas mehr Wetterfestigkeit. Die Münsteraner setzen sich nur bei strahlendem Sonnenschein und wolkenlosem Himmel nach draußen, zumindest ist das manchmal mein Eindruck. Dabei macht Draußenkultur doch bei fast jedem Wetter Spaß.

Man kann das Konzept Club nicht einfach neu erfinden – das funktioniert nun einmal durch Nähe, Kontakt und Ausgelassenheit

This article is from: