LISZT - Corona-Sonderausgabe // Das Magazin der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar

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Leerer Kalender Dirigierstudent Martijn Dendievel pendelte zwischen Frustration und Freiräumen Den Einfluss des Corona-Virus und der Hygienemaßnahmen durfte ich schon kennenlernen, bevor in Deutschland von Maskenpflicht, Abstandsregeln und Lockdown die Rede war. Ende Februar 2020 war ich auf Konzertreise in Japan, wo das Virus bereits früh zirkulierte. Mein Gastgeber erzählte mir, dass das Tragen einer Maske dort nichts Ungewöhnliches ist: sobald man leichte Erkältungssymptome hat, setzt man sie zum Schutz anderer auf; aus Respekt für seine Mitmenschen – übrigens genauso wie das Desinfizieren der Hände.

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annulliert und der Kalender komplett leer war. Zu diesem Zeitpunkt war auch noch nicht klar, wie das Semester an der Hochschule aussehen würde. Die Pause-Taste wurde betätigt und Warten war die einzige Option.

Es war eine eigenartige Erfahrung, durch die weißen Masken in einem abgedunkelten Saal zu sehen, dass das Konzert ausverkauft war. In dem Moment konnte ich noch nicht ahnen, dass nicht mal einen Monat später gar keine Konzerte mehr möglich sein würden, weder in Japan noch „zu Hause”.

Plötzlich hatte man Zeit zum Stillstehen, zum Atmen und um zur Ruhe zu kommen. Anfangs war dieses Gefühl sehr schön. Als es in den nachfolgenden Wochen zur Langeweile oder Frustration kam, habe ich versucht mich an diesen Zustand zu erinnern. Die Monate vor der Krise waren bei mir ein Dauerrennen; selbst an freien Tagen musste das nächste Konzert oder Projekt vorbereitet werden. Eine Zwangspause kam also nicht ungelegen, wenngleich die ausgefallenen Projekte wichtige Debüts waren, die vermutlich nicht alle wiederholt werden können. Leider werden die „alten Hasen” den Vortritt erhalten, wenn der Betrieb wieder aufgenommen wird ...

Am 12. März, als viele Orchester den Spielbetrieb einstellen mussten, durfte ich noch die bayerische kammerphilharmonie in Augsburg dirigieren. Am gleichen Abend wäre ich nach Hof gefahren um dort ein Familienkonzert zu dirigieren, anschließend hätte in Zürich die Järvi-Academy des Tonhalle Orchesters stattgefunden, Anfang April dann ein Konzert mit der Kammerakademie Halle, … doch nach und nach kamen die Absagen, bis die ganze Saison

Der Kulturbetrieb schaltete weltweit sehr rasch um und alle spielten zunächst für ein Online-Publikum. Als Dirigent alleine zuhause kann man leider nicht viel Musik produzieren, deshalb bot ich dem Symfonieorkest Vlaanderen, dessen Assistenz-Dirigent ich bin, eine Videoproduktion an, in der die Orchestermitglieder von zuhause aus ihren Part einspielen. Viele Stunden Schnitt und Abmischen sind dann in das Projekt geflossen, aber das Resultat war erstaunlich

Liszt - Das Magazin der Hochschule | Sonderausgabe 2020


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