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13 Väter und Söhne

#13 – VÄTER UND SÖHNE

MIKE (MANN 3)

ICH FRAGTE MICH: WIE WIRD’S DIR, SOHN, IN ZUKUNFT ERGEH’N? DA WARST DU NOCH KLEIN. HEUT DENK ICH DARAN, WIE SCHNELL DIE JAHRE VERGEH’N. NUN HOL’N SIE DICH EIN. FRÜHER SASSEN DEINE MUTTER UND ICH AM ABEND OFT ZUSAMMEN, IN GEDANKEN STETS BEI DIR. WIE GROSS KONNT’ UNSRE FREUDE SEIN, SCHLIEFST DU VON GANZ ALLEINE EIN, HATT’ST EIN NEUES WORT GELERNT, WIEVIEL PLÄNE HATTEN WIR!

ICH WAR EINHELDFÜR DICH, UND MACHTE NIE WAS FALSCH, ICH NAHM DICH AN MEINE HAND, WAR DER BESTE AUF DER WELT FÜR DICH. ES GAB EIN FESTES BAND, DOCH ES BESTAND NUR EINE KURZE ZEIT. MEINEFEHLER TUNMIR LEID.

FRÜHER EINMAL STAND ICH MEINEM VATER SEHR NAH, DOCH ICH FRAG’ MICH HEUT, WARUM DAS, WAS DAMALS SCHÖN UND HEITERWAR, MICH NUN NICHT MEHR FREUT. IRGENDWANN FINGICH ZU SCHAUDERN AN, UMARMTE ER MICH DANN UND WANN, FÜR SEINE LIEBE WAR ICH BLIND. DOCH ESGAB‘NE ZEIT DAVOR, BEIM FUSSBALLSPIEL’N STANDER IM TOR, UND WIR SCHLIEFEN NACHTS IM FREI‘N, MEIN VATER UND SEIN KIND.

ER WAREIN HELDFÜR MICH UND MACHTE NIE WAS FALSCH, ER NAHM MICH AN SEINE HAND. ER WARFÜR MICH DER KLÜGSTE UND DER STÄRKSTE, AN IHN GLAUBTE ICH. ES GAB EIN FESTES BAND, DOCH ES BESTAND NUR EINE KURZE ZEIT. WIR HABEN UNS ENTZWEIT. UNS BEIDEN TUT ESLEID.

(über der Musik gesprochen) Das klingt vielleicht komisch, aber mein Kind ist für mich wie mein Abdruck, wissen sie, was ich meine? Das ist es, wofür ich arbeite. JedesMal, wenn ich einen cleverenjungen Kerl sehe, wie er im Anzugan mir vorüberläuft, denke ich an mein Kind. Wissen sie, was ichwill? Ich will, dass mein Kind mir sagt, dass es nicht so werden wirdwie ich. Ich will, dass er mich ansieht und sagt: ‚Papa, du bist ein netter Kerl, aber auchein verdammter Dummkopf.‘Ja, zur Hölle. Wenn du dich selbst nicht verbessern kannst, verbesserst du halt deine Nachkommen. Sonst ist das Leben nichtswert, sonst kannst du gleich zurück in dieHöhle gehen und dableiben. Ich bin sicher, dererste Höhlenmensch,der auf den Hügel geklettert ist, um zu sehen, was auf der anderen Seite liegt –er tat es nicht nur aus Neugier, ertat es, um seinen Sohn aus der verdammten Höhle rauszuholen …

MIKE MANN 1 & 2

ICH FRAGTE MICH: WIE WIRD’S DIR, SOHN, IN ZUKUNFT ERGEH’N? ZUKUNFT ERGEH’N …

WAS WIRD MIT UNS PASSIER’N? ERGEH’N…

HEUT DENK ICH DARAN, WIE SCHNELL DIE JAHRE VERGEHN, DIE JAHRE VERGEH’N,

UND WAS WIR VERLIER’N.

HEUTE ERST STEH’ ICH DAZU, DASS ICH TUE, WAS ICH TU’, DINGE SO SIND, WIE SIE SIND,

ICH TUE, WAS ICH TU’, UND WENN ICH MEINE ARBEIT TU’, OOH ICH’S FÜR EIN BESSRES LEBEN TU’, ALS DAS, WAS MEIN VATER MIR GAB. ICH TU’ ES FÜR MEIN KIND. (Während des Applauses kommen Arbeiter langsam, einer nach dem anderen, auf die Bühne.)

MIKE

Du denkst an die Arbeit, die du geleistet hast. Auch, sagen wir mal, Michelangelos Sixtinische Kapelle, dieses tolle Kunstwerk. Aber was wäre, wenn er diese Kapelle tausendmal im Jahr ausmalen müsste? Glaubt ihr nicht, das würde Michelangelo auch abstumpfen?

FRAU 3

Schaut, es ist nicht nur die Arbeit. Jemand hat die Pyramiden erbaut.

MANN 2

Die Pyramiden, das Empire State Building, diese Dinge passieren nicht einfach.

MANN 1

Es kümmert mich nicht, wie groß mein Anteil an einer Sache ist. Du fährst eine Straße entlang und sagst: „Ich habe an dieser Straße mitgearbeitet.“

FRAU 2

Wenn’s eine Brücke ist, sagst du: „Ich habe an dieser Brücke mitgebaut.“

FRAU 1

Ich denke,wenn ein Tischlereinem Dichter eine Gartenlaube zimmert, dann schuldet der Dichter dem Tischler eine kleine Tafel –ein paar kurze Zeilen an der Wand:

MANN 2

„Wir erschaffen etwas mitunserem Geist, dochdieser Platz, an dem wir uns wohl fühlen, wurde von jemandemerschaffen, der mit seinen Händen arbeitet.“

FRAU 2

Picassowar stolz auf sein Bild…

FRAU 1

Ein Schriftsteller ist stolz auf sein Buch …

MANN 1

Worauf bin ich stolz?

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