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Mechanische Kreislaufunterstützung Roland Hetzer

Systeme der mechanischen Kreislaufunterstützung wurden eingeführt, um das Leben auch Schwerstkranker im Herzversagen zu erhalten. Solche Systeme sind konzipiert für den kurzfristigen Einsatz zur Unterstützung nach Infarkt oder nach Herzoperationen, weiterführende (sogenannte künstliche Herzen) können über Monate und Jahre bis zur späteren Herztransplantation, bis zur Herzerholung oder auch als Dauerlösung die Herzfunktion ersetzen. Berlin hat eine lange Tradition in der Entwicklung „künstlicher Herzen“, am Deutschen Herzzentrum Berlin wurde die größte Zahl solcher Systeme weltweit angewendet. Die aus dem Zentrum hervorgegangene Firma Berlin Heart hat eine Führungsrolle weltweit in der Herstellung von Systemen für Kinder und solchen mit modernster Technik, die auf Dauer implantiert werden können. Systems of mechanical circulatory support were developed to keep patients alive who would otherwise die from heart failure. Such systems were designed for short-term use after heart infarcts or after open-heart operations. More advanced systems (so called artificial hearts) may support or even replace heart function for months and years till later on heart transplantation, till heart recovery or as a permanent implant. Berlin has a long tradition in the development of such systems. At Deutsches Herzzentrum the largest number worldwide of “artifical hearts” were implanted. The offspring company Berlin Heart has a leading role in the world in creating systems for children and for systems which can be reliably implanted for several years due to their magnetic bearings.

Einleitung Das Herzversagen ist die häufigste Todesursache in den entwickelten Ländern in unserer Zeit. In Deutschland sterben jährlich nahezu hunderttausend Menschen am akuten Versagen des Herzens und mehrere hunderttausende mit den Zeichen des chronischen Herzversagens.

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In beiden Formen steht zu aller erst die medikamentöse Behandlung und die operative und katheterinterventionelle Beseitigung von Ursachen des Herzversagens, wie Koronararterienverschlüssen, Herzklappenfehlfunktionen und Herzrhythmusstörungen. Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, die Funktion des Herzens wieder so herzustellen, dass es einen für den Organismus ausreichenden Kreislauf unterhalten kann, muss man von außen Energie hinzufügen, um das Herz zu unterstützen oder in seiner Funktion zu ersetzen. Da hierfür akzeptable biologische Methoden wie die Herztransplantation oder die schnelle Regeneration des Herzmuskels entweder nicht in genügender Zahl oder zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen bzw. noch nicht entwickelt wurden, bleiben gegenwärtig nur Systeme der mechanischen Kreislaufunterstützung, um das Leben eines Schwerkranken zu erhalten. Erste experimentelle Konzepte hierfür datieren zurück in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und die Arbeiten von deutschen Physiologen. Auch heute noch wichtige Systeme sind die verschiedenen Formen von Pumpen, z. B. Rollerpumpen oder Zentrifugalpumpen, die über Schlauchsysteme von außerhalb des Körpers die Blutsäule bewegen und in großem Umfang in der so genannten Herz-Lungen-Maschine in der Herzchirurgie (s. Abb. 1), aber auch für die Unterstützung bis zu mehreren Wochen bei stationären, intensivpflichtigen Patienten Anwendung finden. Solche Systeme erlauben es, Patienten auch mit Herz- und Lungenversagen in Form der so


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Abb. 1

Schema einer Herz-Lungen-Maschine, mit welcher über eine künstliche Lunge (2) und eine Rollerpumpe (3) Lunge und Herz des Patienten in der Funktion ersetzt werden. (nach Klövekorn WP u. a., in Borst H. G und andere, Berlin, Springer 1991)

genannten „extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO)“ solange zu unterstützen, bis es zu einer Erholung der beiden Organsysteme kommt. Die einfachste Form der mechanischen Kreislaufunterstützung ist die so genannte intraaortale Ballongegenpulsation, bei der ein Ballon an einem Katheter in die absteigende Hauptschlagader eingeführt und von außen im Rhythmus des Herzschlags entfaltet wird und kollabiert und damit einen Teil der nötigen Herzleistung übernehmen kann (s. Abb. 2). Diese Methode ist zwar sehr verbreitet und einfach anzuwenden, sie setzt jedoch noch eine gewisse Herzfunktion voraus und ist nur auf wenige Tage begrenzt einsetzbar. Erste Versuche, das Herz, d. h. beide Herzkammern, durch ein künstliches Pumpsystem zu ersetzen, das so genannte „künstliche Herz“

gehen zurück auf die fünfziger Jahre. Zahlreiche Experimentalgruppen befassten sich mit diesem Konzept, was seit 1968 wiederholt zu klinischen Einsätzen bei schwersten Formen des Herzversagens führte, allerdings noch nicht

Abb. 2

IABP Intraaortale Ballonpumpe, implantiert in die absteigende Hauptschlagader. Der Ballon füllt und entleert sich im Rhythmus des Herzens.

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mit dem ersehnten Erfolg eines über Jahre dauernden Ersatzes des gesamten Herzens. Gegenwärtig verfügbar ist ein totales künstliches Herz in Form des Cardiowest-Systems, einer zweikammerigen, von außen mit Luftdruck angetriebenen Pumpe. Ein elektrisch betriebenes künstliches Herz, das „AbioCor“, ist derzeit noch in begrenzter klinischer Erprobung. Die breiteste Anwendung, auch für den langfristigen Einsatz, haben Herzunterstützungspumpen, so genannte Ventricular-Assist-Devices (VAD) gefunden, die in zunehmendem Maße für die Unterstützung bis zu einer späteren Herztransplantation, in einigen Fällen bis zu einer Erholung der Herzfunktion und mehr und mehr auch als Dauerlösung über Jahre hinweg Eingang in die klinische Routine gefunden haben. Hierzu zählen extrakorporale Pumpen, die mit großkalibrigen Kanülen mit dem Herz verbunden sind, außerhalb des Körpers liegen und mit Luftdruck angetrieben werden (Berlin Heart EXCOR, Medos, Thoratec). Bei implantierbaren elektrisch betriebenen pulsatilen Systemen wird die nötige Energie über Hautdurchleitungen von Kabeln oder per Induktion zwischen zwei Spulen über die unverletzte Haut von außen nach innen transportiert (Novacor, Heartmate I, LionHeart). Ebenso elektrisch angetrieben sind die neueren Formen von Systemen, die über einen Rotor einen kontinuierlichen Fluss produzieren, entweder so genannte Axialflusspumpen oder Zentrifugalpumpen, die erheblich kleiner und geräuschlos sind (DeBakey, Berlin Heart INCOR, Heartmate II, Duraheart). Diese Systeme sind mit einer erhöhten Lebensqualität und Mobilität verbunden und eignen sich auch für die mehrjährige Anwendung.

totalen künstlichen Herzen oder mit VADs umfangreichste weltweit darstellt. Im Rahmen dieses Programms wurde die Firma Berlin Heart gegründet, die seit 1988 erstmals aus Europa derartige extrakorporale, pneumatisch angetriebene Pumpen „EXCOR“ herstellt (s. Abb. 3) und seit 1992 miniaturisierte Systeme für Kleinkinder und Säuglinge „EXCOR Pediatric“, die auch heute noch die einzigen für den langfristigen Einsatz in diesem Alter darstellen (s. Abb. 4). Diese wurden am Deutschen Herzzentrum Berlin konzipiert und weiterentwickelt und hier lie-

Künstliche Herzen in Berlin Auf dem Boden der experimentellen Vorarbeiten von Bücherl wurde seit 1987 am Deutschen Herzzentrum Berlin ein Programm der mechanischen Kreislaufunterstützung initiiert, welches das mit bisher über 1000 Patienten mit

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Abb. 3

Berlin Heart EXCOR Zwei außen liegende Pumpen, pneumatisch angetrieben, sind durch großkalibrige Kanülen mit den Herzkammern und den großen Arterien verbunden.


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COR“, welches 2002 am Deutschen Herzzentrum Berlin erstmals und seitdem weltweit in mehreren hundert Patienten bis zu über drei Jahren angewandt wurde (s. Abb. 5, 6, 7).

Gegenwärtiges Konzept der mechanischen Kreislaufunterstützung

Abb. 4

Berlin Heart EXCOR Pediatric implantiert bei einem Säugling mit Herversagen

gen auch die umfangreichsten Erfahrungen weltweit vor. Die Firma Berlin Heart hat dann auch das erste implantierbare, magnetisch gelagerte und kontinuierlich pumpende VAD entwickelt „IN-

Exemplarisch wird hier die Vorgehensweise am Deutschen Herzzentrum Berlin dargestellt. Bei akutem Herzversagen, bei akutem Infarkt oder nach Herzoperationen im Notfall oder immer dann, wenn eine rasche Erholung der Herzfunktion möglich erscheint, erfolgt zunächst die Implantation einer intraaortalen Ballonpumpe. Wenn diese nicht ausreicht, kommen Kurzzeit VADs, entweder kontinuierlich oder pulsatil pumpende Systeme zur Anwendung. Wenn der Patient sich von den Schockfolgen erholt hat, aber die Funktion des eigenen

Outflow cannula

Inflow cannula

Diffuser

Abb. 5

Cable bushing

Motor

Impeller

Inducer

Berlin Heart INCOR Axialflusspumpe Schema der Pumpenteile mit Ein- und Auslasskanüle und dem Rotor, welcher von Magneten getrieben und in seiner Lage ohne Reibung gehalten wird.

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A Medizinische Versorgung und Therapie

Abb. 6

Berlin Heart INCOR Implantationsschema am gläsernen Modell

Abb. 7

Patient mit Berlin Heart INCOR, zu Hause bei der Arbeit

Herzens so geschädigt bleibt, dass es ohne ein mechanisches System nicht auskommen kann, besteht die Möglichkeit, anstelle dieser Kurzzeitsysteme ein langfristig wirkendes System zu implantieren, entweder als Überbrückung bis zu einer späteren Herztransplantation oder auf Dauer.

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Solche langfristig wirksamen Systeme kommen auch primär bei chronischem Herzversagen zur Anwendung. Es ergeben sich dann, je nach der Art der Herzerkrankung und abhängig von bedeutsamen Begleiterkrankungen oder auch nach dem Alter des Patienten grundsätzlich drei Wege: 1. Die Überbrückung bis zu einer Herztransplantation, welche auch heute noch das häufigste Anwendungsgebiet ist. Am Deutschen Herzzentrum Berlin wurden bisher 256 Patienten bis zu 5 Jahren mit solchen Langzeitpumpen unterstützt, bis sie schließlich doch transplantiert wurden. 2. Auch nach Monaten der mechanischen Unterstützung ist eine vollständige Erholung des Herzens noch möglich, was auch erstmals am Deutschen Herzzentrum Berlin bei chronischen Herzmuskelerkrankungen gezeigt werden konnte. Dann kann unter günstigen Umständen eine Explantation der Pumpe erfolgen und es konnte gezeigt werden, dass Patienten mit dem dann wieder völlig in seiner Funktion restituierten Herzen dauerhaft, mittlerweile schon 12 Jahre, leben können. 3. Die permanente Implantation einer solchen Pumpe kommt in Frage bei Patienten, bei denen keine Herzerholung stattfindet und die für eine Transplantation gravierende Hinderungsgründe aufweisen. Sie ist das eigentliche Ziel der Entwicklung, welches in zunehmendem Maße erreichbar ist. Zahlreiche Patienten leben schon 5 und mehr Jahre mit solchen Pumpen und genießen eine akzeptable Lebensqualität. Die nun schon lange dauernde Entwicklung der künstlichen Herzsysteme ist gekennzeichnet durch die Bemühungen zur Beherrschung bedeutsamer Probleme, die mit diesen Pumpen verbunden sind: Technisches Versagen ist heute selten. Potenziell besteht die Möglichkeit einer Infektion über die Hautdurchleitungen. Die Erfahrung zeigt, dass diese Gefahr bei den kleineren, kontinuierlich arbeitenden Pumpen sehr reduziert werden konnte.


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Ein gravierendes und nach wie vor nicht letztlich gelöstes Problem ist die Gerinnselbildung des Blutes an den künstlichen Oberflächen und die damit verbundene Notwendigkeit einer Dauerantikoagulation. Es hat hier große Fortschritte gegeben, durch besondere Behandlung der künstlichen Oberflächen und eine günstige Flusscharakteristik in den Pumpen sowie effektive und individuell gesteuerte Antikoagulation über ein fortgeschrittenes Gerinnungsmonitoring. Völlig ausgeschlossen ist jedoch die Möglichkeit einer Thrombenbildung immer noch nicht. Die Lebensqualität mit solchen Systemen ist enorm verbessert worden und erlaubt ein nahezu normales Leben (s. Abb. 7). Die Kosten sind nach wie vor sehr hoch und verbieten damit eine breite Anwendung. Dies scheint jedoch mit steigenden Stückzahlen in Zukunft erträglicher zu werden. In der Zusammenfassung bietet das Spektrum der heute verfügbaren Systeme der mechanischen Kreislaufunterstützung, von der intraaortalen Ballonpumpe über Kurzzeit- und Langzeit-VADs bis zum totalen künstlichen Herzen

ein nahezu lückenloses Programm zur Beherrschung jeglicher Form des Herzversagens. Mit diesen Systemen wurde vielen Menschen das Leben gerettet, verlängert und mit neuer Lebensqualität erfüllt. Offene Fragen beziehen sich vor allem auf den richtigen Zeitpunkt zur Anwendung des jeweiligen Systems, zur Vermeidung und Beherrschung von irreversiblen Schäden am Organismus durch das Kreislaufversagen, die Biologie der Interaktion des Blutes mit den künstlichen Oberflächen, die optimale Regulation der Pumpsysteme im Kreislauf des Patienten und die Entwicklung von Systemen zur Vollimplantierbarkeit. Besonders viel versprechend ist die Beobachtung der Erholungsfähigkeit des Herzens auch bei schweren, chronischen Herzmuskelerkrankungen und die Möglichkeit der permanenten Implantation für Patienten, für die es sonst keine Behandlungsmöglichkeit gibt. Insgesamt sind diese künstlichen Herzpumpen heute schon für viele Patienten die einzige Möglichkeit zu überleben und eine zunehmende Alternative zur Herztransplantation, die immer begrenzt verfügbar bleiben wird.

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Roland Hetzer 1983 erste Herztransplantation in Hannover, im Gefolge Aufbau des damals größten Herztransplantationsprogramms in Deutschland; 1985 Berufung zum Universitätsprofessor der Freien Universität Berlin und Bestellung zum leitenden Arzt der Herzchirurgie und Ärztlichen Direktor des Deutschen Herzzentrums Berlin; seit 1986 Ausübung dieser Tätigkeit mit dem Aufbau des Deutschen Herzzentrums Berlin, insbesondere der Chirurgischen Abteilung. Seit 1988 hat das Deutsche Herzzentrum Berlin seine geplante volle Kapazität auf mehr als 5000 operative Eingriffe, davon rund 3500 mit Herzlungenmaschinen jährlich gesteigert. Oktober 2004 wurde die 50.000 Operation am offenen Herzen durchgeführt. Einrichtung einer zunächst nicht geplanten Abteilung für Kinderkardiologie als Voraussetzung für die Aufnahme eines Programmes der operativen Behandlung, insbesondere im Säuglings- und Kleinkindesalter. 1987 Verleihung des Berliner Verdienstordens; seit 1995 Universitätsprofessor der Humboldt Universität zu Berlin, 1995 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse; seit 1998 Ärztlicher Direktor des Herzzentrums Cottbus

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Aktuelle Konzepte in der Diagnostik und neurochirurgischen Therapie des sogenannten „Altershirndrucks“ (idiopathischer Normaldruckhydrozephalus) Ullrich Meier, Sven Mutze

Unter der Vielzahl degenerativer Erkrankungen des Gehirns, die in den demografisch alternden Gesellschaften der westlichen Industrienationen an immer größerer Bedeutung gewinnen, besitzt der „Altershirndruck“ aufgrund der neurochirurgischen Therapieoption eine herausgehobene Stellung. In der Praxis kommt es darauf an, die mit einer Symptomatik bestehend aus Gangstörungen, Kurzzeitgedächtnisstörungen und Kontrollverlust beim Wasserlassen (Urininkontinenz) auffällig werdenden Patienten im Rahmen der interdisziplinären Zusammenarbeit rechtzeitig zu diagnostizieren, einer modernen operativen Therapie zuzuführen und anschließend in regelmäßigen Abständen nachzuuntersuchen. Ein hoher positiver Vorhersagewert wird am ehesten durch eine sinnvolle Kombination von nichtinvasiven (Diagnostikmethode außerhalb des menschlichen Körpers) und invasiven diagnostischen Maßnahmen (Instrumentelle Diagnostik innerhalb des Körpers) erzielt. Dabei kommen neben den Methoden der Neuroradiologie (Computertomographie und Magnetresonanztomographie) die probatorische Hirnwasserentnahme bzw. die Volumen-Druckuntersuchung über eine Lumbalpunktion oder die lumbale Liquordrainage über 72 Stunden zum Einsatz. Die Autoren stellen dazu ein Diagnostikschema vor, welches sich in der klinischen Praxis bewährt hat. Ist ein „Altershirndruck“ diagnostiziert, empfiehlt sich die Operation, bei welcher das überschüssige Hirnwasser mittels ventilgesteuertem Schlauchsystem, im Unterhautfettgewebe platziert, in den Bauchraum abgeleitet wird. In einer klinischen Verlaufsbeobachtung von Patienten mit „Altershirndruck“ über durchschnittlich 3 Jahre nach der operativen Therapie konnten die Autoren zeigen, dass mit der Implantation von Gravitationsventilen sehr gute klinische Ergebnisse erzielt werden können. The numerous degenerative brain diseases, especially adult hydrocephalus, is a focus of growing interest because

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of the changing demographics of the elderly in the western industrial community and due to the existence of satisfactory neurosurgical treatments. In practice, it is of great importance to identify those patients with adult hydrocephalus who have the clinical triad of gait disturbance, short memory deficit and the inability to control the bladder function, so that they can receive interdisciplinary diagnostics, so as to offer the proper modern treatment and regular clinical follow-up. There is high predictive value in the effective combination of invasive and non-invasive diagnostic methods. In fact, the combination of neuro-radiological functional and morphological methods with probatory cerebrospinal fluid (CSF) tapping through a single or sequential lumbar puncture or a continuous lumbar CSF drainage for 3 days are the best examples of treatments with a satisfactory outcome. The authors show a diagnostic scheme which was of great practical use in the diagnosis of adult hydrocephalus. Here, the therapy of choice is shunting procedures, where the excessive CSF is transported, via a valve-regulated subcutaneous catheter system, in the intra-peritoneal cavity. Through a clinical 3 year postoperative follow-up study of shunted patients with adult hydrocephalus using gravitational valve-systems, the authors demonstrated very good results.

Einleitung Die Neurologen Hakim und Adams beschrieben 1965 erstmals den sogenannten „Altershirndruck“ [1]. Die beiden Forscher konnten nicht ahnen, dass sie mit dem Normaldruckhydrozephalus („Altershirndruck“) ein Krankheitsbild reversibler Demenz des höheren Lebensalters


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2 Aktuelle Konzepte in der Diagnostik und neurochirurgischen Therapie des sogenannten „Altershirndrucks“ (idiopathischer Normaldruckhydrozephalus)

entdeckt hatten, das allein aufgrund der demografischen Entwicklung in den westlichen Gesellschaften einmal eine stetig wachsende Bedeutung haben würde. Zur Definition des Krankheitsbildes lässt sich formulieren, dass es sich beim „Altershirndruck“ um einen sogenannten „Wasserkopf“ (Hydrozephalus: deutlich erhöhter Anteil von Hirnwasser innerhalb der Kammern des Gehirns) ohne dauerhaft pathologisch erhöhte Hirndruckwerte handelt, dem keine aus der Krankengeschichte bekannte Ursache zugrunde liegt. Es treten bei diesen Patienten jedoch pathologisch erhöhte Hirndruckamplituden beim Schlafen insbesondere während der Traumphasen auf.

Diagnostik des „Altershirndrucks“ Meist ergibt sich die Verdachtsdiagnose, von Zufallsbefunden im Computertomogramm abgesehen, aus der klinischen Symptomatik. Nach wie vor sind dabei die drei Symptome Gangstörungen, Kurzzeitgedächtnisstörungen (zunehmende Vergesslichkeit) und Kontrollverlust beim Wasserlassen (Urininkontinenz) maßgeblich, wobei in der jüngeren Literatur die Bedeutung der Gangstörungen als frühestes und wichtigstes Symptom immer mehr hervorgehoben

Abb. 1

Computertomogramm eines Patienten mit „Altershirndruck“

wird [3, 4, 7]. Prinzipiell sollten zwei Symptome vorliegen, um eine Verdachtsdiagnose zu begründen. In der anschließenden CT-Untersuchung lässt sich der so gestellte Verdacht anhand einer Messung der Größe der Hirnwasserkammern erhärten oder ausräumen, eine beweisende Diagnose ist damit jedoch nicht möglich (s. Abb. 1). In der Klinik für Neurochirurgie des Unfallkrankenhauses Berlin werden diese Patienten dann zur weiterführenden und invasiven Diagnostik stationär aufgenommen. Nach einer funktionellen Untersuchung mittels Magnetresonanztomographie (MRT), bei der das Flussvolumen des Hirnwassers durch die Kammern des Gehirns quantifizert wird, erfolgt die diagnostische Punktion des Spinalkanals in Lokalanästhesie beim liegenden Patienten (Lumbalpunktion). Über die liegende Nadel wird sterile Kochsalzlösung nach einem definierten Protokoll infundiert und gleichzeitig der Druck im Hirnwasserraum gemessen. Auf diese Weise sind Rückschlüsse auf den individuellen Abflusswiderstand bei der Rückresorption des Hirnwassers möglich. Ist der Abflusswiderstand pathologisch erhöht, so spricht dies für die Diagnose „Altershirndruck“. An diese Untersuchung schließt sich die probatorische Hirnwasserdrainage an. Ähnlich der kontinuierlichen Hirnwasserdrainage nach der beabsichtigten Operation werden dabei ca. 50 ml Hirnwasser entnommen. Anschließend wird die klinische Symptomatik bewertet. Kommt es hier zu einer deutlichen Besserung, insbesondere der Gangstörungen, so hat dies ebenfalls eine hohe positive Vorhersagekraft bezüglich der Diagnose „Altershirndruck“ und dem therapeutischen Nutzen der Operation [3]. Alternativ möglich ist eine Messung des Hirndrucks für 24 Stunden mit einer Analyse der B-Wellen (RampenWellen) im Druckverlauf. Sollte sich in allen vorgenannten Verfahren keine eindeutige Diagnose ergeben, so besteht noch die Möglichkeit der kontinuierlichen und externen Hirnwasserdrainage über 72 Stunden per Lumbalkatheter. Auch hier ist die Beeinflussung der klinischen Symptomatik durch diese Maßnahme entscheidend [5] (s. Abb. 2).

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Abb. 2

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2 Aktuelle Konzepte in der Diagnostik und neurochirurgischen Therapie des sogenannten „Altershirndrucks“ (idiopathischer Normaldruckhydrozephalus)

Neurochirurgische Therapie des „Altershirndrucks“ Die Therapie des sogenannten „Altershirndrucks“ hat nach derzeitigem Wissensstand das Ziel, die Herstellung physiologischer Druckverhältnisse im Schädelinnenraum während des gesamten Tagesverlaufes über 24 Stunden und unabhängig von den körperlichen Aktivitäten des Patienten zu gewährleisten. Dabei hat sich die Implantation eines Schlauchsystems unter die Haut, von den Hirnwasserkammern bis in den Bauchraum reichend, und die Steuerung dieser künstlichen und internen Hirnwasserdrainage durch ein Ventil durchgesetzt [2, 3, 6]. Derzeit sind eine Vielzahl von Ventilkonstruktionen verschiedener Hersteller auf dem Markt. Nahezu alle angebotenen Ventile funktionieren nach dem Differentialdruckprinzip, bei dem das Ventil die Hirnwasserpassage freigibt, sobald das Druckgefälle zwischen Einfluss (Hirnwasserkammer) und Ausfluss (freie Bauchhöhle) den spezifischen Öffnungsdruck des Ventils übersteigt. In den vier zurückliegenden Jahrzehnten der Therapie des Hydrozephalus hat sich dabei immer wieder gezeigt, dass vor allem zwei Komplikationen den Erfolg gefährden können. Fließt über das implantierte Schlauchsystem zu viel Hirnwasser ab (Überdrainage), so kommt es neben klinischen Symptomen wie Kopfschmerzen zu einer übermäßigen Verringerung der Weite der Hirnwasserkammern und kompensatorisch zur Ausbildung von Blutungen oder Hirnwasser-Inseln zwischen Gehirn, Hirnhäuten und Schädelknochen. Fließt zu wenig Hirnwasser über das ventilgesteuerte Schlauchsystem ab (Unterdrainage), so bleibt die klinische Symptomatik bei einer weiteren Zunahme der Hirnwasserkammern unverändert oder verschlechtert sich weiter. Dabei ergab sich der fatale Zusammenhang, dass Ventile mit einem sehr niedrigen Öffnungsdruck zwar zu einem besseren klinischen Erfolg führen, gleichzeitig jedoch eine deutlich erhöhte Komplikationsrate (Überdrainage) nach sich ziehen. Der Grund dafür ist, dass der geringe Öffnungsdruck nachts in liegender Position zwar eine optimale Hirnwasser-

drainage und damit ein gutes klinisches Ergebnis ermöglicht, tagsüber bei stehender Position des Patienten jedoch aufgrund des hohen hydrostatischen Druckgefälles, das sich mit der relativen Position von Drainageeinlauf und Drainageauslauf zueinander ergibt, einen übermäßigen Hirnwasserabfluss und damit eine Überdrainage erzwingt [8]. Aus diesem Grund wurden sogenannte Gravitationsventile entwickelt, deren Öffnungsdruck lageabhängig zwischen einem höheren und einem niedrigeren Wert wechselt [6]. Der hohe Wert in der stehenden Position neutralisiert das hydrostatische Druckgefälle, der niedrige Wert in der liegenden Position ermöglicht eine suffiziente Hirnwasserdrainage. Einen weiteren Vorteil bieten verstellbare Ventile, die eine individuelle Anpassung des Öffnungsdruckes ermöglichen. Beide Funktionen, sowohl die Schwerkraftsteuerung als auch die Verstellbarkeit sind heute kombiniert nutzbar [2].

Nachuntersuchungen Von entscheidender Bedeutung bei der Therapie von Patienten mit sogenanntem „Altershirndruck“ ist ein umfassendes Behandlungskonzept, das mit der akkuraten Diagnosestellung beginnt und sich nach der operativen Therapie in einer sehr langfristigen Begleitung der Patienten über regelmäßige Nachuntersuchungen fortsetzt. In unserer Klinik sehen wir die Patienten grundsätzlich 3, 6 und 12 Monate nach der operativen Therapie, anschließend erfolgen jährliche Nachuntersuchungen. Die Autoren untersuchten im Rahmen einer klinischen Verlaufsbeobachtung alle Patienten, die innerhalb eines Sechs-Jahres-Zeitraumes (1997 bis 2003) in der Klinik für Neurochirurgie des Unfallkrankenhauses Berlin diagnostiziert und aufgrund eines sogenannten „Altershirndrucks“ operativ mit einem Gravitationsventil therapiert wurden [2]. Während bei der postoperativen Untersuchung der Patienten in 80% der Fälle sehr gute, gute und befriedigende klinische Ergebnisse evaluiert wurden, so konnte 3 Jahre nach der Operation noch bei

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