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DO 29. OKT Hauskonzert

DO 29. OKT 2020

Hauskonzert

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Stadthaus Winterthur Beginn 19.30 Uhr ohne Pause Ende gegen 20.45 Uhr CHF 40 Mitglieder gratis freie Platzwahl Neu für Mitglieder: Bitte Mitgliederausweis mitbrin‑ gen (Registrierung gemäss BAGVerordnung)! Es gibt keine Ein‑ trittskarten mehr. Wer in der Galerie sitzen möchte, muss sich zusätzlich in eine Liste eintragen.

Musikkollegium Winterthur

LEITUNG Howard Griffiths

Sarastro Quartett

VIOLINE Ralph Orendain VIOLINE Roman Conrad VIOLA Marie-Luise Hermann VIOLONCELLO Lehel Donath

VIOLINE Sebastian Bohren KONTRABASS Josef Gilgenreiner

HOMMAGE AN GEORG WILHELM RAUCHENECKER

Georg Wilhelm Rauchenecker (1844 –1906) Orientalische Fantasie für Violine solo und Streichquintett (1865) 8' Andante con espressione Allegro con fuoco – meno mosso – più presto – Presto animato

Georg Wilhelm Rauchenecker Symphonisches Tonwerk im Stil einer Ouvertüre, zum 250- jährigen Jubiläum des Musikkollegiums Winterthur 1880 (1880) 14'

Georg Wilhelm Rauchenecker Sinfonie Nr. 1 f-Moll (1875) 35' Allegro ma non troppo Adagio con espressione Allegro impetuoso Moderato

Mit einer kurzen Einführung zu Leben und Werk von Georg Wilhelm Rauchenecker von Reto Schärli (zwischen den Werken).

Dieses Programm wird für eine CD-Produktion beim Label cpo aufgenommen.

Erstmals zu Gast am 18. März 2000, letztmals am 8. Juli 2016

Erstmals zu Gast am 14. November 2018 Der britische Dirigent Howard Griffiths studierte am Royal College of Music in London. Seit 1981 lebt er in der Schweiz. Howard Griffiths war seit der Saison 2007/08 Generalmusikdirektor des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt (Oder) und hatte dort 2013 seinen Vertrag bis 2018 verlängert. Vorher war er zehn Jahre lang künstlerischer Leiter des Zürcher Kammerorchesters (ZKO). Howard Griffiths tritt weltweit als Gastdirigent mit führenden Orchestern auf, unter ihnen das Royal Philharmonic Orchestra London, das Orchestre National de France, das Tschaikowsky Sinfonieorchester des Moskauer Radios, das Israel Philharmonic Orchestra, das Orchestra of the Age of Enlightenment, die London Mozart Players, die Northern Sinfonia, das Orquesta Nacional de España sowie verschiedene Rundfunkorchester in Deutschland. Seit 2000 ist Howard Griffiths künstlerischer Leiter der Orpheum Stiftung zur Förderung junger Solisten. Gegen 100 CD-Aufnahmen bei verschiedenen Labels zeugen von seinem breiten künstlerischen Spektrum.

Der Geiger Sebastian Bohren stammt aus Winterthur. Seine Ausbildung absolvierte er in Zürich, Luzern und München. Schnell etablierte er sich als vielversprechendes Talent unter den Gei gern seiner Generation. Als Solist trat er mit zahlreichen Orchestern im In- und Ausland auf und gab Konzerte in verschiedenen Ländern Europas, Asiens und Südamerikas. Zu seinen Kammermusik-Partnern zählen u.a. Thomas Demenga, Roby Lakatos, Benjamin Schmid, Maximilian Hornung, Dmitri Sitkowetski, Gerhard Schulz, Fabio Di Càsola und Christian Poltera. Sebastian Bohren ist seit 2013 Mitglied im Stradivari Quartett und war 2015 Festival Artist beim Boswiler Sommer. Er ist Preisträger zahlreicher Wettbewerbe und Förderpreise. 2015 erschien seine erste CD-Einspielung mit dem selten zu hörenden Violinkonzert von Ignaz Pleyel. 2016 folgte eine Einspielung von Beethovens Violinkonzert mit dem Ensemble Chaarts, 2017 Violinkonzerte von Mendelssohn Bartholdy und Hartmann sowie ein Live-Album mit Werken Vasks und Kanchelis. 2018 debütierte Sebastian Bohren beim Lucerne Festival.

Erstmals zu Gast am 28. Mai 1997, letztmals am 8. Dezember 2017 Das Sarastro Quartett wurde 1994 in Winterthur gegründet. Vier quartettbegeisterte Mitglieder des Musikkollegiums Winterthur taten sich am Beginn ihrer Orchesterlaufbahn zusammen und gaben sich den Ensemblenamen nach einem Silbenspiel mit ihren Vornamen. Es suchte und fand seine Stärken besonders im späten klassischen und im romantischen Repertoire, insbesondere bei seinen Interpretationen der Werke von Beethoven, Schubert, Mendelssohn Bartholdy und Brahms. Die Diskografie des Sarastro Quartetts ist denn auch ein beredter Zeuge von seiner besonderen Affinität zu den Tonsprachen von Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts. Eine weitere Vorliebe des Sarastro Quartetts gilt dem Schaffen von Schweizer Komponisten. Es arbeitete u.a. mit Jean Balissat, Peter Benary, Alfred Felder, Eric Gaudibert, Rudolf Kelterborn, Roland Moser, Fabian Müller und Ernst Pfiffner zusammen. Die Beständigkeit seiner musikalischen Arbeit zeigt sich auch in seiner Besetzung. So gab es in den über 20 Jahren seit der Gründung nur zwei Wechsel, die dem Quartett zwar neue Impulse, jedoch keine neue Absicht verliehen.

Josef Gilgenreiner ist seit 1996 Kontrabassist beim Musikkollegium Winterthur sowie seit 2015 Solo-Kontrabassist bei Le Concert Olympique in Belgien. Er studierte bei Josef Niederhammer an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien und war Solo-Kontrabassist im von Claudio Abbado gegründeten Mahler Chamber Orchestra. Zudem ist er ein gefragter Kammermusiker. Seine Engagements führten ihn zu einer Vielzahl von Festivals wie dem Rheingau Musik Festival, der Schubertiade Schwarzenberg und zum Menton Music Festival; eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit dem Carmina Quartett. Josef Gilgenreiner ist Kontrabassdozent an der Kalaidos Musikhochschule Zürich. Die Klassiktage Ammergauer Alpen betreut er als künstlerischer Leiter. In seinem eigenen Verlag für Musiknoten verlegt er u.a. Neukompositionen und Kontrabassliteratur.

Besetzung: Violine solo, Streichquintett Uraufführung: 4. März 1874, Win‑ terthur, Stadthaus, Mitglieder des Musikkollegiums Winterthur, Solist Georg Wilhelm Rau‑ chenecker

Musikkollegium Winterthur:

Erstmals aufgeführt am 4. März 1874, Solist Georg Wilhelm Rau‑ chenecker Georg Wilhelm Rauchenecker Orientalische Fantasie

«Rauchenecker ist eine jener Künstlernaturen, die […] über einen so reichen Born frischer, gesunder Gedanken verfügen, dass sie, aus diesem schöpfend, mit feinem Sinn und trefflichem Können werthvolle Werke schaffen.» Zugegeben, dieses Lob der «Allge meinen Musikalischen Zeitung» von 1878 mag etwas schwülstig wirken, bringt aber doch die hohe Wertschätzung von Georg Wil helm Rauchenecker auf den Punkt. Nachdem er 1870 wegen des Deutsch-Französischen Kriegs Frankreich, wo er als Violinist und Komponist gewirkt hatte (u.a. in Lyon und Aix-en-Provence), hatte verlassen müssen und in die Schweiz emigriert war, gelang es ihm schon 1873, zum Musikdirektor der Stadt Winterthur gewählt zu werden. Das Vertrauen in Rauchenecker muss gross gewesen sein, betraute man ihn doch schon kurz nach seinem Amtsantritt mit der Leitung des ersten gemischten Chors und der ebenfalls in jenem Jahr 1873 gegründeten Musikschule; zwei Jahre später wurde ihm zudem die Leitung des Stadtorchesters übertragen. Darüber hinaus wirkte er ab 1878 auch als Stadtorganist und er öffnete 1880 gar noch eine Musikalienhandlung in der Stadt an der Eulach –, ehe er 1884 zum Leiter des Berliner Philharmoni schen Orchesters ernannt wurde. Diese ruhmvolle Berufung wiederum verdankte er seiner Sinfonie Nr. 1 in f-Moll bzw. einer erfolgreichen Aufführung derselben in Winterthur im Jahr zuvor. Denn Rauchenecker war trotz seines sehr grossen Arbeitspen sums auch ein produktiver Komponist, der weit über Winterthur hinaus bekannt war. Dies verdeutlicht auch das eingangs zitierte Lob aus einem Artikel einer vielgelesenen deutschen Zeitschrift, in dem Raucheneckers Orientalische Fantasie durchaus positiv als «wirkliche Bereicherung der Concertmusik für die Violine» besprochen wird. Entstanden ist das Werk, wie auch die beiden anderen auf dem heutigen Programm, in der Winterthurer De kade von Rauchenecker und sticht vor allem mit zwei Eigenschaften hervor: zum einen mit der nicht ganz alltäglichen Besetzung für Solovioline und Streichquintett (welche eine Aufführung eines konzertanten Stücks ohne Orchester erlaubt), zum anderen mit der eigentümlichen, etwa an Mili Balakirews Orientalische Fantasie «Islamej» von 1869/70 erinnernde Spezi fikation des Titels. Das «Orientalische» ist jedoch weniger auf eine konkrete Vorlage zurückzuführen, sondern eher auf die häufig plastisch wirkende Musik – die «Wellenlinien des Was sers» oder einer «auf die Erde herabgesunken[en] Nacht» gleicht – bzw. auf den «Ausdruck eines glühenden Empfin dungslebens».

Besetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Posaune, Pauke, Streicher

Uraufführung: 10. April 1880, Winterthur, Stadthaus, Musikkollegium Winterthur, Leitung Georg Wilhelm Rauchenecker

Musikkollegium Winterthur:

Erstmals aufgeführt am 10. April 1880, Leitung Georg Wilhelm Rau‑ chenecker; letztmals am 6. April 2013, Leitung Reto Schärli

Besetzung: 2 Flöten, 3 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauke, Streicher

Uraufführung: 23. Oktober 1876, Winterthur, Stadthaus, Musikkol‑ legium Winterthur, Leitung Georg Wilhelm Rauchenecker

Musikkollegium Winterthur:

Erstmals aufgeführt am 23. Okto‑ ber 1876, Leitung Georg Wilhelm Rauchenecker; letztmals am 31. Oktober 1906, Leitung Ernst Rade‑ cke Georg Wilhelm Rauchenecker Stil einer Ouvertüre Symphonisches Tonwerk im

Auch für sein Symphonisches Tonwerk im Stil einer Ouvertüre wurde der «beliebte Musikdirektor» gelobt, u.a. weil diese «glanzund schwungvolle Komposition» erneut «die Berufung Rau cheneckers zum Komponisten» offenbart habe. Anlass und prunkvoller Rahmen für die Uraufführung des Werks von 1880 bil deten, wie der ganze Titel verrät, die Feierlichkeiten zum 250. Bestehen des Musikkollegiums Winterthur. Mit der Komposition für einen festlichen Anlass griff Rauchenecker auf eine beliebte und effektvolle Form zurück, die etwa auch Johannes Brahms (just im selben Jahr) für seine «Akademische Festouvertüre» verwendete.

Georg Wilhelm Rauchenecker Sinfonie Nr. 1 f-Moll

Den Puls der Zeit traf Rauchenecker schliesslich auch mit seiner Sinfonie Nr. 1 in f-Moll. Das Werk, das «durchgehends von edelm Gehalte, einem richtigen Erfassen der neuen Schule und von meisterhafter Durchführung» sei, zeigt Rauchenecker als behutsam zwischen Tradition und neuen Strömungen abwägenden Komponisten. Denn in der Tat war er zwar ein glühender Anhänger der sogenannten Neudeutschen Schule und Richard Wagners, den er 1870 im Exil in Zürich kennengelernt hatte und für dessen Werk er sich als Dirigent nachhaltig einsetzte; gleichzeitig sah er sich aber in einer klassischeren Entwicklungslinie mit Felix Mendelssohn Bartholdy oder Robert Schumann. Dieser Mittelweg manifestiert sich in der ersten Sinfonie in einer herkömmlichen romantischen Orchesterbesetzung, der immer wieder zu Tage tretenden Kontrapunktik und einer traditionellen Viersätzigkeit, die allerdings mit einer modernen Harmonik, einer ausgefeilten Instrumentierung sowie einer raffinierten Gesanglichkeit der Themen angereichert wird. Diese Syntheseleistung wird auch in einer Kritik von 1883 greifbar, in der es hiess, dass «bald Beethoven, bald Weber, dann wieder Mendelssohn und nicht am wenigsten Wagner mit ihren besten Ideen Pathe gestanden haben». Trotz – oder vielleicht gerade wegen – dieses Eklektizismus geriet Raucheneckers bemerkenswerte Musik spätestens nach seinem Tod 1906 in Vergessenheit; die heutige verdiente Hommage zeigt den Komponisten nun in seiner ganzen beeindruckenden Vielfalt.

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